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Berufserfolg und Familiengründung

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Text of Berufserfolg und Familiengründung

Die bibliographischen Angaben zur Originalausgabe:

Eine gedruckte Publikation des hier vorliegenden Textes – auch in Auszügen– ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet. Aber natürlichsteht es jedem frei, den Text auf seinen eigenen PC zu laden und für deneigenen Gebrauch auch auszudrucken.

Klaus Birkelbach

Für Margit und Robert

Vorwort (zur als Buch publizierten Auflage)

Bei diesem Buch handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Disser-tation "Berufserfolg und Familiengründung. Der private und beruflicheLebenslauf ehemaliger Gymnasiasten bis zu ihrem 30. Lebensjahr zwischeninstitutionellen Vorgaben und individueller Konstruktion", die im Frühjahr1996 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf angenommen wurde.

Vorwort zur Internetpublikation

Die vorliegende Internetpublikation entspricht in seinem Textteil dem imWestdeutschen Verlag publizierten Buch. Die Publikation im Internet machtes aber möglich, den kompletten Tabellenanhang der als Dissertation ange-nommenen Fassung zu übernehmen. Die Verweise auf Tabellen und Abbil-dungen im Anhang habe ich im Text nicht verändert. Im Anhang allerdingexistieren zwei Numerierungen – einmal die der Dissertationsschrift und dieder im Westdeutschen Verlag publizierten Version (fettgedruckt).

Über ein Feedback zu dem vorliegenden Text würde ich mich sehr freuen.Meine E-Mail Adresse lautet: [email protected].

Düsseldorf, im Juni 2001

Klaus Birkelbach

Inhaltsübersicht

822.5 Zwischenbilanz: Alte und neue Normalitäten des Lebenslaufes . . . . . . . . . . . . . . 78

2.4 Synopse der Zeitpunkte wichtiger Übergänge auf beiden Strängen desLebenslaufes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

702.3.2 Durchschnittliche Dauer der Phasen des privaten Lebenslaufes . . . . . . . . . . . 572.3.1 Der Zeitpunkt privater Übergänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

2.3 Der Prozeß der Familienbildung: Chronologie der Statuspassagen und Dauerder Phasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

522.2.3 Die Dauer der einzelnen Phasen des beruflichen Lebenslaufes . . . . . . . . . . . 482.2.2 Zusammenhangsstruktur der Übergänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432.2.1 Zeitpunkt und Prozeß der einzelnen Statuspassagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432.2 Die berufliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412.1.2 Zur Problematik zensierter Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

2.1.1 Zentrale berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigstenLebensjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

362.1 Die Übergänge des Lebenslaufs auf der Zeitachse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

2 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigstenLebensjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291.3 Plan der empirischen Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

1.2 Die "Normalbiographie" ehemaliger Gymnasiasten zwischen fünfzehn unddreißig Jahren als Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

251.1.3 Frauen und die Institution des erwerbszentrierten Lebenslaufes . . . . . . . . . . . 221.1.2 Destandardisierung und Deinstitutionalisierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181.1.1 Seine Institutionalisierung und Individualisierungsprozesse . . . . . . . . . . . . . 18

1.1 Der Lebenslauf als individuelles Konstrukt und als Prinzip sozialerOrganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 Dimensionen des Lebenslaufes: Vorüberlegungen, Fragestel-

lungen und Analyseplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1744.4.2 Die Hierarchie der Lebensbereiche bei Frauen und Männern . . . . . . . . . . . 1704.4.1 Einflüsse von Art und Dauer der Ausbildung auf private Übergänge . . . . . . 1704.4 Zwischenbilanz: Das Verhältnis von privatem und beruflichem Lebenslauf . . . . . 1654.3.4 Elternschaft und Berufseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1614.3.3 Erste Schritte der Familiengründung und Berufseintritt . . . . . . . . . . . . . . . 1574.3.2 Eigener Haushalt und Berufseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1524.3.1 Vorüberlegungen und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1524.3 Ausbildungsende, Berufseinstieg und privater Lebenslauf . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

4.2.2 Sonder- und Umwege des beruflichen Lebenslaufes: Private Übergängevor dem höchsten Schulabschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1424.2.1 Der Normalfall: Lösung vom Elternhaus und Gründung einer Familie erst

nach dem Schulabschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1424.2 Private Ereignisse und der höchste Schulabschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

4.1 Zur Analyse der individuellen Koordinierung privater und beruflicherStatusübergänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1394 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes

durch die Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1353.2.5 Ausbildung und Normalität im Familiengründungsprozeß . . . . . . . . . . . . . 1173.2.4 Eine Typologie privater Lebensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1093.2.3 Empirische Sequenzmuster des privaten Lebenslaufs . . . . . . . . . . . . . . . . 1003.2.2 Die Optionalität der privaten Lebensform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

993.2.1 Religiöse und säkulare Normen im Prozeß der Familienbildung . . . . . . . . . . 993.2 Schritte der Familienbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

3.1.3 Der "normale" Weg ehemaliger Gymnasiasten in den Beruf: Abitur,Studium und Berufseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

893.1.2 Eine typologische Ordnung der Bildungs- und Berufsverläufe auf der

Basis des Erfolgs der einzelnen Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

873.1.1 Einschränkungen der empirischen Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873.1 Wege in den Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 Typen beruflicher und privater Lebensläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 Inhaltsübersicht

2936.6 Erfolgsbilanz mit 30 Jahren: Die subjektive Sicht der beruflichen Entwicklung . . . . 2836.5.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2796.5.1 Variablen und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2796.5 Erfolg im ersten Beruf: Einkommen und Berufsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

6.4.3 Private Lebenssituation, Arbeitsmarkt und die Qualifikationsstruktur derBewerber: Multivariate Analysen des Berufseintrittsprozesses . . . . . . . . . .

262

6.4.2 Deskriptive Analysen der Wirkung privater Bindungen, des Erfolgs imStudium und möglicher Zusatzqualifikationen auf den Prozeß desBerufseintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2606.4.1 Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2606.4 Die Berufseinmündung ehemaliger Studenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

6.3.2 Ergebnisse: Private Lebenssituation, Startkapital und Lebensplanung alsDeterminanten des Studienerfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2456.3.1 Vorüberlegungen und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2456.3 Erfolg im Studium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2406.2.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2396.2.2 Kurzer Exkurs zum Verständnis der logistischen Regression . . . . . . . . . . . 2346.2.1 Variablen und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2346.2 Studienzugang oder Verzicht auf ein Studium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2326.1.2 Unabhängige Variablen, Methoden und Analysenfolge . . . . . . . . . . . . . . 2306.1.1 Warum multivariat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2306.1 Zur Begründung der Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2306 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf:

Multivariate Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2245.4.2 Rekonstruktion einiger Aspekte der Entscheidungen von Frauen und

Männern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2195.4.1 Synopse der Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

5.4 Privater Lebenslauf und Erfolge in der Ausbildungs- und Berufslaufbahn: EinÜberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2135.3.4 Zufriedenheit als subjektiver Erfolgsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2095.3.3 Einkommen und Prestige in der ersten Berufstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 1965.3.2 Studiendauer und privater Lebenslauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1885.3.1 Abweichungen vom Weg über ein erfolgreiches Studium in den Beruf . . . . . 1875.3 Private Lebensumstände und der Erfolg im Studium und im Beruf . . . . . . . . . . . 180

5.2 Berufliche Konsequenzen privater Übergänge vor dem höchsten Schulabschluß. . . .

1775.1 Überlegungen zum beruflichen Preis früher privater Übergänge . . . . . . . . . . . . .1775 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen . . . . . . . . .

Inhaltsübersicht 9

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Tabellenanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3527.4 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3447.3.2 Die etwas anderen Projekte von Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3407.3.1 Das Projekt der Männer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3397.3 Perspektivenwechsel: Die Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3327.2 Berufliche und private Fahrpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3307.1 Zum Verständnis der Metaphern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3307 Feste Fahrpläne, Bastelbiographie oder Projekt? . . . . . . . . . . . . . .

3226.7.2 Frauen zwischen Berufs- und Familienorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

6.7.1 Das Muster: Die Selbstverständlichkeit der Berufsorientierung imLebenslauf von Männern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3146.7 Rückblick auf die Analysen: Erfolgsbedingungen in der Ausbildungs- und

Berufslaufbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3106.6.3 Die Unterschiede: Berufstätigkeit als Programm und persönliche Setzung . . . . 2986.6.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

6.6.1 Einige Hypothesen zur Erklärung beruflicher Zufriedenheit und dieAnalysestrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10 Inhaltsübersicht

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen

Tabellen und Abbildungen werden kapitelweise in einer Folge gezählt

Tab. 2.1 Chronologie der beruflichen Statuspassagen ehemaliger Gymnasiasten . . . . bis zumdreißigsten Lebensjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Abb. 2.2 Erwerbseintritt: Hazardfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47Tab. 2.3 Zeitlicher Zusammenhang der wichtigsten Ereignisse des beruflichen

Lebenslaufes: Produkt-Moment-Korrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50Abb. 2.4 Ausbildung und Beruf zwischen 13 und 30 Jahren: Anteil der einzelnen

Phasen am Beobachtungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Tab. 2.5 Chronologie der privaten Statuspassagen ehemaliger Gymnasiasten bis

zum dreißigsten Lebensjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58Abb. 2.6 Gründung eines eigenen Haushaltes: Hazardfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59Tab. 2.7 Synchronisation und Zusammenhang der wichtigsten Ereignisse im

Prozeß der Familiengründung bis zum Alter von 30 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60Abb. 2.8 Mit Partner(in) zusammenziehen (einschließlich Heirat): Hazardfunktion . . . . . . 62Abb. 2.9 Erste Heirat: Hazardfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62Abb. 2.10 Geburt des ersten Kindes: Hazardfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69Abb. 2.11 Der private Lebenslauf zwischen 13 und 30 Jahren. Anteil der einzelnen

Phasen am Beobachtungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73Abb. 2.12 Synopse der Zeitpunkte zentraler Statuspassagen des beruflichen und privaten

Lebenslaufes bis zum Alter von 30 Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79Tab. 3.1 Typologie des Bildungsverlaufes und Berufseintritts ehemaliger Gymnasisten . . . 90Tab. 3.2 Sequenz der Phasen des privaten Lebenslaufes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112Tab. 3.3 Die Verbreitung verschiedener privater Lebensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120Abb. 4.1 Private Statuspassagen vor dem höchsten Schulabschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143Abb. 4.2 Übergänge des privaten Lebenslaufes nach dem höchsten Schulabschluß:

Hazardfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145Abb. 4.3 Berufseintritt und private Statuspassagen: Erwarteter Verlauf der

Hazardfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156Abb. 4.4 Eigener Haushalt und Berufseintritt: Hazardfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158Abb. 4.5 Zusammenziehen (einschließlich Heirat) und Berufseintritt: Hazardfunktion . . . 161Abb. 4.6 Geburt des ersten Kindes und Berufseintritt: Hazardfunktionen . . . . . . . . . . . . . 166

Abb. 5.1 Statuspassagen des privaten Lebenslaufes vor dem höchsten Schulabschluß und die Folgen für den Ausbildungs- und Berufsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

Abb. 5.2 Berufsprestige (MPS) mit 30 Jahren (Mittelwerte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185Abb. 5.3 Statuspassagen des privaten Lebenslaufes vor dem Studienende und der

Erfolg im Studium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190Abb. 5.4 Statuspassagen des privaten Lebenslaufes vor dem Berufseintritt und der

Erfolg im Studium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194Abb. 5.5 Zusammenhänge zwischen Studiendauer, privaten Übergängen und dem

Lebensalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197Abb. 5.6 Private Übergänge vor dem Verlassen der Hochschule und die Dauer bis

zum Examen: Survivor- und Hazardfunktionen (Frauen mit SNK, n=549) . . . . . 199Abb. 5.7 Private Übergänge vor dem Verlassen der Hochschule und die Dauer bis

zum Examen: Survivor- und Hazardfunktionen (Männer mit SNK, n=756) . . . . 205Tab. 5.8 Korrelationen zwischen dem Erfolg im Beruf und privaten Übergängen (a)

vor dem Studienabschluß und (b) vor dem Abschluß des Grundstudiums. . . . . . 211Tab. 5.9 Subjektive Erfolgsmaßstäbe und privaten Lebenssituation vor dem

Berufseintritt: Durchschnittliche Zufriedenheit und Korrelationskoeffizienten . . 216Tab. 5.10 Übersicht der Zusammenhänge zwischen Ereignissen des privaten Lebenslaufes

und Erfolgen in der Ausbildungs- und Berufslaufbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220Tab. 6.1 Logistische Regression des normalen Studienzugangs bei vorhandener Hochschulzu-

gangsberechtigung (SNK vs. ABI) auf private Statusübergänge vor dem Abschluß des Gymnasiums, Startchancen, Leistungsmerkmale und Studi-enaspirationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Abb. 6.2 Zeitabhängige Variablen zur privaten Lebenssituation im Studium . . . . . . . . . . 246Tab. 6.3 Cox-Regression des Studienerfolgs und des Studienabbruchs auf die private Lebenssi-

tuation im Studium, Startchancen, Leistungsfähigkeit und Aspira-tionen (unter Berücksichtigung des Studiengangs, der Tatsache einer Studienunter-brechung, eines Fachwechsels und eines möglichen Zweit-studiums als Schichtungsvariablen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Abb. 6.4 Überlebensfunktion in der Nichtberufstätigkeit für Männer und Frauen

A b b 5 5 . 7 Ü b e r l e b e n s f u n k t i o n i n d e r N i c h t b e r u f s t ä t i g k n e s h e n d o r h g u n g d e m

Tabellen und Abbildungen im (Buch-)Anhang

Die Nummerierung verweist auf zugehörige Tabellen im TextAbb. A2.4 Ausbildung und Beruf zwischen 13 und 30 Jahren: Durchschnittliche

Dauer in Monaten und prozentualer Anteil der einzelnen Phasen am Beobachtungs-zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

Tab. A2.11 Der private Lebenslauf zwischen 13 und 30 Jahren: Durchnittliche Dauer in Monaten und prozentualer Anteil der einzelnen Phasen am Beobachtungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Tab. A3.3a Die Konstruktion der Typologie privater Lebensformen aus objektiven Ereignissen, Absichten und weiteren Zusatzinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358

Tab. A3.3b Private Lebensformen zum Zeitpunkt der Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361Tab. A6 In den multivariaten Analysen des 6. Kapitels benutzte Variablen in

alphabetischer Reihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362Abb. A6.9a Regression des Berufsprestiges und des logarithmierten Monatsein-

kommens im ersten Beruf nach dem Studium auf die private Lebens-situation, die Situation am Arbeitsmarkt, die Qualifikationsstruktur der Bewerber und deren Herkunft (Absoventen mit Examen) . . . . . . . . . . . . . . 364

Abb. A6.9b Regression des logarithmierten Stundeneinkommens im ersten Beruf nach dem Studium auf die private Lebensituation, die Situation am Arbeitsmarkt, die Qualifikationsstruktur der Bewerber und deren Herkunft . . . 366

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 13

1 Dimensionen des Lebenslaufes: Vorüberlegungen, Fra-gestellungen und Analyseplan

Im Alltag wissen wir genau, wie der Begriff des "Lebenslaufes" zu verstehenist: Er meint normalerweise eine chronologisch geordnete Dokumentation wi-chtiger Ereignisse im Leben eines Menschen. Ein solcher Lebenslauf soll Au-ßenstehende über den persönlichen Werdegang unterrichten, indem er die Artund die Sequenz der vollzogenen Statusübergänge und Positionswechsel imberuflichen und familiären Bereich auflistet. Er enthält keinerlei Bewertung,aber er ist für den Adressaten häufig die Grundlage einer Einschätzung derPerson und ihrer Entwicklung. Erkennbar wird dies etwa, wenn man die Be-deutung des Lebenslaufes bei einer Bewerbung um einen Arbeitsplatz be-trachtet. Der Personalleiter eines Wirtschaftsunternehmens, der eine bestimm-te Position angemessen besetzen muß, hat bestimmte Kriterien zur Bewertungder Lebensläufe der verschiedenen Bewerber, die der spezifischen Logik derAufgabenstellung entsprechen. Die einzelnen Phasen des Bewerberlebens-laufs mit ihrer spezifischen Dauer und Chronologie werden aus dem Blick-winkel ihrer Funktionalität für die gesuchten Bewerberqualitäten analysiert.Dabei schwingt auch eine ganz spezifische Vorstellung einer normalen Be-rufslaufbahn zumindest indirekt mit, wenn etwa Hartmann/Meyer (1980: 130)als wichtige Kriterien der Bewerberauswahl u.a. die "Gradlinigkeit der Be-rufsentwicklung", die "Häufigkeit des Stellenwechsels", "Beschäftigungslüc-ken" und ein aus den Daten erkennbares "Gesamtlebenskonzept" nennen. Ei-ne solche Bewertung wird möglich, weil es im privaten wie im beruflichenLebensbereich institutionelle Vorgaben und Verlaufsmuster gibt, an denensich eine Beurteilung orientieren kann. Sie bilden die Grobstruktur, innerhalbder das Individuum im Rahmen seiner Möglichkeiten und Ziele am Projektdes eigenen Lebens arbeitet. Der Lebenslauf als eine Institution der Modernedient der Orientierung individueller Lebensplanung und Lebensführung. Ergibt Richtmarken und Ziele vor, an denen das Individuum sein Handeln, seineEntscheidungen und seine gesamte Biographie mißt und an denen seine Ent-wicklung auch von anderen gemessen wird.

Innerhalb des Lebensverlaufes einer Person lassen sich zwei verschiedeneStränge auf der Zeitachse verfolgen. Der berufliche Lebenslauf wird durch

die Folge der spezifischen Ausbildungsabschnitte, die Karriereschritte im Be-ruf und den Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand strukturiert. Parallel da-zu entwickelt sich der private Lebenslauf, der immer noch am besten durchfamilienzyklische Ansätze beschrieben werden kann. Dieses Konzept desamerikanischen Demographen Paul Glick (1947, 1978) geht von den Phasender Gründung, Erweiterung, Schrumpfung und Auflösung der Familie aus.Die einzelnen Phasen wiederum werden durch bestimmte Statusübergänge,wie sie z.B. die Heirat, die Geburt des ersten Kindes oder der Tod des Part-ners darstellen, begrenzt. Beide Modelle – das des erwerbszentrierten berufli-chen und das des familienorientierten privaten Lebenslaufes – beschreibenProzesse, die erst durch das Handeln der Akteure innerhalb eines institutio-nellen Rahmens ihre Dynamik gewinnen. Die Stränge des Lebenslaufes lassensich zwar analytisch trennen und als zwei einzelne Prozesse beschreiben, abersind sie in vielfältiger Weise miteinander verknüpft und aufeinander bezogen.Beim konkreten Handeln im Rahmen der einen Dimension ist die jeweils an-dere Dimension des Lebenslaufes immer auch ein Bestandteil der Situation,in der die Akteure agieren. Dabei ist ihr Verhältnis nicht nur über den ge-meinsamen Hintergrund des Lebensalters vermittelt, sondern es bestehen auchdirekte Beziehungen, die im Handeln individueller Akteure, ihrem Bemühenum Synchronisation und Koordination beider Bereiche des Lebenslaufes,sichtbar werden. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Beziehungen zwischen pri-vatem und beruflichem Lebenslauf im Lebensabschnitt zwischen dem fünf-zehnten und dreißigsten Lebensjahr – also in dem Zeitraum, in dem auf derprivaten Seite i.d.R. der Schritt von der Herkunftsfamilie hin zur Gründungeiner eigenen Familie und auf der beruflichen Seite mit dem Ausbildungspro-zeß und dem Berufseintritt die zentralen Weichenstellungen vorgenommenwerden – empirisch zu untersuchen und zu erklären.

1.1 Der Lebenslauf als individuelles Konstrukt und als Prinzip sozia-ler Organisation

1.1.1 Seine Institutionalisierung und Individualisierungsprozesse

Spricht man vom Lebenslauf, dann gilt es zwei Ebenen zu unterscheiden:Über der Mikroebene individuellen Handelns, auf der gesellschaftlichen

18 Dimensionen des Lebenslaufes: Vorüberlegungen, Fragestellung und Analyseplan

Makroebene sozialer Institutionen, ist der Lebenslauf als ein Organisati-onsprinzip angesiedelt. Ihn versteht Kohli (1985, 1988, 1994) als eine sozialeInstitution im Sinne eines Regelsystems, das wichtige Bereiche des Lebensordnet und so zu einem bedeutsamen Faktor sozialer Integration im Rahmendes Individualisierungsprozesses moderner Gesellschaften wird (vgl. auch:Beck 1986: 211ff). Die Institution ist um die Erwerbstätigkeit herum organi-siert. Dementsprechend gliedert sie das Leben in eine Phase der Vorbereitungauf den Beruf (Kindheit und Jugend), die eigentliche Erwerbsphase (das akti-ve Erwachsenenleben) und eine daran anschließende Ruhestandsphase (dasAlter). Der Lebenslauf als Institution der Moderne gibt so dem Leben einezeitliche Struktur vor. Bestimmte Rollen und Positionen sind mit dem chrono-logischen Alter in der Weise verknüpft, daß sich weitgehend standardisiertePositionssequenzen ergeben. Kohli (1985: 2) spricht denn auch von einem"chronologisch standardisierten Nomallebenslauf".

Es existieren in der Gesellschaft konsensuell breit geteilte Überzeugungenüber den "richtigen" Zeitpunkt und über die Abfolge zentraler biographischerEntscheidungen und Ereignisse (vgl. z.B. Buchmann 1989a/b; Heckhausen1989, 1990). Ihren konkreten Ausdruck finden viele dieser normativen Vor-stellungen zur Strukturierung des Lebensverlaufs auch im Rahmen staatlicherGesetzgebung. Die enthält bekanntlich eine ganze Reihe von Altersvorgabenfür wichtige Statusübergänge, so z.B. zum Beginn der Schulpflicht, zur Voll-jährigkeit, zum frühestmöglichen Heiratsalter oder zum Eintritt in den Ruhe-stand. Mayer und Müller (1986, 1994) betonen die Bedeutung der Entstehungdes modernen Wohlfahrtsstaates für die Entwicklung der sozialen Definitiondes Lebenslaufes. Der Staat hat im Zuge des gesamtgesellschaftlichen Diffe-renzierungsprozesses viele der Verantwortlichkeiten der alten Familienver-bände, lokalen Gemeinschaften und Assoziationen übernommen. Leistungendes Staates sind häufig an bestimmte Lebensabschnitte und Lebenssituationengebunden und zudem oft befristet, und schaffen so für die Akteure eine sozia-le Realität, an der sie ihre Planungen und Handlungen ausrichten können. Zuden in besonderem Maße staatlich strukturierten Bereichen, gehört neben demFeld der sozialen Sicherung – so konnte sich eine eigenständige Ruhestands-phase nach dem Erwerbsleben erst entwickeln, als mit der BismarckschenRentengesetzgebung dafür der Grundstein gelegt wurde – vor allem auch dasBildungswesen.

Das Verbot der Kinderarbeit und die Einführung der allgemeinen Schul-pflicht sind wichtige Meilensteine auf dem Weg hin zu einer ausdifferenzier-ten Phase der Vorbereitung auf das Erwerbsleben. Deren Notwendigkeit er-gibt sich aus den Anforderungen einer sich differenzierenden Berufsarbeit.

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Zugleich entlasten die Institutionen des Bildungssystems die Familie von Auf-gaben, die sie im Gefolge der Trennung von Familie und Beruf, von Haushaltund Produktion im Bezug auf Ausbildung, Erziehung und Betreuung der Kin-der nicht mehr zu leisten vermag. Die für die Vorbereitung auf das Erwerbsle-ben notwendige Infrastruktur zu gewährleisten, ist heute weitgehend zur staat-lichen Aufgabe geworden. Der Staat stellt nicht nur die Mittel für das zur ge-sellschaftlichen Aufgabe gewordenen Bildungswesen bereit, sondern be-stimmt auch dessen institutionellen Strukturen.

Aus der Funktion der Ausbildung als Lebensphase bestimmt sich ihre zeit-liche Verortung im Gesamtlebenslauf und ihre Begrenztheit.1 Die lebenszeit-lich geordnete Hierarchie der Institutionen des Bildungswesens organisiertdie innere zeitliche Struktur der Bildungsphase als Lebensabschnitt. Zugleichbeschreibt der nach Stufen und Zweigen differenzierte Aufriß der Institutio-nen wie eine Landkarte verschiedene Wege in den Beruf (vgl. ArbeitsgruppeBildungsbericht 1990: Abb. 1.1). Indem der erfolgreiche Abschluß der einzel-nen Bildungsabschnitte durch staatlich sanktionierte Zertifikate, die zugleicheine notwendige Voraussetzung für die Aufnahme eines weiterführenden Bil-dungsabschnittes sind, dokumentiert wird, stellt das Bildungswesen Mecha-nismen einer leistungsbezogenen Statusallokation zur Verfügung. Die in deneinzelnen Ausbildungsabschnitten erreichten Erfolge kumulieren im erreich-baren Berufsstatus.

Wegen der zentralen Stellung einer Erwerbstätigkeit im Rahmen der Insti-tution des Lebenslaufes bestimmt der berufliche Lebenslauf auch die zeitlicheStruktur von Bereichen jenseits des primär institutionalisierten Lebensberei-ches. Die mit dem Aufbau des beruflichen Lebenslaufes verbundene Chrono-logie von Positionen und Rollen findet sich in der privaten Dimension des Le-benslaufes wieder. Sichtbar wird sie schon in der Bezeichnung der Le-bensphasen, die sich an den beruflichen Lebenslauf anlehnt: Die Phase derVorbereitung auf den Beruf konstituiert Kindheit und Jugend, die Erwerbstä-tigkeit ist so eng mit dem Begriff des Erwachsenseins verknüpft wie der Ru-hestand mit dem Begriff des Alters. Und mit jeder dieser Lebensphasen sind

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1 Davon unberührt bleibt die möglicherweise im weiteren Lebensverlauf entstehende Notwendig-keit, die beruflichen Qualifikationen den Bedingungen eines sich wandelnden Arbeitsmarktesanzupassen, denn dadurch wird das Individuum nicht von dem Zwang entlastet, sich vor demEinstieg in den Beruf für diesen zu qualifizieren. Allerdings wird deutlich, daß eine bestimmteberufliche Qualifikation nicht mehr der lebenslange Garant einer entsprechenden Erwerbstätig-keit und des damit verknüpften Berufsstatus ist. Aber nicht nur der Arbeitsmarkt kann eine Neu-orientierung erzwingen, auch das Individuum kann sich neue berufliche Ziele setzen. Die Not-wendigkeit einer primären Ausbildungsphase wird allerdings auch in diesem Falle nicht beein-trächtigt.

wiederum bestimmte Vorstellungen bezüglich des zu erwartenden Verhaltensverbunden (vgl. Heckhausen 1990), die über den beruflichen Lebenslauf hin-aus in den privaten Strang des Lebenslaufes, der intern durch die Chronologieder einzelnen Statuspassagen des Lebenszyklus strukturiert wird, hineinrei-chen und eine Art von "sozialem Fahrplan" (Buchmann 1989a: 91) durch dasLeben darstellen.

Ein solcher Fahrplan wird zur Orientierung der Akteure erst notwendig,wenn unterschiedliche Strecken für den Weg durch das Leben zur Wahl ste-hen und das eigene Leben zu einem planbaren Projekt wird. Dies lenkt unse-ren Blick auf einige Voraussetzungen der Entwicklung des Lebenslaufes zueiner modernen Institution. Eine ihrer historischen Vorbedingung ist eine kal-kulierbare Lebensphase. Die Konzentration des Sterblichkeitsgeschehens aufdas hohe Lebensalter und die daraus resultierende Verlängerung der Lebens-erwartung, die Imhoff (1988) als einen Wandel von der "unsicheren zur siche-ren Lebenszeit" beschreibt, eröffnet dem Individuum erst den Horizont einerlangfristigen Lebensplanung (vgl. auch Kohli 1985: 5). Lebensplan und Le-benslauf sind denn auch eng miteinander verwandte Begriff. Beides setzt diePräsenz von Alternativen voraus. Nur wenn das Leben nicht mehr in weitge-hend vorbestimmten Bahnen verläuft, ist das dadurch erst als solches konsti-tuierte Individuum gezwungen, seinen eigenen Lebensplan zu entwerfen unddarauf aufbauend das eigene Leben zu gestalten, es zu einem Projekt werdenzu lassen. Das aber setzt auf Seiten des Individuums eine Perspektive auf daseigene Leben voraus, die, wie es Max Weber (1988 (1920)) für die protestan-tische Ethik des Calvinismus beschreibt, das Leben als eine der Person ge-stellte Aufgabe begreift. Wie einst der Gott des Calvinismus eine methodischrationalisierte Lebensführung forderte, so verlangen dies heute die Bedingun-gen einer modernen Industriegesellschaft den Personen ab. Die Verantwor-tung für das eigene Leben verlagert sich in das Individuum, das "bei Strafeseiner permanenten Benachteiligung lernen muß, sich selbst als Handlungs-zentrum, als Planungsbüro in Bezug auf den eigenen Lebenslauf, seine Fähig-keiten, Orientierungen, Partnerschaften usw. zu begreifen" (Beck 1986: 217).Einen äußeren Bezugsrahmen für das Handelns des Individuums bildet das in-stitutionelle Gefüge des um die Erwerbsarbeit organisierten Lebenslaufes. Einindividueller Lebenslauf ist das Resultat einer Reihe von Entscheidungen undHandlungen der Person, die durch die subjektiv (und natürlich auch durch dieobjektiv) vorhandenen Alternativen und persönliche Ressourcen einge-schränkt werden, und auf persönlichen – allerdings gewiß auch sozial gepräg-ten – Präferenzen und Wertstrukturen beruhen.

Dimensionen des Lebenslaufes: Vorüberlegungen, Fragestellung und Analyseplan 21

1.1.2 Destandardisierung und Deinstitutionalisierung?

Der Lebenslauf als Institution ist also eine Schnittstelle zwischen individuel-lem Planen und Handeln auf der einen und der Sozialstruktur auf der anderenSeite. Er eröffnet der Person eine aktiv gestaltende Perspektive auf das eigeneLeben. Gleichzeitig wirkt er aus der gesellschaftlichen Perspektive regulie-rend und aus der Sicht der Akteure orientierend, weil dem individuellen Han-deln erstens eine Richtung vorgegeben wird und weil zweitens institutionelldefinierte Pfade, Alternativen und Regeln das Handeln strukturieren und ord-nen.

Zugleich aber gibt es heutzutage im beruflichen und im privaten BereichAnzeichen dafür, daß der institutionelle Rahmen des Lebenslaufes brüchigwird, daß zunehmend Entwicklungen sichtbar werden, die auf einen Prozeßder Deinstitutionalisierung zentraler Strukturelemente des Lebenslaufes (Koh-li 1985: 22ff) hinzudeuten scheinen. Solche Deinstitutionalisierungstendenzensieht Kohli u.a. im Bereich des privaten Lebenslaufs in der zunehmenden Op-tionalität privater Lebensformen und in Veränderungen im Familiengrün-dungsprozeß. Darüber hinaus weist er darauf hin, daß auch Altersnormen anVerbindlichkeit zu verlieren scheinen.

Wenn die Institution des Lebenslaufes um die Erwerbstätigkeit herum or-ganisiert ist, dann reichen Veränderungen im privaten Lebensbereich m.E.noch nicht aus, um von Deinstitutionalisierung sprechen zu können. Die ließesich auf Systemebene nur an zunehmenden Destandardisierungstendenzen desinstitutionellen Gefüges des beruflichen Bereiches und auf der Ebene indivi-dueller Akteure an einem damit parallel verlaufenden subjektiven Bedeu-tungsverlust einer Erwerbstätigkeit für das Individuum ablesen. Für eine sol-che Tendenz scheint es tatsächlich einige empirische Anhaltspunkte zu geben.Das beginnt mit einer Aufweichung der strikten Dreiteilung des Lebenslaufesin Ausbildung, Erwerbstätigkeit und Ruhestand und setzt sich z.T. in der ei-gentlichen Erwerbsphase fort. Das Modell einer über die gesamte Er-werbsphase hinweg ausgeübten Vollzeitberufstätigkeit in dem einmal erlern-ten Beruf scheint vor allem durch die über den Arbeitsmarkt wirksam werden-den Zwänge des technologischen Wandels unter Druck zu geraten. Allerdingsgehen die empirischen Veränderungen der Erwerbsbiographie längst nicht soweit, als daß dieses Modell seine identitätsstiftende Prägekraft verloren hätte(vgl. Kohli 1994: 231). Dennoch vergrößern sich durch den technischenWandel die Risiken der Lebensplanung. Das Individuum wird gezwungen, beider Berufswahl nicht nur seinen spezifischen Neigungen und Fähigkeiten zufolgen und dabei auch das zu erwartende Sozialprestige und Einkommen des

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angestrebten Berufes zu berücksichtigen, sondern muß zugleich auch die zu-künftige Entwicklung des Arbeitsmarktes antizipieren.

Der Schlüssel dazu ist die Ausbildungsphase. Nicht nur die "richtige"Qualifikationsstruktur, sondern auch ein möglichst hohes und breitesQualifikationsniveau soll dazu beitragen, die Risiken des Arbeitsmarktes zuminimieren. Das Individuum muß einen spezifischen Weg durch das Bil-dungssystem suchen, der es ihm erlaubt, sich eine langfristige berufliche Per-spektive aufzubauen, ohne dabei die eigenen Präferenzen aus den Augen zuverlieren. Dadurch aber gewinnt die individuelle Lebensplanung nur weiter anBedeutung für den beruflichen Erfolg, der wiederum ein wesentliches Ele-ment des Lebenserfolges darstellt. Der instrumentelle Charakter der Ausbil-dungsphase als Vorbereitung auf den Beruf tritt auch für das Individuumdurch das Fehlen einer Automatik, die nach Abschluß einer bestimmten Aus-bildung eine kontinuierliche Erwerbstätigkeit in dem erlernten Beruf garan-tiert, in den Vordergrund. Den Rahmen dafür aber bilden nach wie vor die In-stitutionen eines hochdifferenzierten allgemeinen und beruflichen Bildungssy-stems und das Ziel des Ausbildungsprozesses ist unverändert die Erwerbstä-tigkeit. Die beschriebenen Entwicklungen können daher als interne Differen-zierungen der Institution, kaum aber als ein Prozeß der Deinstitutionalisie-rung des Lebenslaufs begriffen werden.

Reduziert hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten der Anteil derErwerbsphase an der gesamten Lebenszeit (Kohli 1994)2. Dadurch hat derBeruf aber nicht seine über Einkommen und Prestige vermittelte Bedeutungfür die Lebenschancen und die Identität der Akteure verloren. Dennoch istfestzuhalten, daß sich die Phase der Erwerbstätigkeit an beiden Enden ver-kürzt und die Übergänge fließender werden. Auf der einen Seite scheiden dieMenschen heute – auch als Folge des Arbeitsmarktrisikos – im Schnitt früheraus dem Erwerbsleben aus und nutzen dabei institutionell bereitgestellteMöglichkeiten wie "Vorruhestand" und "59er-Regelung" (vgl. Infratest-Sozi-alforschung et al. 1993: 24ff). Die nominalen Altersgrenzen für den Eintritt inden Ruhestand sind zwar geblieben, aber davor hat sich eine Übergangsphaseetabliert, die im wesentlichen durch die Aufgabe der Erwerbstätigkeit und ei-ne Mischfinanzierung aus verschiedenen Quellen (v.a. Arbeitslosenversiche-rung, Rentenversicherung und der bisherige Arbeitgeber) charakterisiert ist.

Das Erwerbsleben wird nicht nur früher beendet, auch der Eintritt verzö-gert sich durch die mit der Bildungsexpansion einhergehende Verlängerungder Ausbildungsphase, die immer häufiger weit in das dritte Lebensjahrzehnt

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2 Zu den Ursachen dieser Entwicklung gehört natürlich auch die allgemein gestiegene Lebenser-wartung, die naturgemäß die Ruhestandsphase verlängert.

und teilweise darüber hinaus reicht. Dadurch entstehen Ungleichzeitigkeitendes beruflichen und privaten Lebenslaufes, die zu Integrationsproblemen bei-der Lebensbereiche führen, weil ursprünglich miteinander koordinierte Le-bensphasen entkoppelt werden. Wenn man bei der Metapher des Lebenslau-fes als eines am Berufsleben orientierten sozialen Fahrplans (Buchmann1989a: 91) bleiben möchte, dann kann man feststellen, daß die veränderteAbfahrtszeiten des einen Zuges auch die darauf abgestimmten Fahrpläne deranderen Züge beeinflussen. Der Status des Erwachsenseins, der als Voraus-setzung für die Gründung einer Familie gilt, wird so losgelöst von der wirt-schaftlichen Selbständigkeit der Person. Eine Möglichkeit, beide Lebensbe-reiche zu koordinieren, ist ein Aufschub des Familiengründungsprozesses bisnach dem Abschluß der Ausbildung. Eine Reihe empirischer Untersuchungen(z.B. Blossfeld/Huinink 1989, Blossfeld/Jaenichen 1991, Diekmann 1987,Klein 1992) kann denn auch zeigen, daß eine verlängerte Ausbildungsphaseden traditionellen Prozeß der Familiengründung (Ehe und Elternschaft) hin-auszögert. Der gegen Ende der 60er Jahre – parallel zur Bildungsexpansion,auch wenn hier keine direkte Kausalität unterstellt werden soll – einsetzendeProzeß sexueller Liberalisierung, in dessen Rahmen die normative Koppelungder Sexualität an die Ehe weitgehend verschwand, trug sicher zu dieser Ent-wicklung bei. Zugleich fanden unverbindlichere Formen der Partnerschaftund des Zusammenlebens, wie die nichteheliche Lebensgemeinschaft, zuneh-mend an Verbreitung (EMNID 1985), weil sie es erlauben, den Wünschennach Partnerschaft, Emotionalität und Intimität zu entsprechen, dabei aller-dings der materiellen Lebenssituation und der Unsicherheit einer langen Bil-dungsphase besser als eine traditionelle Ehe angepaßt sind. Die nichtehelicheLebensgemeinschaft ist heute als Vorstufe der Ehe, als "Ehe auf Probe", inden Prozeß der Familiengründung integriert – und damit beinahe selbst schonwieder institutionalisiert. Soweit diese und andere Veränderungen des fami-lialen Verhaltens den institutionellen Kern, d.h. die Struktur des beruflichenLebenslaufes nicht berühren, sondern eher als Anpassung an diesen Lebens-bereich verstanden werden können, solange stellen sie keinen brauchbaren In-dikator einer zunehmenden Deinstitutionalisierung des Lebenslaufes dar. Sieverweisen aber darauf, daß die Institution einem Wandlungsprozeß unterlegenist, in dessen Verlauf sie einerseits auch in ursprünglich traditionell geprägtenLebensbereichen an Definitionsmacht eher gewinnt, andererseits aber dieVerantwortung für die Koordination des privaten mit dem beruflichen Le-bensbereich stärker als je zuvor in die Hände der individuellen Akteure legt.

24 Dimensionen des Lebenslaufes: Vorüberlegungen, Fragestellung und Analyseplan

1.1.3 Frauen und die Institution des erwerbszentrierten Lebenslaufes

Bezogen sich die bisherigen Ausführungen zum Lebenslauf nur auf die eineHälfte der Menschheit und blendeten die andere systematisch aus? Ist der Le-benslauf, so wie er dargestellt wurde, eine "männliche" Institution? Der Ver-dacht liegt zumindest nahe, wenn man sich noch einmal die zentrale Positionder Erwerbsarbeit vergegenwärtigt, die im Rahmen der traditionellen Arbeits-teilung der Geschlechter die Domäne der Männer ist, während der Schwer-punkt des weiblichen Lebens in Haushalt und die Familie liegt. Der weiblicheLebenslauf ist in diesem Rahmen ohne Bezugnahme auf die Familie nicht zubeschreiben, die private Dimension des Lebenslaufes prägt die berufliche. Er-werbsarbeit von Frauen verfolgt im traditionellen Lebenskonzept allenfallsden Zweck, etwas zum Einkommen des Mannes unter Beibehaltung der häus-lichen Pflichten beizusteuern, und kann deshalb auch als eine Art Fortsetzunghäuslicher Pflichten verstanden werden (Sørensen 1990, Geissler/Oechsle1994: 156ff).

Aber auch für Frauen hängen individuelle Lebenschancen und personaleIdentität immer mehr von der Teilhabe am Berufsleben ab. Einen Beruf er-lernt zu haben und diesen auch auszuüben, bedeutet für Frauen nicht nur, ei-nen eigenständigen Beitrag zum Familieneinkommen zu leisten und gegenLebensrisiken besser abgesichert zu sein, sondern auch ein Stück Unabhän-gigkeit und Selbständigkeit, kurz ein "Stück eigenes Leben", wie es Beck-Gernsheim (1983) formulierte. Ein Beruf hat in der Lebensplanung von Frau-en inzwischen einen festen Platz erhalten hat. Die Erwerbstätigkeit wird vonFrauen immer häufiger auch als Karriere verstanden. Dadurch werden indivi-duelle Lebensläufe von Frauen mehr und mehr von den selben Institutionenwie die der Männer geprägt. Die Bildungsbeteiligung der Frauen jüngerer Ge-burtskohorten steht der männlichen längst nicht mehr nach (u.a. Blossfeld1991: 7ff). Eine Heirat ist heute kein Grund mehr, den Beruf aufzugeben, undauch ein Kind führt – vor allem bei höherem Bildungsniveau – immer häufi-ger nur zu einer möglichst kurzen Unterbrechung der Erwerbstätigkeit (Lau-terbach 1991). Und durch ihre Erwerbstätigkeit sichern Frauen sich zu-nehmend den Anspruch auf eine eigene Alterssicherung (vgl. Allmendinger etal. 1991: 451ff).

Dies alles scheint auf eine tendenzielle Angleichung der Lebensläufe vonFrauen an das ursprünglich männliche Muster, d.h. auf die zunehmende Insti-tutionalisierung eines Lebenslaufes hinzuweisen. Aber eine solche Darstel-lung ist unvollständig, denn sie berücksichtigt nicht, daß Frauen im Falle ei-ner Familiengründung nach wie vor die Hauptlast der Haushaltsführung und

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der Betreuung und Aufzucht der Kinder tragen (u.a. Metz-Göckel/Müller1986: 45ff, Thiessen/Rohlinger 1988).

Die Mutterschaft bedeutet in diesem Rahmen die stärkste Anbindung andie traditionelle Frauenrolle, auch weil es immer noch an ausreichenden Mög-lichkeiten zur Kinderbetreuung – Kinderkrippen, Kindertagesstätten, Hortenund auch Ganztagsschulen – fehlt, um Beruf und Kinderwunsch zu integrie-ren. Frauen sind daher gezwungen, zu Lasten der Berufskarriere (vgl. Bertram/Borrmann-Müller 1988) eine ganz spezifische Balance zwischen Beruf undFamilie zu finden. Sie mögen zunehmend eine ähnliche Perspektive auf dieBerufstätigkeit wie Männer entwickeln, aber sie müssen in viel stärkeremAusmaß den privaten und den beruflichen Lebensbereich aktiv miteinanderkoordinieren, weil nur bei Frauen die traditionelle Rollenidentität und eine ei-genständige ökonomische Existenzsicherung auseinanderfallen (vgl. Beck1990). Der Zwang zur Koordination von Privat und Beruf betrifft nicht nurden Alltag, sondern die individuelle Lebensplanung insgesamt, denn die siehtsich vor die Aufgabe gestellt, berufliche und private Ziele in einer Lebensper-spektive zu integrieren. Auch die Tatsache, daß Frauen um des beruflichenErfolges willen mehr und andere Anpassungsanstrengungen als Männer unter-nehmen, zeigt auf der einen Seite die zunehmende Definitionsmacht der umdie Erwerbstätigkeit herum organisierten Institution des Lebenslaufes, und aufder anderen Seite wird unterstrichen, wie das Individuum in dem so abge-steckten Rahmen eine eigenständige Orientierung finden muß.

1.2 Die "Normalbiographie" ehemaliger Gymnasiasten zwischen fünf-zehn und dreißig Jahren als Untersuchungsgegenstand

Die vorliegende Untersuchung setzt sich empirisch mit dem Lebenslauf als in-stitutionellem Organisationsprinzip und als individuellem Konstrukt auseinan-der. Dabei beschränkt sie sich auf den Zeitraum zwischen dem fünfzehntenund dreißigsten Lebensjahr, einen Lebensabschnitt also, in dem sich beides inbesonderem Maße wiederfinden lassen sollte, weil in dieser Lebensphase vorallem im beruflichen Lebensbereich die maßgeblichen Weichenstellungen fürdas gesamte weitere Leben vorgenommen werden. Dabei muß ein Weg durchdas Gefüge der Institutionen des Bildungssystems gefunden werden, der indi-viduelle Neigungen, Fähigkeiten und Ressourcen mit den zu erwartenden An-forderungen des Arbeitsmarktes verknüpft. Die Lebensphase, die betrachtetwerden soll, ist also auf der einen Seite durch einen hohen Institutionalisie-

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rungsgrad gekennzeichnet, auf der anderen Seite fordert sie den Akteuren eingroßes Maß an persönlicher Initiative ab. Dies gilt auch für den privaten Be-reich, wo in diesem Lebensabschnitt mit der Lösung vom Elternhaus und demEintritt in den Prozeß der Familiengründung wichtige Statusübergänge aufder biographischen Tagesordnung stehen. Wegen des Mittelcharakters einerErwerbstätigkeit für das Privatleben sind die Entscheidungen des privaten Le-benslaufes ihrerseits wieder an die Entwicklung der Ausbildungs- und Berufs-laufbahn geknüpft.

Ziel der Analyse ist es, herauszuarbeiten, wie die einleitend skizzierte In-stitution des Lebenslaufs konkrete Lebensverläufe individueller Akteure zuprägen vermag, indem sie für das Handeln in doppelter Weise einen institu-tionalisierten Bezugsrahmen darstellt. Erstens gibt die Institution dem Han-deln in dem hier betrachten Lebensabschnitt ein Ziel vor. Das läßt sich mitder kurzen Formel individuellen Strebens nach Erfolg in der Ausbildungs-und Berufslaufbahn umschreiben und resultiert aus der herausragenden Be-deutung der Erwerbsarbeit als der zentralen Instanz moderner Gesellschaftenzur Verteilung individueller Lebenschancen. Zweitens stellt sie eine Art vonsozialem Kursbuch bereit, das orientiert am Aufriß des Bildungswesens, aberauch an Altersnormen, den Akteuren unterschiedliche Wege in den durch dieBerufstätigkeit umrissenen Zielbereich anbietet. Seine spezifische Route unddamit auch den persönlichen Fahrplan muß sich daß Individuum allerdingsselbst zusammenstellen und bewältigen. Das ist ein Prozeß, bestehend aus ei-ner Folge aufeinander bezogener Entscheidungen zwischen den Alternativen,die nach der bisher zurückgelegten Wegstrecke noch offenstehen, und demaktiven Bewältigen der einzelnen Abschnitte durch die Akteure. Da sich dieInstitution des Lebenslaufes vor allem im Handeln individueller Akteure kon-kretisiert, muß die empirische Analyse auch auf diese Ebene ansetzen.

Besonderes Augenmerk gilt dem Verhältnis von privatem und beruflichemLebenslauf. Wenn es richtig ist, daß die Erwerbsarbeit gerade wegen ihres in-strumentellen Charakters für die privaten Möglichkeiten und Lebenschancenden institutionellen Kern des Lebenslaufes ausmacht, dann ergibt sich darausin der Phase der Vorbereitung auf den Beruf eine eindeutige Hierarchie derLebensbereiche mit einer beinahe selbstverständlichen Dominanz der Ausbil-dung über den privaten Lebenslauf, die sich auch empirisch im Entscheidenund Handeln der Akteure widerspiegeln sollte. Abweichungen von dem so aufseinen institutionellen Kern – der individuellen Orientierung an den Anforde-rungen des Erwerbslebens – reduzierten Normallebenslauf sollten sich dennauch negativ auf den Erfolg in der Ausbildungs- und Berufslaufbahn auswir-ken. Von besonderem Interesse sind die dabei Einflüsse von Verschiebungen,

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Es handelt sich also um eine altershomogene und nach Bildung privile-gierte Stichprobe. Letzteres scheint zunächst ein Nachteil zu sein, da die soerzielten Ergebnisse nicht repräsentativ für den Bevölkerungsquerschnitt sind.Zugleich aber bietet diese Stichprobenkonstruktion zwei große Vorteile. Dererste ist eher praktischer Natur: Der standardisierte Ausgangspunkt der zu be-trachtenden individuellen Lebensläufe begrenzt deren empirische Vielfalt undvereinfacht die Analyse, weil es nicht notwendig wird, das Bildungssystem inseiner ganzen Differenziertheit zu berücksichtigen. Die Beschränkung auf einganz bestimmtes Segment des Bildungswesen erlaubt es aber, in dessen spezi-

die sich im zeitlichen Verhältnis der beiden Stränge des Lebenslaufes durchlange Ausbildungszeiten, also vor allem durch ein Studium ergeben. Undschließlich soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die Lebens-läufe von Frauen dem ursprünglich männlichen Modell angenähert haben,und welche besonderen Anstrengungen Frauen zu unternehmen gezwungensind, um beruflichen und privaten Erfolg in einer Lebensperspektive zu verei-nen.

Um diese Fragestellungen angemessen empirisch behandeln zu können,werden Daten benötigt, die auf der Individualebene die zeitliche Strukturie-rung des Lebenslaufes in dem hier interessierenden Zeitraum genau abbilden.Zugleich ist eine hinreichende Stichprobengröße notwendig, um auch bei dif-ferenzierten quantitativen Analysen zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kom-men. Beide Bedingungen erfüllt die "Kölner Gymnasiastenstudie", die auf ei-ner Stichprobe nordrhein-westfälischer Gymnasiasten (n= 3240) beruht, die1970 als etwa 16jährige Schülerinnen und Schüler der 10. Gymnasialklasseu.a. zu ihren beruflichen Plänen, ihren Aspirationen und ihrem Elternhaus be-fragt wurden. In einer zweiten Befragung (n = 1989) wurden 15 Jahre späterretrospektiv die Daten des bisherigen Ausbildungs- und Berufsverlaufes dernunmehr gut 30jährigen detailliert und weitgehend lückenlos erhoben. Dar-über hinaus umfaßt die Wiederbefragung nicht nur die zentralen Strukturda-ten des privaten Lebenslaufes und Fragen zur subjektiven Bewertungen derbisherigen Lebensgeschichte, sondern auch Einstellungs- und Wertfragen.3

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3 Die Primärbefragung wurde vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert und am Forschungsin-stitut für Soziologie der Universität zu Köln unter der Leitung von René König durchgeführt.Leiter dieses Projektes waren Hans-Joachim Hummell, Michael Klein, Maria Wieken-Mayserund Rolf Ziegler. Die Wiederbefragung wurde von der DFG gefördert und am Zentralarchiv fürempirische Sozialforschung an der Universität zu Köln (ZA) durchgeführt. Projektleiter der Wie-derbefragung waren Heiner Meulemann, Hans-Joachim Hummel, Maria Wieken-Mayser undRolf Ziegler; Projektmitarbeiter war Wilhelm Wiese. Die Feldarbeit wurde vom Bremer GETAS-Institut durchgeführt. Einzelheiten können dem im ZA erhältlichen Projektendbericht an dieDFG (Meulemann et al. 1987) entnommen werden. Dort sind auch die Daten unter der Studien-nummer 1441 erhältlich.

nen Blickwinkeln untersucht werden, ob es in dem betrachteten Lebensab-schnitt Regelmäßigkeiten der zeitlichen Struktur der Statuspassagen im Ag-gregat der beruflichen und privaten Lebensläufe gibt, die sich in dem ein-gangs skizzierten theoretischen Bezugsrahmen als Normallebenslauf ehemali-ger Gymnasiasten zwischen dem fünfzehnten und dem dreißigsten Lebensjahrrekonstruieren lassen. Dabei werden zunächst beide Stränge des Lebenslaufesgetrennt betrachtet, dann aber auf die gemeinsame Zeitachse des Lebensaltersübertragen. Der Vergleich der zeitlichen Struktur des Lebenslaufes zwischenFrauen und Männern sollte zeigen, ob und inwieweit hier Übereinstimmungengefunden werden können, die auf die zunehmende Institutionalisierung einesLebenslaufsmusters hinweisen. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, zwi-schen den Gruppen mit und ohne Studium zu unterscheiden, um einerseits un-terschiedliche Muster im Lebenslauf beider Gruppen auch als das Resultat ei-

1.3 Plan der empirischen Analysen

Wer mit Begriffen wie der "Institution Lebenslauf" oder dem "Normallebens-lauf" operiert, der muß natürlich erst einmal zeigen, daß diese Begriffe nichtlängst nur noch ein theoretisches Konstrukt ohne empirischen Gehalt darstel-len, sondern daß ihnen auch eine empirische Realität entspricht. Zu diesemZweck soll in einem ersten Analyseschritt (Kapitel 2) aus verschiede

fischem Bereich die institutionelle Prägung des Lebenslaufes und die indivi-duelle Konstruktionsleistung der Akteure sehr genau und differenziert zu ana-lysieren. Der Verzicht auf Breite in der Untersuchung bedeutet nicht, daß diegrundlegende Fragestellung aus den Augen verloren wird. Vielmehr bietet dieBesonderheit der Stichprobenkonstruktion als zweiten Vorteil die Möglich-keit, eine Teilpopulation genauer zu betrachten, die gleich in doppelter Hin-sicht für die Untersuchungsfrage von besonderem Interesse ist. Erstens läßtdas hohe Bildungsniveau eine ausgeprägte Berufsorientierung nicht nur derMänner, sondern auch der Frauen erwarten, so daß hier – wie unter einer Lu-pe – die besonderen Schwierigkeiten von Frauen bei der Integration von be-ruflichen und privaten Zielen und die von ihnen genutzten Strategien zu ihrerLösung betrachtet werden können. Zweitens sollten sich insbesondere bei ei-ner langen Bildungsphase spezifische Formen der Anpassung des privaten anden beruflichen Lebenslauf zeigen, deren Vorhandensein wiederum ein Belegfür die Dominanz des beruflichen Lebenslaufes über den privaten Lebenslaufwäre.

Der Lebenslauf als individuelles Konstrukt und als Prinzip sozialer Organisation 29

ner verlängerten Ausbildungsphase interpretieren zu können, und andererseitsum zu verhindern, daß alleine die unterschiedliche Dauer der Ausbildungs-phase beider Gruppen alle anderen Übereinstimmungen und Differenzenüberlagert.

Der Zugang zur Institution Lebenslauf erfolgt in dieser ersten Gruppe vonUntersuchungen über das Aggregat der Lebensläufe in den vier durch Kreuz-tabellierung der Dichotomien Geschlecht und Studium gebildeten Gruppen.Dadurch sollte sich zwar ein relativ klares Bild der durchschnittlichen zeitli-chen Struktur des Lebenslaufes zwischen 15 und 30 Jahren ergeben, aberdurch die Fixierung auf Mehrheiten gerät die konkrete Vielfalt möglicher Le-benswege aus dem Blickfeld. Die soll daher explizit zum Gegenstand einesweiteren Analysekapitels (Kapitel 3) gemacht werden. Dort werden dann,wiederum für Frauen und Männer getrennt, die Häufigkeiten individueller Se-quenzmuster der Übergänge in den beiden Strängen des Lebenslaufes ermit-telt und zu jeweils einer Typologie des beruflichen und des privaten Lebens-laufes verdichtet.

Die typologische Ordnung der Ausbildungs- und Berufsverläufe wird sicham Aufriß der Institutionen des Bildungsweges und am Erfolg auf den einzel-nen Etappen, als dem zentralen Kriterium des Bildungswesens, ausrichten.Die dahinter stehende Frage lautet, ob es für Gymnasiasten einen typischenWeg in den Beruf gibt, der seine Normalität aus der Orientierung individuel-ler Akteure an dem Ziel des beruflichen Erfolges im Rahmen der ihnen nachden bis dahin absolvierten Etappen des Bildungsweges noch offenstehendenMöglichkeiten gewinnt. Theoretisch ist dieser Weg leicht zu ermitteln: Erführt vom Gymnasium über das Abitur in ein Studium, dessen erfolgreicherAbschluß noch im Beobachtungszeitraum die Tür zu einer gehobenen Berufs-laufbahn öffnen sollte. Aber ist er auch der empirisch häufigste? Und wievieleder Befragten sind weniger erfolgreich, weil sie das Ziel noch nicht erreichtoder diesen Weg vorzeitig verlassen haben?

In ähnlicher Weise, wie dies für die einzelnen Etappen der Ausbildungs-und Berufslaufbahn beabsichtigt ist, soll auch der Familienbildungsprozeßdurch die Häufigkeit der empirisch ermittelten Sequenzmuster seiner ver-schiedenen Übergänge (Beginn des Zusammenlebens der Partner, Heirat,auch Trennungen, Geburt des ersten Kindes) beschrieben werden. Darauf auf-bauend soll eine Typologie entwickelt werden, die der Vielfalt legitimer Le-bensformen gerecht wird und ihre Häufigkeiten beschreibt. Dabei wird dieFrage zu beantworten sein, ob es überhaupt noch den Familienbildungsprozeßgibt und welche empirische Bedeutung anderen, stärker individualisierten Le-bensformen – z.B. "Single", "Living-Apart-Together" – zukommt. Die Analy-

30 Dimensionen des Lebenslaufes: Vorüberlegungen, Fragestellung und Analyseplan

sen werden differenziert für Frauen und Männer mit und ohne Studium durch-geführt, weil sich so zeigen lassen sollte, ob die Wahl von privaten Lebens-formen, die im Vergleich zu einer traditionellen Familiengründung durch einegeringere Verbindlichkeit und weniger privaten Verpflichtungen charakteri-siert sind, als spezifische Formen der Anpassung des privaten Lebenslaufesan die berufliche Dimension des Lebens interpretiert werden können. SolcheLebensformen könnten von Frauen mit hohen beruflichen Aspirationen ge-nutzt werden, um mögliche männliche, am traditionellen weiblichen Rollen-klischee orientierte Erwartungen und Ansprüche gar nicht erst wirksam wer-den zu lassen (vgl. Meyer/Schulze 1988). Vor allem aber sollte der Vergleichder Gruppen mit und ohne Studium erkennen lassen, daß private Lebensfor-men geringerer Verbindlichkeit dort häufiger gewählt werden, wo die Ausbil-dungsphase bis weit in das dritte Lebensjahrzehnt und z.T. auch darüber hin-aus andauert, weil sie der spezifischen Situation einer noch nicht abgeschlos-senen Ausbildung besser angepaßt sind.

Gegenstand des 4. Kapitels wird dann die Koordination der Entscheidun-gen des privaten mit denen des beruflichen Lebenslaufes. Anders als im 2.Kapitel, wo versucht werden soll, im Aggregat der einzelnen Lebensverläufedie Prägung der zeitliche Struktur durch die Institution nachzuweisen, wirdhier der zeitliche Zusammenhang zwischen den Statusübergängen der beidenStränge des Lebenslaufes auf der Ebene individueller Akteure behandelt wer-den. Dabei wird der durch spezifische Übergänge strukturierte individuelleAusbildungs- und Berufsverlauf als der Maßstab betrachtet, vor dessen Hin-tergrund die Statusübergänge des privaten Lebenslaufes vollzogen werden.Die wegen des Mittelcharakters einer Erwerbstätigkeit vor allem in der Aus-bildungsphase erwartete Dominanz des beruflichen über den privaten Lebens-lauf sollte sich auch auf der Ebene individueller Akteure in einer entsprechen-den zeitliche Ordnung der Übergänge widerspiegeln. Die kann als aktive An-passung an die Situation der Ausbildung und damit an die Bedingungen eineram beruflichen Erfolg orientierten Lebensplanung interpretiert werden.

Nun mag man einwenden, daß mit den bis dahin durchgeführten Analysenvielleicht bestimmte Regelmäßigkeiten im Lebensverlauf beschrieben werdenkönnen, aber daß im Grunde nicht gezeigt werden kann, warum diese Regel-mäßigkeiten das Resultat individueller Orientierung an der Institution einesum die Erwerbsarbeit organisierten Lebenslaufes sind. Aber die Annahme ei-ner solchen Institution bietet eine Möglichkeit das konkrete Handeln zu erklä-ren, weil sie ein Instrumentarium bereitstellt, das die Richtung und die Bedin-gungen des Handelns beschreibt. Der theoretische Bezugsrahmen setztvoraus, daß nicht nur die Schritte des beruflichen Lebenslaufes, sondern daß

Der Lebenslauf als individuelles Konstrukt und als Prinzip sozialer Organisation 31

auch die des privaten Lebenslaufes i.d.R. wohlüberlegt erfolgen oder eben un-terlassen werden, und daß in diesem Entscheidungsprozeß nicht nur die sub-jektive Wertigkeit der zur Debatte stehenden privaten Lebenssituation be-rücksichtigt wird, sondern auch, inwieweit deren spezifische Voraussetzungenerfüllt sind, und welche Konsequenzen sie möglicherweise im Bereich derAusbildungs- und Berufslaufbahn nach sich zieht.4 Die Basis der Interpreta-tionen der Ergebnisse des 2., 3. und 4. Kapitels ist der Versuch, die Grundla-gen des individuellen Handelns verstehend zu rekonstruieren.

Wenn etwa bestimmte Übergänge des privaten Lebenslaufes während desAusbildungsprozesses normalerweise noch nicht erfolgen, dann müssen sichauf der Ebene der Akteure Gründe für dieses Handeln finden lassen. Aus demweiter oben skizzierten theoretischen Bezugsrahmen läßt sich der erste Grundfür dieses Verhalten ableiten, der in der besonderen Bedeutung eines erfolg-reichen Abschlusses einer möglichst qualifizierten Ausbildung für die Art unddas Niveau der angestrebten Erwerbstätigkeit und damit für die weiteren Le-bensbedingungen zu sehen ist. Auch wenn dabei mögliche Unterschiede inder Lebensplanung von Frauen und Männern zu bedenken sind, sollte dies zu-nächst einmal für Frauen und Männer – vor allem in unserer nach Bildung se-legierten Stichprobe – gleichermaßen gelten. Aber die Bedeutung der Ausbil-dungsphase für die zukünftigen Lebenschancen erklärt nur, worin der erwarte-te Nutzen eines erfolgreich absolvierten Ausbildungsprozesses gesehen wirdund warum im Falle eines Konfliktes der Ausbildungs- und Berufslaufbahneine höhere Priorität gegenüber den privaten Wünschen eingeräumt wird,nicht aber, was diesen Konflikt überhaupt inhaltlich charakterisiert. Es gilt al-so darüber hinaus zu erläutern, worin die Akteure die Inkompatibilität be-stimmter privater Lebenssituationen mit einem gegebenen Stand der Ausbil-dungs- und Berufslaufbahn sehen. Ohne einer differenzierteren Argumentati-on vorzugreifen, die erst im Rahmen der Analysen erfolgt, soll hier nur daraufhingewiesen werden, daß erwartet wird, daß eine zu frühe Familiengründungdem Ausbildungsprozeß wichtige Ressourcen entziehen und dadurch dessenErfolg gefährden kann. Ganz allgemein vermute ich, daß mit bestimmten pri-vaten Lebenssituationen unerwünschte Nebenfolgen für die Ausbildung ver-knüpft sind, die wegen der großen Reichweite der Berufsqualifikation und ei-nes erfolgreichen Berufseinstiegs in dem Maß vermieden werden, in dem sieden Erfolg in Ausbildung und Beruf gefährden. Dabei gilt es auch, die quali-

32 Dimensionen des Lebenslaufes: Vorüberlegungen, Fragestellung und Analyseplan

4 Viele meiner Argumentationslinien bezüglich des Handelns lehnen sich, auch wenn es nichtimmer explizit vermerkt wird, an "Rational Choice" Theorien an, wie sie u.a. von James Cole-man (1991) ausgearbeitet wurden, dessen "Grundlagen der Sozialtheorie" ich darüber hinausviele Anregungen zum Verhältnis von Akteuren und Sozialstruktur zu verdanken habe, ohnedies aber im Einzelfall jeweils genau zuordnen zu können.

tativen und quantitativen Unterschiede der Belastung, die eine Familiengrün-dung i.d.R. für Frauen und Männer bedeutet, zu berücksichtigen. Aber diesheißt nur, daß Frauen und Männer im Falle zu früher privater Übergänge mitKosten zu rechnen haben, die sich in Art und Höhe z.T. von einander unter-scheiden, und hat keinen Einfluß auf den grundlegenden Mechanismus, mitdessen Hilfe die moderne, erwerbszentrierte Institution des Lebenslaufes indem hier betrachten Lebensabschnitt auch den privaten Lebenslauf struktu-riert, indem sie die Verantwortung für die Einhaltung ihrer Normen und Re-geln in die Hände der individuellen Akteure legt, denen vor allem ihre Orien-tierung am beruflichen Erfolg gemeinsam ist.

Diese Überlegungen mögen das empirisch beobachtete Verhalten ver-ständlich machen, aber solange nicht gezeigt werden kann, daß der Erfolg inder Ausbildungs- und Berufslaufbahn tatsächlich auch von einem entspre-chend angepaßten Handeln im privaten Lebenslauf abhängt, bleibt ein we-sentliches Theorieelement unüberprüft. Im 5. Kapitel soll daher zunächst bi-variat untersucht werden, inwieweit bestimmte private Lebenssituationen mitspezifischen Kosten für die verschiedenen Dimensionen des Erfolges in Schu-le, Studium und Beruf verbunden sind. Die Fragen, die hier empirisch beant-wortet werden sollen, lauten beispielsweise: Welche Folgen hat die Geburt ei-nes Kindes für das Studium und den späteren Beruf? Gibt es bei Frauen undMännern Unterschiede in den Auswirkungen einer Elternschaft auf Studien-verlauf, den Berufseintritt und den Erfolg im Beruf? Neben den objektiv meß-baren Dimensionen des Erfolges, zu denen für ehemalige Gymnasiasten derStudienzugang, die Studiendauer, Examen, Berufseintritt, sowie das im Pre-stige des Berufes und das dabei erzielte Einkommen gehören, soll hier auchder subjektive Aspekt des Erfolgs berücksichtigt werden. Dazu wird unter-sucht, ob Zusammenhänge zwischen frühen privaten Übergängen und der Zu-friedenheit der zum Zeitpunkt der Befragung 30jährigen mit ihrer bisherigenberuflichen bzw. privaten Entwicklung bestehen. Im Hintergrund dieser Ana-lysen steht die Frage nach dem subjektiven Verhältnis der beiden Lebensbe-reiche, die vor allem bei Frauen, denen mit der traditionellen Frauenrolle eineAlternative zur Berufsorientierung offensteht, von Interesse ist. Wenn die frü-he Entscheidung für eine Familie bei Frauen zwar den objektiven beruflichenErfolg schmälert, zugleich aber die private Zufriedenheit deutlich positiv be-einflußt und ohne Einfluß auf die berufliche Zufriedenheit bleibt, dann kannman vermuten, daß sie bewußt einer subjektiven Präferenz für die traditionel-le Alternative gefolgt sind. Ein negativer Zusammenhang früher privaterÜbergänge mit der beruflichen Zufriedenheit aber würde zeigen, daß die pri-vate Entscheidung keine Entscheidung gegen eine Berufskarriere darstellte,

Der Lebenslauf als individuelles Konstrukt und als Prinzip sozialer Organisation 33

sondern daß die beruflichen Nachteile als unerwünschte Nebenfolgen der pri-vaten Entscheidung interpretiert werden müssen.

Im 6. Kapitel sollen zunächst die Zusammenhänge zwischen frühen priva-ten Übergängen und dem objektiven Erfolg in der Ausbildungs- und Berufs-laufbahn multivariat überprüft werden, indem die verschiedenen Dimensionendes Erfolges nicht nur durch die private Lebenssituation, sondern auch durch"klassische" Determinanten des Ausbildungs- und Berufserfolges vorausge-sagt werden. Dazu gehören u.a. Faktoren wie die soziale Herkunft der Befrag-ten, ihre beruflichen Aspirationen und Ziele, spezifischen Leistungsmerkmaleund bereits getätigten Investitionen in die Ausbildung, aber auch der fachspe-zifische Arbeitsmarkt als wichtige Rahmenbedingung einer erfolgreichenBerufseinmündung. Bei diesen Analysen wird sich nicht nur zeigen, welchenStellenwert die Entscheidungen im privaten Lebenslauf bei Kontrolle der ge-nannten Faktoren besitzen, sondern es sollte sich auch ein Profil der Bedeu-tung der verschiedenen Erfolgsbedingungen im Ausbildungs- und Berufsver-lauf herauskristallisieren, wenn ihr Einfluß auf den Erfolg bei der Bewälti-gung der einzelnen, aufeinander folgenden Etappen und die verschiedenenErfolgsdimensionen bestimmt wird. Eine der Fragen, die dabei beantwortetwerden soll, lautet z.B., ob Startchancen und Aspiration im Verlauf eines bisdahin erfolgreich beschritten Ausbildungsweges an Bedeutung verlieren undstatt dessen individuelle Leistungsmerkmale und Erfolge auf den schon be-wältigten Etappen stärker in den Vordergrund treten, wie man dies erwartenkönnte, wenn man die Ausbildung als Investition versteht.

Von besonderem Interesse ist bei diesen Untersuchungen wiederum dienach Geschlechtern getrennte Analyse, denn hier sollte sich zeigen, inwieweitder Erfolg in der Ausbildungs- und Berufslaufbahn bei Frauen und Männernan die gleichen Bedingungen geknüpft ist. Dies ist zumindest im Falle einerFamiliengründung noch vor dem Eintritt in den Beruf, die vor allem für Frau-en zusätzliche Belastungen mit sich bringen dürfte, mehr als zweifelhaft. Dar-über hinaus aber stellt sich die viel allgemeinere Frage, inwiefern Frauen ein-fach das "männliche" Modell eines erwerbszentrierten Lebenslaufes überneh-men können. Dies dürfte sich spätestens dann als problematisch erweisen,wenn es gilt, berufliche und private Ziele in einer Lebensplanung zu integrie-ren. Die einzelnen Ergebnisse werden daher auch darauf abzuklopfen sein, in-wieweit sich in ihnen das Dilemma der Lebensplanung von zugleich karriere-und familienorientierten Frauen widerspiegelt – einer Lebenszielkombinationalso, die von Männern problemlos anzustreben ist.Ob man dabei tatsächlich von einem Dilemma ausgehen kann, sollte sich her-ausstellen, wenn in einer abschließenden multivariaten Analyse der Bedin-

34 Dimensionen des Lebenslaufes: Vorüberlegungen, Fragestellung und Analyseplan

gungen der Zufriedenheit mit der beruflichen Entwicklung gezeigt werdenkann, daß eine Familiengründung vor dem Berufseintritt auch unter Kontrolleweiterer relevanter Einflußfaktoren die berufliche Zufriedenheit bei Frauendeutlich senkt. Zu den Faktoren, die dabei berücksichtigt werden, gehörenu.a. Variablen, die die Höhe von Erwartungen und Ansprüchen an den Berufindizieren, vor allem aber die verschiedenen Dimensionen des aktuellen be-ruflichen Erfolges und seiner Bedingungen. Die Analyse des Einflusses derverschiedenen Erfolgsdimensionen auf die berufliche Zufriedenheit eröffnetdarüber hinaus die Möglichkeit, herauszuarbeiten, ob Frauen wegen derSchwierigkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren, eine andere Perspektiveals Männer auf die Erwerbsarbeit entwickeln, die sich auch in einer anderenBewertung der Kriterien beruflichen Erfolges niederschlägt.5

Der Lebenslauf als individuelles Konstrukt und als Prinzip sozialer Organisation 35

5 Vor dem ersten Analysekapitel muß noch erwähnt werden, daß die Vielzahl der durchgeführtenUntersuchungen es notwendig machte, darstellungstechnisch eine Auswahl zu treffen: Nur dieErgebnisse, auf denen der Hauptstrang der Argumentation beruht, werden tabellarisch oder gra-fisch aufbereitet im Text direkt wiedergegeben. Abbildungen und Tabellen im Text sind kapitel-weise in einer Folge durchnumeriert. Einige weitere Ergebnisse, von denen ich angenommen ha-be, daß sie die Leser besonders interessieren könnten, finden sich in einem kurzen Tabellenan-hang am Ende dieser Publikation. Sie enthalten zur Kennzeichnung als Element ihrer Numerie-rung ein "A". Die Vielzahl ergänzender Analysen, die im Text nur erwähnt werden, dort aber ausPlatzgründen nicht dokumentiert werden konnten, fand ihren Platz in einem zusätzlichen Tabel-lenband, der beim Autor erhältlich ist (Birkelbach 1996). Die dort dokumentierten Tabellen undAbbildungen enthalten als Element ihrer Numerierung die Buchstabenfolge "TB".

2 Berufliche und private Statuspassagen bis zum drei-ßigsten Lebensjahr

2.1 Die Übergänge des Lebenslaufs auf der Zeitachse

Das vorliegende Kapitel widmet sich der Beschreibung der Verteilung wichti-ger privater und beruflicher Statusübergänge zwischen dem fünfzehnten unddreißigsten Lebensjahr6 auf der vom Alter der Befragten aufgespannten Zeit-achse, um so den ersten Schritt einer Rekonstruktion des Lebenslaufes als In-stitution zu leisten. Dabei spielt es zunächst einmal keine Rolle, ob die dabeizu beobachtenden Regelmäßigkeiten eher Ausdruck des Wirkens eindeutigerNormen mit impliziter Sanktionsandrohungen sind (kritisch dazu u.a.: Fuchs-Heinritz 1991: 9-20; Abels, Fuchs, Krüger 1988; Marini 1984), ob es sicheinfach um ein vorherrschendes Verhaltensmuster handelt, das nicht zuletztauch wegen seiner empirischen Häufigkeit Leitbildcharakter besitzt (Heck-hausen 1990), oder ob es sich dabei um eine Ordnung handelt, die sich ausder zentralen Position der Erwerbsarbeit in der individuellen Lebensplanungergibt. Hier geht es erst einmal um die empirische Feststellung, ob es solcheRegelmäßigkeiten überhaupt gibt, und falls ja, wie sie aussehen, erst sekundärum ihre Ursachen. Sollten sich aber Regelmäßigkeiten zeigen, dann wird imnächsten Schritt untersucht, welche Auswirkungen diese auf den beruflichenErfolg haben, bzw. ob Abweichungen zu geringerem Erfolg im Berufslebenführen.

2.1.1 Zentrale berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigstenLebensjahr

Eine Analyse, die die zeitliche Strukturiertheit des Lebenslaufs betrachtenwill, muß zunächst einmal festlegen, welche Übergänge, welche Ereignisse6 Die Befragten waren zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 28 und 34 Jahre alt; gut 85% da-von waren 29, 30 oder 31 Jahre alt. Das Durchschnittsalter lag bei 30,8 Jahren, die Standardab-weichung bei 0,9 Jahren (Birkelbach 1996: TB1).

des Lebens sie betrachten will. Wegen der Besonderheit der Stichprobe kön-nen nur Ereignisse, die üblicherweise bis zum dreißigsten Lebensjahr eintre-ten, zum Gegenstand der Analysen werden, nicht aber die Ereignisse, die spä-ter im Leben terminiert sind. Von besonderer Bedeutung sind die Statuspassa-gen, die üblicherweise die schrittweise Übernahme der Erwachsenenrollemarkieren. Hier soll daher erst einmal die zeitliche Verteilung der privatenund beruflichen Schritte auf dem Weg zum Erwachsensein betrachtet werden.Der Maßstab, auf dem die einzelnen Übergänge abgebildet werden, ist dasLebensalter der Befragten. Die Zeitpunkte der einzelnen Ereignisse wurdenauf den Monat genau erhoben und anschließend in das Lebensalter in Jahreumgerechnet.

Übergänge der Ausbildungs- und Berufslaufbahn

Auf der beruflichen Ebene lohnt es sich vor allem, den Übergang von der all-gemeinbildenden Schule in die Phase der berufsqualifizierenden Ausbildungund den daran anschließenden Übergang in die Erwerbstätigkeit genauer zubetrachten. Von Interesse ist dabei zunächst einmal der Zeitpunkt des höch-sten Schulabschlusses. Das Alter der Befragten beim Verlassen der Schule istder Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung der Berufskarriere, denn werdie Schule jung verläßt, der kann schon früh den Einstieg in das Erwerbslebenfinden. Zugleich bedeutet ein früher Ausstieg aus dem Bildungsprozeß aberauch, daß dem Betreffenden bestimmte berufliche Karrieren verschlossenbleiben. Die fehlende Hochschulzugangsberechtigung versperrt den direktenWeg an die Universität und dadurch zunächst einmal eine Vielzahl sonstmöglicher Berufslaufbahnen. Ein Studium, häufig eine wichtige Vorausset-zung für gehobene berufliche Positionen, kann nur noch auf Umwegen, wieüber den sogenannten "zweiten Bildungsweg", angestrebt werden. Die Ent-scheidung für oder gegen das Abitur ist daher eine der wirklich zentralenWeichenstellungen in der Berufskarriere.

In der Chronologie der Übergänge folgt dem Schulabschluß eine zweiteEntscheidung von ähnlicher Bedeutung: Eine berufsqualifizierende Ausbil-dung, also eine Berufsausbildung oder ein Studium, wird aufgenommen. An-fang und Ende dieser beiden unabhängig voneinander betrachteten Phasensind nach dem Abschluß der allgemeinbildenden Schule die nächsten markan-te Punkte in der zeitlichen Struktur des Lebenslaufs.

Vor der seit dem Ende der sechziger Jahre einsetzenden Phase der Bil-dungsexpansion waren die beiden Wege in den Beruf weitgehend klar von

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 37

einander getrennt. Der eine führte ausgehend von einem Haupt- oder Real-schulabschluß über eine Lehre in qualifizierte untere und mittlere, der anderevom Abitur über das Studium in gehobene und höhere berufliche Positionen.Ein zweiter Bildungsweg, auf dem Abitur und Studium nachgeholt werdenkonnten, ermöglichte den nachträglichen Aufstieg nach Lehre und Berufstä-tigkeit (vgl. Beinke 1985, Frenz 1985, Jüttemann 1991). Seit ein Hoch-schulabschluß nicht mehr automatisch eine überdurchschnittliche Berufskar-riere garantiert, stellt sich die Situation komplizierter dar. Zwar können Studi-um und Berufsausbildung auch heute noch unabhängig voneinander in denBeruf führen; beide Wege schließen sich jedoch nicht mehr in dem Maße, wiees früher die Regel war, gegenseitig aus. Nicht selten wird durch eine Doppel-qualifikation versucht, die individuellen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zuverbessern.7 Es ist heute keine Besonderheit mehr, wenn nach dem Abitur ei-ne Berufsausbildung mit der erklärten Absicht eines darauf aufbauenden Stu-diums aufgenommen wird (vgl. Durrer-Guthoff /Kazemzadeh 1984). Beide,die Absolventen des zweiten Bildungsweges und die Doppelqualifizierer, ha-ben vor dem Studium i.d.R. bereits eine Berufsausbildung absolviert und sindmöglicherweise auch schon erwerbstätig gewesen. Der wesentliche Unter-schied besteht in der biographischen Perspektive der Lebensplanung: Wäh-rend die eine Gruppe die zweite Ausbildung gezielt als Ergänzung der erstenplant, korrigiert die andere Gruppe eine früher getroffene Bildungsentschei-dung nachträglich, indem sie auf dem zweiten Bildungsweg nachholt, was aufsie auf dem ersten – aus welchen Gründen auch immer – versäumt hat.

Beide bisher besprochenen Gruppen haben eine Berufsausbildung vordem Studium absolviert. Ebensogut kann die Reihenfolge umgekehrt sein.Auch dabei dürfte das Ziel i.d.R. darin bestehen, durch eine zusätzliche Qua-lifikation die persönlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Einesolche Zusatzqualifikation kann unter Umständen sicher auch eine entspre-chende Lehre sein. Neben diesen Doppelqualifizierern gibt es aber noch einezweite Gruppe, die im Anschluß an das Studium eine Ausbildung aufnimmt.Bei ihr hat sich nachträglich, aus welchen Gründen auch immer, der Weg andie Hochschule als Sackgasse erwiesen. Die Fehlentscheidung – denn als sol-che stellt sie sich subjektiv dar – für ein bestimmtes Studium soll dann nach-träglich durch eine Berufsausbildung korrigiert werden.

An dieser Stelle gilt es zunächst einmal festzuhalten, daß Kombinationenvon Studium und einer vorherigen oder anschließenden Berufsausbildung em-pirisch nicht selten vorkommen: Immerhin hat in der hier untersuchten Stich-

38 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

7 Mit der Frage, ob sich die Investition einer Doppelqualifikation rentiert, setzt sich Meulemann(1989) empirisch auseinander.

probe ehemaliger Gymnasiasten über ein Viertel (28,2%) der Teilstichprobe,die jemals ein Studium aufgenommen hat (n=1479), zusätzlich zu dem Studi-um eine Berufsausbildung begonnen oder ist vor dem Abitur oder dem Stu-dium erwerbstätig gewesen. Eine nicht unbeträchtliche Minderheit hat alsoneben den üblichen Wegen zusätzliche Pfade in den Beruf beschritten. Dabeikann hier zunächst einmal die Bewertung, ob es sich um Umwege oder Er-gänzungen handelt, offen bleiben. Erwartet wird aber für diese Gruppe wegender objektiven Verzögerungen des Ausbildungsweges ein späterer Eintritt indas Berufsleben nach einem Studium.

Abstrahiert man von allen Sonderwegen, so ist die Hauptrichtung docheindeutig: Der Ausgangspunkt der beruflichen Entwicklung bis zum 30. Le-bensjahr ist die allgemeine Schulausbildung, das Ziel die Erwerbstätigkeit.Zwischengeschaltet ist eine Phase der beruflichen Ausbildung, sei es nun eineLehre, ein Studium, oder auch eine wie auch immer geartete Kombinationvon beidem, deren Zweck aber immer die Vorbereitung auf die Erwerbstätig-keit ist. Wenn man das Ziel der beruflichen Ausbildung so klar durch das ZielErwerbstätigkeit definiert, dann bedeutet das für die beabsichtigte Beschrei-bung der Chronologie biographischer Übergänge, daß nicht in jedem Fall derZeitpunkt der ersten Erwerbstätigkeit überhaupt, sondern der Zeitpunkt derersten Erwerbstätigkeit nach der letzten Ausbildungsphase maßgeblich ist.

Diese Vorgehensweise schließt frühe Erwerbsphasen, die vor dem Ab-schluß der Ausbildung liegen, aus der Betrachtung aus. Nun mag man ein-wenden, daß es in einer Zeit, in der der Arbeitsmarkt die ständige Weiterqua-lifikation des einzelnen Arbeitnehmers fordert, keine "letzte" Ausbildungs-phase gibt. Dieser Weiterbildungsprozeß im ausgeübten Beruf kann aber inder hier betrachteten Lebensphase ehemaliger Gymnasiasten bis zu ihrem 30.Lebensjahr i.d.R. noch gar nicht Gegenstand der Betrachtung sein. Insbeson-dere für die Gruppe, die eine Hochschule besucht hat, steht der Prozeß dererstmaligen Berufsfindung und des Berufseinstiegs noch im Zentrum der be-ruflichen Entwicklung. Zusatzqualifikationen, die vor, neben oder nach demStudium erworben wurden, dienen dem Einstieg in den angestrebten Berufund sind daher ein Bestandteil der Ausbildung für diesen Beruf. Etwas andersist die Situation bei denjenigen, die kein Studium aufgenommen haben. We-gen des früheren Berufseinstiegs ist es in dieser Gruppe wahrscheinlicher, daßbereits Phasen der Weiterbildung im ausgeübten Beruf stattgefunden haben.Auch wenn der Zeitpunkt der ersten Erwerbstätigkeit überhaupt und der Zeit-punkt der ersten Erwerbstätigkeit nach der letzten Ausbildungsphase sehrhäufig zusammenfallen dürften, so lohnt doch insbesondere bei dieser Gruppeeine getrennte Betrachtung beider Zeitpunkte.

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 39

Neben den bisher aufgeführten Statuspassagen sind noch zwei weitere Phasender beruflichen Entwicklung bis zum 30. Lebensjahr von Interesse, weil beidespürbare Einschnitte im Lebenslauf bedeuten können. Dabei handelt es sichzum einen um den Wehr- bzw. Zivildienst, der für Männer eine merklicheVerzögerung in der Berufskarriere bedeuten kann.8 Während es sich bei die-sen Diensten nur um einen Einschnitt in die Berufslaufbahn mit klarer zeitli-cher Befristung handelt, kann der nächste Übergang, auf den hier eingegan-gen werden muß, eine viel weitreichendere Bedeutung haben. Gemeint ist derBeginn einer Phase, die hier verkürzend als "Hausfrau/Hausmann" bezeichnetwerden soll, und den temporären oder unbefristeten Ausstieg aus dem Berufs-leben zugunsten der Führung des familiären Haushaltes beinhaltet. Auch inder vorliegenden, bildungsmäßig privilegierten Stichprobe dürften vor allemFrauen zugunsten ihrer Familie aus dem Berufsleben ausscheiden oder erstgar nicht in das Berufsleben eintreten. Ob diese Gruppe später mehrheitlichwieder in das Berufsleben zurückkehrt, kann angesichts des Alters von ca. 30Jahren zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht beantwortet werden.

Übergänge des privaten Lebenslaufs

Gerade die Frage, ob und wie sich Frauen (und natürlich auch Männer) zwi-schen Beruf und Familie entscheiden, verdeutlicht die enge Verknüpfung vonberuflichem und privatem Lebensbereich. Parallel zur beruflichen Karriere,aber nicht unabhängig von ihr, verläuft die private Entwicklung. Hier markie-ren vor allem vier zentrale Übergänge den Weg zum Erwachsenenstatus. Denersten Schritt weg von der Herkunftsfamilie, hin zur eigenen Familiengrün-dung, ist der Auszug aus dem Elternhaus und die Gründung eines eigenenHausstandes.

Als nächstes steht auf der Tagesordnung des privaten Lebenslaufs dieGründung eines gemeinsamen Haushaltes mit einem Partner bzw. einer Part-nerin. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob diese Verbindung auch durchdie Eheschließung einen formalen Rahmen erhält oder nicht. Auch wenn esinzwischen vor allem aus Skandinavien Hinweise gibt, daß sich die nichtehe-liche Lebensgemeinschaft dort zu einer eigenständigen Familienform entwik-kelt hat,9 so stellt sie wohl in der Bundesrepublik des Beobachtungszeitrau-

40 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

9 In Schweden etwa ist der Anteil der 20 bis 24jährigen Frauen, die unverheiratet mit ihrem Part-ner zusammenleben in den Jahren von 1975-1981 von 29% auf 44% gestiegen. Im gleichenZeitraum ist der Anteil verheirateter Frauen dieser Altersgruppe von 24% auf 15% zurückgegan-

8 Eine Dauer des Wehrdienstes von 15 und des Zivildienstes von 16 Monaten entsprach der biszur Novellierung des Zivildienstgesetzes im Jahre 1983 gültigen Rechtslage.

mes überwiegend eine Vorstufe oder eine Art "Ehe auf Probe" mit einem derEhe gegenüber reduzierten Grad an objektiver und wahrscheinlich auch sub-jektiver Verbindlichkeit dar. Eine allzu enge Bindung und Verpflichtung ei-nem Partner gegenüber kann so während des Moratoriums der Bildungsphase(Meulemann 1990b) vermieden werden, ohne daß dabei auf Partnerschaftverzichtet werden muß. Nach einer gewissen Zeit aber wird meist dochgeheiratet.10 Dies gilt besonders, wenn ein spezieller Grund dafür vorliegt, et-wa die (bevorstehende) Geburt ein Kindes, wenn die Rahmenbedingungen füreine langfristige Bindung stimmen, d.h. meist nach abgeschlossener Bildungs-phase, und wenn sich die Stabilität der Beziehung gezeigt hat. Vorläufig ab-geschlossen wird der Weg von der Herkunftsfamilie zur eigenen Familiedurch die Geburt des ersten Kindes. Beide Zeitpunkte – Heirat und Geburtdes ersten Kindes – werden daher neben dem Auszug aus dem Elternhaus undder erstmaligen Gründung eines gemeinsamen Haushaltes mit einem Partnerals wesentliche Statuspassagen des privaten Lebenslaufs in die Betrachtungder Chronologie biographischer Übergänge aufgenommen.

2.1.2 Zur Problematik zensierter Daten

Bevor nun die verschiedenen biographischen Übergänge im Zusammenhangbetrachtet werden können, gilt es noch die Schwierigkeit zu berücksichtigen,daß bestimmte Ereignisse im Beobachtungszeitraum bei einzelnen Befragtennoch nicht stattgefunden haben, aber durchaus im weiteren Verlauf noch statt-finden können. Man spricht in diesem Falle von "rechtszensierten" Daten."Rechtszensiert" bedeutet in der Terminologie der Ereignisanalyse (vgl.Blossfeld, Hamerle, Mayer 1986; Diekmann und Mitter 1984, 1990), daß be-stimmte Prozesse zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht abgeschlossensind. Ein Beispiel mag die damit verbundenen Schwierigkeiten erläutern: Erst37% der hier befragten Männer mit Studium (n=866) sind bereits Vater. Wirhaben es in diesem Fall also mit 63% zensierten Fällen zu tun. Aus der Tatsa-che, daß diese 63% zum Zeitpunkt der Befragung mit gut 30 Jahren noch keinKind haben, kann nun aber sicher nicht geschlossen werden, daß dies auch fürdie Zukunft gilt. Es ist vielmehr zu erwarten, daß das Ereignis "Geburt des er-sten Kindes" bei einem Großteil der Gruppe noch eintreten wird. Ein auf der

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 41

10 Heinritz (1987: 74) berechnet anhand der vorliegenden Daten, daß es bei nichtehelichen Le-bensgemeinschaften durchschnittlich gut zwei Jahre bis zur Heirat dauert.

gen. Dort wird inzwischen fast die Hälfte aller Kinder unehelich geboren (Burkart/Kohli 1992:54). Einen kurzen Überblick der Entwicklung von Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaf-ten in verschiedenen europäischen Ländern vermittelt Hettlage (1992: 117ff).

Basis der 319 Väter dieser Gruppe berechnetes mittleres Alter von knapp 28Jahren würde das tatsächliche Durchschnittsalter von Männern mit Studiumbei der Geburt ihres ersten Kindes systematisch unterschätzen, denn aus derBerechnung ausgeschlossen wären all jene Fälle, bei denen das Ereignis mög-licherweise erst nach dem Abschluß der Befragung – also jenseits des 30. Le-bensjahres – eintritt. Berechnet man den Median auf dieser Basis, so liegt derbei 28,3 Jahren. Der ist aber nicht sonderlich aussagekräftig, denn er besagt erim Grunde nur, daß erst eine Minderheit von 18,5% der Männer mit Studiumin diesem Alter ein Kind hat.

Eine der Problematik rechtszensierter Werte angemessenere Methode zurBeschreibung solcher Prozesse bietet die ursprünglich aus der Bevölkerungs-statistik stammende sogenannte "Sterbetafel-" oder auch – wie es positiverklingt – "Survivalanalyse" bzw. "Life-Table-Analyse" (vgl. für diese und diefolgenden Ausführungen zur Survivalanalyse u.a. Blossfeld, Hamerle, Mayer1986; Diekmann und Mitter 1984, 1990). Bei der hier benutzten Life-Table-Methode wird die Zeitachse in einzelne Intervalle eingeteilt. In der vorliegen-den Untersuchung wurden Lebensjahre als Intervallgröße gewählt und dieZeit bis zum 16. Geburtstag zu einem Intervall zusammengefaßt, danach abereinzelne Jahre betrachtet. Für jedes Intervall liegen dann Angaben dafür vor,wieviel Befragte ein bestimmtes Ereignis, hier etwa die Geburt des erstenKindes, zu Beginn des Intervalls noch nicht erlebt haben, d.h. in der metho-deneigenen Sprache, wie viele der Befragten noch nicht "gestorben" sind (ni),bei wie vielen Befragten dieses Ereignis innerhalb des Intervalls eintritt, d.h.wie viele im Verlauf dieses Zeitraumes "sterben" (di), und wie viele Befragtein einem Intervall zensiert (ci) werden. Dabei wird davon ausgegangen, daßdie zensierten Fälle bis zur Mitte des jeweiligen Intervalls dem Risiko einesEreignisses ausgesetzt sind. Aus diesen Angaben lassen sich dann weitere In-formationen zum Verlauf des Prozesses schätzen. Das hier benutzte Schätz-verfahren der "Life-Table"-Schätzung geht davon aus, daß in jedem Intervall idie Zensierungen gleich verteilt sind. Sie liefert unter anderem die Anzahl derdem Risiko ausgesetzten Fälle ("effective sample size") , die be-n i

∏ = n i − 0, 5c i

dingte Sterbewahrscheinlichkeit ("conditional probability of.qi = di / ni∏

failure"), die auch Überlebens- oder Survivorfunktion genannte kumulierteÜberlebenswahrscheinlichkeit , die Wahrscheinlichkeits-.

Gi=.Gi−1 & (1 −.qi−1 )

dichtefunktion für den Intervallmittelpunkt ("Probability.f i = (

.Gi −

.Gi+1 ) / hi

Density Function") und die aus Überlebens- und Dichtefunktion errechenbareÜbergangsrate (auch: Risiko- oder Hazardfunktion), die.ri = (

.Gi +

.Gi+1 ) / 2

.fi

den Verlauf des Prozesses eindeutig beschreibt.

42 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

Im folgenden wird für beide Dimensionen des Lebenslaufs ein Überblick überdie empirische Sequenz der wichtigsten Ereignisse des Lebenslaufs bis zumAlter von 30 Jahren vermittelt. Dabei werden – wie in allen folgenden Ana-lysen – die Untersuchungen getrennt für beide Geschlechter durchgeführt.Wie bereits erläutert, tritt mit der Tatsache, ob ein Studium begonnen wurdeoder nicht, eine zweite Dimension der Differenzierung von Lebensläufen ne-ben diese erste, so daß sich die Analysen auf die vier Subgruppen der Frauenmit und ohne Studium und der Männer mit und ohne Studium erstrecken undein Vergleich der unterschiedlichen Lebenslaufstrukturen ermöglicht wird.Bei der Analyse der Sequenz der Übergänge im Aggregat der einzelnen Grup-pen wird dann über die zentrale Tendenz hinaus, die durch den Median darge-stellt wird, durch die Betrachtung der Survivor- und Hazardfunktionen derProzeß der einzelnen Übergänge klarer sichtbar. Zusätzlichen Aufschluß überdie Struktur der typischen Lebensläufe von jungen Frauen und Männern mitund ohne Studium kann anschließend noch eine Untersuchung der durch-schnittlichen Verweildauer in den einzelnen, durch die jeweiligen Übergängebegrenzten Phasen des beruflichen und privaten Lebenslaufs vermitteln. Dar-über hinaus werden für jede der vier hier betrachteten Subpopulationen diezeitlichen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Übergänge beschrieben,zunächst innerhalb der beiden Stränge des Lebenslaufes, dann auch zwischendem privaten und dem beruflichen Lebenslauf.

2.2 Die berufliche Entwicklung

2.2.1 Zeitpunkt und Prozeß der einzelnen Statuspassagen

In Tabelle 2.1 sind die wichtigsten, den beruflichen Lebenslauf bis zum drei-ßigsten Lebensjahr strukturierenden Übergänge in den vier hier unterschiede-nen Subgruppen gegenübergestellt. Aufgeführt sind dort für jede Gruppe (a)der Anteil derjenigen, die im Beobachtungszeitraum dem spezifischen Risikoeines bestimmten Übergangs ausgesetzt waren, (b) dann davon der Anteil, derdiesen Übergang tatsächlich erlebt hat, und schließlich (c) der Median, alsodas Alter, in dem eine Mehrheit die Passage hinter sich gebracht hat.

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 43

Der Zeitpunkt, zu dem jeweils eine Mehrheit der vier verschiedenen Gruppenihren höchsten allgemeinbildenden Schulabschluß11 erworben hat, variiertzwischen 17,5 und 19,5 Jahren. Das Durchschnittsalter ist eine direkte Folgeder spezifischen Stichprobenzusammensetzung ehemaliger Gymnasiasten.Auch die Unterschiede zwischen den Gruppen mit (Männer: 19,5; Frauen:19,0 Jahre) und ohne Studium (M: 18,5; F: 17,5 Jahre) erklären sich praktischvon selbst: Das Studium an einer Universität setzt die nach 13 Schuljahren er-reichbare allgemeine Hochschulreife, der Besuch einer Fachhochschule die

44 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

11 Als zensiert galt hier, wer bei der Wiederbefragung noch eine Schule besuchte.

1 Mit einem "—" wird in den Spalten (c) angezeigt, daß zum Befragungszeitpunkt weniger als50% einer Gruppe in ihrem Lebenslauf das entsprechende Ereignis aufweisen.

— 22,1 89,9— 0,6 78,4 30,2 51,8 99,7— 100 100Hausfrau/-mann

26,8 78,9 100 29,1 70,4 100 20,6 95,2 100 22,4 97,4 1001. Erwerb nachAusbildung

25,9 84,3 100 27,8 78,1 100 20,3 98,1 100 21,3 100 1001. Erwerb insg.

25,8 91,5 100 28,0 76,7 100Ende Studium

19,6 100 100 20,9 100 100— 0 25,3— 0 40,3Beg. Studium

23,9 94,9 20,3 24,2 94,8 26,9 20,5 99,0 93,6 22,0 100 92,4Ende derBerufsausbild.

— 22,2 100—1 26,9 100 17,8 93,6 100 18,7 92,3 100Beginn der Berufsausbild.

21,3 99,6 61,2 21,7 100 37,4Ende Militär- /Zivildienst

19,0 99,7 100 19,4 100 100 17,5 99,4 100 18,5 98,0 100Höchster Schulabschluß

(c)(b)(a)(c)(b)(a)(c)(b)(a)(c)(b)(a)

Alter: Jahre:Me-dian

Davonnichtzen-siert%

Dem Risikoausge-setzt

%

Alter: Jahre:Me-dian

Davonnichtzen-siert%

Dem Risikoausge-setzt

%

Alter: Jahre:Me-dian

Davonnichtzen-siert%

Dem Risikoausge-setzt

%

Alter: Jahre:Me-dian

Davonnichtzen-siert%

DemRisikoausge-setzt

%

Frauen(n = 613)

Männer(n = 866)

Frauen(n = 312)

Männer(n = 196)

Mit StudiumOhne Studium

Ereignis

Tabelle 2.1 Chronologie der beruflichen Statuspassagen ehemaligerGymnasiasten bis zum dreißigsten Lebensjahr.

Fachhochschulreife (12 Jahre) voraus. Wer hingegen das Gymnasium früherverlassen hat, der hat im Normalfall auch keine Hochschulzugangsberechti-gung erworben und konnte kein Studium aufnehmen.

Interessanter sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Wienicht nur die unterschiedlichen Mediane zeigen, sondern auch der Verlauf derÜberlebens- und Risikofunktionen, erwerben sowohl in der Gruppe der "Stu-denten" als auch bei den "Nicht-Studenten" die Frauen früher als die Männerihren höchsten Schulabschluß.12 Haben Frauen geringere Bildungsaspiratio-nen und verlassen sie deshalb die Schule jünger als Männer? Zumindest sinddie Aspirationen der Mädchen im 10. Schuljahr niedriger und auch ihre Er-folgsquoten im Abitur sind geringer (Meulemann 1991a, vgl. auch: Hille1993). Trotz der gleichen Vorbedingungen – alle Befragten waren bei derErstbefragung 1970 Schüler eines Gymnasiums – haben 15 Jahre später81,5% der Männer ein Studium zumindest begonnen und weitere 7,4% besit-zen die formale Qualifikation für ein Studium an einer Fachhochschule oderUniversität, aber nur 66,2% der Frauen haben studiert und weitere 8,5% hät-ten es aufgrund ihres Schulabschlusses gekonnt. Dies läßt auf eine andere Le-bensplanung schließen, in der dem Beruf nicht die herausragende Bedeutungwie bei Männern zugemessen wird. Es bedeutet, daß Mädchen die Schule imSchnitt jünger verlassen, weil sie sich mit einem geringeren Bildungszertifikatals ihre männlichen Altersgenossen zufriedengeben, und nicht, weil sie dengleichen Bildungsabschluß in kürzerer Zeit erwerben.

Aber eine unterschiedliche Lebensplanung erklärt nicht die – wenn auchgeringere – Altersdifferenz zum Zeitpunkt des höchsten Schulabschlusseszwischen den Männern (19,4 Jahre) und Frauen (19 Jahre), die später ein Stu-dium aufgenommen haben. Nun könnte man vermuten, daß Frauen auch häu-figer als Männer nicht die Universität, sondern eine Fachhochschule, zu derenBesuch bereits ein nach zwölf Jahren Schule erworbenes Fachabitur ausreicht,besuchen. Dies scheint aber nicht zuzutreffen: Zwar wählen Frauen häufigerals Männer Studiengänge mit geringerem Prestige, aber Männer besuchenhäufiger als Frauen die Fachhochschule (vgl. Meulemann 1995: Tab. 4.6).Neben der Prestigedimension existiert noch eine zweite Dimension, auf derzwischen "männlichen" Studiengängen, wie Technik, Naturwissenschaften,Wirtschaft und Recht, und "weiblichen" Studiengängen, wie den häufig zumLehramt führenden Sprach- und Kulturwissenschaften, unterschieden werdenkann (Meulemann 1991a/c). Gerade dieser zweiten Dimension aber kommt inBezug auf das Fachhochschulstudium besondere Bedeutung zu. Splittet man

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 45

12 Dokumentiert sind die Abbildungen der Survivor- und Hazardfunktionen sind in einem geson-derten Tabellenband, der beim Autor angefordert werden kann (Birkelbach 1996: TB3).

die Fachhochschulstudiengänge in sozialwissenschaftlich ausgerichtete einer-seits und naturwissenschaftlich-technische Fächer sowie Wirtschaft anderer-seits auf, dann zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen "männlichen"und "weiblichen" Studiengängen. 16,3% aller männlichen Studenten (6,7%der Studentinnen) haben einen wirtschaftlich oder technischen, aber nur 2,3%(gegenüber 8,3% der Studentinnen) einen sozialwissenschaftlichen Studien-gang an einer Fachhochschule belegt.

Auch wenn mehr Männer als Frauen eine Fachhochschule besuchen, somuß dies nicht bedeuten, daß sie auch wirklich schon nach 12 Schuljahrenmit dem dafür eigentlich ausreichenden Fachabitur das Gymnasium verlassenhaben. Möglicherweise haben sie ja auch häufiger als vergleichbare Fach-hochschulstudentinnen die Schule bis zum Abitur besucht, um sich dadurchauch die Möglichkeit eines Universitätsstudiums offenzuhalten. Wenn den-noch das Studium an der Fachhochschule gewählt wurde, dann vielleicht, weildie Ausbildung dort einen schnelleren und sichereren Berufseinstieg zu ga-rantieren scheint. Auch dies ließe sich als die Folge einer stärkeren berufli-chen Orientierungen der Männer interpretieren.

Frauen verlassen die Schule jünger und treten deshalb auch eher in denBeruf ein als Männer mit vergleichbarer Ausbildung. Eine zusätzliche Verzö-gerung der Berufseintritts bei Männern stellt die Ableistung des Wehr- oderZivildienstes dar. Immerhin haben 37,4% der Männer ohne Studium und so-gar 61,3% der Männer mit Studium einen der beiden Dienste abgeleistet.13

Insbesondere in der Gruppe mit Studium (inkl. der Studienabbrecher) ver-größert sich der Abstand des Alters beim Erwerbseintritt zwischen Männern(29,1 Jahre) und Frauen (26,8 Jahre) darüber hinaus noch einmal durch diemöglicherweise weniger ambitionierte Studienwahl der Frauen. Während inden beiden Gruppen ohne Studium bis zum Abschluß der Untersuchung mitgut 30 Jahren fast alle befragten Männer und Frauen den Schritt von der Aus-bildung ins Erwerbsleben vollzogen haben, ist dies erst bei 70,4% der Männerund 78,9% der Frauen mit Studium der Fall. Auch diese Zahlen belegen den

46 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

13 Diese Differenz ist bemerkenswert, kann aber hier nicht näher untersucht werden. Käfer(1987) kommt bei seiner Untersuchung der Determinanten der Kriegsdienstverweigerung zuähnlichen Ergebnissen und vermutet, daß "hohe Leistungsfähigkeit", die er durch die gemesseneTestintelligenz (Amthauer 1953), die Durchschnittsnote im 10. Schuljahr des Gymnasiums undden Schulabschluß indiziert, sowohl die Bereitschaft Wehr-, als auch Zivildienst zu leisten, posi-tiv auf Kosten einer möglichen Freistellung von jeglichem Dienst beeinflußt. Eine einfachereBegründung wäre, daß viele der Befragten ohne Studium sich zunächst wegen der Berufsausbil-dung vom Wehrdienst zurückstellen ließen, danach aber relativ schnell eine Familie gegründethaben und später aus diesem Grund nicht mehr eingezogen wurden. Befragte mit Studium dürf-ten sich z.T. freiwillig vor Studienbeginn gemeldet haben, um eine Unterbrechung des Studiumsdurch die Ziehung, die im ersten Drittel der Regelstudienzeit noch möglich ist, zu vermeiden.

im Schnitt frühere Berufseintritt der Frauen. Dieser Sachverhalt wird auchdurch die Ergebnisse der Survivalanalyse bestätigt, die zeigt, daß Männer mitoder ohne Studium über den gesamten Zeitraum später als die vergleichbarenFrauen in den Beruf eintreten (Birkelbach 1996: TB4).

Signifikanz der Rate (95%)Frauen ohne Studium: 16 - 25 Jahre Männer ohne Studium: 19 - 29 JahreFrauen mit Studium: 21 - 31 Jahre Männer mit Studium: 22 - 31 Jahre

16 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 350

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

Männer ohne Stud.

Männer mit Stud.

Frauen ohne Studium

Frauen mit Stud.

Abbildung 2.2 Erwerbseintritt: Hazardfunktion.

Am Verlauf der Hazardfunktionen (Abb. 2.2) der Gruppen ohne Studium istklar zu erkennen, daß das Risiko bei den Frauen ab dem 16. Lebensjahr biszum Gipfel mit 22 Jahren steil ansteigt und anschließend, spätestens ab dem24. Lebensjahr, wo ein kleinerer zweiter Gipfel erkennbar ist, rapide fällt. Beiden Männern ohne Studium verläuft der Prozeß zunächst ähnlich und ist le-diglich um ein bis zwei Jahre zeitversetzt. Allerdings folgen hier dem erstenGipfel noch eine Reihe kleinerer, die wohl auf zwischenzeitliche Phasen inInstitutionen des zweiten Bildungsweges und auf Prozesse beruflicher Weiter-bildung zurückgeführt werden können, denn es handelt sich bei dem hier be-trachteten Zeitpunkt nicht um die erste Erwerbstätigkeit überhaupt, sondernum die erste Erwerbstätigkeit nach dem (zumindest vorläufig) abgeschlosse-nem Ausbildungsprozeß.

Das Risiko des Erwerbseintritts bei Männern und Frauen mit Studiumsetzt erwartungsgemäß in nennenswertem Umfang erst mit dem 23./24. Le-bensjahr ein. Dabei liegt es bei den weiblichen Hochschulabsolventen bis

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 47

zum Alter von 28 Jahren über dem der Männer. Interessant ist auch der leichtunterschiedliche Funktionsverlauf: Bei den Frauen findet sich der relativstärkste Anstieg der Rate zwischen 23 und 24 Jahren, um dann bis zum 26.Lebensjahr nur noch geringfügig weiter zu steigen und anschließend bis zumAlter von 30 Jahren relativ konstant zu bleiben. Eine Phase, in dem das Risi-ko ähnlich steil, wie bei den Frauen zwischen dem 23. und 24. Lebensjahr,ansteigt, gibt es bei den Männern dagegen nicht. Hier steigt das Risiko desBerufseintritts bis zum Alter von 30 Jahren kontinuierlich an. Insgesamt wer-den durch die dargestellten Prozeßverläufe die von Meulemann und Wiese(1989) vorgestellten Ergebnisse, nach denen der Studienabschluß in der un-tersuchten Alterskohorte keine Zäsur in dem Sinne, daß eine Mehrheit etwagleichzeitig in den Beruf eintritt, sondern eine zeitlich gestreckte Passage dar-stellt, bestätigt. Es zeigt sich auch, daß dies in größerem Ausmaß für Männerals für Frauen, wo der Passagencharakter des Übergangs schwächer ausge-prägt ist, gilt.

2.2.2 Zusammenhangsstruktur der Übergänge

Die bisherigen Betrachtungen vermitteln ein relativ klares Bild von der Ab-folge der einzelnen Ereignisse im Aggregat der vier Gruppen. Bei Männernund Frauen ohne Studium folgt auf den höchsten Schulabschluß recht schnelleine Berufsausbildung, in den beiden Gruppen mit Studium ist es dasStudium, das sich nach einer etwas ausgedehnteren Übergangsphase an dieSchulzeit anschließt. Zusätzlich verzögert wird der Studienbeginn bei denMännern durch den Wehr- bzw. Zivildienst, der in der Regel wohl vor demStudium absolviert wurde, um einer während des ersten Drittels des Studiumsmöglichen Ziehung vorzubeugen. Ein solche Verzögerung des Beginns derBerufsausbildung ist bei den Männern ohne Studium nicht erkennbar, weil er-stens nur ein geringerer Anteil einen solchen Dienst überhaupt abgeleistet hatund zweitens die Ziehung bis zum vollendeten 28. Lebensjahr erfolgen kann,also vor der Berufsausbildung, im Anschluß daran oder auch erst nach Eintrittin die Erwerbstätigkeit. Nach dem Abschluß der Ausbildung (Berufsausbil-dung und/oder Studium) beginnt die Erwerbsphase, die von Frauen häufigwegen einer Familie unterbrochen wird.

Auch wenn die Reihenfolge der einzelnen Übergänge im Aggregat durchdie Mediane relativ klar beschrieben werden kann, so erlaubt doch strengge-nommen auch ihre Synopse keine Rückschlüsse darüber, wie die Zeitpunkteim einzelnen zusammenhängen. Um zumindest ein heuristisches Maß für die

48 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

Beziehung zweier Ereignisse im Lebenslauf zu erhalten, sind in Tabelle 2.3daher die Korrelationskoeffizienten der wichtigsten Übergänge in den vierGruppen zusammengestellt (vgl. Marini 1987: 28ff).14

Ein hoher positiver Koeffizient bedeutet, daß zwei Ereignisse im Beob-achtungszeitraum zeitlich miteinander verknüpft sind: Ist der erste Übergangrelativ früh im Lebenslauf terminiert, so findet auch der zweite früh statt, einspäter erster Übergang hat auch einen späten zweiten Übergang zur Folge.Damit ist allerdings noch keine Aussage über den Zeitraum, der in einerGruppe durchschnittlichen zwischen beiden Ereignissen liegt, gemacht. Ent-sprechende Varianzen vorausgesetzt, können zwei Ereignisse, zwischen de-nen durchschnittlich 15 Jahre liegen, genauso aufeinander bezogen sein, wiezwei Ereignisse, zwischen denen im Schnitt nur ein Jahr liegt. Ein hoher posi-tiver Korrelationskoeffizient wird sich also immer dann finden lassen, wenndie Abfolge zweier Ereignisse im Lebenslauf eindeutig bestimmt und derZeitraum zwischen ihnen relativ standardisiert ist.

Im Fall eines negativen Koeffizienten ist diese Eindeutigkeit nicht gege-ben. Eine negative Korrelation kann darauf hinweisen, daß entweder ein sehrfrüher erster Übergang einen besonders späten zweiten zur Folge hat, oderaber umgekehrt ein relativ später erster einen eher frühen zweiten Übergangnach sich zieht. Exemplarisch deutlich wird dieses Problem, wenn man dieeinzigen negativen Korrelationen von Bedeutung in Tabelle 2.3 betrachtet.Der Zeitpunkt des Studienbeginns korreliert negativ mit dem Beginn und En-de einer zusätzlichen Berufsausbildung. Dies kann nun bedeuten, daß insbe-sondere diejenigen, die sehr früh ein Studium begonnen haben, glauben, nachdessen Abschluß noch die Zeit für eine ergänzende Berufsausbildung zu ha-ben, oder aber, daß die Berufsausbildung vor dem Studium absolviert wurde,und dadurch der Studienbeginn hinausgeschoben wurde. Hier soll nun ange-sichts der Tatsache, daß viele der betrachteten Prozesse im Beobachtungszeit-

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 49

14 Die hier benutzte Produkt-Moment-Korrelation ist wegen der sehr unterschiedlichen Vertei-lungen und der unterschiedlichen Zahl zensierter Fälle bei den einzelnen Ereignissen nicht un-problematisch. Grundsätzlich könnte man den Informationsverlust, der durch die zensierten Fäl-le entsteht, z.T. ausgleichen, indem man einen geschätzten Zeitpunkt verwendet, der z.B. einenMonat nach dem Befragungszeitpunkt liegen könnte. Dies aber wäre immer noch sehr ungenauund würde die Probleme der Verteilung weiter verstärken. Die andere Möglichkeit ist, die zen-sierten Fälle aus der Berechnung der Korrelation auszuschließen, d.h. also die Berechnung aufdie Fälle zu beschränken, die im Untersuchungszeitraum beide Ereignisse aufweisen. Dabei istaber zu beachten: Wenn ein Ereignis früh im Beobachtungszeitraum verortet ist, das andere abersehr spät (also häufig zensiert ist), dann gehen diese zensierten Fälle mit ihrer großen zeitlichenDistanz beider Ereignisse nicht in die Berechnungen ein, so daß der Zusammenhang systema-tisch überschätzt würde. Der geringeren Verzerrung wegen wird hier dem zweiten Verfahren derVorzug gegeben.

raum noch nicht beendet sind und den damit verbundenen Ungenauigkeiten,weniger die konkrete Höhe der einzelnen Koeffizienten, die sich durch denweiteren Prozeßverlauf noch ändern kann, als vielmehr die Struktur der Zu-

50 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

Werte oberhalb der markierten Hauptdiagonalen beziehen sich auf die männlichen Teilstich-proben, die Werte unterhalb auf die weiblichen Teilstichproben. Nicht ausgewiesen wurden aus Platzgründen Heirats-/Mutterschaftsphasen für Männer, auchwenn fünf Männer mit Studium eine zeitweise Tätigkeit als Hausmann angaben.Signifikanz: * p < 0,05; ** p < 0,01; ***p < 0,001; ****p < 0,0001. Werte in Klammern: n. Die Berechnungen basieren jeweils nur auf den Befragten, die beideEreignisse erlebt haben.

,11(96)

,31***

(132)-,11(135)

-,09(29)

-,00(29)—

-,08(135)

-,04(153)

,04(152)

-,19*

(153)—-,03(162)

BeginnHausfrau

,81****

(483),32***

(483),49****

(100),35***

(100)—,30****

(483)—,93****

(280),66****

(280)—,41****

(298)1. Erw.nachAusb.

,81****

(610),27****

(560),09(109)

,19*

(116)—,24****

(560)—————Ende Studium

,38****

(610),39****

(664)-,31***

(129)-,40****

(136)—,70****

(612)—————BeginnStudium

,35****

(136)-,12*

(179)-,13*

(221),70****

(129)—-,14(129)

,89****

(177),68****

(290)—,34****

(290)EndeBerufsausbild.

,27***

(168)-,03 (191)

-,18**

(233),77****

(233)—-,14(136)

,62****

(177),66****

(181)—,49****

(293)Beginn Be-rufs- ausbild.

,04(356)

-,03(390)

,00 (530)

-,10(135)

-,01(142)

—,05(73)

,03(69)

-,08(69)

—Beg. BW/Zivil- dienst

,28****

(610),28****

(866),75****

(866)-,12(221)

-,18**

(233),20****

(530),27****

(191),31****

(181),57****

(181),32*

(73)Höch-sterSchulab-schluß

1. Er-werbnachAusb.

EndeStu-dium

Beg.Stu-dium

EndeBe-rufs

ausbil-dung

Beg.Be-rufs

ausbil-dung

Beg-BW-

/Zivil-dienst

Höch-ster

Schul-absch

1. Er-werbnachAusb.

EndeBe-rufs

ausbil-dung

Beg.Be-rufs

ausbil-dung

Beg.BW-

/Zivil-dienst

Höch-ster

Schul-abschl

Mit StudiumOhne StudiumMänner

Frauen

Tabelle 2.3: Zeitlicher Zusammenhang der wichtigsten Ereignisse desberuflichen Lebenslaufes: Produkt-Moment-Korrelationen.

sammenhänge in den vier Gruppen insgesamt verglichen und den bisherigenErgebnissen gegenübergestellt werden.

Die höchsten positiven Korrelationen markieren in allen vier Gruppenauch die wesentlichen Übergänge des beruflichen Lebenslaufes. Eng zusam-men hängen jeweils der höchste Schulabschluß und der Beginn einer Berufs-ausbildung bzw. eines Studiums. Mit dem Abschluß einer Berufsausbildungoder eines Studiums ist wiederum der Eintritt in das Erwerbsleben aufs engsteverbunden. Die Übergänge belegen erstens die normale Abfolge der Phasendes beruflichen Lebenslaufs bis zum Eintritt in das Erwerbsleben: Zuerst all-gemeinbildende Schule, dann Berufsausbildung oder Studium und schließlichder Eintritt in den Beruf. Zweitens zeigen sie durch die Höhe der Korrelationdie weitgehende Synchronisation des Abschlusses der einen Phase und desEintritts in den folgenden beruflichen Lebensabschnitt. Aber sie sagen nichtsüber Dauer und Standardisierung dieser drei Phasen aus.

In welchen Ausmaß die Dauer einer Phase standardisiert ist, zeigt sich,wenn man die Korrelation zwischen ihrem Beginn und Abschluß betrachtet.Dies ist wegen des begrenzten Untersuchungszeitraumes nur für Berufsaus-bildung und Studium möglich. Angesichts der meist institutionell vorgegebe-nen Dauer korrelieren Beginn und Abschluß einer Berufsausbildung hochmiteinander. Dies gilt, wie die niedrigeren Korrelationen zwischen Beginnund Abschluß eines Studiums anzeigen, für ein Studium nur deutlich abge-schwächt: Die Vorgaben der Regelstudienzeit sind nur ein Faktor innerhalbeines ganzen Ursachenbündels, das die tatsächliche Studiendauer beeinflußt.Ein Studium eröffnet nicht nur eine Vielzahl zusätzlicher Optionen und Ent-scheidungsmöglichkeiten, sondern erzwingt auch, durch die im Vergleich zurBerufsausbildung geringere institutionelle Regulierung von Inhalten und Dau-er, weitaus mehr aktive Entscheidungen. Damit steigt aber auch das Risikovon Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen mit weitreichenden Auswir-kungen auf Studiendauer, Studienerfolg und Berufserfolg.

Wenn der Schulabschluß und Studienbeginn, sowie Studienabschluß undErwerbseintritt hoch miteinander korrelieren und zugleich Studienbeginn undStudienabschluß nur niedrig, dann folgt daraus, daß der Zeitpunkt des höch-sten Schulabschlusses auch weniger Einfluß als in den Gruppen ohne Studiumauf den Termin des Eintritts in die Erwerbstätigkeit ausübt. Ein Studium zö-gert im Verhältnis zur Berufsausbildung nicht nur den Zeitpunkt des Erwerbs-eintritts weiter hinaus, sondern macht, wenn man den Schulabschluß als Fix-punkt nimmt, diesen Termin auch weniger berechenbar. Dies gilt umso mehr,als nicht selten vor oder nach dem Studium eine zusätzliche Berufsausbildungzur Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt absolviert wird, die als

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 51

eine von nur einem Teil der Befragten wahrgenommene zusätzliche Qualifi-kationsoption einer Standardisierung der zeitlichen Struktur der Lebensläufeentgegenwirkt. Nimmt man den Zeitraum zwischen Schulabschluß und Be-rufseintritt als Indikator, dann führt ein Studium im Gegensatz zur reinenBerufsausbildung nicht nur zu einem späteren Berufseintritt, sondern zugleichauch zur Destandardisierung des ersten Abschnittes des beruflichen Lebens-laufes, indem es die Varianz des Zeitpunktes des Berufseintritts vergrößert.

Auch wenn die Differenzen zwischen den Geschlechtern in diesem Punktnur gering sind, so lohnt sich doch auch ein Blick auf diese zweite, stärkertraditionell geprägte Dimension der Lebenslaufmuster. Immerhin gibt es zweiPhasen, die auf jeweils eine der beiden Geschlechtergruppen beschränkt sind:Wehr-/Zivildienst und die sogenannten Heirats-/Mutterschaftsphasen. Bei denMännern fällt auf, daß der Beginn einer Wehr- oder Zivildienstphase wederden Zeitpunkt der Aufnahme der Berufsausbildung, noch Anfang oder Endedes Studiums und den Erwerbseintritt signifikant zu beeinflussen vermag.Dies wird unmittelbar verständlich, wenn man bedenkt, daß Korrelationen na-türlich nur dort berechnet werden können, wo ein Ereignis auch tatsächlichstattgefunden hat. Wenn auch nicht die Terminierung, so vermag doch dieTatsache eines Dienstes den Zeitpunkt des Berufseintritts deutlich zubeeinflussen.15 Während die Wehrpflicht bei den Männern eine Verzögerungdes Berufseintritts bewirken kann, stellen Heirats-/Mutterschaftsphasen einenEinschnitt in den beruflichen Lebenslauf von (fast ausschließlich) Frauen dar.Der Zeitpunkt allerdings, zu dem Frauen zumindest vorübergehend der Be-rufslaufbahn den Rücken kehren, ist in der Gruppe ohne Studium weitgehendunabhängig vom Zeitpunkt der anderen Übergänge des beruflichen Lebens-laufs. Bei den Frauen mit Studium korreliert dagegen zumindest der Zeitpunktdes Studienabschlusses in mittlerer Stärke positiv mit dem Beginn einer sol-chen Phase, was darauf hinweist, daß in der Regel das Studium vor dem Ein-tritt in die Phase abgeschlossen wurde.

2.2.3 Die Dauer der einzelnen Phasen des beruflichen Lebenslaufes

Während bisher die Übergänge aus der Schule in die Ausbildung und aus derAusbildung in das Erwerbsleben thematisiert wurden, soll nun ein Blick aufdie durchschnittliche Dauer der durch diese Übergänge markierten Phasen ge-worfen werden. Dabei wird deutlich, daß neben die für die Berufslaufbahn so

52 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

15 Es ergibt sich in beiden Gruppen eine Korrelation in Höhe von r=0,17, die in der Gruppe ohneStudium der geringen Fallzahl wegen nur schwach signifikant (p<0,05), in der anderen Gruppeaber hochsignifikant ist (p<0,0001).

zentralen Ausbildungsphasen (Schule, Berufsausbildung, Studium) und demeigentlichen Erwerbsleben noch andere, kürzere Phasen treten, bei denen essich bis auf den Wehr- bzw. Zivildienst der Männer vor allem um freiwillige(z.B. ein längerer Urlaub) oder unfreiwillige Unterbrechungen des berufli-chen Lebenslaufes (z.B. wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit) und um Frikti-onszeiten, wie sie die Wartezeit auf einen Studienplatz oder das Referendariatdarstellt, handelt. Solche Phasen, die nicht ausschließen, daß Gelegenheitsar-beiten ("Jobs") ausgeführt wurden, werden hier unter dem Sammelbegriff"Privatisieren" zusammengefaßt. Phasen des zeitweiligen oder endgültigenAusscheidens aus dem Erwerbsleben mit dem Ziele, sich ganz der Familieoder Kinderbetreuung zu widmen, bezeichnet die Kategorie "Heirat/Mutter-schaft". "Lückenphasen" sind Zeiträume, zu denen keine Angaben vorliegen(vgl. Meulemann 1988).

Zu beachten ist bei dieser Mittelwertbetrachtung allerdings, daß die soermittelten Durchschnittswerte sich jeweils auf die gesamte Gruppe beziehenund nicht auf nur auf den Anteil, der die entsprechende Phase auch tatsächlichdurchlaufen hat. So täuscht die Kürze der Bundeswehr/Zivildienstphasen dar-über hinweg, daß nur gut 37% der Männer ohne Studium mit einer durch-schnittlichen Dauer von 17,3 Monaten und gut 61% der Männer mit Studiummit einer durchschnittlichen Dauer von 17,6 Monaten einen solchen Dienstabgeleistet haben, der Rest aber mit einer Phasendauer von 0 Monaten eben-falls in die Berechnung der Durchschnitte einfließt. Dadurch ergeben sich je-weils bezogen auf die gesamte Gruppen Werte von durchschnittlich 6,4("Nichtstudenten") und 10,8 Monaten ("Studenten"), die wiederum in der Ab-bildung als Anteil an der (ebenfalls durchschnittlichen) Gesamtzeit zwischeneinem fixen Zeitpunkt16 und dem Zeitpunkt der Wiederbefragung dargestelltwerden. Wenn hier dennoch eine solche Darstellungsform betrachtet wird,dann vor allem, weil sie zeigt, welche Bedeutung einer Phase in einer be-stimmten Gruppe zukommt, denn auch die unterschiedlichen Anteile vonAusbildung und Erwerbstätigkeit verdeutlichen ein Stück der differenziertenNormalität der Lebensläufe der vier hier betrachten Subgruppen.

Nun braucht hier nicht weiter auf die beinahe selbstverständlich erschei-nenden Unterschiede zwischen den Gruppen mit und ohne Studium insgesamteingegangen zu werden. Deutlich ist, daß die Ausbildungsphase insgesamt

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 53

16 Es handelt sich um den 1.1.1967. Die Befragten sind an diesem Termin durchschnittlich 12,9Jahre alt, die Standardabweichung beträgt 10,1 Monate. Dieser frühe Zeitpunkt wird hier ge-wählt, um die Vergleichbarkeit mit den Phasen des privaten Lebenslaufes, dessen Ereignisse z.T.früher stattfinden, zu gewährleisten. Er verlängert lediglich im beruflichen Lebenslauf die relati-ve Dauer der betrachteten Schulphase und im privaten Lebenslauf die Phase des Aufenthaltes imElternhaus.

(Schule, Berufsausbildung und/oder Studium) in den Gruppen ohne Studiumgegenüber den Frauen und Männern, die ein Studium begonnen haben, zu-gunsten eines höheren Anteils an hauptberuflicher Erwerbstätigkeit verkürztist – ein Effekt der Studiendauer und des dafür notwendigen höherenSchulabschlusses. Hinzu kommt, daß eine Minderheit der Studenten vor odernach dem Studium eine zusätzliche Berufsausbildung (Männer: 26,9%, Frau-en 22,4%) durchlaufen hat. Der prozentuale Anteil der unter dem Begriff desPrivatisierens subsumierten Phasen steigt in den Gruppen mit Studium gering-fügig an. Die Ursachen dürften vor allem zusätzliche Wartezeiten auf das Stu-dium, eventuell auf das Referendariat und sicher auch Friktionszeiten zwi-schen Studienabschluß und Berufseintritt sein (vgl. zur Dauer: Ziegler u.a.1987, Meulemann 1990a, 1995: 173ff, Hemsing 1993, Blaneck 1994). Die

54 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

1 Die in der Abbildung dargestellten Anteile beziehen sich auf alle Befragten einerGruppe. Die genauen Werte können Tabelle A2.4 des Anhangs entnommen werden.

Männer o.Stud. Frauen o.Stud. Männer m.Stud. Frauen m.Stud.

40%

60%

80%

100%

Schule Berufsausb. BW-/Zivild. StudiumPrivatisieren Erwerb Heirat-/Muttersch. Zeitlücken

SchuleSchule

StudiumStudium

Erwerbs-tätigkeit

Erwerbs-tätigkeit Erwerbs-

tätigkeit

Erwerbs-tätigkeit

Heirat/Mutterschaft

Berufsausbild.Berufsausbild.

Abbildung 2.4: Ausbildung und Beruf zwischen 13 und 30 Jahren: Anteilder einzelnen Phasen am Beobachtungszeitraum.1

Tatsache, daß "Heirats-/Mutterschaftsphasen" in der Gruppe der Frauen ohneStudium einen viermal so hohen Anteil an der gesamten betrachteten Zeit ha-ben (12,8% zu 3,2%) als in der Gruppe der Studentinnen ist sicher nicht nurauf die unterschiedlichen Anteile von Frauen, die bereits in eine solche Phaseeingetreten sind, zurückzuführen (Frauen ohne Studium: 51,6%, mit Studium:22,2%).17 Zusammen betrachtet weist dies zunächst einmal auf einen durchdas Studium späteren und zum Zeitpunkt der Befragung häufig noch nicht ab-geschlossenen Familienbildungsprozeß hin.

Innerhalb der beiden Gruppen mit und ohne Studium sind recht deutlicheUnterschiede zwischen Männern und Frauen zu verzeichnen, die in der Ten-denz mit den Ergebnissen der bisherigen Analysen übereinstimmen. Die ge-samte Ausbildungsphase ist bei den Frauen in beiden Gruppen deutlich kürzerals die der Männer. Betrachtet man nur die Berufsausbildung, so ist der ehergeringe Unterschied – der Anteil einer zusätzlichen Berufsausbildung liegtbei den Frauen nur um 0,4 Prozentpunkte niedriger als bei den Männern – aufdie Tatsache zurückzuführen, daß die Anteile von Studenten und Studentin-nen mit Berufsausbildung an ihrer jeweiligen Gruppe mit 26,9% der Männerund 22,4% der Frauen ebenfalls variieren.18 Der Umfang des Zeitraumes fürSchule und Berufsausbildung insgesamt ist bei beiden Gruppen nahezugleich. Deutlichere Unterschiede ergeben sich zwischen den Geschlechternalso nur im Hinblick auf die Dauer des Studiums, das ja von allen Mitgliederndieser beiden Gruppen zumindest einmal aufgenommen worden ist und beiden Frauen mit durchschnittlichen 71 und bei den Männern mit 77,8 Monatenzu Buche schlägt. Dies deckt sich mit dem Befund, daß Frauen häufiger kür-zere Studiengänge, wie etwa den des Lehramtes an Grundschulen, wählen.Auf eine gegenüber den Männern durchschnittlich geringere Neigung derFrauen zu hohen beruflichen Investitionen weist auch der Vergleich der Dau-er der Phasen der Berufsvorbereitung zwischen den Frauen und Männern oh-ne Studium hin. Hier summiert sich die Differenz, die sich durch den längerenSchulbesuch der Männer und ihrer längeren Berufsausbildung ergibt, aufknapp 4 Prozentpunkte, d.h. im Schnitt beansprucht die Berufsvorbereitungbei den Männern ohne Studium 44,0%, bei den Frauen ohne Hochschulbe-such dagegen nur 40,5% der Lebenszeit zwischen 13 und 30 Jahren. Die kür-zere Phase der Qualifikation für den Beruf kommt bei den Frauen aber nicht

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 55

18 Betrachtet man die absoluten Zahlen, d.h. die durchschnittliche Phasendauer in Monaten nurvon denjenigen mit Studium und Berufsausbildung, dann liegen sogar die Frauen mit 23,9 ge-genüber den 22,6 Monaten der Männer leicht vorne.

17Auch bereinigt um den Anteil der Frauen ohne Berufsunterbrechung bleibt eine deutliche Dif-ferenz bestehen: Bei den Frauen ohne Studium beträgt der bereinigte Anteil von Heirats-/Mutter-schaftsphasen 24,8%, bei den Studentinnen 12,8%.

einem größeren Anteil an der Erwerbsarbeit, der bei den Männern ja zusätz-lich durch den Wehr- oder Zivildienst geschmälert wird, zugute. Sie scheidenhäufig vorläufig oder ganz aus dem Berufsleben und werden Hausfrau. Im-merhin werden durchschnittlich 12,8% (27,6 Monate) des Beobachtungszeit-raumes als "Heirats-/Mutterschaftsphasen" ausgewiesen. Hier ist wieder zubeachten, daß erst etwas mehr als die Hälfte der befragten Frauen ohne Studi-um (51,6%) und noch nicht einmal ein Viertel der Frauen mit Studium(22,2%) im Beobachtungszeitraum ihren Beruf zumindest zeitweise zugun-sten einer Hausfrauentätigkeit aufgegeben haben, so daß sich, wenn man dieBerechnung nur auf diese Gruppe bezieht, eine durchschnittliche Dauer dieserPhasen von 53,5 bzw. 31,2 Monaten ergibt. Da aber der Familiengründungs-prozeß noch nicht abgeschlossen ist, werden sich diese Zahlen im weiterenLebensverlauf sicher noch deutlich verändern.

Interpretiert man die bisherigen Analysen der beruflichen Lebensläufe dervier Subgruppen nun rückblickend noch einmal im Hinblick auf das Kon-strukt eines normalen beruflichen Lebenslaufes, dann wird erkennbar, daßsich die erwarteten deutlichen Unterschiede zwischen den Gruppen mit undohne Studium im Hinblick auf die Dauer der Vorbereitung auf den Beruf unddamit natürlich auch auf das Alter, in dem der Berufseintritt stattfindet, zei-gen. Im Vergleich zu einer Berufsausbildung verzögert ein Studium nicht nurden Berufseintritt. Wenn man den Schulabschluß als Ausgangspunkt nimmt,dann destandardisiert ein Studium auch den Zeitpunkt des Berufseintrittsdurch die breite Streuung der Studiendauer. Der unterschiedliche Zeitpunktdes Berufseintritts mit seinen vermuteten Folgen auch für den privaten Le-bensbereich rechtfertigt jedenfalls auch empirisch die getrennte Untersuchungbeider Gruppen. Relativ große Differenzen existieren nicht nur zwischen denGruppen mit und ohne Studium, sondern auch (abgeschwächt) zwischen Frau-en und Männern. Auf einen Nenner gebracht könnte man diese geschlechts-spezifischen Differenzen auf der Aggregatebene etwa folgendermaßen zusam-menfassen: Frauen investieren, zumindest was die Dauer betrifft, tendenziellweniger in ihre berufliche Qualifikation und verlassen den Beruf häufig wie-der, um sich zumindest für einen bestimmten Zeitraum ganz der Familie zuwidmen. Auch wenn das selbstverständlich nicht für alle Frauen zutrifft, sobestätigt dieses Ergebnis dieErwartung, daß sich auch heute noch Frauen mithöherem Bildungsniveau an traditionellen weiblichen Lebenslaufmustern ori-entieren, so daß auch hier die differenzierte Betrachtung der Geschlechtsgrup-pen berechtigt erscheint.

56 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

2.3 Der Prozeß der Familienbildung: Chronologie der Statuspassagenund Dauer der Phasen

Der Prozeß der Familienbildung soll in ähnlicher Weise wie die Ausbildungs-und Berufsgeschichte mit dem Ziel des Versuchs einer Rekonstruktion derzeitlichen Struktur der Lebensläufe der vier unterschiedlichen Subgruppenuntersucht werden. Zuerst werden wiederum die Zeitpunkte zentraler Über-gängen auf dem Weg von der Herkunftsfamilie hin zur Gründung einer eige-nen Familie und deren Chronologie im Lebensverlauf betrachtet. Neben derBetrachtung der Mediane in den einzelnen Subgruppen, werden die Prozeß-verläufe der verschiedenen Übergänge des privaten Lebensverlaufs anhandihrer Survivor- und Hazardfunktionen genauer beschrieben. Darüber hinauslohnt es, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Übergängen des privatenLebenslaufes genauer zu betrachten. Anschließend wird, wiederum ganz ana-log zur Betrachtung der Berufskarriere, der Anteil der einzelnen Phasen amprivaten Lebenslauf insgesamt und ihre Dauer betrachtet.

2.3.1 Der Zeitpunkt privater Übergänge

Der Auszug aus dem Elternhaus und die Gründung eines eigenen Haushaltessind wichtige Schritte der Lösung aus der Abhängigkeit von der Herkunftsfa-milie und der Übernahme von Verantwortung für das eigene Leben. Beideskann zusammenfallen, muß aber nicht. Der Fragebogen der vorliegenden Stu-die enthält zwei Fragen zu diesem Komplex. Die erste zielt lediglich auf denZeitpunkt, zu dem die Befragten "das erste Mal für längere Zeit nicht mehrhauptsächlich bei den Eltern gewohnt haben" (Fragetext), und die zweite da-rüber hinaus auf den Zeitpunkt des "ersten eigenen Hausstandes", des "eige-nen Zuhauses" zielt. An dieser Stelle wird für die Analysen vor allem derZeitpunkt des ersten eigenen Haushaltes genutzt, um nicht Phasen des Aufent-haltes in semi-autonomen Unterkünften, wie z.B. in einem Internat, die vor-übergehende Abwesenheit wegen Bundeswehr/Zivildienst, oder das nur wäh-rend des Semesters von Montag bis Freitag genutzte Zimmer im Studenten-wohnheim, als Gründung eines eigenen Haushaltes zu werten (vgl.Ziegler/Schladt 1993). Um dem Leser den Vergleich beider Zeitpunkte zu er-möglichen, werden sie in Tabelle 2.5 gesondert ausgewiesen.

Bei einer zusammenfassenden Betrachtung aller vier Gruppen ist zunächstfestzuhalten, daß für das durchschnittliche Alter, in dem eine Mehrheit bereitsein "eigenes Zuhause" besitzt (Zeile 2), die Tatsache eines eventuellen Studi-ums keine herausragende Rolle spielt: Die Mediane der Gruppen mit Studium

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 57

weichen kaum von denen ohne Studium ab. Sie liegen für die Männer zwi-schen 22 und 23 Jahren und für die Frauen bei etwa 21 Jahren. Kaum Unter-schiede zwischen beiden Gruppen gibt es auch im Bezug auf den Anteil derje-nigen, die diesen Schritt mit gut 30 Jahren bereits vollzogen haben: Sie liegenalle nahe bei 100%. Deutlicher sind dagegen die Differenzen zwischen Män-nern und Frauen, die gut anderthalb Jahre früher als die Männer mit gleichemBildungsniveau einen eigenen Haushalt dründen. Diese Unterschiede entspre-chen etwa denen, die sich in der von Mayer und Wagner (1989) untersuchten,geringfügig älteren Kohorte der Geburtsjahrgänge 1949-51 feststellen lassen:Die Hälfte der Frauen dieser Kohorte hat bereits mit 21,2 Jahren das Eltern-haus verlassen, für die Männer gilt dies erst im Alter von 23,9 Jahren.

1 Grundsätzlich unterliegen natürlich alle Befragten dem "Risiko" der Familiengründung. DieWerte unter 100% ergeben sich durch fehlende Antworten.2 Mit einem "—" wird in den Spalten (c) angezeigt, daß zum Befragungszeitpunkt erst wenigerals 50% einer Gruppe in ihrem Lebenslauf das entsprechende Ereignis aufweisen.

— 51,999,3% —2 62,899,4% 27,9 31,799,4% 29,0 32,399,4%(5) 1. Kind

27,1 34,498,0% 30,0 45,698,7% 22,8 15,499,7% 25,3 19,4100%(4) 1. Ehe

23,8 16,297,7% 26,5 26,098,2% 22,0 7,498,4% 24,4 12,499,0%(3) Zusam. (inkl. Ehe)

21,0 2,198,7% 22,8 7,899,3% 21,2 1,099,0% 23,1 8,898,5%(2) Eig. Haushalt

20,2 1,599,0% 20,6 4,799,3% 20,7 1,099,0% 21,6 7,398,5%(1) Nicht bei Eltern

(c)(b)(a)(c)(b)(a)(c)(b)(a)(c)(b)(a)

AlterJahreMe-dian

Zen-siert%

Dem Risi-ko

ausge-setzt

AlterJahreMe-dian

Zen-siert%

Dem Risi-ko

ausge-setzt

AlterJahreMe-dian

Zen-siert%

Dem Risi-ko

ausge-setzt

AlterJahreMe-dian

Zen-siert%

Dem Risi-ko

ausge-setzt1

Frauen (n = 613)Männer (n = 866)Frauen (n = 314)Männer (n = 196)

Mit Studium Ohne Studium

Ereignis

Tabelle 2.5: Chronologie der privaten Statuspassagen ehemaliger Gym-nasiasten bis zum dreißigsten Lebensjahr.

Untermauert wird diese Beobachtung zusätzlich durch die in Abbildung 2.6wiedergegebenen Hazardfunktionen,19 mit deren Hilfe sich dieser Prozeß ge-

58 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

19 Die Survivorfunktionen zu allen in diesem Kapitel wiedergebenen Hazardfunktionen sind indem beim Autor erhältlichen Tabellenband dokumentiert (Birkelbach 1996).

nauer beschreiben läßt. Die Funktionsverläufe bestätigen, daß Frauen schnel-ler als Männer die Obhut des Elternhauses verlassen. Das Risiko einer Haus-haltsgründung liegt bei den Männern bis zum 25. Lebensjahr unter dem derFrauen. Bei den Frauen mit Studium steigt es zunächst bis zum Studieneintrittim Alter von 19, 20 Jahren an, bleibt dann über einen Zeitraum von vier Jah-ren (etwa der Studiendauer) konstant und steigt dann, nach Studienabschluß,noch einmal zwei Jahre weiter an. Bei den Frauen ohne Studium erfolgt derAnstieg des Risikos früher und verläuft linear bis zu einem ersten Gipfel im24. Lebensjahr. Bei den Männern sind dagegen Unterschiede zwischen denGruppen mit und ohne Studium kaum wahrnehmbar. Wie Ziegler und Schladt(1993) am Datenmaterial der vorliegenden Untersuchung zeigen können,bleibt die Tatsache der früheren Hausstandsgründung der Frauen bestehen,wenn eine ganze Reihe zusätzlicher Kovariaten kontrolliert werden. Dabeihandelt es sich u.a. um Variablen, die den Befragten selbst betreffen, wie dieSchulbildung, die Konfession oder den Familienstand, und andere, die sichauf die Herkunftsfamilie beziehen, wie die Schichtzugehörigkeit und das Bil-dungsniveau, die Erwerbstätigkeit der Mutter oder die Stellung in der Ge-schwisterfolge.

Signifikanz der Rate (95%)Frauen ohne Studium: 16 - 26 Jahre Männer ohne Studium: 18 - 28 JahreFrauen mit Studium: 16 - 29 Jahre Männer mit Studium: 16 - 31 Jahre

16 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 350

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Frauen ohne Studium

Frauen mit Studium Männer m.Stud.

Männer ohne Stud.

Abbildung 2.6: Gründung eines eigenen Haushaltes: Hazardfunktion

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 59

Der nächste wichtige Schritt im Rahmen des Prozesses der Familiengründungist der erstmalige Bezug einer gemeinsamen Wohnung mit einem Partner odereiner Partnerin, also die Begründung eines gemeinsamen Hausstandes. Dabeiwird zunächst nicht unterschieden, ob die Beziehung durch eine Heirat staat-lich sanktioniert worden ist oder nicht. Dieser und der Schritt der erstmaligenGründung eines eigenen Haushaltes dürften oft zusammenfallen, d.h. ohneÜbergangsphase wird direkt aus der Herkunftsfamilie in eine neue Gemein-schaft gewechselt.

c) Bei beiden Ereignissen nicht zensierte Fälle: n.

b) Produkt-Moment-Korrelation der Zeitpunkte. Bei den Berechnungen wurden nur die im Be-obachtungszeitraum nicht zensierten Fälle berücksichtigt. Für alle Korrelationskoeffizienten(bis auf den mit # markierten) gilt p < 0,0001. (#: p < 0,0005)

a) Anteil mit synchronisierten Ereignissen (Nmax: Frauen ohne Studium: 313, Männer ohne Stu-dium: 196, Frauen mit Studium: 612, Männer mit Studium: 866). Es handelt sich um die ge-naue Übereinstimmung der Zeitpunkte im Beobachtungszeitraum. Lediglich bei Kombina-tionen mit dem Ereignis "Geburt des ersten Kindes" wurde darüber hinaus ein Intervall von12 Monaten vor bis 3 Monaten nach der Geburt als Übereinstimmung gewertet. Prozentuiertwird auf die Anzahl der gültigen Fälle mit wenigstens einem der beiden Ereignisse im Beob-achtungszeitraum.

19,1%,49

(278)

7,3%,37

(287)

3,3% ,21#(287)

25,0%,46

(211)

18,6%,38

(211)

13,2%,32

(212)

a)b)c)

Erstes Kind

16,9%,56

(304)

24,8%0,64(391)

10,0%,24

(387)

22,8%,66

(131)

50,4%,84

(262)

33,1%,46

(262)

a)b)c)

Erste Ehe

6,9%,46

(311)

20,3%,59

(461)

25,7%,38

(491)

16,5%,60

(131)

46,5%,91

(158)

52,9%,55

(284)

a)b)c)

Zusammenleben(inkl. Ehe)

4,2%,28

(315)

9,6%,27

(459)

25,5%,41

(619)

11,7%,50

(125)

28,7%,46

(150)

49,2%,49

(162)

a)b)c)

Erster eigenerHaushalt

1. Kind1. Ehe1.Zusam(inkl.Ehe)

1. Eig.Haus-halt

1. Kind1. Ehe1.Zusam(inkl.Ehe)

1. Eig.Haus-halt

Mit StudiumOhne StudiumMänner

Frauen

Tabelle 2.7: Synchronisation und Zusammenhang der wichtigsten Ereignisseim Prozeß der Familiengründung bis zum Alter von 30 Jahren

Wie Tabelle 2.7 belegt, in deren Zeilen (a) für jede Gruppe der Anteil mitperfekter Synchronisation von zwei Ereignissen des privaten Lebenslaufs aus-

60 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

gewiesen ist, findet sich diese Gleichzeitigkeit beider Übergänge jeweils beietwa der Hälfte der Frauen und Männer ohne Studium. Auch in den Gruppenmit Studium ist dies immerhin noch bei ca. einem Viertel der Frauen undMänner der Fall. Der geringere Anteil zeigt, daß hier stärker andere Ursachenals eine Partnerschaft, vor allem natürlich das Studium, Motiv der Haushalts-gründung sind. Der unterschiedliche Zusammenhang der beiden Ereignisse inden Gruppen mit und ohne Studium spiegelt sich auch in den Korrelationenihrer Termine, die den Zeilen (b) der Tabelle 2.7 ausgewiesen sind. Diese lie-gen in den Gruppen ohne Studium höher (Männer: r=0,49; Frauen r=0,55) alsin den Gruppen mit Studium, wo sie für Männer und Frauen etwa r=0,4 betra-gen. Die Differenz zeigt, daß in den durch eine längere Bildungsphase privile-gierten Gruppen beide Termine nicht nur seltener zusammenfallen, sondernauch im Lebenslauf insgesamt seltener aufeinander bezogen sind, also ein mitder Bildung verknüpfter, den privaten Lebenslauf destrukturierender Einflußdes beruflichen Lebenslaufes zu vermuten ist.

Das Alter, in dem die Hälfte einer Gruppe mit einem Partner oder einerPartnerin zusammenlebt, gleich ob verheiratet oder (noch) nicht, liegt für dieFrauen ohne Studium bei 22 Jahren und für die Frauen mit Studium bei 23,8Jahren. Bei den Männern ist dieser Zeitpunkt jeweils um gut zwei Jahre nachhinten verschoben und liegt bei 24,4 Jahren in der Gruppe ohne und bei 26,5Jahren in der Gruppe mit Studium (vgl. Tabelle 2.5, Zeile 2). Anders als beider erstmaligen Hausstandsgründung scheint sich bei diesem Statusübergangalso neben dem Geschlechtseffekt auch die unterschiedliche Lebenssituationvon Studenten und Nichtstudenten bemerkbar zu machen.

Wie die in Abbildung 2.8 dargestellten Hazardfunktionen zeigen, steigtbei den Frauen ohne Studium das Risiko, mit einem Partner einen gemeinsa-men Haushalt zu gründen, bis zum Alter von 23 Jahren steil an und sinkt an-schließend bereits wieder. Es folgt die Gruppe der Frauen mit Studium, dielänger im Elternhaus oder alleine im eigenen Haushalt leben als ihre gleichalt-rigen Geschlechtsgenossinnen ohne Studium. Das Risiko steigt bis zum Gip-fel im Alter von 25 Jahren relativ gleichmäßig aber langsamer als bei denFrauen ohne Studium an. Zunächst langsamer, als bei der zuletzt genanntenGruppe, wagen die Männer ohne Studium den Schritt, mit einer Partnerin zu-sammenzuziehen. Ab 24 Jahren übersteigt ihr Risiko dann allerdings das derFrauen mit Studium. Hier macht sich sicher bemerkbar, daß zu diesem Zeit-punkt die "Nichtstudenten" überwiegend im Erwerbsleben stehen und überein gesichertes Auskommen verfügen, während viele der "Studentinnen" ihrStudium noch nicht abgeschlossen haben. Der Verlauf der Risikofunktion derMänner ohne Studium ähnelt bis auf einen Einschnitt bei 26 Jahren demjeni-

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 61

62 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

Signifikanz der Rate (95%)Frauen ohne Studium: 16 - 29 Jahre Männer ohne Studium: 19 - 29 JahreFrauen mit Studium: 19 - 31 Jahre Männer mit Studium: 20 - 31 Jahre

16 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 350

0,1

0,2

0,3

0,4

Frauen ohne Studium

Frauen mit Stud.

Männer mit Studium

Männer ohne Studium

Signifikanz der Rate (95%)Frauen ohne Studium: 16 - 28 Jahre Männer ohne Studium: 18 - 28 JahreFrauen mit Studium: 16 - 29 Jahre Männer mit Studium: 16 - 31 Jahre

16 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 350

0,1

0,2

0,3

0,4Frauen ohne Studium

Frauen mit Studium

Männer ohne Studium

Männer mit Studium

Abbildung 2.8: Mit Partner(in) zusammenziehen (einschließlich Heirat):Hazardfunktion

gen der Frauen in gleicher Situation, ist allerdings deutlich um einige Jahrenach hinten zeitversetzt. Am spätesten ziehen die Männer mit Studium mit ei-ner Partnerin zusammen. Ihr Risiko steigt ähnlich dem der Studentinnen rela-tiv linear an, erreicht den Höhepunkt aber erst im Alter von 27 Jahren.

Festzuhalten ist, daß Männer deutlich später als Frauen diesen erstenSchritt hin zur Gründung einer eigenen Familie wagen. Bei beiden Geschlech-tern wird darüber hinaus der Zeitpunkt durch ein Studium weiter hinausge-schoben. Diese beiden unterschiedlichen Effekte sind auch an den differieren-den Anteilen zensierter Fälle in den einzelnen Gruppen ablesbar (vgl. Tab.2.5, Zeile 3, Spalte b). Es haben 16,2% der Frauen und sogar 26% der Män-ner mit Studium, aber nur 7,4% der Frauen und 12,4% der Männer ohne Stu-dium bis zum Alter von gut 30 Jahren noch nicht mit einem Partner oder einerPartnerin zusammengelebt.

So wie der Auszug aus dem Elternhaus und die Gründung eines gemeinsa-men Haushaltes mit einem Partner oder einer Partnerin häufig miteinandersynchronisiert sind, so sind auch die Eheschließung und der Bezug einer ge-meinsamen Wohnung miteinander verkoppelt. Alle drei Übergänge des priva-ten Lebenslaufes können also prinzipiell zusammenfallen. Dies trifft im Beob-achtungszeitraum immerhin auf 33,1% der Frauen und 28,7% der Männer oh-ne Studium zu. Ein Studium läßt diese Anteile deutlich auf etwa 10% derFrauen und Männer sinken. Den traditionellen Weg der Gründung einer eige-nen Familie – Gründung eines gemeinsamen Haushaltes erst mit der Heirat –wählt knapp die Hälfte der Männer (46,5%) und Frauen (50,4%) ohne Stu-dium, aber auch 20,3% der Männer und 24,8% der Frauen mit Studium (Tab.2.7). Die sehr enge Verknüpfung beider Ereignisse in den Lebensläufen derGruppen ohne Studium werden darüber hinaus durch die sehr hohen Korre-lationen (Männer: r=0,9; Frauen: r=0,8) der Zeitpunkte belegt. Beide Kenn-werte, der Anteil mit perfekter Synchronisation der beiden Ereignisse und dieKorrelationen (r=0,6), sind in den Gruppen mit Studium deutlich niedriger.20

Das Bild eines schwächeren Zusammenhanges zwischen dem Zeitpunktdes Bezuges einer gemeinsamen Wohnung und der Heirat wird anschaulich,wenn man die Relation der Mediane dieser Ereignisse zwischen den einzelnen

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 63

20 Insgesamt n=159 Befragte heiraten und beziehen erst einige Monate später eine gemeinsameWohnung. Da in diesen Fällen keine genaue Übereinstimmung der Zeitpunkte gegeben ist, gel-ten beide Ereignisse in Tabelle 2.7 als nicht perfekt synchronisiert. Diese Fälle sind nicht in denangegebenen Anteilen enthalten. Solche Fälle aber widersprechen dem traditionellen Muster derFamiliengründung nicht und müßten daher eigentlich den hier genannten Anteilen zugeschlagenwerden. Dies geschieht auch in einem späteren Kapitel, in dem versucht wird, aus der Abfolgeder Ereignisse zu einer Typologie des privaten Lebenslaufes zu gelangen. Die hier angegebenenWerte unterschätzen den Anteil mit einem traditionellem Familiengründungsprozeß.

Gruppen vergleicht (Tab. 2.5, Zeile 3 u. 4). Bei den Frauen ohne Studiumscheinen diese Zeitpunkte sehr eng beieinander zu liegen: Mit 22 Jahrenwohnt über die Hälfte dieser Frauen mit einem Partner zusammen, mit 22,8Jahren ist eine Mehrheit verheiratet.21 Bei den Männer ohne Studium verhältes sich ähnlich: Das durchschnittliche Alter zu beiden Zeitpunkten liegt nurum 0,9 Jahre voneinander entfernt; allerdings sind die Männer mit 25,3 Jah-ren bei der Heirat um gut 2,5 Jahre älter als die Frauen in gleicher Situation.Zum Befragungszeitpunkt sind bereits 80,6% der Männer und 84,6% derFrauen ohne Studium verheiratet.

Der Vergleich der Hazardfunktionen der Ereignisse "Zusammenziehen"und "Heirat" (Abb. 2.8 und 2.9) verdeutlicht die Ähnlichkeiten der Prozessebei Männern und Frauen ohne Studium. Allerdings liegen die Raten für dieerste Heirat niedriger als für das erstmalige Zusammenziehen mit einem Part-ner oder einer Partnerin und sind insgesamt leicht nach rechts verschoben.Beides belegt, daß häufig vor einer Heirat zunächst ohne Trauschein zusam-mengelebt wird. Bei den Frauen steigen die Raten für beide Ereignisse zu-nächst langsam, dann im Alter von 19 und 20 Jahren steil an, um sich an-schließend wieder etwas zu verlangsamen. Mit 23 Jahren steigen beide Risi-ken noch einmal deutlich und sinken dann bis zum Alter von ca. 27 Jahrenwieder auf das Ausgangsniveau mit 19, 20 Jahren. Einander sehr ähnlich ver-laufen auch die Risikofunktionen dieser Statuspassagen für die Männer ohneStudium. Die Raten steigen hier kontinuierlich bis zum Alter von 25 Jahrenan, sinken dann noch einmal für zwei Jahre, um mit ca. 28 Jahren noch einmaleinen zweiten Gipfel zu bilden und anschließend steil abzufallen.

Dagegen verlaufen die Risikofunktionen des Ereignisses "erste Heirat" beimännlichen und weiblichen Hochschulabsolventen deutlich unter denjenigender Gruppen ohne Studium. Sie ähneln in ihrem Verlauf zwar ebenfalls denenfür das Ereignis "Zusammenziehen", sind aber viel stärker nach rechtsverschoben als bei den Gruppen ohne Studium. So lebt von den Männern mitStudium eine Mehrheit im Alter von 26,5 Jahren zwar bereits mit einer Part-nerin zusammen, überwiegend verheiratet ist diese Gruppe aber erst im Altervon 30 Jahren. Zum Befragungszeitpunkt, d.h. mit durchschnittlich 30,9 Jah-ren, sind es dann 54,4%. Gleiches gilt, wenn auch beide Ereignisse dort umknapp drei Jahre früher im Lebensverlauf verortet werden können, für dieFrauen mit Studium: Eine Lebensgemeinschaft sind über 50% dieser Frauenschon mit 23,8 Jahren eingegangen, verheiratet sind sie mehrheitlich aber

64 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

21 Die eine Mehrheit umfaßt nicht notwendigerweise die gleichen Personen wie die andere. Den-noch dürfte angesichts der traditionellen Synchronisation beider Ereignisse eine relativ großeSchnittmenge plausibel sein.

auch erst, wenn sie knapp dreieinhalb Jahre älter sind: mit 27,1 Jahren. ZumZeitpunkt der Befragung mit durchschnittlich 30,6 Jahren sind dann schon65,6% verheiratet.

Die Frauen unserer Stichprobe heiraten ca. zweieinhalb bis drei Jahre frü-her als die Männer. Noch stärker als das Geschlecht aber wirkt sich offen-sichtlich die Tatsache eines Studiums auf das Heiratsalter aus: Sowohl beiMännern als auch bei Frauen verzögert ein Studium die Heirat im Schnitt umetwa viereinhalb Jahre gegenüber den Vergleichsgruppen. Der Einfluß derBildung auf das Heiratsalter ist auch im Bevölkerungsschnitt in einer Reihevon Analysen nachgewiesen (vgl. u.a. Diekmann 1987, Papastefanou 1990,Klein 1992, Klein/Lauterbach 1994). Die Frage allerdings, ob allein der ver-längerte Aufenthalt in Institutionen des Bildungswesens einen Aufschub desgesamten Familiengründungsprozesses bewirkt ("Institutioneneffekt") und obein eigenständiger Effekt des erreichten Bildungsniveaus ("Niveaueffekt")feststellbar ist, vor allem aber, in welchem Verhältnis beide zueinanderstehen, ist umstritten (vgl. u.a. Blossfeld/Jaenichen 1991, Brüderl/Klein 1993,Blossfeld/Huinink/Rohwer 1993). In welchem Ausmaß nach Abschluß derAusbildung und dem Erreichen einer gesicherten beruflichen Position dieserAufschub durch einen Nachholeffekt insbesondere bei Frauen, wie ihn Klein(1992) im Bevölkerungsschnitt feststellen kann, wieder wettgemacht wird,oder ob ein höher Anteil unverheiratet bleibt, kann an dieser Stelle angesichtsder Unabgeschlossenheit der beteiligten Prozesse in der vorliegenden Stich-probe nicht endgültig beurteilt werden. Für ein zumindest begrenztes Wirkeneines solchen Nachholeffektes spricht die Tatsache, daß in allen vier Gruppendie Rate nach einem Einbruch bei ca. 26-27 Jahren noch einmal einen mehroder weniger stark ausgebildeten zweiten Gipfel bei 28-29 Jahren bildet (vgl.Abb. 2.9). Dabei dürfte bei den Gruppen ohne Studium weniger die Ausbil-dung, die dann längst abgeschlossen ist, sondern die zunächst angestrebte be-rufliche Karriere den Entschluß zur Heirat, der – wie noch zu zeigen ist –häufig eng mit dem Kinderwunsch verknüpft ist, aufschieben.

Der Bezug einer gemeinsamen Wohnung und die Heirat fallen bei Frauenund Männern mit Studium wesentlich seltener zusammen und sind zeitlich ge-ringer verknüpft als in den Gruppen ohne Studium. Dies läßt den Schluß zu,daß in diesem Zeitraum anstelle der Ehe zumindest vorübergehend die unver-bindlichere Form einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gewählt wird, umdie Vorteile einer Partnerschaft zu genießen, ohne aber zugleich Verpflich-tungen einzugehen, die die berufliche Lebensplanung und die prinzipielle Of-fenheit gegenüber zukünftigen Entwicklungen gefährden könnte.

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 65

Nachdem heute Partnerschaft und Sexualität nicht mehr normativ mit der Eheverknüpft sind und genauso in "wilder Ehe"22 gefunden werden können,scheint nun vor allem der Kinderwunsch oder die (schon zurückliegende odererst bevorstehende) Geburt eines Kindes die Entscheidung zur Heirat positivzu beeinflussen (vgl. u.a. Nave-Herz 1989; Trost 1989; für die vorliegendenDaten: Schladt 1988: 110). Schneewind/Vaskovics u.a. (1992: 15) befragtenin einer Studie für das Bundesministerium für Familie und Senioren 1528jung verheiratete Paare in der Bundesrepublik und stellen fest, daß über dieHälfte der Paare entweder bereits ein Kind erwarten (19%) oder aber bald,d.h. in den nächsten zwei Jahren, Kinder haben wollten (34%). Nur 6% derBefragten sind bezüglich des Kindeswunsches unsicher, nur 3% verneinen ihnexplizit. Diese Zahlen, aber auch die Auswertung von Einstellungsfragen zei-gen, so das Resümee der Autoren, daß bei der einen Hälfte der Befragten beider Heirat der Kinderwunsch im Vordergrund steht, beim Rest aber nicht dieKindorientierung, sondern "ein Verständnis von Ehe als einer über die Reali-sierung des Kinderwunsches hinausgehende Wertegemeinschaft auf der Basiseiner tragfähigen Partnerschaft" (S. 12) das zentrale Heiratsargumentdarstellt. In einer Wiederholungsbefragung derselben Paare zwei Jahre späterzeigt sich dann, daß in der Zwischenzeit ein Drittel der befragten Paare Elterngeworden sind, weitere 10% erwarten ein Kind (S. 28). Umgekehrt kann Kel-ler (1993: 120) zeigen, daß die Tatsache, aktuell verheiratet zu sein, auch beiKontrolle von Startchancen, normativen Leitbildern und der Opportuni-tätsstruktur (u.a. Bildung, Erwerbstätigkeit, Einkommen) das generative Ver-halten am stärksten beeinflußt.

Die Zeitpunkte der Heirat und der Geburt des ersten Kindes korrelieren inden vier Subpopulationen zwischen r=0,5 und r=0,7 (vgl. Tab. 2.7, Zeile b).Aussagekräftiger als der Korrelationskoeffizient ist aber hier, wo bei zweihäufig relativ spät im individuellen Lebenslauf angesiedelten Übergängensystematische Überschätzungen der Zusammenhänge durch die hohe Anzahlzensierter Fälle zu erwarten sind, der Anteil, bei dem beide Ereignisse im Be-obachtungszeitraum auch tatsächlich zusammenfallen.

Nun kann bei dem Ereignis der Geburt des ersten Kindes "Synchronisa-tion" nicht bedeuten, daß Heirat und Geburt des ersten Kindes tatsächlich

66 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

22 "Wilde Ehe" ist ein Bezeichnung dieser Lebensform, die mehr und mehr aus dem allgemeinenSprachgebrauch verschwindet, aber viel darüber aussagt, wie man sich so ein Zusammenlebenzu der Zeit vorstellte, als es noch nicht die heutige weite Verbreitung gefunden hatte (also zuBeginn der siebziger Jahre). Die heute gebräuchliche Bezeichnung "nichteheliche Lebensge-meinschaft" zeigt, daß sich diese Form des Zusammenlebens von der Ehe vor allem durch denfehlenden Trauschein, mit allen daraus erwachsenden zivil- und familienrechtlichen Konsequen-zen, sonst aber kaum unterscheidet.

zeitgleich stattfinden. Wenn der Grund für die Heirat ist, daß entweder einKind geplant ist, eine Schwangerschaft eingetreten ist oder bereits ein Kindgeboren worden ist, wie es Nave-Herz (1989) vermutet, dann muß bereits derZeitpunkt der Entscheidung für das Kind als bewußte Synchronisation gewer-tet werden. Als Zeitpunkt der Entscheidung wird hier ein Zeitpunkt von dreiMonaten vor Beginn der Schwangerschaft angenommen. Darüber hinaus sollSynchronisation auch heißen, daß das entsprechende Ereignis – in Tabelle 2.7wird auch die Synchronisation mit den Statuspassagen "Gründung eines eige-nen Haushaltes" und "Zusammenziehen mit dem Partner" ausgeführt – bis zudrei Monaten nach der Geburt eines Kindes stattfinden darf.23 Dies erscheintangesichts ungeplanter, aber nicht seltener Verzögerungen dieser Übergänge,z.B. durch eine lang andauernde Wohnungssuche, angebracht.

Bei 22,8% der Männer und 25% der Frauen ohne Studium fallen nach die-sen Kriterien die Heirat und die Geburt eines Kindes zusammen. Auch in denGruppen mit Studium sind dies immerhin noch 16,9% der Männer und 19,1%der Frauen (vgl. Tab. 2.7, Zeile b). Wenn man nun bedenkt, daß ein recht gro-ßer Anteil der beiden Gruppen mit Studium und ein etwas geringer Anteil derMänner und Frauen ohne Studium beide Ereignisse noch gar nicht erlebt hat,also weder verheiratet ist noch ein Kind hat, dann ist zu erwarten, daß dieseAnteile sich im weiteren Verlauf noch erhöhen werden. Möglicherweise istauch die Zeit von der Entscheidung für ein Kind bis zu dessen Geburt mit ei-nem Jahr zu kurz bemessen, so daß der Anteil kindorientierter Eheschließun-gen tatsächlich noch deutlich höher liegen dürfte. Dafür würden auch die rela-tiv hohen Korrelationen in den beiden Gruppen ohne Studium sprechen, woim Gegensatz zu den Männern und Frauen mit Studium die vermuteten Über-schätzung des Zusammenhangs wegen der geringeren Anzahl von Zensierun-gen deutlich geringer ausfallen dürfte.

Dennoch liegen die Mediane der beiden Ereignisse "Heirat" und "Geburtdes ersten Kindes" (vgl. Tab. 2.5) mit etwa vier Jahren recht weit auseinan-der: Mehrheitlich verheiratet sind die Männer ohne Studium bereits mit 25,3Jahren (Frauen: 22,8 Jahre), aber erst mit 29 Jahren hat mehr als die Hälftedieser Gruppe auch ein Kind (Frauen: 27,9 Jahre). Mit gut 30 Jahren habendann rund 68% der Männer und Frauen ohne Studium die Verpflichtungen ei-ner Elternschaft übernommen. In den beiden Gruppen mit Studium dürftensich im Bezug auf das durchschnittliche Alter bei Heirat und Geburt ähnlicheUnterschiede ergeben, wenn der Lebenslauf über den Befragungszeitpunkthinaus verfolgt würde. Genau quantifiziert werden können diese Differenzen

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 67

23 Diese Vorgehensweise, beim Abgleich von zwei Zeiten ein Intervall statt eines Zeitpunktes zubenutzen, wird häufig als "fuzzy-time" bezeichnet (vgl. Klijzing 1989: 157).

gegenwärtig aber nicht, weil zum Zeitpunkt der Befragung in beiden Gruppenmit Studium noch mehr als die Hälfte der Befragten kinderlos ist (Männer:62,8%, Frauen: 51,9%).24

Auch wenn viele Eheschließungen als kindorientiert bezeichnet werdenkönnen, zeigen die Differenzen der Mediane der beiden Ereignisse doch auch,daß in den Fällen, wo andere Motive den Ausschlag für eine Heirat gegebenhaben, die Elternschaft hinausgezögert wird. Es gibt offensichtlich noch einezahlenmäßig nicht zu unterschätzende Gruppe von Personen, die ohne direk-ten Kinderwunsch heiratet. Deren Lebenssituation ist einer nichtehelichen Le-bensgemeinschaft vergleichbar: Sie ermöglicht es beiden Partnern, ihre Aus-bildung oder ihre berufliche Karriere voranzutreiben; wenn beide bereits be-rufstätig sind – was nach dem Ausbildungsabschluß die Regel sein dürfte –dann ermöglicht ein hohes Haushaltseinkommen einen relativ hohenLebensstandard.25 Ein Kinderwunsch ist damit aber nicht unbedingt aufgeho-ben, sondern sehr oft bloß aufgeschoben und wird, wie Klein (1992) zeigenkann, insbesondere von Frauen z.T. in einem verhältnismäßig kurzen Zeit-raum nachgeholt, während bei Männern dieser Prozeß zeitlich stärker ge-streckt ist. Wie auch die Studie von Schneewind, Vaskovics u.a. (1992) zeigt,gehören Kinder nach wie vor zum Lebensplan der meisten Bundesbürger.

Der Bildungseffekt (Institutionen- und/oder Niveaueffekt) überwiegt denGeschlechtseffekt. Dies wurde bereits beim Vergleich der Mediane und derAnteile zensierter Fälle deutlich und läßt sich auch an den in Abbildung 2.10dargestellten Risikofunktionen ablesen: Die Funktionsverläufe ähneln sich in-nerhalb der Bildungsgruppen stärker als innerhalb der Geschlechtergruppen.Die Raten der Frauen und Männer mit Studium liegen fast im gesamten Beob-achtungszeitraum deutlich unter der ihrer Vergleichsgruppen ohne Studium.Der Vergleich von Männern und Frauen belegt aber auch, wie schon beimHeiratsalter, einen (allerdings schwächeren) Geschlechtseffekt: Bei der Ge-burt des ersten Kindes sind Frauen durchschnittlich ein bis zwei Jahre jüngerals Männer. Erst gegen Ende des Beobachtungszeitraums gleichen sich dieRaten bei Männern und Frauen ohne Studium deutlich an, was vermutlich vorallem auf die veränderte Lebenssituation der Männer zurückzuführen ist, diein diesem Alter bereits einige Jahre im Beruf stehen dürften, so daß nun auchdie eher vorsichtigen und stärker berufsorientierten Männer, die den Kinder-wunsch bis zu ihrer beruflichen Etablierung verschoben haben, diesen ver-

68 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

25 Aus dem amerikanischen Sprachgebrauch hat sich auch hier für diese Form der Partnerbezie-hung die treffende Bezeichnung "dinks", d.h. "double income no kids", eingebürgert.

24 Zum Vergleich: Im Bevölkerungsschnitt der Geburtskohorte 1949-51 sind mit 30 Jahren27,5% der Frauen und 50,4% der Männer noch kinderlos (Huinink 1987: 369).

stärkt realisieren. Ein solcher Effekt ist bei den Männern ohne Studium amsteilen Anstieg der Rate zwischen dem 27. und 29. Lebensjahr ablesbar.

Signifikanz der Rate (95%)Frauen ohne Studium: 19 - 31 Jahre Männer ohne Studium: 20 - 31 JahreFrauen mit Studium: 21 - 31 Jahre Männer mit Studium: 21 - 31 Jahre

16 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 350

0,1

0,2

0,3

0,4

Frauen ohne Studium

Frauen mit Studium

Männer ohne Studium

Männer mit Studium

Abbildung 2.10: Geburt des ersten Kindes (Hazardfunktion)

Deutlich zeitversetzt beginnt der Prozeß in den Gruppen mit Studium imGrunde erst mit ca. 24 Jahren bei den Frauen und bei den Männern mit etwa26 Jahren. Auch hier ist das Risiko mit 29 Jahren bei den Frauen und mit 30Jahren bei den Männern am höchsten. Danach unterscheiden sich die Ratenzwischen den Gruppen mit und ohne Studium nur noch geringfügig, die Rateder dann wohl überwiegend ehemaligen Studentinnen und Studenten liegt so-gar minimal höher. Da in den Gruppen ohne Studium bis zu diesem Alter einweitaus größerer Anteil der Befragten bereits Kinder hat und die Rate überdas Risiko eines Zustandswechsels aus der Kinderlosigkeit informiert, ergibtsich hier ein Indiz für den angesprochenen Nachholeffekt. Er zeigt sich aberauch dort, wo kein Studium der Anlaß für den Aufschub des Kinderwunscheswar, nämlich bei den Männern und – stark abgeschwächt – auch bei den Frau-en ohne Studium. Hier dürfte zunächst die eigene Berufskarriere oder die desPartners im Vordergrund gestanden haben. Erst wenn eine gesicherte berufli-che Position erreicht worden ist, dadurch auch subjektiv genügend materielleund zeitliche Ressourcen für die Ernährung, Erziehung und Betreuung von

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 69

Kindern bereitgestellt werden können, wird der Kinderwunsch realisiert. Einsolcher Aufschub zugunsten der Berufskarriere müßte sich natürlich in denGruppen mit Studium noch zusätzlich zu dem diskutierten Institutioneneffektbemerkbar machen, so daß sich die Verzögerung im Familienbildungsprozeßbei hoher Bildung aus beiden Faktoren addiert.

Wenn Männer sich beruflich etabliert haben, steht steht aus ihrer Sicht ei-ner Familienbildung nichts mehr im Wege. Frauen aber setzen bei traditionel-ler Rollenteilung die berufliche Position aufs Spiel. Blossfeld und Huinink(1989) konnten denn auch zeigen, daß Frauen die Geburt des ersten Kindesum so stärker aufschieben, je höher sie die berufliche Karriereleiter erklom-men haben. Leider kann hier wegen des beschränkten Beobachtungszeitrau-mes nicht untersucht werden, inwieweit sich diese zunächst befristete Kinder-losigkeit im weiteren Lebensverlauf in eine unbefristete umwandelt. Dennochsoll ein (spekulativer) Blick auf das mögliche generative Verhalten der Frau-en in die Zeit jenseits des dreißigsten Geburtstages gewagt werden: Da dieGeburt von Kindern nicht beliebig aufgeschoben werden kann, weil die ge-sundheitlichen Risiken einer Erstgeburt für Mutter und Kind jenseits des drei-ßigsten Lebensjahres ansteigen und der Beginn der Menopause die biologi-sche Grenze der Gebärfähigkeit markiert, ist es wahrscheinlich, daß eine ge-wisse Anzahl von Frauen den "richtigen" Termin verpaßt, weil immer wiederneue berufliche Entwicklungen die Realisierung eines eigentlich vorhandenenKinderwunsches verhindern. Weniger die Bildung an sich, die nur aufschie-bende Wirkung besitzt, sondern die aus ihr resultierenden besseren berufli-chen Möglichkeiten geben dann den Ausschlag in dem permanenten Entschei-dungskonflikt zwischen Berufsorientierung und Mutterschaft und senken dieGeburtenraten bei den Frauen mit hohem Bildungsniveau.

2.3.2 Durchschnittliche Dauer der Phasen des privaten Lebenslaufes

Auch für den privaten Lebenslauf soll hier kurz auf die durchschnittlicheDauer der durch die beschriebenen Übergänge begrenzten Phasen eingegan-gen werden.26 Dies erlaubt eine neue Perspektive auf die vier Lebenslaufsmu-

70 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

26 Genau wie bei der Analyse der durchschnittlichen Dauer der Phasen des beruflichen Lebens-laufes gilt selbstverständlich hier auch, daß nicht in jedem individuellen Lebenslauf alle Phasenvorhanden sind. Solche fehlenden Phasen fließen mit einer Dauer 0 in die Berechnung ein; diesist neben der Streuung der tatsächlichen Dauer eine Quelle relativ großer Standardabwei-chungen. Zur Erleichterung der Interpretation weist die im Anhang dokumentierte Tabelle zuAbbildung 2.10 neben der durchschnittlichen Dauer in Monaten, der Standardabweichung unddem prozentualen Anteil, den eine Phase am gesamten Beobachtungszeitraum ausmacht, dieseBerechnungen auch auf der Basis der Befragten, die die Phase tatsächlich durchlebt haben, aus.

ster und kann helfen, die bisherigen Interpretationen im Hinblick auf die Be-deutung, die den verschiedenen Phasen in den einzelnen Subgruppen zu-kommt, zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurden zunächst sechs verschiede-ne Phasen konstruiert, die man nach den bisherigen Analysen auch als Se-quenz verstehen kann.

Den Ausgangspunkt bildet die Zeit, in dem der Jugendliche oder junge Er-wachsene noch im Elternhaus (1) lebt. Sie ist nach unten durch ein fix gesetz-tes Datum27 begrenzt. An diese Phase können sich unterschiedliche Lebensab-schnitte anschließen: Man kann alleine überwiegend außerhalb des Eltern-hauses (2) leben, ohne dabei ein eigenes Heim zu haben, oder gleich ein ei-nen eigenen Haushalt (3) gründen. Die Haushaltsgründung kann mit oder oh-ne Partner geschehen. Bei der Partnerschaft kann es schließlich sich um eineLebensgemeinschaft (4) ohne Trauschein oder um eine Ehe (5) handeln. Die-se fünf Phasen können in der Folge weiter aufeinander aufbauen, wobei ein-zelne auch übersprungen werden können, so daß zwar ihre Reihenfolge fest-gelegt ist, aber nicht ihre Vollständigkeit. Jede einzelne Phase kann also ohneihre Vorgänger auftreten, aber eine "spätere" Phase vor einer "früheren" isthier nicht möglich. Sobald ein in dieser Folge höherrangiges Ereignis im Le-benslauf auftritt, gilt die Phase als abgeschlossen und eine neue beginnt. EinBeispiel macht klar, was gemeint wird: Ein Befragter heiratet, lebt aber an-schließend noch eine gewisse Zeit im Elternhaus, bevor er mit der Partnerineine gemeinsame Wohnung bezieht. Hier gilt die Phase "bei den Eltern" mitdem Zeitpunkt der Eheschließung als beendet. Die Phasen (2), (3) und (4)existieren nicht, es beginnt gleich die Phase "verheiratet" (5). Durch diesesVorgehen werden Parallelphasen ausgeschlossen und erreicht, daß sich dieeinzelnen Phasen zu dem gesamten Beobachtungszeitraum aufaddieren.28 DaPartnerschaften, gleich ob verheiratet oder nicht, nach einer Trennung nichtnahtlos in die nächste Partnerschaft münden, war es darüber hinaus notwen-dig, eine zusätzliche Phase (6) "allein nach einer Trennung" einzuführen.Weil die genauen Zeitpunkte der zwei letzten Partnerschaften erhoben wur-den,29 wird mit einer eventuell vorhandenen ersten Trennungsphase die Posi-

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 71

29 Dies ist eine Quelle der Ungenauigkeit, denn prinzipiell ist die Zahl der Partnerschaften imBeobachtungszeitraum natürlich unbegrenzt. Faktisch haben aber 80,4% der Befragten die Da-ten einer ersten und lediglich 13,1% der Befragten die einer zweiten Partnerschaft angegeben, sodaß die Gruppe mit drei oder mehr Partnerschaften sehr klein sein dürfte.

28 Man könnte dies auch erreichen, indem die Dauer der einzelnen Parallelkombinationen ge-trennt berechnet würde. Angesichts der Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten und ihrer i.d.R.sehr geringen Verbreitung wird hier aber zugunsten einer übersichtlicheren und klareren Darstel-lung darauf verzichtet.

27 Auch hier wurde als Startzeit wie bei den Phasen des beruflichen Lebenslaufs (vgl. Abb. 2. 6)wieder der 1.1.1967 gewählt.

tion innerhalb der Phasensequenz zurückgesetzt: Die Trennungsphase wird imBeobachtungszeitraum entweder gar nicht, oder durch eine neue Lebensge-meinschaft bzw. Ehe beendet. Da auch diese wieder in eine Trennung mündenkönnen, kann noch eine zweite Trennungsphase auftreten. Diese Zweitphasenwerden aber der Übersichtlichkeit wegen nicht gesondert ausgewiesen, son-dern zur ersten Lebensgemeinschaft, Ehe oder Trennungsphase addiert.

In der bisher beschriebenen Phasenfolge tauchen Kinder noch nicht auf.Die Geburt eines Kindes ist sicherlich das Ereignis des privaten Lebenslaufs,das auch heute noch normativ am eindeutigsten mit einem anderen, nämlichder Heirat, verknüpft ist. Wenn etwas einen Maßstab für eine so verstandeneNormalität des privaten Lebenslaufes darstellt, dann ist es die verbreiteteNorm der Ehelichkeit von Kindern. Die Indikatoren für die Gültigkeit einersolchen Norm sind vielfältig: Nicht nur die christliche Moraltheologie ver-knüpft Ehe und Elternschaft, auch im deutschen Recht (vgl. Limbach 1989:237ff) lassen sich noch immer Hinweise darauf finden: So hat in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft der Vater eines Kindes i.d.R. juristisch keineRechte, etwa im Bezug auf die Festlegung der Erziehungsziele; ihm bleibt nurdie Unterhaltspflicht, das Sorgerecht steht allein der Mutter zu. Selbst in demFall, daß die Mutter das Sorgerecht nicht ausüben kann, fällt es nicht automa-tisch dem Vater zu. Darüber hinaus aber stellt die Geburt des ersten Kindesaber auch den im Hinblick auf den beruflichen Lebenslauf spürbarsten Ein-schnitt im privaten Lebenslauf bis zum Alter von 30 Jahren dar. Dabei spieltes natürlich eine gewichtige Rolle, ob das Kind sehr früh kommt und/oder obdas Kind allein betreut werden muß. Um der Bedeutung der Elternschaft ge-recht zu werden, wurde im Bezug auf dieses Ereignis für die Analysen die zu-vor aufgestellte Regel des Vermeidens von Parallelphasen durchbrochen. EinKind kann grundsätzlich in jeder der sechs betrachteten Phasen geboren wer-den, so daß sich der individuelle Lebenslauf im Beobachtungszeitraum zu-nächst einmal in zwei Bereiche, deren Grenze die Geburt des Kindes bildet,aufteilen läßt. Für jedes Individuum lassen sich daher die einzelnen Phasen inihren jeweiligen Anteil ohne und mit Kind zerlegen. Hat z.B. eine Befragteihr erstes Kind bekommen, während sie noch im Elternhaus lebte, dann wirddiese Phase in einen Anteil mit Kind und einen Anteil ohne Kind aufge-splittet; alle folgenden Phasen werden "mit Kind" gewertet.30 Dadurch wird esmöglich, auch nach der Geburt eines Kindes die Differenzierung der zuerstbeschrieben Lebensphasen beizubehalten, ohne auf eine Phase "mit Kind",die dann allerdings auf die anderen Phasen aufgeteilt ist, zu verzichten.

72 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

30 Nicht berücksichtigt werden konnte dabei die Frage, ob das Kind während des gesamten Be-obachtungszeitraum bei der oder dem Befragten lebt.

Abbildung 2.11 stellt die durchschnittlichen Anteile der so differenzierten Le-bensphasen am gesamten Beobachtungszeitraum für alle vier Gruppen gra-phisch dar. Tabelle A2.11 im Anhang weist darüber hinaus in den Spalten (1)den Anteil derjenigen, die eine Phase tatsächlich durchlaufen haben, (2) diedurchschnittliche Verweildauer in der Phase in Monaten, (3) deren Standard-abweichung und den in der Graphik dargestellten Anteil (4) aus.

1 Die in der Abbildung dargestellten Anteile beziehen sich auf alle Befragten einer Gruppe. Diegenauen Werte können Tabelle A2.11 des Anhangs entnommen werden. Die Anteile "mit Kind"werden über den einzelnen Phasen in deren Schraffur dargestellt.

Männer o.Stud. Frauen o.Stud. Männer m.Stud. Frauen m.Stud.40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Bei den Eltern

Eig. Wohn.

Nicht Elternhaus

Bei den Eltern Bei den Eltern

Eig. Wohn.

Eig. Wohn.

Eig. Wohn.Nicht Elternhaus

Nicht Elternhaus

NLGM

NLGM

NLGM

NLGM

Ehe + Kind Ehe

Ehe + KindEhe + Kind

Ehe + Kind

Nach Trenn.

Ehe

Ehe

Ehe

Abbildung 2.11: Der private Lebenslauf zwischen 13 und 30 Jahren. Anteilder einzelnen Phasen am Beobachtungszeitraum.1

Das große Zeitkontingent, das alle vier Gruppen noch bei den Eltern verbrin-gen, ist angesichts des hier mit 13 Jahren sehr früh einsetzenden Beobach-tungszeitraumes und der hohen Schulbildung, durch die sich eine lange wirt-schaftliche Abhängigkeit vom Elternhaus ergibt, zu erklären; durchschnittlichwerden mit knapp 13 Jahren noch zwischen 8 und 9 Jahren bei den Eltern

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 73

verlebt, bevor das Elternhaus dann nach dem Abschluß der Schule verlassenwird. Die Beobachtung, daß Frauen diesen Schritte früher als Männer wagen,wird durch die Abbildung bestätigt. Die Differenz der Phasendauer zwischenFrauen und Männern ist in den Gruppen mit Studium geringer als in denGruppen ohne Studium: Männer mit Studium verlassen das Elternhaus früher,Frauen mit Studium später als ihren Geschlechtsgenoss(in)en ohne Studium.Bei den Gruppen mit Studium markiert vor allem das Datum des Abiturs unddaran anknüpfend der Studienbeginn den Zeitpunkts des Verlassens des El-ternhauses. Anders verhält es sich in den Gruppen ohne Studium, wo insbe-sondere Frauen nicht nur früher eine Familie gründen, sondern auch häufigergleich aus dem Elternhaus in eine Partnerschaft wechseln.

Den Aufenthalt in semiautonomen Unterkünften, die nicht mehr Eltern-haus, aber auch noch nicht die eigene Wohnung sind, beinhaltet die nächstedargestellte Phase: "Nicht mehr bei den Eltern". Bezüglich ihrer Dauer beste-hen deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen, was auch daraufzurückzuführen ist, daß in den Gruppen ohne Studium 35,7% der Männer,aber nur 18,2% der Frauen eine solche Phase erlebt haben; in den Gruppenmit Studium sind es 45,8% der Männern und 26,7% der Frauen. Überwiegendverantwortlich für die Differenzen zwischen den Geschlechtern ist die nurMänner betreffende Wehrpflicht. Nachdem bereits festgestellt worden ist, daßein solcher Dienst häufiger von den Männern mit als von den Männern ohneStudium abgeleistet wurde, erklärt dies auch einen Teil des großen Unter-schiedes zwischen beiden Gruppen. Aber die Differenz zwischen den beidenBildungsgruppen besteht auch bei den Frauen. Sie wird verständlich, wennman bedenkt, daß auch das Leben in Studentenwohnheimen und in einerWohngemeinschaft, die aus ökonomischen, seltener aus politisch-ideologi-schen Gründen besonders bei Studenten verbreitet ist (vgl. Peuckert 1991:179ff) zu den semiautonomen Unterkünften außerhalb des Elternhauses ge-rechnet wird.

Wer studiert, lebt aber nicht nur häufiger und länger in semiautonomenUnterkünften, sondern auch häufiger und länger alleine in einer eigenen Woh-nung, die eine Alternative mit mehr individueller Autonomie zu Wohnheimoder Wohngemeinschaft ist. Hinzu kommen geringfügige Unterschiede zwi-schen den Geschlechtern: Bei Frauen hat diese Phase eine etwas geringereBedeutung als bei Männern (vgl. Tab. A2.11). Betrachtet man nun aber nurdie Teilgruppen, die auch tatsächlich eine eigene Wohnung allein bewohnthaben, so werden Details klarer: 59,1% der Frauen mit Studium haben durch-schnittlich knapp fünf Jahre so gelebt, dies gilt auch für 57,3% der Männermit Studium. Dagegen haben nur 33,8% der Frauen und 34,7% der Männer

74 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

ohne Studium allein eine eigene Wohnung bewohnt. Während also die Unter-schiede zwischen Frauen und Männern insgesamt nur gering sind, ergebensich, wie schon die Graphik deutlich macht, eindeutigere Differenzen zwi-schen den Gruppen mit und ohne Studium. Durch die verlängerte Ausbil-dungsphase schiebt sich zwischen Elternhaus und Gründung einer eigenen Fa-milie eine längere Zeit des Alleinlebens, schon weitgehend frei von den Re-geln und der Kontrolle des Elternhauses, zugleich aber auch noch frei vonden Bindungen und der Verantwortung, die eine eigene Familie mit sichbringt. Dieses Bild verfestigt sich noch weiter, wenn man die beiden hier un-terschiedenen Phasen "nicht mehr bei den Eltern" und "eigenes Zuhause" ge-meinsam betrachtet.

Dabei fallen dann zwar auch wieder Geschlechtsunterschiede ins Auge,die allerdings zum großen Teil auf die Ableistung des Wehr- oder Zivildien-stes der Männer zurückgeführt werden können. Festzuhalten ist bezüglich derGeschlechterdifferenzen, daß Frauen das Elternhaus etwas früher als Männerverlassen, anschließend seltener, und wenn doch, dann eher kürzeralleinleben, d.h. ohne sogleich eine Partnerschaft einzugehen. Wenn der Zeit-raum zwischen dem Verlassen der Herkunftsfamilie und der Gründung einereigenen Familie als ein psychosoziales Moratorium (Erikson 1980) verstan-den werden kann, dann nutzen Männer diese Zeit häufiger und ausgiebiger.Frauen wechseln dagegen häufiger übergangslos oder mit kürzeren Übergän-gen aus der Herkunfts- in die Zielfamilie. Ein Studium erhöht zwar generelldie Chance und die Dauer eines Moratoriums bei beiden, ändert aber an die-ser allgemeinen Tendenz grundsätzlich nichts.

Eine Phase des nichtehelichen Zusammenlebens könnte wegen ihrer ge-genüber der Ehe geringeren Verbindlichkeit dem Moratorium zugeschlagenwerden. Dies verändert das Bild geringfügig: Bei den Gruppen ohne Studiumwählen zwar 44,6% der Männer gegenüber 42,9% der Frauen zumindest vor-übergehend diese Partnerschaftsform, aber die durchschnittliche Dauer ist beiden Männern sowohl in der gesamten Subgruppe (9,4 Monate) als auch in derum die zensierten Fälle bereinigten Gruppe mit 21,1 Monaten deutlich gerin-ger als bei den Frauen (16,7 bzw. bereinigt 31,3 Monate). Ähnlich sieht es inden beiden Studentengruppen aus, allerdings wird hier diese Lebensform häu-figer von Frauen (60,0%) als von Männern (54,3%) genutzt. Die durch-schnittliche Verweildauer in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft beträgtbei den Frauen mit Studium 23,5 (bereinigt: 39,5) Monate und bei den Män-nern 20,7 bzw. 38,2 Monate.

Deutlich wird hier wiederum, wie eine durch das Studium verlängerteBildungsphase das psychosoziale Moratorium der Jugendzeit verlängert, in-

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 75

dem es nicht nur den Berufseinstieg, sondern auch den Prozeß der Familien-gründung hinauszögert. Zugleich aber werden Partnerschaft, Emotionalitätund Intimität häufiger im unverbindlicheren nichtehelichen Zusammenlebengesucht. Angesichts der geringeren zeitlichen Ausdehnung dieser Phase inden Gruppen ohne Studium scheint sie dort stärker eine bloße Vorstufe zurHeirat, d.h. eine Art moderner Verlobung, zu sein, während sie in den Grup-pen mit Studium eher eine eigene Lebensform bildet, die ohne das erklärteZiel einer späteren Eheschließung eingegangen wird. Dies schließt eine späte-re Heirat nicht aus, aber im einen Fall wird sie von vornherein angestrebt ist,im anderen nicht.

Sieht man zunächst einmal von der, wie die Abbildung 2.11 ausweist, re-lativ unbedeutenden Phase "Nach Trennung ohne Partner" ab, auf die an-schließend eingegangen wird, dann bildet die Phase "Verheiratet" die Kom-plementärmenge zu den anderen bisher betrachteten Lebensabschnitten. IhrZeitanteil am gesamten Beobachtungszeitraum (vgl. Tab. A2.11) ist dement-sprechend in den Gruppen ohne Studium mit 36,6% (bereinigt: 43,4%) beiden Frauen und 29,7% (36,7%) bei den Männern am höchsten. In den Grup-pen mit Studium sind die Anteile dieser Phase deutlich niedriger und liegenfür die männlichen Studenten bei 13,3% (bereinigt: 24,3%) und für die Stu-dentinnen bei 19,9% (30,5%). Wegen ihrer engen Verknüpfung mit der Ge-burt von Kindern wird weiter unten noch einmal ausführlicher auf die Ehe alsLebensphase einzugehen sein.

Ein knappes Viertel der Frauen, gleich ob mit oder ohne Studium, hat be-reits eine zerbrochene Partnerschaft hinter sich und lebt zumindest zeitweiseallein. Bei den Männern sind dies mit etwa 18% rund 6 Prozentpunkte weni-ger (Tab. A2.11).31 Über die Ursachen dieses Unterschiedes kann hier ledig-lich spekuliert werden. Ein Grund ist sicher, daß Frauen früher eine Partner-beziehungen eingehen, und deshalb angesichts der gleichen Dauer des Beob-achtungszeitraumes bei Männern und Frauen die Chance des Zerbrechens derBindung auch größer ist. Die Lebensphase, die mit dem Verlassen des der ge-meinsamen Wohnung beginnt, kann zum Befragungszeitpunkt noch andauernoder auch nur ein kurzes Intermezzo zwischen zwei Partnerschaftendarstellen. Ihr Anteil am gesamten Beobachtungszeitraum, bezogen auf dieGesamtstichprobe, ist relativ niedrig und variiert zwischen 2,8% und 4,2%.Betrachtet man allerdings die Anteile nur für die Teilstichprobe, die schon ei-ne Trennung hinter sich hat, dann verändert sich das Bild und zeigt, daß eherselten nach einer Trennung schnell von dem einen Partner in die Arme eines

76 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

31 Hier wird nicht unterschieden, ob es sich bei der Trennung um eine Scheidung von Ehepart-nern oder um die Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft handelt.

neuen geflüchtet wird. Durchschnittlich dauern solche Lebensabschnitte desAlleinlebens nach einer Trennung zwischen 2,5 und 3 Jahren, was einemdurchschnittlichen Anteil am gesamten Beobachtungszeitraum zwischen 14,5und 17,4% entspricht.

Ausgespart aus der Analyse wurden bisher Kinder. Hier zeigt bereits einBlick auf Abbildung 2.11, daß die Vorsicht, Phasen mit Kind gesondert aus-zuweisen, beinahe überflüssig war. Im Aggregat findet sich allen Individuali-sierungstendenzen familialer Lebensformen zum Trotz nur eine Phase, an derKinder nennenswerten Anteil haben: die Ehe. Dies mag in Einzelfällen anderssein, wenn man sich allerdings die Größenordnungen vor Augen führt, wirdschnell deren relativ geringe Bedeutung klar. Die Kinder unserer Stichprobewachsen überwiegend – und hier muß natürlich einschränkend gesagt werden:im Beobachtungszeitraum – in einer Ehe auf.32

Je nach Subpopulation haben zwischen einem und zwei Dritteln der Be-fragten im Beobachtungszeitraum Kinder. Das sind 66,8% der Männer und65,9% der Frauen ohne Studium, aber erst 33% der Männer und 43,9% derFrauen mit Studium. Betrachtet man nun die Anteile derjenigen, die verheira-tet sind (oder waren) und in diesem Zeitraum ein Kind haben (vgl. Tab.A2.11, Zeile "verheiratet mit Kind"), so liegen die in allen vier Gruppen umnicht einmal einen Prozentpunkte unter den genannten Werten. Das heißt, daßso gut wie alle Befragten mit Kind zumindest zeitweise mit diesem Kind in ei-ner Ehe gelebt haben. Dies Bild wird in allen vier betrachteten Gruppen durchdie durchschnittliche Dauer in Monaten der Phase "mit Kind" im gesamtenBeobachtungszeitraum anschaulich. Bezieht man nur diejenigen in die Analy-se ein, die bereits ein Kind haben, dann zeigt sich, daß im Schnitt spätestensein halbes Jahr nach der Geburt eine Heirat erfolgt. So werden beispielsweisevon den Männern ohne Studium bis zum Alter von knapp 31 Jahren durch-schnittlich 60,1 Monate mit einem Kind verlebt, davon sind diese Männer imSchnitt 54,4 Monate verheiratet. Wenn sich auch in den drei anderenGruppen, wie nach den vorangegangen Analysen zum Zeitpunkt von Ehe undGeburt nicht anders zu erwarten war, die Zeiträume z.T. deutlich unterschei-den, so bleibt diese Differenz auch dort weitgehend gleich und liegt in jedemFall unter 6 Monaten.

Wie eine zusätzliche Analyse (Birkelbach 1996: TB9) zeigt, wachsen dieKinder nicht nur überwiegend in einer Ehe auf, sondern werden auch in der

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 77

32 Angesicht der z.T. recht späten Zeitpunkte der Heirat und der daraus resultierenden kurzenEhedauer ist nicht auszuschließen und angesichts einer Scheidungsrate, die 1985, also am Endedes Beobachtungszeitraumes, in der Bundesrepublik bei ca. 30% lag, ist sehr wahrscheinlich,daß ein Teil dieser Ehen noch zerbrechen wird (vgl. Peuckert 1991: 89ff).

2.4 Synopse der Zeitpunkte wichtiger Übergänge auf beiden Strängendes Lebenslaufes

Bisher wurden die beiden Dimensionen des Lebenslaufs getrennt in den vierGruppen beschrieben. Dabei wurden häufig Einflüsse von Ausbildung undBeruf auf den privaten Bereich unterstellt, ohne aber die zeitliche Strukturbeider Dimensionen �direkt gegenüberzustellen. Jetzt sollen die Zeitpunkteder wichtigsten Übergänge der beiden parallelen Stränge des Lebenslaufs ge-meinsam betrachtet werden. Die Zeitpunkte wurden getrennt in jeder der vierGruppen in Tabelle 2.1 für den beruflichen und in Tabelle 2.5 für den priva-ten Lebenslauf durch das Alter, in dem eine Mehrheit einen bestimmten Über-gang hinter sich gebracht hat, dargestellt und diskutiert. In Abbildung 2.12werden die Daten der wichtigsten dort angesprochenen Passagen des berufli-

großen Mehrheit der Fälle in eine Ehe hineingeboren: Insgesamt werden etwa91% der Kinder geboren, wenn die Eltern bereits verheiratet sind.33 Die Kin-der, die nicht in einer Ehe geboren wurden, verteilen sich in den beiden Grup-pen ohne Studium relativ gleichmäßig auf die vier dargestellten vorehelichenPhasen. In den beiden Gruppen mit Studium fällt dagegen auf, daß Kinder,wenn nicht in einer Ehe, dann aber doch überwiegend im Rahmen einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft geboren werden. Dies gilt für Frauen stärkerals für Männer: 6,7% der Frauen und 4,6% der Männer mit Studium werdenEltern, wenn sie zwar in einer festen Partnerbindung leben, aber nicht verhei-ratet sind. Daraus aber sogleich zu schließen, daß sich hier eine Entwicklungabzeichnet, die hin zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft als einer eigen-ständigen Familienform neben der Ehe führt, wie sie in Schweden weite Ver-breitung gefunden hat, ist sicherlich unzulässig. Dagegen spricht nicht nur ihrgeringer Umfang, sondern auch die bereits oben angesprochene Tatsache, daßin den Gruppen mit Studium ebenfalls nur 0,3% der Väter und 0,8% der Müt-ter im Beobachtungszeitraum nicht geheiratet haben. Wenn bei Männern undFrauen mit Studium häufiger Kinder in einer Phase des nichtehelichen Zu-sammenlebens geboren werden, dann vor allem, weil hier ein solcher Lebens-abschnitt häufiger zwischen die Trennung von der Herkunftsfamilie und dieGründung einer eigenen Familie tritt, und nicht etwa, weil die Partnerschaftvon Beginn an mit dem Ziel der Familiengründung geplant ist.

78 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

33 Vgl. auch Nauck (1991: S. 399), der für den Bevölkerungsschnitt einen ähnlich hohen Anteilehelich geborener Kinder berichtet.

chen und privaten Lebenslaufes noch einmal graphisch aufbereitet auf der ge-meinsamen Skala des Lebensalters dargestellt.

1 Die Pfeilspitze markiert den Median des Alters bei dem jeweiligen Übergang auf der x-Achse,die Länge des Pfeilschaftes gibt zusätzlich Aufschluß über den Anteil nicht zensierter Fälle (y-Achse). Die genauen Daten für die Ereignisse des beruflichen Lebenslaufes finden sich in Ta-belle 2.1, die des privaten Lebenslaufes in Tabelle 2.5. In den Gruppen mit Studium fehlt dasEreignis Geburt des ersten.Kindes, weil zum Befragungszeitpunkt erst weniger als 50% der Be-fragten Männer und Frauen mit Studium Eltern geworden sind.

Alter in Jahren16 18 20 22 24 26 28 30 320

20

40

60

80

100

1. Erwerb

Ehe

Eig. Wohn.

Höchst. Schulab- schluß

Zusam. (incl.Ehe)

16 18 20 22 24 26 28 30 320

20

40

60

80

100

Zusam. (incl.Ehe)

Höchst. Schulab- schluß

1. Erwerb

Eig. Wohn.

Ehe

1. Kind

Frauen mit StudiumFrauen ohne Studium

Alter in Jahren

16 18 20 22 24 26 28 30 320

20

40

60

80

100

Höchst. Schulab- schluß

1. Erwerb

Eig. Wohn.

Zusam. (incl.Ehe) Ehe

16 18 20 22 24 26 28 30 320

20

40

60

80

100

Höchst. Schulab- schluß

1.ErwerbZusam.(incl. Ehe)

Ehe

Eig. Wohn.

1. Kind

Männer mit StudiumMänner ohne Studium

Abbildung 2.12 Synopse der Zeitpunkte zentraler Statuspassagen des beruf-lichen und privaten Lebenslaufes bis zum Alter von dreißigJahren1

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 79

Die Abbildung beschränkt sich im Gegensatz zu den Tabellen aus Gründender Übersichtlichkeit auf zwei zentrale Statuspassagen des beruflichen undvier Übergänge des privaten Lebenslaufs. Es handelt sich auf der Berufsseiteum den höchsten Schulabschluß und die erste Erwerbstätigkeit nach dem Ab-schluß des Ausbildungsprozesses, man könnte auch sagen: um Ausgangs-punkt und Ziel der Ausbildung für den Beruf. Im privaten Lebenslauf markie-ren vier Schritte die Wegstrecke von der Herkunftsfamilie zur Zielfamilie:Der erste eigene Haushalt, die erste gemeinsame Wohnung mit einem Partner,die erste Heirat und die Geburt des ersten Kindes. In den Abbildungen istdurch die Spitze eines Pfeiles auf der x-Achse für jeden dieser sechs Über-gänge der Median markiert, also das Alter, in dem die Hälfte derjenigen, diedem spezifischen Risiko ausgesetzt sind, die betreffende Statuspassage hintersich gebracht hat. Die Länge des jeweiligen Pfeilschaftes gibt darüber hinausAuskunft, wie hoch in einer Subgruppe der Anteil derjenigen ist, die den be-treffenden Übergang bei Abschluß der Befragung bereits bewältigt hat, d.h.wie hoch in dieser Gruppe der Anteil der nicht zensierten Fälle ist. Beides zu-sammen zeigt, in welchem Alter, d.h. in welcher Sequenz und mit welchemAbstand die einzelnen Übergänge bewältigt werden.

In den beiden Gruppen ohne Studium gibt es eine klare Hierarchie der be-ruflichen und privaten Ereignisse: Erst nach dem Abschluß der Ausbildungund der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hat auch ein Mehrheit das Eltern-haus verlassen und einen eigenen Haushalt begründet. Kurz darauf leben dieBefragten überwiegend mit Partner oder Partnerin zusammen und wenig spä-ter ist auch eine Mehrheit verheiratet. Bis die Hälfte dieser Gruppe dann El-tern geworden sind, dauert weitere drei bis vier Jahre. An dieser Stelle seinoch einmal darauf hingewiesen, daß insbesondere die ersten drei Ereignissedes privaten Lebenslaufes und – wenn man den Begriff der Gleichzeitigkeitetwas weiter auslegt – auch das vierte Ereignis, also die Geburt des erstenKindes, prinzipiell zusammenfallen können. Wie gezeigt werden konnte, istdies in den Gruppen ohne Studium vor allem bei den ersten drei Übergängenhäufig der Fall und erklärt deren relativ dichte Folge im Aggregat der beidenGruppen.34

Zwischen den Geschlechtern gibt es nur Unterschiede bezüglich der Zeit-punkte: Alle betrachteten Übergänge des beruflichen und privaten Lebenslau-fes finden bei den Frauen eher statt und sind zugleich dichter gedrängt, wasauf den früher einsetzenden Familienbildungsprozeß der Frauen zurückge-

80 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

34 Diese Übereinstimmung relativiert auch den Einwand, daß die eine Mehrheit nicht notwendi-gerweise deckungsgleich mit der anderen sein muß.

führt werden kann.35 Davon unbeeinflußt ist die Abfolge der einzelnen Statu-spassagen die gleiche wie bei den Männern: Mehrheitlich wird erst nach demAbschluß der Ausbildung und dem Einstieg ins Erwerbsleben das Elternhausverlassen und eine Partnerschaft eingegangen. Und erst, wenn sie beruflichTritt gefaßt haben, werden die Befragten ohne Studium Eltern.

Anders stellt sich die Situation in den Gruppen mit Studium dar. Ein eige-nes Zuhause haben die Befragten dieser Gruppe bereits während desStudiums.36 Im Schnitt 2,8 (Frauen) bzw. 3,7 Jahre (Männer) später, abernoch deutlich vor dem Eintritt in die Erwerbstätigkeit, lebt eine Mehrheit miteinem Partner oder einer Partnerin zusammen. Die Ehe wird dagegen über-wiegend bis nach dem Beginn des Erwerbslebens mit durchschnittlich 26,8Jahren (Frauen) bzw. 29,1 Jahren (Männer) hinausgezögert. Nach dem Beruf-seintritt geht dann es relativ schnell: Nicht einmal ein Jahr später ist eineMehrheit der Frauen und Männer mit Studium verheiratet. An der Tatsache,daß weder eine Mehrheit der Frauen noch der Männer mit Studium im Beob-achtungszeitraum Eltern geworden sind, läßt sich ablesen, daß der Zeitpunktder Geburt des ersten Kindes noch weiter aufgeschoben wird.

Unterschiede in den Lebensläufen zwischen Männern und Frauen ergebensich auch hier nur bezüglich der Zeitpunkte der Übergänge, nicht aber auf de-ren Abfolge. Wie schon in der Gruppe ohne Studium liegen sowohl die Ter-mine des beruflichen als auch des privaten Lebenslaufes bei den Frauen z.T.deutlich früher als bei den Männern und drängen sich in einem insgesamt kür-zeren Zeitabschnitt. Aber die Struktur des Lebenslaufs unterscheidet sich indem hier betrachteten Lebensabschnitt nicht zwischen den Geschlechtern: FürFrauen und Männer gilt, daß in der Gruppe mit Studium die Gründung eineseigenen Haushaltes und das Zusammenziehen mit dem Partner vor dem Er-werbseintritt erfolgt, der weitere Familienbildungsprozeß, also Heirat und El-ternschaft, aber erst danach.

Insgesamt ergibt sich ein Bild, in dem die Zeitpunkte der wichtigsten Sta-tuspassagen im Lebenslauf bis zum Alter von dreißig Jahren zwar deutlichdurch das Geschlecht beeinflußt zu sein scheinen, eine verlängerte Bildungs-phase aber darüber hinaus auch dessen Sequenz verändert. Während in denGruppen ohne Studium der Prozeß des Verlassens des Elternhauses und derFamiliengründung, dem Abschluß der Ausbildung und dem Erwerbseintritt

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 81

36 Der Zeitpunkt, an dem die Obhut des Elternhaus verlassen, aber noch kein eigener Haushaltbegründet wird, liegt noch näher an dem Termin des Abiturs (vgl. Tabelle 2.5).

35 Der Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit wegen Heirat oder Mutterschaft wird an dieser Stellenicht betrachtet, stellt aber zweifellos ein zentrales Unterscheidungskriterium der Lebensläufevon Männern und Frauen dar. Die Bedeutung dieser Phase kann Abbildung 2.4 entnommen wer-den und wurde in diesem Zusammenhang diskutiert.

zeitlich klar nachgeordnet ist, stellt sich die Lage bei den Frauen und Män-nern mit Studium etwas differenzierter dar. Dort wird das Verlassen des El-ternhauses zu Beginn der Ausbildungsphase häufig geradezu durch das Studi-um an einem heimatfernen Ort erzwungen. Wo dies nicht der Fall ist, mündetim Verlauf der Studienzeit das mit dem Alter zunehmende Streben nach Au-tonomie und Selbständigkeit oft in die Gründung eines eigenen Haushaltes.Der Wunsch nach Selbständigkeit konkurriert hier aber mit der Bequemlich-keit und der größeren materiellen Sicherheit des Elternhauses, so daß häufigerst ein konkreter Anlaß vorliegen muß, das eine gegen das andere zu tau-schen. Ein solches Motiv, das Elternhaus zu verlassen ist, ist bei etwa einemViertel der Befragten mit Studium das Eingehen einer engeren Partnerbezie-hung, die sich im Zusammenziehen mit dem Partner nach dem Verlassen desElternhauses manifestiert. Aber auch dort, wo ein eigener Hausstand zunächstallein begründet wird, gewinnt mit zunehmendem Alter der Wunsch nach ei-ner engeren Partnerschaft an Bedeutung. Dies wird an der Tatsacheerkennbar, daß lange bevor eine Mehrheit ihr Studium abgeschlossen hat, dieFrauen und Männer dieser Gruppe bereits überwiegend mit einem Partner zu-sammenleben. Der Lebenssituation wird Rechnung getragen, indem währenddes Studiums die unverbindlichere Form einer nichtehelichen Lebensgemein-schaft gewählt wird. Die Heirat und vor allem die Geburt des ersten Kindesaber wird durch ein Studium bis nach dessen Abschluß hinausgeschoben.

2.5 Zwischenbilanz: Alte und neue Normalitäten des Lebenslaufes

Nach all den empirischen Details ist es an der Zeit, ein vorläufiges Resümeezu ziehen. Gibt es überhaupt noch Regelmäßigkeiten des Lebenslaufes biszum Alter von 30 Jahren? Oder haben Traditionen ihre Prägekraft verlorenund die Individuen nutzen, freigesetzt aus den Bindungen traditioneller Mi-lieus, die vielfältigen Optionen, die die Moderne ihnen bei der Gestaltung ih-rer Zukunft offenläßt, ganz unterschiedlich und "bastelt" sich seine individu-elle Wahlbiographie zurecht, wie dies die Individualisierungstheorie (u.a.Beck 1986, Beck-Gernsheim 1993, Beck/Beck-Gernsheim 1993) nahelegt?Falls es dabei aber noch (oder wieder) Regelmäßigkeiten geben sollte: Wiesehen sie aus, wo finden wir sie und worauf basieren sie?

Die Lebensläufe von Männern sind nach wie vor stärker als die von Frau-en auf das Berufsleben bezogen. Dies gilt allen Wandlungsprozessen zumTrotz, und läßt sich an einer Reihe von Strukturdetails der hier behandelten

82 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

Lebensläufe ablesen. Die Frauen unserer Stichprobe nutzen die Optionen ih-res Bildungsprivilegs weniger aus als die Männer. Sie investieren im Schnittweniger in ihr Humankapital, indem sie früher die allgemeinbildende Schuleverlassen und seltener die Zugangsberechtigung zur Fachhochschule oderUniversität erwerben. Auch der Anteil, der dann ein Studium aufnimmt, liegtunter dem der Männer. Wenn sie studieren, dann wählen sie häufig kürzereStudiengänge mit weniger prestigeträchtigen Berufszielen, was sich nicht zu-letzt auch in einer kürzeren Studienzeit bemerkbar macht. Und wenn sie nichtstudieren, dann nehmen Frauen zwar etwas häufiger als Männer eine Berufs-ausbildung auf, aber deren geringere durchschnittliche Dauer spiegelt wiederdie bekannten Unterschiede.

Als Gruppe – natürlich nicht unbedingt als Einzelperson – scheinen Frau-en dem traditionellen Muster entsprechend nicht nur weniger karriereorien-tiert, sondern auch komplementär dazu stärker familienbezogen zu sein. EinIndiz dafür ist der früher einsetzende Familiengründungsprozeß. Seltener alsMännern nutzen sie die Option eines psychosozialen Moratoriums zwischendem Verlassen der Herkunftsfamilie und der Gründung einer eigenen Familie– und wenn, dann nur für eine durchschnittlich geringere Zeitspanne. Tradi-tionellen Vorgaben entsprechend heiraten sie jünger und bekommen früherdas erste Kind. Und wenn sie ein Kind haben, scheiden sie – und nicht ihrPartner – vorläufig oder ganz aus dem Erwerbsleben aus.

All dies belegt, wie stark auch heute noch, selbst in einer nach ihrem Bil-dungsniveau privilegierten Stichprobe, die traditionellen GeschlechterrollenEntscheidungen, die eine Wirkung auf das gesamte weitere Leben ausüben,beeinflussen können. Nun kann an dieser Stelle nicht darüber entschiedenwerden, welchen Anteil an den unterschiedlichen Lebensplänen von Männerund Frauen sozialisationsbedingte unterschiedliche Präferenzen haben, woDiskriminierung vorliegt und wo die strukturellen Voraussetzungen fehlen,Familie und Beruf zu vereinbaren. Deutlich aber ist, daß hinter allen drei Ur-sachen der Differenzen zwischen den Lebensläufen von Männern und Frauentraditionelle Normen und Denkweisen oder daraus abgeleitete Sozialstruktu-ren stehen. Ein ähnliches Ursachenbündel ist denn auch hinter der Tatsachezu vermuten, daß entgegen allen Pluralisierungstendenzen familialer Lebens-formen auch heute noch die Ehe als Voraussetzung der Elternschaft zu geltenscheint. Die vorgelegten Ergebnisse zeigen, daß dies auch auf eine nach Bil-dung selegierte Stichprobe zutrifft.

Zugleich aber finden sich in den vorgelegten Analysen deutliche Anzei-chen einer nachlassenden Verbindlichkeit traditioneller Normen. So belegendie Daten, daß es mit steigendem Bildungsniveau zu einer partiellen Annähe-

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 83

rung weiblicher Lebensläufe an das männliche Modell kommt. Am deutlich-sten wird das veränderte Rollenverständnis von Frauen an ihrer Erwerbsbetei-ligung. Auch für Frauen ist es heute selbstverständlich, eine qualifizierte Be-rufsausbildung anzustreben und diesen Beruf auch auszuüben. Der beruflicheLebenslauf ist aber insgesamt in weit geringerem Ausmaß als der private Le-benslauf traditionell geprägt. Hier dominiert die ökonomische Rationalitätund Zweckmässigkeit.

Dies sollen die folgenden schematischen Überlegungen noch einmal ver-deutlichen. Der berufliche Lebenslauf läßt sich in dem hier betrachteten Zeit-raum in zwei große Bereiche gliedern: Es gibt eine Phase der Vorbereitungauf den Beruf, mit dem vorrangigen Ziel, durch die Ausbildung marktgerech-ter Fähigkeiten genügend Humankapital zu akkumulieren, um so die Verwer-tungschancen der eigenen Arbeitskraft beim Eintritt in den Arbeitsmarkt zuverbessern. Wer Kapital akkumulieren will, der muß aber zunächst einmal in-vestieren. Die wichtigsten Investitionen im Bezug auf die Ausbildung sind ne-ben individuellen Leistungen knappe Ressourcen wie Zeit und Geld. Der Ein-satz dieser Mittel für die Ausbildung macht sich gleich doppelt bemerkbar:Was auf der einen Seite, also in die Berufsausbildung investiert wird, dassteht auf der anderen Seite, d.h. dem privaten Lebenslauf, nicht mehr zur Ver-fügung. Umgekehrt gilt dies selbstverständlich auch: Wer Zeit und Gelddurch eine vorgezogene Familienbildung einseitig bindet, dessen Investitio-nen in die eigene Ausbildung müssen bezogen auf eine Zeiteinheit geringerausfallen, so daß sich letztlich entweder der Berufseinstieg verzögern müßteund/oder die Verwertungschancen auf dem Arbeitsmarkt schlechter sein dürf-ten. Den homo oeconomicus und die Tatsache vorausgesetzt, daß Frauen ver-stärkt eine eigene Berufslaufbahn anstreben, folgt daraus, daß zumindest indem hier betrachteten Zeitraum, der ja einen großen Anteil Ausbildungspha-sen beinhaltet, nicht nur der Lebenslauf von Männern, sondern auch der Le-benslauf von Frauen stärker um die Berufslaufbahn herum organisiert ist, unddessen spezifischen Gesetzmäßigkeiten folgen muß, will er nicht in seiner be-ruflichen Dimension erfolglos sein. Das aber bedeutet, daß das Privatleben,zumindest in dieser ersten Phase des beruflichen Lebenslaufes, hinter diesemzurückstehen muß.

Und genau diese Ordnung läßt sich an den Daten im Bezug auf die Abfol-ge der Übergänge und die Dauer der Phasen zeigen: Die Frage, ob ein Studi-um absolviert wurde oder nicht, prägt den hier betrachteten Lebensabschnittstärker als die alten Differenzen zwischen den Geschlechtergruppen, die sichhauptsächlich in Altersunterschieden von Frauen und Männern bei den einzel-nen Übergängen des privaten Lebenslaufes zeigen. Durch das Studium wird

84 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

nicht nur der Zeitpunkt der Familiengründung hinausgeschoben, es ändertsich darüber hinaus mit der langen Bildungsphase und den hohen Investitio-nen in die Ausbildung die Struktur des privaten Lebenslaufes. Erst nach demAusbildungsabschluß, bei der Familiengründung, machen sich wieder Struk-turen, die auf traditionelle Geschlechterrollen zurückzuführen sind, stärkerbemerkbar, verlieren aber zugleich gegenüber den Gruppen ohne Studium anPrägekraft.

Der Normalfall der Familiengründung in allen vier Gruppen bedeutet, daßEhe und Elternschaft bis nach dem Eintritt in die Erwerbstätigkeit aufgescho-ben werden. Wo dieser Aufschub wegen der langen Bildungsphase besonderslang ist, hat sich die nichteheliche Lebensgemeinschaft als eine neue Lebens-form, die eine Integration der Notwendigkeiten des beruflichen Lebenslaufesund der privaten Wünsche nach Partnerschaft ermöglicht, zuerst durchgesetzt.Sie ist aber längst nicht mehr auf die Gruppe der Studierenden beschränkt,sondern findet sich, wenn auch noch nicht ganz so häufig, ebenfalls in denGruppen ohne Studium. Ihr häufig temporärer Charakter als eine Phase desÜbergangs, als eine "Vor-Kinder-Phase" (Hettlage 1992: 125), wird darandeutlich, daß Elternschaft und Ehe auch weiterhin normativ und faktisch mit-einander verknüpft bleiben. Dem widerspricht nicht, daß in den Gruppen mitStudium deutlich mehr Frauen als Männer für eine gewisse Zeit in einer sol-chen Form einer Partnerschaft gelebt haben. Meyer und Schulze (1993: 175)vermuten, daß die besondere Attraktivität dieser Beziehungsform für Frauendarauf zurückzuführen ist, daß in ihr das traditionelle Rollenverständnis durchdie Männer schwerer einklagbar ist und dadurch die Lasten des gemeinsamenAlltags gleichmäßiger verteilt werden können. Dies läßt der Frau größereFreiräume für eigene berufliche Aktivitäten. Dennoch können sich die Bil-dungsinvestitionen von Frauen häufig nicht amortisieren, weil sie den Kinder-wunsch nicht beliebig aufschieben können. Seine Erfüllung aber bedeutet oft,daß Frauen trotz hoher Bildungsinvestitionen zeitweise ihren Beruf verlassenmüssen. Hausmänner gibt es in unserer Stichprobe so gut wie keine. Diesweist darauf hin, daß, falls sich die Differenzen zwischen Männern und Frau-en mit steigenden Bildungsinvestitionen verwischen, dies vor allem in einerRichtung geschieht: Nicht die Männer verzichten zugunsten der Familie aufKarriere, sondern die Frauen, die eine Berufskarriere anstreben, sind gezwun-gen, z.T. auch gegen ihren Wunsch, auf Kinder zu verzichten. Um festzustel-len, auf wieviele der hier betrachteten Frauen dies letztlich zutrifft, ist es we-gen des begrenzten Beobachtungszeitraumes noch zu früh.

Regelmäßigkeiten der Ereignisse des Lebenslaufes beruhen auf der einenSeite auf traditionelle Rollen, Normen und Wertvorstellungen, so wie sie sich

Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr 85

vor allem in den unterschiedlichen Geschlechterrollen manifestieren. Sie be-einflussen direkt den privaten Lebenslauf, und indirekt über diesen vermitteltauch den beruflichen Lebenslauf. Nicht Traditionen, sondern der ökono-mischen Rationalität verpflichtet ist auf der anderen Seite die Sphäre des Be-rufslebens. Dessen Rationalität wiederum strukturiert in Verbindung mit insti-tutionellen Vorgaben, die sich vor allem auf die Ausbildung beziehen (z.B.Bildungszertifikate, Ausbildungsdauer), maßgeblich die Berufskarriere. We-gen der herausragenden Bedeutung, die der Ausbildung in dem hier behandel-ten Lebensabschnitt zukommt, dominieren die Anforderungen an den berufli-chen Lebenslauf auch den Bereich des privaten Lebenslaufes hinsichtlich sei-ner zeitlichen Struktur und seiner inhaltlichen Ausgestaltung. Die ökonomi-sche Rationalität des Arbeitsmarktes ist so der Wegbereiter einer neuen Nor-malität des Lebenslaufes, die die auf traditionellen Rollen und Normen basie-rende alte Normalität zumindest in dem hier betrachteten Lebensabschnittpartiell verdrängt. Wirksam wird sie zunächst dort, wo dies die Erfordernisseeiner verlängerten Bildungsphase erzwingen. Sind solche Alternativen der Le-bensführung in einer relativ homogenen, kulturell schwach segmentierten Ge-sellschaft aber erst einmal präsent, dann können sie sich auch in weiteren so-zialen Gruppen und Milieus verbreiten und auch dort zum Normalfall werden,wie das Beispiel der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die auch in bil-dungsferneren Milieus mehr und mehr an Verbreitung findet, belegt.

Ökonomische Rationalität als Basisprinzip der Normalität des Lebenslau-fes in der Ausbildungsphase muß nun aber nicht bedeuten, daß keine Abwei-chungen möglich sind. Es ist aber zu vermuten, daß Verstöße i.d.R. nicht ko-stenfrei zu haben sind und sich negativ auf das Ziel der Ausbildung, nämlichden Berufserfolg, auswirken können. Um festzustellen, wo solche Abwei-chung vorliegen und wie häufig sie sind, wird es in den nächsten Analyse-schritten notwendig, die Ebene der bisherigen Betrachtungen zu verlassen unddas Hauptaugenmerk stärker als bisher auf die individuelle Abfolge der Er-eignisse des beruflichen und privaten Lebenslaufes zu legen.

86 Berufliche und private Statuspassagen bis zum dreißigsten Lebensjahr

3 Typen beruflicher und privater Lebensläufe

3.1 Wege in den Beruf

3.1.1 Einschränkungen der empirischen Vielfalt

Der Ausgangspunkt des beruflichen Weges ist durch die Besonderheiten derStichprobenkonstruktion weitgehend standardisiert, aber darüber hinaus istnur die Richtung, nicht aber das genaue Ziel einer bestimmten beruflichen Po-sition eindeutig vorgegeben. Es muß individuell gesetzt werden und kann un-terwegs modifiziert werden. Das konkrete Ziel bestimmt die einzelnen Etap-pen und Stationen des Weges dorthin. Diese Stationen repräsentieren die zumErreichen des Ziels notwendigen formalen Abschlüsse des Bildungswesens.Hinzukommen können freiwillige Zusatzqualifikationen, die die Chancen aufdem Markt verbessern helfen sollen. Aus der institutionellen Durchlässigkeitdes Bildungssystems und der Tatsache, daß bei Beachtung bestimmter Regelnwährend des gesamten Weges das Ziel neu bestimmt werden kann, ergibt sicheine so große Anzahl von verschiedenen beruflichen Lebensläufen, daß manallein schon wegen der daraus resultierenden Vielfalt zweifeln kann, ob esüberhaupt sinnvoll sein kann, die Begriffe "Normalität" und "Lebenslauf" indiesem Kontext gemeinsam zu gebrauchen.

Andererseits aber ist zumindest die Richtung – in den Beruf – vorgegebenund die Fülle möglicher Pfade wird durch verschiedene Tatsachen einge-schränkt. Zunächst einmal ist die Selektivität der Stichprobe zu bedenken: Al-le Befragten sind bis zu einer bestimmten Station, nämlich der 10. Klasse desGymnasiums, vorgedrungen, was auf ein ähnliches berufliches Aspirationsni-veau schließen läßt. Wer das Gymnasium besucht, dem soll i.d.R. das Abiturden Weg über ein anschließendes Studium in gehobene und höhere beruflichePositionen freimachen. Unterstellt man, daß die ökonomische Rationalität alsdas zentrale Handlungsmuster der Sphäre des beruflichen Lebens auch diePlanung des Ausbildungsweges dominiert, so hat man einen Maßstab bei der

87 Typen beruflicher und privater Lebensläufe

Hand, die "Normalität" des Weges in den Beruf zu bewerten. Als "normal"muß dann ein Weg gelten, der aus einer bestimmten Ausgangsposition überdie institutionell vorgegebenen Stationen und ohne Umwege auf ein bestimm-tes Ziel zuführt. In der Sprache einer ökonomisch ausgerichteten Theorie lie-ße sich dieser Sachverhalt folgendermaßen formulieren: Rational handelt, werim Hinblick auf ein gegebenes Ziel, hier der Berufseinstieg in eine gehobeneberufliche Position, die dazu notwendigen Investitionen in sich selbst, oderbesser: in sein Humankapital, tätigt, und dabei die Kosten dieser Investition,vor allem also die benötigte Zeit, möglichst gering hält. Bei der gegebenenAusgangslage ist das der oben skizzierte Weg über das Abitur und einen Stu-dienabschluß.

Aber das Ziel kann sich während dieses Prozesses als nicht realisierbar er-weisen, sei es, weil die eigenen Fähigkeiten falsch bewertet wurden, Randbe-dingungen des Handelns sich verändert haben oder von vornherein falsch ein-geschätzt worden sind. Notwendig wird dann eine Umorientierung, die einenneuen Weg in das Berufsleben weist. Mit der Änderung des Zieles wird eineneue Kalkulation der notwendigen Investitionen fällig. Die bilanziert die bis-herigen Investitionen, sprich die erworbenen Bildungszertifikate, und die in-dividuellen Interessen und Fähigkeiten. Ein solcher neuer Weg kann dannz.B. der Erwerb der mittleren Reife und eine darauf aufbauende Berufs-ausbildung sein. Häufig stellt eine Berufsausbildung auch nach dem Abitur ei-ne Alternative zu einem Studium dar.37 Darüber hinaus kann Umorientierungauch bedeuten, daß Berufsausbildungen oder Studiengänge abgebrochen odergewechselt werden. Zusätzliche Investitionen erscheinen unter bestimmtenBedingungen notwendig: Unsicherheiten des Arbeitsmarktes veranlassen vie-le Abiturienten, vor einem beabsichtigten Studium zunächst eine Berufsaus-bildung zu absolvieren. Schließlich kann sich angesichts des Arbeitsmarktesnicht selten auch ein abgeschlossenes Studium als Fehlinvestition erweisen,so daß im Anschluß an das Studium ein Aufbaustudium, eine Berufsausbil-dung oder eine Umschulungsmaßnahme durch das Arbeitsamt absolviert wer-den muß. In all diesen Fällen handelt es sich aber um keine völlige Neuorien-tierung. Ziel des Ausbildungsprozesses bleibt die Berufstätigkeit.

88 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

37 Eine Studie des Hochschulinformationssystems (HIS) belegt, daß in den Jahren 1976 bis1980, also im Zeitraum unserer Untersuchung, etwa die Hälfte derjenigen, die sich zwei Jahrenach dem Abitur in einer Ausbildung befinden, ohne Studienabsichten sind und in der Berufs-ausbildung eine echte Alternative zum Studium sehen (Durrer-Guthof/Kazemzadeh 1984: 31).

3.1.2 Eine typologische Ordnung der Bildungs- und Berufsverläufe auf derBasis des Erfolgs der einzelnen Schritte

Wenn man die Vielfalt möglicher Ausbildungswege bedenkt, dann erscheintdas Unterfangen, die vorliegenden beruflichen Lebensläufe typologisch zuordnen, als uferlos. Daß eine solche Typologie dennoch machbar ist, zeigtMeulemann (1995: 83ff). Er orientiert sich bei der Entwicklung seiner Typo-logie am institutionellen Gefüge des Bildungswesens, an der sequentiellenAbfolge von Bildung und Beruf und an der Frage des Erfolgs auf den ver-schiedenen Stufen des Bildungssystems. Der dabei unterstellte Normalfall,die Ereignissequenz: Gymnasium mit dem Abschluß Abitur, Studium mit Ab-schluß und Berufseintritt läßt sich, wie oben dargestellt wurde, denGesetzmäßigkeiten der Sphäre des Berufslebens folgend ökonomisch begrün-den. Anhand der folgenden Tabelle 3.1, die sich an Meulemanns Darstellung(1995: 85) anlehnt, diese aber geringfügig modifiziert und die Anteile fürMänner und Frauen auch auf den einzelnen Stufen des Bildungsverlaufes ge-trennt ausweist, wird die Struktur der Typologie deutlich.

Der Studienzugang

Vor dem Hintergrund ökonomischer Rationalität ist der Erfolg in den jeweili-gen Institutionen des Bildungswesen von besonderer Bedeutung. Der Erwerbeines entsprechenden Zertifikates ist i.d.R. die Voraussetzung für die rentableVerwertung der Ausbildungsinvestitionen. Folgt man der Hierarchie des Bil-dungswesens, dann ist damit zunächst einmal der Erfolg im allgemeinbilden-den Schulsystem gemeint, in unserer Stichprobe also das Abiturs. Bezogenauf das Ziel der Ausbildungsphase meint Erfolg aber auch, daß das Erreichtewieder eingesetzt wird, um auf diesem Weg voranzukommen, indem ein Stu-dium aufgenommen wird. Das Ob und Wie des Studienzuganges definiert da-her die erste Stufe der Typologie des Bildungsverlaufs und Berufseintritts.Auf dieser Ebene werden vier Typen unterschieden, die im Hinblick auf ihrenErfolg am Gymnasium38 bei der Aufnahme eines Studiums abgestuft sind.

Der erste Typ (SNK: "studentische Normalkarriere") orientiert sich am er-folgreichen Abschluß des Gymnasiums und der Ausschöpfung der Möglich-keiten des Abiturs. Er umfaßt die Absolventen des Gymnasiums, die ein Stu-dium ohne den Umweg einer vorherigen Erwerbstätigkeit aufnehmen. Dieser

89 Typen beruflicher und privater Lebensläufe

38 Wenn unten zusammenfassend vom "Abitur" gesprochen wird, dann ist damit neben der allge-meinen Hochschulreife auch die Fachhochschulreife gemeint. Dies ist sinnvoll, da hier Fach-hochschul- und Universitätsstudiengänge nicht unterschieden werden.

90 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

Grau unterlegt: Der durch den spezifischen Ausgangspunkt, die Struktur des Bildungswesensund den Erwerbseintritt als Ziel der Ausbildung als "normal" bezeichnete Bildungsverlauf ehe-maliger Gymnasiasten.1 Darunter n = 82 (17,3%) Männer und n = 50 (12,0%) Frauen mit Berufsausbildung.2 Darunter n = 13 (12,4%) Männer und n = 3 (4,6%) Frauen mit Berufsausbildung.3 Darunter n = 50 (52,6%) Männer und n = 25 (62,5%) Frauen mit Berufsausbildung.4 Darunter n = 15 (18,5%) Männer und n = 5 (17,8%) Frauen mit Berufsausbildung.5 Über den 2. Bildungsweg haben 4,6% der Männer u. 3,0% der Frauen das Studium erreicht.Das Abitur nachgeholt, aber nicht studiert, haben 1,3% der Männer u. 1,1% der Frauen. Ihremittlere Reife haben 0,2% der Männer u. 0,4% der Frauen auf dem 2. Bildungsweg erworben.

2Nicht klassifizierbar: ohne Studium, Berufsausbildung und Erwerbseintritt:9251.062100100Σ(alle)31219633,718,4Σ(ohne Studium)

1561,60,66,45,1Ohne Be-rufs- ausbil-

22011123,810,593,694,9Mit Berufs- ausbildung

25,411,0

MittlereReife(MR)

490,40,95,28,9Ohne Be-rufs- ausbil-

73707,96,694,891,1Mit Berufs- ausbildung

8,37,4Abitur(ABI)

61386666,381,6Σ(Studium)35523,84,9100100Σ(SA ohne Examen)27452,94,277,186,5Nein

870,90,722,913,5Ja54,747,3Ohne Examen

29583,25,4100100Σ(SA mit Examen)19362,13,365,562,1Nein10221,12,134,537,9Ja45,352,7Mit

Examen

6,910,4Studien-

aufsteiger (SA)6

681767,316,6100100Σ(SNK ohne Examen)28813,07,741,246,0Σ(Nein)4

11741,27,016,242,0Noch im Studium

1771,80,725,04,0(Noch) nicht40954,38,958,854,0Ja3

12,423,3Ohne

Examen

48158052,054,6100100Σ(SNK mit Examen)651057,09,913,518,1Σ(Nein)2

14291,52,72,95,0Nein, Zweit- studium

51765,57,210,613,1(Noch) nicht 41647545,044,786,581,9Ja1

87,676,7Mit

Examen

59,471,2Stud.

Normal- karriere(SNK)

FMFMFMFMFMn%%Berufs-

eintritt%Studien-

abgang%Studien-

zugang

AlleErfolge im Bildungsverlauf

Tabelle 3.1 Eine Typologie des Bildungsverlaufes und Berufseintritts ehema-liger Gymnasiasten

Typ stellt, wenn man sich am Aufbau des Bildungswesens orientiert, den Nor-malfall dar. Immerhin haben 71,2% der Männer und 59,4% der Frauen unse-rer Stichprobe diesen Weg gewählt. Der für Gymnasiasten als "normal" be-zeichnete Weg wird auch empirisch am weitaus häufigsten eingeschlagen. EinStudium als Etappe auf dem Weg in den Beruf wird auch durch vorüberge-hende Mißerfolge nicht unbedingt aus den Augen verloren, wie der zweiteTyp dieser ersten Differenzierungsebene zeigt. Als "Studienaufsteiger" (SA)werden hier ehemalige Gymnasiasten bezeichnet, die erst verspätet den Wegin ein Studium gefunden haben, also vor Aufnahme eines Studiums zunächstberufstätig waren oder erst auf dem zweiten Bildungsweg die Hochschulzu-gangsberechtigung erworben haben. Dies sind noch einmal 10,4% der Män-ner und 6,9% der Frauen. Männer wählen also nicht nur häufiger den direktenWeg in ein Studium, sie nutzen auch die zweite Chance eines nachträglichenStudienaufstiegs öfter. Insgesamt haben etwa 4/5 der Männer und 2/3 derFrauen im Beobachtungszeitraum ein Studium aufgenommen, was die zentra-le Bedeutung, die einem Studium in der Lebensplanung von Gymnasiastenzukommt, belegt. Die bemerkenswerten Unterschiede, die sich dabei zwi-schen den Geschlechtern ergeben (immerhin rund 15 Prozentpunkten), wur-den im letzten Kapitel bereits auf möglicherweise geringeren beruflichenAspirationen von Frauen zurückgeführt. Zugleich aber zeigt die Tatsache, daß2/3 der Frauen den Weg an die Hochschule genommen haben, daß eine Be-rufskarriere in der Lebensplanung einer Mehrheit der Frauen unserer Stich-probe einen ähnlich hohen Stellenwert wie bei den Männern besitzt.

Weitere 7,4% der Männer und 8,3% der Frauen besitzen eine formale Be-rechtigung zum Studium, haben diese aber nicht wahrgenommen. Sie werdenin der Gruppe "Abitur" (ABI) zusammengefaßt. Schließlich werden ehemali-ge Gymnasiasten, die das Gymnasium vor dem Erreichen einer (Fach-)Hoch-schulzugangsberechtigung verlassen haben und diese auch später nicht nach-geholt haben, in einer vierten Gruppe zusammengefaßt und mit "Mittlere Rei-fe" (MR) bezeichnet. 11% der männlichen und 25,4% der weiblichen ehema-ligen Gymnasiasten gehören zu dieser Gruppe. Dieser Abschluß kann vonvornherein das Schulziel gewesen sein, dürfte aber in der Regel nur einezweite Wahl darstellen, die erst in Betracht gezogen wird, wenn dies indivi-duelle Verlaufsumstände nahelegen. Der gegenüber den Männern mehr alsdoppelt so hohe Anteil mit mittlerer Reife bei Frauen zeigt, daß Frauen imGegensatz zu Männern im traditionellen Rollenmuster eine Alternative zumberuflichen Erfolg haben, die dazu verführen kann, unter widrigen Umständenschneller auf berufliche Ambitionen zu verzichten.

91 Typen beruflicher und privater Lebensläufe

Erfolg im Studium

Weiter aufgegliedert wird die Typologie in Tabelle 3.1 durch die Frage desStudienerfolges. Die beiden ersten Typen (SNK und SA) werden noch einmaldanach unterteilt, ob im Beobachtungszeitraum ein Studium mit den entspre-chenden Examina abgeschlossen wurde oder nicht. Eine große Mehrheit von76,7% der Männer und sogar 87,6% der Frauen mit einem normalen Studien-zugang (SNK) hat diesen Schritt bis zum Alter von gut 30 Jahren geschafft.Auch dies spiegelt ein Stück beinahe selbstverständlich erscheinender Norma-lität wider. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen, daß Frauenihr Studium früher als Männer abschließen.39 Bei der Interpretation ist aller-dings zu berücksichtigen, daß sie häufiger als Männer kürzere Studiengänge,wie z.B. das Lehramt für die Sekundarstufe I, wählen (Birkelbach 1996: TB2;Meulemann 1991a, 1991c, 1995;� allg. u.a.: Hille 1993; Metz-Göckel et al.1989). Hinzu kommt, daß Frauen im Schnitt einen geringen zeitlichen Vor-sprung von etwa drei Monaten haben, weil sie – wie bereits an anderer Stellediskutiert – im Schnitt jünger als Männer beim Erreichen ihres höchstenSchulabschlusses sind. Dieser Vorsprung vergrößert sich bis zur Aufnahmeeine Studiums wegen des Wehr- oder Zivildienst der Männer auf gut einJahr.40

Bei den Studienaufsteigern (SA) ist die bis zum Alter von gut 30 Jahrengegenüber den Normalstudenten (SNK) deutlich niedrigere Erfolgsquote(Männer: 52,7% und Frauen: 45,3%) vor allem auf den verspäteten Studien-beginn zurückzuführen. Die umgekehrte Geschlechterdifferenz läßt allerdingsdarauf schließen, daß dabei auch andere Mechanismen als bei den Normalstu-denten wirksam sein müssen: Hier beenden die Männer ihr Studium imSchnitt schneller.41 Möglicherweise machen sich bei Frauen in dieser Situati-on verstärkt Einflüsse des privaten Lebenslaufes negativ bemerkbar. So könn-te bereits der verspätete Studienbeginn durch eine sehr frühe Familiengrün-dung, insbesondere die Geburt eines Kindes, verursacht worden sein. Ein Stu-dium wird dann nachgeholt, wenn die Familie nicht mehr alle Kräfte bindet.Auch ein Zeitpunkt hierfür läßt sich angeben: Schon der Eintritt des Kindes inden Kindergarten läßt häufig selbst die Frauen, die ursprünglich der Familiebewußt die Priorität über eigene berufliche Ambitionen gegeben haben, eine

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41 Weiblichen Studienaufsteiger beginnen ihr Studium durchschnittlich im Alter von 23,0Jahren, die Männer dieser Gruppe erst rund ein dreiviertel Jahr später mit 23,7 Jahren.

40 Die Differenzen gelten nicht nur für die Gruppe mit Studium insgesamt (Tab. 2.1), sondernbleiben bestehen, wenn man die Studienaufsteiger ausklammert.

39 Die Männer unserer Stichprobe studieren durchschnittlich 77,8 Monate, die Frauen dagegennur 71,0 Monate (Tab. A2.4).

erste Vorahnung der empty-nest-Phase verspüren, die ihnen vor Augen führt,daß die Familie nicht das ganze Leben auszufüllen vermag (Ley 1984). Diedurch die rückläufigen Belastungen freigewordenen Ressourcen können dannfür die Wiederaufnahme des ursprünglich mit dem Besuch des Gymnasiumseingeschlagenen Bildungsweg genutzt werden. Dennoch verbleibt eine Dop-pelbelastung durch Studium und Familie, die in der Summe die Studienphasedieser Studentinnen insgesamt ausdehnt. Bei traditioneller Arbeitsteilung derGeschlechter könnte eine Familiengründung auf Männer eher gegenteilig wir-ken und einen zusätzlichen Motivationsschub, die Ausbildung zu beenden,bewirken.

Betrachtet man nun noch einmal zurückblickend die Gruppen mit studen-tischer Normalkarriere und die Studienaufsteiger gemeinsam, dann habenüber die Hälfte der ehemaligen Gymnasiasten im Alter von gut 30 Jahren einStudium erfolgreich beendet (Männer: 60,0%, Frauen: 55,2%) – sicher einBeleg dafür, wie stark die Entscheidung, das Gymnasium zu besuchen, denweiteren Ausbildungsgang bereits vorstrukturiert. Dieser Weg ist mit einemerfolgreichen Studienabschluß noch nicht an seinem eigentlichen Ziel, demBerufseintritt, angelangt. Erst im Beruf können sich die Bildungsinvestitionenamortisieren. Daher werden in der Typologie der Erfolge im Bildungsverlaufauf einer dritten Stufe die bis dahin gebildeten Gruppen noch einmal bezüg-lich ihres Erfolges beim Berufseintritt differenziert.

Der Eintritt in den Beruf

Wegen der frühzeitigen Beendigung der Schulzeit sind alle Befragten mitmittlerer Reife als höchstem Schulabschluß (MR) bis zum Erhebungszeit-punkt in den Beruf eingetreten. In ihrer großen Mehrheit (Männer: 94,9%,Frauen 93,6%) haben sie im Anschluß an die Schule eine Berufsausbildungabsolviert. Gleiches gilt für die Gruppe, die zwar eine Hochschulzugangsbe-rechtigung erworben, aber niemals studiert hat (ABI). Hier haben vor demBerufseintritt 91,1% der Männer und 94,8% der Frauen eine Berufsausbil-dung absolviert. In der Gruppe der Studienaufsteiger (SA) wurde eine Diffe-renzierung im Hinblick auf den Erwerbseintritt nach dem Studium der Voll-ständigkeit der Analysen halber zwar durchgeführt. Sie ist aber wegen desspäten Studieneintritts dieser Gruppe und wegen der geringen Fallzahlen em-pirisch wenig fruchtbar (Meulemann 1995: 86) und soll daher hier nicht wei-ter verfolgt werden.

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Wer hingegen sein Studium ohne den Umweg einer vorherigen Berufstätig-keit oder des zweiten Bildungsweges aufgenommen hat (SNK) und mit gut 30Jahren noch keinen Abschluß erreicht hat, dessen Verbleib lohnt einer ge-naueren Betrachtung. In dieser Gruppe können als Langzeitstudenten im ei-gentlichen Sinne (das Studium dauert zum Erhebungszeitpunkt noch an)42,0% der Männer (bezogen auf alle befragten Männer: 7,1%), aber nur16,2% der Frauen (alle: 1,2%) gelten. Selbst wenn man bei den Männern einegewisse Verzögerung des Studienbeginns durch den Wehrdienst in Rechnungstellt, ist dieser Unterschied doch beträchtlich. Hier gilt es ganz offensicht-lich, die Vermutung, daß Frauen vor allem wegen ihrer Bevorzugung kürzererStudiengänge beim Studienabgang eher erfolgreich sind, zu differenzieren.Wenn man bedenkt, daß die Frauen dieser Gruppe bei der Aufnahme ihresStudiums durchschnittlich 20,5 und die Männer 21,5 Jahre alt waren, das Stu-dium der Langzeitstudenten bis zu Erhebungszeitpunkt mit gut 30 Jahren alsobereits bis zu 18 oder gar 20 Semester andauert, dann kann eigentlich nichtdie Wahl eines besonders anspruchsvollen Studienfaches allein ausschlagge-bend für die Studiendauer sein. Auch eine zusätzliche Berufsausbildung kannden Studienabschluß nicht in dem beschriebenen Maße verzögern.42

Andere Einflußgrößen, die Frauen und Männer in unterschiedlichem Aus-maß betreffen, müssen hinzukommen. Möglicherweise resignieren Fraueneher, oder positiver formuliert: erkennen sie eher die Perspektivlosigkeit einesendlos ausgedehnten Studium als Männer, und brechen dann das Studiumschneller ab. Für eine solche Tendenz dürften mehrere miteinander verknüpf-te Faktoren verantwortlich sein: Zum einen sind die beruflichen Aspirationender Männer als Gruppe vermutlich höher als die der Frauen und stehen da-durch dem Abbruch des Studiums im Wege. Dies wiederum ist auf eine fort-währende Prägekraft traditioneller Geschlechterrollen zurückzuführen, dieauch in einer nach ihrem Bildungsniveau privilegierten Stichprobe zu wirkenscheinen. Männer müssen in den Beruf, Frauen aber haben in der traditionel-len Frauenrolle eine Alternative zum Berufsleben, die es ihnen eher ermög-licht, im Zweifelsfall das Studium abzubrechen, während die männlichenLangzeitstudenten stärker unter dem Druck stehen, durchzuhalten. um die bis-herigen Investitionen zu retten und irgendwann doch noch in den Beruf einzu-treten. Mit der Dauer des Studiums wächst der Druck, den Lebensunterhaltselbst zu bestreiten, sei es, weil die Förderungshöchstdauer des BAföG längstüberschritten ist, oder weil die Herkunftsfamilie die Unterstützung eingestellthat. Zugleich steigen die Ansprüche an die Lebensführung. Das Resultat ist

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42 Hinzu kommt, daß nur 16,2% der männlichen, aber 27,3% der weiblichen Langzeitstudentenvor ihrem Studium eine Berufsausbildung absolviert haben.

ein Studium, dem durch die Notwendigkeit, den Lebensunterhalt zuverdienen, Zeit entzogen wird, was wiederum zu seiner weiteren Verlänge-rung führen kann. Wenn Frauen die ihnen durch die traditionelle Arbeitstei-lung zwischen den Geschlechtern zugewiesenen Rolle in der Familie frühzei-tig antizipieren, dann werden sie auch eher bereit sein, ihre ursprünglich vor-handenen beruflichen Ansprüche zu reduzieren und in eine prestigeniedrigereBerufslaufbahn, von der sie ja bereits wissen, daß sie vermutlich einmal zu-gunsten der Familie unterbrochen wird, einzusteigen. Und schließlich kannsich in der konkreten Situation einer Partnerschaft die Frage, welche Alterna-tive wahrgenommen wird, auch gleich stellen, d.h. das Studium wird wegeneiner Familiengründung abgebrochen. Frauen, die ihr Studium abbrechen,wechseln anschließend ungleich seltener als Männer in den Beruf: 25% dererfolglosen Studentinnen, aber nur 4% der männlichen Abbrecher haben nachdem Studium (noch) keine Berufstätigkeit aufgenommen.43

Eine zusätzliche Berufsausbildung erleichtert Frauen und Männer nach ei-nem erfolglosen Studium den Weg in den Beruf und vielleicht auch schon dieEntscheidung zum Studienabbruch. Sie vermag eine neue berufliche Perspek-tive zu zeigen, die dem erfolglosen Studenten sonst fehlt und ihn dadurch län-ger als nötig an der Universität ausharren läßt. Eine Mehrheit der männlichen(52,6%) und weiblichen Studienabbrecher mit Berufseintritt (62,5%) hat je-denfalls vor oder im Anschluß an das Studium eine Berufsausbildung absol-viert. Unter denjenigen, die diesen Schritt bisher noch nicht vollzogen haben,sei es, weil sie noch an der Hochschule sind, oder weil sie nach einem Studi-enabbruch noch keine Stelle gefunden oder gesucht haben, sind es dagegennur rund 18 Prozent mit Berufsausbildung.

Insgesamt gesehen darf, auch wenn die bisherigen Betrachtungen sicherinteressante Details zutage gefördert haben, nicht aus dem Auge verloren wer-den, daß die einzelnen Typen des beruflichen Lebenslaufes, die bisher Gegen-stand der Analyse waren – Nichtstudenten mit und ohne Abitur, Studienauf-steiger, erfolglose Studenten mit normalem Studieneinstieg, darunter Lang-zeitstudenten und Studienabbrecher mit und ohne Berufseinstieg – nicht nuralleine eine mehr oder weniger große Minderheit bilden, sondern auch in derSumme nicht die Mehrheit unserer ehemaligen Gymnasiasten darstellen.Überwiegend haben die Befragten nach dem Abitur den Weg ins Studium ein-geschlagen und dieses im Beobachtungszeitraum auch erfolgreich abgeschlos-sen (54,6% der Männer, 52% der Frauen). Der unter den theoretischen Ge-sichtspunkten ökonomischen Handelns im Rahmen des vorgegebenen Bil-

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43 Sicherlich befinden sich unter diesen Frauen auch einige, die sich, wie vermutlich der Großteilder noch nicht berufstätigen Männer, in einer Phase der Sucharbeitslosigkeit befinden.

dungssystems für ehemalige Gymnasiasten als "normal" bezeichnete Weg istalso auch der empirisch häufigste.

Beim Berufseintritt entscheidet sich, ob sich die bisherigen Investitionenin die Ausbildung gelohnt haben und der bis dahin erfolgreiche Weg im Beruffortgesetzt werden kann. Ganz überwiegend ist dies offensichtlich gelungen:81,9% der Männer und sogar 86,5% der Frauen mit abgeschlossenen Nor-malstudium sind nach ihrem Abschluß in den Beruf eingetreten. Eine Doppel-qualifikation in Form einer zusätzlichen Berufsausbildung kann bei einigenAbsolventen diesen Start zusätzlich erleichtert haben. Jedenfalls findet manbei den Absolventen mit Berufseintritt häufiger eine Doppelqualifikation(Frauen: 12,0%, Männer: 17,3%) als bei den Frauen (4,6%) und Männern(12,4%), die diesen Schritt noch nicht vollzogen haben. Wertet man also eineBerufsausbildung im Hinblick auf einen erfolgreichen Berufseinstieg als zu-sätzliche Investition, dann scheint die sich zumindest teilweise zu rentieren.

In der Gruppe, die trotz ihres bestandenen Examens noch nicht berufstätigist, hat ein kleiner Teil, 2,9% der erfolgreichen Normalstudentinnen und 5,0%der Studenten, im Anschluß an das erste Studium ein Zweit- oder Aufbaustu-dium (wozu auch das Promotionsstudium gerechnet wird) aufgenommen unddieses bis zum Erhebungszeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Hier kann nichtentschieden werden, ob die bisherigen Erfolge der Bildungslaufbahn reinve-stiert werden, um einen höheren Einstieg in die Berufslaufbahn zu ermögli-chen, wie etwa durch eine Promotion, oder ob dies geschieht, weil das abge-schlossene Studium den erhofften Berufseinstieg zunächst nicht ermöglichthat, sich also als eine Fehlinvestition erwiesen hat, und nun durch ein Zweit-oder Aufbaustudium ergänzt werden muß, um das Ziel einer qualifiziertenBerufstätigkeit doch noch zu erreichen.

3.1.3 Der "normale" Weg ehemaliger Gymnasiasten in den Beruf: Abitur,Studium und Berufseintritt

Der durch die Ausgangsposition, den Aufbau des Bildungswesens und dasZiel des Berufseintritts in gehobene berufliche Positionen vorgezeichneteWeg ist zugleich auch der am häufigsten beschrittene. An jeder Gabelung, diedurch eine spezifische, für die Fortsetzung des eingeschlagenen Weges zu be-wältigende Hürde markiert ist, reduziert sich zwar die Anzahl derjenigen, dieauf dem bisherigen Weg weiter fortschreiten kann. Wie man aber in Tabelle3.1 anhand der grau unterlegten Felder leicht verfolgen kann, bewältigt immereine große Mehrheit die Hürde des Zuganges zum nächsten Abschnitt erfolg-reich. Auch wenn schließlich im Alter von gut 30 Jahren nur ein knappe Min-

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derheit von rund 45% alle Etappen des normalen Weges ehemaliger Gymna-siasten in den Beruf erfolgreich zurückgelegt hat, so deutet dies keineswegsauf eine Destandardisierung des beruflichen Lebenslaufes hin. Es kann eherumgekehrt als Standardisierung gelten, wenn man bedenkt, daß die Erfolgs-quote des Gymnasiums, definiert als der Anteil der Abiturienten an den Siebt-kläßlern des Gymnasiums 7 Jahre vorher, erst seit Beginn der 70er Jahre klarüber 60% liegt, bis Mitte der 60er Jahre aber noch bei unter 50% lag(Arbeitsgruppe Bildungsbericht 1990: 296). Dieser Wert entspricht aber inunserer Stichprobe etwa dem Anteil derjenigen, die nicht nur das Abitur alsdie erste Hürde, sondern auch schon die nachfolgenden des Studieneintritts,des Examens und des Berufseintritts erfolgreich bewältigt haben. Hinzukommt, daß insbesondere auf den beiden letzten Etappen nicht alle, die dieentsprechenden Hindernisse – Studienabschluß und Berufseintritt – mit gut 30Jahren noch nicht bewältigt haben, schon endgültig gescheitert sind. Einige,wie die Langzeitstudenten ohne Examen, scheuen noch vor der nächsten Hür-de – dem Abschluß – zurück, werden sie zumindest zum Teil aber noch über-springen. Gleiches gilt sicherlich für einen großen Teil der erfolgreichenHochschulabsolventen, die zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht in denBeruf gefunden haben. Eine andere Gruppe hat sich selbst durch ein Zweit-oder Aufbaustudium eine zusätzliche Hürde errichtet und muß daher einenlängeren Anlauf nehmen. Aber auch von ihnen ist zu erwarten, daß der Be-rufseintritt schließlich mehrheitlich vollzogen wird. Für die Normalität desbeschriebenen Weges (Abitur, Studium, Examen, Berufseintritt) bei ehemali-ge Gymnasiasten spricht aber auch, daß ein Teil derjenigen, der diesen Wegeinmal verlassen hat, wie die als Studienaufsteiger bezeichnete Gruppe, aufdem zweiten Bildungsweg wieder auf ihn zurückkehrt.

Wenn dieser Weg für Gymnasiasten auch insgesamt der normale ist, dannzeigen sich dennoch einige bemerkenswerte Unterschiede zwischen den Ge-schlechtern, die darauf hinweisen, daß es sich dabei aus historischer Perspek-tive ursprünglich eher um einen für Männer als für Frauen normalen Verlaufdes Bildungsweges handelte. Aber das Verlaufsmuster für Frauen hat sich zu-mindest im Bereich der Ausbildung der ursprünglich "männlichenNormalität" angenähert. Wie an dem hohen Anteil der Frauen, die eine Studi-um aufgenommen haben, ablesbar ist, sind Frauen sich – zumindest in unserernach dem Bildungsniveau selegierten Stichprobe – bewußt, daß nur eine qua-lifizierte Berufsausbildung eine verläßliche Grundlage für Selbständigkeitund Unabhängigkeit bildet.Allerdings wird der Lebenslauf von Männern nach wie vor häufiger als dervon Frauen durch die Erwerbskarriere geprägt, und damit natürlich auch der

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Teil des Lebenslaufes, der zur Vorbereitung der Erwerbstätigkeit dient, wieman daran ablesen kann, daß die Männer unserer Stichprobe öfter ein Studi-um auf dem ersten oder zweiten Bildungsweg aufnehmen, und komplementärdazu der Anteil der Frauen, die sich der Mittleren Reife als höchstemSchulabschluß zufriedengeben, mehr als doppelt so hoch wie bei den Män-nern ist. Auch die Tatsache, daß Studenten, trotz der zusätzlich zu investie-renden Zeit, wesentlich häufiger als Studentinnen eine zusätzliche Berufsaus-bildung als Chance nutzen, ihre Position auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern,belegt, daß die Lebensplanung von Männern stärker auf die Berufsrolle fixiertist und dabei auch zusätzliche Investitionen nicht scheut, während Frauen dieRolle als Hausfrau und Mutter zumindest symbolisch präsent ist und alleindadurch die Lebensplanung zu beeinflussen vermag.

Wenn allerdings dem Beruf in der Lebensplanung von Frauen eine wichti-ge Rolle zukommt, und sie ein Studium aufgenommen haben, dann studierenFrauen oft schneller als Männer. Ob dies aber auf die geschlechtsspezifischeStudiengangswahl zurückzuführen ist und in Antizipation einer zukünftigenRolle in der Familie geschieht, oder ob die schärfere Selektion der Frauen inder Schulausbildung und beim Studienzugang sich nun im Studium für dieje-nigen, die diese Hürden gemeistert haben, als Vorteil erweist, weil sie imSchnitt qualifizierter für das Studium sein müssen, als die Männer, deren Hür-den ja niedriger waren, kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden.

Insgesamt ist festzuhalten, daß die traditionelle Frauenrolle in dem hierbetrachteten Lebensabschnitt eine zwar "sanfte, aber keineswegs unbezwing-bare Macht über die Lebensplanung" (Meulemann 1995: 92) der hier betrach-teten Frauen ausübt. Eine qualifizierte Berufsausbildung mit dem Ziel, diesenBeruf zur Absicherung der eigenen Existenz auch auszuüben, ist – wenn auchmit den beschriebenen graduellen Unterschieden – für Frauen wie für Männerzur Selbstverständlichkeit geworden. In dem Maße, in dem dies gilt, hat sichdie Lebensplanung einer für die Phase der Vorbereitung auf den Beruf zentra-len, alle Lebensbereiche durchdringenden ökonomischen Rationalität zu un-terwerfen. Dies bedeutet, daß zumindest während der Ausbildung auch derprivate Lebenslauf von Frauen dem der Männer angeglichen ist. Die Frage,ob man sich noch in der Ausbildung befindet, oder ob der Schritt in den Berufschon vollzogen ist, dürfte daher nachhaltiger als das Geschlecht die Strukturdes privaten Lebenslaufes bestimmen, dessen typologische Betrachtung Ge-genstand der folgenden Analysen ist.

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3.2 Schritte der Familienbildung

Während es nicht schwerfiel, bei der Analyse des Bildungsverlaufs undBerufseintritts ehemaliger Gymnasiasten wegen des weitgehend standardisier-ten Ausgangspunktes, wegen des damit verknüpften Zieles des Berufseintrittsin höhere berufliche Positionen, das durch eine ökonomisch kalkulierendeHandlungsorientierung am besten erreicht werden kann, und wegen der insti-tutionellen Ordnung des Bildungssystems, eine bestimmte Sequenz von Er-eignissen auch theoretisch als den "normalen" Weg in den Beruf zu begrün-den, erscheint eine solche Aufgabe für den privaten Lebenslauf bis zum Altervon gut 30 Jahren ungleich schwieriger zu lösen.

3.2.1 Religiöse und säkulare Normen im Prozeß der Familienbildung

Sicher – man kann sich bei dem Versuch, die Sequenz der Entscheidungen imProzeß der Familienbildung typologisch zu ordnen, von den normativen Vor-gaben der religiösen Institutionen oder der Konkretion sozialer Normen durchden Gesetzgeber leiten lassen. Aber die Regeln der beiden großen christlichenKirchen verlieren zunehmend an Bedeutung für das konkrete Handeln derMenschen und können sich wegen ihres universalistischen Anspruchs entwe-der gar nicht, oder nur mit einer sehr großen zeitlichen Verspätung, einer ver-änderten gesellschaftlichen Realität anpassen. Auch die staatliche Gesetzge-bung reagiert nur mit – wenn auch geringeren – Verzögerungen auf Verände-rungen im Verhalten der Menschen. Zudem schreiben gesetzliche Regelun-gen, anders als z.B. der Katechismus der Katholischen Kirche noch in seinerneuesten Fassung, im Bezug auf den Familienbildungsprozeß keine konkretenHandlungsweisen mehr verbindlich vor, indem sie mögliche Handlungsalter-nativen konkret verurteilen, sondern beschränken sich darauf, Ehe und Fami-lie einen rechtlichen Rahmen zu geben. Dies dient vor allem der Regulierungvon Ansprüchen und der Bewältigung von Konflikten (vgl. zu den rechtlichenRahmenbedingungen des Familienrechts Limbach 1989). Die Haltung der ka-tholischen Kirche (vgl. Ecclesia Catholica 1993: 590-605) ist dagegen ein-deutig: Sexualität erlaubt die katholische Moraltheologie auch heute noch nurinnerhalb der als Sakrament verstandenen Ehe. Die Ehe gilt als unauflöslich,eine Scheidung mit einer anschließenden neuen Partnerschaft wird der sozia-len Realität zum Trotz als "dauernder öffentlicher Ehebruch" gewertet. DieKeuschheit stellt die einzig legitime Alternative zur Lebensform der Ehe dar.Die protestantischen Kirchen kennen zwar kein verbindliches Lehramt undlassen dem Individuen größere Entscheidungsfreiräume, halten aber auch die

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Ehe für die Grundlage der Familie und betonen deren zentrale Funktion als"Liebes- und Erziehungsgemeinschaft" (vgl. Keil 1989). In welchem Ausmaßstaatliches Recht in diesen christlichen Traditionen verwurzelt ist, und derEhe den Vorzug gegenüber anderen Formen der Familienbildung einräumt,wird an vielen Details deutlich. Dies beginnt mit Art. 6 des Grundgesetzes,der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, wird auchdaran deutlich, daß es zwar ein "Eherecht" gibt, aber kein – wie auch immerzu bezeichnendes – "Lebensgemeinschaftsrecht", und zeigt sich nicht zuletztin der Sorge-, Erb- und Steuergesetzgebung, die die eheliche gegenüber dernichtehelichen Gemeinschaft mit eindeutigen Vorteilen ausstattet.44 Dennochschreibt kein staatliches Gesetz eine bestimmte Ereignissequenz im Familien-bildungsprozeß vor.

Obwohl im Prozeß der Familienbildung normative Grundlagen eine nichtzu verleugnende Rolle spielen, hat deren Verbindlichkeit für das konkreteHandeln der Menschen doch stark an Bedeutung verloren. Der weltliche Ge-setzgeber überläßt heute den Individuen letztlich die freie Entscheidung füroder gegen eine bestimmte Form der Familiengründung. Diese immer nochandauernde Entwicklung ist als schrittweiser Rückzug des Staates aus demprivaten Lebensbereich zu beschreiben. Der Bedeutungsverlust von religiösenNormen als Handlungsorientierung im familialen Bereich offenbart sich u.a.in der Zunahme der Pluralität familialer Lebensformen, über die Höpflinger(1987: 13) eine Übersicht gibt. An dieser Stelle kann auf systematische Voll-ständigkeit in der Darstellung der Vielfalt verzichtet werden, sondern es sol-len lediglich einige neuere Entwicklungstendenzen im Prozeß der Familien-bildung, die für die vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutungsind, dem Leser noch einmal in Gedächtnis gerufen werden.

3.2.2 Die Optionalität der privaten Lebensform

Entwicklungen im Bevölkerungsschnitt

Die Ehe ist nicht mehr das Lebensmodell einer ganzen Generation, wie esnoch in den 50er und 60er Jahren der Fall war. Zu Beginn der 70er Jahre wur-de sogar von einer "verheirateten Gesellschaft" gesprochen (Schmid 1989:10). Als erster Schritt der Familiengründung hat sie seitdem ständig an Selbst-verständlichkeit verloren. Nichteheliche Lebensgemeinschaften sind zum all-

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44 Es gab 1993 öffentliche Überlegungen der damaligen Justizministerin Leuthäuser-Schnarren-berger, die Rechtsstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft derjenigen der Ehe durch eineErgänzung des Art. 6 GG anzugleichen (WZ vom 3.5.1993: Titelseite).

täglichen Phänomen geworden.45 Wer heute unverheiratet zusammenlebt, mußkeine soziale Außenseiterrolle mehr befürchten (Emnid 1985: 82-85; Hettlage1992: 121; Tyrell 1988: 154). Aber die Ehe hat nicht nur zugunsten der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft an Bedeutung verloren. Gestiegen ist gleich-zeitig die Zahl junger, bewußt alleinlebender "Singles".46 Der Anstieg derScheidungsraten zeigt, daß die ursprüngliche Norm lebenslanger monogamerPartnerschaft, so wie sie der Trauspruch: "Bis der Tod euch scheidet" doku-mentiert, zugunsten eines zunehmenden Musters sukzessiver Partnerschaftenan normativer Verbindlichkeit verliert (vgl. u.a. Furstenberg 1988, Beck-Gernsheim 1990a)47. In engem Zusammenhang mit dem gestiegenen Schei-dungsrisiko muß auch der gestiegene Anteil Alleinerziehender, sogenannter"Ein-Eltern-Familien"48, gesehen werden.49 Aber nicht gestiegene Scheidungs-raten, sondern auch die Zunahme des Anteils unverheirateter Mütter (und Vä-ter) sind für deren wachsende Bedeutung verantwortlich (vgl. u.a. Krappmann1988). Im Zuge der Liberalisierung der Einstellungen zur Sexualität hat dieledige Mutterschaft, viel von ihrer sozialen Stigmatisierung verloren und er-

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49 1972 lebten in der Bundesrepublik 6% aller Kinder bei nur einem Elternteil (bei beinahe 90%war dies die Mutter), 10 Jahre später waren es bereits 8,9%. Scheidungswaisen (die Eltern sindgeschieden oder getrennt lebend) waren 1972 52,7% der allein bei ihren Müttern lebenden Kin-der, 1982 betrug dieser Anteil schon 66,2%. Bisher unverheiratet waren 1972 13,4% der allein-erziehenden Mütter, 1982 waren dies 15,9% (Hettlage 1992: 180; vgl. auch: Krappmann 1988:134).

48 An der Diskussion, ob die korrekte Bezeichnung nicht eigentlich "Ein-Elter-Familie" lautenmüßte (vgl. Clason 1989), möchte ich mich an dieser Stelle nicht beteiligen. Lediglich der bes-seren sprachlichen Geläufigkeit wegen und ohne Wertung wird im folgenden der Begriff "Ein-Eltern-Familie" genutzt.

47 Im Jahre 1970 wurden in der Bundesrepublik 15%, 1985 bereits 30% aller Ehen geschieden(Hettlage 1992: 165).

46 Der Anteil der Einpersonenhaushalte an allen Haushalten in der Bundesrepublik stieg zwi-schen 1950 von 19,4% über 1970 mit 25,1% kontinuierlich bis 1990 auf 35%. In Großstädtenüber 100000 Einwohnern liegt ihr Anteil gar bei 44,3% (Statistisches Bundesamt 1992: 69; Pro-zentwerte eigene Berechnung). Es handelt sich bei den Alleinlebenden nicht nur um "echte" Sin-gles, die sich bewußt für diese Lebensform entscheiden. Ursächlich für den Anstieg sind u.a. ge-stiegene Scheidungsraten, eine verlängerte Ausbildungsphase und demographische Entwicklun-gen, die zur Zunahme des Anteils der Witwer und Witwen geführt haben (vgl. Schmid 1989).Aber neben diesen Entwicklungen ist auch eine Zunahme des Anteils "echter Singles" zu ver-zeichnen. Ein Indiz dafür ist, daß der Anteil alleinlebender Männer und Frauen in allen Alters-gruppen zugenommen hat (Burkart /Kohli 1992: 135-6).

45 Die Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften hat sich zwischen 1972 und 1990 von 137000auf 963000 mehr als versiebenfacht (Statistisches Bundesamt 1992: 70). Bei den 25- bis 29jäh-rigen Bundesbürgern haben im Zeitraum von 1984 bis 1989 auf einer Rangskala der 10 häufig-sten Lebensformen die verheirateten Lebensformen durchweg an Bedeutung verloren. Nicht-eheliche Lebensgemeinschaften ohne Kinder, bei denen beide Partner berufstätig sind, konntensich vom siebten auf den vierten Rang verbessern (Strohmeier 1993: 19).

ten Bildungsverläufen, die im angestrebten Beruf eine klare Zielsetzung ha-ben, so daß bei gegebenem Ausgangspunkt und der institutionellen Strukturdes Bildungswesens gewissermaßen eine Hauptstraße und darüber hinaus eineVielfalt unterschiedlicher Nebenstraßen und Schleichwege in den Beruf aus-zumachen war, erscheint der Komplex Familiengründung weder durch ein be-stimmtes Ziel noch durch eine bestimmte Richtung bestimmbar. Will man beidem Bild der Bewegung bleiben, dann wirkt dieser Bereich für den Betrachterals ein Feld, auf dem man seine Schritte mal hierhin, mal dorthin, und dannauch wieder zurück lenken kann, abhängig nur von den eigenen Bedürfnissenund den Gelegenheiten und Notwendigkeiten der Situation. Hartmann Tyrell(1988: 155) beschreibt die Optionalität privater Lebensformen denn auch fol-gendermaßen:

"Aus A folgt nicht mehr unbedingt B, aus Liebe folgt heute durchaus nicht mehr (...)Heirat/Ehe, aus Verheiratetsein nicht mehr selbstverständlich Zusammenwohnen (...), ausVerheiratetsein aber auch nicht mehr notwendigerweise ein Sexualprivileg oder der Wunschnach Kindern. Liebe kommt gut ohne Ehe aus und Ehe auch ohne Kinder; überhaupt tretenEhe und Elternschaft deutlicher auseinander: die 'pure' Ehe (ohne Kinder) wird ebenso zurOption wie die 'pure' Mutterschaft ohne Ehemann. Unverheiratetes Zusammenleben ist (...)ohne Kinder, aber auch mit Kindern zu haben. (...) Man sieht: 'das Paket' der altenInstitution ist aufgeschnürt, die einzelnen Elemente sind gegebenenfalls isolierbar und fürsich zugänglich, aber auch in verschiedenen Varianten kombinierbar. Auch sind siesukzessive nacheinander wählbar – je nach Umständen und im Prinzip auch ohne eineirgendwie naheliegende oder zwingende Abfolge."

Eine Familie: Noch wünschenswert?

Dies bedeutet keineswegs, daß Familie heute nicht mehr als wünschenswertgilt: 1988 glauben im Bevölkerungsschnitt noch 60,6% der Befragten, daß"man eine Familie braucht, um wirklich glücklich zu sein".50 Allerdings hatsich dieser Anteil in dem relativ kurzen Zeitraum gegenüber 1980 um knapp12 Prozentpunkte (vor allem, aber nicht nur, zugunsten der Unentschiedenen)

103 Typen beruflicher und privater Lebensläufe

50 Die Frageformulierung lautete: "Glauben Sie, daß man eine Familie braucht, um wirklichglücklich zu sein - oder glauben Sie, man kann alleine genauso glücklich leben?" Antwortmög-lichkeiten: (1) Braucht Familie, (2) Alleine genauso glücklich, (3) Alleine glücklicher, (4) Un-entschieden (ALLBUS 1988, S.2). In unserer Stichprobe ehemaliger Gymnasiasten glaubt aller-dings nur noch eine knappe Mehrheit der Befragten, eine Familie zum Glück zu brauchen. Ver-antwortlich für die Differenz unserer Stichprobe zum Bevölkerungsschnitt ist das überdurch-schnittliche Bildungsniveau und, damit eng verknüpft, auch die überdurchschnittlichen berufli-chen Aspirationen. Schon die einfache Gegenüberstellung der Gruppen mit und ohne Studiumzeigt den deutlich höheren Anteil mit Hochschätzung der Familie in den Gruppen ohne Studium(Birkelbach 1996: TB10).

reduziert. Auch Beck, der die Frage, "ob Ehe und Familie einer ausklingen-den Epoche angehören" mit einem "klaren Jein" beantwortet, betont auf deranderen Seite, daß die Jugendlichen "kein bindungsloses Leben anstreben"(Beck 1986: 165).

Aber es ist nicht nur verfrüht, über das Ende der Familie zu spekulieren.Auch die Institution der Ehe ist nach wie vor in weiten Teilen der Bevölke-rung verankert: In der gleichen Umfrage antworten 1988 auch 62,8% der Be-fragten auf die Frage "Meinen Sie, daß man heiraten soll, wenn man auf Dau-er zusammenlebt?" mit "Ja" (ALLBUS 1988: 2f).51 Wenn allerdings 22,2%diese Frage verneinen und zugleich weitere 15% unentschieden sind, so zeigtdies die nachlassende normative Verbindlichkeit der Institution Ehe, in derenFolge es möglich wird, daß die nichteheliche Lebensgemeinschaft zur legiti-men Alternative wird. Beachten muß man auch, daß es den Konstrukteurendes Fragebogens wichtig erschien, die Dauerhaftigkeit der Beziehung zu beto-nen; ein temporäres Zusammenleben ohne Trauschein ist keine Frage mehrwert, so unstrittig erscheint inzwischen dessen Legitimität.52

Entscheidungsprozesse im privaten Lebenslauf

Der Wert, der Ehe und Familie nach wie vor darstellt, konkurriert heute stär-ker mit anderen Lebensbereichen. Hinter dieser Konkurrenz muß er manch-mal zurückstehen oder sich anpassen. Die zunehmende Verbreitung der ver-schiedenen Lebensformen und Verhaltensweisen im Bevölkerungsschnitt sagtnichts über die Motive für die Wahl der einen oder anderen Lebensform aus.Gewiß spricht vieles dafür, daß veränderte Einstellungen und Werte denWandel begünstigt haben, indem sie Wahl- und Entscheidungsmöglichkeitenanstelle früherer Selbstverständlichkeiten eröffnen, und so eine individuelleAnpassung von privaten Lebensformen an andere Lebensbereiche ermögli-chen. Familie im traditionellen Verständnis läßt sich häufig nicht ohne Ver-luste in anderen Bereichen des Lebens isoliert verwirklichen. Deutlich wirddies vor allem bei den Frauen: Wo veränderte Geschlechterrollen dazu füh-

104 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

52 70% aller Bundesbürger begrüßten 1981 eine "Ehe auf Probe". In der vor allem betroffenenAltersgruppe von 20 bis 29 Jahren waren es 83%, bei den 14 bis 19jährigen sogar 91% (Emnid1985: 82).

51 Hier unterscheidet sich unsere Stichprobe, der diese Frage ebenfalls vorgelegt wurde, deutlichvom Bevölkerungsschnitt: Nur 39,8% glauben, daß es nötig ist zu heiraten, wenn man auf Dauerzusammenlebt, aber 47,2% verneinen diese Frage (Birkelbach 1996: TB11). Ursächlich für dieDifferenz ist die Stichprobenzusammensetzung. Die Befragten gehören der Generation an, in derder Wandel am augenfälligsten ist, und innerhalb dieser Generation der Bevölkerungsgruppe,die eine Vorreiter- und Wegbereiterrolle für diese Lebensform spielt.

keit ist daher häufig der Preis des bedingungslosen Primats der Berufskarriere(vgl. Bachmann 1992: 131ff).

Nicht auf die Vorteile einer festen Partnerschaft verzichten, aber auchnicht die Vorteile der eigenen Wohnung aufgeben wollen Paare, die sich ge-gen eine gemeinsame Haushaltsführung entscheiden. Zugunsten der emotio-nalen Bindung an einen Partner wird allerdings nur auf ein kleines Stückchenindividueller Freiheit verzichtet. Wie groß die verbleibende Flexibilität ist,kann daran abgelesen werden, daß wechselseitige Ansprüche der Partner andas Verhalten der Partner frei ausgehandelt werden können und die Bezie-hung jederzeit ohne besondere Kosten gelöst werden kann. Individuelle Auto-nomie und Autarkie dürften in der individuellen Werthierarchie derjenigen,die die häufig "Living-Apart-Together" genannte Lebensform gewählt haben,höchste Priorität genießen. Gewiß ist Burkart und Kohli (1992: 138) daherzuzustimmen, wenn sie ein solches Paar als "das individualisierte Paar par ex-cellence" bezeichnen.

Ein bekanntes Beispiel aus der Literatur- und Philosophiegeschichtemacht deutlich, wie eine solche Beziehung auf Dauer funktionieren kann: Si-mone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre hatten von 1929 bis zum TodeSartres im Jahre 1980 eine "privilegierte Liebesbeziehung" (Cohen-Solal1988: 140), in der das Paar nur während gemeinsamer Urlaubsreisen zusam-men wohnte und sich wechselseitig alle Freiheiten (auch die temporärer Lie-besbeziehungen zu Dritten) ließ. Obgleich diese Beziehungsform wohl ur-sprünglich vor allem Sartres Wünschen entsprang, beiden aber auch ein be-wußtes Gegenmodell zur bürgerlichen Ehe sein sollte, wird gerade an Simonede Beauvoirs umfangreichen literarischem und philosophischem Schaffendeutlich, welchen Vorteil vor allem Frauen aus ihr ziehen können, wenn fürsie außerhalb der Familie liegende Lebensbereiche, vor allem also der Beruf,eine höhere subjektive Priorität genießen. Der besondere Reiz einer solchenfreien Partnerbeziehung liegt für Frauen vor allem in der Unabhängigkeit, diees erlaubt, entlastet von der traditionellen Frauenrolle eine eigene beruflicheKarriere zu verfolgen.

Auch bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft lassen sich Kosten undNutzen der Lebensform gegenüberstellen. Gegenüber der zuletzt beschriebe-nen Lebensform zeichnet sie sich durch einen höheren Grad an Nähe, Ver-bindlichkeit und Sicherheit aus. Ein weiterer Vorteil tritt hinzu: Ein gemein-samer Haushalt läßt sich i.d.R. kostengünstiger führen als zwei getrennte. Da-bei verzichtet die nichteheliche Lebensgemeinschaft zunächst auf den An-spruch lebenslanger Bindung und verschafft dem Individuum einen größerenFreiraum für eigenes Handeln und Entscheiden. Frauen erhoffen sich häufig

106 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

von dieser Lebensform zusätzlich eine gegenüber der Ehe weniger traditionel-le Rollenverteilung bei der häuslichen Arbeitsorganisation (Meyer/ Schulze1988, 1993) und mehr Freiräume für die eigene Berufskarriere. Die größereFlexibilität ist für beide Partner vor allem dann von Vorteil, wenn Handlungs-möglichkeiten offengehalten werden sollen, weil die Zukunft noch schwerkalkulierbar erscheint, entweder im Bezug auf die Qualität der Partner-schaft,54 auf die berufliche Zukunft oder auf beides. Sie erlaubt die relativ un-problematische Anpassung des Handelns an noch nicht absehbare, aber denk-bare zukünftige Gelegenheitsstrukturen und Risiken von Märkten.

Dadurch kann die Flexibilität des Handelns sich aber auch in einen Nach-teil verwandeln. Wenn Handlungsmöglichkeiten grundsätzlich offen sind, undsich dabei an situativ wechselnden Bedingungen von Märkten orientieren,dann fehlt dem Handeln langfristige Kontinuität und damit Sicherheit und Be-rechenbarkeit. Dies kann für die Haushaltsgemeinschaft als wirtschaftlicheEinheit wie auch für die Qualität der Partnerschaft gelten. Kontinuität undLangfristigkeit der Perspektive werden als Grundbedingungen verantwortli-cher Elternschaft gesehen – sicher ein wichtiger Grund, warum die Eltern-schaft im Rahmen von nichtehelichen Lebensgemeinschaften eher eine Aus-nahme ist. Hinzu kommen Nachteile der Lebensform, die sich aus ihrer man-gelnden rechtlichen Gleichstellung mit der Ehe ergeben. Die betreffen zu-nächst nur die beiden Partner. Sobald aber Kinder beteiligt sind, erstreckensie sich auch auf diese und widersprechen dadurch dem Gebot einer optima-len Förderung des Kindes als dem zentralen Anspruch verantwortlicher El-ternschaft in der Moderne (Beck-Gernsheim 1990b).

Diese Schattenseiten des unverheirateten Zusammenlebens besitzt die In-stitution der Ehe nicht. Sie ist grundsätzlich auf Dauer angelegt und stehtnach wie vor unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Sind (noch)keine Kinder vorhanden, so diskriminiert zwischen beiden Lebensformen nurihre juristische Bewertung und Behandlung. Erschwert ist in der Ehe lediglichdie Trennung durch den formalen Vorgang der Scheidung und deren Folgen.Wie alltäglich Scheidungen aber inzwischen geworden sind, ist nicht nur anden hohen Scheidungsraten ablesbar, sondern auch an der Tatsache, daß be-reits vor der Eheschließung vertragliche Abmachungen für den Fall der Tren-nung, insbesondere um die materiellen Scheidungsfolgen zu regeln, getroffenwerden können.55 Genauso können vertragliche Vereinbarungen den Partnern

107 Typen beruflicher und privater Lebensläufe

55 Auch wenn formelle Eheverträge eher eine Ausnahme bilden dürften, und vor allem dort ge-

54 Das ist die typische Situation einer "Ehe auf Probe", in der die Liebe mit dem Alltag des Zu-sammenlebens konfrontiert wird, und entweder ohne die rechtlichen Komplikationen einerScheidung scheitern kann oder sich über einen gewissen Zeitraum bewährt und dann in die Eheeinmündet.

einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein gewisses Maß an Sicherheitgewähren.56 Auf beiden Seiten verwischen sich so die Grenzen beider Lebens-formen und ihre Unterscheidbarkeit, auch im Hinblick auf die Flexibilität derBeteiligten, wird geringer.

Dies ändert sich erst mit der Geburt von Kindern. Angesichts mangelnderBetreuungsmöglichkeiten und hoher Ansprüche an die Förderung und Erzie-hung der Kinder ist i.d.R. ein Partner gezwungen – üblicherweise immer nochdie Frau, zumindest temporär aus dem Berufsleben auszuscheiden und da-durch auf eine kontinuierliche Berufskarriere zu verzichten. Die von Frauenoft lange aufgeschobene Beantwortung der Frage "Berufskarriere oder Fami-lie?" wird nun meist zugunsten der Familie entschieden, denn vor allem inden ersten Jahren der Kinderbetreuung wird das zur Verfügung stehende Zeit-kontingent derart belastet, daß beides gemeinsam kaum zu bewältigen ist undhäufig ein Karriereknick für die Frau entsteht (vgl. Bertram, Borrmann-Mül-ler 1988). In besonderem Maße macht sich eine solche Doppelbelastung fürdie Frau natürlich in der Ausbildungsphase bemerkbar, die nur schwer mit derBetreuung eines Kleinkindes zu vereinbaren ist. Aber auch Männer werden inihrer traditionellen Rolle als Ernährer der Familie durch die Verantwortungfür ein Kind eingeschränkt. Kostenintensive Investitionen in die eigene Aus-oder Weiterbildung sind nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich.Es gilt nun primär, die bisherigen Investitionen einzusetzen, um der Verant-wortung der Familie gegenüber gerecht zu werden. Nicht zu vergessen beiden Kosten einer Entscheidung für oder gegen Kinder sind sicher auch mate-rielle Belastungen, die häufig zu spürbaren Abstrichen beim Lebensstandardzwingen. Als Einschränkung werden nicht selten auch die durch die Kinder-betreuung erzwungenen Veränderungen des Freizeitverhaltens gewertet.

Den hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgelisteten Kosten der El-ternschaft muß auf der anderen Seite auch ein Nutzen für die Eltern gegen-überstehen, der anders als in der Vergangenheit, wo Kinder auch ein Faktorder Zukunftssicherung für die Eltern waren, nicht materiell meßbar, sondernideeller, psychologischer Natur ist. Kinder dienen heute vor allem der emotio-nalen Bedürfnisbefriedigung der Eltern und sind ein Faktor subjektiver Sinn-stiftung (Beck-Gernsheim 1990b; Schütze 1988: 104). Dies erklärt auch diebewußte Entscheidung von Müttern für ein Kind, aber gegen einen Partner,d.h. für eine Lebenssituation, die sicher besonders schwierig zu bewältigen

108 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

56 Faktisch wird aber auch von dieser Möglichkeit nur selten Gebrauch gemacht: Nur 10% derunverheiratet zusammenlebenden Paare haben schriftliche oder gar notarielle Vereinbarungengetroffen, weitere 11% mündliche Absprachen (Emnid 1985: 87).

schlossen werden, wo es um größere Besitzstände geht, zeigt allein ihr Vorhandensein doch, wiebereits bei Schließung des auf Dauer angelegten Ehebündnisses, die Trennung mitgedacht wird.

ist. Daß aber in einer solchen individuellen Kosten-Nutzen-Rechnung, auchwenn eine feste Partnerbeziehung besteht, oft genug die subjektiven Kostenden Nutzen zu überwiegen scheinen, ist an den Geburtenraten in der Bundes-republik, die zu den niedrigsten der Welt gehören, ablesbar.

Überblickt man nun noch einmal die bisherigen Ausführungen zu den ver-schiedenen familialen Lebensformen, dann werden drei Dinge deutlich: Er-stens scheinen tatsächlich traditionelle Muster an normativer Verbindlichkeitverloren und alternative Formen breite Akzeptanz gewonnen haben. Die nochin den 50er und 60er Jahren übliche Sequenz Heirat und Elternschaft hat ihreSelbstverständlichkeit eingebüßt. Zweitens aber stehen Ehe und Familie nachwie vor hoch im Kurs, und gelten einer – allerdings rückläufigen – Mehrheit,nicht nur im Bevölkerungsschnitt (ALLBUS 1988), sondern auch unter denJugendlichen (Allerbeck /Hoag 1985: 94) als erstrebenswert. Der Wandelzeigt sich also vorläufig vor allem darin, daß alternative Formen der Partner-schaft und Familiengründung als Optionen der Lebensgestaltung verfügbarsind. Die jeweilige Lebensform wird gewählt, und das ist der dritte Punkt,weil sie der momentanen Lebenssituation angepaßt erscheint. Die ist auf dereinen Seite durch die beruflichen Aspirationen und durch die Position imAusbildungs- und Berufsverlauf, sowie auf der anderen Seite durch privateWünsche, Bedürfnisse und Befürchtungen geprägt. Ändert sich die individu-elle Komposition dieser Bestandteile, dann erscheint es oftmals angebracht,die Lebensform neu zu wählen. Folglich erfassen Darstellungen undAnalysen, die den Wandel ausschließlich über die Zunahme bestimmter Phä-nomene im Bevölkerungsschnitt definieren, nur einen Aspekt der Verände-rung, und übersehen die Abfolge der verschiedenen Lebensformen im Le-benslauf und deren Ursachen.

3.2.3 Empirische Sequenzmuster des privaten Lebenslaufs

Technische Vorbemerkungen

Tabelle 3.2 dokumentiert für die Gesamtgruppe die unterschiedlichen Se-quenzen der Phasen des privaten Lebenslaufes ehemaliger Gymnasiasten und-deren relative Häufigkeiten bis zum 30. Lebensjahr.57 Die Phasen setzen mitdem ersten Schritt der Gründung einer eigenen Familie ein. Als solche gewer-tet werden das erstmalige Zusammenleben mit einem Partner oder einer Part-

109 Typen beruflicher und privater Lebensläufe

57 Getrennte Analysen für die vier Subgruppen wurden ebenfalls durchgeführt (Birkelbach 1996:TB12 bis TB15)

nerin, die erste Ehe und die Geburt des ersten Kindes. Jede Veränderung, alsoauch die Trennung, wird als eigene Phase betrachtet. Die Prozentangaben be-ziehen sich nur in der ersten Phase auf alle Befragten, in den folgenden Pha-sen bildet die Basis der Prozentuierung immer die Gruppe der vorausgegan-genen Phase, bei der sich Veränderungen ergeben. Dadurch zeigt die Tabelle,wie sich privaten Lebenswege immer feiner verästeln, zugleich aber läßt sichgenau verfolgen, welche Wege relative Mehrheiten beschreiten.

Die Abfolge der Ereignisse läßt sich anhand des vorliegenden Datenmate-rials für zwei Partnerschaften ermitteln und in maximal fünf Phasen ordnen.Lediglich n=4 Befragte trennen sich bis zum Alter von gut 30 Jahren in einernicht mehr gesondert ausgewiesenen 6. Phase wieder von ihrem Partner.58 Dadie Anzahl der Partnerschaften keinen grundsätzlichen Beschränkungen un-terliegt, können durch die Beschränkung auf die letzten zwei PartnerschaftenInformationen verloren gehen. Aber nur 13,1% aller Befragten haben einePartnerschaft vor der aktuellen Lebensgemeinschaft oder Ehe angegeben, sodaß die Gefahr einer Verzerrung durch möglicherweise nicht einbezogenedritte und weitere Partnerschaften als gering einzuschätzen ist.59 Es wird im-mer die Abfolge der genauen Zeitpunkte betrachtet. Dies bedeutet, daß z.B.bei einem Befragten, der drei Monate vor seiner Heirat mit seiner Partnerinzusammenzieht, dieses Zusammenleben eine eigenständige Phase nichteheli-chen Zusammenlebens begründet. Eine solche Vorgehensweise erscheint an-gebracht, da auch dieses Verhalten eine, wenn auch dem heutigen Betrachtergeringfügig erscheinende Abweichung von der traditionellen Abfolgedarstellt. Wenn hier die Abfolge der einzelnen Ereignisse auf der Basis dergenauen Zeitpunkte untersucht werden, anstatt eine gewisse "fuzzy time" zu-grunde zu legen, in der zwei Ereignisse trotz einer mehr oder weniger kleinenZeitdifferenz noch als gleichzeitig betrachtet werden, dann ist dies eine stren-gere Überprüfung des Vorliegens traditioneller Verhaltensweisen.

Um das Gesamtbild nicht unnötig zu verkomplizieren, wurde darauf ver-zichtet, in einer gesonderten Phase 0 auszuweisen, ob die Befragten direkt ausdem Elternhaus in die Partnerschaft gewechselt sind, oder ob sie zuvor in ei-ner eigenen Wohnung alleine gelebt haben. Die entsprechenden Informatio-nen werden aber jeweils in Form von Fußnoten zu den Ereignissen der erstenPhase geliefert. Die Lebensform des "Single" kommt in der Tabelle also er-stens als eine Art Residualkategorie der ersten Phase vor, in die alle Befrag-ten fallen, die im gesamten Beobachtungszeitraum weder mit einem Partner

110 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

59 Eine Trennung hinter sich haben mit 21,3% deutlich mehr Befragte. Aber nicht alle sind eineneue Partnerschaft eingegangen und leben zum Befragungszeitpunkt wieder allein.

58 Aus Gründen der Lesbarkeit wird meist der hier geschlechtsneutral zu verstehende Begriff"der Partner" benutzt.

unverheiratet zusammengelebt noch geheiratet haben und kinderlos gebliebensind. Herausrechnen muß man aus dieser Gruppe dann noch jene, die die Be-quemlichkeiten des Elternhauses noch nicht gegen die Freiheiten einer eige-nen Wohnung getauscht haben. Zweitens kann man natürlich auch durch dieTrennung vom Partner zum Single werden. Aber dies hängt von der Dauerder Trennungsphase ab: Wer gleich von der einen Partnerschaft in die nächstewechselt, bei dem wird zwar der genauen Abgrenzung der anderen Phasenwegen auch eine Trennungsphase ausgewiesen, allerdings hat diese dann dieDauer 0. Als Sequenz ergibt sich aus den Tabellen ein recht verläßliches undvollständiges Bild davon, wie sich die einzelnen Schritte der Befragten im"ganz normalen Chaos der Liebe" (Beck/Beck-Gernsheim 1990) bis zum Al-ter von 30 Jahren zu mehr oder weniger geordneten Pfaden formieren.

Aber natürlich geht das Leben auch nach dem 30. Lebensjahr weiter. Wei-tere Schritte der Familienbildung, aber auch Trennungen und neue Partner-schaften werden sich ergeben. Dadurch verästelt sich die Sequenzen des pri-vaten Lebenslaufes weiter. Ständig mitgedacht werden muß deshalb bei derInterpretation, daß die angegebenen Prozentsätze der einzelnen Sequenzensich nur auf einen mehr oder weniger willkürlichen Zeitpunkt im Lebenslaufbeziehen, eben den Befragungszeitpunkt, an dem die Befragten gut 30 Jahrealt sind, und daher immer unter dem Vorbehalt weiterer Veränderungen ste-hen. Dabei ergeben sich aber keine neuen Typen des Familienbildungsprozes-ses, es verschieben sich lediglich die Häufigkeiten der einzelnen Typen. DieGesamtgruppe vermittelt einen ersten Überblick über die Vielfalt der ver-schiedenen Sequenzmuster und ihre jeweiligen Häufigkeiten. Auf dieserGrundlage soll versucht werden, aus der Komplexität und Vielfalt der darge-stellten Privatlebensläufe einige Typen der Familienbildung zu aggregieren,die dann zwischen Studenten und Nichtstudenten, zwischen Frauen und Män-nern verglichen werden. Um dabei genauere Angaben zu den Häufigkeitender einzelnen Typen machen zu können, werden Informationen zu den Plänender Befragten, mit einem Partner zusammenzuziehen und/oder zu heiraten, indie Betrachtung mit einbezogen. Diese Zusatzinformationen erlauben es, dieGrenzen des Beobachtungszeitraumes zu überwinden, und helfen dadurch dasZensierungsproblem zu reduzieren.

111 Typen beruflicher und privater Lebensläufe

210,11100,0Heirat20,0Zusammen200,2480,0—

1,8Erstes Kind

190,484,8Trennung180,1116,7Trennung170,2350,0Heirat160,1233,3—

3,6Erstes Kind

150,111,1Trennung143,36468,81. Kind (5)131,42830,1—

55,7Heirat

123,16035,9—

60,3Zusammen

115,410537,9—

29,3Trennung

100,24100,0Heirat66,7Zusammen90,1233,3—

17,1Trennung

81,01954,3Heirat70,51028,6—

3,7Erstes Kind

60,5102,0Trennung50,472,1Trennung417,133097,9—65,6Erstes Kind38,616732,4—

54,3Heirat

26,312112,8—*

48,7Zusammen(2)

118,034818,0Allein (1)

%n %Lebens-

form%Lebens-

form%Lebens-

form%Lebens-

form%Lebens-

formZeile

Alle5. Phase4. Phase3. Phase2. Phase1. Phase

Tabelle 3.2 Sequenz der Phasen des privaten Lebenslaufes (N=1933)

(1) Davon haben 23,6% (n=82) nie in einer eigenen Wohnung gelebt; sie wohnen i.d.R. noch bei den Eltern. (2) Davon haben 55,0% (n=521) nach dem Verlassen des Elternhauses zuerst allein gelebt. (3) Davon haben 29,9% (n=182) nach dem Verlassen des Elternhauses zuerst allein gelebt.(4) Davon haben 3,5% (n=1) nie in einer eigenen Wohnung und 58,6% (n=17 vor dem Zusammenziehen zuerst allein gelebt.(5) In dieser Gruppe trennen sich in einer 6. Phase n=4 Befragte wieder von ihrem Partner.— keine weiteren Änderungen. Grau unterlegt: Wege der Familienbildung, die von mindestens 1,5% der Befragten gegangen werden.

1001.933100,0G2n g0470,1150,0Heirat40,0460,1150,0—

Zusammen

450,2360,0—50,0Trennung

440,3550,0—34,5Heirat

430,11100,0Heirat50,0Zusammen420,1150,0—

14,3Trennung

410,61178,6Heirat400,117,1—

48,3Zusammen

390,3517,2—

1,5Erstes Kind(4)

380,11100,0Trennung25,0Heirat370,11100,0Heirat25,0Zusammen360,1250,0—

4,7Erstes Kind

350,2466,7Erstes Kind340,1233,3—7,1

Heirat

330,1133,3Heirat320,1266,7—

5,7Erstes Kind

311,12180,8Erstes Kind300,3519,2—

49,0Heirat

291,22445,3—

62,4Zusammen

281,12225,9—

13,9Trennung

270,115,3Trennung260,4736,8Heirat250 61157 9—

55,9Zusammen

240,81544,1—7,8Trennung

2320,840292,2—

71,6Erstes Kind

224,68814,5—

31,3Heirat (3)

Ergebnisse

Allein die Anzahl der unterschiedlichen Kombinationen der Ereignisse (47)belegt die große Vielfalt der Möglichkeiten. Zugleich aber wird deutlich, inwelch unterschiedlichem Ausmaß diese tatsächlich wahrgenommen werden:Nur bei 9 der insgesamt 47 Kombinationen beträgt der Anteil über 1,5% allerBefragten (in der Tabelle grau unterlegt), diese vereinigen aber insgesamt78,6% aller Befragten auf sich. Schon jetzt läßt sich also feststellen, daß sichdie Vielfalt deutlich reduziert, wenn sich die Betrachtung zunächst einmal aufdie empirisch häufigsten Sequenzen beschränkt.

In der ersten Phase leben 48,7% aller Befragten mit einem Partner unver-heiratet zusammen (Zeile 2 bis 21). Überblickt man alle Sequenzen, dann ha-ben sogar 53,8% aller Befragten für eine gewisse Zeit unverheiratet mit einemPartner zusammengelebt. Dies belegt zwar die weite Verbreitung der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft; daß es sich aber in der Mehrzahl der Fällenicht um eine neue Lebensform handelt, die auf Dauer eine echte Alternativezur Ehe sein will, wird deutlich, wenn man sieht, daß bis zum Abschluß derBefragung nur bei einer Minderheit von 12,8% der Gruppe, die zu Beginn ineiner nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelebt hat (Zeile 2), weder die Le-bensform noch den Partner gewechselt hat. Zu dieser Zahl hinzurechnen sinddiejenigen, die während der Lebensgemeinschaft Eltern geworden sind undauch danach keinen Anlaß zur Heirat gesehen haben (insgesamt 0,6% allerBefragten, Zeile 7 u. 9) und diejenigen, welche nach dem Zerbrechen der er-sten Lebensgemeinschaft auch in der zweiten, ohne oder mit Kind, unverhei-ratet bleiben (Summe der Zeilen 12, 16 u.18: 3,3%). Insgesamt sind also nuretwa 17% aller Befragten im Beobachtungszeitraum der Lebensform dernichtehelichen Lebensgemeinschaft treu geblieben, und auch diese Zahl stehtnatürlich unter dem Vorbehalt weiteren Wandels, so daß noch von einer Re-duzierung dieser Gruppe im Verlauf des Lebenslaufes ausgegangen werdenkann.

Die Mehrheit (54,3%) der zunächst unverheiratet Zusammenlebendenaber heiratet im weiteren Verlauf (Zeile 3-6). Bei knapp einem Drittel dieserGruppe (Zeile 3: 32,4%) bleibt die Ehe (vorläufig) kinderlos, aber fast zweiDrittel (65,6%) werden im Befragungszeitraum Eltern (Zeile 4 u. 5) und lebenganz überwiegend (97,9%) mit gut 30 Jahren noch mit dem ersten Partner zu-sammen (Zeile 4). Die Häufigkeit, mit der nach einer Phase unverheiratetemZusammenlebens geheiratet wird, hebt die faktische Bedeutung dieser Le-bensform als eine Art Ehe auf Probe, die erst, falls sich die Partnerschaft be-

114 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

währt hat und/oder andere Gründe für die Heirat sprechen, durch eine formel-le Eheschließung besiegelt wird, hervor.

Aber was als Experiment angelegt ist, ist natürlich auch dem Risiko desScheiterns ausgesetzt. Die erste Lebensgemeinschaft zerbricht mit einemknappen Drittel (Zeile 11 bis 21: 29,3%) relativ häufig. Während davon37,9% anschließend bis zum Alter von 30 Jahren vorläufig allein bleiben(Zeile 11), ziehen 60,3% nach einer mehr oder weniger langen Trennungs-phase mit einem neuen Partner zusammen (Zeile 12 bis 19) und verzichtenzunächst wieder, durch die Erfahrung der ersten gescheiterten Beziehung zu-sätzlich in ihrer Skepsis der Ehe gegenüber bestärkt, auf die formelle Besie-gelung der Beziehung durch eine Heirat. Im Anschluß an diese Phase findetman dann aber auch bei der zweiten Partnerschaft mehrheitlich die gleicheEreignissequenz, die schon bei der ersten Partnerschaft dominierend war.Selbst die relativen Häufigkeiten verändern sich kaum: Nach einer Phase desZusammenlebens ohne Trauschein, die entweder von Anfang an als Ehe aufProbe verstanden wurde, oder sich erst im Rückblick als solche erweist, heira-ten 55,7% (Zeile 13 bis 15), von diesen wiederum haben dann in der folgen-den Phase 68,8% ein erstes Kind (Zeile 14).

Ein knappes Drittel (31,3%) der Befragten folgt dem traditionellen Musterund gründet erst mit der Heirat einen gemeinsamen Haushalt (Zeile 22 bis38). Ganz überwiegend (71,6%) stellt sich in dieser Gruppe in der nächstenPhase ein Kind ein (Zeile 23-27). Davon bleibt bei der großen Mehrheit von92,2% die Ehe bis zum Befragungszeitpunkt stabil (Zeile 23). Ebenfalls nochin der Ehe mit dem ersten Partner, dabei aber bisher kinderlos, leben mit gut30 Jahren nur noch 14,5% derjenigen, die in Phase 1 geheiratet haben (Zeile22). Die enge Beziehung der beiden Ereignisse Ehe und Geburt des erstenKindes wird hier besonders deutlich.

In der Gruppe mit einem zunächst traditionellem Familienbildungsprozeßhaben sich später wieder 13,9% Prozent von ihrem Ehepartner getrennt (Zeile28 bis 38), und leben danach mehrheitlich (62,4%) mit einem Partner zu-nächst unverheiratet zusammen (Zeile 29 bis 33). Nach dieser Phase des Zu-sammenlebens ohne Trauschein geht dann etwa die Hälfte (49%) eine zweiteEhe ein. Das Scheitern der ersten Ehe läßt offensichtlich nun auch diesemPersonenkreis die Prüfung der Partnerschaft in einer nichtehelichen Gemein-schaft notwendig erscheinen. Erst wenn sich die Partnerschaft bewährt hat,wird das Risiko einer zweiten Ehe eingegangen. Ein weiteres Indiz für dasMißtrauen gegenüber einer vorschnellen Heirat nach einer gescheiterten Be-ziehung ist, daß nur eine kleine Minderheit von 7,1% nach der Trennungspha-se ihr Heil gleich wieder einer zweiten Ehe sucht (Zeile 34 u. 35).

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 115

Kinder werden zu über 90% während einer Ehe geboren (vgl. Birkelbach1996: TB9). Auch wenn die Abfolge der Ereignisse als Sequenz eindeutig ist,sagen die Zahlen nichts über die Kausalität aus. Aber vieles spricht dafür, daßhäufig Kinder die Ursache für die Heirat sind. Im Bevölkerungsschnitt zumin-dest korreliert der Kinderwunsch hoch mit der Heiratsabsicht (Emnid 1985:73). Und auch wenn Kinder unehelich geboren werden, so ist dies kaum alsZeichen für die bewußte Wahl einer alternativen Lebensform zu werten: EineMehrheit holt nach, was der Bevölkerungsmehrheit ganz offenkundig als Nor-malität gilt, und heiratet nach der Geburt des Kindes. Dies gilt nicht nur fürdiejenigen, deren erstes Kind in einer Phase nichtehelichen Zusammenlebensgeboren wird (Zeilen 7-10, 16-18), sondern auch für die wenigen Befragten(1,5%), deren erstes Kind zur Welt gekommen ist, bevor überhaupt eine Le-bensgemeinschaft eingegangen wurde (Zeile 39 - 47).60

Festzuhalten bleibt, daß die Ehe zwar nicht bedeutungslos geworden ist,aber ihre Bedeutung sich gewandelt hat. Zwar ist eine Heirat nicht mehr not-wendigerweise der erste Schritt der Familiengründung, aber immer noch hei-raten im Beobachtungszeitraum über 30% der Befragten, bevor sie mit einemPartner eine gemeinsame Wohnung beziehen. Häufiger als gleich zu heiraten,wird diese traditionelle Sequenz allerdings durch eine neue Normalität desFamiliengründungsprozesses ergänzt, bei der man erst einmal ohne Trau-schein zusammenlebt. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein und wur-den oben bereits angesprochen. Die langen Ausbildungszeiten unserer nachBildung selegierten Stichprobe spielt dabei gewiß eine bedeutsame Rolle, diedie differenzierte Analyse klarer ins Blickfeld rücken wird. Gleichgültig, obdie nichteheliche Lebensgemeinschaft zunächst als echte Alternative zur "bür-gerlichen" Ehe verstanden wurde oder ob sie Ehe auf Probe sein sollte – wennsich die Beziehung als beständig erweist, dann steht einer Heirat häufig nichtsmehr im Wege. Die nach wie vor vorhandene Bedeutung der Institution Ehebelegt die Tatsache, daß die überwältigende Mehrheit der Befragten mit Kin-dern durch ihr faktischen Handeln zeigt, daß sie annehmen, erst die Ehe bieteden angemessenen Rahmen für eine Elternschaft. Kinder, die außerhalb derEhe geboren wurden, sind in unserer Stichprobe Ausnahmen; Kinder, die ineiner Phase des Alleinlebens geboren wurden, sind Einzelfälle. In beiden Fäl-len ist die Tendenz zu beobachten, der schwierigen Lebenssituation durch diegewissermaßen nachgeholte Normalität einer späteren Heirat zu entrinnen.

116 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

60 Damit stimmt das von Nave-Herz (1992) vorgelegte Ergebnis überein, daß alleinerziehendeMütter nur selten Ehegegner aus Überzeugung sind (vgl. auch Burkart 1993a). Sie haben sichhäufig für ein Kind, aber gegen einen konkreten Partner entschieden. Selbst dort, wo zum Zeit-punkt der Geburt des Kindes eine grundsätzliche Ehegegnerschaft vorlag, findet sich oft eine re-trospektive Distanzierung von der damaligen Überzeugung.

Eine Pluralisierung der Lebensformen macht sich offensichtlich vor allem inder Zunahme legitimer Optionen der Lebensgestaltung bemerkbar. Das zitier-te "alte Paket" ist zwar "aufgeschnürt" (Tyrell 1988), von der neugewonnenenWahlmöglichkeiten machen die Individuen aber nur bei der nichtehelichenLebensgemeinschaft in nennenswertem Umfang Gebrauch, und dies vor allemals Vorstufe zur "alten" Institution Ehe. Diese Vorstufe allerdings ist inzwi-schen so weit verbreitet, daß sie selbst schon wieder im Rahmen des norma-len Familiengründungsprozesses institutionalisiert ist. Da aber daneben dietraditionelle Folge der Ereignisse noch ihren Platz behauptet, scheint es ange-bracht, für die weitere Betrachtung der Sequenzen zwischen traditioneller undmoderner Normalität der Familiengründung zu unterscheiden. Sequenzen, indenen Kinder außerhalb der Ehe geboren werden, kommen zwar vor, dochselbst in ihrer Summe sind sie der Zahl nach unbedeutend und haben zudemdie Tendenz, zur bürgerlichen Normalität der Ehe zurückzukehren.

Nachzutragen ist noch, daß im Alter von gut 30 Jahren fast ein Fünftel(18,0%, Zeile 1) aller Befragten noch keinen Schritt zur Gründung einer eige-nen Familie gemacht hat und noch nie mit einem Partner in einem gemeinsa-men Haushalt gelebt hat. Auch bei dieser Gruppe dürfte die verlängerte Aus-bildungszeit ehemaliger Gymnasiasten für einen Aufschub der Familiengrün-dung verantwortlich sein, so daß anzunehmen ist, daß diese Gruppe im Ver-lauf des weiteren Lebenslaufes noch abnimmt.

3.2.4 Eine Typologie privater Lebensformen

Aufbau der Typologie

Die in Tabelle 3.2 dargestellten Ereignissequenzen des privaten Lebenslaufslassen sich unter dem Gesichtspunkt des Familiengründungsprozesses typolo-gisch ordnen. Eine solche Betrachtungsweise berücksichtigt nicht nur die ak-tuelle Familienstruktur, sondern geht darüber hinaus und bezieht auch derenVorgeschichte mit ein. Das Zensierungsproblem, die Tatsache also, daß dieBefragten mit gut 30 Jahren unterschiedlich weit in ihrem Familiengrün-dungsprozeß fortgeschritten sind, aber die einzelnen Abschnitte des Prozessesdem einen nur ein Durchgangsstadium zur eigentlich angestrebten familialenLebensform, dem anderen aber bereits das Ziel selber sind, läßt es für einenquantitativen Vergleich der verschiedenen Typen notwendig erscheinen, In-formationen zur weiteren Entwicklung der einzelnen Prozesse über den Be-fragungszeitpunkt hinaus in der Betrachtung zu berücksichtigen.

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 117

Solche Informationen liegen – zumindest als einseitig formulierte Absichtser-klärungen der Befragten – vor. Wer zum Befragungszeitpunkt noch alleinlebt, aber angegeben hat, mit einem festen Partner liiert zu sein, wurdegefragt, ob sie oder er mit "diesem Partner demnächst zusammenziehen wol-len" und/oder eine Heirat geplant sei.61 Wer bereits mit einem Partner unver-heiratet zusammenlebt, wurde gefragt, ob die Heirat beabsichtigt sei.62 Nichtunterschlagen werden soll hier, daß die Einseitigkeit der Absichtserklärungenvermutlich umso problematischer ist, je größer die Differenz zwischen demInstitutionalisierungsgrad der aktuellen und der erfragten Partnerschaft ist.Das Ziel des einen Partners ist sicher nicht notwendigerweise das desanderen. Aber dieser Vorbehalt trifft vor allem in der ersten Phase des Ken-nenlernens zu.63 Wenn die Beziehung länger besteht, desto kann auch eher da-von ausgegangen werden, daß die Perspektive der Partnerschaft zum Gegen-stand gemeinsamer Planungen geworden ist und die einseitig an einen Partnergerichtete Frage mit der beiden Partnern gemeinsamen Planung beantwortetwird. Die als Absicht formulierte Perspektive der Partnerschaft erlaubt es er-gänzend zu den in Tabelle 3.2 dargestellten objektiven privaten Lebensver-läufen zwischen verschiedenen Typen privater Lebensformen ("Single", "Li-ving-Apart-Together", "Ein-Eltern-Familien", Familiengründung nach tradi-tionellem und modernen Muster oder der nichtehelichen Lebensgemeinschaftals Alternative zur Ehe) genauer als bisher zu unterscheiden und die Befrag-ten entsprechend zu klassifizieren. Die Typologie ermöglicht einen quantitati-ven Überblick über die Verbreitung dieser verschiedenen Lebensformen.

Eine Beschränkung auf die aktuelle Partnerbeziehung erscheint ange-bracht, um die Komplexität der Typologie nicht durch Mischtypen, bei denendie erste Partnerschaft einem anderen Typ als die zweite zuzuordnen wäre, zuvergrößern. Ein verbreitetes Beispiel für einen solchen Mischtyp sind Befrag-

118 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

63 Ob dies vom Befragten aber dann schon als "feste" Partnerschaft gewertet wurde, diese frühePhase der Beziehung also hier überhaupt berücksichtigt wurde, ist zweifelhaft. Das Problemmangelnder Übereinstimmung der Partner reduziert sich dadurch also noch einmal.

62 Als Ablehnung wurde nur die Antwortkategorie "nein" gewertet. Die Antworten "Ja" und"Weiß nicht" bedeuten keine explizite Ablehnung und wurden deshalb als Zustimmunggewertet. Fälle mit "keiner Angabe" konnten auf der Basis der sonstigen zur Verfügung stehen-den Informationen den einzelnen Typen zugeordnet werden. Die Zuordnung kann in TabelleA3.3a des Tabellenanhangs nachvollzogen werden.

61 Selbstverständlich kann die so erklärte Absicht jederzeit geändert werden, aber auch die Hei-rat ist nur eine Willenserklärung, wenn auch die gegenüber einem Interviewer formulierte Ab-sicht natürlich von geringerer Verbindlichkeit als die vor einem Standesbeamten ist. Eine Typo-logie, die nur auf der zum Befragungszeitpunkt aktuellen privaten Lebensform basiert, also ohnedie als Absichtserklärung formulierten Perspektiven der Partnerschaft gebildet wurde, ist im An-hang (Tab. A3.3b) wiedergegeben und ermöglicht den direkten Vergleich.

te, die zuerst einen traditionellem Weg der Familiengründung eingeschlagenhaben, aber in ihrer zweiten Partnerschaft nach modernem Muster vor einerEhe zunächst unverheiratet zusammenleben. Da diese Sequenz nach einer ge-scheiterten Ehe die häufigste ist (Birkelbach 1996: TB16), wird hier auch einquantitativer Unterschied zu einer Typologie, die nicht an der aktuellen, son-dern an der ersten Partnerschaft ansetzt, deutlich: Der Anteil mit Familien-gründungen nach traditionellem Muster verringert sich zugunsten des moder-nen Normalitätsentwurfs.64

Ein weiterer Aspekt einer Typologie des Familiengründungsprozesses istder Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes. Berücksichtigt werden hier nurdie im Haushalt des Befragten lebenden Kinder, also auch Kinder aus einerfrüheren Beziehung des Partners, zu denen der Befragte selbst nicht in einembiologischen Elternverhältnis steht, sowie Adoptiv- und Pflegekinder, nichtaber Kinder, zu denen zwar ein biologisches Elternschaftsverhältnis besteht,die aber nach einer Trennung bei dem früheren Partner leben. Falls angege-ben wurde, ein Kind zu erwarten, konnte auch dies berücksichtigt werden, so-fern abzusehen war, daß das Kind bei dem Befragten aufwachsen würde. Dieswurde bei Frauen immer angenommen, bei Männern aber, sofern sie nicht mitihrer Partnerin bereits zusammenlebten, nur dann, wenn zumindest die Ab-sicht bestand, mit der Partnerin zusammenzuziehen oder zu heiraten.

Es lassen sich so auf der Basis des bereits vollzogenen und geplanten Fa-miliengründungsprozesses die in Tabelle 3.3 zusammengestellten sieben ver-schiedene Typen familialer Lebensformen unterscheiden.65 Die Einzelheiten

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 119

65 Eine dabei nicht berücksichtigte Dimension ist die Frage, ob es sich um eine hetero- oder ho-mosexuelle Partnerschaft handelt. Auch wenn sich insgesamt nur 12 Befragte zu einer homose-xuellen Partnerschaft bekannten, ist es interessant, zu wissen, welche Form diese Beziehung hat:5 homosexuelle Befragte leben getrennt vom festen Partner, 5 leben in einer Lebensgemeinschaftoder beabsichtigten zusammenzuziehen, einer ist Single, eine alleinerziehende Mutter.

64 Ganz allgemein erhöht sich durch die Betrachtung der aktuellen Partnerschaft gegenüber derersten Partnerschaft der Anteil von Lebensformen mit einer schwächeren Partnerbindung, wäh-rend eine Familiengründung nach traditionellem Muster an Bedeutung verliert. Das Zerbrecheneiner Partnerschaft erscheint subjektiv oft als das Scheitern einer Lebensform und begünstigdort, wo weitere Optionen präsent sind, die Wahl einer anderen privaten Lebensform. Dabeimuß es sich nicht in jedem Fall um eine Lebensform mit schwächerer Partnerbindung handeln.Es gibt auch einige Fälle, in denen die erste Partnerschaft eine nichteheliche Lebensgemein-schaft war, in der zweiten Partnerschaft aber ohne vorherige Probe gleich eine Ehe eingegangenwurde. Hier spielt offensichtlich die Hoffnung, daß eine Ehe eine größere institutionelle Sicher-heit als das bereits einmal gescheiterte Modell der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bietet, ei-ne Rolle. Dabei wird die Ehe als besser abgesicherten Alternative zur nichtehelichen Lebensge-meinschaft gesehen. Ein pragmatisches Heiratsmotiv, das sicher auch in anderen Fällen von Be-deutung ist, wird hier erkennbar. Wenn die Sicherheit der Institution gefragt ist, dann begünstigtnicht nur die selbstverständliche Orientierung an gültigen Normen, sondern auch pragmatischesKalkül die Entscheidung für eine traditionelle Form der Familiengründung.

120 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

1 Es handelt sich um die letzte Partnerschaft im Beobachtungszeitraum.Vgl. Tab. A3.3a/b

0,21,00,40,40,4Kinder vor Ehe, kein nichteheliches Zusammenleben

7.4

14,736,617,224,120,4Verheiratet, dann Kinder 7.3

5,06,05,45,15,3Verheiratet, keine Kinder7.2

3,61,04,21,42,9Heiratsabsicht noch nicht verwirklicht 7.1

23,544,627,231,029,0Traditionelle Familiengründung(Zusammenziehen = Heirat)

7

1,22,61,61,61,6Kinder vor aktueller Partnerschaft6.6

1,61,21,12,01,5Zusammengezogen, dann Heirat, Kinder vor Heirat

6.5

21,320,019,922,221,0Zusammengezogen, Heirat Kinder6.4

11,87,611,210,210,7Zusammengezogen, Heirat6.3

7,95,29,05,17,2Zusammen, Heiratsabsicht 6.2

4,02,04,82,03,5Absicht zusammenzuziehen und zu heiraten noch nicht verwirklicht

6.1

47,838,647,643,145,5Moderne Familiengründung(Zusammenziehen, später Heirat)

6

0,40,60,30,70,5Kinder vor aktueller Partnerschaft5.4

0,60,20,50,60,5Zusammenlebend und Kinder (ohne Heiratsabsicht)

5.3

4,11,82,64,43,5Zusammenlebend (ohne Heiratsabsicht)

5.2

1,20,61,11,01,0Absicht zusammenzuziehen noch nichtverwirklicht (ohne Heiratsabsicht)

5.1

6,33,24,56,75,5Lebensgemeinschaft als Alternative zur Ehe

5

1,02,60,42,61,4Ein-Eltern-Familie4

5,82,24,75,14,6Living-Apart-Together3

12,87,011,511,011,3Single2

2,91,84,40,72,6Hotel Mama1

1.4335001.0319021.933 N =

JaNeinMannFrau

StudiumGeschlechtAlle

Tabelle 3.3 Die Verbreitung der verschiedenen Typen privater

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 121

.

7.40,20,21,01,0

7.313,117,034,937,7

7.25,44,65,76,2

7.14,91,71,01,0

723,623,442,745,8

6.61,40,82,12,9

6.51,02,51,60,9

6.419,423,921,918,8

6.312,311,16,38,4

6.29,75,46,34,6

6.15,22,22,61,6

649,045,940,837,2

5.40,20,70,50,7

5.30,60,70,00,3

5.23,05,61,02,3

5.11,21,20,50,7

55,08,22,04,0

40,41,90,53,9

35,26,62,12,3

212,413,37,86,5

14,40,84,20,3

839594192308

TypMannFrauMannFrau

Mit StudiumOhne Studium

Lebensformen1

der Konstruktion der einzelnen Typen aus den Ereignissen des Lebenslaufs,den Absichten für die weitere Entwicklung und sonstige zusätzlichen Infor-mationen werden in den folgenden Analysen beschrieben und können darüberhinaus detailliert der Tabelle A3.3a im Anhang entnommen werden.

Ergebnisse: Einflüsse von Geschlecht und Bildungsverlauf auf die privateLebensform im Alter von dreißig Jahren

Mit der differenzierten Analyse soll untersucht werden, ob sich ein Einflußvon Geschlecht und Bildungsprozeß auf die Familiengründung in unter-schiedlichen Häufigkeiten der einzelnen Typen in den verschiedenen Sub-gruppen widerspiegelt. Ergebnis der Aggregatanalyse war, daß die Unter-schiede im Prozeß der Familienbildung zwischen Männern und Frauen vor al-lem im Bezug auf die Zeitpunkte bestehen: Bei Männern findet der gesamteProzeß etwa ein bis zwei Jahre zeitversetzt statt. Strukturelle Unterschiedeaber, die belegen, wie stark ein Studium den Lebenslauf im Prozeß der Fami-liengründung prägt, konnten zwischen den Gruppen mit und ohne Studiumgezeigt werden: Die verlängerte Ausbildungsphase verzögert im Aggregatnicht nur die einzelnen Statuspassagen bei Männern und Frauen, sondern fügtauch die nichteheliche Lebensgemeinschaft als eine Lebensform, die es er-möglicht, berufliche Pläne und private Wünsche schon während des Studiumszu integrieren, verstärkt in die traditionelle Abfolge der Ereignisse ein.

Nicht nur diese Ergebnisse sollen überprüft werden, sondern es wird auchgefragt, ob sich im liberalen studentischen Milieu und der Freiheit eines ver-längerten Moratoriums die selteneren, stärker individualisierten Lebensfor-men, wie z.B. die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Alternative zur Ehe,eher finden und auch durchhalten lassen, als in den Gruppen, die nach Abiturund Lehre im Alter von 30 Jahren schon einige Jahre im Berufsleben stehen.

"Hotel Mama": Mit dreißig Jahren noch keine eigene Wohnung

Nur 2,6% der Befragten haben zum Zeitpunkt der Befragung noch nie in einereigenen Wohnung gelebt und sind ohne Ambitionen, das "Hotel Mama"(Herms-Bohnhoff 1992) in absehbarer Zukunft zu verlassen. Ganz überwie-gend (2,4% aller Befragten, vgl. Tab. A3.3) sind sie ohne festen Partner.Während die Frage, ob ein Studium absolviert wurde, hier nur eine unterge-ordnete Rolle spielt – die frühere materielle Unabhängigkeit verringert denAnteil in der Gruppe der Nichtstudenten geringfügig – ergeben sich deutlicheUnterschiede zwischen Männern (4,4%) und Frauen (0,7%), die sich noch

122 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

verstärken, wenn man, diejenigen hinzurechnet, die zum Zeitpunkt der Befra-gung noch keine eigene Wohnung besitzen, aber die Absicht bekunden, mitihrem Partner zusammenzuziehen und/oder ihn zu heiraten: Der Anteil derMänner erhöht sich dann auf 7,1%, der der Frauen aber nur noch geringfügigauf 1,0% (vgl. Tab. A3.3b). Diese Männer scheinen das Elternhaus erst zuverlassen, wenn sichergestellt ist, daß die eigene Versorgung und die Erledi-gung der Hausarbeiten ohne Übergang von der Mutter auf die Frau übergehenkann (vgl. Ziegler/Schladt 1993), und sie so weiter unbelastet von den alltäg-lich anfallenden Arbeiten eines Haushaltes die eigene Ausbildung oder Be-rufskarriere betreiben können. Die traditionelle Frauenrolle verlangt dagegenvon Mädchen und jungen Frauen, anders als von männlichen Heranwachsen-den, schon im elterlichen Haushalt, ungeachtet der eigenen Belastungen durchAusbildung oder Beruf, eine Beteiligung an der Hausarbeit. Frauen habendurch das Verlassen des Elternhauses also weniger zu verlieren als Männer,von denen eine solche Beteiligung nur selten erwartet wird.

Singles

Allein in der eigenen Wohnung und ohne festen Partner leben 11,3% der Be-fragten. Aus Tabelle A3.3a geht hervor, daß ein Teil dieser Singles vorherschon mit einem Partner zusammengelebt hat und zum Teil auch schon ver-heiratet war. In einigen wenigen Fällen sind auch bereits Kinder vorhanden,die allerdings nicht mehr im Haushalt des Befragten leben. Die Anteile männ-licher (11,5%) und weiblicher (11,0%) Singles sind etwa gleich. Eine Diffe-renz von 5,8 Prozentpunkten zwischen Nichtstudenten (7,0%) und Studenten(12,8%) zeigt, daß in der Gruppe mit Studium mit ihren höheren beruflichenAspirationen, erwartungsgemäß seltener genug Raum bleibt, die Ansprücheeines festen Partners zu erfüllen. Dies gilt sicher vor allem in der Ausbil-dungsphase und verschiebt dadurch den Zeitpunkt der Familiengründung.Aber auch darüber hinaus kann – vor allem für Frauen – eine Entscheidungzwischen Beruf und Familie notwendig werden. Schon das Eingehen einer fe-sten Partnerschaft ist häufig genug nur der erste Schritt eines weitergehendenFamilienbildungsprozesses, mit dem vor allem auf die Frau zusätzliche Bela-stungen zukommen. Das erklärt auch den gegenüber der Gruppe der Männermit Studium (12,4%) geringfügig höheren Single-Anteil der Frauen mit Studi-um (13,3%). Möglicherweise eröffnet z.T. erst der Verzicht auf die Gründungeiner Familie den Frauen, in deren Lebensplanung die Entwicklung einer ei-genen Berufsperspektive höchste Priorität genießt, jenseits traditioneller Ge-schlechterrollen genügend Freiräume um die Berufskarriere voranzutreiben.

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 123

wegen des geringen Institutionalisierungsgrades der Lebensform frei auszu-handeln sind. Davon aber können Frauen mit hochgesteckten beruflichen Zie-len in besonderem Maße profitieren. Ansprüche des Partners, die aus einemtraditionellem Geschlechterrollenverständnis erwachsen, lassen sich leichterzurückweisen. Die Frau kann ungehindert von der zusätzlichen Belastung derHaushaltsführung für einen Mann und eine Familie66 ihre eigene Berufskarrie-re verfolgen, ohne dabei ganz auf eine Partnerschaft verzichten zu müssen.

Ein-Eltern-Familien

Allein mit einem Kind im Haushalt, fast immer nach einer zerbrochenen Part-nerschaft, leben die 1,4% der Befragten, die hier unter dem Typus 4: "Ein-El-tern-Familien" zusammengefaßt werden. Teilweise besteht zwar eine festePartnerbeziehung, aber keine Absicht mit diesem Partner zusammenzuziehenoder gar zu heiraten. Völlig anders als für die Befragten des Typs 3 stellt sichaber die berufliche Situation für alleinerziehende Elternteile, bei denen essich in der Regel um alleinerziehende Mütter (2,6% aller Befragten) und nurin Ausnahmefällen um alleinerziehende Väter (0,4%) handelt, dar. Die Be-rufstätigkeit der Mutter ist hier – wenn die Betreuungssituation des Kindes sieüberhaupt zuläßt – weniger Ausdruck einer ausgesprochenen Karriere-orientierung, sondern dient dazu, die häufig sehr schlechte wirtschaftliche Si-tuation (Meyer/Schulze 1993: 174f) zu verbessern. Abhängig von der Betreu-ungssituation ist auch der Umfang der Berufstätigkeit. Oft erzwingt die finan-zielle Situation den Weg in den Beruf, zugleich aber kann dieser wegen man-gelnder Betreuungsmöglichkeiten für das Kind nur als Teilzeitbeschäftigungausgeübt werden. Angesichts dieser Situation dürfte es sich in der Regel nurselten um eine geplante Lebensform, bei der eine Frau wohl ein Kind, aberkeinen Partner wollte, handeln. Was Burkart (1993a) über ledige Mütter inden USA feststellt, gilt wohl auch in der Bundesrepublik: "Die wenigsten sindsingle-mother by choice".

Wie Tabelle A3.3a im Anhang zeigt, entstehen Ein-Eltern-Familien über-wiegend durch die Trennung der Eltern. Seltener findet man Sequenzen, indenen das erste Kind außerhalb einer Lebensgemeinschaft oder Ehe geborenwurde, also Fälle bei denen man entweder vermuten kann, daß es sich um ei-ne "single-mother by choice" oder um eine ungewollte Schwangerschaft han-delt. Wenn ein neuer Partner vorhanden ist, dann dürften vor allem die Erfah-rungen der ersten gescheiterten Beziehung verhindern, daß der neuen Partner-

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 125

66 Keddi und Seidenspinner (1991: 174) zeigen, daß bei Paaren, die in getrennten Wohnungenleben, der Zeitaufwand der Frauen für die Hausarbeit deutlich niedriger ist als bei Paaren, diezusammenleben. Dadurch bleibt mehr disponible Zeit, die dem Beruf gewidmet werden kann.

schaft durch einen gemeinsamen Haushalt ein Rahmen gegeben wird. DieTatsache, daß es sich meist um eine "Restfamilie" nach einer zerbrochenenPartnerschaft handelt, macht ihre geringe Verbreitung in unserer Stichprobemit ihrer durch eine lange Bildungsphase relativ späten Familiengründungverständlich.67 Dementsprechend ist der Anteil in der Teilstichprobe, in derkein Studium den Familiengründungsprozeß verzögert hat, mit 2,6% auch hö-her als in der Gruppe mit Studium (1%).68

Bei den alleinerziehenden Eltern wird es sich in den meisten Fällen umein typisches Durchgangsstadium, nicht aber um eine bewußt als Alternativezur Ehe gewählten Lebensform handeln. Ähnlich wie bei Typ 3 (Living-A-part-Together) können viele der Gründe, die im Moment gegen das Zusam-menleben mit einem Partner sprechen, mit der Zeit ihre Bedeutung verlieren,so daß später vielleicht doch noch eine verbindlichere Form der Partnerschafteingegangen wird. Die Erinnerung an negative Erfahrungen der ersten Part-nerschaft verblaßt möglicherweise im Lauf der Zeit. Gleichzeitig wird derneue Partner besser kennengelernt, die Qualität der Beziehung gewinnt anGewißheit. Dadurch verringert sich das mit einer erneuten Familienbildungverbundene subjektive Risiko. Möglicherweise gibt es aber auch nur im Be-zug auf den aktuellen Partner gute Argumente gegen die Gründung eines ge-meinsamen Haushaltes. Ähnliches dürfte für alleinstehende Mütter, die niemit dem Vater des Kindes zusammenlebten, gelten. Wie Nave-Herz (1992)feststellt, handelt es sich bei ledigen Müttern kaum um ausgewiesene Ehegeg-nerinnen. Der Vater des Kindes wurde meist aus Gründen, die in dessen Per-son lagen, nicht geheiratet. Selbst wenn eine bewußte Entscheidung für dieseLebensform vorlag, dann war es in der Regel keine prinzipielle Entscheidunggegen die Ehe, sondern eine Entscheidung für das Kind und gegen den kon-kreten Partner. Die Lebensform der Ein-Eltern-Familien kann also durchausals eine Option der privaten Lebensführung gelten, aber kaum in dem Sinne,

126 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

68 Der Anteil von Ein-Eltern-Familien an allen Familien mit Kindern ist in der Gruppe ohne Stu-dium mit 5,2% fast doppelt so hoch wie der in der Gruppe mit Studium, wo er bei 2,7% liegt(Berechnung auf der Basis von Tabelle A3.3b).

67 Für das Jahr 1982, also im Zeitraum unserer Untersuchung, errechnet Krappmann (1988:134f) auf der Basis der amtlichen Statistik einen Anteil von 10,2% Ein-Eltern-Familien an allenFamilien mit Kindern unter 15 Jahren. In der vorliegenden Stichprobe liegt dieser Anteil nur bei3,6% (Berechnung auf der Basis von Tabelle A3.3b). Allerdings weist Krappmann darauf hin,daß aus der amtlichen Statistik nicht eindeutig hervorgeht, mit welchem Anteil sich darunternichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern verbergen. Er vermutet, daß dies auf etwa 15bis 20% der Fälle zutrifft, weil in diesen Haushalten neben dem "alleinerziehenden" Elternteilweitere erwachsene Personen leben. Die hier vorgelegten Zahlen können eine solche Fehlklassi-fikation von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern als Ein-Eltern-Familien vermei-den und sind auch deshalb niedriger.

daß sie von Beginn an erstrebt wird. Sie stellt nur in Ausnahmefällen eine be-wußt als Alternative zur Ehe gewählte Lebensform dar, sondern ist häufigerdas Resultat eines Abwägungsprozesses, bei dem aus zwei Möglichkeiten dieweniger schlecht erscheinende ausgewählt wird.

Gemeinsam ist den vier bisher diskutierten Lebensformen, daß aktuellnicht geplant ist, mit einem Partner zusammenzuleben. Über die Stabilität die-ser Einstellung kann hier nicht gesagt werden. Nur wenig spricht allerdingsdagegen, daß sich mit veränderten Rahmenbedingungen auch die Absichtenändern und einer der im folgenden beschriebenen Wege der Familiengrün-dung beschritten wird. So betont Bachmann (1992: 163ff) für die "Singles",daß nur die wenigsten (etwa 15%) eine Partnerschaft kategorisch ablehnen,auch wenn bei einigen viele Einwände gegen die konkrete Realisierung beste-hen. Möglicherweise verringert sich aber durch eine spätere Familiengrün-dung lediglich der Anteil des ersten Typs ("Hotel Mama"), die drei anderenTypen dürften sich aus zerbrochenen Beziehung immer wieder aufs neuespeisen. Zum Befragungszeitpunkt können 19,3% der Befragten mit geschei-terter ersten Partnerschaft (nichteheliche Lebensgemeinschaft oder Ehe) demTyp "Single", 9% dem Typ "Living-Apart-Together" und 5,9% dem Typ"Ein-Eltern-Familie" zugeordnet werden (Birkelbach 1996: TB16).

Die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Alternative zur Ehe

Die drei anderen in Tab. 3.3 ausgewiesenen Typen haben zum Zeitpunkt derBefragung einen mehr oder weniger konventionellen Weg hin zu einer voll-ständigen Familie, d.h. Haushaltsgemeinschaft mit einem Partner und gegebe-nenfalls Kinder, eingeschlagen. Da die bei der Familiengründung zurückge-legte Wegstrecke ganz unterschiedlich ist, lohnt es sich hier, die Anteile aufden einzelnen Stufen zusätzlich differenziert anzugeben, um bei der Betrach-tung gruppenspezifische Verzögerung in diesem Prozeß zu erkennen. Die je-weils erste Stufe stellt bei allen drei Typen die bloße Absicht, einen bestimm-ten Weg der Familiengründung zu beschreiten, dar. Die Geburt des erstenKindes ist die letzte Stufe, mit der der Prozeß der Familiengründung dann(vorläufig) abgeschlossen ist. Da Kinder aber nicht notwendigerweise der ak-tuellen Partnerschaft entstammen, sondern z.T. schon in die Partnerschaft miteingebracht werden, ergibt sich eine zusätzliche Dimension, die unter demGesichtspunkt der Häufigkeiten verschiedener familialer Lebensformen eben-falls von Interesse ist und gesondert ausgewiesen wird. Natürlich können sichauch Paare mit Kindern aus früheren Beziehungen auf jeder Stufe des Famili-

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 127

enbildungsprozesses befinden. Wegen der geringen Häufigkeiten ist es aberempirisch unfruchtbar, hier die einzelnen Stufen gesondert auszuweisen.

Lediglich 5,5% aller Befragten (Typ 5) verstehen ihre nichteheliche Le-bensgemeinschaft als echte Alternative zur Ehe und planen aktuell keine spä-tere Heirat. Darunter hat ein knappes Fünftel die bestehende Absicht zusam-menzuziehen noch nicht in die Tat umgesetzt (5.1). Ganz überwiegend lebendie Befragten dieses Typs kinderlos mit einem Partner zusammen und habennicht vor, zu heiraten (5.2). Inwieweit ihre Einstellung zur Ehe jedoch stabilbleibt, wenn die Elternschaft angestrebt wird, ist ungewiß. Wer aktuell nichtheiraten will, ist nicht unbedingt ein grundsätzlicher Ehegegner. Vielleichtgibt es ja objektive Ehehindernisse, etwa, weil einer der beiden Partner be-reits verheiratet ist. Häufiger wird wohl einfach kein Grund gesehen, die ge-genwärtige Lebensform in eine Ehe zu überführen. Ein Kind allerdings stellti.d.R. einen solchen Anlaß dar. Insofern ist erst die Elternschaft ein echterPrüfstein, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich eine echte le-benslange Alternative zur Ehe darstellt, oder ob sie, obwohl ursprünglichvielleicht mit einem anderen Anspruch angetreten, nur eine Übergangsphasedarstellt. Noch nicht einmal jeder 10. derjenigen, die ihre gegenwärtige Le-bensgemeinschaft als Alternative zur Ehe verstehen, ist im Rahmen dieserPartnerschaft Vater bzw. Mutter geworden (5.3). Ähnlich niedrig ist der An-teil mit Kindern aus einer früheren Partnerschaft, die im gemeinsamen Haus-halt leben (5.4). Wenn die Elternschaft der wichtigste Prüfstein für die Ernst-haftigkeit der Ehegegnerschaft ist, dann kann man nur bei 1% aller Befragtensicher davon ausgehen, daß die Lebensgemeinschaft faktisch mehr ist als einbloßes Durchgangsstadium zur Ehe. An der geringen Bedeutung der nichtehe-lichen Lebensgemeinschaft als einer zur Ehe alternativen Lebensform ändertsich kaum etwas, wenn man berücksichtigt, daß sich auch unter den aktuellnoch Kinderlosen ein gewisser Anteil verbergen dürfte, der auch auf Dauerunverheiratet bleiben wird.

Begünstigt wird die Lebensform durch die Tatsache eines Studiums: 6,3%der aktuellen oder ehemaligen Studenten, aber nur 3,2% der Gruppe ohneStudium leben zum Zeitpunkt der Befragung unverheiratet zusammen oderbeabsichtigen zumindest, in absehbarer Zukunft zusammenzuziehen, wollenaber nicht heiraten. Das Verhältnis beider Gruppen verschiebt sich noch wei-ter zugunsten derjenigen mit Studium, wenn man nun nur die – empirisch al-lerdings beinahe bedeutungslose – Gruppe betrachtet, bei der die Elternschaftdokumentiert, daß für sie auch ein Kind keinen Heiratsgrund darstellt (5.3:Studenten: 0,6%, Nichtstudenten: 0,2%). Deutlich wird, daß die individuelleFlexibilität und Freiheit, die die fehlende institutionelle Reglementierung und

128 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

Geschlechterrollen dar (vgl. Meyer/Schulze 1988, 1993).69 Diese Lebensformist denn auch nicht nur allgemein für Frauen attraktiver als für Männer, son-dern ganz besonders in der Gruppe der Frauen mit Studium (8,2% gegenüber5% der Männer), wo häufiger kritisches Bewußtsein gegenüber traditionellemVerhalten mit hohen beruflichen Zielen kombiniert sein dürfte. Durch einKind würde die berufliche Entwicklung behindert, die Frauen würden ange-sichts i.d.R. fehlender Bereitschaft der Männer, die eigene Karriere zugunstender Kinderaufzucht zurückzustellen, und wegen mangelnder Betreuungsmög-lichkeiten außerhalb der Familie auf die Mutterrolle zurückgeworfen. Inso-fern macht die Tatsache, daß die Differenzen zwischen den Geschlechternsich vor allem in der Gruppe der Kinderlosen zeigt, die These der besonderenAttraktivität der Lebensform für Frauen, die sich eine eigene berufliche Per-spektive aufbauen wollen, zusätzlich plausibel.

Die moderne "Normalität" des Familiengründungsprozesses

Die Gruppe der Befragten, die in der aktuellen Partnerschaft dem modernenNormalitätsmodell der Familiengründung folgt, d.h. zunächst ohne Trau-schein mit dem Partner zusammenlebt und erst nach einer solchen "Ehe aufProbe" heiratet (Typ 6), bildet mit insgesamt 45,5% aller Befragten den mitAbstand am weitesten verbreiteten Typ. Angesichts dieser Zahlen fällt esleicht, hier von der "modernen Normalität" des Familiengründungsprozesseszu sprechen.

Aktuell noch allein, überwiegend in der eigenen Wohnung, aber mit derAbsicht zusammenzuziehen und später auch zu heiraten (6.1), lebt ein kleinerAnteil der diesem Typus zugeordneten Befragten. Eine etwas größere Gruppelebt kinderlos mit ihrem Partner zusammen und will später heiraten (6.2).Noch kinderlos, aber nach einer Phase nichtehelichen Zusammenlebens be-reits mit dem Partner verheiratet, ist ein knappes Viertel (6.3). Beinahe dieHälfte der Befragten mit einem der modernen Normalität entsprechenden Fa-milienbildungsprozeß aber sind, nachdem sie zuvor mit dem Partner unver-heiratet zusammengelebt haben, mit gut 30 Jahren nicht nur schon verheiratet,sondern auch bereits Eltern, wobei das Kind in der Ehe geboren wurde (6.4).

130 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

69 Der Zusammenhang zwischen traditionellen Geschlechterrollen, der Institution Ehe und derBedeutung der Berufstätigkeit der Frau für deren Emanzipation wurde von Feministinnen häufigthematisiert. So forderte z.B. Simone de Beauvoir 1972 in einem Gespräch mit Alice Schwarzerauf die Frage nach den Möglichkeiten zur Befreiung der Frau: "Als allererstes müssen die Frau-en außer Haus arbeiten. Als zweites, wenn möglich, die Heirat verweigern. ... Denn wenn manverheiratet ist, dann behandeln die Leute einen auch als verheiratet, und zum Schluß hält mansich selbst für verheiratet." (Schwarzer 1986: 39)

Sehr selten sind demgegenüber die Fälle, bei denen das erste Kind zwar in deraktuellen Partnerschaft, aber noch vor der Heirat geboren wurde (6.5). IhrAnteil an allen Befragten liegt nur bei 1,5%. Tabelle A3.3a belegt zusätzlich,daß die Mehrheit dieser Gruppe den Schritt, durch eine Heirat nach der Ge-burt des Kindes nachträglich zu einer Normalität des Familiengründungspro-zesses zurückzukehren, bereits vollzogen hat. Nur bei einer Minderheit istdieser Schritt erst beabsichtigt. Kinder aus früheren Partnerschaften des Be-fragten oder des aktuellen Partners finden sich bei einem ähnlich geringenAnteil der Befragten, deren aktueller Familiengründungsprozeß dem Modellder "modernen Normalität" folgt (6.6: 1,6% aller Befragten).

Historisch im Gefolge der Studentenbewegung und der sexuellen Liberali-sierung Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre als legitime Lebensformentdeckt, propagiert von der Frauenbewegung als eine Möglichkeit, traditio-nelle Geschlechterrollen zu überwinden, und zu Beginn von einer einflußrei-chen Minderheit vor allem als eine Alternative zur Ehe verstanden, hat dienichteheliche Lebensgemeinschaft inzwischen gründlich ihr Gesicht gewan-delt. Sie hat die Subkultur eines sich auch politisch verstehenden Gegenmo-dells zur "bürgerlichen" Familie verlassen und zunächst im erweiterten stu-dentischen Milieu Fuß gefaßt, weil sie es ermöglicht, der besonderen Lebens-situation des Studiums gerecht zu werden, ohne dabei zugleich auf denWunsch nach Partnerschaft und Intimität verzichten zu müssen. Partnerschaftwird so auch ohne Familie, d.h. ohne lebenslange Bindung und Verantwor-tung für andere, lebbar. Die dadurch mögliche Integration von privaten Wün-schen und Anforderungen der beruflichen Lebensphase erklärt einen weiterenAspekt der Verbreitung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in der Gruppemit Studium, wo 47,8% der Befragten zunächst unverheiratet zusammenle-ben, ohne dabei eine spätere Eheschließung auszuschließen.

Einmal als legitime Lebensform entdeckt, gewinnt die nichteheliche Le-bensgemeinschaft auch für weitere Kreise einer Gesellschaft, in der Selbstbe-stimmung und individuelle Freiheit einen hohen Stellenwert genießen, an At-traktivität, weil sie dem Einzelnen mehr berufliche und private Flexibilität er-möglicht. Sie erlaubt, die Risiken einer sich erst nachträglich als falsch erwei-senden Partnerwahl zu reduzieren und die Tragfähigkeit einer Partnerschafterst auszuprobieren. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft überschreitet somit einer zweiten pragmatischen Begründung den Kreis derjenigen, bei denendie private Lebensform vor allem der beruflichen Perspektive geschuldet war,und verbreitet sich nun auch in Bevölkerungskreisen mit einer weniger ausge-prägten beruflichen Lebensplanung. Zur zunehmenden Verbreitung der Le-bensform trägt darüber hinaus bei, daß Paare, die unverheiratet zusammenle-

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 131

ben wollen, heute kaum mehr Diskriminierungen, sei es auf dem Wohnungs-markt oder im Freundes- und Bekanntenkreis, ausgesetzt sind (Emnid 1985:82ff).70 Sie ist in der Gruppe ohne Studium zwar (noch) nicht ganz so weitverbreitet wie in der Komplementärgruppe, ist aber auch dort schon bei weitüber einem Drittel (38,6%) der erste Schritt der Familiengründung.

Wenn die Lebensform hier als "Ehe auf Probe" bezeichnet wird, dann be-deutet das nicht, daß die Heirat in jedem Fall von Beginn an angestrebt wird,sie wird oft lediglich nicht ausgeschlossen. Den Bestand der Partnerschaft,d.h. die Zusammengehörigkeit der Partner dokumentiert zwar bereits die Tat-sache des Zusammenlebens, dennoch wird die Ehe nicht grundsätzlich abge-lehnt. Angesichts der von Burkart/Kohli (1992: 105ff) gegenüber der Institu-tion Ehe diagnostizierten "neuen Gleichgültigkeit" reicht die bloße Bewäh-rung der Partnerschaft auch in Verbindung mit veränderten Lebensumständenalleine häufig nicht mehr aus, den Schritt zur Heirat zu begründen. In Bezugauf die Qualität der Partnerschaft kann die Ehe nicht mehr als eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft bieten. Umgekehrt stellt sich die Ehe dieserGruppe aber auch nicht als das "Gefängnis" dar, das individuelle Freiheitenunerträglich einschränkt und daher gemieden werden muß. Angesichts einersolchen Indifferenz gegenüber der Ehe müssen zusätzliche Argumente denAusschlag für eine Entscheidung zur Heirat geben. Neben finanziellen Vortei-len und anderen pragmatischen Überlegungen gibt wohl vor allem die Ent-scheidung zur Elternschaft den Anstoß, schließlich doch den Gang zum Stan-desamt zu wagen. Auch wenn man der Institution der Ehe indifferent gegen-übersteht, so scheint sie doch nach wie vor als eine Voraussetzung der Eltern-schaft zu gelten. Die Häufigkeiten der Sequenzen jedenfalls ist eindeutig: So-wohl in den Gruppen mit als auch ohne Studium bekommen nur gut 3% schonin der Phase des nichtehelichen Zusammenlebens, also vor ihrer Heirat, daserste Kind (6.5).

Die endgültige Bindung in der Ehe wird durch ein Studium aufgeschoben,auch weil sich die Frage der Elternschaft während des Studiums noch nichtstellt. In der Gruppe mit Studium sind dann zwar bereits drei von vier Perso-nen nach einer Phase nichtehelichen Zusammenlebens verheiratet (Summe6.3 bis 6.6) und die Hälfte hat auch schon Kinder (Summe 6.4 bis 6.6), in derGruppe ohne Studium aber sind bereits etwa 80% verheiratet, Eltern sindschon rund 60%. Noch ein interessantes Detail, das wiederum die frühere Fa-miliengründung in der Gruppe ohne Studium belegt, verrät die differenzierte

132 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

70 Die Zunahme der Akzeptanz der Lebensform in der gesamten Bevölkerung hängt gewiß aufder anderen Seite auch mit Verbreitung der Lebensform zusammen, so daß sich der Zusammen-hang als ein Prozeß darstellt, bei dem sich die beteiligten Faktoren wechselseitig verstärken.

Betrachtung indirekt: Hier ist der Anteil mit Kindern aus früheren Partner-schaften (6.6) deutlich höher als in der Gruppe mit Studium. Es handelt sichbei der betrachteten Partnerschaft also häufiger nicht mehr um die erste Le-bensgemeinschaft oder Ehe, sondern der Familiengründungsprozeß wurde be-reits einmal durchlaufen.

Betrachtet man nun die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, so istman zunächst einmal erstaunt darüber, daß die nichteheliche Lebensgemein-schaft als Ehe auf Probe für Frauen offensichtlich weniger attraktiv zu seinscheint als für Männer: Nur 43,1% der Frauen, aber 47,6% der Männer lassensich Typ 6 zuordnen, eine Differenz die sowohl in den Gruppen ohne (F:37,2%, M: 40,8%) als auch mit Studium (F: 45,9, M: 49,0%) vorhanden ist.Mit den bisherigen Überlegungen in Übereinstimmung gebracht werden kön-nen diese Differenzen, wenn man bedenkt, daß die nichteheliche Lebensge-meinschaft nicht als Alternative zur Ehe, sondern als erstes Stadium einesauch die Ehe und die Elternschaft einschließenden Familienbildungsprozes-ses, Frauen die Freiräume für eine berufliche Entwicklung nur für einen Über-gangszeitraum bietet. Unverheiratet zusammenzuleben ermöglicht zwar Män-nern und Frauen in gleicher Weise zunächst einmal die Integration von Pri-vatleben und Ausbildung: Addiert man die Anteile von Typ 5 (Lebensge-meinschaft als Alternative) zu dem Anteil derjenigen, deren Lebensgemein-schaft nur Vorstadium zur Ehe war oder ist (Typ 6), dann verschwinden dieDifferenzen zwischen den Geschlechtern. Ist die Ausbildung abgeschlossen,dann stellt sich vor allem für Frauen die Frage "Beruf oder Familie", wobeiFamilie hier vor allem Elternschaft, und damit i.d.R. auch Heirat bedeutet.Der größte Teil der Frauen versucht, beides miteinander zu vereinbaren, oderentscheidet sich – und hofft dabei i.d.R.: nur vorläufig – gegen eine eigeneberufliche Karriere und für eine Familie. Eine kleine Gruppe von Frauen mitbesonders hohen Ansprüchen an die eigene berufliche Entwicklung aber suchtandere Formen der privaten Lebensführung und entscheidet sich zugleichmeist gegen die Mutterschaft.

Traditionelle Familienbildung

Den traditionellen Weg der Familiengründung, d.h. ein gemeinsamer Haus-halt wird erst mit der Heirat begründet, haben in unserer Stichprobe noch29% der Befragten in der aktuellen Partnerschaft eingeschlagen (Typ 7). Da-von lebt jeder zehnte noch nicht mit dem Partner zusammen, beabsichtigtaber zu heiraten ohne vorher zusammenzuziehen (7.1). Wie Tabelle A3.3azusätzlich zeigt, leben die Befragten dieser Gruppe überwiegend bereits in ei-

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 133

ner eigenen Wohnung, z.T. auch nach einer Trennung. Schon einen Schrittweiter auf dem traditionellen Weg der Familienbildung, d.h. verheiratet, abernoch kinderlos ist etwa jeder fünfte (7.2).71 Die große Mehrheit der Gruppemit einer Familiengründung nach traditionellem Muster hat mit 30 Jahren be-reits ein Kind aus dieser Ehe oder erwartet eines (7.3). Sehr selten sind Kin-der, die bereits vor der Ehe geboren wurden (7.4).

Die geringe Verbreitung eines solchen Familiengründungsprozesses in derGesamtgruppe verschleiert allerdings die deutlichen Unterschiede, die sichzwischen den Gruppen mit (23,5%) und ohne Studium (44,6%) ergeben. DieZahlen verdeutlichen noch einmal, in welchem Ausmaß die durch die Tatsa-che eines höheren Bildungsniveaus indizierten Faktoren, also eine verlängerteBildungsphase, höhere berufliche Aspirationen und möglicherweise liberalereWertvorstellungen, den Lebenslauf dahingehend verändern, daß die traditio-nelle Familiengründung zugunsten von unverbindlicheren Lebensformen zu-rückgedrängt wird. Die durch ein Studium verlängerte Bildungsphase redu-ziert nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Familiengründung nach traditio-nellem Muster, sie zögert diesen Prozeß auch erwartungsgemäß hinaus: In derGruppe mit Studium ist der Anteil mit Kindern in der Ehe geringer als in derGruppe ohne Studium (Summe 7.3 u. 7.4).

Frauen (31,0%) heiraten häufiger als Männer (27,2%), ohne vorher schonmit dem Partner zusammengezogen zu sein. Vergleicht man allerdings dieAnteile in den beiden Bildungsgruppen, dann stellt man fest, daß sich dieseDifferenz ausschließlich in der Gruppe ohne Studium wiederfindet (Frauen:45,8% und Männer: 42,7%). In der Gruppe mit Studium sind die Anteile beibeiden Geschlechtern etwa gleich. Wenn die Frauen ohne Studium stärker ih-rer traditionellen Geschlechterrolle verhaftet sind, dann suchen sie vielleichtauch häufiger gleich die (vermeintliche) Sicherheit der Ehe. Möglicherweiseaber liegt die Ursache der beschriebenen Geschlechterdifferenz im allgemeinspäteren Familiengründungsprozeß der Männer. Solche zeitlichen Verschie-bungen sollten durch die Berücksichtigung der Absichten aufgefangenwerden, was aber nicht vollständig gelingen kann, da zum Zeitpunkt der Be-fragung, insbesondere in der Gruppe ohne Studium, mehr Männer als Frauennoch ganz ohne Partner leben, sei es nach wie vor umsorgt im Hotel Mama(Typ 1) oder auch als Single (Typ 2). Auch in der Gruppe mit Studium findetman mehr alleinstehende Männer als Frauen, wenn auch die Differenz gerin-ger ist. Dort aber dürften stärker berufliche Gründe für die Wahl der Lebens-

134 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

71 Ein Teil dieser Gruppe (n=12 Befragte) hat im Zeitraum der aktuellen Partnerschaft geboreneKinder, die aber nicht im Haushalt der Befragten leben. Über diese Kinder kann aufgrund feh-lender Informationen keine Aussage gemacht werden.

form ausschlaggebend sein, während in der Gruppe ohne Studium häufigernoch auf die "richtige" Partnerin gewartet wird. Möglicherweise werden sichalso im weiteren Lebensverlauf die beschriebenen Unterschiede weiter verwi-schen.

3.2.5 Ausbildung und Normalität im Familiengründungsprozeß

Gibt es nun noch den normalen privaten Lebenslauf? Betrachtet man nur diegroße Zahl legitimer Optionen, wie sie sich in der Vielzahl unterschiedlicherSequenzen in Tabelle 3.2 manifestiert, dann sicher nicht. Aber schaut man miteinem zweiten Blick noch einmal genauer hin und sieht dabei, in welch unter-schiedlichem Ausmaß die einzelnen Optionen tatsächlich wahrgenommenwerden, dann stellt man fest, daß gegenwärtig von ihrer Verbreitung her vorallem zwei Normalitäten des Prozesses der Familiengründung miteinanderkonkurrieren: Eine traditionelle Form, in der die Partnerschaft, verstanden alsGeschlechts-, Lebens- und Haushaltsgemeinschaft, noch fest mit der Instituti-on der Ehe verknüpft ist, und eine moderne Variante, in der Partnerschaft undEhe zunächst entkoppelt sind. Die aber hat in unserer nach Bildung selegier-ten Stichprobe das traditionelle Muster an Bedeutung längst überflügelt.

In der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann Partnerschaft heute freivom Anspruch der Ehe auf lebenslange Bindung, der ja auch durch die wahr-genommene Realität hoher Scheidungsraten der Erosion ausgesetzt ist, nur alsGeschlechts- und Haushaltsgemeinschaft praktiziert und probiert werden.Entschiedene Ehegegnerschaft ist dabei die Ausnahme. Wesentlich häufigerals eine bewußt lebenslange Alternative zur Ehe erweist sich die nichtehelicheLebensgemeinschaft in der Perspektive des Lebenslaufs nur als erster Schritteines Familiengründungsprozesses, dessen nächste Schritte Heirat und Eltern-schaft sind. Dies kann von Beginn an so geplant gewesen sein, das Zusam-menleben als Ehe auf Probe verstanden worden sein. Aber angesichts verbrei-teter Indifferenz gegenüber der Ehe wird häufig beim Zusammenziehen nichtgleich die Heirat anvisiert. Die Zusammengehörigkeit der Partner wird schondurch ihr Zusammenleben hinreichend nach innen und außen dokumentiert.Wenn allerdings gute Gründe für eine Heirat sprechen, dann wird die Eheauch nicht abgelehnt.

Ein weit verbreiteter Heiratsgrund ist der Kinderwunsch. Nach wie vorscheint die Ehe aus Sicht der Akteure die besten Rahmenbedingungen für dieElternschaft zu bieten. Diesen Schluß legt zumindest das faktische Verhaltender Befragten nahe: Kinder werden überwiegend in eine Ehe hineingeboren.

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 135

Kommen sie vor der Heirat zur Welt, so wird die Heirat häufig nachgeholt.Wenn man also im Zusammenhang mit dem privaten Lebenslauf von "Nor-malität" sprechen möchte und diese "Normalität" an der Verbreitung der un-terschiedlichen Muster des Familiengründungsprozesses festmacht, dann wirddiese mehr und mehr durch die Sequenz Zusammenziehen-Ehe-Kinder ge-prägt, auch wenn gerade in Schichten mit niedrigerem Bildungsniveau die tra-ditionelle Folge der Ereignisse, erst mit der Heirat einen gemeinsamen Haus-halt zu gründen und die Elternschaft anzustreben, (noch) weiter verbreitet ist.

Dieser Unterschied aber rückt zugleich einen anderen Aspekt der Norma-lität des privaten Lebenslaufes ins Bewußtsein. Dazu gehört, daß der Prozeßder Familienbildung der beruflichen Entwicklung zunächst nachgeordnet ist.Das ist nicht neu: In dem Maße, in dem die Familie Wirtschaftsgemeinschaftist, bedarf sie eines materiellen Fundamentes. Wo traditionelle Geschlechter-rollen die Arbeitsteilung von Mann und Frau vorgeben, stand und steht auchheute noch der Familiengründung erst dann nichts mehr im Wege, wenn derMann seine Rolle als Ernährer der Familie gerecht werden kann, also seineAusbildung abgeschlossen hat und im Berufsleben steht. Darüber hinaus aberwürde eine Familie in der Ausbildungsphase Ressourcen binden, die die Kon-zentration auf den Erfolg der Ausbildung beeinträchtigte. Je stärker Lebens-chancen an die im Ausbildungsprozeß zu erwerbende Qualifikationen gebun-den sind, umso stärkeres Gewicht bekommt der Ausbildungsbereich auch ge-genüber anderen Lebensbereichen. Eine verlängerte Ausbildungsphase zögertdie Familienbildung also in jedem Fall hinaus, auch wenn dies ursprünglichwegen der traditionellen Arbeitsteilung der Geschlechter nur auf Männer zu-traf. Selbst in unserer Stichprobe ehemaliger Gymnasiasten sind die berufli-chen Ziele, die Frauen sich stecken, im Schnitt niedriger als die der Männer,ein Beleg der fortwirkenden Prägekraft traditioneller Geschlechterrollen. Da-mit korrespondiert der spätere Familiengründungsprozeß der Männer auf deranderen Seite.

Auch Frauen haben selbstverständlich längst die Bedeutung einer qualifi-zierten Berufsausbildung erkannt. Ausbildung und Familiengründung nachtraditionellem Muster, zu dem auch die Elternschaft gehört, sind daher fürMänner und Frauen hochgradig inkompatibel. In dem Maße, in dem die Teil-habe an berufsvorbereitenden Bildungsprozessen in das dritte Lebensjahr-zehnt hineinragt, können andere Lebensformen, die wegen ihrer geringerenVerbindlichkeit größere individuelle Freiräume lassen, bei der Integration pri-vater Wünsche und beruflicher Ambitionen helfen. Wenn es als normal gilt,der Ausbildung, und damit der Berufskarriere, Priorität über das Privatleben

136 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

einzuräumen, die Ausbildung sich aber zugleich weit in die Phase der Posta-doleszenz ausdehnt, ja eine solche Phase eigentlich erst begründet, dann spie-gelt sich auch in der Zunahme der Optionen der privaten Lebensführung einStück Normalität des Lebenslaufs.

Dies aber bedeutet nicht, daß wegen des beruflichen Ehrgeizes auf Fami-lie verzichtet wird. Der Verzicht ist oft nur vorläufig, d.h. auf die Ausbil-dungsphase beschränkt, und auch nicht vollständig: Aufgeschoben wird wäh-rend der Ausbildung nur die Elternschaft, nicht aber die Partnerschaft, wie dieweite Verbreitung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft belegt. Wenn aberauch diese Lebensform faktisch vor allem eine voreheliche Lebensgemein-schaft und keine grundsätzliche Alternative zur bürgerlichen Ehe darstellt,dann zeigt dies, daß eine verlängerte Bildungsphase dem Privatleben beson-dere Anpassungsleistungen abverlangt. Die manifestieren sich in der Wahlvon privaten Lebensformen, die dem Einzelnen mehr oder weniger großeFreiräume bieten, und damit einen stärker individualisierten Charakter besit-zen. Die Lebenslaufperspektive belegt, daß solche "neuen" Lebensformenüber kurz oder lang von einer großen Mehrheit zugunsten einer Familienbil-dung, die dem traditionellen Muster folgt und die Ehe als Voraussetzung fürdie Elternschaft versteht, aufgegeben werden. Die Motive dafür mögen sichgeändert haben – gewiß ist diese Sequenz heute nicht mehr in der Art, wienoch in den fünfziger und sechziger Jahren, normativ verbindlich – das fakti-sche Verhalten aber hat sich nur wenig geändert.

Die Optionalität der verschiedenen Lebensformen als Mittel zur Anpas-sung an die Anforderungen des Berufslebens gilt in dem Maße, in dem wirnicht nur Berufsmenschen sein müssen, sondern es auch sein wollen, auchüber den, wie stark auch immer ausgedehnten, aber dennoch begrenzten Zeit-abschnitt der Ausbildung hinaus. Wo die Berufskarriere ein eigenständigesLebensziel und die Arbeit mehr als bloßer Broterwerb ist, da wird es auchjenseits der Ausbildungsphase notwendig, berufliche Ambitionen und privateWünsche auszubalancieren. Die konsequente Nutzung von Chancen aufMärkten bedingt möglichst große Handlungsspielräume, wie sie die Ver-pflichtungen einer Familie gegenüber häufig nicht offenlassen.

Die verschiedenen Formen der privaten Lebensführung vom Single bis hinzur vollständigen Familie sind auch Ausdruck des individuell unterschiedli-chen Gewichtes der beiden Lebensbereiche, d.h. das Ergebnis eines Abwä-gungsprozesses zwischen Beruf und Privat. Ökonomischen Erklärungsmuster,die Handeln als Resultat einer Kosten-Nutzen-Kalkulation verstehen, könnendenn auch die empirisch häufigere Wahl von stärker individualisierten Le-bensformen, die über eine bloße Verzögerung auf dem Weg zu einer Familie

Typen privater und beruflicher Lebensläufe 137

nach traditionellem Modell hinausgehen, in der Gruppe mit Studium teilweiseplausibel machen.

Nach dem Abschluß der Ausbildung müssen sich Frauen, kaum aber Män-ner zwischen Beruf und Familie entscheiden. Eine Mehrheit der Frauen willnicht auf Familie verzichten, wie der auch bei den Frauen mit Studium hoheAnteil derjenigen, die mit 30 Jahren verheiratet sind und Kinder haben,belegt. Wenn sie stärker individualisierte Lebensformen wählen, dann vor al-lem temporär während der Ausbildungsphase. Für Männer allerdings ist dasProblem, beide Bereiche zu integrieren, auf Dauer leichter zu lösen: Sie kön-nen im Elternhaus oder in einer Partnerschaft mit traditioneller Arbeitsteilungunbelastet von den Verrichtungen des Haushaltes ihre Berufskarriere voran-treiben. Sie können auch frei von allzu engen Partnerbindungen allein oder ineiner nichtehelichen Lebensgemeinschaft das Moratorium genießen, das ih-nen eine verlängerte Ausbildung ermöglicht. Grundsätzlich gilt dies auch fürFrauen, setzt dabei aber eine Komplementarität der praktizierten Arbeitstei-lung voraus, die i.d.R. nicht gegeben ist.

Haben Frauen eigenen beruflichen Ehrgeiz, dann sind sie stärker als Män-ner gezwungen, ihre privaten Bedürfnisse den beruflichen Aspirationen unter-zuordnen und im Extremfall als Single ganz auf eine Partnerschaft zu verzich-ten. Aber auch Partnerschaftsformen, die auf eine die Elternschaft einschlie-ßende Familiengründung verzichten, bieten eher die Chance, eine eigene Be-rufskarriere zu betreiben. Diese Deutung legen zumindest die gegenüber denMännern in gleicher Lage bei den Frauen mit Studium höheren Anteile derLebensformen "Single", "Living-Apart-Together" und der kinderlosen Le-bensgemeinschaft als Alternative zur Ehe nahe. Die Tatsache, daß diese Un-terschiede auch im Alter von gut 30 Jahren noch bestehen, zeigt zusätzlich,daß eine eher kleine Gruppe der Frauen sich auch über die Ausbildungsphasehinaus gegen eine Familiengründung und für eine eigene Berufskarriere ent-schieden hat. Frauen mit hohem Bildungsniveau werden so zu Vorreitern neu-er Formen der privaten Lebensführung. Zugleich näheren sich in dieser Grup-pe die Lebensläufe von Männern und Frauen weiter an, da die Position im be-ruflichen Lebenslauf bei beiden die Wahl der privaten Lebensform in starkemAusmaße mitbestimmt.

138 Typen privater und beruflicher Lebensläufe

4 Die Koordination des privaten und beruflichen Le-benslaufes durch die Akteure

4.1 Zur Analyse der individuellen Koordinierung privater und beruf-licher Statusübergänge

Die Analysen des vorliegenden Kapitels knüpfen an die Untersuchungen deszweiten und des dritten Kapitels an. Wie zum Abschluß des dritten Kapitelswird auch hier noch einmal gefragt, in welcher Sequenz private und berufli-che Übergänge aufeinander folgen. Anders als im zweiten Kapitel, wo die In-stitution des Lebenslaufes im Aggregat der vier durch Kreuztabellierung derMerkmale "Mann/Frau" und "mit/ohne Studium" gebildeten Gruppen aus ver-schiedenen Perspektiven rekonstruiert wurde, sollen hier Zusammenhänge derprivaten und beruflichen Übergänge in den individuellen Lebensläufen unter-sucht werden. Nachdem dort die Muster der Institution des Lebenslaufes be-schrieben wurden, steht nun die Frage individueller Orientierung an diesemMuster im Zentrum der Betrachtung.

Wichtigstes Ergebnis der Analysen des zweiten Kapitels war, daß im Ag-gregat aller vier Gruppen eine Familiengründung im Sinne von Ehe und El-ternschaft erst nach dem Berufseinstieg stattfindet. Durch eine weit in dasdritte Lebensjahrzehnt ausgedehnten Ausbildungsphase wird es notwendig,besondere Formen der Integration von privaten Wünsche und Ausbildungssi-tuation zu finden. Dieses Bild wurde durch die Ergebnisse des dritten Kapi-tels, in dem Bildungsverläufe und Familiengründungsprozesse auf der Basisindividueller Lebensverläufe typologisch geordnet werden konnten, weitge-hend bestätigt. Durch die Orientierung an den individuellen Lebensläufen derAkteure wird bei diesen Analysen stärker der Optionalität privater Lebensfor-men Rechnung getragen. Die zeichnen sich durch unterschiedliche Grade anVerbindlichkeit aus und lassen so in ganz ungleichem Maße die notwendigenFreiräume für Ausbildung und Beruf. Die Wahl der privaten Lebensformkann daher auch als spezifische Anpassung an den individuellen Grad berufli-cher Orientierung verstanden werden kann. Das gilt in besonderen Maße für

Frauen mit hohen beruflichen Aspirationen. Gezeigt werden konnte aberauch, daß trotz der Präsens einer Vielzahl privater Lebensformen als legitimerOptionen, die große Mehrheit der Befragten entweder dem traditionellen Fa-miliengründungsmuster oder einer modernen Variante folgt, bei dem der Eheeine Phase vorehelichen Zusammenlebens vorausgeht. In beiden Fällenscheint die Ehe nach wie vor eine zentrale Voraussetzung der Elternschaftdarzustellen. Wo die Gründung einer Familie angestrebt wird, ist es notwen-dig, die einzelnen Schritte dieses Prozesses mit den Stufen der Ausbildungs-und Berufslaufbahn zu koordinieren. Erfolge im beruflichen Lebenslauf hän-gen auch davon ab, daß nicht allzu viele Ressourcen durch private Verpflich-tungen gebunden werden. Nicht schon eine Partnerschaft, wohl aber dieGründung einer Familie, zu der – zumindest in der Perspektive – auch die El-ternschaft gehört, erscheint daher in hohem Grade inkompatibel zu der Tatsa-che eines noch nicht beendeten Ausbildungsprozesses.

Von besonderem Interesse ist daher, in welchem Umfang Schritte der Fa-miliengründung gemacht werden, bevor die für den Bildungs- und Berufsver-lauf zentralen Hürden des höchsten Schulabschlusses, des Endes der berufli-chen Qualifikation und des Berufseintrittes überwunden worden sind. In die-sem Kapitel soll deswegen zunächst beschrieben werden, wie diese berufli-chen und privaten Statuspassagen in individuellen Lebensverläufen aufeinan-der folgen, um dann die Dynamik der Prozeßverläufe zwischen beruflichenund privaten Ereignissen genauer zu betrachten. Als Interpretationsfolie dientdabei vor allem die Hypothese einer Dominanz der Ausbildung und die Über-legung, daß – gegeben die Richtigkeit dieser Hypothese – Handeln sich pri-mär an den Kriterien einer Kosten-Nutzen-Kalkulation orientiert, also fragt,ob und inwieweit bestimmte Handlungen der Ausbildung, also letztlich deneigenen Lebensperspektiven, schadet oder nutzt.

Wer die zeitliche Koordination zweier Prozesse, als die der berufliche undder private Strang des Lebenslaufes aufgefaßt werden können, beschreibenwill, der muß sich zunächst festlegen, an welchen Punkten der beiden Ent-wicklungslinien dies geschehen soll. Dazu wird auf die Ereignisse zurückge-griffen, die beide Prozesse maßgeblich strukturieren. Die Zeitpunkte dieserStatusübergänge lassen sich dann miteinander in Beziehung setzen und ver-gleichen. Auf der beruflichen Seite handelt es sich dabei – wie schon in denAnalysen des zweiten Kapitels – vor allem um die Zeitpunkte des höchstenSchulabschlusses und des Eintritts in die Erwerbstätigkeit nach dem Abschlußder Phase der Qualifikation für den Beruf, also um Ausgangspunkt und Zielder Ausbildungsphase.

140 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

Ähnlich markante Ereignisse sind für den privaten Lebenslauf der erstmaligeBezug einer eigenen Wohnung, also die Lösung vom elterlichen und dieGründung eines eigenen Haushaltes, und als Schritte der Familienbildung dererste gemeinsame Haushalt mit einem Partner, sowie die Geburt des erstenKindes. Die erste Stufe der Familienbildung ist weniger hoch und damit leich-ter zu bewältigen, wenn nicht gleich geheiratet wird. Zusammenziehen undHeirat werden deshalb getrennt betrachtet. Die differenzierte Betrachtung gibtzusätzlichen Aufschluß darüber, inwieweit die Lebensform der nichtehelicheLebensgemeinschaft genutzt wird, private und berufliche Interessen miteinan-der in Einklang zu bringen.

Eine eindeutige Reihenfolge von zwei Ereignissen des beruflichen undprivaten Lebenslaufes läßt sich nur dann ermitteln, wenn mindestens eines derbeiden Ereignisse nicht zensiert ist.72 Obwohl in dem Falle, daß beide Ereig-nisse im Befragungszeitraum noch nicht stattgefunden haben, keine empiri-sche Aussage über ihre Abfolge möglich ist, wird auf alle Befragten mit gülti-gen Werten der beteiligten Variablen in der jeweiligen Subgruppe prozentu-iert. Dadurch wird vermieden, daß sich die Prozentuierungsbasis systematischverkleinert, je später die Ereignisse in der Sequenzfolge ihrer jeweiligen Le-benslaufdimension angesiedelt sind. Zugleich werden die Anteile mit privatenvor beruflichen Übergängen durch diese Vorgehensweise nur geringfügig un-terschätzt, denn es kann im Falle einer Zensierung beider Ereignisse vermutetwerden, daß der Familiengründungsprozeß wegen der späten beruflichenÜbergänge hinausgezögert wurde.

Im folgenden wird für jedes der beiden Ereignisse des beruflichen Lebens-lauf dessen Koordination mit den Übergängen des privaten Lebenslaufs alsozunächst durch den Vergleich der Zeitpunkte ermittelt. Über eine solche Be-schreibung der Koordination beider Entwicklungslinien des Lebenslaufes imSinne eines bloßen "Vorher" und "Nachher" weist dann die dynamische Be-trachtung des Übergangsprozesses zwischen beruflichen und privaten Ereig-nissen hinaus. Bei diesen Untersuchungen aber muß mindestens der Aus-gangspunkt des Prozesses gegeben sein, so daß sich hier – anders als bei demVergleich der Höhe der Anteile mit privaten vor beruflichen Ereignissen inden verschiedenen Gruppen – die Prozentuierungsbasis reduziert.

141 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

72 Anders als in vorausgegangenen Analysen, wo der Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes beiden Befragten, die angegeben haben, zum Zeitpunkt der Befragung ein Kind zu erwarten, auf ei-nen Termin fünf Monate nach dem Interview festgelegt wurde, werden hier nur die Kinder be-rücksichtigt, die tatsächlich im Beobachtungszeitraum geboren wurden.

4.2 Private Ereignisse und der höchste Schulabschluß

4.2.1 Der Normalfall: Lösung vom Elternhaus und Gründung einer Familieerst nach dem Schulabschluß

Die Lösung vom Elternhaus und die Familiengründung findet ganz überwie-gend erst nach dem höchsten Schulabschluß statt. Wie die Tabelle zu Abb.4.1 ausweist, bewohnen nur 5,1% aller hier befragten ehemaligen Gymnasia-sten vor dem Abschluß der Schulausbildung eine eigene Wohnung, nur 4,5%leben schon mit einem Partner zusammen und erst 1,5% sind bereits Eltern.Die während der Schulzeit noch starke Einbindung in die Herkunftsfamilie er-gibt sich beinahe selbstverständlich aus der noch fehlenden materiellen Selb-ständigkeit des Schülers, ist aber auch durch entsprechende Altersnormen(z.B. die gesetzliche Volljährigkeitsregelung) abgesichert.

Der Schulabschluß stellt eine Zäsur dar. Mit ihm wird eine Lebensphaseabgeschlossen und es beginnt nach einer mehr oder weniger kurzen Über-gangsphase, in der Männer z.T. auch den Wehr- oder Zivildienst abgeleisten,ein Lebensbschnitt, der die Ablösung vom Elternhaus erzwingen kann. Diesist etwa bei einem weit vom Elternhaus entfernten Studien- oder Ausbildungs-platz der Fall und mündet möglicherweise gleich in die Gründung eines eige-nen Haushaltes. Unabhängig davon kann der Einschnitt des Schulabschlussesaber auch nur ein äußerer Anlaß sein, den schon länger bestehenden, aber bis-her noch aufgeschobenen Wunsch nach Selbständigkeit endlich in Form einereigenen Wohnung zu realisieren.

Erst mit dem Schulabschluß beginnt für ehemalige Gymnasiasten der Pro-zeß der Lösung vom Elternhauses. Aber selbst ein entfernter Studienort führtnicht immer gleich zur Haushaltsgründung. Oft wird der elterliche Haushaltzunächst nur für die Vorlesungszeit gegen ein Zimmer in einem Wohnheimvertauscht. In anderen Fällen ist das nicht einmal nötig, da die Hochschulevom Elternhaus bequem zu erreichen ist. Die Aufnahme einer Berufsausbil-dung führt deutlich seltener als der Studienbeginn gleich zur Gründung eineseigenen Haushaltes, nicht nur, weil sich eine Ausbildungsstelle meist leichterals ein Studienplatz in der Nähe des Elternhauses finden läßt, sondern auch,weil es häufig lohnenswerter erscheinen mag, noch abzuwarten. Zwar ermög-licht die Ausbildungsvergütung bereits in Grenzen eine gewisse Unabhängig-keit, aber diese Grenzen sind angesichts des geringen Einkommens noch eng

142 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

gesteckt. Der Zeitraum der Ausbildung ist überschaubar73 und nach dem Aus-bildungsabschluß läßt sich das Bedürfnis nach Selbständigkeit auf einem we-sentlich höheren Niveau befriedigen.Der Prozeß des Verlassens des Elternhauses und der Gründung eines eigenenHaushaltes nach dem Abschluß der Schule kann nun durch die Übergangs-oder Hazardrate, die – wie im zweiten Kapitel bereits erläutert wurde – Auf-schluß über die momentane Neigung zum Zustandswechsel gibt (in unseremFall also die Neigung, einen eigenen Haushalt und/oder eine Familie zu grün-den), beschrieben werden. In Abbildung 4.2 bildet der höchste Schulabschlußden Ausgangspunkt von Prozessen, die in die Gründung eines eigenen Haus-haltes (4.2a) und einer eigenen Familie, verstanden als der Beginn des Zu-

143 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

73 Die Ausbildung bei Männern und Frauen ohne Studium dauert im Schnitt etwa 3 Jahre; beiFrauen mit Studium verstreichen zwischen Schulabschluß und Erwerbseintritt durchschnittlichüber 7 Jahre und bei Männern mit Studium gar mehr als 9 Jahre (vgl. Tab. 2.1).

1 Es handelt sich um die Anteile an allen Befragten mit gültigen Antworten in der jeweiligenSubgruppe. Die Prozentuierungsbasis schließt die wenigen Fälle mit ein, bei denen beide Ereig-nisse zensiert sind und sich keine eindeutige Reihenfolge ermitteln läßt. Dabei handelt es sichnie um mehr als 1% der Befragten einer Gruppe.Abkürzungen und Bezeichnungen der Übergänge: Zusam.: Verheiratet oder nichteheliche Le-bensgemeinschaft, NLGM: nichteheliche Lebensgemeinschaft. M.o.Stud.: Männer ohne Studi-um, F.o.Stud.: Frauen ohne Studium, M.m.Stud.: Männer mit Studium, F.m.Stud.: Frauen mitStudium.

0%

1%

2%

3%

4%

5%

6%

7%

8%

M.o.Stud.F.o.Stud.M.m.StudF.m.Stud.Alle

Eig.Wohn. Zusam NLGM Heirat 1. Kind5,1 4,1 2,6 4,1 3,67,0 6,1 3,2 4,5 2,64,7 3,9 3,3 1,3 1,24,8 4,7 3,5 1,6 0,75,1 4,5 3,2 2,2 1,5

M.o.Stud.

F.o.Stud.

M.m.Stud.F.m.Stud.

Abbildung 4.1 Private Statuspassagen vor dem höchsten Schulabschluß.1

sammenlebens mit einem Partner, gleich ob verheiratet oder nicht (4.2b), unddie Geburt des ersten Kindes (4.2c) münden und in Form der Übergangsratengetrennt für Männer und Frauen, jeweils mit und ohne Studium dargestelltwerden. Zuvor allerdings wird jeweils als Maßzahl für die durchschnittlicheProzeßdauer der ebenfalls in Abb. 4.2 ausgewiesene Median diskutiert.

Die Gruppen mit Studium verlassen nach dem Abschluß der Schuleschneller als die Gruppen ohne Studium, und Frauen schneller als Männer dasElternhaus. Es dauert bei den Männern ohne Studium über 4½ Jahre (56 Mo-nate), bei den Frauen ohne Studium noch knapp 4 Jahre (47 Monate), bei denMännern mit Studium nur 3¼ Jahre (39 Monate) und bei den Frauen mit Stu-dium noch keine 2 Jahre (21 Monate) bis über 50% der Befragten einer Grup-pe das Elternhaus verlassen haben. Wie wir aus den Analysen des zweitenKapitels wissen, bestehen hinsichtlich des Alters, in dem eine Mehrheit erst-mals eine eigene Wohnung besitzt, kaum Unterschiede zwischen den Grup-pen mit und ohne Studium: Männer sind dann etwa 23 Jahre, Frauen etwa 21Jahre alt (vgl. Tab. 2.5). Die Unterschiede der durchschnittlichen Prozeßdau-er zwischen den Gruppen mit und ohne Studium sind also vor allem auf ihrunterschiedliches Alter beim höchsten Schulabschluß zurückzuführen.

Betrachtet man nun den Prozeß in Form der in Abb. 4.2a dargestellten Ha-zardfunktion genauer, dann sieht man, daß erwartungsgemäß in den Gruppenmit Studium die Wahrscheinlichkeit der Hausstandsgründung zwischen dreiund sechs Monaten nach dem Abschluß der Schule sprunghaft ansteigt unddabei bereits ihren Höhepunkt erreicht, danach aber gleich wieder abfällt, al-so in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer baldigen Studienaufnahme,d.h. zum nächstmöglichen Semester, steht. Bei den Männern allerdings istdieser erste Gipfel deutlich niedriger als bei den Frauen, es folgen auf das er-ste Maximum zwei etwas kleinere lokale Gipfel in den Zeiträumen von 12 bis18 und von 24 bis 30 Monaten. Auch hinter diesem Verlauf kann der Studien-beginn als Auslöser stehen, der bei den Männern z.T. durch die zwischenzeit-liche Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes verzögert wird. Nach gut zweibis drei Jahren ist bei Männern und Frauen mit Studium die Rate wieder aufdas Ausgangsniveau zurückgefallen und steigt dann bei den Männer in dennächsten 10 Jahren nur noch geringfügig an. Bei den Frauen mit Studium fin-det man zu Beginn des Prozesses nur den einen, allerdings besonders ausge-prägten Gipfel, der die zeitliche Verknüpfung von Abitur, Studienbeginn undHaushaltsgründung dokumentiert. Zwischen dem 6. und dem 12. Monat nachdem Schulabschluß fällt die Rate dort steil und in den folgenden 2 Jahrenlangsamer ab. Nach 4 bis 5 Jahren schließlich steigt sie wieder deutlich anund bleibt bis ca. 8 Jahre nach dem Abitur auf dem dann erreichten Niveau.

144 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

145 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

1 Die Survivorfunktionen sind im Tabellenband (Birkelbach 1996) als Abbildung TB17 wie-dergegeben. Dort findet sich auch eine statistische Überprüfung der Unterschiede zwischen denGruppen.Eine unterbrochene Linie weist auf einen nicht mehr signifikanten (95%) Funktions-verlauf hin.2 Wegen der hohen Zahl zensierter Fälle (58,8%) kann bei den Männern mit Studium kein Me-dian für die Dauer bis zur Geburt des ersten Kindes ausgewiesen werden.

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 180

0,005

0,01

0,015

0,02

0,025

0,03

Frauen (n=305, Median: 124 Monate)

Männer (n=186, Median: 126 Monate)

Jahre0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

0

0,005

0,01

0,015

0,02

0,025

0,03

Frauen (n=605, Median: 160 Monate)

Männer (n=851)

Jahre

2

(c) Geburt des ersten Kindes

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 180

0,01

0,02

0,03

0,04

Frauen (n=291, Median: 60 Monate)

Männer (n=184, Median: 70 Monate)

Jahre0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

0

0,01

0,02

0,03

0,04

Frauen (n=572, Median: 59 Monate)

Männer (n=821, Median: 86 Monate)

Jahre

(b) Zusammenziehen mit Partner(in) (inkl. Ehe)

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 180

0,02

0,04

0,06

0,08

0,1

Frauen (n=292, Median: 47 Monate)

Männer (n=186, Median: 56 Monate)

Jahre0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

0

0,02

0,04

0,06

0,08

0,1 Frauen (n=582, Median:21 Monate)

Männer (n=824, Median 39 Monate)

Jahre

(a) Gründung des ersten eigenen HaushaltesOhne StudiumMit Studium

Abbildung 4.2 Übergänge des privaten Lebenslaufes nach dem höchstenSchulabschluß: Hazardfunktionen.1

In diesen Zeitraum fällt mit dem Studienabschluß und dem Beginn einer Er-werbstätigkeit ein weiterer Einschnitt des Lebenslaufes.

Auch Frauen und Männer ohne Studium verlassen wegen einer Ausbil-dung ihr Elternhaus, wie an einem kleineren lokalen Gipfel gleich nach demSchulabschluß zu sehen ist. Dessen geringe Höhe belegt zugleich, daß ein sol-ches Verhalten wesentlich seltener als in den Gruppen mit Studium ist. Imzweiten Halbjahr nach dem Schulabschluß sinkt die Rate wieder beinahe aufNull und steigt erst ab dem zweiten Jahr leicht und nach dem dritten Jahrdeutlich – also vermutlich nach dem Abschluß der Ausbildung – bis zum Gip-fel bei etwa 7 Jahren nach dem Schulabschluß wieder an. Der Anstieg aber istbei den Frauen wiederum viel ausgeprägter als bei den Männern, so daß dieRate der Frauen dann für den gesamten weiteren Zeitraum über der der Män-ner liegt.

Der Zeitpunkt des höchsten Schulabschlusses beeinflußt die lebenszeitli-che Terminierung der Gründung eines eigenen Haushaltes auf direktem Wegevor allem zu Beginn des Ausbildungsprozesses, wenn der Ausbildungsorträumliche Mobilität erzwingt. Darüber hinaus markiert der Abschluß derSchule den Beginn einer Ausbildung oder eines Studiums, also eines zeitlichbegrenzten Prozesses, dessen Ende wiederum einen Übergang, mit dem sichdie Rahmenbedingungen für Entscheidungen des privaten Lebenslaufes nach-haltig ändern, darstellt. Dies erklärt das erneute Ansteigen der Rate nach 2 bis3 Jahren wenn kein Studium absolviert wurde und nach 4 bis 5 Jahren im Fal-le eines Studiums. Die Dauer der Ausbildungsphase ist in Grenzen variabel,der Einfluß des Zeitpunktes des Schulabschlusses wird dadurch geringer. Zu-sammenfassend kann man also festhalten, daß nach dem Schulabschluß diePhase der beruflichen Qualifikation den Prozeß des Auszugs aus dem Eltern-haus dreifach beeinflußt: Der Beginn einer Ausbildung kann das Verlassendes Elternhauses notwendig machen. Der Status, sich in einer Ausbildung zubefinden, senkt danach zunächst die Wahrscheinlichkeit eines Auszuges, diedann aber im weiteren Verlauf mit steigender Dauer der Ausbildung wiederansteigt. Mit dem Ausbildungsabschluß und dem Berufseintritt sind dann end-gültig die Voraussetzungen für die Gründung eines eigenen Haushaltes gege-ben. Die Unterschiede im Prozeßverlauf zwischen den Gruppen mit und ohneStudium erklären sich dann erstens aus der Tatsache, daß die Aufnahme einesStudiums häufiger das Verlassen des Elternhauses erzwingt, und zweitens ausder erheblich größeren Dauer eines Studiums.

Der Vergleich der Prozesse zwischen den Geschlechtern zeigt darüberhinaus, daß bei Frauen der Zeitpunkt der Gründung eines eigenen Haushaltesstärker als bei Männern von den Übergängen des beruflichen Lebenslaufes

146 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

abhängt. So unterscheidet sich das Auszugsverhalten der Frauen mit und ohneStudium deutlich voneinander. Dagegen sind die Unterschiede zwischenMännern mit unterschiedlichen Bildungsverläufen nur schwach ausgeprägt.Frauen verlassen häufiger als Männer gleich mit dem Studienbeginn das El-ternhaus. Dies läßt sich als Indiz dafür deuten, daß Frauen mit besonders am-bitionierten beruflichen Plänen durch das Verlassen des Elternhauses z.T.auch der traditionellen Frauenrolle entfliehen, während die Gründung eineseigenen Haushaltes für Männer mit zusätzlichen Belastungen einhergeht. Da-rüber hinaus steigt, gleich ob mit oder ohne Studium, die Rate bei den Män-nern nach dem für eine Ausbildung veranschlagten Mindestzeitraum deutlichschwächer als bei den Frauen an, was auch darauf zurückzuführen ist, daß vorallem Männer mit der gewonnenen Selbständigkeit des eigenen Haushalteszugleich die Betreuung im "Hotel Mama" verlieren.

Wenn die mangelnde wirtschaftliche Selbständigkeit des Schülers schondas Verlassen des Elternhauses beinahe unmöglich macht, dann gilt dies na-türlich noch stärker für die Gründung einer Familie. Der Abschluß der Schuleist zwar eine Voraussetzung, kaum aber der Anlaß, mit einem Partner zusam-menzuziehen, und schon gar nicht der Anlaß für die Entscheidung zur Eltern-schaft. Wie die Mediane ausweisen, dauert es durchschnittlich nach dem Ab-schluß der Schule noch zwischen 5 und 7 Jahren, bis der erste Schritt der Fa-miliengründung in Form des Zusammenziehens mit einem Partner gemachtwird, und sogar mehr als 10 Jahre bis zur Elternschaft (vgl. Abb. 4.2b/c).

Der Zeitpunkt des Schulabschlusses beeinflußt den Zeitpunkt des Zusam-menziehens mit einem Partner oder einer Partnerin (Abb. 4.2b) nur selten di-rekt. Allerdings belegen die zu Beginn des Prozesses leicht erhöhten Raten inallen vier Gruppen, daß in einigen wenigen Fällen der Schulabschluß nurnoch abgewartet worden ist. Aber das ist die Ausnahme: Ganz überwiegendwirkt der Zeitpunkt des Schulabschlusses nur sehr indirekt als Voraussetzungund vermittelt über die Dauer der Ausbildung auf den Prozeß der Gründungeines gemeinsamen Haushaltes. Sichtbar wird dies an den Hazardraten derFrauen und Männer ohne Studium, wo der Anstieg erst nach etwa 2 Jahrenmit dem Abschluß der ersten, kürzeren Berufsausbildungen beginnt. Andersverhält es sich bei den Gruppen mit Studium, wo der Verlauf wegen der län-geren Ausbildungsdauer ein anderer ist. Der Anstieg der Rate setzt hier be-reits im ersten Jahr nach dem Schulabschluß ein, mithin im ersten Studien-jahr, ist aber gegenüber den Gruppen ohne Studium deutlich flacher. Andersals in einer Berufsausbildung spricht die lange Dauer des Studiums gegen ei-nen vorläufigen Verzicht auf das Zusammenleben mit einem Partner – sicher

147 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

auch, weil mit einer eigenen Wohnung ohnehin häufig schon ein Schritt inRichtung Selbständigkeit getan worden ist.

Zwischen dem höchsten Schulabschluß und der Geburt des ersten Kindesschließlich lassen die Verläufe der Hazardfunktionen in keiner der betrachte-ten Gruppen einen Zusammenhang vermuten (Abb. 4.2c). Die Raten steigenin den Jahren nach dem Schulabschluß relativ langsam aber kontinuierlichüber einen Zeitraum von 10 bis 14 Jahren an. Die Funktionsverläufe für diebeiden Gruppen ohne Studium liegen fast während des gesamten betrachtetenZeitraumes über denen der Frauen und Männer mit Studium, was vor allemauf die kürzere Ausbildungsdauer zurückgeführt werden kann.

4.2.2 Sonder- und Umwege des beruflichen Lebenslaufes: Private Übergän-ge vor dem höchsten Schulabschluß

Bisher wurde der Normalfall – eigener Haushalt und Familiengründung erstnach dem höchsten Schulabschluß – untersucht. Jetzt soll der umgekehrteFall, bei dem der höchste Schulabschluß erst nach dem Verlassen des Eltern-hauses oder sogar erst nach der Gründung einer Familie erreicht wird, be-trachtet werden. Eine solche Sequenz der Ereignisse ist extrem selten: In derGesamtgruppe liegen die Anteile zwischen 5,1% und 1,5% (vgl. nochmalsAbb. 4.1). Bedenkt man allerdings, welch gewichtige Gründe während derSchulausbildung gegen das Verlassen des Elternhauses und die Gründung ei-ner Familie sprechen – die fehlende materielle Unabhängigkeit von Schülernan allgemeinbildenden Schulen läßt die Haushalts- und Familiengründungbeinahe unmöglich erscheinen – dann wirken selbst diese Anteile immer nochrecht hoch und rechtfertigen eine genauere Untersuchung.

Der Schlüssel zu diesem Phänomen ist, daß die Annahme eines frühenSchulabschlusses und der materiellen Abhängigkeit vom Elternhaus währendder Schulzeit von einem "Normallebenslauf" ehemaliger Gymnasiasten aus-geht, wie er im dritten Kapitel herausgearbeitet wurde, und bei dem der höch-ste Schulabschluß – i.d.R. also das Abitur – am regulären Gymnasium erwor-ben wurde und das Studium sich an das Abitur anschließt. Diese Sichtweisevernachlässigt aber die Möglichkeit eines erst verspätet auf dem zweiten Bil-dungsweg nachgeholten höchsten Schulabschlusses.

Der spätere Schulabschluß auf dem zweiten Bildungsweg erhöht alleineschon die Wahrscheinlichkeit einer vorgezogenen privaten Überganges. Aberauch das Argument der materiellen Abhängigkeit vom Elternhaus währendder Schulzeit verliert in dieser Gruppe an Gültigkeit: Der Lebensunterhalt

148 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

während des zweiten Bildungsweges dürfte vor allem in seinem ersten Ab-schnitt bis zum angestrebten Schulabschluß deutlich häufiger als bei den Ab-solventen des ersten Bildungsweges aus eigenen Mitteln (u.a. durch parallele,nur teilweise reduzierte Erwerbstätigkeit)74 und durch staatliche Transferlei-stungen (vor allem: BAföG)75 bestritten werden. So ermittelt Jüttemann(1991: 304) in einer an Berliner Abendgymnasien und Kollegs durchgeführ-ten Untersuchung, daß nur gut 12% der Besucher dieser Institutionen nochvon ihren Eltern unterstützt werden. Hinzu kommt, daß es sich bei dem zwei-ten Bildungsweg nicht um einen frühzeitig geplanten Bildungsverlauf handelt,sondern um eine nachträgliche Umorientierung und Korrektur des bisherigenKurses. Wenn aber der zweite Bildungsweg einen insgesamt nicht geradlini-gen Bildungsverlauf markiert, dann kann man aus der Perspektive des Le-benslaufes auch keine Koordination der Ereignisse beider Stränge über dengesamten Zeitraum erwarten. Was in der ersten Phase des beruflichen Lebens-laufes bewußt intendierte Koordination gewesen sein mag, stellt sich, nach-dem durch die Umorientierung und die Chance eines neuen Anlaufes die Uhrdes beruflichen, nicht aber die des privaten Lebenslaufes zurückgestelltwurde, möglicherweise post festum als eine verfrühte familiäre Bindung dar.

Eine solche Bewertung aber gilt es zu differenzieren: Was aus der Per-spektive eines Normallebenslaufes als Belastung der Ausbildung vermutetwerden könnte, das Zusammenleben mit einem Partner vor dem Abschluß derschulischen Ausbildung, ermöglicht auf der anderen Seite häufig erst denzweiten Bildungsweg. So berichtet Jüttemann (1991: 306), daß 81% der in ei-ner Partnerschaft lebenden Befragten von ihrem Partner während der Ausbil-dung in irgendeiner Weise unterstützt werden.76 Aber auch wenn eine Partner-schaft während des zweiten Bildungsweges nur selten eine Erschwernisdarstellt,77 sondern möglicherweise sogar eine Erleichterung bedeuten kann,so gilt dies sicher nicht für die Elternschaft. Die Betreuung und Erziehungvon Kindern bindet auf dem ersten und auf dem zweiten Bildungsweg glei-chermaßen Ressourcen, die eigentlich für die Ausbildung benötigt werden.

149 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

77 Allerdings kann umgekehrt das Einschlagen des zweiten Bildungsweges auch eine Belastungfür eine Partnerschaft darstellen. So berichtet Jüttemann (1991: 306), daß bei 3,6% der Befrag-ten die Partnerschaft wegen des Schulbesuchs entweder aktuell schweren Belastungen ausgesetztoder bereits zerbrochen ist.

76 Knapp 16% aller Befragten wurden vom Partner auch finanziell unterstützt, ein Anteil, derüber dem der finanziellen Unterstützung durch die Eltern liegt (Jüttemann 1991: 304).

75 Transferleistungen nach dem BAföG in der Fassung vom 6. Juni 1983 wurden nach §11 Abs.3 unter bestimmten Bedingungen (z.B. Besuch von Abendgymnasien oder Kollegs) ohne Be-rücksichtigung des Elterneinkommens gezahlt.

74 Institutionen des zweiten Bildungsweges, die dem Umstand einer gleichzeitigen Erwerbs-tätigkeit explizit Rechnung tragen, sind vor allem Abendrealschule und -gymnasium.

Die skizzierten Besonderheiten bei Absolventen des zweiten Bildungswegeskönnen also helfen, die zunächst noch recht hoch erscheinenden Anteile der-jenigen, die bereits vor ihrem höchsten Schulabschluß einen eigenen Haushaltführen und z.T. auch schon mit einem Partner zusammenleben, zu erklären.Diese Vermutung wird gestützt durch zusätzliche Auswertungen, bei denendie Anteile mit privaten Ereignissen vor den Übergängen des beruflichen Le-benslaufes getrennt für die Absolventen des ersten und zweiten Bildungswe-ges berechnet wurden (Birkelbach 1996: TB18/19). Fast die Hälfte (48,3%)der Absolventen des zweiten Bildungsweges (gegenüber 2,5% in der Komple-mentärgruppe) leben schon vor ihrem höchsten Schulabschluß in einer eige-nen Wohnung, ein knappes Drittel (32,7% gegenüber 2,8%) wohnt zu diesemZeitpunkt auch bereits unverheiratet oder verheiratet mit einem Partner zu-sammen und 13,3% sind schon Eltern (gegenüber 0,8%).

Der Vergleich der Anteile in der Gesamtgruppe (Abb. 4.1) zeigt, daß inder Gruppe ohne Studium häufiger private Übergänge – vor allem Heirat undElternschaft – vor dem höchsten Schulabschluß zu finden sind. Hier sindmöglicherweise private Ursachen für das Verlassen des den Gymnasiastenvorgezeichneten Weges über Abitur und Studium in den Beruf verantwort-lich. Auffällig ist in den Gruppen ohne Studium der relativ hohe Anteil derje-nigen, die gleich den Schritt in die Ehe gemacht haben. Er korrespondiert inder Höhe etwa mit dem Anteil mit einer vorgezogenen Elternschaft. Dies läßtvermuten, daß hier vor allem die frühe Elternschaft die Ursache für den Ver-zicht auf ein Studium war. Diese Tendenzen bleiben – wenn auch auf niedri-gerem Niveau – bestehen, wenn man nur die um die Absolventen des zweitenBildungsweges reduzierte Gruppe betrachtet (Birkelbach 1996: Tab. TB19).

Ähnlich kann erklärt werden, daß nur ein Teil der Absolventen des zwei-ten Bildungsweges nach dem Schulabschluß ein Studium begonnen hat, aberviele darauf verzichtet haben.78 Auch hier stellen die vorhandenen privatenBindungen einen Schlüssel zum Verständnis des Studienverzichtes dar. EinZusammenleben vor dem Schulabschluß findet man bei 40% der Absolventendes zweiten Bildungsweges ohne Studium und bei knapp 30% der Gruppe mitStudium. Aussagekräftiger noch ist der Anteil der Verheirateten und der An-teil mit Kindern: In der Gruppe ohne Studium sind zum Zeitpunkt des höch-sten Schulabschlusses 31,4% verheiratet, 25,7% sind schon Eltern. Deutlichniedriger liegen demgegenüber beide Werte in der Gruppe mit Studium (ver-heiratet: 8,9%, Kind: 7,7%). Wenn der Abschluß der Schule als das Nahziel

150 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

78 0,2% der Männer und 0,4% der Frauen haben lediglich die Mittlere Reife auf dem zweitenBildungsweg nachgeholt, aber 5,9% der Männer und 4,1% der Frauen haben auf diesem Wegihre Hochschulzugangsberechtigung erworben.

des zweiten Bildungsweges erreicht ist, dann gilt es offenbar aufs neue, denweiteren beruflichen Weg im Lichte der Erfahrungen und Möglichkeiten zubestimmen. Schon der Besuch des Kollegs oder Abendgymnasiums hat diesenFrauen und Männern oftmals vor Augen geführt, wie schwer die Verpflich-tungen gegenüber der Familie mit einem erfolgreichen Bildungsverlauf zuvereinbaren sind, so daß von daher die Entscheidung gegen ein Studium ver-ständlich erscheint.

Für Frauen, die an einer Institution des zweiten Bildungsweges ihr Abiturerworben haben, scheint mehr als für Männer familiäre Ungebundenheit eineVoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums darzustellen: Diese Studen-tinnen haben öfter als Männer schon während des Besuchs von Institutionendes zweiten Bildungsweges eine eigene Wohnung (Frauen: 56,7%, Männer:40,8%), zugleich aber leben sie in dieser Zeit wesentlich seltener in einerPartnerschaft (Frauen: 24,1%, Männer: 32,7%). Die Differenzen bestätigenein Ergebnis des dritten Kapitels: Frauen mit ambitionierten beruflichen Zie-len verzichten häufig auf allzu enge private Bindungen, um dadurch den Rol-lenerwartungen, die traditionellerweise an Frauen sowohl in der Herkunfts-als auch in der Zielfamilie herangetragen werden, zu entgehen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Besuch von Institutionen deszweiten Bildungsweges noch relativ häufig mit einer vorhandenen Familie,zumindest mit einer Partnerschaft, vereinbar scheint. Aber was in den Institu-tionen des zweiten Bildungsweges zwar schwierig, aber immerhin prinzipiellkoordinierbar war, das ist, wenn es um den Besuch einer Hochschule geht, oftkaum praktikabel. Die Institutionen des zweiten Bildungsweges, vor allem dieAbendgymnasien, sind auf die Probleme ihrer speziellen Klientel vorbereitet,die Hochschulen dagegen kaum. Sie orientieren sich in ihrem Angebot an ei-ner Kundschaft mit einem Bildungsverlauf, wie er sich auch in der vorliegen-den Stichprobe als der "normale" für ehemalige Gymnasiasten herauskristalli-siert hat. Der aber sieht eine Familiengründung vor dem Studium nicht vor.

Wenn private Ereignisse vor dem höchsten Schulabschluß die weitere Be-rufslaufbahn negativ beeinflussen können, dann sind davon Frauen insgesamthäufiger als Männer betroffen (vgl. Abb. 4.1). Dies wird erkennbar, wennman sieht, daß solche Ereignissequenzen bei den Frauen ohne Studium amweitesten verbreitet sind,79 während bei Männern und Frauen mit Studium dieAnteile niedriger liegen und diesbezügliche Unterschiede zwischen den Ge-schlechtern kaum berichtenswert sind. Nicht eindeutig ist der kausale Zusam-menhang: Verzichten diese Frauen auf ein Studium, weil eine frühe Lösung

151 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

79 Dies gilt für Absolventen des zweiten Bildungsweges und für deren Komplementärgruppegleichermaßen, wenn auch auf völlig unterschiedlichem Niveau.

4.3 Ausbildungsende, Berufseinstieg und privater Lebenslauf

4.3.1 Vorüberlegungen und Hypothesen

Während private Statusübergänge vor dem höchsten Schulabschluß noch sel-ten sind und nur im Sonderfall des zweiten Bildungsweges häufiger vorkom-men, gilt dies nicht mehr so pauschal für die sich an die Schulausbildung an-schließende Phase einer Qualifikation für einen Beruf. Es gilt zu differenzie-ren. Wenn in der Ausbildungsphase "Normalität" die Anpassung des privatenan den beruflichen Lebenslaufes bedeutet, dann stellt sich diese Aufgabe jenach Art und Dauer der Ausbildung und für jede der beschriebenen privatenEntscheidungen in einer anderen Art und Weise. Dies aber impliziert auch un-terschiedliche Lösungen für das Problem der Integration beider Lebensberei-che, die es im folgenden gesondert zu betrachten gilt.

Wie vorausgegangene Analysen gezeigt haben, dauert die Phase der Qua-lifikation im Falle einer Berufsausbildung im Schnitt etwa 3 Jahre, im Falleeines Studiums inkl. einer möglichen Zusatzausbildungen und/oder eines Re-ferendariats mehr als 7 Jahre (vgl. Tab. 2.1). Zugleich folgen die drei betrach-teten privaten Übergänge in unserer Stichprobe einer klaren zeitlichen Ord-nung (vgl. Abb. 2.12). Wenn man annimmt, daß in dem hier betrachtetenZeitraum zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr die Wahrscheinlichkeit einerStatuspassage mit dem Alter zunimmt, dann lassen sich, auch ohne auf Über-legungen bezüglich der Vereinbarkeit von Ausbildung und privater Lebens-form zurückgreifen zu müssen, schon Voraussagen über die relative Höhe derAnteile der Befragten mit privaten Übergängen vor und nach dem Berufsein-tritt machen: Ein eigener Haushalt wird vor dem Berufseintritt häufiger anzu-treffen sein als eine nichteheliche oder eheliche Lebensgemeinschaft; die wie-

vom Elternhaus und eine frühe Familiengründung die weitere Ausbildung aneiner Hochschule wegen der damit für Frauen verbundenen Doppelbelastungüber Gebühr erschwert, oder sind diese Frauen der traditionellen Frauenrolleso verhaftet, daß für sie ein Berufskarriere nur marginale Bedeutung besitztund sie die Option einer frühzeitigen Familiengründung wahrnehmen, um denAusbildungsprozeß zu verkürzen? Diese Frage kann hier zwar nicht entschie-den werden, festzuhalten aber bleibt der Zusammenhang.

152 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

derum ist häufiger als die Elternschaft. Wegen der längeren Ausbildungsdauerwerden darüber hinaus diese Anteile in den Gruppen mit Studium höher lie-gen als in den Gruppen ohne Studium. Je früher ein privater Übergang in dernormalen Folge der privaten Übergänge liegt und je länger die Ausbildungdauert, umso wahrscheinlicher wird, daß eine mögliche Regel der Nachord-nung des privaten Lebenslaufes während der Ausbildung, d.h. eine lebenszeit-liche Koordination beider Stränge des Lebenslaufes, zugunsten des Zwangeszur alltäglichen Koordinierung des beruflichen und privaten Lebensbereichesdurchbrochen wird.

Alle drei hier betrachteten Ereignisse, vom Verlassen des Elternhauses,über das Zusammenleben mit einem Partner bis zur Elternschaft, lassen sichauf einer Skala zunehmender Verbindlichkeit der Übernahme von Verantwor-tung, zunächst für sich selbst, dann für den Partner und schließlich für einKind, abbilden. Das Ausmaß, in dem diese Skala zugleich ein Gradmesser zu-nehmender Inkompatibilität von Verpflichtungen des Privatlebens und derAusbildung darstellt, ist ablesbar an der zunehmenden Höhe der Anteile der-jenigen, die mit einem entsprechenden privaten Schritt bis nach dem Ausbil-dungsabschluß und dem Berufseintritt gewartet haben. Über die Dynamik derZusammenhänge informieren darüber hinaus die durch die Hazardraten be-schriebenen Prozeßverläufe zwischen dem Berufseintritt und den einzelnenprivaten Übergängen.80

Wie oben diskutiert wurde, ist der Schulabschluß eine Voraussetzung pri-vater Statuspassagen. Er beendet eine Lebensphase, die das Verlassen des El-ternhauses und die Gründung einer eigenen Familie nicht nur durch juristi-sche und soziale Altersnormen, sondern vor allem auch faktisch, wegen derwirtschaftlichen Abhängigkeit eines Schülers, beinahe ausschließt. Der Pro-zeß dieser privaten Übergänge beginnt also normalerweise frühestens mit demVerlassen der Schule, was sich auch in einer insgesamt sehr niedrigen Rate zuBeginn des Prozesses ausdrückt (Abb. 4.2). Der Schulabschluß gilt zwar alsVoraussetzung für die private Statuspassagen, der berufliche Lebenslauf aller-dings ist, abgesehen von dem Zusammenhang zwischen Ausbildungsbeginnund Haushaltsgründung, kaum eine direkte Ursache für private Übergänge.Aber diese Schritte stehen je nach ihrer Position in der normalen Ereignisfol-ge mehr oder weniger bald auf der Tagesordnung der Institution des Lebens-

153 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

80 Entsprechende dynamische Analysen der Prozeßverläufe zwischen vorgezogenen privatenÜbergängen und dem Zeitpunkt des Berufseintritts wurden ebenfalls durchgeführt (Birkelbach1996: TB25-28). Da aber die zeitliche Verortung dieser Prozesse im Rahmen des gesamten Aus-bildungsprozesses nicht eindeutig ist, und wegen der fehlenden Standardisierung der Ausgangs-punkte konkrete Aussagen über mögliche prozeßverlängernde Einflüsse zu früher privater Ereig-nisse hier kaum möglich sind, wird auf eine Interpretation weitgehend verzichtet.

laufes. Der Verlauf der Hazardfunktionen ist daher insgesamt glockenähnlich,d.h. zunächst ansteigend und nach einem Gipfel wieder fallend. Entsprechendihrer Position in der normalen Abfolge der privaten Übergänge – Haushalts-gründung, Zusammenleben, Elternschaft – sind diese "Glocken" auf der Zei-tachse gegeneinander verschoben und unterschiedlich steil.

Aber private Wünsche und Bindungen entwickeln sich unabhängig vonder Sequenz der Ereignisse des beruflichen Lebenslaufes. Das Ausmaß, indem sie vorher entstehen, der damit verknüpfte Übergang aber bis nach derberuflichen Statuspassage aufgeschoben wird, ist an einer nur kurzfristig er-höhten Rate nach dem Beginn des Prozesses ablesbar. Der berufliche Lebens-lauf ist nicht nur Voraussetzung, sondern im Fall des Ausbildungsbeginns undder Gründung eines eigenen Haushaltes häufig auch Anlaß, einen bestimmtenSchritt des privaten Lebenslaufes zu machen. Auch dieser Zusammenhangspiegelt sich in einer zu Prozeßbeginn nur kurzfristig erhöhten Rate wieder.Modifiziert werden die Prozeßverläufe der drei privaten Übergänge nach demhöchsten Schulabschluß darüber hinaus besonders durch die Art und Dauerder Phase der Qualifizierung für den Beruf, während Geschlechtsunterschiedeweniger stark ausgeprägt sein dürften.

Aus den Prozessen der privaten Statuspassagen nach dem höchsten Schul-abschluß lassen sich nun einige Überlegungen und Hypothesen über die Formder Hazardfunktionen für die Prozesse nach dem Eintritt in den Beruf ablei-ten. Da der Berufseintritt hier i.d.R. zugleich den Abschluß der Ausbildungs-phase markiert, und damit das Ende einer Lebensphase ist, von der wir ver-muten, daß noch viele Gründe gegen das Eingehen privater Verpflichtungensprechen, kann er eine Voraussetzung für jeden der drei betrachteten Schrittedes privaten Lebenslaufes darstellen. Aber durch lange Ausbildungszeitenentstehen Ungleichzeitigkeiten der Entwicklung des beruflichen und privatenStranges des Lebenslaufes. Entsprechende private Statuspassagen vor demBerufseinstieg werden zwar nicht mehr durch juristische oder soziale Al-tersnormen behindert, aber vielleicht bis nach dem Ausbildungsabschluß auf-geschoben, um die Ausbildung nicht unnötig zu belasten. Umgekehrt steht zu-mindest das Verlassen des Elternhauses in diesem Alter auf der durch die In-stitution Lebenslauf vorgegebenen Tagesordnung. Schon etwas eingeschränk-ter gilt dies für das Eingehen einer Lebensgemeinschaft, gleich ob verheiratetoder nicht, und mit noch deutlicheren Beschränkungen für die Elternschaft.Wird ein privater Übergang nur wegen des eigenen wirtschaftlichen Status,oder um den Ausbildungserfolg nicht zu gefährden, während der Ausbildungnoch nicht gewagt, dann wird er bald nach dem Wegfall dieser Beschränkun-gen vollzogen. Wie im Falle privater Übergänge nach dem Schulabschluß

154 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

manifestiert sich ein solches "Nachholen" bei der Beschreibung des Prozessesin einer erhöhten Rate gleich nach der beruflichen Statuspassage. Das Aus-maß, in dem private Schritte nur der Ausbildung wegen aufgeschobenwurden, ist an der relativen Höhe dieses ersten Gipfels ablesbar. Der weitereProzeßverlauf, d.h. ob die Rate in der Folge noch einmal deutlich ansteigtoder auf niedrigem Niveau verharrt, ist davon abhängig, ob es sich um einenSchritt handelt, der längst hätte getan werden können und vielleicht sogarschon überfällig ist, oder ob es sich um einen Übergang handelt, dessen Pro-zeß im Kern erst mit dem Berufsabschluß beginnt.

Der eigene Haushalt, als der sequentiell normalerweise erste der drei be-trachteten privaten Statuspassagen, stand bei ehemaligen Studenten beim Be-rufseintritt schon lange auf der Tagesordnung des Lebenslaufes. Wenn das El-ternhaus nicht bereits zu Beginn oder während des Studiums verlassen wurde,dann steht diesem Schritt nach dem Ende der Ausbildung nichts mehr im We-ge. Im Gegenteil dürften Altersnormen darauf drängen, diesen Schritt nun,immerhin in der zweiten Hälfte des dritten Lebensjahrzehnts, endlich zu ma-chen. Daß ein solches Verhalten auch normativ verankert ist, das zeigen ver-breitete Redewendungen mit unverkennbaren Spitzen, wie die vom "Nesthok-ker", der sich noch im "Hotel Mama" verwöhnen läßt. Eine solche Altersnormkann nun gleich doppelt wirken: Erstens, indem beim Akteur der Wunschnach Autonomie mit steigendem Alter zunimmt, und zweitens aber auch vonaußen, indem der zunächst kaum wahrnehmbare Druck in Richtung Norm-konformität aus dem sozialen Umfeld – vor allem wohl Eltern und Freundes-kreis – sich mit der Zeit verstärkt. Eine Partnerschaft, oder besser: die Absichtmit dem Partner zusammenzuziehen, ist dann möglicherweise häufig der kon-krete Anlaß, das Elternhaus zu verlassen (Ziegler/Schladt 1991). Zugleichdehnt sich insbesondere in den Gruppen mit Studium die Ausbildungsphasebis weit in das dritte Lebensjahrzehnt hinein aus, und erhöht so die Wahr-scheinlichkeit einer Hausstandsgründung vor der Aufnahme der Berufstätig-keit. Wer nicht gleich zu Studienbeginn das Elternhaus verlassen hat, dervollzieht diesen Übergang meist im Verlauf des Studiums, also lange vor demBerufseintritt. Diese Zusammenhänge dürften sich in einer Rate spiegeln, diegleich nach dem Berufseintritt bereits ihren Höhepunkt hat und im weiterenVerlauf dann schnell fällt (vgl. Abb. 4.3).In den Gruppen ohne Studium wird der Verlauf wegen des niedrigeren Altersbeim Berufseintritt weniger stark auf die Anfangsphase des Prozesses konzen-triert sein, aber ein gewisser Nachholeffekt, der sich wie in den Gruppen mitStudium in einem – wenn auch niedrigeren – Gipfel gleich in den ersten Mo-naten nach dem Berufseintritt niederschlagen sollte, ist gewiß auch hier zu er-

155 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

warten. Trotz der zunächst gegenüber der Gruppe mit Studium niedrigeren,im weiteren Verlauf des Prozesses aber höheren Rate der Gruppen ohne Stu-dium, sollte die strukturelle Ähnlichkeit der Prozesse zwischen beiden Grup-pen an ihren Hazardfunktionen deutlich werden. Ähnliche Einschränkungenbezüglich des Prozeßverlaufes zwischen beiden Gruppen, die sich alle aus de-ren unterschiedlichem Berufseintrittsalter ergeben, müssen auch für den Pro-zeß des Zusammenziehens und für den Prozeß der Geburt des ersten Kindesnach dem Berufseintritt gemacht werden. Bis auf gewisse quantitative Ver-schiebungen, auf die im einzelnen noch einzugehen ist, werden zwischen bei-den Gruppen aber keine gravierenden Unterschiede erwartet. In Abbildung4.3 ist daher für jede der drei Statuspassagen des privaten Lebenslaufes nurein hypothetisch erwarteter Verlauf der Hazardfunktion skizziert.

Wer wegen der eigenen Ausbildung bisher darauf verzichtet hat, mit einemPartner zusammenzuleben, der kann diese Zurückhaltung nach dem Berufs-eintritt aufgeben. Aber dieser Schritt ist nicht nur von einer persönlichen Ent-scheidung der beobachteten Person abhängig, sondern gleichermaßen von derLebenssituation des Partners und dessen Entscheidung. Aus diesem Grund,aber auch weil keine Altersnormen eines als Institution verstandenen Lebens-

156 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

1 Die skizzierten Hazardfunktionen sind weder quantitativ noch relativ zueinander exakt undsollen lediglich die unterschiedlichen Verläufe charakterisieren.

r(t)

Berufseintritt t

Erstes Kind

Zusammenziehen

Erster eigener Haushalt

Abbildung 4.3 Private Statuspassagen nach dem Berufseintritt: ErwarteterVerlauf der Hazardfunktionen1

laufes darauf drängen, diesen Schritt bald nach dem Berufseintritt zu vollzie-hen, dürfte ein der Nachholeffekt wesentlich schwächer ausgeprägt sein alsim Falle der Gründung eines eigenen Haushaltes. Wegen des geringeren Al-ters beim Einstieg in das Erwerbsleben sollte die Rate bei Frauen und Männerohne Studium noch einmal niedriger liegen. Für den weiteren Prozeßverlaufist zu erwarten, daß die Rate im Beobachtungszeitraum in beiden Bildungs-strata nach einem kurzfristigen Absinken langfristig in Abhängigkeit von derverflossenen Zeit wieder ansteigt.

Wegen der großen Belastung, die ein Kind für die Ausbildung bedeutet,beginnt der Prozeß des Eintritts in die Elternschaft im wesentlichen erst nachderen Abschluß und dem Berufseintritt. Dies haben auch die Analysen mitdem höchste Schulabschluß als Ausgangspunkt des Prozesses gezeigt. Einnennenswerter Anstieg der Rate ist erst nach dem für die Ausbildung in denGruppen mit und ohne Studium mindestens zu veranschlagenden Zeitraum zuberichten. Dementsprechend sollte der erwartete Verlauf der Hazardfunktiondes Prozesses nach dem Berufseintritt weitgehend dem links um die Min-destdauer der Ausbildung gekürzten Verlauf nach dem Schulabschluß ent-sprechen. Der aber ist leicht zu beschreiben: Es handelt sich um eine im Be-obachtungszeitraum relativ kontinuierlich ansteigende Rate.

4.3.2 Eigener Haushalt und Berufseintritt

Ehemalige Studenten

Nur eine kleine Minderheit von 16% der männlichen und 11,5% der weibli-chen Studenten wartet mit der Haushaltsgründung bis nach dem Berufseintritt(Abb. 4.4a). Anschließend aber geht es dann erwartungsgemäß schnell: Wennes nicht bereits während des Studiums geschehen ist, dauert es im Schnitt(Median) bei Frauen 9 Monate und bei Männern 15 Monate, bis sie nach demBerufseintritt ihren eigenen Haushalt gegründet haben. Die Hazardrate ist beibeiden Geschlechtern im ersten Vierteljahr nach dem Berufseintritt mit Ab-stand am höchsten und fällt dann im Verlauf der folgenden zwei Jahre relativsteil ab. Dabei bestätigt sich auch nach dem Eintritt in den Beruf noch einmal,daß Männer länger als Frauen die Annehmlichkeiten des Hotels Mama genie-ßen. Sie beziehen nicht nur seltener bereits vor dem Erwerbseintritt eine eige-ne Wohnung, sondern warten auch danach länger mit diesem Schritt, was sichan dem höheren Anteil zensierter Fälle (Männer: 28,3%, Frauen 15,7%) undan dem trotz aller Ähnlichkeiten im Prozeßverlauf geringeren Risiko derHaushaltsgründung in den ersten drei Jahren nach dem Berufseinstieg able-

157 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

sen läßt. Wenn mit der Haushaltsgründung bis nach dem Berufseintritt gewar-tet wird, dann besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen beidenEreignissen – wenn auch bei Frauen vielleicht noch etwas deutlicher als beiMännern.

Natürlich können hier nur Vermutungen über die Intentionen dieses Ver-haltens angestellt werden. Es kann nicht entschieden werden, warum dieseGruppe mit der Haushaltsgründung bis nach dem Berufseintritt gewartet hatund warum das Elternhaus dann so kurz nach dem Berufseinstieg zugunsteneines eigenen Haushaltes verlassen wird. Ein ganzes Bündel von Ursachenwirkt hier einzeln oder kombiniert: Sicher entspricht die Selbständigkeit deseigenen Haushaltes in der zweiten Hälfte des dritten Lebensjahrzehnts eherder Norm der Institution des Lebenslaufs, die sich nun, nachdem die materiel-len Hindernisse überwunden sind, auch Geltung verschaffen kann. Auch einerwegen des Studiums aufgeschobenen Familiengründung steht jetzt nichtsmehr im Wege. Vielleicht ist aber auch der Berufseinstieg die direkte Ursachefür die Haushaltsgründung, etwa weil ein entfernter Arbeitsplatz das Verlas-sen des Herkunftsortes erfordert. Ein zweiter, kleinerer Gipfel der Rate nachetwa 3 bis 4 Jahren deutet darauf hin, daß es noch einen zweiten Punkt gibt,

158 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

Die Darstellung des Funktionsverlaufes durch eine unterbrochene Linie weist auf eine nichtmehr signifikante Rate (95%) hin.Survivorfunktionen: siehe TB29a des Tabellenbandes (Birkelbach 1996)

31 Monate13,8%62,8%Männer15 Monate28,3%16,5%Männer22 Monate1,9%66,6%Frauen9 Monate15,7%11,5%Frauen

Mediandavon zen-siert

AnteilMedian davon zensiert

Anteil

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 120

0,02

0,04

0,06

0,08

0,1

Frauen ohne Studium

Männer ohne Studium

Jahre nach Erwerbseintritt0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

0

0,02

0,04

0,06

0,08

0,1

0,12

0,14 Frauen mit Studium

Männer mit Studium

Jahre nach Erwerbseintritt

(b) Ohne Studium: Frauen (N =314) und Männer (N =196)

(a) Mit Studium: Frauen (N=609) und Männer (N=835)

Abbildung 4.4: Eigener Haushalt nach dem Berufseintritt: Hazardfunktionen

an dem Berufstätigkeit und Haushaltsgründung miteinander verknüpft seinkönnen. Hier warten offensichtlich einige Befragte nicht nur den Berufsein-tritt ab, sondern schieben die Haushaltsgründung noch weiter hinaus, bis sienach einigen Jahren beruflich Tritt gefaßt haben und die eigene materielleAusstattung den subjektiven Ansprüchen an einen eigenen Haushalt genügt.Die große Mehrheit der Studenten verläßt das Elternhaus aber bereits vor demBerufseintritt – sehr häufig schon in engem Zusammenhang mit dem Studien-beginn, wie frühere Analysen gezeigt haben (Abb. 4.2). Auch das ist eineForm der Anpassung des privaten Lebenslaufes an die Berufssphäre, weilschon durch die Studienaufnahme mit Blick auf die spätere Berufstätigkeit ei-ne Weichenstellung des beruflichen Lebenslaufes vorgenommen wird, diehäufig eine frühe Hausstandsgründung notwendig macht.

Ehemalige Gymnasiasten ohne Studium

Auch in der Gruppe ohne Studium hat ein gutes Drittel der Frauen (33,4%)und Männer (37,2%) bereits vor dem Berufseintritt eine eigene Wohnung be-zogen. Ähnlich wie bei den Studenten kann auch bei dieser Gruppe eine be-rufliche Ausbildung das Verlassen des Elternhauses und den Umzug in einenentfernten Ausbildungsort erzwingen. Aber der Anteil, auf den dies zutrifft,ist wesentlich kleiner. Verständlich wird der Zeitpunkt der Haushaltsgrün-dung zusätzlich, wenn man sich vor Augen führt, daß trotz der im Vergleichzum Studium geringeren Ausdehnung der Bildungsphase der Abschluß derberufsqualifizierenden Ausbildung auch bei der Mehrheit der Befragten ohneStudium immerhin schon jenseits des 20. Geburtstages liegt (vgl. nochmalsTab. 2.1), in einem Alter also, indem viele Gleichaltrige längst ihr Elternhausverlassen haben. Hinzu kommt, daß die bereits im Rahmen der Ausbildunggezahlten Vergütungen eine finanzielle Basis – wenn auch auf niedrigem Ni-veau – für die Gründung eines eigenen Haushaltes darstellen kann.

Rund zwei Drittel der befragten Frauen (66,6%) und Männer (62,2%) oh-ne Studium warten mit dem Bezug einer eigenen Wohnung bis nach ihremBerufseintritt (Abb. 4.4b). Und auch danach dauert der Prozeß länger als inden Gruppen mit Studium. Es verstreichen nach dem Berufseintritt im Schnittnoch durchschnittlich knapp 2 Jahre (22 Monate) bis die Frauen und gut 2½Jahre (31 Monate) bis die Männer in einer eigenen Wohnung leben. Zwar be-legen die Hazardfunktionen, daß, wie schon bei den ehemaligen Studenten,auch in den Gruppen ohne Studium das Risiko der Haushaltsgründung gleichnach dem Berufseintritt besonders hoch ist, dann aber im weiteren Verlauf

159 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

des ersten Jahres wieder sinkt. Der direkte Vergleich der Gruppen mit undohne Studium zeigt, daß die Rate in den beiden Gruppen mit Studium zu Be-ginn des Prozesses deutlich höher als in den Gruppen ohne Studium liegt,während sie bei letzteren etwa ab dem zweiten bis dritten Jahr nach dem Er-werbseintritt die ehemaligen Studenten übersteigt.

Man kann also auch bei Männern und Frauen ohne Studium beobachten,daß das Elternhaus gleich nach dem Erwerbseintritt verlassen wird, aber derZusammenhang ist weniger zwingend. Ein solcher Verlauf war wegen kürze-ren Ausbildungsphase (und wegen des geringeren Alters) nach dem Berufs-eintritt erwartet worden. Mit den Altersnormen einer Institution Lebenslauf istder oder die noch im Elternhaus lebende 22- oder 23jährige mit einer geradeabgeschlossenen Lehre sicher eher zu vereinbaren als der vielleicht schon29jährige Hochschulabsolvent. Eine solche Altersnorm ist zwar nicht mit di-rekten Sanktionen verknüpft; sie führt aber dazu, daß der Hochschulabsolventwegen seines Alters in Begründungszwänge gerät und seiner Umgebung undsich selber gegenüber rechtfertigen muß, warum er in seinem Alter trotz mate-rieller Selbständigkeit noch im Elternhaus lebt, während der wesentlich jün-gere Absolvent einer Berufsausbildung sich diesem Druck noch nicht so starkausgesetzt fühlt. In diesem Alter steuern noch eher andere Faktoren, wie z.B.die Absicht, mit einem Partner zusammenzuziehen, das Auszugsverhalten.

Die Differenzen zwischen den Geschlechtern sind offensichtlich: Diedurchschnittliche Prozeßdauer zwischen Berufseintritt und Haushaltsgrün-dung ist bei Frauen um ein dreiviertel Jahr kürzer als bei Männern, die Rateder Männer liegt nur gleich nach dem Berufseintritt über der der Frauen, da-nach aber deutlich darunter. Zensiert sind schließlich nur 1,9% der Frauen,aber 13,8% der Männer. Aus früheren Analysen (vgl. Tab. 2.7) ist bekannt,daß in der Gruppe ohne Studium etwa die Hälfte der Männer und Frauen denelterlichen Haushalt verläßt, um mit einem Partner zusammenzuziehen. Zu-gleich wissen wir bereits, daß Männer im Schnitt gut zwei Jahre älter sind alsFrauen, wenn sie erstmals eine Lebensgemeinschaft eingehen (vgl. Tab. 2.5).Die unterschiedlichen Anteile zensierter Fälle bei Männern und Frauen dürf-ten sich also überwiegend auf den unterschiedlichen Zeitpunkt der Familien-gründung zurückführen lassen.

160 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

4.3.3 Erste Schritte der Familiengründung und Berufseintritt

Ehemalige Studenten

In der Gruppe mit Studium verläßt man das Elternhaus seltener, um mit einemPartner gleich einen gemeinsamen Haushalt zu gründen, sondern eher, weilein entfernter Studienort dazu zwingt, oder weil mit fortschreitenden Lebens-alter das Streben nach Autonomie zunimmt und die Lösung vom Elternhausimmer selbstverständlicher erscheint. Davon weitgehend unabhängig, aber inder gleichen Dimension des Lebensalters und nur zeitlich ein wenig verscho-ben, entwickelt sich die Chance, einen Partner zu finden, und darauf aufbau-end der Wunsch, mit diesem zusammenzuleben. Zugleich aber gibt es wäh-rend des Studiums gute Gründe, sich nicht frühzeitig durch eine allzu engePartnerschaft zu binden.

161 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

Die Darstellung des Funktionsverlaufes durch eine unterbrochene Linie weist auf eine nichtmehr signifikante Rate (95%) hin.In Abbildungen 29b des Tabellenbandes (Birkelbach 1996) sind die zugehörigen Survivor-funktionen dokumentiert.

40 Monate16,8%68,2%Männer44 Monate52,1%34,5%Männer31 Monate9,4%72,4%Frauen46 Monate46,7%28,7%Frauen

Mediandavon zen-siert

AnteilMediandavon zen-siert

Anteil

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 120

0,01

0,02

0,03

0,04

Frauen ohne Studium

Männer ohne Studium

Jahre nach dem Erwerbseintritt0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

0

0,01

0,02

0,03

0,04

Frauen mit StudiumMänner mit Studium

Jahre nach dem Erwerbseintritt

(b) Ohne Studium:Frauen (N=308) und Männer (N= 192)

(a) Mit Studium: Frauen (N=581) und Männer (N=767)

Abbildung 4.5 Zusammenziehen (einschließlich Heirat) nach dem Berufs-eintritt: Hazardfunktionen

Eine relevante Minderheit von etwa einem Drittel unserer Befragten mit Stu-dium (Abb. 4.5a: Frauen 28,7% und Männer 34,5%)81 wartet den Studienab-schluß und Berufseintritt ab, bevor sie mit einem Partner zusammenziehen.Hier strukturiert die Ausbildungs- und Berufslaufbahn den privaten Lebens-lauf, weil der private dem berufliche Lebenslauf zumindest während der Aus-bildung untergeordnet wird. Aber die Hierarchie beider Lebensbereichescheint sich zumindest teilweise auch nach dem Erwerbseintritt fortzusetzen.Darauf deutet zumindest die Tatsache hin, daß etwa die Hälfte der Frauen(46,7%) und Männer (52,1%) dieser Gruppe zwar bereits in den Beruf einge-treten ist, den Schritt in eine Lebensgemeinschaft verheiratet oder nicht) abernoch nicht vollzogen hat. Durchschnittlich dauert es nach dem Berufseintrittnoch über 3½ Jahre (Median aus Survivalanalyse: Frauen 46 Monate, Männer44 Monate) bis mit einem Partner ein gemeinsamer Haushalt gegründet wird.Ein Teil aber scheint nur bis zum Berufseintritt gewartet zu haben, wie derVerlauf der für Frauen und Männer wiederum sehr ähnlichen Hazardfunktio-nen belegt. Allerdings ist dieser Nachholeffekt erwartungsgemäß wenigerstark ausgeprägt als es bei dem Prozeß der Haushaltsgründung nach dem Er-werbseintritt der Fall war. Auch der weitere Prozeßverlauf entspricht weitge-hend den Erwartungen: Das Risiko mit einem Partner zusammenzuziehen istgleich zu Beginn am höchsten und fällt im weiteren Verlauf des ersten Jahresnach dem Berufseintritt steil ab. Wie an dem bald darauf einsetzenden erneu-ten Anstieg der Hazardfunktionen zu einem zweiten (allerdings kleineren)Gipfel ablesbar ist, wartet eine weitere Gruppe ab, bis sie nach zwei bis dreiJahren beruflich hinreichend Fuß fassen konnte und/oder die eigene wirt-schaftliche Lage eine Familiengründung erlaubt. Danach fällt das Risiko rela-tiv schnell wieder auf ein mittleres Niveau zurück, steigt anschließend nocheinmal ganz geringfügig über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren undsinkt ab dem sechsten Jahr endgültig.

Der Vergleich der Prozeßverläufe für Männer und Frauen zeigt derenÄhnlichkeit. Der zweite Blick offenbart allerdings einige interessante Details,die in Widerspruch zu dem insgesamt gegenüber Männern früheren Familien-gründungsprozeß bei Frauen stehen: Das Risiko, nach dem Berufseinstieg miteinem Partner zusammenzuziehen oder gar zu heiraten, ist bei den Frauen bei-nahe während des gesamten Prozesses niedriger als das der Männer. Auch diedurchschnittlich Dauer des Prozesses liegt bei den Frauen – wenn auch nurum 2 Monate – über der der Männer. Wenn Frauen mit dem Ziel der Akku-mulation von relativ viel Humankapital hohe Investitionen in ihre Ausbildung

162 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

81 Hinzurechnen kann man sicher einen Teil der Befragten, in deren Lebenslauf beide Ereignissenoch nicht stattgefunden haben.

tätigen und deshalb während des Ausbildungsprozesses bereits ihr Privatlebendiesem nachordnen, dann sollen sich diese Investitionen nach Ausbildungs-schluß auch erst einmal im Berufsleben amortisieren. Daher bleibt das Privat-leben bei dieser zahlenmäßig eher kleinen Gruppe auch nach dem Er-werbseintritt dem beruflichen Erfolg untergeordnet. Eine solche subjektiveHierarchie der Bewertung der Lebensbereiche trifft man natürlich auch beiMännern an. Aber Frauen müssen sich stärker als Männer für die eine oderandere Alternative entscheiden.

Ehemalige Gymnasiasten ohne Studium

Die Mehrheit der Frauen (72,4%) und Männer (68,2%) ohne Studium machtzuerst den Schritt in den Beruf und geht erst danach eine Lebensgemeinschaftein (Abb. 4.6b). Hier fällt es offensichtlich leichter als in den Gruppen mitStudium, private Ambitionen zeitweilig dem Beruf unterzuordnen, weil derZeitraum der Berufsausbildung kürzer ist und dadurch subjektiv überschauba-rer erscheint. Der Charakter einer Übergangsphase des Lebenslaufs ist we-sentlich stärker ausgeprägt als im Studium.

Die für Frauen und Männer sehr ähnlichen Hazardfunktionen dieses Pro-zesses belegen auch hier wieder, daß ein Teil dieser Gruppe den Berufsein-tritt bewußt abgewartet hat, sei es, weil die finanzielle Situation der Ausbil-dung einen gemeinsamen Haushalt noch nicht zugelassen hat, oder weil Ge-fahren für den Ausbildungserfolg vermieden werden sollten. Das Risiko, miteinem Partner einen gemeinsamen Haushalt zu gründen, ist jedenfalls gleichzu Beginn des Prozesses, d.h. kurz nach dem Berufseintritt, besonders hoch,fällt dann aber steil ab und erreicht nach etwa 1½ Jahren einen ersten Tief-punkt. Dann steigt die Rate wieder und erreicht etwa 2½ Jahre nach dem Be-rufseintritt, wenn die berufliche Position gesichert erscheint und finanzielleRücklagen für eine Haushaltsgründung gebildet werden konnten, ein kleinereslokales Maximum. Anschließend sinkt die Rate noch einmal sehr schnell aufdas Niveau des ersten Minimums ab, steigt dann aber wieder steil an und er-reicht im vierten (Männer) bzw. fünften Jahr (Frauen) nach dem Berufsein-stieg den höchsten Punkt des gesamten Funktionsverlaufs. Nun, nachdem siebereits vier bis fünf Jahre berufstätig sind, scheint vielen der "richtige" Zeit-punkt gekommen zu sein, den ersten Schritt in Richtung auf eine Familien-gründung zu wagen. Im weiteren Verlauf sinkt die Rate dann zunächstschnell, später etwas langsamer wieder ab.

163 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

Vergleicht man Frauen und Männer ohne Studium, dann ist erstens festzustel-len, daß die Frauen häufiger eine Lebensgemeinschaft erst nach dem Eintrittin den Beruf eingehen. Danach aber kehrt sich das Verhältnis um: Nunmehrwagen Frauen schneller als Männer den Schritt in eine Lebensgemeinschaft,der Prozeß insgesamt gewinnt an Dynamik. Dies belegt nicht nur die durch-schnittliche Prozeßdauer, die bei den Männern bei 40, bei den Frauen abernur bei 31 Monaten liegt, sondern auch die Tatsache, daß die Rate bei denFrauen nahezu während des gesamten Prozesses über der der Männer liegt,und schließlich, daß mit gut 30 Jahren deutlich mehr Männer als Frauen ohneStudium noch allein leben.

Dieses Verhalten fügt sich in das Bild einer doppelten Lebensplanung, inder Beruf und Familie ein jeweils eigener Stellenwert zukommt, präzisiert da-bei aber einige Details: Frauen beschreiten zwar seltener als Männer den Wegeines Studiums, was aber nicht bedeutet, daß den Frauen, die auf ein Studiumverzichten, der Wert einer eigenen beruflichen Qualifikation nicht bewußt ist.Die Ausbildung soll aber kürzer, die Investition weniger hoch sein. Dahinterverbirgt sich ein Lebensentwurf, in dem die traditionelle Frauenrolle in derFamilie als Ziel oder als soziales Faktum, dem spätestens bei der Mutterschaftfür einen gewissen Zeitraum kaum zu entkommen ist, von besonderer Bedeu-tung ist. Zugleich aber wird durchaus gesehen, daß eine Familie als alleinigeLebensperspektive ein riskantes Unterfangen ist. Der eigenen Berufskarrierewird von diesen Frauen zwar nicht die zentrale Rolle im Leben zugewiesen,die Bedeutung eines eigenen Berufs wird aber auch nicht unterschätzt. EineFamilie gehört grundsätzlich zu ihrer Lebensplanung und eine Partnerschaftwird i.d.R. schon mit dem Blick auf eine Familiengründung eingegangen.82

Wenn also auf der einen Seite Partnerschaft und Familiengründung im Sinnevon Elternschaft eng verknüpft sind, eine Familiengründung aber für einengewissen Zeitraum die Rolle der Hausfrau und Mutter mit sich bringt, und aufder anderen Seite dem Beruf ein eigenständiger Wert zugewiesen wird, dannerklärt dies, warum bereits das Zusammenleben mit einem Partner für dieseFrauen stärker als für Männer während der Ausbildung ein Risiko für dieweitere Lebensplanung darstellt. Gewiß wollen diese Frauen beides, aber die

164 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

82 In welchem Ausmaß eine Partnerschaft mit dem Ziel der Familiengründung eingegangen wird,kann durch einen Blick auf vorausgegangene Analysen gezeigt werden: Betrachtet man die Se-quenzen der Ereignisse des privaten Lebenslaufes der Frauen ohne Studium (Birkelbach 1996:Tab. TB13), dann sieht man, daß im Beobachtungszeitraum 57% mit dem ersten Lebenspartnernicht erst unverheiratet zusammenleben, sondern gleich heiraten. 75% davon werden bis zumZeitpunkt der Befragung mit gut 30 Jahren Mutter. Auch von den 34%, die zunächst unverheira-tet zusammenleben, heiraten 63,8% noch im Beobachtungszeitraum. Davon wiederum sind mitgut 30 Jahren 64,2% Mutter.

gegenüber den Männern größere Eile, nach dem Berufseintritt eine Lebens-gemeinschaft einzugehen belegt die nach wie vor große Bedeutung, die einereigenen Familie in den Lebensplänen dieser Frauen zukommt. Eine abge-schlossene Berufsausbildung, d.h. einen Beruf "zu haben", erscheint ihnen invielerlei Hinsicht notwendig und nützlich. Allzu enge private Bindungen wür-den den Erfolg der Ausbildung gefährden und werden daher aufgeschoben.Nachdem aber die Ausbildung abgeschlossen und der Berufseintritt vollzogenist, besteht kein Grund mehr, den ersten Schritt zur Familienbildung, nämlicheine Lebensgemeinschaft einzugehen, noch lange hinauszuschieben.

Hier ist ein klarer Unterschied zu den Frauen mit Studium erkennbar:Wenn diese vor dem Berufseintritt auf eine Partnerschaft verzichten, dannsteht auch in den ersten Jahren der Erwerbstätigkeit stärker die beruflicheKarriere im Vordergrund. Unterstellt man, daß Beruf und Familie für Frauennur unter Schwierigkeiten zu vereinbaren sind und Ambitionen in dem einenBereich mit Einbußen in dem anderen Lebensbereich zu bezahlen sind, dannläßt sich die Tatsache, daß die Frauen mit Studium im Schnitt am längstenvon allen vier hier betrachteten Gruppen mit dem Eingehen einer Lebensge-meinschaft warten, in diesem Sinne interpretieren. Ihre Lebensplanung ist an-ders als die der Frauen ohne Studium stärker auf eine Rolle im Berufslebenausgerichtet. Deshalb haben sie in Form ihres Studiums mehr in die eigeneAusbildung investiert und deshalb bedeutet das Zusammenleben mit einemPartner, insbesondere wenn es den erste Schritt im Familienbildungsprozeßdarstellen sollte, für die weitere Lebensplanung von Frauen mit höheren be-ruflichen Ambitionen auch ein größeres Risiko.

4.3.4 Elternschaft und Berufseintritt

Während die Kosten einer Partnerschaft für die Ausbildung weitgehend unab-hängig von der Frage, ob es sich dabei um eine nichteheliche Lebensgemein-schaft oder um eine Ehe handelt, auch eine Frage der gegenseitigen Ansprü-che und damit des Arrangements der Partner sind,83 gilt dies nur einge-schränkt für die Elternschaft. Gleichgültig, welche spezifische Form der Ar-beitsteilung die Partner gefunden haben: Ein Kind bindet einerseits einen gro-ßen Anteil der zeitlichen Ressourcen und erfordert zugleich ein erheblichesMehr an finanziellem Aufwand. Beide Belastungsfaktoren machen die Eltern-schaft in hohem Grade inkompatibel mit einer Ausbildung. Sie können da-

165 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

83 Dies gilt grundsätzlich, allerdings scheint die Ehe, wie bereits in einem vorausgegangenen Ka-pitel diskutiert worden ist, mit höheren Ansprüchen des Mannes an die Partnerin bezüglich derAusfüllung ihrer traditionellen Rolle einherzugehen (Meyer/Schulze 1988).

rüber hinaus, wegen der auch heute noch weitverbreiteten traditionellen Ar-beitsteilung zwischen den Geschlechtern (u.a. Keddi/Seidenspinner 1991,Thiessen/Rohlinger 1988), spezifische Auswirkungen auf die berufliche Ent-wicklung von Frauen und Männern besitzen.

Ehemalige Studenten

Die große Mehrheit der Studierenden (Frauen: 81,1%, Männer: 78,2%) wartetmit einer Familiengründung bis nach dem Eintritt in den Beruf. Diesen Zahlenhinzurechnen kann man vermutlich den überwiegenden Teil derjenigen, diesich zum Zeitpunkt der Befragung noch in einer Ausbildung befinden und zu-mindest bis dahin auch die Risiken einer Elternschaft vermieden haben. Die-ser Anteil ist bei den Männern, bei denen, wie im zweiten Kapitel gezeigtwurde, der Studienabschluß und damit zusammenhängend auch die Familien-

166 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

Die Darstellung des Funktionsverlaufes durch eine unterbrochene Linie weist auf eine nicht si-gnifikante Rate (95%) hin.Die Abbildungen TB29c des Tabellenbandes (Birkelbach 1996) dokumentieren die zugehöri-gen Survivorfunktionen.

89 Monate37,1%86,5%Männer80 Monate72,8%78,2%Männer

94 Monate36,4%89,5%Frauen72 Monate62,1%81,1%Frauen

Mediandavonzensiert

AnteilMediandavonzensiert

Anteil

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 150

0,005

0,01

0,015

0,02

0,025

0,03

Frauen ohne Studium

Männer ohne Studium

Jahre nach Erwerbseintritt0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

0

0,005

0,01

0,015

0,02

0,025

0,03

Frauen mit Studium

Männer mit Studium

Jahre nach Erwerbseintritt

(b) Ohne Studium:Frauen (N=309) und Männer (N=193)

(a) Mit Studium:Frauen (N=544) und Männer (N=664)

Abbildung 4.6 Geburt des ersten Kindes nach dem Berufseintritt: Hazard-funktionen.

gründung im Schnitt lebenszeitlich erst später als bei den Frauen einsetzt, hö-her. Auch der höhere Anteil zensierter Fälle bei den Männern (72,8%,Frauen: 62,1%) dürfte überwiegend auf den im Schnitt späteren Studienab-schluß zurückzuführen sein. Wenn ehemalige Studenten mit der Gründung ei-ner Familie bis nach dem Berufseintritt gewartet haben, dann warten sie auchdanach noch durchschnittlich 6 (Frauen) bzw. 6½ Jahre (Männer).

Aufs Ganze gesehen ähneln sich die Prozesse bei Frauen und Männernsehr: Beide Hazardfunktionen beginnen niedrig und steigen dann kontinuier-lich. Dies entspricht der Hypothese, daß der Prozeß im Kern erst nach demBerufseinstieg beginnt. Bei genauererem Hinsehen kann man darüber hinauseinige interessante Einzelheiten des Familiengründungsprozesses ehemaligerStudenten in den ersten Jahren nach dem Eintritt in den Beruf erkennen. DieRate der Männern ist nach einem kurzen, steilen Anstieg während des erstenhalben Jahres nach dem Berufseinstieg in den folgenden fünf Jahren relativkonstant und steigt erst dann noch einmal an. Wenn Männer in den Berufeingetreten sind, dann gibt es aus dem beruflichen Lebensbereich kaum mehrEinwände gegen ein Kind, die Entscheidung für oder gegen die Vaterschaftwird nicht mehr von beruflichen Erwägungen, sondern von privaten Überle-gungen geleitet. Etwas anders sieht es bei den Frauen aus: Ihre Rate liegt inden ersten 2½ Jahren nach dem Berufseintritt etwas unter der der Männer,übersteigt diese aber zum Ende des dritten Jahres und liegt dann bis etwasechs Jahre nach dem Berufseinstieg darüber. Dieser Prozeßverlauf zeigt, daß– trotz der hohen Investitionen in die Berufsausbildung – ein Kind häufig Be-standteil der Lebensplanung ist und die damit verbundenen Belastungen fürdie Berufskarriere in Kauf genommen werden. Aber noch nicht gleich: EinKind soll die berufliche Perspektive insgesamt nicht gefährden, daher wirdder Kinderwunsch von diesen Frauen auch in den besonders wichtigen erstenJahren der beruflichen Etablierung häufiger als von Männern noch einmalaufgeschoben. Auch an dieser Stelle wird also deutlich, daß bei Frauen, dieeine Familie wollen und zugleich hohe berufliche Ambitionen haben, ein grö-ßerer Bedarf an bewußter Lebensplanung zur Koordination beider Strängedes Lebenslaufes besteht, da eine alltägliche Koordination beider Lebensbe-reiche, die beidem gerecht wird, nur schwer möglich ist.

Ehemalige Gymnasiasten ohne Studium

86,5% der Männer und sogar 89,5% der Frauen ohne Studium warten mit derGeburt des ersten Kindes bis nach ihrem Berufseintritt (Abb. 4.6b), ein Anteil

167 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

der den der Hochschulabsolventen um jeweils gut 8 Prozentpunkte übersteigt.Das zeitliche Korsett einer betrieblichen Ausbildung ist eng: Feste täglicheZeiten und ein genauer Ausbildungsplan, der auch die zeitliche Struktur derAusbildung und die Gesamtdauer festlegt, lassen kaum Freiräume, ein Kindzu versorgen. Ihr fehlt die Flexibilität eines Studiums, die es ermöglicht, denVerpflichtungen einem Kind gegenüber nachzukommen, ohne die Ausbildunggleich abbrechen zu müssen. Das ist ein Argument, das überwiegend für dieFrauen, die nach wie vor die Hauptlast der Kindererziehung tragen, zutrifft.Und natürlich fehlen Frauen wie Männern die finanziellen Grundlagen für ei-ne Elternschaft. Darüber hinaus ist die Dauer einer berufliche Ausbildungüberschaubarer und die nächsten Schritte sind kalkulierbarer.

Aber auch nach dem Berufseintritt steht keineswegs gleich die Gründungeiner Familie auf dem Fahrplan des Lebenslaufes: Es dauert bis zur Geburtdes ersten Kindes im Schnitt (Median aus Survivorfunktion) noch 94 (Frauen)bzw. 89 Monate (Männer). Die Dauer des Zeitraumes zeigt deutlich, daß dieMehrheit auch nach dem Abschluß der Ausbildung und dem Berufseintrittnoch nicht den "richtigen" Zeitpunkt dafür gekommen sieht, sich durch einKind zu binden. Zensiert, d.h. im Alter von gut 30 Jahren noch kinderlos, sindschließlich 37,1% der Männer und 36,4% der nach Abschluß des Ausbil-dungsprozesses in den Beruf eingetretenen Frauen.

Der Prozeß selber ähnelt stark dem der Gruppen mit Studium, ist aber ins-gesamt, wie schon der Vergleich der Mediane zeigt, stärker ausgedehnt. Diesdeutet darauf hin, daß der "richtige" Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindesnicht nur von der Dauer der Ausbildung abhängt und nach einer gewissen re-lativ konstanten Zeit der beruflichen Etablierung als gegeben erscheint, son-dern daß darüber hinaus auch andere Faktoren, wie z.B. die Orientierung anAltersnormen, den Prozeß mitstrukturieren. Gemeint ist nicht das biologischeAlter, sondern ein bestimmter entwicklungspsychologischen Zustand der Rei-fe, der als Voraussetzung der Elternschaft angesehen wird. In welchem Alteraber dieser Zustand erreicht wird, darüber aber gibt es – zu Recht oder Un-recht – breit geteilte Vorstellungen, an denen das Individuum sich auch in sei-nem Handeln orientiert (vgl. Heckhausen 1989, 1990).

Das Risiko der Elternschaft für die Männer ohne Studium bewegt sich inden ersten 3 Jahren nach dem Berufseintritt auf konstant niedrigem Niveau.Danach steigt es kontinuierlich bis zu einem Höhepunkt etwa 9 Jahre nachdem Berufseintritt an und fällt danach wieder. Auch hier finden wir also wie-der eine Phase der beruflichen und materiellen Etablierung, die dem Berufs-einstieg folgt und in der die Elternschaft noch weitgehend vermieden wird.

168 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

Erst danach verliert sich der direkte Einfluß des beruflichen auf den privatenLebenslauf und andere Einflußfaktoren schieben sich in den Vordergrund.

Etwas anders stellt sich der Prozeßverlauf bei den Frauen dar: Deren Risi-ko übersteigt schon zum Ende des ersten Jahres das der Männer und liegtdann für die folgenden zwei Jahre konstant darüber. Dies deutet darauf hin,daß zumindest ein Teil dieser Frauen ihre Ausbildung nicht primär wegen ei-ner eigenständigen Berufskarriere absolviert hat. Bei diesen Frauen steht dieGründung einer Familie stärker im Zentrum der Lebensplanung, der Beruf hatnur marginale Bedeutung als eine Möglichkeit etwas "hinzuzuverdienen" undals eine gewisse Absicherung gegenüber den Risiken des Lebensverlaufes.Daher verliert mit dem Abschluß der Ausbildung die berufliche Sphäre desLebensverlaufes seine Dominanz über private Entscheidungen, die nunmehrüberwiegend von außerberuflichen – sprich privaten – Erwägungen geleitetwerden. Sobald es die private Situation zuläßt, spricht nichts mehr gegen dieElternschaft. Hier wird der Unterschied zu den Frauen mit Studium sichtbar,die wegen ihren – bereits durch das Studium dokumentierten – beruflichenAmbitionen gerade in den ersten Berufsjahren häufiger als Männer auf einKind verzichten (Abb. 4.6a).

Aber bei den Frauen ohne Studium fällt nach dem dargestellten Plateau zuBeginn des Prozesses das Risiko unter das der Männer zurück. In der Folgesteigt es von diesem Ausgangspunkt dann weitgehend parallel mit dem derMänner und übersteigt es erst zum Ende des Beobachtungszeitraumes wieder.Wenn also die Gruppe der Frauen mit einer ganz überwiegend auf eine Fami-lie ausgerichteten Lebensplanung aus der Risikomenge ausgeschieden ist,dann zeigt sich, daß auch in der Gruppe ohne Studium viele Frauen zunächstnicht bereit sind, ihren beruflichen Erfolg wegen eines Kindes aufs Spiel zusetzen. Die Männer können dagegen weitgehend unbelastet von solchen Ab-wägungen ihre Entscheidung zugunsten eines Kindes treffen, was sich letzt-lich in ihrem höheren Risiko einer Entscheidung für die Elternschaft in demZeitraum zwischen vier und zehn Jahren nach dem Berufseinstieg widerspie-gelt. Aber Frauen wollen i.d.R. beides: Familie und Beruf. Der Wunsch nachKindern mag eine Zeitlang wegen der Berufslaufbahn in den Hintergrund tre-ten, die Entscheidung ist aber nur aufgeschoben und steht spätestens dann er-neut an, wenn jenseits des 30. Lebensjahres die medizinischen Risiken einerGeburt zunehmen. Zugleich erscheinen wegen der langjährigen Berufserfah-rung und der besseren materiellen Ausstattung der Familie die Risiken einerMutterschaft für die weitere Berufstätigkeit kalkulierbarer, was die Entschei-dung für ein Kind erleichtert. Ein solcher "Nachholeffekt" macht sich bei den

169 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

4.4 Zwischenbilanz: Das Verhältnis von privatem und beruflichemLebenslauf

Wenden wir nun den Blick ab von der Fülle der Details und versuchen die Er-gebnisse des vierten Kapitels zu rekapitulieren. In welchem Verhältnis stehender berufliche und der private Strang des Lebenslaufs ehemaliger Gymnasia-sten in dem hier analysierten Lebensabschnitt zueinander? Gibt es, wie ange-nommen worden war, mit dem Primat der Ausbildung eine eindeutige Hierar-chie beider Lebensbereiche? Welche Rolle spielt dabei die Art und Dauer derAusbildung? Und: Wie lassen sich in diesem Zusammenhang Unterschiede,aber auch Gemeinsamkeiten im Verhalten von Frauen und Männern erklären?

4.4.1 Einflüsse von Art und Dauer der Ausbildung auf private Übergänge

Die hier betrachteten privaten Statusübergänge der Lösung vom Elternhausund der Familiengründung ("Gründung des ersten eigenen Haushaltes", "Zu-sammenziehen" und "Geburt des ersten Kindes") verbieten sich vor dem Ab-schluß der Schule beinahe von selbst. Ein eigener Haushalt und noch vielmehr eine Partnerschaft oder gar ein Kind sind mit der Schule wegen dernoch fehlenden finanziellen Unabhängigkeit eines Schülers und der starrenzeitliche Struktur der Institution Schule aus eigener Kraft kaum miteinanderzu vereinbaren. Dementsprechend selten findet man denn auch diese Über-gänge des privaten Lebenslaufes noch vor dem Abschluß der Schule. Die Tat-sache, daß sich bei Frauen und Männern ohne Studium ein solches Verhaltenhäufiger findet als in den Gruppen mit Studium, ist ein Indiz dafür, daß sicheine Trennung vom Elternhaus und eine Familiengründung noch während derSchulphase erwartungsgemäß negativ auf den Erfolg auswirkt.

Haushaltsgründung

Mit dem Verlassen der Schule aber trennen sich die Wege unserer Befragten.Während für die eine Gruppe der Berufseinstieg noch in weiter Ferne liegt,weil der angestrebte Beruf ein langwieriges Studium voraussetzt, ist der Wegin den Beruf für die zweite Gruppe, die kein Studium, aber i.d.R. eine Berufs-

Frauen ohne Studium bemerkbar, wenn die Rate am Ende des Beobachtungs-zeitraumes die der Männer übersteigt.

170 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

ausbildung absolviert, kürzer und überschaubarer. Grundsätzlich gilt zwar,daß der Ausbildung wegen ihrer herausragenden Bedeutung für das gesamteweitere Leben eine gewissermaßen natürliche Priorität über private Ambitio-nen zukommt. Mit den unterschiedlichen Ausbildungswegen aber werden un-terschiedliche Formen der Anpassung des Privatlebens an die Ausbildungnotwendig; beide Ausbildungswege drücken dem privaten Lebenslauf so ih-ren spezifischen Stempel auf.

Wesentliche Unterschiede des Einflusses beider Ausbildungswege auf denprivaten Lebenslauf ergeben sich aus ihrer formalen Struktur und ihrem zeitli-chen Horizont. Ihr spezifischer Einfluß macht sich bereits bei der Aufnahmeder Ausbildung bemerkbar. Der Studienplatz an einem entfernten Studienorterzwingt bei den Studenten oft den Schritt, sich von den Eltern zu lösen undeinen eigenen Haushalt zu gründen. Anders verhält es sich in der Gruppe oh-ne Studium, wo die breitere lokale Streuung von Ausbildungsmöglichkeitenwesentlich seltener ein entfernter Ausbildungsort das frühzeitige Verlassendes Elternhauses notwendig werden läßt.

Aber Unterschiede im Auszugsverhalten ergeben sich davon unabhängigauch durch die unterschiedliche Länge der beiden Ausbildungswege. Die Be-rufsausbildung ist von klar umrissener Dauer und im ersten Drittel des drittenLebensjahrzehntes i.d.R. abgeschlossen. Daß sich der Wunsch nach Selbstän-digkeit hier leichter bis nach dem Abschluß der Ausbildung und dem Beruf-seintritt zurückstellen läßt, als im Verlauf eines Studiums, das oft weit in diezweite Hälfte des dritten Lebensjahrzehntes hineinreicht und dessen Dauerwesentlich unschärfer zu bestimmen ist, ist auch am Verhalten ablesbar. ImGegensatz zu der Gruppe ohne Studium haben die ehemaligen Studenten die-sen Schritt ganz überwiegend schon vor dem Berufseintritt vollzogen. Für dieehemaligen Studenten, die bis dahin gewartet haben, ist der Berufseintritt An-laß genug, einen eigenen Haushalt zu gründen. Die Dynamik, die der Prozeßmit diesem Übergang gewinnt, belegt, daß die mit einem eigenen Haushaltverbundene Selbständigkeit und Unabhängigkeit längst auf der Tagesordnungdes Lebenslaufes stand und nur wegen der Ausbildung aufgeschoben wordenist. Anders stellt sich der Prozeß bei den Frauen und Männern ohne Studiumdar: Auch wenn es bei ihnen ebenfalls eine Gruppe gibt, bei der beide Ereig-nisse zeitlich so eng verknüpft sind, daß der Berufseintritt als Anlaß derHaushaltsgründung vermutet werden kann, zeigt der weitere Verlauf des Pro-zesses doch, daß hier wesentlich häufiger als bei den Studenten die mit derErwerbstätigkeit verknüpfte materielle Unabhängigkeit nur eine Vorausset-zung, nicht aber der Auslöser des Auszugs ist. Der hat dann oft andere Grün-de, die in der Regel im privaten Bereich zu suchen sind.

171 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

Faßt man zusammen, dann ist das Auszugsverhalten durch zwei Faktoren ent-scheidend geprägt: Eine gewisse Rolle scheinen Altersnormen im Sinne kol-lektiver Vorstellungen darüber, in welchem Alter der Übergang vollzogenwerden sollte, zu spielen. Die aber sind nicht starr, sondern bezeichnen nurein bestimmtes Zeitintervall, in dem der Auszug normalerweise vollzogenwird. Dies erklärt, warum der Gruppe ohne Studium auch nach dem Ausbil-dungsende die Haushaltsgründung längst nicht so dringend erscheint wie derGruppe mit Studium, und trägt zur Erklärung der Tatsache bei, daß Studentenüberwiegend schon während der Ausbildung ihr Elternhaus verlassen. Zwei-tens aber wird das Auszugsverhalten maßgeblich durch den Ausbildungsver-lauf geprägt. Und dies gilt gleich in doppelter Hinsicht: Zum einen schaffterst der mit dem Abschluß der Ausbildung verknüpfte Berufseintritt die wirt-schaftlichen Voraussetzungen, einen eigenen Haushalt unabhängig und selb-ständig zu führen. Zum anderen erfordert oft gerade die Ausbildung, beson-ders im Falle eines Studiums, das Verlassen des Elternhauses. Hinzu kommtdie Dauer der Ausbildung. Sie reicht gerade bei Studenten in Altersregionen,in denen Selbständigkeit und auch Unabhängigkeit vom Elternhaus, beides si-cher zentrale Aspekte des Erwachsenenstatus, fast selbstverständlich erschei-nen. Ausbildung und Führung eines eigenen Haushaltes stehen also in einemSpannungsverhältnis zueinander: Wenn die wirtschaftliche Basis des eigenenHaushaltes nicht gegeben ist und aus eigenen Mitteln – durch Jobben etwa –geschaffen werden muß, dann können der Ausbildung Ressourcen entzogenwerden, was wiederum ihren Erfolg negativ beeinflussen kann. Selbst wennzunächst beides im Alltag koordinierbar erscheint und eine klare Hierarchiebeider Lebensbereiche gegeben ist, besteht immer die Gefahr, daß die Situati-on eine eigene Dynamik entwickelt, in der die Ausbildung mehr und mehr inden Hintergrund tritt.

Zusammenziehen mit Partner(in)

Was schon im Falle der Gründung des ersten eigenen Haushaltes für den Ein-fluß des beruflichen auf den privaten Lebenslaufes und die sich daraus erge-benden Rückwirkungen gilt, das gilt in den wesentlichen Punkten auch für dasZusammenleben mit einem Partner oder einer Partnerin (zunächst unabhängigdavon, ob verheiratet oder nicht). Die Ähnlichkeit dieser Prozesse wird ver-ständlich, wenn man bedenkt, daß beide Ereignisse häufig zusammenfallen.Aber gerade in der Motivation, diesen Schritt zu machen, steckt natürlichauch ein Unterschied: Es gibt ausschließlich private Gründe für das Zusam-

172 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

menleben. Anders als beim Verlassen des Elternhauses und der Gründung ei-nes eigenen Haushaltes hat dieser Schritt keine beruflichen Ursachen. Aberselbst wenn der berufliche Lebenslauf für diesen Schritt nicht ursächlich ist,so ist dessen Einfluß doch unverkennbar. Art und Dauer der Ausbildungstrukturieren den Prozeß in ähnlicher Weise, wie dies auch für den Prozeß derHausstandsgründung allgemein der Fall ist. Die Risiken für den Erfolg derAusbildung, die sich aus der zumindest partiellen Inkompatibilität zwischeneinem eigenen Haushalt und dem Einsatz aller Kräfte für die Ausbildung er-geben, bleiben weitgehend die gleichen, ob ein Haushalt nun ohne oder mitPartner gegründet wird. Ein Studium begünstigt die Bereitschaft, ein solchesRisiko einzugehen, wegen seiner gegenüber einer Berufsausbildung größerenDauer, aber vielleicht auch wegen seiner flexibleren, eine Koordination bei-der Lebensbereiche erleichternden Struktur. Genauere Analysen werden spä-ter zeigen, ob und in welchem Umfang sich solche, schon vor dem Berufsein-tritt bestehenden privaten Bindungen negativ auf den Ausbildungs- und Be-rufserfolg auswirken.

Durch eine lange Ausbildungsdauer verlieren die Maßstäbe des berufli-chen Lebenslaufes und des Lebensalters ihre Parallelität. Was mit Blick aufdas Lebensalter angemessen erscheint, das kann zugleich aus der Perspektiveden Bildungs- und Berufsverlaufes als "früh" (manchmal auch als "zu früh")erscheinen. Schon das Verlassen des Elternhauses und das Zusammenlebenmit einem Partner markieren Schritte einer Entwicklung, in deren Verlaufmehr und mehr die Erwachsenenrolle übernommen wird, zu der auch dieÜbernahme von Verantwortung für sich und andere, aber auch finanzielle Un-abhängigkeit gehört. Die Lebenssituation wandelt sich durch den Familien-gründungsprozeß. Aus einer biographischen Übergangsphase, die ihre Da-seinsberechtigung aus der Ausbildung und deren Primat schöpft, kann sich ei-ne Situation entwickeln, in der die Ausbildung an Bedeutung verliert und zu-gunsten anderer Verpflichtungen mehr und mehr in den Hintergrund tritt.

Elternschaft

Besonders deutlich tritt dieser Zusammenhang bei der Entscheidung für einKind zutage. Die Elternschaft ist der Abschluß der privaten Entwicklung vonder Herkunftsfamilie zur Zielfamilie. Im Normalfall sind zu diesem Zeitpunktauf der beruflichen Seite die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Ausbil-dung ist abgeschlossen und der Eintritt in den Beruf erfolgt. Eine Ausbil-dungsphase, die bis weit in das dritte Lebensjahrzehnt hinein andauert, begün-

173 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

stigt eine Entwicklung, wie sie oben beschrieben wurde. Einerseits ist dieAusbildung zwar noch nicht abgeschlossen, aber man lebt vielleicht schon ge-raume Zeit mit dem Partner zusammen und bestreitet auch den Lebensunter-halt selber. Ein Kind erscheint dann als die – wenn auch im Hinblick auf denberuflichen Lebenslauf noch etwas frühe – Konsequenz der bisherigen priva-ten Entwicklung und stellt für den Ausbildungsverlauf subjektiv keine Kata-strophe mehr dar. Anders als in einer Berufsausbildung lassen sich die zeitli-chen Anforderungen der Ausbildung in einem Studium individuell steuern.Das aber bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als daß der Aufwand, der fürdas Studium betrieben wird, den Bedingungen des privaten Lebenslaufes an-gepaßt wird und sich spätestens jetzt die ursprüngliche Hierarchie der beidenLebensbereiche zu Lasten des beruflichen Lebenslaufes umgekehrt hat.

4.4.2 Die Hierarchie der Lebensbereiche bei Frauen und Männern

In der Phase der Vorbereitung auf den Beruf ist der private Lebenslauf umden beruflichen herum organisiert ist. Dies ist nicht nur Programm der Institu-tion Lebenslauf, sondern läßt sich auch am empirisch zu beobachtenden Ver-halten unserer Befragten zeigen. Eine lange Ausbildung, vor allen Dingen al-so ein Studium, führt zu den beschriebenen Ungleichzeitigkeiten in der Ent-wicklung beider Stränge des Lebenslaufes. Wenn beides für nicht nur fürMänner, sondern auch für Frauen gilt, dann belegt dies, inwieweit sich derenLebenslauf – zumindest in der Phase der Vorbereitung auf einen Beruf – demder Männer angenähert hat, weil eine eigene berufliche Perspektive heute bei-nahe selbstverständlich zum Lebensentwurf von Frauen gehört. Dies aber be-deutet, daß grundsätzlich für Frauen wie Männer keine unterschiedlichen Re-geln einer erfolgreichen Ausbildung gelten. Zugleich aber bleiben traditionel-le Geschlechterrollen nach wie vor präsent und erfordern bei Frauen spezifi-sche Formen der Integration von Beruf und Familie.

Anders als bei Männern hat dies für Frauen zur Folge, daß sie gezwungensind, in ihrer individuellen Lebensplanung die Gewichtung beider Lebensbe-reiche festzulegen. Dazu gehört, daß Frauen häufiger auf besonders ambitio-nierte Berufswege verzichten, weil die mit ihrer traditionellen Rolle in einerFamilie kaum zu vereinbaren sind. Wie Analysen früherer Kapitel belegenkonnten, studieren sie seltener als Männer, und wenn doch, dann werden häu-fig kürzere Studiengänge gewählt, die in weniger prestigeträchtige Berufeführen. Nicht umsonst ist sicher der Lehrerberuf bei Frauen besonders beliebt,

174 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

verspricht er doch wegen relativ günstiger Arbeitszeiten, aber auch wegen sei-ner Ansiedlung im öffentlichen Dienst84 noch am ehesten Beruf und Familiein einer gemeinsamen Perspektive zu integrieren.

Solange die Berufslaufbahn verfolgt wird, bleibt der dargestellte Entschei-dungsraum im Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie bestehen, so daßdie Entscheidung noch revidiert werden kann. Und eine solche Möglichkeitzur Revision des eingeschlagenen beruflichen Weges wird von einem Teil derFrauen auch genutzt. Sie verlassen häufiger als Männer das Gymnasium ohneanschließend ein Studium zu beginnen. Zugleich findet man in der Gruppeder Frauen ohne Studium den höchsten Anteil mit privaten Übergängen be-reits vor dem Schulabschluß. Gestützt wird die Vermutung, daß bei diesenFrauen eine Familiengründung der Anlaß für das Abweichen von dem fürGymnasiasten vorgezeichneten Weg über das Abitur und ein Studium in einegehobene berufliche Position war, durch die Beobachtung, daß es sich beidiesen Übergängen vor dem Abschluß der Schule häufig um eine Heirat unddie Geburt des ersten Kindes handelt. Ungeachtet der Tatsache, daß der be-schriebene Entscheidungsraum zwischen Beruf und Familie natürlich wäh-rend des gesamten Ausbildungs- und Berufsverlaufes besteht, wird er nachdem Abschluß eines Studiums noch einmal besonders deutlich, wenn Frauenstatt in den Beruf zu gehen, eine Familie gründen und Mutter werden. Überdie Ursachen eines solchen Verhaltens läßt sich trefflich spekulieren: Viel-leicht beinhaltete die Lebensplanung dieser Frauen von Beginn an keine eige-ne Berufskarriere, sondern sollte nur die Zeit bis zu einer Familiengründungim Stile "höherer Töchter" eigentlich längst vergangener Zeiten angemessenüberbrücken helfen. Ein Studium wäre in diesem Sinne sicher keine Fehlinve-stition. Wahrscheinlicher aber ist, daß sich mit dem Studienabschluß eineneue Situation stellt, in der die eigene Lebensplanung im Lichte der Situationund ihrer Möglichkeiten neu bewertet werden muß. Dabei spielen gewiß dieChancen einer adäquaten Verwertung des erworbenen Wissens auf dem Ar-beitsmarkt eine wichtige Rolle. Werden sie ungünstig eingeschätzt, dann kanndies bei Frauen einen Rückzug in eine Familiengründung begünstigen, wäh-rend Männer in jedem Fall in einen Beruf müssen, auch wenn der vielleichtvon niedrigerem Status als der ursprünglich angestrebte sein sollte.

Für die überwiegende Mehrheit unserer Frauen gehört eine berufliche Per-spektive zur Lebensplanung, aber sie wollen i.d.R. auch auf eine Familie nichtverzichten. Frauen wissen aber um die Problematik der Vereinbarkeit von Fa-

175 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

84 Herausheben möchte ich hier vor allem die Beurlaubungsmöglichkeiten des öffentlichen Dien-stes, die viele privatwirtschaftliche Bereiche in dieser Form nicht kennen, oder auch die Mög-lichkeiten zur Teilzeitarbeit durch Reduzierung der Stundenzahl.

milie und Beruf und müssen ihre Lebensplanung darauf abstellen. Dazu ge-hört auch, daß sie ihren privaten Lebenslauf und ihren Ausbildungs- und Be-rufsverlauf in stärkerem Ausmaße als Männer aufeinander abstimmenmüssen, um sich eine berufliche Perspektive überhaupt erst zu eröffnen. Inder Folge ist der private Lebenslauf von Frauen, besonders wenn sie relativhochgesteckte berufliche Ziele anstreben, stärker als der von Männern an denEreignissen des beruflichen Lebenslaufes ausgerichtet.

So ist für Frauen der Studienbeginn häufiger als für Männer der Anlaß,das Elternhaus zu verlassen. Unter den Frauen, die den zweiten Bildungswegbeschreiten, finden wir besonders viele, die alleine leben und nicht durch fa-miliäre Verpflichtungen gebunden sind. Frauen vermeiden öfter als Männerwährend der Ausbildung die für die spezifische Form der Ausbildung riskan-ten Schritte der Lösung vom Elternhaus und der Familienbildung. Dabei han-delt es sich im Falle einer Berufsausbildung um alle drei hier betrachtetenÜbergänge des privaten Lebenslaufes, im Falle eines Studiums hauptsächlichum die Elternschaft. Einige Frauen, vermutlich mit geringeren beruflichen As-pirationen, gründen recht bald nach dem Ausbildungsabschluß und dem Be-rufseintritt eine Familie. Ihnen war offensichtlich vor allem der Abschluß ih-rer Ausbildung wichtig, um gegen die Eventualitäten des Lebens gewappnetzu sei; eine Berufskarriere im eigentlichen Sinne haben sie nicht unbedingtangestrebt. Insgesamt kommt der Familie in ihrer Lebensplanung eine höherePriorität als dem Beruf zu. Anders sieht es bei der Mehrzahl der Frauen, de-ren Ausbildung (Studium) auf relativ hochgesteckte berufliche Ziele hinweist,aus. Ihnen erscheint eine mindestens zwei- bis dreijährige Phase der Berufstä-tigkeit offensichtlich notwendig, um sich soweit in ihrem Beruf zu etablieren,daß die Auswirkungen der Mutterschaft auf die eigene Berufskarriere mög-lichst gering gehalten werden können.

176 Die Koordination des privaten und beruflichen Lebenslaufes durch die Akteure

5.1 Überlegungen zum beruflichen Preis früher privater Übergänge

In den vorausgegangen Kapiteln wurde das faktische Handeln der Akteure be-trachtet: In den Kapiteln zwei und drei wurde aus verschiedenen Perspektivenuntersucht, welche Wege sie in ihrem beruflichen und in ihrem privaten Le-benslauf beschreiten, das vierte Kapitel beschrieb dann die zeitliche Koordi-nation beider Stränge des Lebenslaufes. Über die reine Deskription hinauswurde versucht, das Handeln aus der Besonderheit des Lebensabschnittes undder privilegierten Ausgangssituation der Stichprobe zu verstehen. Eine wich-tige Rolle spielten dabei stets auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern,die einerseits auf einer unterschiedlichen Geschlechtstypik der Lebenspläneberuhen, und andererseits bei den Frauen, die eine eigenständige Berufskar-riere anstreben und dadurch die Geschlechtstypik durchbrechen, spezifischeAnpassungsleistungen erfordern.85

Die zentrale Erklärung für die beobachtete Form der Koordination berufli-cher und privater Statuspassagen lautete: Während der Ausbildungsphase,z.T. auch darüber hinaus, sind Übergänge des private Lebenslaufes vor beruf-lichen Übergängen, gestaffelt nach dem Grad ihrer Verbindlichkeit und derzunehmenden Verantwortung, zunächst für sich selber, später auch fürandere, mit Kosten für die Berufskarriere verbunden. Die durch private Sta-tusübergänge neu entstehende Lebenssituation bindet Kräfte und Ressourcen,die dem Ausbildungsprozeß und damit der Berufskarriere nicht mehr zur Ver-fügung stehen. Diese Überlegung konnte zwar das beobachtete Verhalten ver-ständlich machen; sie bleibt aber (trotz einiger in diese Richtung weisendenEinzelergebnisse) solange eine unüberprüfte Hypothese, wie nicht gezeigtwerden kann, daß mit vorgezogenen privaten Übergängen tatsächlich be-stimmte Kosten für den weiteren Verlauf der Ausbildungs- und Berufskarriere

5 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

85 Selbstverständlich ist auch der umgekehrte Weg – Männer verzichten zugunsten einer Familieauf ihre berufliche Ambitionen oder einen Teil davon – theoretisch denkbar. Nur: Empirisch istein solches Verhalten eine Ausnahme.

verbunden sind. Kurzum: Bisher wurde zwar ein Mechanismus genannt, derdie vorherrschende Konstruktion des Lebenslaufes verständlich machen kann.Aber es wurde noch nicht systematisch untersucht, ob dieser Mechanismusüberhaupt wirkt. Das soll in diesem und dem folgenden Kapitel nachgeholtwerden, wenn zuerst in bivariaten, später in multivariaten Analysen analysiertwird, ob und welche Kosten durch vorgezogene privaten Statuspassagen ver-ursacht werden.

Zunächst aber gilt es, den Begriff der Kosten genauer zu definieren.Ökonomisch betrachtet schmälern Kosten den Erfolg einer Unternehmung.Gemessen werden sie in denselben Einheiten wie der Erfolg selber. In derWirtschaft ist der Maßstab für den Erfolg einer Unternehmung der in Geldgemessene Gewinn. Bewertet wird er in Relation zu den getätigten Investi-tionen. Dieses Bild läßt sich unschwer auf die Ausbildungs- und Berufslauf-bahn übertragen, wo am Erfolg orientiertes Handeln, der Eigengesetzlichkeitder Sphäre der Wirtschaft entsprechend, primär an ökonomischen Prinzipienausgerichtet sein muß. Auch hier werden zunächst Investitionen in der Hoff-nung auf deren spätere Rentabilität getätigt. Investiert wird in Humankapital;der Erfolg läßt sich wie in einer betrieblichen Unternehmung zunächst inGeld, nämlich in dem erzielten Einkommen, messen. Aber nicht nur der kurz-fristig erzielbare Gewinn bestimmen sowohl das Agieren von Wirtschaftsun-ternehmens wie auch das von Individuen auf Märkten, sondern darüber hinausbeeinflussen weitere Ziele beider Handeln. Wirtschaftsunternehmen sind u.a.auch auf ein positives Image in der Öffentlichkeit bedacht, Individuen strebenin berufliche Positionen mit hohem sozialen Ansehen. Das Sozialprestige deserreichten Berufes ist daher neben dem Einkommen ein weiteres Maß, in derder Erfolg und Mißerfolg der Berufslaufbahn gemessen werden kann.86

Die Tatsache, daß diesen beiden quantitativen Kriterien des Erfolges derBerufslaufbahn mit der Frage, ob der Berufseinstieg im Erhebungszeitraumüberhaupt schon erfolgt ist, ein qualitatives Erfolgskriterium vorgelagert ist,lenkt den Blick auf den Ausbildungs- und Berufsverlauf selber und fort vonseinen Resultaten. Die im dritten Kapitel entwickelte Typologie des Bildungs-verlaufes und Berufseintritts (Tab. 3.2) orientiert sich an der Besonderheit un-serer Stichprobe und dem institutionellen Aufbau des Bildungswesens. DerAusgangspunkt ist mit der 10. Klasse des Gymnasiums für alle Befragten dergleiche und auch die Richtung – in den Beruf – ist vorgegeben. Die Typolo-gie zeigt, daß es für unsere nach Bildung privilegierte Stichprobe einen mitAbstand am häufigsten beschritten Weg – gewissermaßen die Hauptstraße –

178 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

86 Erhoben wird das Berufsprestige durch Wegeners (1985, 1988) Magnitude-Prestige-Skala(MPS).

und eine Reihe von – um bei der Metapher des Weges zu bleiben – schwächerfrequentierten Seitenstraßen, Schleich- und Umwegen gibt. Für jeden Ab-schnitt des Weges stellt sich die Frage des Erfolges aufs neue. Mit dem Endeeiner Phase ist auch eine Weiche des beruflichen Lebenslaufes erreicht. DerErfolg der gerade abgeschlossenen Phase gibt vor, welche Wege dann offen-stehen. Mit dem Gymnasium als Ausgangspunkt ist die Hauptstraße vorgege-ben: Sie beschreibt den Weg über das Abitur und ein Studium in eine gehobe-ne berufliche Position und gibt insofern einen Maßstab für einen erfolgrei-chen Ausbildungsverlauf vor.

Wenn die Kosten vorgezogener privater Statuspassagen für den berufli-chen Lebenslauf ermittelt werden sollen, dann ist zunächst dieser Erfolgsmaß-stab anzulegen und an jeder Verzweigung zu fragen, inwieweit Zusammen-hänge zwischen dem Verlassen des Weges und privaten Übergängen festge-stellt werden können. Erst wenn diese qualitative Frage des Erfolges einesAusbildungsabschnittes geklärt ist, dann kann zusätzlich nach dem quantitati-ven Erfolg gefragt werden. Konkret: Nur wenn ein Studium begonnen wurde,kann dessen Dauer, nur wenn es erfolgreich abgeschlossen wurde, kann dieQualität des Abschlusses in Relation zu privaten Ereignissen vor dem Stu-dienende gesetzt werden. Und schließlich kann nur bei denjenigen, die imAnschluß an ihre Ausbildung berufstätig geworden sind, nach der Höhe desEinkommens und des Berufsprestiges gefragt werden.

Die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben als subjektiver Maßstab des Le-benserfolges transzendiert die institutionell vorgegebenen Übergänge desAusbildungssystems und dessen "objektive" Erfolgsmaßstäbe. Zur Zufrieden-heit der 30jährigen wurden drei Fragen, eine auf das Leben allgemein, eineauf die private Entwicklung und eine auf die berufliche Entwicklung bezoge-ne, gestellt.87 Alle drei Dimensionen sollen berücksichtigt werden. Die beruf-liche Zufriedenheit mißt das Erreichte an persönlichen Ansprüchen und Er-wartungen. Ihre Auswertung wird zeigen, ob sich mögliche negative Einflüssevon vorgezogenen privaten Übergängen auf den objektiven beruflichen Er-folg auch in dessen subjektiver Bewertung wiederfinden. Wenn die, sich inder Sequenz der Ereignisse manifestierende, unterschiedliche Gewichtung derLebensbereiche ein Ergebnis unterschiedlicher Lebenspläne sein sollte, danndürfte die berufliche, aber auch die private und die allgemeine Zufriedenheitdurch private Statusübergänge noch vor dem Ausbildungsende nicht negativbeeinflußt werden. Umgekehrt ist eine überdurchschnittliche private und all-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 179

87 Die Frageformulierungen lauteten: "Wie zufrieden sind sie heute alles in allem mit Ihrem Le-ben?", "... mit Ihrer privaten Entwicklungen und Ihrem privaten Leben?", "... mit Ihrer berufli-chen Entwicklungen und Ihrem beruflichen Leben?" Vorgegeben war eine Skala von 0 bis 10.

5.2 Berufliche Konsequenzen privater Übergänge vor dem höchstenSchulabschluß

Wie im letzten Kapitel gezeigt werden konnte, sind private Übergänge vordem höchsten Schulabschluß mit gutem Grund höchst selten (vgl. Abb. 4.1).Nicht nur Altersnormen binden noch an die Herkunftsfamilie, auch die feh-lende wirtschaftliche Unabhängigkeit eines Schülers macht die Gründung ei-nes eigenen Haushaltes, allein oder mit Partner, vor allem aber die Übernah-me der Verantwortung für ein Kind beinahe unmöglich. Man findet eine sol-che Ereignissequenz des privaten und beruflichen Lebenslaufes denn auchkaum auf dem ersten Bildungsweg, sondern vor allem, wenn der beruflicheLebensweg nachträglich auf dem zweiten Bildungsweg korrigiert wird.

Trotz der geringen Fallzahlen und der Einschränkung, daß eine solcheEreignissequenz häufig das Resultat einer Revision von Entscheidungen desberuflichen Lebenslaufs ist, soll an dieser Stelle untersucht werden, ob sichder weitere berufliche Weg dieser Gruppe von dem der Gesamtgruppe unter-scheidet. Beeinflußt die private Lebensform vor dem höchsten Schulabschlußden Erfolg auf der ersten Stufe der in Tabelle 3.2 wiedergebenen Typologie,d.h. finden Schüler, die allein oder mit Partner leben oder sogar schon Elternsind, genauso häufig den Weg in ein Studium wie ihre noch im Elternhaus le-benden Mitschüler? Und falls nicht: Lassen sich Anzeichen finden, die daraufhinweisen, daß private Übergänge vor dem höchsten Schulabschluß nicht nurauf Sonderwege des Bildungsverlaufes zurückzuführen sind, sondern daß sieumgekehrt auch mit Kosten für den Erfolg der schulischen Ausbildung ver-bunden sind?

Differenziert nach Frauen und Männern stellt Abbildung 5.1 dar, wie sichdie Gruppen mit spezifischen privaten Statuspassagen vor dem Schulabschlußauf die vier Gruppen verteilen, die in der Typologie des Ausbildungs- undBerufsverlaufs die erste Ebene bilden. Jeweils mit dem entsprechenden Anteilin der Gesamtgruppe wird verglichen, wie groß der Anteil derjenigen ist, dieden direkten Weg in ein Studium genommen haben ("Studentische Normal-karriere": SNK), die erst verspätet nach vorheriger Erwerbstätigkeit oder überden zweiten Bildungsweg zum Studium gefunden haben ("Studienaufsteiger":SA), die nach dem Abitur kein Studium begonnen haben ("Abitur": ABI)oder die das Gymnasium ohne Abitur verlassen haben (Mittlere Reife: MR).

gemeine Zufriedenheit ein Indikator dafür, daß mögliche Kosten im berufli-chen Bereich durch Gewinne im privaten Bereich ausgeglichen werden.

180 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

182 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

****: p<0,0001; ***: p<0,001; **: p<0,01; *: p<0,05Bei den Korrelationsanalysen benutzte Kodiervariablen zu privaten Übergängen: 0: kein Über-gang, 1: Übergang, aber kein weiterer. NLGM: Nichteheliche Lebensgemeinschaft.PVORSCH: Kumulation private Übergänge vor dem höchsten Schulabschluß. Dabei wurdenicht zwischen unverheiratetem (NLGM) und verheiratetem (Ehe) Zusammenleben unterschie-den. (0: kein Übergang, 1: eigene Wohnung, 2: Lebensgemeinschaft, 3: Elternschaft)SNK: "Studentische Normalkarriere"; SA: "Studienaufsteiger; ABI: Kein Studium trotz Abitur;MR: Kein Abitur. Eine genauere Erläuterungen der vier Typen findet sich in Kapitel 3.1.2.

-,00 ,04 ,20****

-,16****

PVORSCH (n=1043)

-,07*

,18****

,14****

-,11***

PVORSCH (n=907)

,05 ,05 ,04-,08**

Kind (n=986)

,18****

,12***

,06-,11***

Kind (n=841)

-,00,05 ,08*

-,08*

EHE (n=978)

,12****

,16****

,01-,05 EHE (n=845)

-,05-,04 ,25****

-,11**

NLGM (n=991)

-,07 ,04-,08*

,00 NLGM (n=852)

-,04 ,02 ,10**

-,05 Eig. Wohnung (n=996)

-,09**

,13***

,25****

-,11***

Eig. Wohnung (n=856)

MRABISASNKMRABISASNKProdukt-Moment-Korrelationen

0,16Cramer's V: 0,19Cramer's V: 11,0 7,510,571,11.043 Alle25,58,46,859,3 907 Alle 23,5 17,7 17,7 41,2 17 Kind33,333,316,716,7 12 Kind 3,26,551,638,731 NLGM/Ehe10,323,112,853,9 39 NLGM/Ehe

3,911,526,957,726

Eigene Wohnung 3,725,940,729,6 27

Eigene Wohnung

11,3

7,2

8,573,0969 Kein Übergang26,8 6,8

5,361,2

829

Kein Übergang

MRABISASNKnMRABISASNKnAnteileAnteile

SNK SA ABI MR0%

20%

40%

60%

80%Kein Übergang EIGWOHNNLGM/EHE KIND

SNK SA ABI MR0%

20%

40%

60%

80%Kein Übergang EIGWOHNNLGM/EHE KIND

MännerFrauen

Abbildung 5.1 Statuspassagen des privaten Lebenslaufes vor dem höch-sten Schulabschluß und ihre Folgen für den Ausbildungs-und Berufsverlauf

sen des Gymnasiums (MR) verantwortlich. Obschon die Kausalität von priva-ten Übergängen und der Zuordnung zu der Typologie bei Studienaufsteigernnicht eindeutig ist, zeigen die überdurchschnittlich hohen Anteile derjenigen,die auf ein Studium verzichtet haben, doch auch, daß privater Übergängewährend der Schulzeit Abweichungen von dem ansonsten zu erwartendenweiteren Ausbildungs- und Berufsweg ehemaliger Gymnasiasten nach sichziehen können.

Um darüber hinaus die Zusammenhänge spezifischer privater Übergängemit dem weiteren Ausbildungs- und Berufsverlauf eingehender zu beleuchtenund ihre Signifikanz überprüfbar zu machen, wurden zusätzlich die Korrela-tionen zwischen den vier aus der Typologie gebildeten Kodiervariablen(SNK, SA, ABI, MR) und privaten Ereignissen vor dem Ende der schulischenAusbildungen gerechnet. Bei den im unteren Teil von Tabelle 5.1 wiederge-gebenen Korrelationskoeffizienten werden neben PVORSCH Kodiervariablenverwendet, bei denen die Vergleichsbasis (0) die Fälle ohne private Übergän-ge sind, und die Fälle, die in dem fraglichen Zeitraum schon weitergehendeprivate Bindungen als die jeweils Betrachte eingegangen sind, aus der Be-rechnung ausgeschlossen werden.90 Wenn beispielsweise ein Befragter in demfraglichen Zeitraum erst mit einer Partnerin zusammenzieht (NLGM), späterheiratet (EHE) und schließlich Vater wird (KIND), dann wird er nur einmal –bei der Variable KIND – berücksichtigt und bei den Variablen NLGM undEHE ausgeschlossen. Die Kategorie 1 bedeutet bei diesen Variablen also im-mer, daß in dem fraglichen Zeitraum auf der Stufenleiter des privaten Lebens-laufes eine spezifische Sprosse erklommen wurde, darüber hinaus aber keineweiteren. Mit 0 wurden demgegenüber die Fälle kodiert, die in diesem Zeit-raum noch ohne privaten Übergang sind.

Dabei ergeben sich einige signifikante Korrelationen, deren Höhe aller-dings r=,25 nicht übersteigt. Die Koeffizienten belegen (bis auf die Ausnahmeeiner nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor dem Schulabschluß bei Frauen)durchgängig negative Zusammenhänge zwischen privaten Ereignissen vordem Schulabschluß und einem direkten Studienzugang nach dem Abitur(SNK). Aber bei Frauen ergeben sich im Gegensatz zu den Männern hochsi-gnifikante positive Zusammenhänge zwischen vorgezogenen privaten Über-gängen und der Tatsache eines Verzichtes auf ein Studium nach dem Abitur(ABI). Private Übergänge vor dem höchsten Schulabschluß lassen also Frau-en häufiger als Männer auf ein Studium verzichten und sich statt dessen über-durchschnittlich oft mit dem Abitur oder dem Fachabitur begnügen.

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 183

90 Dabei wurde die folgende Reihenfolge unterstellt: (1) Eigene Wohnung, (2) nichteheliche Le-bensgemeinschaft, (3) Ehe und (4) Elternschaft.

Noch früher, also mit der Mittleren Reife oder dem Hauptschulabschluß, wirddas Gymnasium nicht wegen privater Entscheidungen verlassen. Das verhin-dert alleine die Tatsache, daß die Mittlere Reife in der Regel mit etwa 16 Jah-ren erreicht wird. Bis dahin sind die betrachteten privaten Statusübergängehöchst unwahrscheinlich und z.T. (Ehe) auch rechtlich ausgeschlossen. Deraktuelle Ausbildungsabschnitt wird normalerweise zu Ende gebracht, die pri-vate Lebenssituation wirkt erst auf die Entscheidung bezüglich der nächstenPhase. Lediglich eine Elternschaft während der Schulzeit scheint eine Aus-nahme zu bilden: In dieser Gruppe finden wir überdurchschnittlich viele Ab-brecher des Gymnasiums. Auch wenn die Korrelationskoeffizienten bei Frau-en und Männern wegen der Seltenheit von Kindern vor dem Schulabschlußund der Häufigkeit anderer Gründe für einen Schulabbruch nur knapp über 0liegen, können die Daten doch als Indiz dafür gelten, daß der frühen Eltern-schaft keine Entscheidung zugrunde lag, die sich in die Planung der berufli-chen Zukunft fügt, sondern daß sie ein Ereignis darstellt, das die Lebenspläneüber den Haufen werfen kann.

Die positiven Zusammenhänge zwischen der Tatsache einer Zugehörigkeitzur Gruppe der Studienaufsteiger (SA) und den privaten Übergängen vor demhöchsten Schulabschluß weisen bei beiden Geschlechtern darauf hin, daß wirin der Gruppe der Studienaufsteiger sehr viele Absolventen des zweiten Bil-dungsweges finden, und der bis zum verspäteten Erwerb des höchstenSchulabschlusses verstrichene Zeitraum allein schon die Wahrscheinlichkeitprivater Übergänge erhöht. Unterschiede zwischen den Geschlechtern werdenbeim Vergleich der jeweils höchsten Koeffizienten bei Frauen und Männerndeutlich. Bei Männern korreliert die Tatsache einer nichtehelichen Lebensge-meinschaft (NLGM) am höchsten mit SA, bei den Frauen findet man denhöchsten Zusammenhang im Falle einer eigenen Wohnung (EIGWOHN).Pointiert könnte man sagen, Frauen wagen das Risiko eines späten Studiumsnur, wenn sie nicht durch eine Familie gebunden sind, während Männer dazugerade den Rückhalt einer Partnerin brauchen. Auch ohne diese Zuspitzunggilt, daß für Männer eine Partnerschaft kein Hindernis auf dem Weg in einnachgeholtes Studium darstellt, für Frauen aber die persönliche Ungebunden-heit eine wichtige Voraussetzung für diesen Weg ist. Obgleich die häuslicheArbeitsteilung natürlich prinzipiell eine Frage des Arrangements der Partnerist, befürchten Frauen in einer Partnerschaft – vor allem einer Ehe – durch dieAufnahme eines Studiums eine Doppelbelastung. Natürlich läßt sich auch hierletztlich nicht entscheiden, ob Frauen wegen der gegenüber Männern größe-ren Belastung durch eine Familie auf einen anspruchsvolleren weiteren Aus-bildungsweg verzichten, ob ihnen die Kapitulation vor den Problemen leich-

184 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

ter fällt, weil ihnen mit der Familie eine Alternative zur Berufskarriere offen-steht, die Männern fehlt, oder ob sich hier unterschiedliche Lebenspläne derGeschlechter bemerkbar machen.

Mit der Frage, welcher Ausbildungsweg nach dem Abschluß der allgemein-bildenden Schule beschritten wird, ist die Tatsache eng verknüpft, daß dasdurchschnittliche Prestige (MPS, vgl. Wegener 1985, 1988) des bei Abschlußder Beobachtung im Alter von 30 Jahren ausgeübten Berufes in den Gruppender Befragten mit privaten Übergängen noch vor dem Schulabschluß i.d.R.unter dem Gesamtmittelwert liegt. So senkt z.B. die Tatsache der Elternschaftvor dem Schulabschluß bei den Frauen das durchschnittliche Prestige des Be-rufs von 89,9 auf 68,3 Punkte, bei Männern von 96,4 auf 76,8 Punkte (Abb.5.2). Allerdings zeigen die zusätzlich berechneten Korrelationen, daß die Zu-sammenhänge zwar durchweg negativ, aber nur schwach und nur im Falle derElternschaft signifikant sind (Birkelbach 1996: TB30). Nun sind privateÜbergänge vor dem Schulabschluß höchst selten und die Wahl eines mehroder weniger prestigeträchtigen Berufes wird von einer Vielzahl von Fakto-ren beeinflußt. Die Tatsache, daß bei Frauen die Summe privater Übergänge(PVORSCH) mit r = -,11 zwar schwach, aber noch signifikant negativ mitdem Berufsprestige korreliert, und diese Korrelation bei Männern mit r = -,08auch knapp über der Signifikanzgrenze angesiedelt ist, spricht allerdings ge-gen die Zufälligkeit der Ergebnisse. Bei den an gleicher Stelle ausgewiesenenKorrelationen zwischen privaten Übergängen vor dem Schulabschluß und

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 185

Frauen Männer0

20

40

60

80

100

Kein Übergang EIGWOHNNLGM/EHE KIND

MPS

89,3

76,8

88,789,896,4

68,380,181,3

Abbildung 5.2 Berufsprestige (MPS) mit 30 Jahren (Mittelwerte)

dem Einkommen der gut 30jährigen ehemaligen Gymnasiasten entsprechenzumindest die negativen Vorzeichen der nur knapp über 0 liegenden Koeffizi-enten der Erwartung, daß so frühzeitig vollzogene private Übergänge sich ne-gativ auf die Berufskarriere auswirken können.

Aber auch wenn solche "objektiven" Daten, wie das gegenüber den ehe-maligen Mitschülern im Schnitt niedrigere berufliche Prestige, vor allem aberdie Tatsache, daß private Übergänge während der Schulzeit häufig den mitdem Besuch des Gymnasiums vorgezeichneten Weg verlegen, auf die Kostender früh vollzogenen Statuspassagen des privaten Lebenslaufes hinweisen, somuß dies nicht unbedingt bedeuten, daß davon auch das subjektive Erfolgs-kriterium der Zufriedenheit mit dem beruflich Erreichten betroffen ist. Zufrie-denheit ist immer auch eine Frage persönlicher Ansprüche und Wertungen.Dennoch sollte gelten: Mußte auf ein Studium verzichtet und berufliche Aspi-rationen wegen privaten Verpflichtungen zurückgeschraubt werden, dannwird auch die Zufriedenheit eher unterdurchschnittlich sein. Sah die persönli-che Lebensplanung aber ohnehin keine anspruchsvolle Berufskarriere vor,dann ist auch kein Einfluß auf die berufliche Zufriedenheit zu erwarten. Diesführt unter der Annahme geschlechtsspezifischer Lebenspläne zu einer diffe-renzierten Hypothese: Ein negativer Einfluß auf die berufliche Zufriedenheitsollte sich bei Männern stärker als bei Frauen bemerkbar machen.

Empirisch aber ist weder bei den Männern noch bei den Frauen einZusammenhang zwischen privaten Ereignissen vor dem Schulabschluß undeiner der drei Variablen zur Zufriedenheit feststellbar (Birkelbach 1996: TB30). Wie die nahe 0 liegenden Korrelationskoeffizienten zeigen, ist derGrad der allgemeinen, der privaten, aber auch der beruflichen Zufriedenheitmit 30 Jahren weitgehend unabhängig von der Tatsache einer privaten Statu-spassage während der Schulzeit. Bei den Männern entsprechen teilweise nichteinmal die Vorzeichen der Erwartung, während bei den Frauen wenigsten dieRichtung durchgängig negativ ist. Erklärbar wird das Fehlen bzw. die Schwä-che der Zusammenhänge, wenn man bedenkt, daß die angesprochenen priva-ten Entscheidungen und Ereignisse zum Zeitpunkt der Befragung weit zurück-liegen, und in der Zwischenzeit die private und die berufliche Entwicklungweitergegangen ist. Den Chancen, die vor fünfzehn Jahren vielleicht offenge-standen hätten, trauert man mit dreißig Jahren nicht mehr nach. BeruflicheZufriedenheit gründet vor allem auf dem beruflich aktuell Erreichten (vgl.Meulemann 1991b; 1995: 449), der weit zurückliegende private Übergangaber stellt offenbar im Rückblick – auch wenn er richtungsweisend gewesensein mag – nicht mehr als eine Randbedingung des Ausgangspunktes der be-ruflichen Entwicklung dar. Daß private Übergänge vor dem höchsten Schul

186 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

abschluß auch die private und allgemeine Lebenszufriedenheit zehn bis fünf-zehn Jahre später nicht mehr merkbar beeinflussen, ist kaum verwunderlich,wenn man bedenkt, welche Vielzahl von Einflußfaktoren sich in diesem Zeit-raum drängt. Das Leben ging weiter: Die damalige Entscheidung kann sichals richtig oder falsch erwiesen haben, neue und z.T. weiterreichende Ent-scheidungen sind getroffen worden, neue Entwicklungen wurden eingeleitet,Zufälle und schicksalhafte Fügungen können die Lebenssituation zwischen-zeitlich verändert haben.

Zusammenfassend kann man daher feststellen, daß so frühe Abweichun-gen von dem durch den Ausgangspunkt des Gymnasiums vorgegebenen Le-bensweg zwar mit objektiven Kosten für den beruflichen Werdegang verbun-den sind. Aber mit dem Übergang entsteht eine neue Situation, in der mansich im Laufe der Zeit einrichtet, ohne sich noch fünfzehn Jahre später wegender nicht wahrgenommenen Chancen zu grämen. Der persönliche Maßstab fürdie Zufriedenheit ist durch die veränderte Lebenssituation ein anderer gewor-den: Man hat nicht wegen der damaligen Entscheidung weniger, sondern hattrotz der damit verbunden gewesenen Belastungen etwas erreicht.

5.3 Private Lebensumstände und der Erfolg im Studium und im Beruf

An den Besuch der Schule schließt sich die Ausbildung in einem Betrieb odereiner Hochschule als ein entscheidender Schritt auf dem Weg in den Beruf an.Allerdings muß an dieser Stelle ein Schnitt gemacht werden: In den folgendenUntersuchungen werden nur diejenigen betrachtet, die nach dem Schulab-schluß auch weiter den mit dem Besuch des Gymnasiums begonnenen Wegüber das Abitur und das Studium in gehobene berufliche Positionen beschrei-ten. Es handelt sich dabei um eine Mehrheit von 71,2% der männlichen und59,4% der weiblichen Befragten. Dieser Weg wurde im dritten Kapitel mitdem Etikett der "Studentischen Normalkarriere" (SNK) versehen (vgl. Tab.3.2). Ausgeschlossen aus den Analysen werden die Befragten, die das Gym-nasium ohne Abitur vorzeitig verlassen (MR) oder nach dem Abitur auf einStudium verzichtet haben (ABI). Zu den Ausgeschlossenen gehören auch dieStudienaufsteiger (SA), weil diese Gruppe häufig ihr Studium wegen des spä-teren Beginns noch nicht beenden konnte. Die Beschränkung auf die in dervorausgegangenen Phase Erfolgreichen verhindert eine Zerfaserung der Ana-lyse, die sonst in immer feineren Verästelungen individueller Lebenswegevordringen müßte. Dadurch würden für jede Gruppe getrennte Untersuchun-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 187

gen notwendig, was nicht nur die Analysen unübersichtlich machen würde,sondern auch Probleme mit kleinen Fallzahlen mit sich brächte.

Noch eine zweite Einschränkung ist notwendig: Bei vorausgegangenenUntersuchungen wurde häufig der Einfachheit halber unterstellt, der Abschlußdes Ausbildungsprozesses und der Berufseintritt würden zeitlich weitgehendübereinstimmen. Hier, wo es um die Kosten privater Lebensentscheidungenfür das Studium geht, muß stärker differenziert werden. Aus den Analysendes vierten Kapitels ist bekannt, daß private Ereignisse häufig bis nach demAusbildungsprozeß aufgeschoben werden, dann aber oft in einem relativ kur-zen Zeitraum nachgeholt werden. Damit können sie in eine Phase zwischenAusbildungsende und Berufseintritt fallen. Aber nur Ereignisse, die tatsäch-lich vor dem Verlassen der Hochschule stattgefunden haben, können den Er-folg im Studiums beeinflussen. Der Bezugspunkt der vergleichenden Analy-sen ist hier also der Zeitpunkt, an dem die Hochschule verlassen wurde. Erstdort, wo es um die angemessene Verwertung des Erfolges im Studium imRahmen einer Erwerbstätigkeit geht, wird der Berufseintritt als zusätzlicherBezugspunkt berücksichtigt.

5.3.1 Abweichungen vom Weg über ein erfolgreiches Studium in den Beruf

Private Übergänge vor dem Verlassen der Hochschule

Ähnlich wie im Falle privater Übergänge vor dem höchsten Schulabschlußsoll nun der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit die Tatsache ei-nes privaten Überganges vor dem Ende des Studiums dessen Erfolg beein-flußt. Der Erfolg wird zunächst einmal in der Frage, ob das Studium abge-schlossen wurde, faßbar. Hier sind für 30jährige, die nicht erst verspätet überdie Umwege des zweiten Bildungsweges ins Studium gekommen sind, dreiMöglichkeiten denkbar: Die Hochschule wurde entweder mit einem bestande-nem Examen oder nach einem Abbruch des Studiums verlassen. Darüber hin-aus kann das Studium noch andauern. Das zentrale Ziel des Studiums aberstellt der Eintritt in die Erwerbstätigkeit dar, weil sich erst dann die Investitio-nen des Studiums amortisieren können.

Aus der Kombination der Erfolgskriterien lassen sich fünf Gruppen desStudienerfolgs bilden: (1) Hochschulabsolventen, die nach dem Examen denEinstieg in die Erwerbstätigkeit vollzogen haben (EX-EW), (2) Studienabbre-cher, die nach dem Abbruch erwerbstätig geworden sind (AB-EW), (3) Lang-zeitstudenten, die trotz des direkten Studienzuganges mit dreißig Jahren ihr

188 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

Studium noch nicht beendet haben (DAUER), sowie ehemalige Studenten, diemit (4) oder ohne Examen (5) die Hochschule verlassen haben, aber nochnicht erwerbstätig sind (EX-nie, AB-nie).

Welche Typen sind nach bestimmten Statuspassagen des privaten Lebens-laufes über Erwarten häufig, welche besonders selten zu finden? Wie in denAnalysen zu den Kosten privater Übergänge vor dem höchsten Schulabschlußsollen die Antworten auch hier doppelt abgesichert werden: Zunächst wieder-um durch den im Diagramm graphisch aufbereiteten Vergleich der Höhe derAnteile in der Gesamtgruppe mit den Anteilen in den Gruppen mit spezifi-schen privaten Übergängen, zum anderen durch die Berechnung der Korrela-tionen von vier aus den Ausprägungen der Typologie des Studienerfolgs ge-bildeten Dummy-Variablen mit der Tatsache eines bestimmten privaten Über-ganges vor dem Studienende.91 Während die graphische Darstellung der Ver-teilungen den Vorteil größerer Anschaulichkeit besitzt, ermöglichen die Kor-relationskoeffizienten auch die statistische Absicherung der Zusammenhänge.Um darüber hinaus nicht nur den Einfluß einzelner Ereignisse des privatenLebenslaufes meßbar zu machen, sondern auch ein komprimiertes Maß fürderen Wirkung insgesamt zu bekommen, wurde wie schon im Falle privaterEreignisse vor dem höchsten Schulabschluß eine Variable PVORSTE aus denTatsachen einer eigenen Wohnung, einer ehelichen oder nichtehelichen Le-bensgemeinschaft und der Elternschaft vor dem Verlassen der Hochschule ge-bildet. Die Abstufung dieser Variable von 0 bis 3 berücksichtigt den kumula-tiven Charakter der Ereignisse des privaten Lebenslaufes und gewichtet da-durch eine Elternschaft stärker als eine Lebensgemeinschaft und die wieder-um stärker als eine eigene Wohnung. Auch PVORSTE wird mit den vierDummy-Variablen zum Studienerfolg korreliert.

Betrachtet man zunächst einmal die Gruppe mit Examen und Berufsein-tritt (EX-EW), also diejenigen, die ihr Studium nicht nur formal erfolgreichabgeschlossen haben, sondern denen es darüber hinaus auch gelungen ist, dieInvestitionen des Studiums auch auf dem Arbeitsmarkt zu verwerten, dannwird deutlich, daß ein privater Übergang vor dem Studienende diesen Erfolggefährden kann. Aber mehr noch: Je stärker ein privater Übergang die Persondurch die Übernahme von Verpflichtungen und Verantwortung bindet, destogrößer ist auch die Gefahr für den Erfolg des Studiums. Wie die Abbildung,aber auch die Korrelationen zwischen EX-EW, der Tatsache nach erfolgrei-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 189

91 Diese Variablen wurden nach der gleichen Logik wie die Variablen zu privaten Übergängenvor dem Ende der Schulzeit kodiert: Eine 0 erhielten die Befragten, die bis zum Verlassen derHochschule keinen der fraglichen privaten Übergänge erlebt haben. Mit 1 kodiert wurden dieBefragten, die in diesem Zeitraum den jeweiligen Übergang erlebt haben. Ausgeschlossen wur-den jeweils die Fälle, die darüber hinaus schon weitere private Bindungen eingegangen sind.

190 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

****: p < 0,001; ***: p < 0,005; **: p < 0,01; *: p < 0,05Abkürzungen: EX-EW: Examen, dann erwerbstätig; AB-EW: Abbruch des Studiums, dann er-werbstätig; DAUER: Dauerstudenten, trotz direktem Studienzugang mit 30 die Hochschulenoch nicht verlassen; EX/AB-nie: noch keine Erwerbstätigkeit nach dem Examen/Abbruch desStudiums; NLGM: nichteheliche Lebensgemeinschaft; PVORSTE: Private Übergänge vor demStudienende. Dabei wurde nicht zwischen unverheiratet oder verheiratet Zusammenlebendenunterschieden (Wertebereich von 0 bis 3).Kodiervariablen zu privaten Übergängen: 0: kein Übergang, 1: Übergang, aber kein weiterer.

-,00 ,04,08*

-,04 -,06PVORSTE (n=741)

,08 ,21****

,16***

-,03 -,24****

PVORSTE (n=538)

,04 ,05 ,13*

-,01 -,11Kind (n=269)

,17*

,37***

,32****

-,08 -,38****

Kind (n=171)

-,05 ,13*

,03 -,10 -,02 Ehe (n=304)

,05 ,27****

,19**

-,08 -,24****

Ehe (n=251)

,03 ,05

,08 -,14 **

,01 NLGM (n=365)

,02 ,12 *

,19**

,01 -,16**

NLGM (n=262)

,05 ,10 ,02 -,14 **

,02 Eig. Wohnung (n=379)

-,06,05 ,11-,14*

,06Eig. Wohnung (n=254)

AB-nie

EX-nie

Dau-er

AB-EW

EX-EW

AB-nie

EX-nie

Dau-er

AB-EW

EX-EW

Produkt-Moment-Korrelationen ,10Cramer's V: ,19Cramer's V:

0,810,013,812,762,8 741Alle 3,29,34,57,475,7538Alle 1,3 9,020,518,051,3 79 Kind10,824,310,8 5,448,7 37Kind

0,411,515,310,162,9288 NLGM/Ehe 3,313,5 6,9 8,268,2245NLGM/Ehe

1,611,911,9 8,766,0185

Eigene Wohnung

1,6

4,0

2,4

3,288,7124

Eigene Wohnung

0,56,310,518,464,2190

Kein Übergang

2,3

2,3

0,010,684,9132

Kein Übergang

AB-nie

EX-nie

Dau-er

AB-EW

EX-EWn

AB-nie

EX-nie

Dau-er

AB-EW

EX-EWn

AnteileAnteile

EX-EW AB-EW DAUER EX-nie AB-nie0%

20%

40%

60%

80% Kein Übergang EIGWOHNNLGM/EHE KIND

EX-EW AB-EW DAUER EX-nie AB-nie0%

20%

40%

60%

80% Kein Übergang EIGWOHNNLGM/EHE KIND

MännerFrauen

Abbildung 5.3 Statuspassagen des privaten Lebenslaufes vor dem Studienendeund der Erfolg im Studium (Nur SNK, keine Studienaufsteiger)

chem Studium in den Beruf eingetreten zu sein, und PVORSTE, der Kumula-tion privater Übergänge bis zum Ende des Studiums zeigt, scheint dies fürMänner und Frauen in ganz unterschiedlichem Ausmaß zu gelten.

Es gibt eine Ausnahme: Die Gründung einer eigenen Wohnung. Wird nurdieser Schritt bereits im Studium vollzogen, dann erhöht sich sowohl beiFrauen als auch bei Männern gegenüber der Gruppe, die während des Studi-ums noch im Elternhaus lebt, der Anteil der erfolgreichen ehemaligen Studen-ten leicht. Zugleich sinkt der Anteil der Abbrecher (AB-EW), wie auch die si-gnifikanten Korrelationskoeffizienten zeigen. Eine plausible Hypothese wäre,daß diese Zusammenhänge auf begehrte Studienfächer, in denen der Ab-schluß besonders ertragreich erscheint, und die zugleich häufig das Verlassendes Elternhauses wegen des Studienplatzes erzwingen, zurückzuführen sind.Beides trifft in hohem Maße auf die Fächer zu, in denen die Studienplätzeüber die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) zugewiesen werden.

Nicht die eigene Wohnung, wohl aber die Gründung einer eigenen Familiestellt eine Gefahr für das Studium dar. Allerdings sind dabei deutliche Unter-schiede zwischen den Geschlechtern zu berichten. Bei Männern hat die Tatsa-che, während des Studiums mit einer Partnerin unverheiratet oder verheiratetzusammenzuleben, so gut wie keinen Einfluß auf die Frage, ob mit gut dreißigJahren nach einem bestandenen Examen der Eintritt in den Beruf geschafftwurde. Erst im Falle einer Vaterschaft während des Studiums sinkt der Anteilvon EX-EW gegenüber der Gruppe ohne privaten Übergang deutlich umknapp 13 Prozentpunkte. Ganz anders bei den Frauen: Hier beträgt diese Dif-ferenz bereits im Falle des Zusammenlebens mit einem Partner (NLGM/EHE)16,7 Prozentpunkte. Schaut man etwas genauer hin und differenziert zwischenden Lebensformen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der Ehe, dannzeigt sich, daß mit der Ehe, als der stärker bindenden Partnerschaftsform,auch der negative Zusammenhang stärker wird (vgl. Korrelationen im unterenTeil von Tab. 5.3). Die größte Gefahr für den Erfolg des Studiums aber stellterwartungsgemäß für Frauen die Elternschaft dar: Ein Kind im Studium senktihre Studienerfolgsquote gleich um drastische 36,2 Prozentpunkte.

Fragt man danach, in welcher Münze denn nun konkret besonders häufigfür private Übergänge während des Studiums gezahlt werden muß, d.h. be-trachtet man nun die weniger erfolgreichen Studenten, dann läßt sich an derbei Frauen und Männern unterschiedlichen Verteilung auf die verschiedenenTypen ablesen, daß Frauen mit Familie nach dem Abschluß des Studiumshäufig auf den Einstieg in eine Erwerbskarriere verzichten, den Männern aberdiese Möglichkeit durch ihr Rollenverständnis versperrt ist. Bei Männern be-stehen keine Zusammenhängen zwischen privaten Übergängen im Studium

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 191

und der Tatsache, nach dem Abschluß oder Abbruch noch nicht berufstätig zusein (EX-nie und AB-nie). Offensichtlich ist dagegen die Komplementaritätder überdurchschnittlichen Anteile der Frauen, die schon während des Studi-ums einen oder mehrere Schritte der Familiengründung gemacht haben undnach dem Abschluß des Studium nicht berufstätig geworden sind (EX-nie),92

zu den unterdurchschnittlichen Anteilen der Frauen, die trotz Familie nachdem Examen in den Beruf gegangen sind (EX-EW). Zusätzlich unterstrichenwird diese Komplementarität durch die hochsignifikant positiven Korrelatio-nen, die in ihrer absoluten Höhe etwa den negativen Zusammenhängen zwi-schen den privaten Übergängen und EX-EW entsprechen. Durch das Examenhalten sich diese Frauen zwar die Möglichkeit einer späteren Erwerbstätigkeitoffen; sie nehmen diese aber zunächst wegen der Familie, und da vor allemwegen eines Kindes, nicht wahr. Eine kleine Gruppe der Frauen verzichtetauch auf diese Option und bricht ihr Studium wegen der zusätzlichen privatenBelastungen ab (AB-nie). Dagegen senkt ein Studienabbruch wegen einer Fa-milie erwartungsgemäß bei Frauen tendenziell die Wahrscheinlichkeit eineranschließenden Erwerbstätigkeit (AB-EW), während sie bei den Männern zu-mindest im Falle der Elternschaft leicht steigt.

Ein andere Währung, in der der Preis für private Verpflichtungen währenddes Studiums entrichtet werden kann, ist eine mögliche Verlängerung der Stu-diendauer. Betrachtet man hier nur als ersten Indikator die Anteile der Lang-zeitstudenten (DAUER), dann sieht man, daß dies ein Preis ist, den Männervor allem im Falle der Vaterschaft zahlen. Die Korrelationen zwischen deneinzelnen privaten Übergängen sind bei den Männern niedrig und nur im Fal-le der Vaterschaft erreicht der Koeffizient (r = ,13) soeben die Signifikanz-grenze. Bei den Frauen dagegen sind die Koeffizienten höher und bereits imFalle einer Partnerschaft (NLGM, EHE) signifikant. Die Korrelation zwi-schen DAUER und der Mutterschaft beträgt r = ,32.

Zusammengefaßt bestätigen die bisherigen Ergebnisse die Hypothese, daßmit dem Grad der Verbindlichkeit privater Bindungen steigende Kosten fürdas Studium einhergehen. Jedenfalls nimmt (mit Ausnahme der eigenen Woh-nung als einzigem privaten Übergang im Studium) mit jedem Schritt der Fa-miliengründung der Anteil derer ab, die bis zum Alter von dreißig Jahrennach dem bestandenen Examen den Berufseinstieg geschafft haben. AberFrauen haben einen solchen Preis deutlich häufiger zu entrichten. Hinzu

192 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

92 In dieser Gruppe (EX-nie) verbergen sich natürlich auch aktuell Arbeitsuchende, Absolventen,die eine Zusatzqualifikation erwerben oder sich noch in einem Referendariat etc. befinden. Dasaber trifft auf alle gleichermaßen zu. Das Ausmaß, in dem die Anteile über diesem Durchschnittliegen, dürfte dann aber vor allem bei den Frauen in dem beschriebenen Sinne als ein vorläufigerVerzicht auf einen Beruf interpretiert werden.

kommt die unterschiedliche Qualität des Preises: Frauen verzichten oft zugun-sten einer Familie auf die Früchte des Studiums und unterlassen vorläufig denSchritt in den Beruf. Zwar gibt es bei Frauen auch Fälle, in denen das Studi-um wegen einer Familie abgebrochen wird, überwiegend allerdings wird Ex-amen angestrebt, auch wenn die Doppelbelastung dazu führt, daß ein Teilzum Zeitpunkt der Befragung das Studium noch nicht beendet hat. Bei denMännern dagegen kann vor allem die Verpflichtung einem Kind gegenüberAnlaß für einen Studienabbruch mit anschließender Erwerbstätigkeit sein.Der hohe Anteil von Langzeitstudenten läßt darüber hinaus vermuten, daßMänner oft gezwungen sind, durch zusätzliche Nebentätigkeiten das Studiumund die durch das Kind gestiegenen finanziellen Ansprüche durch eine Er-werbstätigkeit neben dem Studium zu koordinieren.

Private Übergänge vor dem Berufseintritt

An dieser Stelle lohnt eine leichte Ausweitung der Perspektive um zu einergenaueren Analyse des Einflusses privater Lebensentscheidungen auf die be-rufliche Karriere zu kommen. Aus früheren Analysen wissen wir, daß privateÜbergänge nicht selten bis nach einem beruflichen Übergang aufgeschobenwerden (vgl. Abb. 4.5 und 4.6). Häufig wird erst das Studium beendet unddann relativ schnell eine Familie gegründet. Erfolgt dieser Schritt noch vordem prinzipiell möglichen Berufseintritt, dann kann dies bei Frauen mit weit-reichenden Folgen für den beruflichen Lebenslauf verbunden sein. Währenddes Studiums haben sie diesen Schritt noch aufgeschoben, um die bisherigenInvestitionen in die Ausbildung nicht zu gefährden. Nun aber steht ihnen nachdem Verlassen der Hochschule statt eines Berufseinstieges auch der temporä-re oder endgültige Ausstieg aus einer Berufslaufbahn zugunsten einerFamilie, d.h. der Rückzug in die traditionelle Frauenrolle, offen – eineOption, die Männern i.d.R. nicht besitzen. Aber Männer haben nicht nur be-züglich des Berufseintritts keine Wahl, sie müssen sich auch nicht zwischenBerufskarriere und Familie entscheiden.

Um die Konsequenzen einer Familiengründung vor einem prinzipiellmöglichen Berufseintritt für die berufliche Laufbahn genauer beleuchten zukönnen, wurden die in Abb. 5.3 für private Ereignisse vor dem Studienendepräsentierten Analysen für private Ereignisse vor dem Berufseintritt durchge-führt und in Abbildung 5.4 dargestellt. Vermutet wird, daß durch die Berück-sichtigung derjenigen, die die Familiengründung bis nach dem Studium auf-geschoben, aber noch vor einem möglichen Berufseintritt nachgeholt haben,

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 193

194 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

****: p < 0,001; ***: p < 0,005; **: p < 0,01; *: p < 0,05Abkürzungen: EX-EW: Examen, dann erwerbstätig; AB-EW: Abbruch des Studiums, dann er-werbstätig; DAUER: Dauerstudenten, trotz direktem Studienzugang mit 30 die Hochschulenoch nicht verlassen; EX/AB-nie: noch keine Erwerbstätigkeit nach dem Examen/Abbruch desStudiums; NLGM: nichteheliche Lebensgemeinschaft; PVOREWB: Private Übergänge vor der1. Erwerbstätigkeit nach abgeschlossenem Ausbildungsprozeß. Dabei wurde nicht zwischenunverheiratet oder verheiratet Zusammenlebenden unterschieden. Es ergibt sich ein Wertebe-reich von 0 bis 3. Kodiervariablen zu privaten Übergängen: 0: kein Übergang, 1: Übergang, aber kein weiterer.

,03 ,07-,01 -,04

-,02 PVOREWB (n=741)

,20 ****

,29****

,07 -,05 -,28****

PVOREWB (n=538)

,07 ,15*

-,02

-,04 -,05 Kind (n=269)

,25**

,41****

,15-,17 *

-,45****

Kind (n=150)

,05 ,16**

-,09 -,12*

,05 Ehe (n=304)

,04 ,14*

,12-,06 -,10 Ehe (n=219)

,09 ,04

,02 -,12 *

,03 NLGM (n=365)

,07 ,12 ,15*

-,05 -,11 NLGM (n=191)

,07 ,12 *

-,04 -,12 *

,03 Eigene Wohnung (n=379)

06,10 ,10-,14*

,02Eigene Wohnung (n=164)

AB- nie

EX-nie

Dau-er

AB-EW

EX-EW

AB-nie

EX-nie

Dau-er

AB-EW

EX-EW

Produkt-Moment-Korrelationen 0,08Cramer's V: 0,29Cramer's V:

0,8 10,0 13,8 12,7 62,8 741 Alle 3,29,34,57,4 75,7 538 Alle 1,3 12,7 13,6 16,1 56,8 118Kind14,633,74,5 3,4 43,8 89 Kind0,4 10,514,0 9,864,8 315NLGM/Ehe 1,05,9 5,9 8,778,6 289 NLGM/Ehe1,6 11,412,610,964,0

175

EigeneWohnung

1,03,0

3,0

5,088,1

101

EigeneWohnung

0,0 4,515,018,861,7

133Kein Übergang

0,0 0,0

0,011,9

88,1 59

Kein Übergang

AB-nie

EX-nie

Dau-er

AB-EW

EX-EWn

AB-nie

EX-nie

Dau-er

AB-EW

EX-EWn

AnteileAnteileEX-EW AB-EW DAUER EX-nie AB-nie

0%

20%

40%

60%

80% Kein Übergang EIGWOHNNLGM/EHE KIND

EX-EW AB-EW DAUER EX-nie AB-nie0%

20%

40%

60%

80% Kein Übergang EIGWOHNNLGM/EHE KIND

MännerFrauen

Abbildung 5.4 Statuspassagen des privaten Lebenslaufes vor dem Berufseintrittund der Erfolg des Studiums (Stichprobe: Nur SNK, d.h. Studen-ten mit normalem Studienzugang, keine Studienaufsteiger)

sich der Anteil der Frauen noch einmal deutlich erhöht, die nicht in den Berufgehen, während bei Männern ein solcher Effekt nicht zu erwarten ist.

Tatsächlich reduziert die zusätzliche Berücksichtigung von privaten Er-eignissen zwischen dem Ende des Studiums und dem Berufseintritt bei denMännern die ohnehin nur schwachen Zusammenhänge zwischen privater Le-benssituation und beruflichem Lebenslauf weiter. Ablesbar ist dies an allenpräsentierten Maßen: Die Prozentsatzdifferenzen zwischen der Gruppe ohneprivate Übergänge und den Gruppen mit privaten Übergängen vor dem Beruf-seintritt ebnen sich noch weiter ein, die Korrelationskoeffizienten reduzierensich entsprechend. Wenn die private Lebenssituation im Studium mit be-stimmten Kosten für den beruflichen Lebenslauf verbunden war, dann giltdies für die Männer, die mit den privaten Statuspassagen bis nach dem Studi-um gewartet haben, nicht mehr. Die schwächeren Zusammenhänge erklärensich also durch die Einbeziehung einer Gruppe von Männern, die um negativeEinflüsse auf die Ausbildungs- und Berufslaufbahn zu verhindern, ihre priva-te Lebensplanung explizit an die berufliche Entwicklung gekoppelt haben.

Bei den Frauen stellen sich die Ergebnisse etwas differenzierter dar. Diefür Männer beschriebene allgemeine Abschwächung der Zusammenhängedurch die zusätzliche Berücksichtigung einer Gruppe, die Kosten bewußtdurch die Terminierung der privaten Statusübergänge vermeidet, kann auchbei den Frauen im Falle der eigenen Wohnung (EIGWOHN), einer nichteheli-chen Lebensgemeinschaft (NLGM) oder einer Ehe vor dem Berufseintritt be-obachtet werden. Aber wie erwartet, gilt dies nicht im Falle der Elternschaft,wo sich die Zusammenhänge sogar deutlich verstärken. Nur 43,8% der hierbetrachteten, nunmehr überwiegend ehemaligen Studentinnen mit Kind vordem Berufseintritt, gehen noch im Beobachtungszeitraum nach dem Examenin den Beruf (gegenüber 88,1% der Studentinnen ohne einen privaten Über-gang bis zum Berufseintritt). Weitere 3,4% der Mütter vollziehen den Schrittin die Erwerbstätigkeit nach einem Studienabbruch. Noch nicht erwerbstätignach dem Examen (33,7%; ohne Übergang: 0%) oder nach dem Abbruch desStudiums (14,6%, ohne Übergang wiederum 0%) ist im Alter von gut 30 Jah-ren zusammen beinahe die Hälfte der ehemaligen Studentinnen mit Kind.Schieben Frauen private Übergänge bis nach dem Abschluß des Studiumsauf, dann gefährdet erst die Belastung durch ein Kind eine angemessene Ver-wertung der Ausbildung. Mit einem Partner verheiratet oder unverheiratet zu-sammenzuleben, ändert dagegen nichts am Streben nach beruflichen Erfolg.Im Gegenteil weist die Tatsache, daß sich die Korrelationen gegenüber denauf private Übergänge vor dem Verlassen der Hochschule bezogenen Analy-sen verringern, darauf hin, daß die Frauen, die mit einer solchen privaten Bin-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 195

dung bis nach dem Ende des Studiums warten, um dessen Erfolg nicht zu ge-fährden, durch diesen Schritt zunächst auch eine angemessene Verwertungdes Studiums erstreben. Die Mutterschaft verlangt von den Frauen dann abereine Entscheidung zwischen Beruf und Familie, die nicht selten zumindestvorläufig gegen die Erwerbstätigkeit gefällt wird. Ansonsten aber gefährdenbzw. behindern mit den beschriebenen Unterschieden bei Frauen und Män-nern nur privaten Übergänge im Studium den Ausbildungs- und Berufs-verlauf. Bis auf die Mutterschaft stellen private Übergänge, die bis zum Ver-lassen der Hochschule aufgeschoben werden, keine Gefahr für eine angemes-sene Verwertung des im Studiums erworbenen Humankapitals dar.

5.3.2 Studiendauer und privater Lebenslauf

Die Dauer eines Studiums ist ein wichtiges Kriterium seines Erfolges. EinStudium, das über Gebühr ausgedehnt wird, reduziert nicht nur das Lebens-einkommen, sondern wird auch subjektiv als Mißerfolg gewertet, worauf dieTatsache einer mit der Dauer des Studiums sinkenden beruflichen Zufrieden-heit (Meulemann 1991b) hinweist. In der Typologie wird die Studiendauernur insoweit berücksichtigt, als es eine gesonderte Kategorie für Langzeitstu-denten (DAUER) gibt. Die übrigen Typen aber berücksichtigen die zeitlicheAusdehnung des Studiums überhaupt nicht. Dies soll hier nachgeholt werden,indem das Studium als ein Prozeß betrachtet wird, dessen Maßstab die biszum Verlassen der Hochschule verstrichen Zeit ist. Dabei werden Examenund Studienabbruch als konkurrierende Risiken betrachtet (vgl. Blossfeld/Ha-merle/Mayer 1986, 133ff). Als Schichtungsvariable wird dabei auf PVOR-STE, die Kumulation privater Ereignisse vor dem Studienende, zurückgegrif-fen. Der Schwerpunkt der Analysen liegt auf dem Prozeß des Studiums biszum Examen, da wegen der beabsichtigten differenzierten Analysen (Ge-schlecht und PVORSTE) und dementsprechend kleinen Fallzahlen nur seltensignifikant von Null unterschiedene Abbrecherraten zu beobachten sind.

Die Verwendung der privaten Übergänge als Schichtungsvariable bringtfür zeitbezogene Analysen ein Problem mit sich: Sie selbst sind nicht unab-hängig von der Dauer des Studiums, denn das Risiko eines privaten Übergan-ges nimmt in dem hier betrachteten Zeitraum mit dem Alter zu (vgl. Abb. 2.6,2.8, 2.10 und 4.2). Je länger also das Studium dauert, desto wahrscheinlicherwird erst die eigene Wohnung, dann die Lebensgemeinschaft und schließlichauch die Elternschaft bereits im Studium. Hier aber soll gerade die kausal um-gekehrte Hypothese untersucht werden: Es wird angenommen, daß mit der

196 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

zunehmenden Übernahme von Verantwortung – zunächst nur für das eigeneLeben, dann für den Partner und schließlich auch für ein Kind – dem Studiummehr und mehr Ressourcen entzogen werden, was wiederum zu einer entspre-chenden Verlängerung der Studienzeit führt.

Nun schließt die eine Überlegung die andere nicht aus. Vielmehr demon-striert der private Übergang ja geradezu, daß man sich mit der Situation eineslangen Studiums arrangiert hat. Einerseits verlängert sich durch das Studiumzwar die Jugendphase, andererseits aber verstärkt sich mit dessen Dauer dasBedürfnis nach Unabhängigkeit. Unabhängigkeit aber bedeutet zunächst dieÜbernahme der Verantwortung für sich selber, impliziert aber auch die Mög-lichkeit, sich über den Moment hinaus zu binden, und durch das Eingehen ei-ner Lebensgemeinschaft undder Gründung einer Familieauch Verantwortung für an-dere zu übernehmen. Mit je-dem Schritt in diese Rich-tung muß auch im berufli-chen Lebenslauf ein Stückder Erwachsenenrolle über-nommen werden, sei es, umzunächst für den eigenen Le-bensunterhalt die Verantwor-tung zu tragen, sei es, um inmehr oder weniger starkerOrientierung an traditionel-len Geschlechterrollen imBeruf oder im Haushalt zurVersorgung einer eigenenFamilie beizutragen. All das raubt einem ohnehin schon langen Studium wei-tere Ressourcen und führt zu seiner zusätzlichen Ausdehnung. Wegen dieserhäufig spiralförmigen Entwicklung ist es nicht möglich, den kausalen Einflußprivater Lebensformen auf die Dauer des Studiums quantitativ exakt von dermit der Dauer des Studiums steigenden Wahrscheinlichkeit privater Übergän-ge zu trennen (vgl. Abb. 5.5).

Bei der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Tatsache priva-ter Übergänge während des Studiums und der zeitlichen Ausdehnung des Stu-diums im Lebenslauf gilt es also, einseitig kausale Überinterpretationen zuvermeiden. Darüber hinaus bietet sich in einem zweiten Schritt eine Be-schränkung des Zeitraumes, in dem die privaten Übergänge stattgefunden ha-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 197

Studien-dauer

Alter

PrivateÜbergänge +

++

Zusammenhänge zwischen Studi-endauer, privaten Übergängen unddem Lebensalter

Abb. 5.5.

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 199

1 Um Überschneidungen auszuschließen wird die kumulative Variable PVORSTE benutzt. 2 SNK: Studentischen Normalkarriere (ohne Studienaufsteiger und Absolventen des 2. Bildungsweges). DerAbbruch wird als konkurrierendes Risiko betrachtet (vgl. Blossfeld/Hamerle/Mayer 1986: S.133f), d.h. Abbre-cher sind bis zum Zeitpunkt des Abbruchs dem Risiko des Abschlusses ausgesetzt. Abbildungen für den Pro-zeß bis zum Abbruch des Studiums enthält Birkelbach (1996: Abb. TB35). LGM: Lebensgemeinschaft (unver-heiratet oder verheiratet)3 Unterbrochene Linien führen von oder zu einer nicht signifikanten Rate (95%). 4 Median aus Survivorfunktionen. Für die Berechnung des durchschnittlichen Alters beim Verlassen der Hoch-schule wurden zusätzliche Survivalanalysen durchgeführt, bei denen die Zeit alleine durch das Lebensalter be-stimmt ist (d.h. ohne Berücksichtigung des Studieneintritts).

Ü

p < 0,0001Log-Rank (Ende):p < 0,0001Wilcoxon (Anfang):

Tests auf Gleichheit der Strata5 25,354 22,21,6Elternschaft26,986 28,27,1Elternschaft24,766 21,323,1LGM (inkl.Ehe)25,575 18,444,6LGM (inkl.Ehe)24,558 5,519,9Nur eig.Wohn.24,862 6,923,7Nur eig.Wohn.23,346 12,624,6Kein Übergang23,346 12,624,6Kein Übergang

Alter(Jahre)

Stud.dauer

(Mon.)

zen-siert

teilAlter(Jahre)

Stud.dauer

(Mon.)

zen-siert

teilMediandavonAn- Median4davon An-

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 130

0,02

0,04

0,06

0,08

0,1

Jahre nach dem Studienbeginn

Eig.Wohn.LGM

Kein Überg.

Kind

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 130

0,02

0,04

0,06

0,08

0,1

Jahre nach dem Studienbeginn

Eig.Wohn.LGM

Kein Überg.

Kind

Hazardfunktionen3

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 130

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Jahre nach dem Studienbeginn

1 Eig.Wohn.

LGM

Kein Überg.

Kind

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 130

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Jahre nach dem Studienbeginn

Eig. Wohnung LGMKein Übergang

Kind

Survivorfunktionen(b) im Grundstudium (bis einschl. 4. Sem.)Private Übergänge (a) vor Studienende

Abb. 5.6 Private Übergänge vor dem Verlassen der Hochschule1 und die Dauer bis zumExamen: Survivor- und Hazardfunktionen (Frauen mit SNK: n=549)2

Die unter (a) wiedergegebenen Survivorfunktionen scheinen zunächst die Hy-pothese deutlich zu bestätigen, daß die Tatsache eines privaten Übergangeswährend des Studiums und die Studiendauer bei Frauen in der erwartetenWeise koovariieren. Danach schließen die Frauen, die noch keine der dreiStatuspassagen durchlaufen haben, ihr Studium am schnellsten ab. Es folgtdie Frauen, die während des Studiums alleine in einer eigenen Wohnung le-ben, dann die Gruppe, die unverheiratet oder verheiratet mit einem Partnerzusammenlebt. Am langsamsten verläuft der Prozeß dort, wo das Studium mitder Hypothek eines Kindes belastet ist. Aber eine längere Studienzeit im Falleeines privaten Überganges im Studium kann nicht unbedingt mit einer Stu-dienverlängerung durch zusätzliche Belastungen, die aus der veränderten Le-benssituation erwachsen sind, gleichgesetzt werden. Das belegen die unter (b)graphisch aufbereiteten Survivorfunktionen, bei denen der Prozeß für den Fallprivater Statusübergänge im Grundstudium dargestellt wird. Die scheinbareEindeutigkeit der nach zunehmender Belastung des Studiums durch die priva-te Lebenssituation gestaffelten Abfolge der einzelnen Strata der Gesamtgrup-pe verschwindet im Falle einer Elternschaft.

Aber die Beobachtung, daß in der Gruppe der Studentinnen mit Kindschon während der ersten vier Studiensemester die relative Lage der Survi-vorfunktion nicht den Erwartungen entspricht, bedeutet nicht, daß hier keineKosten im Sinne eines verlängerten Studiums entstehen, sondern nur, daß dasAusmaß dieser spezifischen Kosten im Durchschnitt nicht in der erwartetenArt und Weise mit der Schrittfolge des privaten Lebenslaufes ansteigt. Dieskann möglicherweise auf die unterschiedliche Ausstattung mit bestimmtenRessourcen und auf unterschiedliche Strategien der Akteure zur Bewältigungder durch den privaten Übergang entstandenen Situation zurückgeführt wer-den. So können vorhandene Reserven genutzt werden, die als belastend emp-fundene Situation möglichst schnell zu beenden. In anderen Fällen sind sol-che Reserven möglicherweise nicht verfügbar, die Knappheit der Ressourcengeht voll zu Lasten des Studiums und verlängert es entsprechend.

Frauen, die während des Grundstudiums Mutter werden, stehen zunächstvor der Alternative, das Studium abzubrechen oder die Mutterrolle in irgend-einer Form mit dem Studium zu vereinbaren. Wählen sie die zweite Alternati-ve, stellt sich immer noch die Frage des Wie: Gelingt es, einen Teil der Bela-stungen durch die Betreuung des Kindes auf andere – den Vater und/oder dieGroßeltern und/oder eine Tagesmutter und/oder eine Kinderbetreuungsein-richtung – zu übertragen, dann reduziert sich die Mehrbelastung entspre-chend. Die Belastung, als die diese Situation wahrscheinlich trotz allem emp-funden wird, kann als zusätzliche Motivation wirken und besondere Energien

200 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

mobilisieren, die Situation so schnell wie möglich zu beenden, ohne dabei aufden Abschluß zu verzichten. Nur wenn die Frau mit der Betreuung des Kin-des auf sich allein gestellt ist, dann muß sie auch alle Belastungen und damitalle Kosten in Bezug auf das Studium allein tragen. Natürlich können dieseÜberlegungen strenggenommen wegen der geringen Fallzahl (n=9 Studentin-nen mit einem Kind bereits im Grundstudium) nicht statistisch überprüft wer-den. Aber die Daten widersprechen den angestellten Überlegungen auchnicht: Von den neun Studentinnen, die vor Abschluß des Grundstudiums Mut-ter waren, haben zwei im Verlauf des ersten Jahres nach der Geburt ihr Studi-um abgebrochen. Fünf Frauen schließen ihr Studium erfolgreich nach 6 bis 12Semestern ab und bei zwei Müttern kann von einer verlängerten Studienzeitgesprochen werden (14 bzw. 21 Semester).

Aber Frauen wissen natürlich schon vor der Geburt eines Kindes, was dieElternschaft für ihr Studium bedeuten kann, und handeln entsprechend. Wieim letzten Kapitel gezeigt werden konnte, wird der Übergang zur Elternschaftganz überwiegend erst nach dem Eintritt in den Beruf vollzogen (vgl. Abb.4.6). Die belastende Lebenssituation wird normalerweise vermieden und dürf-te nur dann bewußt eingegangen werden, wenn sich Möglichkeiten anbieten,die Kosten der Mutterschaft durch die Verteilung der Belastungen auf mehre-re Schultern zu begrenzen.

Ein knappes Viertel der hier betrachteten der Studentinnen (24,6%) lebtwährend des gesamten Studiums noch bei den Eltern (Kein Übergang). Sieschließen ihr Studium mit Abstand am schnellsten ab: Es dauert gerade mal46 Monate bis die Hälfte von ihnen die Hochschule im Alter von durch-schnittlich 23,3 Jahren wieder verlassen hat. Die Hazardrate zeigt weitere De-tails des Prozeßverlaufes: Das Risiko erreicht ein erstes Maximum bereitszwischen 3½ und 4 Jahren nach dem Studienbeginn und bleibt dann mit ge-wissen Ausschlägen relativ konstant. Die niedrige durchschnittliche Dauerund der steile Anstieg des Risikos nach einem Zeitraum, der die Regelstudi-enzeit fast aller Studiengänge an wissenschaftlichen Hochschulen klar unter-schreitet, legt den Schluß nahe, daß es sich hier in besonderem Ausmaß umkurze Studiengänge an Fachhochschulen und an der Pädagogischen Hoch-schule handelt. Nicht nur der gegenüber einem wissenschaftlichen Studiumkürzere Zeithorizont, sondern auch ihre i.d.R. stärkere Strukturierung läßteher auf private Übergänge noch während des Studiums verzichten. Letztlichmuß also auch an dieser Stelle die Kausalität der Beziehung offenbleiben:Wird das Studium so schnell absolviert, weil noch keinerlei private Verpflich-tungen bestehen, oder wurden wegen der Kürze des Studiums und seinerStrukturierung noch keine privaten Verpflichtungen eingegangen?

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 201

Aber diese Überlegungen können nicht die Hypothese widerlegen, daß einvon privaten Verpflichtungen unbelastetes Studium schneller abgeschlossenwird als ein Studium, dem die private Lebenssituation wichtige Ressourcenentzieht. Sie machen nur nochmals darauf aufmerksam, daß die Wahrschein-lichkeit des Eingehens privater Verpflichtungen während der Ausbildungauch von deren Art und Dauer (und damit auch von den Kosten eines solchenSchrittes) abhängt. Vorsicht geboten ist nur bezüglich der Interpretation derGröße des Geschwindigkeitsvorteils gegenüber den Gruppen mit privatenÜbergängen während des Studiums. Es besteht kein Grund, einen solchenVorteil generell anzuzweifeln. Für diesen Vorteil spricht, daß die Rate derGruppe ohne private Übergänge während des gesamten Prozeßverlauf überder aller Vergleichsgruppen liegt.

Ein weiteres knappes Viertel (23,7%) der hier betrachteten Studentinnenlebt während des Studiums allein, d.h. ohne Partner oder Kind, in einer eige-nen Wohnung. Der Aufenthalt an der Hochschule währt in dieser Gruppe mitdurchschnittlich 62 Monaten bereits deutlich länger als in der gerade betrach-teten Gruppe. In dieses Bild fügt sich, daß diese Studentinnen mit 24,8 Jahrenbeim Verlassen der Hochschule auch 1½ Jahre älter sind als die Studentinnen,die bis zum Abschluß des Studiums diesen Schritt in die Selbständigkeit nochnicht gemacht haben.

Bezüglich der Größe der Differenz gilt die oben gemachte Einschränkung,daß zwischen beiden Gruppen möglicherweise auch die Trennungslinie zwi-schen kürzeren Fachhochschul- und längeren Universitätsstudiengängen ver-läuft. Dafür spricht der Verlauf der Hazardfunktion, die in dieser Gruppenach einem ersten kleineren Gipfel zwischen drei und vier Jahren ihre Maxi-mum erst im sechsten Jahre nach dem Studienbeginn erreicht. Die an sichschon längeren Universitätsstudiengänge erzwingen häufiger das Verlassendes Elternhauses, weil ein Studienplatz seltener in der Nähe des Heimatortesgefunden wird. Hinzu kommt, daß mit steigendem Alter auch der Wunschnach Selbständigkeit zunehmen dürfte. In beiden Fällen also ist der Studien-gang und seine Dauer eine Ursache der Haushaltsgründung und die Differenzder Studienzeiten zwischen den Gruppen mit und ohne eigenen Haushalt läßtsich nicht unbedingt mit den Kosten der Selbständigkeit gleichsetzen.

Die durchschnittliche Studiendauer beträgt bei der nur etwas kleinerenGruppe der Studentinnen, die bereits im Grundstudium das Elternhaus gegeneine eigene Wohnung eingetauscht hat (19,9%), 58 Monate – und liegt damitzwar etwas niedriger als bei allen Frauen mit eigener Wohnung im Studium,aber immer noch über der Gruppe der Studentinnen ohne private Übergängeim Studium. Für die These, daß diese Differenz überwiegend auf unterschied-

202 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

liche Studiengänge zurückgeführt werden kann, spricht wiederum der Ver-gleich der Hazardfunktionen: Wo bei den Studentinnen ohne private Statu-spassagen während des Studiums das Maximum der Funktion bereits nachdrei bis vier Jahren (also dem Zeitraum der kurzen PH- und FH-Studiengän-ge) erreicht wird, findet sich hier zwar auch ein steiler Anstieg zu einem er-sten lokalen Maximum, dann aber stagniert die Rate und steigt erst ab demfünften Jahr bis zu ihrem Maximum im sechsten und siebten Jahr an. In die-sen Zeitraum fallen die Abschlüsse der meisten Studiengänge an wissen-schaftlichen Hochschulen.

Von den hier betrachteten Studentinnen leben 44,6% schon während desStudiums mit einem Partner unverheiratet oder verheiratet zusammen (LGM).Die Studium verlängert sich dadurch im Schnitt um weitere 13 auf nunmehr75 Monate, das Durchschnittsalter beim Abschluß erhöht sich leicht auf 25,5Jahre. Auch der Anteil zensierter Fälle (d.h. Dauerstudenten und Abbrecher)steigt im Vergleich zu der zuletzt betrachteten Gruppe um 11,5 Prozentpunkteauf 18,4%. Die Tatsache, mit einem Partner zusammenzuleben, verschiebt ge-genüber der bloßen Tatsache einer eigenen Wohnung während des Studiumsdas Risiko (oder vielleicht besser: die Chance) eines Examens noch einmaldeutlich nach rechts auf der Zeitachse. Die Hazardrate liegt während der er-sten acht Studienjahre unter der der Gruppe alleinlebender Studentinnen. FürFrauen kann eine Partnerschaft während des Studiums offensichtlich stärkereBelastungen als die bloße Führung eines eigenen Haushaltes mitbringen. Abernatürlich muß eine solche Verzögerung des Abschlusses nicht durch eine antraditionellen Geschlechterrollen orientierten Arbeitsteilung verursacht wer-den. Auch die Partnerschaft als solche kann und wird Zeit binden.94

Eine Verzögerung des Abschlusses ist aber keine zwangsläufige Folge ei-ne Partnerschaft. Das zeigt der Anstieg des Risikos nach einem Zeitraum, derder Regelstudienzeit der meisten Studienfächer entspricht. Dennoch gibt esoffensichtlich einen Zusammenhang, denn dieser Anstieg ist weniger steil istals in der Gruppe, die alleine einen eigenen Haushalt bewohnt, und nach demErreichen ihres Maximums bei etwa sechs bis sieben Studienjahren sinkt dieRate nur sehr langsam wieder ab. Er ist nicht nur darauf zurückzuführen, daßmit einem langen Studium auch die Wahrscheinlichkeit des Zusammenzie-hens steigt. Es scheinen auch echte Kosten zu entstehen, wie ein Blick auf dieStudentinnen zeigt, die bereits im Grundstudium mit einem Partner zusam-menleben. In dieser Gruppe dauert das Studium durchschnittlich 8 Monate

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 203

94 Offen bleibt allerdings, ob es sich dabei um Zeit handelt, die dem Studium zusätzlich entzo-gen wird, oder ob dafür nur ein gewisser Teil des schon zuvor als "Freizeit" deklarierten Zeit-kontingents umgewidmet wird.

länger als bei den Frauen, die im Grundstudium noch alleine leben. Das Risi-ko, das Studium zu beenden, erscheint auf der Zeitachse nach rechts verscho-ben und bleibt niedriger als bei den Frauen, die während des Grundstudiumsnoch alleine leben.

Am längsten dauert das Studium bei den Studentinnen mit Kind. Der ge-ringe Anteil (7,1%) unterstreicht noch einmal die These, daß die Mutterschaftwährend des Studiums wegen der erwarteten Belastungen normalerweise ver-mieden wird. Wenn diese Mütter ihr Studium beenden, dann haben sie imSchnitt 86 Monate an der Hochschule verbracht und sind 26,9 Jahre alt. IhrStudium abgebrochen oder mit dreißig Jahren noch nicht beendet haben28,2% von ihnen. Die Hazardfunktion liegt nochmals klar niedriger als beiden kinderlos mit einem Partner zusammenlebenden Studentinnen. Daß dieElternschaft für Frauen eine echte Belastung des Studiums ist und der Zusam-menhang zwischen Elternschaft und Studiendauer nicht nur auf die mit stei-gender Studiendauer erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung zur El-ternschaft zurückzuführen ist, belegen die oben diskutierten 9 Fälle einerMutterschaft im Grundstudium. Wenn man sieht, daß nur ein Teil dieserFrauen besonders lange studiert oder ihr Studium früh abgebrochen hat, dieMehrheit aber nach einer Dauer von maximal 12 Semestern eine Abschllußerreicht, wird deutlich, daß diese Kosten auch von den spezifischen Gelegen-heitsstrukturen einer Verbindung von Mutterschaft und Studium abhängen.

Männer

Betrachtet man nun die Survivor- und Hazardfunktionen der männlichen Stu-denten, dann fällt zunächst auf, daß private Übergänge bei Männern wesent-lich schwächer als bei den Frauen mit der Dauer des Studiums korrespondie-ren. Zwar bleibt in der nicht nach dem Zeitpunkt des Ereignisses im Grund-oder Hauptstudium differenzierten Gruppe die Reihenfolge gewahrt: Das Stu-dium ist auch bei den Männern, die vor Abschluß des Studiums keine eigeneWohnung bezogen haben (Kein Übergang), am kürzesten. Es folgen die Stu-denten mit eigener Wohnung (Eig. Wohnung), dann die unverheiratet oderverheiratet mit einer Partnerin zusammenlebenden (LGM) und die Väter.Aber die Differenzen sind kleiner, die Zusammenhänge sind weniger ausge-prägt als bei den Frauen. Noch geringer – aber immer noch weitgehend in dererwarteten Ordnung – erscheinen die Unterschiede zwischen den einzelnenStrata, wenn man sich auf die Betrachtung der Studenten mit privaten Über-gängen während des Grundstudiums beschränkt.

204 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 205

1 Anmerkungen siehe Abb. 5.6p < 0,0001Log-Rank (Ende):p < 0,0001Wilcoxon (Anfang):

Tests auf Gleichheit der Strata 28,686 47,12,2Elternschaft29,398 39,210,4Elternschaft27,277 27,115,6LGM (inkl. Ehe)27,986 18,138,2LGM (inkl. Ehe)27,479 22,621,7Nur eig. Wohn.27,582 22,625,8Nur eig. Wohn.26,473 29,025,5Kein Übergang26,473 29,025,5Kein Übergang

Alter(Jahre)

Stud.dauer

(Mon.)

zen-siert

Alter(Jahre)

Stud.dauer

(Mon.)

zen-siert

MediandavonAnteil Mediandavon Anteil

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 130

0,02

0,04

0,06

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0,1

Jahre nach dem Studienbeginn

Kein Überg.

Eig.Wohn.

LGM

Kind

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 130

0,02

0,04

0,06

0,08

0,1

Jahre nach dem Studienbeginn

Kein Überg.

Eig.Wohn.

LGM

Kind

Hazardfunktionen

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 130

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Jahre nach dem Studienbeginn

Kein Überg.

Eig.Wohn.

LGM

Kind

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 130

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Jahre nach dem Studienbeginn

Eig. WohnungLGM

Kein Übergang

Kind

Survivorfunktionen

(b) im GrundstudiumPrivate Übergänge (a) vor dem Examen

Abb. 5.7 Private Übergänge vor dem Verlassen der Hochschule und die Dauer bis zum Examen: Survivor- und Hazardfunktion (Männer mit SNK: n=756)1

Darüber hinaus sind die im Schnitt längeren Studienzeiten der Männer er-kennbar. In früheren Analysen waren sie bereits darauf zurückgeführt worden,daß Männer häufiger längere Studiengänge wählen. Selbst in der Gruppe derStudenten, die das Elternhaus während des Studiums noch nicht verlassen ha-ben (Kein Übergang: 25,5%), dauert die Studienzeit bereits durchschnittlichgut sechs Jahre (73 Monate) und liegt somit mehr als zwei Jahre über dermittleren Studiendauer der entsprechenden Frauen. Die Tatsache, daß die Al-tersdifferenz mit etwa drei Jahren die Differenz bei der Studiendauer über-steigt, weist darauf hin, daß sich bei den Männern häufig bereits der Studien-zugang wegen der Ableistung von Wehr- oder Zivildienst verzögert. Aber dassind höchstens zwei Jahre – also sicher keine hinreichende Erklärung dafür,daß ein Studium mit 30 Jahren noch nicht abgeschlossen ist.

Dem Verlauf der Hazardfunktion für die Männer, die während des Studi-ums noch bei den Eltern leben, kann man entnehmen, daß die Rate ab demdritten Studienjahr kontinuierlich bis zu einem kleinen Hochplateau nach et-wa sechs- bis siebenjähriger Studiendauer ansteigt, dann aber relativ schnellbis zum neunten Jahr wieder auf ein niedriges Niveau absinkt. Ihr langsamer,aber gleichmäßiger Anstieg ergibt sich durch unterschiedliche Regelstudien-zeiten und individuelle Verzögerungen. Das schnelle Absinken der Rate abdem achten Jahr zeigt darüber hinaus, daß individuelle Verzögerungen zumin-dest dort, wo der Druck des Elternhauses noch spürbar ist, kein Grund sind,das Studium grenzenlos auszudehnen.

Schon, wenn nur ein eigener Haushalt während des Studiums gegründetwurde, dauert das Studium – wie bei den Frauen – länger. Beim Verlassen derHochschule sind Männer durchschnittlich 27,5 Jahre alt. 22,6% dieser Grup-pe haben ihr Studium entweder abgebrochen oder studieren mit gut dreißigJahren noch. Der Verlauf der Hazardfunktion ähnelt in ihrer Anstiegsphaseder Rate der Gruppe, die das Elternhaus noch nicht verlassen hat, liegt aberetwas niedriger und sinkt deutlich langsamer wieder ab, was die größererAusdehnung des Studiums belegt.

Über 80% der Männer, die während ihres Studiums eine eigenen Woh-nung beziehen, machen diesen Schritt schon im Grundstudium. Die Studien-phase dauert in diesem Fall durchschnittlich 79 Monate. Auffällig ist, daß dieStudiendauer nicht nur um 5 Monate über der Gruppe liegt, die diesen Schrittin die Selbständigkeit im Studium noch nicht gemacht hat, sondern auch dieLänge des Studiums der Studenten leicht übersteigt, die im Grundstudium miteiner Partnerin zusammenleben (LGM: 77 Monate). Es scheint, als wäre dieprivate Belastung für Männer am höchsten, wenn sie alleine auf sich gestelltsind. Wie wir aus früheren Analysen bereits wissen, handeln Männer auch

206 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

entsprechend, und suchen diese Belastungen möglichst zu vermeiden: Sie ver-lassen das Elternhaus später als Frauen (Tab. 2.5 u. Abb. 2.6; vgl. auch: Zieg-ler/Schladt 1993, Weick 1993). Dazu gehört auch, daß mit gut dreißig Jahren7,3% aller Männer mit Studium den Komfort des "Hotel Mama" noch nichtmissen mögen, aber nur 1,2% der nunmehr meist ehemaligen Studentinnendas Elternhaus nicht verlassen haben (Tab. A3.3 im Anhang). Noch unter demDach der Eltern zu leben und von ihrem Tisch zu speisen, bedeutet gewiß fürFrauen wie Männer eine große Kostenersparnis, aber Männer genießen imstärken Maße nicht nur diese finanzielle Entlastung, sondern sie dürften indieser Lebenssituation auch stärker von alltäglichen Belastungen als Frauen,von denen mehr Mithilfe im Haushalt erwartet wird, befreit sein.95 Mit der ei-genen Wohnung entfällt für Männer der Dienstleistungstransfer von der Her-kunftsfamilie (meist wohl der Mutter) teilweise oder ganz: Die Selbständig-keit bringt neue, zeitaufwendige Pflichten und Arbeiten mit sich.

Aber die Situation verbessert sich aus männlicher Sicht wieder, wenn ineiner Lebensgemeinschaft die Partnerin einen großen Teil dieser Aufgabenübernimmt. Dafür spricht auf der Seite der Männer, daß sich im Falle einerbereits im Grundstudium bestehenden (ehelichen oder nichtehelichen) Le-bensgemeinschaft (LGM) der Abschluß des Studiums bei Männern beschleu-nigt: In dieser Gruppe liegt die Rate im Zeitraum zwischen sechs und achtJahren nach dem Studienbeginn klar über der Gruppe, die im Grundstudiumnur eine eigene Wohnung bezogen hat. Betrachtet man nun noch einmal dieProzeßverläufe bei den Frauen (Abb. 5.6b), dann scheint umgekehrt die Tat-sache im Grundstudium noch alleine und unbelastet von den Verpflichtungender traditionellen Frauenrolle in der eigenen Wohnung zu leben, die bestenVoraussetzungen für einen zügigen Studienverlauf zu bieten: Das Risiko desStudienabschlusses dieser Frauen übersteigt während der ersten sieben Jahredes Prozesses deutlich das Risiko der Frauen, die schon früh im Studium miteinem Partner zusammenlebten, und es übersteigt im siebten Jahr auch dieRate der Frauen, die während ihres Studiums das Elternhaus noch nicht ver-lassen haben. Wenn man es zugespitzt formulieren möchte, dann kann manalso vermuten, daß das Alleinleben im Studium für Frauen eher eine Entla-stung, für Männer aber eine Belastung bedeutet.

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 207

95 Ziegler/Schladt (1993: 83) beschreiben einen positiven Effekt der Berufstätigkeit der Mutterauf die Neigung von Männern, früh einen eigenen Haushalt zu gründen, und spekulieren, daßdies vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß Söhne berufstätiger Mütter eher mit Hausarbeitvertraut gemacht werden. Vielleicht ist die Lösung noch einfacher: Wenn im Hotel nicht genugPersonal ist, dann geht dies zu Lasten des Komforts, der ein wesentliches Argument gegen einVerlassen des Hotels darstellt.

Während des Studiums eine nichteheliche oder eheliche Lebensgemeinschaft(LGM) eingegangen zu sein, bedeutet für die 38,2% der Männer, auf die dieszutrifft, im Verhältnis zur Tatsache eines eigenen Haushaltes noch einmal ei-ne geringe zusätzliche Verlängerung des Studiums um weitere 4 Monate auf86 Monate. Aber diese Zahlen sind wegen des mit der Studiendauer steigen-den Risikos, eine Lebensgemeinschaft einzugehen, wenig aussagekräftig. Be-schränkt man sich nur auf die Männer, die bereits im Grundstudium mit einerPartnerin zusammenleben (LGM), dann ergibt sich, wie oben schon erwähnt,im Schnitt sogar eine Verkürzung der Zeitpanne bis zum Abschluß. Verständ-lich wird dies aus der Lebenssituation im Studium, in der beide Partner wohlüberwiegend noch getrennt für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen; dieMänner also i.d.R. noch in keiner zusätzlichen Verantwortung stehen. DasZusammenleben mit einer Partnerin beschert den Männern offensichtlich vorallem Vorteile, während die Tatsache eines überdurchschnittlich langen Stu-diums bei den Frauen, die bereits im Grundstudium mit einem Partner zusam-menleben, darauf hinweist, daß eine Partnerschaft für Frauen sehr wohl eineBelastung des Studiums bedeuten kann.

Aber es ist nicht die Partnerschaft als solche, die dem Studium wichtigeZeitressourcen entzieht, denn diese Belastungen würden Frauen und Männergleichermaßen betreffen. Es ist vielmehr die häufig immer noch am traditio-nellen Modell orientierte Arbeitsteilung, die den Frauen die Hauptlast derHausarbeit aufbürdet und ihnen dadurch Nachteile im Studium beschert, denMännern aber Vorteile.96 Ein Grund dafür ist möglicherweise, daß durch dasZusammenleben die Entwicklung einer gemeinsamen Zukunftsperspektive,die auch eine Elternschaft beinhaltet, stärker in den Vordergrund rückt. Unterdiesem Gesichtspunkt scheint es häufig vernünftig, die gemeinsamen Kräfteauf die Förderung der aussichtsreicheren Berufskarriere – und das ist unterdiesen Bedingungen die des Mannes – zu konzentrieren. Gleichzeitig nimmtmit der Dauer der Partnerschaft der Druck auf den Mann zu, entsprechend dertraditionellen Arbeitsteilung der Geschlechter durch den Abschluß des Studi-ums und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ein materielles Fundament füreine Familie zu schaffen.

Vater werden während ihres Studiums 10,4% der hier betrachteten Män-ner. Das Studium dauert in diesem Fall mit durchschnittlich 98 Monaten amlängsten und entsprechend sind unsere Väter auch mit 29,3 Jahren beim Ver-

208 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

96 Strukturell sehr ähnlich ist der Fall einer Berufstätigkeit beider Partner. Metz-Göckel undMüller (1986: 53) resümieren ihre Ergebnisse zur Beteiligung von Männern an der Hausarbeitbei einer Berufstätigkeit der Partnerin folgendermaßen: "Die Berufstätigkeit der Partnerin wirktsich also in der Praxis nicht auf die Verteilung der Hausarbeit aus, sondern höchstens auf dasschlechte Gewissen der Männer."

lassen der Hochschule älter als die Hochschulabsolventen ohne Kind. In die-ses Bild fügt sich der hohe Anteil zensierter Fälle: 39,2% der Männer, die be-reits im Studium Vater sind, haben ihr Studium entweder abgebrochen oderstudieren noch. Aber wie schon im Falle des Zusammenlebens mit einer Part-nerin wird auch hier wieder bei der differenzierten Betrachtung der Gruppenmit einem Kind schon im Grundstudium deutlich, daß mit der Dauer des Stu-diums die Wahrscheinlichkeit eines privaten Schrittes steigt und daher Vätervor allem unter den Studenten mit einer ohnehin langen Studienzeit zu findensind: Nur 2,2% der hier betrachteten Studenten haben bereits im Grundstudi-um ein Kind, aber 8,2% werden noch im weiteren Studienverlauf Vater.

Das bedeutet keineswegs, daß die Vaterschaft keine Belastung für das Stu-dium bedeutet. Zwar scheint ein Kind bereits im Grundstudium den erfolgrei-chen Studienverlauf bei Männern eher zu beschleunigen, aber auf der anderenSeite stehen dem 47,1% zensierter Fälle gegenüber, d.h. beinahe die Hälftedieser Gruppe hat ihr Studium abgebrochen oder noch nicht beendet. Betrach-tet man trotz der geringen Fallzahl von n=17 Vätern im Grundstudium das mitdem Examen konkurrierende Risiko des Abbruchs (Birkelbach 1996: TB36),dann wird ein ausgeprägtes Abbruchsrisiko schon im Grundstudium, also imdirekten zeitlichen Zusammenhang mit der Vaterschaft, sichtbar. Danach fälltes und steigt noch einmal ab dem fünften Studienjahr steil bis zu seinem Ma-ximum zwischen sechs und sieben Jahren an. Die Verantwortung für eine Fa-milie drängt Männer offensichtlich, das Studium möglichst schnell zu been-den, um in den Beruf gehen zu können. Es wird entweder gleich abgebrochenoder zügig abgeschlossen. Bleibt der Erfolg allerdings innerhalb eines gewis-sen Zeitrahmens aus, dann erzwingt die besondere Lebenssituation den Schrittin die Erwerbstätigkeit auch ohne bestandenes Examen.

5.3.3 Einkommen und Prestige in der ersten Berufstätigkeit

Wenn private Übergänge im Studium mit langen Studienzeiten einhergehen,dann stellt sich die Frage, ob die Lebenssituation während des Studiums nichtauch den Erfolg im Beruf beeinflussen kann. Man könnte u.a. erwarten, daßlange Studienzeiten auf dem Arbeitsmarkt als Mißerfolg gewertet werden undden Zugang zu den angestrebten Berufen zumindest teilweise versperren.Aber selbst wenn sich kein solcher Effekt durch längere Studienzeiten erge-ben würde, wäre es möglich, daß sich durch die private Lebenssituation dieberuflichen Prioritäten ein Stück weit verschieben. Wie wir gesehen haben,

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 209

kann die Verantwortung für eine Familie – vor allem die Elternschaft – Män-ner dazu veranlassen, ihr Studium abzubrechen um eine Erwerbstätigkeit auf-zunehmen. Vielleicht führen die gleichen Gründe nach dem erfolgreichen Ab-schluß eines Studiums dazu, auf weitergehende Ambitionen zu verzichten, umschnell in einen Beruf einzusteigen. Und möglicherweise wird dann beim Be-rufseinstieg die Einkommensdimension zu Lasten des Prestiges der Tätigkeitstärker als gewöhnlich gewichtet. Bei Frauen wiederum wird – zumindest so-lange sie die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen – im Fall der Mutterschaftdie Notwendigkeit bestehen, berufliche und private Verpflichtungen in ir-gendeiner Form zu koordinieren. Dies kann u.a. durch einen vorläufigen Ver-zicht auf eine Berufstätigkeit oder auch durch eine Teilzeitbeschäftigung ge-schehen. Je mehr die Beschäftigung dazu dient, den Lebensunterhalt zu be-streiten, umso stärker dürfte auch hier das Einkommen und nicht das Prestigedes Berufes zum wesentlichen Kriterium der Aufnahme der Beschäftigungwerden. Da Zeit wegen der Doppelbelastung durch Familie und Beruf eineäußerst knappe Ressource ist, und Teilzeitarbeit häufig die einzige Möglich-keit darstellen dürfte, beides im Alltag zu integrieren, wird bei diesen Frauenstärker ein möglichst hohes Einkommen bezogen auf die Stunde angestrebtwerden. Wenn hier die Kriterien der Auswahl eines Arbeitsplatzes aus der je-weiligen familialen Lebenssituation plausibel gemacht werden, dann bedeutetdas natürlich nicht, daß sich diese Wünsche auch tatsächlich auf dem Arbeits-markt realisieren lassen. Aber auch wenn der Arbeitsmarkt zwischen den Zie-len und ihrer Realisierung steht, sollten sich die Handlungsorientierungendoch zumindest als Tendenz an ihrem Ergebnis ablesen lassen.

Tabelle 5.8 gibt in ihrer oberen Hälfte (a) getrennt für Frauen und Männereinen Überblick über die Korrelationen zwischen der Tatsache eines be-stimmten privaten Überganges vor dem Eintritt in den Beruf (EIGWOHN,NLGM, EHE, KIND) sowie deren Kumulation PVORSTE auf der einen Seiteund dem Erfolg im Beruf, erhoben durch das Prestige (Wegener 1985, 1988)der ersten Berufstätigkeit nach dem Verlassen der Hochschule (PREST) unddem dabei erzielten Einkommen (bezogen auf eine Stunde: EINK-H und ei-nen Monat: EINK-M) auf der anderen Seite. Um Verzerrungen durch Studi-enabbrecher zu vermeiden, wird die Stichprobe für diese Analysen auf die imStudium erfolgreichen Normalstudenten mit Berufseinstieg im Beobachtungs-zeitraum (SNK-EX-EW, vgl. Abb. 5.3) beschränkt.97

210 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

97 Da die Ergebnisse von parallel durchgeführte Analysen bezogen auf private Ereignisse vordem Berufseintritt in etwa den oben berichteten entsprechen (vgl. Birkelbach 1996: TB37), wirdhier auf ihre Diskussion verzichtet.

Bereits ein erster Überblick offenbart das wichtigste Ergebnis dieser Analyse:Es gibt weder bei Frauen noch bei Männern signifikante negative Zusammen-hänge zwischen der Tatsache eines privaten Überganges vor dem Verlassender Universität und dem Prestige des später ausgeübten Berufes. Wer alsotrotz einer möglicherweise belastenden privaten Lebenssituation sein Studiumerfolgreich abgeschlossen hat, der ist, bezogen auf die drei hier erhobenenMerkmale des Berufserfolgs, in seinem ersten Beruf nach dem Studium ähn-lich erfolgreich oder sogar erfolgreicher als seine ehemaligen Kommilitonen.Wie die Korrelationskoeffizienten belegen, erreichen vor allem Männer, diebereits während des Studiums das Elternhaus verlassen oder sogar eine eigene

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 211

**: p<0,01; *: p<0,05; Werte in Klammern: n.Kodiervariablen zu den privaten Übergängen vor dem Studienabschluß 0: kein Übergang biszum Studienabschluß, 1: der private Statusübergang hat stattgefunden, aber kein weiterer. NLGM: Nichteheliche Lebensgemeinschaft. PVORSTE: Kumulation privater Übergänge vor dem Ende des Studiums. Es wurde nicht zwi-schen unverheiratetem (NLGM) und verheiratetem (Ehe) Zusammenleben unterschieden. Da-durch ergibt sich ein Wertebereich von 0 bis 3.PREST: Berufsprestige (Wegener 1985, 1988)EINK-M: Monatseinkommen EINK-H: Stundeneinkommen

-,03 (370)

,14 (99)

-,09 (103)

-,13 (124)

,00 (171)

-,05 (328)

-,11 (97)

-,11 (115)

-,19*

(134)-,16*

(162)

EINK-H

-,01(375)

,25* (101)

,00 (105)

-,08 (127)

-,03 (174)

-,09 (335)

-,16 (100)

-,16 (118)

-,15 (138)

-,14 (167)

EINK-M

-,03 (465)

-,01 (130)

-,04 (135)

,08 (164)

,11 (223)

-,12*

(398)

-,16 (118)

,10 (139)

,02 (163)

-,09 (201)

PREST(b) Vor Abschluß des Grundstudiums

-,01 (370)

,08 (124)

,02 (153)

-,12 (180)

,03 (189)

-,15(328)

-,08(107)

-,20*(154)

-,25***(167)

-,17* (183)

EINK-H

,04 (375)

,22*

(127)

,01(155)

,07 (183)

-,01 (192)

-,13*(335)

-,21*

(110)

-,15 (159)

-,17*

(176)

-,12 (185)

EINK-M

,07 (465)

,14(163)

,05(191)

,13*

(234)

,14* (245)

,08 (406)

-,11 (130)

,23***

(189) ,15*

(205)

,00 (222)

PREST(a) Vor dem Studienerfolg

PVOR-STEKINDEHENLGM

EIG-WOHN

PVOR-STEKINDEHENLGM

EIG-WOHN

MännerFrauen

Tab. 5.8 Korrelationen zwischen dem Erfolg im Beruf und privaten Über-gängen (a) vor dem Studienabschluß und (b) vor dem Abschlußdes Grundstudiums (Nur SNK-EX-EW, d.h. ehemalige Studentenmit Examen und Berufseinstieg, ohne Studienaufsteiger)

Familie gegründet haben, ein höheres Berufsprestige. Aber auch bei denFrauen zeigt sich nur im Falle der Mutterschaft das erwartete negative Vor-zeichen; allerdings beträgt die Korrelation nur r = -,11 und ist wegen der ge-ringen Stichprobengröße nicht signifikant. Dennoch deutet dieses Ergebnisnoch einmal an, daß die frühe Mutterschaft dazu führen kann, die beruflichenAspirationen zurückzuschrauben und auf den beschwerlichen Weg in presti-geträchtigere Berufe zu verzichten.

Aber offensichtlich hängt die Tatsache privater Ereignisse vor dem Studi-enabschluß bei Frauen durchgängig negativ mit dem Einkommen zusammen,während sich bei den Männern keine eindeutige Tendenz erkennen läßt. Senktalso bereits die Tatsache, während des Studiums in einer eigenen Wohnungzu leben, das mit dreißig Jahren im Beruf erzielte Einkommen? Wohl kaum,jedenfalls ist keine theoretisch plausible Erklärung erkennbar. Des RätselsLösung ist vermutlich, daß zwischen den Befragten, die während ihres Studi-ums noch im Elternhaus leben, und denen, die in dieser Zeit bereits in der ei-genen Wohnung leben, auch die Trennlinie zwischen kurzen, weniger ambi-tionierten Studiengängen und den prestigeträchtigeren Universitätsstudien-gängen verläuft.

Aber warum ist das Bild bei den Männern viel uneinheitlicher? Hier lie-gen viele Koeffizienten nahe Null, aber auch eine relativ hohe positive Korre-lation ist im Falle der Vaterschaft zu berichten (EINK-M: r = ,22). Die positi-ve Korrelation zwischen dem Monatseinkommen und der Tatsache der Vater-schaft dürfte u.a. darauf zurückzuführen sein, daß insbesondere im öffentli-chen Dienst, aber z.T. auch in der freien Wirtschaft, das Gehalt im Falle derElternschaft steigt. Aber offensichtlich ist ein solcher Gehaltszuschlag nichtdie alleinige Ursache des relativ ausgeprägten Zusammenhangs zwischen derHöhe des Monatsgehaltes und der Tatsache der Elternschaft, denn der Zusam-menhang ist im Falle des auf eine Arbeitsstunde bezogenen Gehaltes wesent-lich schwächer. Der erhöhte finanzielle Bedarf durch das Kind wird auchdurch Mehrarbeit gedeckt. Bei den Müttern verhält es sich dagegen entgegen-gesetzt: Hier steht einer hohen negativen Korrelation mit dem Monatseinkom-men (r= -,21) ein deutlich schwächerer, aber immer noch negativer Zusam-menhang im Falle des Stundeneinkommens (r= -,08) gegenüber. Dies weistdarauf hin, daß viele Mütter wegen der Belastung durch Haushalt und Familienur teilzeitbeschäftigt sein können.

Die berichteten Zusammenhänge zwischen privaten Ereignissen und demErfolg im Beruf verändern sich nur leicht, wenn man durch eine Beschrän-kung der betrachteten privaten Ereignisse auf das Grundstudium (Tab. 5.8b)der Tatsache Rechnung trägt, daß mit der Studiendauer auch die Wahrschein-

212 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

lichkeit eines privaten Überganges steigt und zugleich längere Studiengängein prestigeträchtigere Berufe führen. Diese Tendenz überlagert mögliche Ko-sten für den Berufserfolg von privaten Übergängen im Studium. Es reduzie-ren sich die oben berichteten positiven Zusammenhänge mit dem Berufspre-stige, der negative Zusammenhang im Falle der Mutterschaft verstärkt sichund auch bei den Männern erscheint im Falle der Familiengründung ein nega-tives Vorzeichen. Zugleich schwächen sich die negativen Zusammenhängeprivater Übergänge mit dem Einkommen ab. Aber auch hier bleiben die be-schriebenen Differenzen zwischen Monats- und Stundeneinkommen bestehen.

Gemeinsam betrachtet belegen die Einflüsse der Elternschaft auf das Ein-kommen von Männern und Frauen die nach wie vor gültige traditionelle Rol-lenverteilung in der Familie, die den Männern die Aufgabe zuweist, den fi-nanziellen Bedarf zu decken, während den Frauen primär die Versorgung desHaushaltes und die Betreuung der Kinder obliegt und erst in dem dann nochverbleibenden Freiraum Platz für eine eigene Berufstätigkeit ist. Diese Per-spektive, sei sie nun angestrebt oder aufgezwungen, läßt Frauen mit Kind je-denfalls häufig gleich auf hohe Investitionen in den Beruf verzichten, wie derberichtete negative Zusammenhang zwischen Berufsprestige und der Tatsacheder Mutterschaft im Studium zeigt.

Zusammengefaßt kann man also dreierlei festhalten. Erstens scheint zu-mindest die Elternschaft in einer frühen Studienphase auch nach einem erfolg-reichen Studienabschluß den durch Berufsprestige und Einkommen gemesse-nen Erfolg negativ beeinflussen zu können. Zweitens verzichten Frauen häufi-ger als Männer auf eine prestigeträchtige Berufskarriere, ohne diesen Verlustetwa durch ein höheres Einkommen wettzumachen. Gleich, ob dies die ur-sprüngliche Lebensplanung vorgesehen hat oder nicht, verliert der beruflicheBereich bei Frauen offensichtlich durch die bestehende Familie insgesamt anBedeutung. Drittens ändert bei Männern auch eine Familie nichts an der Wer-tigkeit des Berufs. Allerdings verschieben sich die Prioritäten im Falle der El-ternschaft und der durch sie erwachsenden finanziellen Verpflichtungen einStück hin zu einer Maximierung des Einkommens.

5.3.4 Zufriedenheit als subjektiver Erfolgsmaßstab

Erfolg im Leben ist immer eine Frage des Maßstabs. Der Maßstab kann quasiobjektiv von außen angelegt werden oder auf der subjektiven Ebene von denIndividuen selbst erzeugt werden. Objektive Maßstäbe orientieren sich an denKriterien des Lebensbereiches, auf den sie angewandt werden. Sie sind pro-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 213

blematisch, weil sie den Akteuren unterstellen, in dem jeweiligen Bereich im-mer das maximale Ziel anzustreben und dabei übersehen, daß die Akteureverschiedene Lebensbereiche miteinander vereinbaren müssen. Häufig wer-den dabei die individuellen Meßlatten in einem spezifischen Bereich niedri-ger gelegt, um der gesamten Lebenssituation gerecht zu werden, und denHandelnden gilt dann das Erreichen dieser relativ niedrigen Meßlatte schonals voller Erfolg. Die persönliche Zufriedenheit mit dem Erreichten ist alsoder subjektive Erfolgsmaßstab der Akteure. Das bedeutet allerdings nicht, daßder Grad ihrer Zufriedenheit nun völlig unabhängig vom objektiv Erreichtenist. Im Gegenteil kann nach wie vor ein enger Zusammenhang zwischen ob-jektivem Erfolg und dessen subjektiver Bewertung erwartet werden. Aber die-ser Zusammenhang wird relativiert durch die Bedeutung, die das Individuumanderen Lebensbereichen zumißt. Auch die Kriterien des so erzeugten subjek-tiven Maßstabes sind sozial vermittelt. Hinzu treten aber subjektive Elementeder Selektion und Bewertung der aktuellen und früheren Lebenssituation.

Wenn die berufliche Zufriedenheit auch auf dem objektiv im BerufslebenErreichten basiert, dann besitzt sie gerade wegen ihrer Diffusität zugleich ei-nen weiteren Vorteil für die Analyse des Einflusses privater Entscheidungenauf die berufliche Entwicklung. Bisher haben wir die verschiedenen Dimen-sionen möglicher Kosten ausgeleuchtet. Gefragt wurde, ob ein Studium er-folgreich abgeschossen wurde, und in welchem Zeitraum dies geschehen ist.Darauf aufbauend wurde gefragt, ob die Investitionen des Studiums auchdurch einen Berufseintritt verwertet werden konnten. Schließlich wurden Pre-stige und Einkommen als Kriterien des Erfolges im Beruf betrachtet. All dieseverschiedenen Kriterien des Erfolges in der beruflichen Entwicklung fließenin der persönliche Bilanzierung durch die Akteure zusammen. Gewiß ge-schieht dies sowohl mit einer individuellen Gewichtungen der konkreten Er-folgskriterien der Berufslaufbahn als auch einer unterschiedlichen Gewich-tung des beruflichen Lebensbereiches gegenüber dem privaten Lebensbereich.Aber als subjektiver Maßstab des beruflichen Erfolges faßt die berufliche Zu-friedenheit die einzelnen Kriterien wieder zusammen und ermöglicht so einezusammenfassende Bewertung des beruflichen Erfolges – allerdings nicht auseiner objektiven Perspektive, sondern aus Sicht der Betroffenen.

Bereits in den Analysen zu den Kosten privater Übergänge vor dem Ab-schluß der Schule (Abschnitt 5.1) wurde danach gefragt, ob so frühe privateStatuspassagen nicht nur den weiteren Ausbildungs- und Berufsverlauf, son-dern auch noch die Zufriedenheit mit der so miterzeugten privaten und beruf-lichen Lebenssituation fünfzehn Jahre später beeinflussen. Dabei hatte sichgezeigt, daß zwar Einflüsse auf den weiteren Lebensweg, nicht aber auf die

214 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

Zufriedenheit mit diesem vorhanden sind. Erklärt wurde dies durch die großezeitliche Distanz, aber vor allem durch die Vermutung, daß die damaligenEreignisse subjektiv nur mehr als Rahmenbedingung, nicht aber als eine per-sönlich zurechenbare Ursache des weiteren Handelns und der weiteren Ent-wicklung angesehen werden.

Hier, wo es um private Statuspassagen vor dem Eintritt in den Beruf undderen Einfluß auf die Ausbildungs- und Berufslaufbahn geht, sind die zeitli-chen Distanzen kleiner. Wenn sich die private Lebenssituation negativ auf dieAusbildungs- und Berufslaufbahn auswirkt, dann sind die bereits getätigtenInvestitionen in das Humankapital schon höher. Ein großes Stück eines ein-mal eingeschlagenen Weges wurde bereits zurückgelegt. Wenn sich die Inve-stitionen nun wegen der privaten Lebenssituation nicht im erwarteten Umfan-ge verwerten lassen, dann wird dies wohl eher auch als persönlicher Mißer-folg bewertet und reduziert dadurch die berufliche Zufriedenheit. Je mehr sichalso die private Lebenssituation negativ auf das Berufsleben auswirkt, umsostärker sollte auch der negative Zusammenhang zwischen beruflicher Zufrie-denheit und der Tatsache eines privaten Statusübergangs vor dem Berufsein-tritt sein. Wie wir aus den bisherigen Untersuchungen wissen, führt vor allemeine frühe Elternschaft – wesentlich stärker bei Frauen als bei Männern – zuobjektiv meßbaren Einbußen für die Berufslaufbahn. Man kann daher im Fal-le der Elternschaft den größten negativen Zusammenhang mit der beruflichenZufriedenheit erwarten.

Aber werden frühe private Übergänge, wenn sie schon mit beruflichenKosten verbunden sind, wenigstens in ihrem angestammten Lebensbereichauch über einen gewissen Zeitraum als Erfolg gewertet und steigern die Zu-friedenheit mit dem privaten Leben? Dies ist zu erwarten, wenn der Entschei-dung tatsächlich auf einer rationalen Überlegung basiert und dieses Kalkülsich an der Realität bewährt hat. Darüber hinaus wurden auch die Zusammen-hänge zwischen privaten Übergängen mit einer unspezifisch allgemeinen Le-benszufriedenheit, die als eine Art Bilanz beider Lebensbereiche verstandenwerden kann, erhoben.98 Die Korrelationen zwischen beruflicher, privater und

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 215

98 Die Korrelation der bereichsspezifischen Zufriedenheiten mit der allgemeinen Lebenszufrie-denheit (Birkelbach 1996: TB38) ist in der hier betrachten Teilstichprobe recht hoch und bewegtsich in dem Rahmen, den Meulemann (1995: 432) für die Gesamtstichprobe (Beruf: r = ,55, Pri-vat: r= ,69) ermittelt hat. Gleiches gilt für die deutlich schwächere Korrelation (r = ,28) von pri-vater und beruflicher Zufriedenheit. Die Interkorrelationen der Dimensionen der Zufriedenheitbelegen zweierlei: Erstens fließen beide Lebensbereiche in die allgemeine Lebenszufriedenheitein; aber diese wird stärker durch das Privatleben als durch den Beruf geprägt. Zweitens aberzeigt die schwächere Korrelationen der beiden bereichsspezifischen Zufriedenheiten, daß sehrwohl zwischen der Bewertung der Lebensbereiche differenziert wird.

216 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

****: p<0,0001; ***: p<0,001; **: p<0,01; *: p<0,05ZUFBER: Zufriedenheit mit der beruflichen Entwicklung (0-10); ZUFPRIV: Zufriedenheit mitder privaten Entwicklung (0-10); ZUFALLG: Zufriedenheit mit dem Leben allgemein (0-10).(genaue Frageformulierung: siehe Tab. A6 im Anhang)NLGM: Nichteheliche Lebensgemeinschaft Kodiervariablen zu den privaten Übergängen: 0: kein Übergang vor Berufseintritt, 1:Übergang, aber kein weiterer.PVOREW: Kumulation privater Übergänge vor dem Berufseintritt. Dabei wurde nicht zwi-schen unverheiratet (NLGM) und verheiratet (EHE) Zusammenlebenden unterschieden. Da-durch ergibt sich ein Wertebereich von 0 bis 3.

,06 ,06 ,05 -,01 -,10 747-,02 ,06 ,01 -,19 **

-,14 544 ZUFALLG

,17 ***

,21 ***

,25 ****

,04 -,09 746 ,06 ,08 ,14 *

-,11 -,04 545 ZUFPRIV

-,02 -,03 -,02 -,01 -,00 741-,16 ***

-,32 ****

-,15 *

-,20 **

-,18 *

543 ZUFBER

741 252 287 296 309 n538 150 216 191 164 n

PVOREWKINDEHENLGM

EIG-WOH

PVOREWKINDEHENLGM

EIG-WOH

MännerFrauen

Kein Überg. EIGWOHN NLGM EHE KIND5,5

6

6,5

7

7,5

8

8,5

9

Beruf Privat Allgemein

Kein Überg. EIGWOHN NLGM EHE KIND5,5

6

6,5

7

7,5

8

8,5

9

Beruf Privat Allgemein

Frauen Männer

Tab. 5.9 Subjektive Erfolgsmaßstäbe und privaten Lebenssituation vor demBerufseintritt: Durchschnittliche Zufriedenheit und Korrelations-koeffizienten (Stichprobe: Nur SNK, d.h. Studenten mit normalemStudienzugang, keine Studienaufsteiger)

allgemeiner Zufriedenheit und den privaten Ereignissen vor dem Berufsein-tritt werden zusammenfassend in Tabelle 5.9 dargestellt.

Zufriedenheit mit der beruflichen Entwicklung

Wie wir aus den vorausgegangen Analysen wissen, entstehen durch privateEreignisse vor dem Berufseintritt (d.h. meist noch in der Ausbildung) Kostenfür die weitere berufliche Entwicklung – wenn auch in unterschiedlichemAusmaß bei Frauen und Männern. Nicht alle ursprünglich gesteckten Zielewerden erreicht, weil die private Lebenssituation der Ausbildungs- und Be-rufslaufbahn wichtige Ressourcen entzieht. Dies wird auch subjektiv als Miß-erfolg gedeutet und senkt die berufliche Zufriedenheit mit jedem Schritt desprivaten Lebenslaufes. Aber wir wissen auch, daß die privaten Lebenssituati-on hauptsächlich bei Frauen zu einer Belastung der beruflichen Entwicklungwerden kann, während bei den Männern nur geringe Einflüsse zu berichtensind. Entsprechend unterschiedlich wirkt sich die private Lebenssituation vordem Berufseintritt auf die berufliche Zufriedenheit aus: Bei den Frauen sen-ken die Übergänge des privaten Lebenslaufes die Zufriedenheit im Verhältniszu der Gruppe ohne einen privaten Übergang bis zum Berufseintritt, was sichnicht zuletzt in den signifikanten Korrelationen zeigt. Allerdings ist dabei dieFrage, ob ein eigener Haushalt allein oder mit Partner, verheiratet oder unver-heiratet bewohnt wird, ohne Bedeutung. Erst ein Kind vor dem Berufseintritthat noch einmal einen starken negativen Einfluß auf die berufliche Zufrieden-heit. Bei den Männern entsprechen zwar die Vorzeichen den Erwartungen,die Korrelationen aber liegen nahe 0. Es besteht bei Männern allenfalls eintendenzieller Zusammenhang zwischen frühen privaten Bindungen und dersubjektiven Bewertung des beruflichen Erfolgs.

Zufriedenheit mit der privaten Entwicklung

Wenn in dem einen (privaten) Lebensbereich, auch auf die Gefahr hin, daßder andere (berufliche) Lebensbereich belastet wird, eine Entscheidung zu-gunsten einer nichtehelichen bzw. ehelichen Lebensgemeinschaft oder gar ei-ner Elternschaft getroffen wird, dann ist anzunehmen, daß zumindest im Pri-vatleben eine Bereicherung erwartet wird, und der Grad privater Zufrieden-heit (ZUFPRIV) zunimmt. Dies kann auch für die Trennung vom Elternhausund die Gründung eines eigenen Haushaltes gelten, obwohl dieser Schritt häu-fig nicht durch Verselbständigungstendenzen, sondern durch eine Notwendig-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 217

keit, die sich aus dem Studium ergibt, angestoßen wird. Insofern dürfte erdenn auch subjektiv kaum als privater Erfolg gewertet werden.

Tatsächlich liegt die Zufriedenheit mit dem Privatleben bei den Frauenund Männern, die bis zum Berufseintritt nur einen eigenen Haushalt gegrün-det haben, aber nicht mit einem Partner zusammenleben, sogar etwas niedri-ger als in den Vergleichsgruppen, die in diesem Zeitraum ihr Elternhaus nochnicht verlassen haben. Wie der Korrelationskoeffizient belegt, senkt darüberhinaus bei Frauen auch die Tatsache, während des Studiums mit einem Part-ner zusammengezogen zu sein, gegenüber den Frauen, die das Elternhausnoch nicht verlassen haben, die private Zufriedenheit der 30jährigen. Dage-gen steigt sie erwartungsgemäß mit der Heirat, allerdings stärker bei Männern(r= ,25) als bei Frauen (r= ,14). Gegenüber der Ehe bringt die Elternschaftkeine weitere Steigerung der privaten Zufriedenheit mit sich – ja, sie sinkt so-gar sowohl bei Frauen als auch bei Männern wieder geringfügig.

Beides – Ehe und Elternschaft – beruhen auf Planung und Entscheidung;der Unterschied liegt im Grad der Übereinstimmung von Erwartungen mit derspäteren Lebenssituation. Wer heute heiratet, der weiß, was auf ihn zukommt– auch, weil er i.d.R. schon länger mit dem Partner zusammengelebt hat. DasLeben mit einem Kind konfrontiert die Eltern aber mit einer neuen Situation,die häufig in ihrer konkreten Form nicht vorausgesehen wurde.99 Ein Kindkann die Partnerschaft bereichern, es kann sie aber auch belasten. Negativ be-wertete Aspekte der Situation können genauso wie positive den Grad der Zu-friedenheit bestimmen. Was letztlich die Oberhand gewinnt, das hängt danndavon ab, mit welchen Erwartungen die Entscheidung zur Elternschaft getrof-fen wurde.

Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt

Die Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt (ZUFALLG) liegt bei Frauenund Männern zwischen beruflicher und privater Zufriedenheit. Sie hängt aberoffensichtlich stärker vom Privatleben als vom Beruf ab,100 was wiederum aufeine unterschiedliche Gewichtung der beiden Lebensbereiche hinweist. Einerfülltes Privatleben ist stärkchtlicu-100

Beruf, auch wenn der durchaus ein Element individuellen Lebensglücks seinmag. Aber bei den Frauen liegen private und allgemeine Zufriedenheit engerbeieinander, während sich beides bei den Männern mit jedem Schritt des pri-vaten Lebenslaufes weiter auseinander entwickelt. Hier macht sich offenbarbemerkbar, daß Männer neben der Familie im Beruf einen zweiten Schwer-punkt, der Quell der Lebenszufriedenheit werden kann, besitzen.

Betrachtet man die drei Dimensionen der Zufriedenheit nun noch einmalim Zusammenhang, dann wird deutlich, daß sich nach dem Auszug aus demElternhaus bei Frauen und Männern mit jedem privaten Übergang vor demBerufseintritt die Schere zwischen privater und beruflicher Zufriedenheit wei-ter öffnet. Dabei folgt die allgemeine der privaten Zufriedenheit. Einerseitserhöht die private Entscheidung die private und die von ihr geprägte allgemei-ne Zufriedenheit, andererseits kann diese Entscheidung für den Berufserfolgmit höchst unerwünschten negativen Nebenfolgen belastet sein. Aber dieSchere klafft bei Frauen stärker als bei Männern auseinander, weil privateEntscheidungen – insbesondere im Falle der Elternschaft – vor dem Berufs-eintritt die berufliche Zufriedenheit stärker belasten.

5.4 Privater Lebenslauf und Erfolge in der Ausbildungs- und Berufs-laufbahn: Ein Überblick

5.4.1 Synopse der Zusammenhänge

In einer Vielzahl von Einzelanalysen wurden die Zusammenhänge zwischenprivaten Übergängen bis zu einen bestimmten Punkt der Ausbildungs- undBerufslaufbahn – oder besser: der aus diesen Statusübergängen resultierendenLebenssituation – und spezifischen Aspekten beruflichen Erfolgs untersucht.Kann man nach den durchgeführten bivariaten Analysen die Hypothese auf-recht erhalten, daß private Bindungen und Verpflichtungen, die früh, d.h.während des Ausbildungsverlaufes, eingegangen werden, diesen belastenkönnen und dadurch dessen Erfolges gefährden? Lassen sich diese Zusam-menhänge bei Frauen und Männern auf den gleichen Nenner bringen? Tabelle5.10 vermittelt einen Überblick über die Ergebnisse der Analysen.

Das wichtigste Ergebnis der bivariaten Analysen ist gewiß, daß sie die er-warteten negativen Effekte mangelnder Koordination der beiden Stränge des

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 219

220 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

+: r ≥ 0,10; ++: r ≥ 0,20; +++: r ≥ 0,30; –: r ≤ -0,10; ––: r ≤ -0,20; –––: r ≤ -0,30; Bei der Studiendauer wird die Differenz zu der durchschnittlichen Studiendauer (Median) derGruppen ohne private Übergänge in dem betreffenden Zeitraum ausgewiesen.Erläuterungen der Abkürzungen und weitere Anmerkungen: Tab. und Abb. 5.1 – 5.9.

++––+++++––PVOR-EWB

++++–––––+++–+++–––KIND+++–++–+–EHE+––+–––++–NLGM+–+–+–+EIGWOHN

EX-EWEX-EWnur SNK

Priv.Be-ruf

AB-nie

AB-EW

EX-nie

EX-EW

Priv.Be-ruf

AB-nie

AB-EW

EX-nie

EX-EW

Pre-stige

Ein-kom.Mo-nat

ZufriedenStudienerfolgPre-stige

Ein-kom.Mo- nat

ZufriedenStudienerfolgBis zumBerufs-eintritt

–++––PVORSTE+++25 ––––40 ++++–––KIND

–+++–++––EHE+

13 –+–

29 +–NLGM

+9 –+–16 –EIGWOHNEX-EWEX-EWnur SNK

AB-nie

AB-EW

EX-nie

EX-EW

AB-nie

AB-EW

EX-nie

EX-EW

Pre-stige

Ein-kom.Mo-nat

Verlänge-rung desStudiums(Monate)

StudienerfolgPre-stige

Ein-kom.Mo-nat

Verlänge-rung desStudiums(Monate)

StudienerfolgBis zum Ende desStudiums

–PVORHS

++13 +–––8 ++–+–KIND

–EHE 4 –

20 +––NLGM

+6 ––12 –EIGWOHNEX-EWEX-EWnur SNK

AB-nie

AB-EW

EX-nie

EX-EW

AB-nie

AB-EW

EX-nie

EX-EW

Pre-stige

Ein-kom.Mo-nat

Verlänge-rung desStudiums(Monate)

StudienerfolgPre-stige

Ein–kom.Mo-nat

Verlänge–rung desStudiums(Monate)

StudienerfolgBis einschl.4. Studi-en- seme-ster

++––++–PVORSCH+–KIND+EHE

++–NLGM ++++–EIGWOHNEWEWAlle Befr.

Priv.Be-ruf

MRABISASNKPriv.Be-ruf

MRABISASNK

Pre-stige

Ein-kom.Mo-nat

ZufriedenStudienzugangPre-stige

Ein-kom.Mo-nat

ZufriedenStudienzugangVor Endeder Schul-ausbildung

MännerFrauen

Tab. 5.10 Übersicht über die Zusammenhänge zwischen Ereignissen des privatenLebenslaufes und Erfolgen in der Ausbildungs- und Berufslaufbahn

Lebenslaufes empirisch belegen können. Aber nicht jede private Entschei-dung wirkt zu jedem Zeitpunkt des Ausbildungsprozesses in gleicher Weise.Auch fallen deutlichen Unterschiede der Effekte bei Frauen und Männern insAuge. So gibt es nur bei Frauen – nicht aber bei Männern – einen Zusammen-hang zwischen beruflicher Zufriedenheit und privaten Übergängen vor demEintritt in den Beruf.

Welche Realität aber steht diesem subjektiven Kriterium der Akteure aufseiten objektiv meßbarer Kriterien des Berufserfolges gegenüber? Schon beidem frühesten Ausbildungsabschnitt, der Schule, ist zu erkennen, daß manprivate Ereignisse vor dem höchsten Schulabschluß bei Frauen und Männerngehäuft dort findet, wo nicht der für Gymnasiasten übliche Weg über das Abi-tur in ein Studium (SNK) beschritten wird. Bereits an dieser Stelle aber kön-nen die Unterschiede der Zusammenhänge bei Frauen und Männern beobach-ten werden: Männer mit privaten Ereignissen vor dem höchsten Schulab-schluß sind häufig Studienaufsteiger (SA) und haben diesen Abschluß oft erstauf dem zweiten Bildungsweg erworben. Von Kosten privater Bindungenkann in diesem Fall nicht gesprochen werden; die Kausalität des Zusammen-hanges ist genau entgegengesetzt. Einen Hinweis darauf, daß die private Le-benssituation vor dem Abschluß der Schule aber auch tatsächlich negativeAuswirkungen auf den weiteren beruflichen Weg hat, finden wir nur bei Frau-en. Sie verzichten nicht selten wegen einer Familie, aber auch schon wegender Gründung eines eigenen Haushaltes, auf ein Studium und begnügen sichstatt dessen häufiger mit dem Abitur (ABI).

Im nächsten Schritt beschränken wir uns auf die erfolgreichen Absolven-ten des Gymnasiums, die nach dem Abitur ohne Umwege ein Studium begin-nen (SNK). Für sie stellt das Verlassen des Elternhauses und die Gründungeines eigenen Haushaltes offensichtlich keine Belastung des Studiums dar.Dieser Schritt ist oft geradezu eine Voraussetzung für besonders ambitionierteStudiengänge. Die beobachtete längere Studienzeit läßt sich ebenso wie dieTatsache, daß eine eigene Wohnung die Neigung zum Studienabbruch verrin-gert, in diesem Sinne interpretieren. Aber auch unabhängig von der Notwen-digkeit, das Elternhaus wegen eines Studienplatzes zu verlassen, gehört dieTrennung vom Elternhaus und die Gründung eines eigenen Haushaltes, alleinoder mit Partner, zur Normalität des Lebensabschnittes zwischen zwanzig unddreißig Jahren.

Blickt man nun auf die Tatsache eines nichtehelichen Zusammenlebens(NLGM), einer Ehe (EHE) oder der Elternschaft (KIND) als Schritte der Fa-miliengründung vor dem Abschluß des Studiums, dann muß man sich zu-nächst noch einmal das Problem mangelnder kausaler Eindeutigkeit eines Zu-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 221

sammenhangs zwischen privaten Entscheidungen und den Kriterien des Er-folgs in Studium und Beruf vergegenwärtigen (Abb. 5.6). Vermutet wurde,daß eine Familiengründung zu spezifischen Belastungen für das Studium füh-ren kann, die sich in längeren Studienzeiten, aber auch in einer erhöhten Nei-gung zum Studienabbruch niederschlagen könnten. Auch ein vollständigeroder teilweiser Verzicht auf die Früchte des Studiums – durch einen vorläufi-gen Verzicht auf den Berufseinstieg insgesamt oder auf eine der Ausbildungadäquate Tätigkeit – kann als eine mögliche Lösung der durch private Ent-scheidungen entstandenen Lebenssituation angesehen werden. Aber je längerein Studium dauert, umso wahrscheinlicher wird einer oder mehrere Schritteder Familiengründung vollzogen.

Das Studium dauert bei Frauen, die mit ihrem Partner in dieser Zeit eineLebensgemeinschaft (NLGM/EHE) gründen, im Schnitt 13 Monate länger,als bei den Frauen, die alleine in der eigenen Wohnung leben, und sogar 29Monate länger als bei den Frauen, die bis zum Abschluß ihres Studiums dasElternhaus nicht verlassen haben. Ein Kind schlägt darüber hinaus mit weite-ren 11 Monaten zu Buche. Ähnlich stellen sich die Zusammenhänge bei denMännern dar, allerdings beträgt die zusätzliche Studienzeit nur etwa die Hälf-te der bei den Frauen beobachteten Verlängerung. Private Übergänge sindhier sicher auch eine Folge eines ohnehin schon ausgedehnten Studiums, kön-nen aber darüber hinaus auch negative Konsequenzen, wie eine zusätzlicheStudienverlängerung, nach sich ziehen. Beide Effekte sind vermutlich vorhan-den, ohne allerdings eindeutig voneinander abgrenzbar zu sein.

Daher wurden zusätzlich die Folgen einer Familiengründung in den erstenvier Studiensemestern, also einer zeitlich klar umrissenen Phase zu Beginndes Studiums, untersucht. Der Nachteil dieser Beschränkung sind allerdingskleine Fallzahlen, die eine statistische Absicherung der Ergebnisse z.T. ver-hindern. Die bei Frauen und Männern längere Studiendauer im Falle der eige-nen Wohnung im Grundstudium läßt sich noch leicht erklären, wenn man be-denkt, daß anspruchsvolle und damit i.d.R. auch längere Studiengänge häufi-ger das Verlassen des Elternhauses wegen eines entfernten Studienplatzesnotwendig machen. Aber ein längeres Studium läßt sich auch im Falle einerehelichen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der Elternschaft imGrundstudium beobachten – allerdings bei Frauen eher als bei Männern.

Erwartet wurde aber nicht nur, daß die private Lebenssituation im Studi-um die Dauer des Weges bis zum Studienerfolg beeinflußt, sondern vor allemauch, daß der Weg, also der Ausbildungs- und Berufsverlauf, selber verändertwird. Vor einer zusammenhängenden Interpretation möglicher Kosten priva-ter Bindungen soll daher noch einmal ein Blick auf die weitere Entwicklung

222 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

des beruflichen Lebenslaufes nach privaten Übergängen im Studium gewor-fen werden. Die Kosten einer Familiengründung im Studium für die weitereEntwicklung des beruflichen Lebenslaufes sind bei den Frauen offensichtlich.Gleichgültig, ob man nur private Übergänge im Grundstudium oder währenddes gesamten Studiums betrachtet – es reduziert sich in jedem Fall der Anteilder Frauen, die mit einem bestandenem Examen in den Beruf eintreten (EX-EW). Insbesondere die Elternschaft während des Studiums, z.T. auch schoneine Ehe und selbst eine nichteheliche Lebensgemeinschaft kann Frauen dazuveranlassen, zumindest vorläufig auf eine Berufstätigkeit zu verzichten. EinTeil dieser Frauen bricht ihr Studium ab (AB-nie), während andere zwar dieDoppelbelastung bis zum Examen durchstehen, dann aber auf die Verwertungdes mit dem Abschluß erworbenen Bildungszertifikates verzichten (EX-nie).Die Tendenz, wegen einer Familiengründung den Berufseinstieg zurückzu-stellen, verstärkt sich noch einmal, wenn man den betrachteten Zeitraum derFamiliengründung bis zu einem möglichen Berufseintritt ausweitet. Dies istein Effekt der im vierten Kapitel beschriebenen Tatsache, daß Frauen häufigmit einer Familiengründung bis nach ihrem Examen warten, sie dann aber re-lativ schnell nachholen, wobei sie z.T. auch auf den sofortigen Genuß derFrüchte des Studiums verzichten.

Selbst wenn die beschriebenen Hürden überwunden sind, der Weg unsererStudentinnen trotz der Belastungen durch eine Familie in den Beruf geführthat, lassen sich noch negative Auswirkungen auf den Erfolg im ersten Berufnach dem Hochschulabschluß beobachten. Vor allem im Falle der Mutter-schaft, aber auch schon bei einer Partnerschaft, an die häufig schon die Opti-on einer späteren Elternschaft geknüpft ist, lassen sich negative Auswirkun-gen auf das erzielte Monatseinkommen beobachten. Mütter haben ein gerin-geres Monatseinkommen, weil sie häufiger teilzeitbeschäftigt sind. Aber sieverdienen auch weniger, weil sie häufiger auf berufliche Ambitionen verzich-ten und in prestige- und damit meist auch einkommensärmere Berufe gehen(vgl. Tab. 5.8).

Bei den Männern ist das Bild möglicher Abweichungen wegen privaterÜbergänge während des Studiums von dem eingeschlagenen beruflichen Wegweniger eindeutig: Zusammenhänge sind nicht durchgängig nachzuweisenund wenn, dann sind sie viel schwächer als bei den Frauen. Im erwartetenSinne wirkt bei den Männern eine frühe Vaterschaft (im Grundstudium), dieden Anteil der Studienabbrecher mit einer anschließenden Erwerbstätigkeit(AB-EW) erhöht. Haben Männer die Hürden des Examens und des Berufsein-tritts überwunden, dann sind bei ihnen im Gegensatz zu den Frauen keine ne-gativen Auswirkungen bestehender privater Verpflichtungen auf den Erfolg

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 223

im Beruf zu berichten. Das im Schnitt höhere Monatseinkommen von Väternist einerseits auf die nicht nur im öffentlichen Dienst übliche Gehaltsgestal-tung, die für diesen Fall einen gewissen Zuschlag vorsieht, andererseits aberauch auf Mehrarbeit wegen des erhöhten finanziellen Bedarfs einer Familie,in der die Frau, wie oben berichtet, häufig auch nur teilzeitbeschäftigt ist, zu-rückzuführen.

5.4.2 Rekonstruktion einiger Aspekte der Entscheidungen von Frauen undMännern

Aus den Untersuchungen des vierten Kapitels wissen wir, daß während derAusbildung und z.T. auch darüber hinaus, der private dem beruflichen Le-benslauf nachgeordnet wird. Als Ursache dafür wurde eine mit steigendenVerpflichtungen im privaten Bereich zunehmende Inkompatibilität zwischenAusbildung und einer privater Lebenssituation, die entsteht, weil eine Familiewichtige Ressourcen bindet. Eine frühe Familiengründung wird daher umsoeher vermieden, je größer die erwarteten Belastungen sind. Gewiß gibt es ge-schlechtsspezifische Lebenspläne, die sich an traditionellen Geschlechterrol-len orientieren und dadurch die spezifische Gewichtung des privaten und be-ruflichen Lebensbereiches beeinflussen. Eine Berufsausbildung aber strebenFrauen und Männer zunächst gleichermaßen an. Die mag in der Folge unter-schiedlicher Lebensplanungen mehr oder weniger ambitioniert sein, aber dasZiel der Ausbildung ist ihr Erfolg und damit letztlich der Beruf. Sofern Frau-en und Männer diesen Erfolg suchen, gilt es für beide, die Ausbildung nichtdurch vorzeitige private Verpflichtungen unnötig zu belasten.

Die Analysen des fünften Kapitels zeigen nun, daß dabei deutliche Unter-schiede zwischen Frauen und Männern zu beobachten sind. Schon eine Part-nerschaft, vor allem aber die Elternschaft, kann sich bei Frauen massiv aufden objektiven und subjektiven Erfolg auswirken, während solche Zusam-menhänge bei den Männern allenfalls schwach ausgeprägt sind. Wenn es vorallem private Verpflichtungen sind, die der Ausbildung wichtige Ressourcenentziehen und dadurch ihren Erfolg gefährden, dann unterscheiden sich offen-sichtlich die Belastungen bei Frauen und Männern. Für beide gilt die gleicheRegel, aber deren Nichtbeachtung hat unterschiedliche Folgen. Wenn mannoch etwas genauer hinschaut, dann sind die Unterschiede nicht nur quantita-tiver, sondern auch qualitativer Natur. Nach einer Familiengründung überneh-men Frauen häufig – selbst in der vorliegenden Stichprobe – die Rolle derHausfrau und Mutter und sind nicht oder nur in Teilzeitpositionen berufstätig.

224 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

Bei Männern läßt sich dagegen eine Tendenz beobachten, wegen einer frühenFamiliengründung das Studium abzubrechen und erwerbstätig zu werden. Einweiterer Unterschied ist, daß bei Männern erst die Verantwortung für einKind, bei Frauen aber bereits eine Lebensgemeinschaft die Folgen für Ausbil-dung und Beruf hat.

Die unterschiedlichen Konsequenzen führen uns auf die Fährte ihrer Ursa-chen. Dazu ist es notwendig, sich noch einmal einige Voraussetzungen derUntersuchungen zu vergegenwärtigen: Wenn unsere Unterstellung, daß Men-schen Kosten und Nutzen einer Entscheidung rational abwägen, einigermaßenstimmig ist, und wenn überdies die Hypothese zutrifft, daß bestimmte privateÜbergänge während der Ausbildungsphase häufig mit Kosten verbunden sindund deshalb vermieden werden, dann haben wir es bei der Gruppe, die sichfür eine frühe private Bindung entschieden hat, mit Kosten zu tun, die im Ver-gleich zu den erwarteten Kosten eines solchen Schrittes in der Gesamtgruppeeher unterdurchschnittlich sein dürften. Wenn die private Entscheidung be-reits in Erwartung niedriger beruflicher Kosten getroffen wird und diese Er-wartungen einer Realität entsprechen, dann trägt dies dazu bei, zu erklären,warum nicht überall die erwarteten Zusammenhänge gefunden wurden undwarum die beobachteten Zusammenhänge nicht höher sind.101 Was aber läßtdie Kosten-Nutzen-Relation zum Zeitpunkt der Entscheidung subjektiv in ei-nem solch positiven Licht erscheinen? Grundsätzlich sind drei Möglichkeitendenkbar: Die Kosten sind entweder tatsächlich besonders niedrig oder derNutzen ist überdurchschnittlich hoch. Darüber hinaus kann sich die günstigeEinschätzung von Kosten und Nutzen auch als unzutreffend erweisen.

Möglicherweise können die Kosten objektiv gering gehalten werden, seies, weil sich aus der Art der eingegangen privaten Verpflichtungen und ihrerkonkreten inhaltlichen Ausgestaltung tatsächlich nur geringe Belastungen er-geben, oder weil bestimmte Lasten auf andere übertragen werden können.Das bedeutet, daß der Grad der privaten Belastungen nicht nur mit den Schrit-ten des privaten Lebenslaufes von der Herkunftsfamilie bis zur Gründung ei-ner eigenen Familie und der sich darin manifestierenden schrittweisen Über-nahme von Verantwortung steigt, sondern auch auf dessen einzelnen Stufenvariieren kann. Eine systematische Ursache für eine solche Variation der Ko-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 225

101 Eine weitere Ursache ist der Zusammenhang zwischen dem Wert eines Studiums und seinerDauer: Längere Studiengänge führen in einkommens- und prestigeträchtigere Berufe. Gleichzei-tig steigt mit der Dauer des Studiums die Wahrscheinlichkeit eines privaten Überganges. Aberauch der Abschluß liegt näher und der Zeitraum bis dahin erscheint überschaubarer. Wenn mandie bereits getätigten Investitionen und den zu erwartenden Gewinn eines Abschlusses in Rech-nung stellt, erscheint es plausibel, daß eventuelle zusätzliche Belastungen durch vermehrte An-strengungen wettgemacht werden.

sten für die Ausbildung ist das geschlechtsspezifische Regime des Lebenslau-fes (Meulemann 1995: 423ff). Für Männer und für Frauen steht auf dem Pro-gramm des Lebenslaufes vor einer Familiengründung der Erwerb einer quali-fizierten Ausbildung. Geschlechtsspezifische Gelegenheitskosten privaterVerpflichtungen während der Ausbildung und vor dem Berufseintritt entste-hen wegen der immer noch dominanten geschlechtsspezifischen Arbeitstei-lung nach traditionellem Muster. Zwar wollen heute sowohl Männer als auchFrauen i.d.R. Beruf und Familie, aber beides ist für Männer solange leichtermiteinander zu vereinbaren, wie die Frauen die Hauptlast des Haushaltes tra-gen. Die Geschlechtsspezifik der Gelegenheitskosten der privaten Lebenssi-tuation zeigt sich zum einen in der unterschiedlichen Stärke der Zusammen-hänge: Bei Frauen werden schon im Falle einer ehelichen oder nichtehelichenLebensgemeinschaft, bei den Männern erst bei einer Elternschaft negativeAuswirkungen auf den Ausbildungs- und Berufsverlauf sichtbar. Zum ande-ren aber fällt die Kongruenz der spezifischen Abweichungen mit dem traditio-nellen Geschlechterrollen in der Familie ins Auge: Männer brechen im Falleeiner frühen Vaterschaft häufiger ihr Studium ab, um in den Beruf zu gehenund ihrer Rolle als Ernährer der Familie gerecht zu werden. Dagegen verzich-ten Frauen wegen einer Familie häufig auf eine berufliche Karriere.

Das Verhältnis beider Lebensbereiche steht für Männer fest: Der Beruf istInstrument des Privaten und dessen Voraussetzung. Aus beidem zusammenresultiert die normative Wirkung des Lebenslaufs auf die Sequenz der Über-gänge seiner beiden Stränge mit der beschriebenen faktischen Unterordnungdes Privaten unter das Berufliche während der Ausbildungsphase und z.T.auch noch darüber hinaus. Solange Männer durch eine Partnerschaft keineVerpflichtung eingehen, auch den Lebensunterhalt der Partnerin mitbestreitenzu müssen, sind für sie Abweichungen von dieser Regel billig, wenn auch we-gen der z.T. mit einer Partnerschaft verbundenen geringeren räumlichen undzeitlichen Flexibilität nicht immer ganz kostenfrei zu haben. Im Gegensatz zuFrauen können Männer durch eine Partnerschaft auch beruflich profitieren:Wenn die Partnerin den beruflichen Ehrgeiz unterstützt oder gar steigert undzugleich dem Mann die alltäglichen Belastungen der Haushaltsführung ab-nimmt, dann kann dies helfen, höhere berufliche Ziele anzustreben, aber auchdas Studium zu beschleunigen. Erst durch ein Kind – und auch dann meistnur, wenn der zeitliche Horizont bis zum regulären Studienabschluß nochlang ist – erhöht sich die Neigung, das Studium abzubrechen und einer Er-werbstätigkeit nachzugehen.

Die Tatsache, daß bei Frauen (im Gegensatz zu den Männern) nicht nureine deutliche Verlängerung des Studiums im Falle einer nichtehelichen oder

226 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

ehelichen Lebensgemeinschaft zu verzeichnen ist, sondern daß sie schon indieser Situation, die sich objektiv ja allenfalls durch die häusliche Arbeitstei-lung der Partner unterscheidet, nicht selten auf die Früchte ihres Studiums zuverzichten bereit sind, weist darauf hin, daß die privaten Entscheidungennicht nur von ihren objektiven Kosten für das berufliche Fortkommen abhän-gig sind, sondern daß zugleich diese Kosten auch in der Relation zu dem kon-kurrierenden privaten Lebensbereich unterschiedlich bewertet werdenkönnen. Vielleicht ist die Bereitschaft, wegen einer Familie auf eine berufli-che Karriere zu verzichten, auch das Produkt einer Lebensplanung, in der derprivate Lebensbereich stärker als der berufliche gewichtet wird. Aber selbstwenn in der Lebensplanung der betrachteten Frauen der Beruf zunächst vonähnlicher Bedeutung wie für Männer ist, steht nur ihnen in der traditionellenFrauenrolle jederzeit eine sozial akzeptierte Möglichkeit offen, diesen Planwieder zu revidieren. Allerdings beschreibt der Hinweis auf diese Wahlmög-lichkeit die Realität nur halb, wenn nicht zugleich darauf hingewiesen wird,daß sich im Falle einer Elternschaft die Frauen – auch ohne es zu wollen –häufig zwischen diesen Alternativen entscheiden müssen. Männer dagegenhaben keine Alternative zur Berufstätigkeit, aber auch der Zwang, sich zwi-schen Beruf und Familie entscheiden zu müssen, entfällt.

Freilich werden Frauen, die, wie unsere Studentinnen, schon derart viel inihre Bildung investiert haben, nur selten bereit sein, wegen einer Familie ihreberufliche Perspektive ganz aufzugeben und den einen Lebensplan vollstän-dig durch einen anderen ersetzen. Dafür spricht nicht nur die Tatsache, daßbeinahe die Hälfte der Frauen, die während des Studiums Mutter werden,noch im Beobachtungszeitraum berufstätig werden, sondern auch, daß derAnteil der Mütter, die ihr Studium erst abschließen und dann – zum großenTeil wohl nur vorläufig – nicht in den Beruf gehen, mehr als doppelt so hochist, wie der Anteil der Frauen, die wegen eines Kindes ihr Studium abbrechenund auf eine Berufstätigkeit zugunsten der Rolle als Hausfrau und Mutter ver-zichten. Aber nicht nur die Mutterschaft, sondern allein schon die Tatsacheeiner Ehe und selbst einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft während desStudiums vergrößert das Risiko, daß sich die Investitionen in das Studiumnach dessen Abschluß fürs erste nicht in einer entsprechenden Erwerbstätig-keit amortisieren können. Wenn man davon ausgeht, daß es in diesem Fall ei-ne geplante, aber bis nach dem Abschluß des Studiums aufgeschobene Eltern-schaft ist, die vom Berufseintritt abhält – wofür auch der relativ hohe Anteilder Frauen spricht, die tatsächlich nach dem Examen Mutter werden und imBeobachtungszeitraum nicht mehr in den Beruf eintreten – dann zeigt sichnoch einmal, daß eine berufliche Perspektive zur Lebensplanung dieser Frau-

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 227

en gehört. Das Dilemma von Beruf und Familie wird hier durch die gezielteKoordination beider Stränge des Lebenslaufes in der Zeit gelöst: Vor einerFamiliengründung werden erst die Voraussetzungen für eine spätere Berufstä-tigkeit geschaffen, die dann aber wegen der Schwierigkeiten, Berufstätigkeitund Mutterrolle zu vereinbaren, vorläufig aufgeschoben wird. Die Ähnlich-keit zu einem Drei-Phasen-Modell der Koordination von Beruf und Familie,wie es heute durch die Möglichkeit eines dreijährigen Mutterschaftsurlaubs102

auch gesetzlich institutionalisiert ist, erscheint offenkundig. Beabsichtigt isthier wohl i.d.R. nicht der endgültige Abbruch der Berufslaufbahn, sonderndiese wird nur unterbrochen – allerdings wegen der langen Bildungsphase be-reits vor dem eigentlichen Berufseintritt.

Zugleich aber weist diese Ereignisfolge – Studienabschluß, aber statt desBerufseintrittes eine Familienphase – noch einmal auf die geschlechtsspezifi-sche Asymmetrie der Entscheidungsräume hin. Die Entscheidung muß nichtdas Resultat einer langfristigen Planung sein, wie dies die gerade präsentier-ten Überlegungen suggerieren könnten, sondern sie ist möglicherweise auchdas Ergebnis ungünstiger Gelegenheitstrukturen des beruflichen Bereiches,d.h. vor allem einer schlechten Arbeitsmarktlage. Im Gegensatz zu den Män-nern, gewährt die Familiengründung in dieser Situation Frauen einen sozialakzeptierten Aufschub. Ob die Rechnung dann auch aufgeht und der Berufs-einstieg nach der Mutterschaftsphase tatsächlich – und auf dem ergestrebten –Niveau erfolgt, kann sich erst später erweisen. Bedenkt man allerdings, daßmit zunehmenden zeitlichen Abstand zum Studium auch der Anschluß anneuere Entwicklungen verpaßt wird und erworbenes Wissen vielleicht wiederverloren geht, dann ist eher eine mit der Dauer der Mutterschaftsphase zuneh-mende berufliche Dequalifikation zu erwarten, die den ursprünglich mit demStudium angestrebten Beruf – nicht unbedingt eine Berufstätigkeit allgemein– in immer weitere Ferne rücken läßt.

Dies zeigt, daß der Entscheidung für eine frühe Familiengründung aucheine Fehleinschätzung der erwarteten Kosten- und Nutzenrelation zugrundeliegen kann. Die subjektiven und objektiven Kosten für den Beruf können un-terschätzt, der Nutzen überschätzt werden. Häufig wird sich aber auch nach-träglich die Bewertungsgrundlage ändern. Wie bereits diskutiert wurde, sinddie objektiven Kosten nicht identisch mit ihrer subjektiven Bewertung. Auchhohe objektive Kosten im beruflichen Bereich werden zunächst vielleichtsubjektiv gering bewertet, weil im konkreten Fall einer stärker familien-

228 Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen

102 Rechtlich handelt es sich um einen Erziehungsurlaub, der wahlweise einem Elternteil zusteht.Wie an anderer Stelle dieser Arbeit aber schon angemerkt, wird er so gut wie ausschließlich vonden Müttern wahrgenommen.

orientierten Lebensplanung diesem Lebensbereich ohnehin eine geringeresubjektive Bedeutung zugemessen wird. Aber die subjektive Bewertung kannsich auch im Lebenslauf verschieben, etwa weil das Privatleben nicht hielt,was es ursprünglich zu versprechen schien und Selbstverwirklichung nun stär-ker im beruflichen Bereich gesucht wird. Gleich wie – ob die Kalkulation vonBeginn an auf falschen Annahmen beruhte oder ob sich die Bewertungsmaß-stäbe verschoben haben – die Fehleinschätzung wird sich erst im Laufe derZeit herauskristallisieren.

Ob das Resultat einer Entscheidung nicht mit den ursprünglichen Erwar-tungen übereinstimmt oder ob sich die Ansprüche verschoben haben, das istnicht unbedingt an den Konsequenzen für den Beruf ablesbar. Die können einschiefes Bild vermitteln, weil sie möglicherweise aus einer subjektiven Per-spektive anders bewertet werden. Objektive Folgen und subjektiven Bewer-tungsmaßstäbe werden in der Zufriedenheit mit dem jeweiligen Lebensbe-reich und mit der Lebenssituation insgesamt zusammengeführt. Dabei zeigtsich, daß Ehe und Elternschaft vor dem Berufseintritt bei Frauen und Män-nern die private Zufriedenheit steigern, wenn auch die Elternschaft wenigerals die Ehe. Erwartungsgemäß steht den objektiven Kosten für den Beruf alsoim Privatleben ein Gewinn gegenüber. Die besondere Bedeutung des Privatle-bens für die Zufriedenheit mit der gesamten Lebenssituation wird deutlich,wenn man sich noch einmal vor Augen führt, daß beide eng zusammenhän-gen. Wie wir wissen, sind die objektiven Kosten bei den Männern eher ge-ring, nur im Falle einer Elternschaft im Grundstudium ließ sich eine erhöhteNeigung zum Studienabbruch feststellen. Zusammenhänge zwischen der be-ruflichen Zufriedenheit der gut 30jährigen Männer und privaten Bindungenvor dem Berufseintritt sind denn auch nicht erwähnenswert. Bei den Frauenläßt sich dagegen eine Tendenz beobachten, wegen einer Familiengründungzumindest vorläufig auf die Früchte der Ausbildung zu verzichten. Zugleichzeigt sich, daß auch die Frauen ihre berufliche Perspektive trotz der Familien-gründung i.d.R. nicht aus den Augen verlieren. Es wird normalerweise keinegrundsätzliche Entscheidung gegen das Berufsleben getroffen, aber die priva-te Situation erzwingt das zeitweise Verlassen des beruflichen Pfades. Deraber läßt sich oft nicht wieder dort aufnehmen, wo er verlassen wurde. Dasmag mit den Erwartungen übereinstimmen oder nicht, erwünscht ist es jeden-falls häufig nicht. Die deutlich niedrigere berufliche Zufriedenheit vor allemder Frauen, die bereits vor ihrem Berufseintritt Mütter sind, weist auf eine tie-fe Kluft zwischen vorhandenen beruflichen Wünschen und Ansprüchen undden ihnen tatsächlich offenstehenden beruflichen Möglichkeiten hin.

Kosten früher privater Übergänge: Bivariate Analysen 229

6 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildungund Beruf: Multivariate Analysen

6.1 Zur Begründung der Analysen

6.1.1 Warum multivariat?

Aus den bivariaten Analysen des fünften Kapitels haben sich eine Reihe vonHinweisen auf mögliche Kosten privater Statuspassagen vor dem Abschlußbestimmter Abschnitte der Ausbildungs- und Berufslaufbahn ergeben. Sokann eine Familienbildung vor dem höchsten Schulabschluß zwar den weite-ren beruflichen Weg prägen, aber sie hat keinen Einfluß mehr auf die berufli-che Zufriedenheit zehn bis fünfzehn Jahre später. Gezeigt werden konnteauch, daß bei Frauen und Männern die private Lebenssituation im Studiummit sehr unterschiedlichen Konsequenzen für den Erfolg im Studium und imBeruf verknüpft ist. Wir haben gesehen, daß bei Frauen der Studienabbrucheine mögliche Folge der Doppelbelastung durch eine Familiengründung imStudium ist, aber auch eine Verlängerung der Zeit bis zum Examen ist zu be-obachten. Nach einem Abbruch, z.T. aber auch nach einem bestandenen Exa-men, verzichten Frauen ganz oder teilweise auf die Verwertung des im Studi-um erworbenen Kapitals im Rahmen einer Berufstätigkeit. Auch subjektivmachen sich die Kosten zu früher privater Übergänge bemerkbar: Im Falleder besonders belastenden Elternschaft sinkt die berufliche Zufriedenheit derFrauen deutlich. Auch bei den Männern konnten Zusammenhänge zwischenprivaten Übergängen während des Ausbildungsprozesses und dem weiterenAusbildungs- und Berufsverlauf festgestellt werden. Allerdings waren dieFolgen andere und die Zusammenhänge schwächer, z.T. sogar den bei denFrauen beobachteten entgegengesetzt. So scheinen Männer von einer Partner-schaft während des Studiums sogar profitieren zu können.

Rahmenbedingungen des Handelns wider. Eine typische Variable ist der Stu-diengang, der nicht nur die Dauer des Studiums, sondern auch die Berufsein-mündung beeinflußt. Eine ebenfalls zu kontrollierende Rahmenbedingungdieses Prozesses ist die Situation des fachspezifischen Arbeitsmarktes beimVerlassen der Hochschule. In den Analysen sollen darüber hinaus weiterebiographische Begleitumstände des Ausbildungsverlaufes berücksichtigt wer-den, die als spezifische Belastungen, wie etwa bei Studenten die Frage, ob dasStudium durch Jobben oder Erwerbstätigkeit finanziert werden mußte, denErfolg beeinträchtigen, aber auch als Bereicherungen, wie z.B. eine Doppel-qualifikation, den Erfolg begünstigen können.

In den Untersuchungen werden drei verschiedene Verfahren der multip-len Regressionsanalyse eingesetzt, die es erlauben, den Einfluß privater Über-gänge auf das jeweilige Erfolgskriterium des Ausbildungs- und Berufsver-laufs unter Konstanthaltung zusätzlich berücksichtigter Kovariaten zu schät-zen. Als Ergebnis der Analysen erhalten wir für alle in der Berechnung be-rücksichtigten Variablen einen Parameter, der die Stärke des Einflusses dieserVariablen unter Konstanthaltung aller anderen Variablen wiedergibt. Welchesspezifische Verfahren der Regression adäquat ist, ergibt sich aus der jeweili-gen Zielvariablen. Dort, wo die Zielvariable metrisches Meßniveau hat, wirddie multiple Regression nach dem Verfahren der kleinsten Quadrate (OLS)angewandt (vgl. z.B. Urban 1982). Eindeutig metrisch ist das Meßniveau imFalle des Einkommen als Zielvariable und auch das Berufsprestige kann pro-blemlos metrisch interpretiert werden. Wie eine metrische Variable behandeltwird auch die auf einer zehnstufigen Skala erhobene berufliche Zufriedenheit.Bei dichotomen Zielvariablen wird die logistische Regression (vgl. u.a.: Ur-ban 1993) angewandt. Das ist der Fall, wenn gefragt wird, ob private Über-gänge vor dem Abschluß der Schule die Tatsache der Aufnahme eines Studi-ums beeinflussen. Ist die Zielvariable ein Ereignis in der Zeit, dann ist einesemiparametrische Regression nach dem Proportional-Hazards-Modell (oder:Cox-Regression) die Methode der Wahl, weil sie es erlaubt – bei ange-messener Berücksichtigung zensierter Werte – den Einfluß der unabhängigenVariablen auf das Risiko des Eintretens eines bestimmten Ereignisses in derZeit zu schätzen (vgl. u.a. Diekmann/Mitter 1984, Blossfeld/Hamerle/Mayer1986). Ein Beispiel für die Verwendung der Cox-Regression ist der Einflußprivater Übergänge auf das Risiko des Studienabbruchs oder -abschlusses.Auf die einzelnen Verfahren, ihre Voraussetzungen und die Interpretation derErgebnisse wird im konkreten Anwendungsfall ausführlicher eingegangen.

233 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

mit einer solchen studentischen Normalkarriere, gestaffelt nach der Stärke dereingegangenen privaten Verpflichtungen, deutlich reduziert ist. Teilweise be-ruhen die Differenzen allerdings – bei den Männern stärker als bei Frauen –darauf, daß der höchste Schulabschluß verspätet auf dem zweiten Bildungs-

Die Reihenfolge der Analysen orientiert sich an der Folge der Statusübergän-ge des im dritten Kapitel als normal herausgearbeiteten beruflichen Lebens-laufes ehemaliger Gymnasiasten. Zuerst wird untersucht, welchen Einfluß be-stimmte private Lebenssituationen vor dem Abschluß der Schule, etwa dieTatsache einer eigenen Wohnung, allein oder gemeinsam mit einem Partnerbewohnt, und vor allem eine Elternschaft auf die Aufnahme eines Studiumshat (Kap. 6.2). Der nächste Analyseschritt ist die Untersuchung des Einflussesprivater Übergänge vor dem Verlassen der Hochschule auf den Erfolg im Stu-dium (6.3). Fördern sie eher den Studienabbruch oder den Studienabschluß?Dann geht es um die Frage der Verwertung des im Studium erworbenen Hu-mankapitals beim Berufseintritt (6.4). Anschließend wird gefragt, ob sichauch der Erfolg im Beruf, meßbar als Einkommen und Berufsprestige, durchdie private Lebenssituation während des Ausbildungsprozesses erklären läßt(6.5). Abschließend soll die subjektive Bewertung der Folgen privater Ent-scheidungen für die Ausbildungs- und Berufslaufbahn in Form der lebensbe-reichsspezifischen Zufriedenheit untersucht werden (6.6).

6.2 Studienzugang oder Verzicht auf ein Studium

6.2.1 Variablen und Hypothesen

Das Gymnasium soll auf ein Studium vorbereiten. Nicht umsonst vermitteltsein Abschluß die "allgemeine Hochschulreife". Auch in unserer Stichprobebeginnt die überwiegende Mehrheit von 59,4% der Frauen und 71,2% derMänner nach dem Abitur, allenfalls verzögert durch eine Berufsausbildungoder die Ableistung des Wehr- bzw. Zivildienstes, ein Studium. Ein solcherStudienzugang, bei dem das Abitur nicht erst verspätet auf dem zweiten Bil-dungsweg erworben wurde, und der Studienwunsch sich auch nicht erst nacheiner Phase der Erwerbstätigkeit entwickelt hat, wurde wegen der weiten Ver-breitung, vor allem aber wegen seiner Orientierung am Aufriß des Bildungs-wesen als studentische Normalkarriere (SNK) bezeichnet (vgl. Tab. 3.2).

In den Analysen des fünften Kapitels konnte gezeigt werden, daß in denGruppen mit privaten Übergängen vor dem Abschluß der Schule der Anteil

234 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

weg erworben wurde. Während bei den Studienaufsteigern (SA) die ursprüng-liche Lebensplanung kein Studium beinhaltete und allein schon die Verzöge-rungen und Umwege des Ausbildungs- und Berufsverlaufes die Wahrschein-lichkeit privater Übergänge erhöhen, sind diese vor der mittleren Reife, die inder Regel mit 16 Jahren erworben werden kann, durch Altersnormen weitge-hend ausgeschlossen. Gewiß kann es auch früher zu einer ungewolltenSchwangerschaft kommen, aber die Entscheidung für die Gründung eines ei-genen Haushaltes, einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder Ehe ist zudiesem frühen Zeitpunkt fast unmöglich. Unter den Befragten, die allein odermit Partner schon vor dem höchsten Schulabschluß in einer eigenen Wohnungleben, ist der Anteil mit maximal mittlerer Reife als höchstem Bildungsab-schluß denn auch sehr gering. Aber unter den Befragten mit Kind vor demVerlassen der Schule haben sich überdurchschnittlich viele Befragte mit dermittleren Reife oder weniger als höchstem Schulabschluß begnügt.

Beides – sowohl die Sonderrolle der Studienaufsteiger als auch die Tatsa-che, daß private Übergänge als Entscheidung vor der mittleren Reife so gutwie ausgeschlossen sind – gilt es zu berücksichtigen, wenn untersucht wird,ob private Entscheidung vor dem Schulabschluß und die aus ihnen resultie-rende Lebenssituation einen eigenständigen Beitrag zur Erklärung eines nor-malen Studienzuganges bzw. der beobachteten Abweichungen von diesemWeg zu leisten vermögen. Bei den Studienaufsteigern sind private Ereignissevor den einzelnen Übergängen des beruflichen Lebenslaufes die Folge vonVerspätungen und Umorientierungen im Beruf. Studienaufsteiger werden da-her generell aus den folgenden Analysen, bei denen es um die Kosten privaterEntscheidungen geht, ausgeschlossen.

Schwieriger liegt der Fall in der Gruppe mit maximal mittlerer Reife alshöchstem Schulabschluß (MR). Sie ganz aus der Analyse auszuschließen wä-re sachlich nicht gerechtfertigt, da die bivariaten Analysen (Tab. 5.1) gezeigthaben, daß dieser Mißerfolg einer Gymnasiallaufbahn auch das Ergebnis ei-ner frühen Elternschaft sein kann. Läßt man aber die Elternschaft außen vor,dann verringert sich die Wahrscheinlichkeit, daß die Entscheidung, das El-ternhaus zugunsten einer allein oder mit Partner bewohnten eigenen Wohnungzu verlassen, in der mittleren Reife als höchstem Schulabschluß resultiert. DieAnalyse muß sich daher vor allem auf die Gruppe beziehen, die das Gymnasi-um nicht schon vor einem möglichen privaten Übergang verlassen hat. DieZielvariable der beabsichtigten Analyse ergibt sich aus der Dichotomie SNKvs. ABI, d.h. aus der Frage, ob die erworbene Hochschulzugangsberechtigungzum Studium genutzt wird.103 Abgerundet und ergänzt wird diese Untersu-

235 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

103 Die Zielvariable der Regression kann als konditionales Logit aufgefaßt werden, denn sie

chung durch eine weitere Analyse, bei der die Gruppe mit studentischer Nor-malkarriere (SNK) den ehemaligen Gymnasiasten gegenübergestellt wird, diedie Schule schon mit der mittleren Reife oder vorher – also sehr jung – ver-lassen haben (MR).104

Der Studienzugang selber ist – auch wenn er das eigentliche Ziel desGymnasiums darstellt – nicht unbedingt das persönliche Ziel eines Schülers.Der Weg über eine Ausbildung in einen Beruf kann eine Alternative zu einemlangen und risikoreichen Studium darstellen. Die Frage, wie stark überhauptein Studium angestrebt wird, ist deshalb als Prädiktor des Studienzugangs vonherausragender Bedeutung.105 Die Studienaspiration wurde in der Primärerhe-bung von den 15jährigen Schülern direkt erfragt: "Wollen sie nach dem Abi-tur einmal studieren?". Aus den nicht verneinenden Antwortvorgaben wurdendrei Dummy-Variablen ("Ja": STUD, "Ja, Vielleicht": EVST, "Weiß nochnicht": UNEN) gebildet. Die Vorgaben "Nein, will nicht studieren" und "KeinAbitur vorgesehen" wurden zur Basiskategorie zusammengefaßt. Bei Frauenund Männer ergeben sich schwache, aber signifikante Korrelationen (Frauen:r = ,13; Männer: r = ,16)106 zwischen der Studienabsicht mit fünfzehn Jahren(STUD) und der späteren Aufnahme eines Studiums. Durch die Kontrolle derStudienaspiration kann berücksichtigt werden, ob die in den Analysen desfünften Kapitels ermittelte Tatsache, daß private Übergänge vor demSchulabschluß vor allem Frauen auf ein Studium verzichten lassen, auf eineunterschiedliche Lebensplanungen zurückzuführen ist.

Der erfolgreiche Studienzugang hängt natürlich nicht nur vom erklärtenWillen des Schülers ab. Die Entscheidung fällt auch im Licht der in der Schu-le erbrachten Leistungen, die hier zunächst einmal durch die Durchschnittsno-te der versetzungsrelevanten Fächer des Zeugnisses des zehnten Schuljahres(DNOTE) repräsentiert werden. Aber dieser Indikator ist dann, wenn die Ent-scheidung über einen möglichen Schritt an die Hochschule ansteht, schonzwei bis drei Jahre alt. Wenn es um die Entscheidung geht, ob ein Studiumbegonnen wird oder nicht, dann wird zusätzlich der Notenschnitt des Zeugnis-

236 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

106 Die Korrelationsmatrix, die diese und die im folgenden erwähnten Korrelationskoeffizientendokumentiert, ist in Birkelbach (1996: TB39) wiedergegeben.

105 Meulemann (1995: 87) zeigt, daß die Bildungsaspirationen der Schüler und Eltern denSchulerfolg positiv beeinflussen.

104 Der Vollständigkeit halber wurde auch eine Analyse mit der Dichotomie ABI vs. MR alsZielvariable gerechnet und zusammen mit der logistischen Regression auf MR vs. SNK im Ta-bellenband dokumentiert (Birkelbach 1996: TB41/42).

berücksichtigt explizit eine dritte Möglichkeit. Die Dichotomie SNK vs. ABI als Zielvariable derlogistischen Regression läßt sich z.B. folgendermaßen verbalisieren: Die abhängige Variable istdie (logarithmierte) Wahrscheinlichkeit eines normalen Studienzugangs unter der Bedingung,daß das Gymnasium nicht schon mit der mittleren Reife verlassen wurde.

erhebung von den Schülern der zehnten Klasse direkt erfragt. Die vier Ant-wortvorgaben reichten von "Ja, völlig ausreichend" bis "Nein, reicht nichtaus" und werden in den Analysen als eine metrisch interpretierte Variable ein-gesetzt. Die Korrelationen zeigen allerdings, daß die im bisherigen Ausbil-dungsverlauf erfahrene Unterstützung durch die Eltern nur bei Frauen (r= ,10;Männer r = ,02) in nennenswertem Umfang eine Rolle bei der Entscheidungfür oder gegen ein Studium spielt.

Aber das Elternhaus beeinflußt nicht nur durch die aktive Unterstützungden Ausbildungserfolg, sondern bildet auch den Hintergrund, vor dem sich al-le Bildungsbemühungen abspielen. Es steht für familiäre Traditionen, die dieAnsprüche an die Ausbildungs- und Berufslaufbahn beeinflussen, aber auchfür immaterielles und materielles Kapital, das in die Ausbildung der Kinderinvestiert werden kann. Mit der sozialen Herkunft sind spezifische Ressour-cen verknüpft, deren unterschiedliche Verfügbarkeit den Ausbildungswegvielleicht noch stärker als die aktive Unterstützung durch die Eltern beeinflus-sen kann, da sie die Ansprüche an Ausbildung und Beruf häufig erst in einebestimmte Richtung lenken, und zum anderen als Ressourcen einen an-spruchsvollen Ausbildungsweg oft erst möglich machen. Solche Ressourcendes Elternhauses, an denen die Kinder partizipieren können, sind der sozialeStatus der Eltern, ihre Bildung und ihr Einkommen. Da diese drei Merkmaleeng miteinander zusammenhängen, wird die soziale Herkunft in den folgen-den Analysen nur durch einen Indikator, das Berufsprestige des Vaters (nachTreiman (1977): VAPREST), repräsentiert. Die Korrelationen allerdings zei-gen, daß in unserer Stichprobe, in der eine erste Selektion ja beim Schritt vonder Grundschule zum Gymnasium bereits stattgefunden hat, die Entscheidungfür oder gegen ein Studium nur noch in geringem Maße – aber erwartungsge-mäß positiv – durch die familiäre Herkunft beeinflußt wird (Männer: r= ,07und Frauen: r= ,06).

Ob die in den bivariaten Analysen des fünften Kapitels beobachtete Zu-sammenhänge zwischen der Tatsache eines privaten Überganges vor demVerlassen der Schule und einer schwächeren Neigung, ein Studium aufzuneh-men, Bestand haben, wenn die gerade erläuterten Prädiktoren des Studienzu-gangs kontrolliert werden, zeigen die in Tabelle 6.1 wiedergegebenen Ergeb-nisse von getrennt für Frauen und Männer durchgeführten logistische Regres-sionen der Dichotomie SNK/ABI auf die genannten Faktoren.

238 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

6.2.2 Kurzer Exkurs zum Verständnis der logistischen Regression

Zuvor allerdings sollen die folgenden Ausführungen dem Leser eine kleineHilfe zum Verständnis der in Tabelle 6.1 wiedergegebenen Koeffizienten andie Hand geben (vgl.: Long 1987, Kühnel/Jagodzinski/Terwey 1989, Urban1993). Die bei der logistischen Regression geschätzten (in Tab. 6.1 aber nichtdirekt wiedergebenen) Parameter β zeigen, um wieviele Einheiten sich daslogarithmierte Verhältnis der Gruppe mit normalem Studienzugang (SNK) zuder Gruppe, die trotz der erworbenen Berechtigung auf ein Studium verzich-tet hat (ABI), bei einer Veränderung des Prädiktors um eine Einheitverändert, wenn zugleich alle anderen Prädiktoren konstant gehalten werden.Darstellen läßt sich der Zusammenhang durch die folgende Gleichung:

. Dieses additive Modell hat allerdings denln(p i(SNK)/pi(ABI)) = ✎0 +✟ ✎k(Xki)Nachteil, daß die empirische Bedeutung der Zielvariablen und damit die In-terpretation der Koeffizienten unklar bleibt, auch wenn die Parameter dieRichtung und Stärke des Einflusses exakt wiedergeben. Diese Interpretations-probleme reduzieren sich allerdings, wenn man die obige Gleichung entlog-arithmiert: . Die α-Koeffizienten desP i (SNK)/P i(ABI) = e✎0 &✝ e✎k&Xki = ✍0 &✝✍kXik

nunmehr multiplikativen Modells beeinflussen hier die Wahrscheinlichkeit ei-ner Studienaufnahme bei gegebener Hochschulzugangsberechtigung. Wegender Multiplikativität der Effekte (α) zeigt ein Koeffizient mit dem Wert 1,daß kein Einfluß vorliegt. Der Regressionskoeffizient im additiven Modell(β) wäre in diesem Fall 0. Effektkoeffizienten über 1 erhöhen, Koeffizientenkleiner als 1 senken die Wahrscheinlichkeit eines normalen Studienzugangs.Benutzt werden die unstandardisierten Effektkoeffizienten hier vor allem, umdie Einflüsse der einzelnen Prädiktoren zwischen den Modellen für Frauenund Männer vergleichen zu können. Wegen der unterschiedlichen Anzahl vonAusprägungen der verschiedenen Prädiktoren taugen die unstandardisiertenα-Koeffizienten nicht zum Vergleich der relativen Einflußstärke der Varia-blen innerhalb eines Modells. Der wird erst möglich, wenn alle Prädiktorendurch die Berücksichtigung ihrer stichprobenspezifischen Streuung(technisch: durch die Multiplikation mit ihrer Standardabweichung) auf dergleichen Skala gemessen werden. Da positive (1<α<∞) mit negativen(0<α<1) Einflüssen verglichen werden sollen, ist es wegen der unterschiedli-chen Wertebereiche zweckmäßig, die standardisierten Effektkoeffizienten un-ter 1 durch ihren Kehrwert α-1 darzustellen. Darüber hinaus enthält die Tabel-le mit P2 eine Maßzahl (vgl. Kühnel et al. 1989, Urban 1993: 62), die anzeigt,inwieweit sich die Schätzung durch die Berücksichtigung der unabhängigen

239 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Variablen gegenüber einem Modell verbessert, das nur das Interzept als kon-stanten Prädiktor enthält.

6.2.3 Ergebnisse

Überblickt man nun die Ergebnisse in Tabelle 6.1, dann ist zunächst erkenn-bar, daß bei Kontrolle der Studienaspirationen, der Leistungen und der sozia-len Herkunft signifikante Einflüsse der Tatsache privater Übergänge schonwährend der Schulzeit auf die Entscheidung für oder gegen ein Studium nurbei den Frauen zu berichten sind. Immerhin aber entsprechen auch bei denMännern wenigstens die Vorzeichen den Erwartungen. Während bei denFrauen z.B. ein Kind vor dem Abschluß der Schule die Wahrscheinlichkeit,daß bei gegebener Studienzugangsberechtigung ein Studium aufgenommenwird, drastisch (α=0,25) senkt, ist der Effekt bei Männern mit α=0,81 wesent-lich schwächer.108 Frauen schrecken nach dem Erreichen des Abiturs auch voreinem Studium zurück, wenn sie schon vorher das Elternhaus verlassenhaben: Die eigene Wohnung vor dem Abschluß der Schule (EIGWOHN)senkt die Wahrscheinlichkeit einer Studienaufnahme bei Frauen deutlich(α=0,38), bei den Männer aber kaum (α=0,94). Etwas schwächer ist die Dif-ferenz im Falle einer Lebensgemeinschaft (NLGM /EHE): Hier betragen dieEffekte bei den ehemaligen Gymnasiastinnen α=0,56 und bei den Männernα=0,88. Betrachtet man nun allerdings die standardisierten Koeffizienten undvergleicht die Stärke des Einflusses dieser privaten Entscheidungen und Er-eignisse auf die Studienentscheidung mit den anderen Prädiktoren des Mo-dells in beiden Geschlechtergruppen, dann wird deutlich, daß die Wahr-scheinlichkeit der Aufnahme eines Studiums stärker durch andere Faktorenals durch die – sehr seltenen – privaten Statusübergänge beeinflußt wird.

Bei den Männern sind beinahe alle Effekte im Modell größer als die derprivaten Statusübergänge während der Schulzeit. Die Entscheidung für odergegen die Aufnahme eines Studiums steht bei männlichen Gymnasiasten rela-

240 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

108 Eine frühe Mutterschaft erhöht bei den Frauen nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Ver-zichtes auf ein Studium bei bestehender Studienberechtigung, sondern beeinflußt bereits mit et-wa gleicher Stärke die Wahrscheinlichkeit, daß die Schule schon mit der Mittleren Reife odernoch früher verlassen wurde (vgl. Birkelbach 1996: TB40). Erwartungsgemäß spielt ein bereitsvollzogener Auszug aus dem Elternhaus bei beiden Geschlechtern noch keine Rolle bei der Ent-scheidung, die Schule vorzeitig mit der Mittleren Reife zu verlassen. Wenn das Elternhaus ver-lassen wird, um allein oder mit einem Partner einen eigenen Haushalt zu begründen, dann ist be-reits soviel in den Erwerb des Abiturs oder zumindest des Fachabiturs investiert worden, daß zu-mindest dieses Ziel trotz der privaten Entscheidung angestrebt und i.d.R. auch erreicht wird(Birkelbach 1996: TB40/41).

241 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

* p < 0,10; ** p < 0,05; *** p < 0,01; **** p < 0,001; MW: Mittelwert, SD: Standardabweichung. Dichotomien sind an der fehlenden SD kenntlich. Zur Darstellungder Effekte vgl. Long 1987, Kühnel et al. 1989, Urban 1993. Negative standardisierten Effekte werden alsKehrwert angegeben. P2 = 1 - (LogLikelihood(Endmodell) / LogLikelihood(Nullmodell)) Kodierung der Zielvariablen: 1: SNK (studentische Normalkarriere), 0: ABI (Hochschulzugangsberechtigung).SA (Studienaufsteiger) und MR (Gymnasiasten mit max. Mittlerer Reife) werden ausgeschlossen. PrivateÜbergänge vor dem Abschluß des Gymnasiums: Dummy-Variablen aus PVORSCH (vgl. Tab. 5.1) mit der Ka-tegorie "0 Kein Übergang" als Basiskategorie.Variablenbildung und Erläuterung der anderen unabhängigen Va-riablen: Tabelle A6 im Anhang. (-1) Variablen wurden mit -1 multipliziert.

0,63P2 = n=752 0,57 P2 = n=554

383,4****

Likelihood Ratio χ2 = (744 Fg)

332,07****

Likelihood Ratio χ2 = (541 Fg)

1,241,64***0,25 1,25 1,67**0,270, 1UNENtschieden 1,372,31****0,17 1,19 1,57**0,190, 1EVentuell STud. 1,572,48****0,50 1,39 1,94***0,430, 1STUDium

Studienaspiration

1,55 1,52***1,03-3,26 1,01-1 0,991,02-2,971-6ZUFSCHUL (-1)Schulzufriedenheit

1,30 1,02* 11,99113,71 1,28 1,02 10,46110,0676 - 151IST Intelligenz- Struktur-Test

1,01-1 1,00 5,82-28,49 1,74 1,12***5,08-27,7110-42 ANOTE (-1)Noten Abitur

1,65 1,01*** 68,81-496,7 1,06-1 1,00 69,92-481,30230-700DNOTE (-1)Noten Kl. 10

1,04 1,05 0,86-1,72 1,16 1,200,81-1,634 - 1ELTFOERD (-1)Elternunterstützung

1,14 1,01 13,2649,09 1,08 1,01 13,1750,7319 - 82VAPREST Treiman-Werte

Startchancen und Leistungsmerkmale 1,02-1 0,810,01 1,15-1 0,25***0,010, 1KIND 1,02-1 0,88 0,02 1,13-1 0,56**0,040, 1NLGM/EHE 1,01-1 0,94 0,02 1,16-1 0,38***0,020, 1EIGWOHN

Private Übergänge vor Schulabschluß 0,01 0,77Interzept

exp(β*SD)

exp(β)SDMW

exp(β*SD)

exp(β)SDMWPrädiktor Niedrig-Hoch

stan-dardi-siert:

unstan-dardi-siert:

stan-dardi-siert:

unstan-dardi-siert:

Effekt-koeffizienten (α)

Effekt-koeffizienten (α)

MännerFrauen

Tabelle 6.1 Logistische Regression des normalen Studienzugangs bei vorhandener Hoch-schulzugangsberechtigung (SNK vs. ABI) auf private Statusübergänge vor demAbschluß des Gymnasiums, Startchancen, Leistungsmerkmale und Aspirationen

tiv früh fest. Von den berücksichtigten Prädiktoren des Modells beeinflussenallein die drei Variablen zur Studienaspirationen der fünfzehnjährigen Schü-ler (STUD, EVST, UNEN), die zeitgleich erhobene Zufriedenheit in derSchule (ZUFSCHUL) und der Durchschnitt der versetzungsrelevanten Notendes Herbstzeugnisses des zehnten Schuljahres (DNOTE) die Entscheidung fürein Studium signifikant positiv. Daneben scheinen auch die soziale Herkunft(VAPREST) und die Testintelligenz (IST) positiv auf die Entscheidung ein-wirken zu können, obgleich die Koeffizienten sehr niedrig sind. Keinen nen-nenswerten eigenständigen Einfluß hat die Erfahrung der Unterstützung durchdie Eltern (ELTFOERD). Etwas überraschend ist, daß bei den Männern derNotendurchschnitt des Abiturszeugnisses (ANOTE) bei Kontrolle der ge-nannten Prädiktoren völlig bedeutungslos wird. Die Leistungen im Abitur ha-ben bei Männern keinen Einfluß auf die Entscheidung, ein Studium zu begin-nen, weil diese Entscheidung dann längst schon im Lichte früher erbrachterSchulleistungen, die hier vor allem durch die Durchschnittsnote des zehntenSchuljahres repräsentiert werden, gefällt worden ist.109 Von diesem einmaleingeschlagenen Weg lassen sich die männlichen Gymnasiasten im weiterenVerlauf kaum noch abbringen. Das gilt selbst im Falle einer – wohl kaum ge-planten – Vaterschaft noch vor Abschluß der Schule, die nur selten eine un-überwindliche Hürde auf diesem Weg darzustellen scheint.

Die Einflußstruktur der beteiligten Variablen auf die Entscheidung füroder gegen die Aufnahme eines Studiums unterscheidet sich bei den Frauenklar von der der Männer. Bei Frauen senken die drei Statusübergänge des pri-vaten Lebenslaufes auch bei Kontrolle von Aspirationen und Leistungsmerk-malen die Wahrscheinlichkeit eines Studienzugangs deutlich. Das wider-spricht der Hypothese einer Präferenzstruktur, in deren Rahmen die eigeneFamilie eine Alternative zum Beruf darstellt. In diesem Falle würde der Ver-

242 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

109 Man könnte vermuten, daß die Note der Hochschulzugangsberechtigung (ANOTE) selber inhohem Maße durch anderen die beteiligten Variablen erklärt werden kann und deshalb eigent-lich redundant ist. Aber die Kollinearität der Prädiktoren ist nicht so hoch, wie man annehmenkönnte: Eine Regression der ANOTE auf die anderen Prädiktoren des Modells erbringt bei denMännern eine erklärte Varianz von etwa 21%, die vor allem auf die Korrelation der beiden No-ten zurückzuführen ist (Birkelbach 1996: TB42). Neben der DNOTE ist nur noch die Schulzu-friedenheit der fünfzehnjährigen Schüler (ZUFSCHUL) als Prädiktor der Abitursleistung vonBedeutung. Ähnlich verhält es sich bei den Frauen: Die erklärte Varianz liegt auch hier bei etwa20%, der wichtigste Prädiktor ist die DNOTE. Allerdings spielen hier neben der Zufriedenheitnoch die Herkunft (VAPREST) und die Studienaspirationen (STUD, EVST) eine signifikanteRolle. Ein Effekt, der die Kostenhypothese stützt, soll hier nicht unterschlagen werden: Schüle-rinnen, die mit einem Partner zusammenleben, erreichen einen signifikant schlechteren Noten-durchschnitt in ihrer Hochschulzugangsberechtigung als Schülerinnen, die bis zum Abschlußder Schule bei ihren Eltern leben.

zicht auf ein Studium subjektiv nicht als allzu hoher Preis empfunden werden,weil ja gar keine Berufskarriere angestrebt worden ist. Aber die private Ent-scheidung fordert bei Frauen, aus welchem Grund auch immer sie getroffenwurde, häufig ihren Tribut in Form eines Verzichtes auf das ursprünglich an-gestrebte Studium. Die Frage, ob ein Studium aufgenommen wird, hängt beiFrauen offensichtlich weniger von einer einmalig gefällten und dann den wei-teren Ausbildungsverlauf bestimmenden Entscheidung ab, sondern wird stär-ker als bei Männern von den Gelegenheitsstrukturen der Situation bestimmt.So sind die Einflüsse der Studienaspirationen auf die Wahrscheinlichkeit, dreiJahre später ein Studium aufzunehmen, schwächer als bei den Männern. DieZufriedenheit der fünfzehnjährigen Schülerinnen in der Schule (ZUFSCHUL)spielt, anders als bei ihren ehemaligen männlichen Mitschülern, bei der Ent-scheidung drei Jahre später keine Rolle mehr. Ihr Einfluß wird sogar tenden-ziell negativ, wie auch der ebenfalls bedeutungslose Effekt der Durchschnitts-note des zehnten Schuljahres (DNOTE). Von herausragender Bedeutung istdagegen die im Abitur erbrachte Leistung (ANOTE). Offenbar steht der Stu-dienwunsch bei unseren Gymnasiastinnen, nicht aber bei ihren männlichenMitschülern, bis zuletzt auf dem Prüfstand guter Leistungen.

Die Lebensperspektive männlicher Gymnasiasten ist eindeutiger, denn ihrWeg führt auf jeden Fall in den Beruf. Wenn sie sich für eine gehobene beruf-liche Laufbahn und für ein Studium entschieden haben, dann lassen sie sichnicht mehr davon abbringen. Weil sie ihren zukünftigen Platz im Berufslebenfinden müssen, wird kaum jemand bezweifeln, daß sich die Investition einesStudiums in jedem Fall lohnt. Nachdem die Studienentscheidung gefällt wur-de, wird sie auch bei nachlassenden Leistungen nicht mehr über den Haufengeworfen. Ähnlich verhält es sich mit anderen Hindernissen, die nicht zumVerlassen des eingeschlagenen Weges führen, sondern eher zur Einforderungzusätzlicher Unterstützung durch die Herkunfts- oder die Zielfamilie zu be-rechtigen scheinen.

Bei männlichen Gymnasiasten wirken offensichtlich starke zentripetaleKräfte in Richtung auf ein Studium, während man bei ihren Mitschülerinnenverstärkt auch Zentrifugalkräften beobachten kann, die sie von einem Studi-um fernhalten. Dies ist bereits an ihrem, verglichen mit männlichen Schülerndeutlich niedrigeren Anteil mit Studium ablesbar (vgl. Tab. 3.2). Aber esspiegelt sich auch in den Ergebnissen der vorgelegten Analysen wider, diezeigen, daß die lebenszeitlich frühen (Studienaspirationen, Notendurchschnittund Schulzufriedenheit in der zehnten Klasse) gegenüber den späteren Prä-diktoren (private Lebenssituation, Abiturszeugnis) bei Frauen eine wesentlichgeringere Bedeutung für den Studienzugang als bei Männern besitzen. Sicht-

243 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

bar wird hier die Janusköpfigkeit des unterschiedlichen Entscheidungsraumesder Geschlechter, der nur Frauen in der Familie eine Alternative zur Berufstä-tigkeit bietet: Einerseits lassen die traditionellen Geschlechterrollen zu, daßsich viele Frauen – falls die materiellen Voraussetzungen vorliegen – jeder-zeit im Ausbildungs- und Berufsverlauf zugunsten einer Familie zum Verlas-sen der beruflichen Sphäre des Lebenslaufes entscheiden können, andererseitsimpliziert die Entscheidung für eine Familie oft eine ungewollte Entscheidunggegen eine sonst grundsätzlich mögliche gehobene Berufskarriere. Aber eshandelt sich i.d.R. nicht um eine grundsätzliche Entscheidung gegen eine Be-rufstätigkeit als Bestandteil der Lebensplanung. Dies ist schon an der Tatsa-che ablesbar, daß normalerweise zumindest der begonnene Ausbildungsab-schnitt, hier also die Schule, beendet wird. Die bisherigen Investitionen sollennicht gefährdet werden, weil sie später noch benötigt werden. Ein Beruf ge-hört, genau wie eine Familie, auch weiterhin zur Lebensplanung dieserFrauen. Der Preis aber, den Frauen häufig für eine Familie zu zahlen haben,ist das Niveau der Berufskarriere. Eine "doppelte Lebensplanung"(Geissler/Oechsle 1994), die sowohl die Familie als auch einen Beruf berück-sichtigt, läßt sich vielfach nur durch Verzichte im Beruf verwirklichen. Deut-lich werden die Kosten, wenn man die am weitesten verbreiteten Modelle derIntegration von Familie und Beruf betrachtet: Teilzeitarbeit und das Drei-Phasen-Modell einer mehrjährigen Unterbrechung der Berufstätigkeit wegeneiner Familie. Für beide Modelle gilt, daß sie i.d.R. mit beruflichem Abstiegverbunden sind (Bertram/Borrmann-Müller 1988: 259). Vor diesem Hinter-grund ist ein Verzicht auf ein Studium nicht nur für Frauen, die bereits eineFamilie gegründet haben und dadurch zusätzlichen Belastungen ausgesetztsind, sondern auch für Frauen, die eine Familiengründung innerhalb eines ab-sehbaren Zeitraumes planen, durchaus rational. Sie müssen sich unter den ge-gebenen Bedingungen fragen, inwieweit sich hohe Investitionen in eine Aus-bildung überhaupt beruflich auszahlen können.

244 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

6.3 Erfolg im Studium

6.3.1 Vorüberlegungen und Hypothesen

Untersuchungsziel und Verfahren

Ein erfolgreiches Studium ist vor allem eines, das in einer angemessenen Zeitmit dem angestrebten Examen abgeschlossen wird. Die folgenden Analysensollen herausfinden, ob und inwieweit die private Lebenssituation währenddes Studiums dessen Erfolg gefährden kann. Bereits im Rahmen des fünftenKapitels wurde der Verlauf der Studienphase als ein Prozeß betrachtet, dermit dem Examen und dem Studienabbruch zwei konkurrierenden Risiken aus-gesetzt ist. Auch wenn sich durch die Schichtung nach privaten Übergängenvor dem Verlassen der Hochschule und die nach Geschlechtern differenzierteAnalyse Hinweise auf mögliche Kosten der privaten Lebenssituation – vor al-lem im Falle einer Elternschaft – für den Studienerfolg ergaben, stieß die In-terpretation doch schnell an ihre Grenzen, weil der Einfluß weiterer Begleit-umstände des Studiums auf die Neigung zum Examen oder zum Studien-abbruch noch nicht angemessen berücksichtigt werden konnte.

Der Vorteil des in den folgenden multivariaten Analysen des Studiener-folgs benutzte Verfahren der semiparametrischen Regression nach dem Pro-portional-Hazards-Modell (Cox-Regression) besteht darin, daß es erlaubt, denEinfluß von qualitativen und quantitativen Kovariaten auf das Risiko des Ex-amens oder Studienabbruchs zu schätzen und dabei zensierte Fälle angemes-sen zu berücksichtigen, ohne genaue Kenntnisse des Verlaufes der Risiko-funktion vorauszusetzen (vgl. Diekmann/Mitter 1984, Blossfeld/Hamer-le/Mayer 1986). Das Modell der Cox-Regression läßt es zu, die private Le-benssituation während des Studiums in Form von zeitabhängigen Kovariatenzu operationalisieren, deren Einfluß auf den Prozeß nur während ihres tat-sächlichen Vorliegens gemessen wird. Unterschieden werden dabei insgesamtvier Lebenssituationen: (1) noch keine eigene Wohnung, (2) eigener Haus-halt: EIGWOHN, (3) in Lebensgemeinschaft: NLGM/EHE und (4) mitKIND. Würde man keinen Prozeß, sondern nur einen konkreten Zeitpunkt be-trachten, dann wären aus der vierstufigen qualitativen Variable "Lebenssitua-tion" drei Dichotomien zu bilden und diese als Prädiktoren in die Gleichungeinzusetzen. Ähnlich wird hier vorgegangen, allerdings mit dem wichtigenUnterschied, daß sich die Lebenssituation im Lauf des Studiums wandelnkann. Abbildung 6.2 veranschaulicht die Logik der Variablenbildung an ei-

245 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Kontrollvariablen mit direktem Einfluß auf die Bruttostudienzeit

Studienunterbrechungen greifen direkt in den zeitlichen Ablauf des Studiumsein und verlängern die Bruttostudienzeit deutlich.111 Wegen ihres Einflussesauf die Dauer der Studienphase müssen Unterbrechungen kontrolliert werden,wenn das Risiko eines Studienabschlusses oder -abbruches in der Bruttostudi-enzeit untersucht werden soll. Allerdings ist die Proportionalitätsannahme derCox-Regression, die unterstellt, daß das Verhältnis zweier gruppenspezifi-scher Hazardraten nicht von der Zeit, sondern nur von den Kovariaten desModells abhängt (Blossfeld/Hamerle/Mayer 1986: 139ff), verletzt, denn bei-de Funktionen schneiden sich. In der Gruppe ohne Unterbrechung des Studi-ums steigt das Risiko des Examen ab dem dritten Jahr relativ gleichmäßig bises etwa im siebten und achten Jahr sein Maximum erreicht und danach wiedersinkt. Durch eine Unterbrechung verschiebt sich der Anstieg des Risikos aufder Zeitachse um etwa zwei bis drei Jahre. Es steigt dann linear bis zum Endedes Beobachtungszeitraumes und übersteigt etwa im zehnten Jahr nach demStudienbeginn die Hazardfunktion der Gruppe ohne Studium. Das Cox-Mo-dell läßt es zu, daß bei einer Verletzung der Proportionalitätsannahme durcheine bestimmte Variable, diese zumindest als Schichtungsvariable kontrolliertwerden kann. Diese Vorgehensweise ist allerdings mit dem Nachteil verbun-den, daß der Einfluß dieser Variablen nicht quantifiziert werden kann. Weildas eigentliche Ziel der Untersuchung, die Analyse der Kosten privater Über-gänge, dadurch aber nicht berührt wird, soll von dieser Möglichkeit in denfolgenden Analysen Gebrauch gemacht werden.

Ähnliches gilt für die Zeit bis zum Beginn des letzten Studienganges, alsodie Zeit, in der mit oder ohne Abschluß ein anderes Studium absolviert wur-de. Beides – Fachwechsel und Zweitstudium – verlängert den Zeitraum, bisdas Risiko eines Abschlusses oder Abbruchs in dem zum Schluß studierten

247 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

111 Dies zeigen auch die im Tabellenband zur vorliegenden Arbeit (Birkelbach 1996: TB43) do-kumentierten Survivor- und Hazardfunktionen für den erfolgreichen Abschluß des Studiums(Examen) der Gruppen mit und ohne Studienunterbrechungen.

Referendariat zur Lebensphase Studium gerechnet wird. Studium und Referendariat gehen abernur selten nahtlos ineinander über; es gilt fast immer eine mehr oder weniger lange Zeitspannezu überbrücken, die dann als Unterbrechung gewertet wird. Eine Folge der Nichtberücksichti-gung der eher kürzeren Wartezeiten auf ein Referendariat ist auch, daß in der hier vorgelegtenUntersuchung eine größere durchschnittliche Dauer der Summe aller Unterbrechungen (Männer22, Frauen 20 Monate) ermittelt wurde. Ein weiterer (kleiner) Unterschied ergibt sich durch dieandere Logik der Variablenkonstruktion: In der hier vorgelegten Untersuchung kann auch einReferendariat eine Unterbrechung des Studiums darstellen, wenn danach ein Aufbau- oderZweitstudium aufgenommen wurde (Männer: n=10, Frauen n=8). Schließlich sei noch daraufhingewiesen, daß hier die Studienaufsteiger (SA) ausgeklammert wird.

Studiengang einsetzt. Auch hier wird die Proportionalitätsannahme der Cox-Regression verletzt. Durch einen Fachwechsel oder durch ein Zweit- bzw.Aufbaustudium verlängert sich natürlich die an der Hochschule verbrachteBruttostudienzeit. Wegen des späteren Prozeßbeginns verschiebt sich derZeitpunkt, an dem die Hochschule typischerweise verlassen wird. Während inder einen Gruppe die Rate erst langsam zu steigen beginnt, sinkt sie in der an-deren Gruppe bereits wieder.112 Fachwechsel und Zweit- bzw. Aufbaustudiumkönnen daher in der Cox-Regression lediglich als Schichtungsvariablen be-rücksichtigt werden. Auch für diese Variablen gilt, daß sie vor allem wegenihres Einflusses auf die Dauer des Studiums kontrolliert werden müssen. DerNachteil, daß für sie keine Parameter ausgewiesen werden können, ist deshalbzunächst zu verschmerzen.

Darüber hinaus wird der Zeitraum, den ein Studium normalerweise dauert,durch das gewählte Studienfach bestimmt. Wenn hier untersucht werden soll,inwieweit private Übergänge vor dem Abschluß des Studiums den Erfolgbzw. Mißerfolg im Studium beeinflussen können, dann gilt es daher vor allemanderen die Studienfächer zu kontrollieren. Aber natürlich ist in diesem Zu-sammenhang nicht nur das Fach, sondern auch der anvisierte Studienabschlußvon Bedeutung, so daß letztlich die verschiedenen Studiengänge zu kontrol-lieren sind. Für die Analysen wird die Vielfalt der an deutschen Hochschulenmöglichen Fächer und Abschlüsse in zehn Studiengängen nach zwei Ord-nungskriterien (Meulemann 1995: 106) zusammengefaßt.113

Der erste Gesichtspunkt, nach dem Studiengänge geordnet werden kön-nen, ist das Ausmaß ihrer institutionellen Regulierung, oder – wie es in derSprache hochschulpolitischer Diskussionen heißt – der Grad ihrer "Verschu-lung". Am stärksten reglementiert sind die Studiengänge der Fachhochschule.Für die Analysen werden die Fächer der Fachhochschulen noch einmal unter-schieden nach sozialwissenschaftlich (FHSOZ) und eher wirtschaftlich odernaturwissenschaftlich-technisch ausgerichteten Studiengängen (FHWN). DieAusbildung der Primarschullehrer (L1), die im Beobachtungszeitraum nochüberwiegend an Pädagogischen Hochschulen stattgefunden hat, ist ähnlichden Fachhochschulstudiengängen stärker strukturiert als ein Universitätsstudi-

248 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

113 Wie zusätzliche bivariate Analysen zeigen konnten (Birkelbach 1996: TB45) erhöht eine Ver-längerung der Bruttostudienphase durch eine Unterbrechung, durch einen Fachwechsel oder einZweit- bzw. Aufbaustudium erwartungsgemäß die Wahrscheinlichkeit einer Elternschaft vordem Studiumende. Die aber scheint das Studium zusätzlich zu belasten und zu einer weiterenStudienverlängerung zu führen oder den Studienabbruch begünstigen zu können. Darüber hin-aus wird auch hier deutlich, daß eine Elternschaft während des Studiums für Frauen mit höherenKosten belastet ist.

112 Auch diese Ergebnisse sind in Birkelbach (1996: TB43) dokumentiert.

um. Bezogen auf das Sozialprestige des angestrebten Berufes – das zweiteKriterium, nach dem sich die Studiengänge ordnen lassen – liegen die dreibisher angesprochenen Gruppen unter den Universitätsstudiengängen. Inner-halb der Universität wächst der Regelungsgrad mit dem Prestige des Faches.Er ist in den klassischen Professionen Medizin (MED) und Jura (RECHT) hö-her als in technischen (TECH), natur- (NAT) und wirtschaftswissenschaftli-chen (WIRT) Fächern. Noch weniger strukturiert sind die Lehramtsstudien-gänge der Sekundarstufe (L2) und vor allem die in den Analysen unter demOberbegriff Sprach-, Kultur- und Orientierungswissenschaften (SPKO)114 zu-sammengefaßten Fächer.

Kaum überraschen kann, daß die Wahl des Studiengangs von herausra-gender Bedeutung für die Frage ist, wie bald man Examen macht, weil dieDauer des Studiums natürlich durch dessen Anforderungen mitbestimmt ist(vgl. Meulemann 1995: 158, Tab. 4.11). Der Einfluß des Studiengangs istauch stärker als die ebenfalls kontrollierten Startchancen und Verlaufsumstän-de des Ausbildungsweges.115 Erwartungsgemäß legen die Studierenden derPädagogischen Hochschulen (L1) und der Fachhochschulen (FHSOZ,FHWN) ihr Examen am schnellsten ab. Es folgen berufsnahe Universitätsstu-diengänge: Das Lehramt der Sekundarstufe II (L2), Wirtschaftswissenschaf-ten (WIRT), Technik (TECH) und Recht (RECHT). Noch länger dauern diestärker wissenschaftlich ausgerichteten geistes- und naturwissenschaftlichenStudiengänge (SPKO und NAT) und die Medizin (MED). Nicht signifikantsind dagegen die Einflüsse der Studiengänge auf das Risiko eines Abbruchs.

Aber eine direkte Aufnahme der Studiengänge in Form von Kodiervaria-blen als Kovariate in die Cox-Regressionen bedeutet hier, wo die Bruttostudi-enzeit betrachtet wird, wiederum eine Verletzung der Modellannahmen. DasRisiko des Abschlusses variiert mit der Zeit, weil es in den unterschiedlichenStudiengängen wegen der unterschiedlichen curricularen Anforderungen erstzu unterschiedlichen Zeitpunkten einsetzt (vgl. Birkelbach 1996: TB44). Dieswird besonders deutlich, wenn man die Studiengänge der Fachhochschule(FH) und der Pädagogischen Hochschule (PH) denen der Universität gegen-

249 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

115 Konkret werden als Startchancen berücksichtigt: Vaterprestige (VAPREST), das Ergebnis desIntelligenz-Struktur-Tests (IST), der Notendurchschnitt des 10. Schuljahres (DNOTE) und desAbiturs (ANOTE) sowie die Studienaspirationen. Als Verlaufsumstände des Ausbildungswegeswerden Verzögerungen im Studium und Variablen zur beruflichen Vorbildung, nicht aber dieprivate Lebenssituation im Studium, kontrolliert.

114 In diese Gruppe werden geisteswissenschaftliche Fächer eingeordnet wie die verschiedenenSprachwissenschaften, Bibliothekswesen und Kunstwissenschaft, aber auch Geschichtswissen-schaften und Archäologie, die Sozialwissenschaften mit Soziologie und Politologie, die Pädago-gik. Zur genauen Zuordnung der Fächer und Studienziele zu den 10 Studiengängen siehe: Meu-lemann 1988:� Übersicht 5, Blaneck 1994: 180.

überstellt. Nach vier Jahren, wenn der Prozeß bei den Universitätsstudiengän-gen noch gar nicht ernsthaft begonnen hat, haben schon drei Viertel der PH-Studenten, genauso wie knapp die Hälfte der Studierenden sozialwissen-schaftlicher und fast 40% der Studierenden wirtschafts- und naturwissen-schaftlich-technischer FH-Studiengänge die Hochschulen wieder mit dem Er-folg eines Examens verlassen. Ähnliche Unterschiede – allerdings wenigerausgeprägt – gibt es auch innerhalb dieser beiden Blöcke. Eine Möglichkeit,dies zu berücksichtigen, wäre es, den Prozeß erst mit dem Abschluß der Re-gelstudienzeit beginnen zu lassen. Aber das vorrangige Ziel der Untersuchungist es ja nicht, die Neigung zum Examen oder zum Abbruch in den verschie-denen Studiengängen genauer zu bestimmen; vielmehr soll der Einfluß derprivaten Lebenssituation im Studium auf Examens- und Abbruchsneigung un-ter Kontrolle der Studiengänge analysiert werden. Wie schon im Falle derVerlängerungen der Bruttostudienzeit durch Unterbrechungen, Fachwechselund Zweitstudium bietet es sich auch hier an, die Studiengänge als Schich-tungsvariable in der Cox-Regression zu kontrollieren.

Hypothesen zum Einfluß von Herkunft, Leistung und Aspirationen

Wenn der Einfluß der privaten Lebenssituation auf den Erfolg im Studium un-tersucht werden soll, dann müssen im Kern die gleichen Faktoren, die schonden Studienzugang beeinflussen konnten, kontrolliert werden. Die Entschei-dung, ein Studium zu beginnen, wurde im Spannungsfeld zwischen Absichtenund Planungen einerseits und der Prognose der Möglichkeit eines Erfolgesauf der anderen Seite getroffen. Dabei wurde "Erfolg" allerdings nicht nur alsder jetzt im Zentrum der Analyse stehende Erfolg im Studium – d.h. das Ex-amen – verstanden, sondern darüber hinaus auch auf die Verwertung des Stu-diums in einem Beruf bezogen. Es wurde unterstellt, daß die Leistungen imGymnasium auch subjektiv als gute Prädiktoren für den Erfolg im Studiumangesehen werden und daher die Entscheidung zum Studium begünstigen. Sieindizieren die persönliche Leistungsfähigkeit und -bereitschaft und stehen fürdas ins Studium eingebrachte Kapital der Person. Wenn man unterstellt, daßdieses Kapital auch genutzt wird, dann sollte die persönliche Leistungsfähig-keit, in den Berechnungen durch den Notendurchschnitt im Abitur (ANOTE)und das Ergebnis des Intelligenz-Struktur-Tests (IST) erhoben, auch den Er-folg im Studium positiv beeinflussen und das Abbruchsrisiko senken.116

250 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

116 In den Analysen zum Erfolg im Studienzugang wurde zusätzlich der Notendurchschnitt deszehnten Schuljahres (DNOTE) als Prädiktor berücksichtigt. Hier wird zugunsten einer bewußtsparsamen Modellbildung darauf verzichtet.

In ähnlicher Weise wie die persönliche Leistungsfähigkeit und -bereitschaftkann auch die soziale Herkunft, in den Analysen indiziert durch das Be-rufsprestige des Vaters (VAPREST), als eine Art Kapital für den Erfolg imStudium betrachtet werden. Das Elternhaus stellt wichtige immaterielle undmaterielle Ressourcen für einen erfolgreichen Studienverlauf zur Verfügung.So spielt es gewiß auch noch für den Erfolg im Studium – und nicht nur aufdem Weg dahin – eine Rolle, ob in dessen Verlauf noch vom "kulturellen Ka-pital" (Bourdieu 1982) des Elternhauses gezehrt werden kann. Vielleicht nochwichtiger als diese immateriellen Ressourcen ist der materielle Aspekt der so-zialen Herkunft. Zwar tritt der Staat teilweise ein, wenn eine Finanzierung desStudiums durch die Eltern nicht oder nur unvollständig möglich ist, und beideFinanzierungsformen werden häufig durch eigene Arbeit ergänzt.117 Aber einElternhaus, das gegebenenfalls in der Lage ist, zusätzliche Ressourcen zurVerfügung zu stellen, kann angesichts der oft ungewissen beruflichen Ver-wertbarkeit eines Studiums die notwendige Sicherheit vermitteln, eine vor-übergehende besondere Belastung des Studiums, etwa durch ein Kind, durch-zustehen und einen Studienabbruch vermeiden helfen.

Das Elternhaus wirkt darüber hinaus als natürliches Vorbild und prägt sodie beruflichen Aspirationen und Lebensplanung. Die Lebensplanung ist nachdem persönlichen Kapital der Leistungsfähigkeit und den Ressourcen, die dasElternhaus bereithält, der dritte Faktor, den es gilt, bei einer Analyse der Ko-sten der privaten Lebenssituation im Studium zu berücksichtigen. Die erstenbeiden lassen sich als Begleitumstände eines möglichen Erfolges im Studiumverstehen. Sie müssen aber um ein aktives Element ergänzt werden. Das Aus-maß, in dem das Studium fester Bestandteil der Lebensplanung ist, dürfte zueinem großen Teil seinen Erfolg mitbestimmen oder zumindest seinen direk-ten Mißerfolg, den Abbruch, verhindern. Die Intensität, mit der das Studiumangestrebt wurde, zeigt dessen subjektiven Bewertung durch die Akteure an.Mit dem Wert, der dem Studium in der Lebensplanung beigemessen wird,sollte die Neigung sinken, es vorzeitig abzubrechen. Als Indikator für denStellenwert des Studiums in der Lebensplanung wird wiederum auf die Studi-enaspirationen (STUD, EVST, UNEN) der Gymnasiasten zurückgegriffen.

251 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

117 Die Art der Studienfinanzierung und auch, ob sie sich im Verlauf des Studiums einmal geän-dert hat, wurde in der Wiederbefragung erhoben. Aber der zeitliche Bezug, d.h. die Frage, ob derWechsel die Folge einer privaten Veränderung ist, kann leider nicht eindeutig geklärt werden.

6.3.2 Ergebnisse: Private Lebenssituation, Startkapital und Lebensplanungals Determinanten des Studienerfolgs

Tabelle 6.3 stellt die Ergebnisse der Cox-Regressionen der konkurrierendenRisiken Examen und Studienabbruch auf die private Lebenssituation im Stu-dium und der diskutierten Kontrollvariablen getrennt für Frauen und Männergegenüber. Die in der Tabelle ausgewiesenen Parameter sind in ähnlicherWeise, wie dies für die logistische Regression im Abschnitt 6.2.2 erläutertwurde, als Effekte der unabhängigen Variablen auf das Risiko des Examensbzw. des Abbruchs in der Prozeßzeit zu verstehen. Bei der Bewertung derModelle muß berücksichtigt werden, daß die Studiengänge, Fachwechsel,Studienunterbrechungen und Zweitstudien nur als Schichtungsvariablen kon-trolliert werden. Gerade diese Variablen aber beeinflussen den Prozeß eineserfolgreichen Studienabschlusses in besonderem Maße (vgl. Meulemann1995, Tab. 4.11), so daß die aufs Ganze gesehen geringe Erklärungskraft derPrädiktoren vor allem für die Modelle, deren Zielvariable das Risiko des Ex-amens in der Zeit ist, nicht weiter verwunderlich ist. Wichtiger aber ist, daßsich die Ergebnisse der bivariaten Analysen bezüglich des spezifischen Ein-flusses der privaten Lebenssituation bestätigen.

Die private Lebenssituation im Studium

Frauen und Männer, die alleine in der eigenen Wohnung leben (EIGWOHN),haben im Vergleich zu den Gruppen, die noch im Elternhaus wohnen oderaber bereits mit Partner(in) zusammenleben, tendenziell eine etwas geringereNeigung zum Abschluß des Studium, aber vor allem ist ihr Abbruchsrisikodas geringste aller berücksichtigten privaten Lebenssituationen. Beides kannteilweise auf die sequentielle Position dieser Lebenssituation im Lebenslaufvon Studenten zurückgeführt werden, denn zum einen ist gerade der Studien-beginn häufig der Anlaß für diesen Schritt (vgl. Abb. 4.3), zum anderen kannsich die Lebenssituation im weiteren Studienverlauf ändern, weil eine Part-nerschaft eingegangen und später eine Familie gründet wird. In diesem Fallist die Lebenssituation als Single auf die erste Studienphase beschränkt, wasdie minimal geringere Neigung zum Abschluß erklären kann. Die Lebenssi-tuationen aber, durch die dieser Status abgelöst wird, belastet nach den bishe-rigen Ergebnissen das Studium vermutlich, so daß erst später eine größereAbbruchsneigung erwartet werden kann.

252 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Allerdings legt es die Stärke der Effekte (sowohl bei Frauen als auch beiMännern) nahe, diese Erklärung inhaltlich zu ergänzen: Das geringere Ab-bruchsrisiko kann vermutlich z.T. auch mit einem hohen subjektiven Wert desStudiums für die Lebensplanung der Akteure erklärt werden: Wer das Eltern-haus wegen eines Studiums verläßt, der gewinnt nicht nur an Freiheit, sonderner gibt mit der Wohlversorgtheit und Bequemlichkeit des "Hotel Mama" auchetwas auf, oder anders formuliert: er investiert etwas in das Studium. Die In-vestitionsbereitschaft weist darauf hin, daß von dem Studium ein Gewinn er-wartet wird. Die Investition mag einfach durch die Tatsache erzwungen wor-den sein, daß das gewünschte Fach nicht am Heimatort studiert werden kann,oder sie wird wegen des größeren Renommees einer entfernteren Hochschulegetätigt. In beiden Fällen wird wegen des konkreten Zieles eine billigere Al-ternative – im ersten Fall eine etwas andere Studienwahl, vielleicht auch derVerzicht auf ein Studium, im zweiten Fall das Studium an einer weniger re-nommierten Institutionen – ausgeschlagen. Das Verlassen des Elternhauskann in diesem Fall anzeigen, daß dem konkret gewählten Studium ein beson-ders hoher Wert zugemessen wird, was helfen würde, die deutlich geringereNeigung zum Studienabbruch zu erklären.

Bezüglich der Auswirkungen der Tatsache des Zusammenlebens mit ei-nem Partner oder einer Partnerin (NLGM/EHE) ließen die Ergebnisse der bi-variaten Analysen (vgl. Abb. 5.3, 5.6, 5.7) Unterschiede zwischen den Ge-schlechtern erwarten. Nur bei den Frauen konnte gezeigt werden, daß in die-ser Lebenssituation die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Studienab-schlusses schon deutlich niedriger liegt als in der Gruppe, die während desStudiums noch im Elternhaus lebt. Genau dieses Bild bestätigt sich hier:Wenn Frauen mit einem Partner zusammenleben, dann verzögert dies signifi-kant das Examen. Zugleich steigt die Neigung zum Studienabbruch, wennauch der betreffende Effekt wegen der kleinen Fallzahlen nicht signifikant ist.Bei den Männern findet man dagegen nur knapp über 1 liegende, nicht signi-fikante Effekte. Beachtlich ist die Gegenläufigkeit der Zusammenhänge:Wenn Frauen mit einem Partner zusammenleben sinkt das Examensrisiko,während es bei den Männer – wenn auch nur geringfügig – steigt. Die unter-schiedlichen Konsequenzen legen die Vermutung nahe, daß das Zusammenle-ben selbst im studentischen Milieu für Frauen und Männer zu einer ge-schlechtsspezifische Arbeitsteilung der Partner führen kann, die im Alltag denMann zumindest tendenziell ent- und die Frau belastet, und deren langfristigeFolge auch ein Verzicht der Frau auf ihre ursprünglichen Berufsambitionensein kann. Beides kann der Effekt einer nunmehr gemeinsamen, stärker amtraditionellen Muster orientierten Lebensplanung der Partner sein. Wenn nach

254 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

dem Abschluß der Ausbildung primär der Mann für die materielle Versor-gung, die Frau aber unter Zurückstellung eigener beruflicher Ambitionenmehr für die Familie und den häuslichen Bereich zuständig ist, dann erscheintes aus der Perspektive der Akteure ökonomischer, die Kräfte stärker auf dieAusbildung des Mannes zu konzentrieren. Dies kann so weit gehen, daß dieFrau das eigene Studium zugunsten einer Erwerbstätigkeit aufgibt, um demMann die Ausbildung zu ermöglichen. Daß es sich dabei aus Sicht der Frauum eine hochriskante Wette auf die Langfristigkeit der Beziehung handelt,braucht hier wohl kaum erwähnt werden.

Das Ausmaß der tatsächlichen Belastung nimmt für Frauen zu, wenn sieim Studium Mutter werden (KIND). Die Kosten verlagern sich in diesem Fal-le aber teilweise von der Verlängerung des Studiums hin zu einem wesentlicherhöhtem Abbruchsrisiko. Auch bei den Männern weisen nun die Effekte indie gleiche Richtung wie bei den Frauen, wenngleich sie viel schwächer aus-geprägt sind. Eine Vaterschaft verlängert zwar in unserer Stichprobe das Stu-dium, aber der Einfluß ist geringer als bei den Frauen und nicht signifikant.Allerdings steigt in dieser Situation auch bei den Männern das Risiko einesStudienabbruchs sehr stark. Erwartungsgemäß bindet die Elternschaft beiFrauen und Männern Ressourcen, die dadurch nicht mehr für ein erfolgrei-ches Studium zur Verfügung stehen.

Der Mechanismus, der sich hinter diesen Effekten verbirgt, unterscheidetsich zwischen den Geschlechtern: Geht man von einer geschlechtsspezifi-schen Arbeitsteilung aus, dann bindet zwar auch bei Männern die Betreuungdes Kindes ein gewisses Maß an Zeit, vor allem aber entsteht für Männer einegrößere finanzielle Verantwortung. Der läßt sich häufig nur durch die zusätz-liche Übernahme von bezahlter Arbeit neben dem Studium gerecht werden,was wiederum die moderate Verzögerung des Studiums erklären kann. Einesolche Verschiebung der Gewichte innerhalb des Studiums erscheint subjek-tiv nicht immer möglich und ist es vielleicht auch objektiv nicht, so daß derAbbruch des Studiums eine Alternative darstellen kann. Und schließlich kön-nen die zusätzlichen Verpflichtungen durch die Elternschaft auch zum Anlaßgenommen werden, ein ohnehin nur noch wenig perspektivenreich erschei-nendes Studium durch einen Abbruch zu beenden. Dies kann natürlich auchfür Frauen zutreffen, aber der Abbruch wird von ihnen i.d.R. nicht vollzogen,um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sondern weil die Versorgung und Be-treuung des Kindes zuviel Zeit in Anspruch nimmt (vgl. nochmals Tab. 5.3).Wenn Frauen mit Kind ihr Studium abbrechen, dann werden sie also eherHausfrau, während die Perspektive für Männer nach dem Studienabbruch dieErwerbstätigkeit ist.

255 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Nun könnte man vermuten, daß dies das Resultat einer unterschiedlichen Le-bensplanung von Frauen und Männern ist. Aber die wird ja durch die im Altervon fünfzehn Jahren erfragte Studienaspiration zumindest in ihrer beruflichenDimension teilweise kontrolliert. Wie in der Analyse des Studienzugangszeigt sich auch hier wieder, daß die berufliche Biographie von Frauen vielweniger als bei Männern das Resultat einer langfristigen Lebensplanung ist,sondern statt dessen mehr von den konkreten Gegebenheiten der sich wan-delnden Situation abhängt. Die Gründe dafür wurden bereits angesprochen.Da ist zunächst die Asymmetrie der Entscheidungsräume. Nur Frauen habenunter bestimmten Bedingungen überhaupt die Möglichkeit sich gegen eineBerufskarriere zu entscheiden. Aber allein die Tatsache des Vorhandenseinseiner bestimmten Möglichkeit erklärt nicht deren Nutzung. Die Ursache ist inder zunehmenden Konkurrenz des privaten und beruflichen Lebensbereicheszu sehen, die Frauen eine solche Entscheidung zwischen Berufskarriere undFamilie häufig aufnötigt, und im Falle einer Familiengründung dann oft auchgleich die Tendenz des Ergebnisses vorgibt. Das muß nicht der – in dieserStichprobe vermutlich eher seltene – vollständige Verzicht auf eine Berufstä-tigkeit sein. Aber es verschieben sich häufig die Prioritäten zuungunsten derBerufslaufbahn, weil auf eine Familie nicht verzichtet werden soll. Bemer-kenswert ist, daß sich dieser Effekt nicht erst mit der Elternschaft einstellt, al-so in der Situation, in der eine Entscheidung eigentlich erst notwendig wird,sondern schon früher, wenn Frauen nur mit einem Partner verheiratet oder un-verheiratet zusammenleben, zu beobachten ist.

Die Erklärung, daß dafür eine an traditionellen Geschlechterrollen orien-tierte Arbeitsteilung verantwortlich ist, die die Hausarbeit nach wie vor über-wiegend den Frauen läßt, kann nun ergänzt werden. Möglicherweise wirdFrauen in dieser Situation, wenn mit dem Zusammenziehen der erste und viel-leicht auch mit einer Ehe schon der zweite Schritt in Richtung einer Familien-gründung beschritten wurde, in aller Deutlichkeit bewußt, daß auch in ihremLebenslauf in nicht allzu ferner Zukunft eine Entscheidung zwischen Familieund Berufskarriere ansteht. Es kristallisiert sich mit der Zeit heraus, daß be-rufliche Pläne, so wie sie sich noch in den Studienaspirationen der fünfzehn-jährigen Schülerinnen zeigten, zugunsten des privaten Lebensplanes teilweisezurückgenommen werden müssen. Auch wenn dies erst mit der Elternschafttatsächlich notwendig werden sollte, wird das Studium schon durch das Be-wußtsein, daß es sich später nicht in dem ursprünglich erwartetem Ausmaßamortisieren kann, tendenziell entwertet. In dieser Situation kann es dann ausSicht der handelnden Frauen durchaus rational erscheinen, schon jetzt diePrioritäten zu verschieben und die Ausbildungs- und Berufskarriere des Man-

256 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

nes zu fördern, die mehr an Erfolg verspricht. Und eine Möglich der Förde-rung ist es dann eben, ihn zu entlasten. Daß dies tendenziell auch gelingt, istdann daran ablesbar, daß sich bei Männern im Falle einer Partnerschaft wäh-rend des Studiums das Abschlußrisiko geringfügig erhöht.

Aspirationen, Leistungen und Herkunft

Bei den Männern haben die drei Variablen zu den Studienaspirationen keineneindeutigen Einfluß auf die Neigung zum erfolgreichen Abschluß des Studi-ums. Offensichtlich haben die Studienaspirationen, die ja bei Männern denSchritt ins Studium noch stark beeinflussen konnten, nach der Studienaufnah-me ihre Bedeutung weitgehend verloren. Dies ist auch an dem mit dem Exa-men konkurrierende Risiko des Studienabbruchs abzulesen, wo ebenfalls kei-ne signifikanten Effekte zu berichten sind. Immerhin aber ist ihre Tendenzeindeutig: Wer bereits als fünfzehnjähriger Schüler sicher war, später einmalstudieren zu wollen, der neigt auch geringer zum Studienabbruch. Die Ab-bruchsneigung aber steigt, je weniger eindeutig die ursprüngliche Studienab-sicht war. Wenn Studienaspirationen ein Indikator für eine mehr oder wenigerfeste Lebensplanung sind, dann setzt sich die Unsicherheit und Wankelmütig-keit, die sich bereits in der Antwort der damals fünfzehnjährigen Schülerzeigte, nur eventuell studieren zu wollen oder noch unentschieden zu sein,auch während des dann doch begonnenen Studiums fort und erhöht die Ab-bruchsneigung.

Anders sieht es bei den Frauen aus. Entgegen den Erwartungen ist die Ex-amensneigung der Frauen, die mit fünfzehn Jahren ein Studium nicht explizitablehnten, deutlich reduziert. Die Rate sinkt bei allen drei Variablen (STUD,EVST, UNEN) signifikant in etwa gleichem Ausmaß. Noch stärker allerdingssinkt die Neigung zum Studienabbruch. Und auch hier gibt es keine Abstu-fung der Effekte nach Eindeutigkeit des Studienwunsches, wie sie noch beiden männlichen Studenten zu beobachten war. Wenn "hohe Aspirationen fürhohe Ansprüche stehen, derentwegen man nicht aufgibt und erst spät zu ei-nem erfolgreichen Ende kommt" (Meulemann 1995: 160), dann trifft dies er-stens vor allem auf die Frauen zu, und zweitens ist es für Frauen, anders alsfür Männer, bereits ein Zeichen hoher beruflicher Aspirationen, wenn sieschon als Schülerin ein Studium nur erwägen und später die Entscheidungzum Studium tatsächlich in diesem Sinne ausfällt. Noch bei der Frage desStudieneintritts wirkten die Aspirationen stärker bei Männern als bei Frauen,bei denen die Entscheidung für oder gegen ein Studium stärker von aktuellen

257 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Randbedingungen abhing (vgl. Tab. 6.1). Frauen fällt die Entscheidung, einStudium aufzunehmen, offenbar schwerer als Männern – vielleicht auch, weilsie zugleich auch eine Entscheidung für oder gegen eine stärker berufsorien-tierte Lebensplanung impliziert, eine Entscheidung, die bei Männern norma-lerweise gar nicht ansteht. Die Entscheidung für ein Leben, in dem der Berufeine wichtige Stellung einnimmt, ist für Frauen zugleich eine Entscheidungzugunsten von Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Ein Abbruch des Studi-ums mit einer ungesicherten beruflichen Perspektive würde auch diese Zielein Frage stellen. Wenn Frauen also ein Studium anstreben und sich allen Wi-drigkeiten zum Trotz für diesen Weg entschieden haben, dann besitzt das Stu-dium für sie einen höheren Wert als für Männer. Der besondere Wert einesStudiums erklärt wiederum das reduzierte Abbruchsrisiko von Frauen, dieschon als Schülerin eine berufsorientierte Lebensplanung erwägen. Gleichzei-tig steigen die Ansprüche an die eigene Leistung, die persönlichen Erfolgs-maßstäbe werden höher angelegt, was zu der beobachteten Verlängerung desStudiums führen kann.

Die Aspirationen als ein Element der aktiven Lebensplanung und -gestal-tung bedürfen bei ihrer Wirkung auf den Studienerfolg natürlich der Ergän-zung durch entsprechende Leistungen. Wie schon bei der Erklärung des Er-folgs im Studienzugang werden auch hier der Notendurchschnitt des Abiturs-zeugnisses (ANOTE) und die Testintelligenz (IST) als Indikatoren der per-sönlichen Leistungsfähigkeit kontrolliert. Aber nur die Abitursnoten sind einguter Indikator für den Studienerfolg und wirken in der erwarteten Richtung.Sowohl bei Männern als bei Frauen hilft die im Abitur bewiesene Leistungs-fähigkeit, auch im Studium schneller zu einem Erfolg zu kommen und verhin-dert den Mißerfolg eines Studienabbruchs. Auch wenn die Effekte bei Frauenund Männern die gleiche Richtung aufweisen, gibt es doch bemerkenswerteUnterschiede in ihrer Stärke. So hat die Abitursleistung bei Frauen im Ver-gleich zu den Männern einen etwas schwächeren (positiven) Einfluß auf dieNeigung zum Examen, aber einen wesentlich stärkeren (negativen) Einflußauf das Abbruchsrisiko. Gute Leistungen im Abitur sind nicht nur ein Ent-scheidungskriterium für den Schritt an die Hochschule, sondern auch einewichtige Etappe auf diesem Weg. Im Ehrgeiz, mit dem dieses Etappenziel an-gestrebt wird, spiegelt sich auch ein Stück beruflicher Lebensplanung. Diessollte eigentlich für beide Geschlechter gleichermaßen gelten. Aus den Analy-sen des Erfolgs beim Studienzugang (Tab. 6.1) wissen wir aber, daß der beiFrauen in viel stärkerem Maße als bei Männern von einem guten Abitur ab-hängt. Für männliche Gymnasiasten ist ein Studium selbstverständlicher, dieEntscheidung fällt früher und wird im weiteren Verlauf nicht mehr in Frage

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gestellt. Frauen, die eine eigenständige Berufskarriere anstreben, müssenmehr investieren – und zwar auch schon Leistungen auf dem Gymnasium.Wenn die Abitursleistung aber bei Frauen stärker eine bewußte Investition aufdem Weg in ein Studium darstellt, dann wird auch verständlich, warum einguter Notendurchschnitt im Abitur das Risiko eines Studienabbruchs stärkerals bei Männern senkt.118

Anders als die Noten im Abitur muß das Ergebnis des Intelligenztestes derfünfzehnjährigen Schülerinnen und Schüler nicht als Leistungswillen, sondernals persönliche Leistungsfähigkeit interpretiert werden. Die aber scheint kaumnoch eine eigenständigen Einfluß auf den Erfolg im Studium auszuüben. Aberauch wenn nur in einem Modell (Männer: Examen) ein schwach signifikanterEffekte zu berichten ist, so läßt die Gleichgerichtetheit der Effekte bei Frauenund Männern doch ein vorsichtige Interpretation zu: Mit steigender Intelli-genz verzögert sich das Examen leicht, was auch hier, ähnlich wie schon beiden Studienaspirationen, auf erhöhte Ansprüche an die eigenen Leistungenzurückgeführt werden kann. Zugleich aber scheint Intelligenz – vorsichtig for-muliert – den Ausweg eines Studienabbruchs nicht zu verstellen.

Ähnlich wie Leistungsfähigkeit und Leistungswille stellt auch die Her-kunft ein in das Studium mitgebrachtes Kapital dar. Der soziale Hintergrund,erhoben durch das Berufsprestige des Vaters (VAPREST), senkt erwartungs-gemäß bei beiden Geschlechtern das Abbruchsrisiko. Das soziale, das kultu-relle und vielleicht auch das finanzielle Kapital, für das der Vaterberuf stehenkann, hilft Frauen und Männern, schwierige Situationen im Studium ohne Ab-bruch durchzustehen. Wenn man allerdings sieht, daß dieser Effekt bei denStudentinnen stärker ausgeprägt ist, dann kann man auch hier wieder vermu-ten, daß sie, bei aller Bedeutung des Willens als einem aktiven Einflußfaktorder Person auf den Studienerfolg, zugleich auch stärker von den Randbedin-gungen der Situation abhängig sind als ihre männlichen Kommilitonen.

Zusammenfassung: Bedingungen des Studienerfolgs bei Frauen und Männern

Ein Überblick über die Modelle insgesamt bestätigt zunächst die Ausgangshy-pothese insofern, daß die Elternschaft im Studium eine Lebenssituation dar-stellt, die nur schwer mit dem eigentlichen Ziel der Lebensphase Studium zuvereinbaren ist. Dies gilt – wiederum erwartungsgemäß – stärker für Frauenals für Männer. Darüber hinaus kann bei Frauen bereits die bloße Tatsache

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118 In dieses Bild fügt sich auch, daß die Studienaspirationen nur bei den Schülerinnen des Gym-nasiums signifikant dazu beiträgt, in einer Regression mit einem ähnlichen Prädiktorensatz denNotendurchschnitt im Abitur (ANOTE) zu erklären (vgl. Birkelbach 1996: TB42).

6.4 Die Berufseinmündung ehemaliger Studenten

6.4.1 Vorüberlegungen

Das Ziel des Ausbildungsweges ist natürlich der Beruf. Während der Ausbil-dung versucht die Person bestimmte Fähigkeiten ("Humankapital") zu akku-mulieren, die ihr helfen sollen, mit Hilfe eines Berufes die im Leben ange-strebte soziale Position zu erreichen. Die Ausbildung, hier also das Studium,ist ein Instrument zur Verwirklichung der Lebensplanung. Die Ausbildungs-anstrengungen können daher als Investitionen in den Berufserfolg verstandenwerden. Aber wie bei allen Investitionen, zeigt sich auch bei der Ausbildungerst auf dem Markt, ob sie die erwartete Rendite bringen. Im Prinzip gibt eszwei Gruppen von Ursachen, die dafür verantwortlich sein können, wenn sichdie Ausbildung im Nachhinein als Fehlinvestition erweist. Zum einen kannaufgrund einer Fehleinschätzung des (Arbeits-)marktes falsch investiert wor-den sein. Das ist vor allem der Fall, wenn das Ziel der Ausbildung ein Berufist, für den zum Zeitpunkt des Ausbildungsendes eine nur sehr geringe odergar keine Nachfrage vorhanden ist. Mangelnde Transparenz des Arbeitsmark-tes und die Schwierigkeiten einer Prognose der langfristigen Entwicklungensind prinzipielle, nie völlig auszuschaltende Ursachen solcher Fehleinschät-

des Zusammenlebens mit einem Partner negative Auswirkungen auf das Stu-dium haben. Bemerkenswert ist darüber hinaus die besondere Bedeutung, diebei Frauen einer aktiven Lebensplanung zukommt. Während das Studium beiMännern früh feststeht, und, wenn es einmal begonnen worden ist, mit großerSelbstverständlichkeit absolviert wird, hängt bei Frauen nicht nur die Ent-scheidung für ein Studium stärker von den eigenen Aspirationen und den spe-zifischen Bedingungen der Situation ab, sondern vor allem auch der Erfolg imStudium. Der Wille zum Erfolg ist bei Frauen in viel stärkerem Maße als beiMännern eine Voraussetzung eines erfolgreichen Studiums. Das Ziel einer ei-genen beruflichen Lebensperspektive und der Wille, mit dem diese verfolgtwird, hilft ihnen auch, die Probleme einer Doppelbelastung durch ein Familie,die sich Männern i.d.R. so gar nicht stellen, zumindest bis zum Abschluß desStudiums zu meistern. Wenn in weiteren Analyseschritten der Eintritt in denBeruf und der Berufserfolg untersucht wird, dann wird sich auch zeigen, in-wieweit sich dieses Durchhaltevermögen lohnt.

260 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

zungen. Zweitens aber ist auch ein Lebensplan i.d.R. keineswegs so statisch,wie der Begriff zunächst vermuten lassen könnte. Er gibt zwar eine Richtungvor, wird aber im Lichte der Erfahrungen immer wieder modifiziert und anveränderte Bedingungen angepaßt. Dabei kann und muß die Person nicht nurimmer wieder neu entscheiden, welche Schritte ihr im Hinblick auf das Zielnotwendig erscheinen, sondern auch das Ziel selber in Frage stellen. Eine sol-che Umorientierung kann innerhalb des Bezugsrahmens einer beruflichen Le-bensorientierung bleiben und führt dann zu Korrektur beruflicher Ziele. Diesgilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Zusätzliche Entscheidungsmög-lichkeiten, vor allem aber auch Entscheidungszwänge, ergeben sich für Frau-en, die eine Familie gründen. Frauen können – und müssen vielfach – ihre be-ruflichen Aspirationen reduzieren, wenn sie eine Familie gründen, währendbei Männern die Entscheidung für eine Familie kaum eine Entscheidung ge-gen den Beruf nötig macht. Umgekehrt impliziert die traditionelle Rolle desMannes in der Familie, daß die Erwerbstätigkeit eine wichtige Voraussetzungfür eine Familiengründung darstellt.

Eine frühe Familiengründung, vor allem also die Elternschaft, wird Män-ner stärker in den Beruf drängen, Frauen dagegen eher aus dem Beruf fernhal-ten. Wie die Ergebnisse des fünften Kapitels vermuten lassen, kann sich einsolcher Effekt bei Frauen auch schon in einer Partnerschaft auswirken, wenndiese die Lebensplanung von einer stärkeren Berufsorientierung hin zu einerausgeprägteren Familienorientierung verschiebt (vgl. Tab. 5.4). Zugleich aberkann Frauen ein Rückzug in die Familie auch als ein subjektiv gangbarer Aus-weg aus der Situation einer schlechten Arbeitsmarktlage erscheinen. Nur sel-ten allerdings dürfte die Familiengründung einen endgültigen Verzicht auf ei-ne Berufstätigkeit bedeuten, so daß zu erwarten ist, daß die überwiegende An-zahl der Frauen nach einer gewissen Zeit, wenn die Beanspruchung durch dieFamilie wieder geringer geworden ist, doch noch den Weg in den Beruf sucht.Ob sich dieser Wunsch dann nur zum Preis eines Verzichtes auf eine dem er-reichten Qualifikationsniveau entsprechende Tätigkeit erfüllen läßt, wird sichin weiteren Analyseschritten, bei denen Einkommen und Berufsprestige imMittelpunkt stehen, zeigen. Hier soll zunächst der Frage nachgegangen wer-den, welche Einflüsse private Bindungen vor dem Berufseintritt unter Kon-trolle der getätigten Investitionen und der Situation am Arbeitsmarkt auf diezeitliche Dimension des Prozesses ausüben.

Um diese Fragestellung auch empirisch angemessen behandeln zu können,ist es notwendig, die Stichprobe, die bei den oben durchgeführten Analysendes Studienerfolges benutzt worden ist, noch einmal um die Gruppen zu redu-zieren, die zum Zeitpunkt der Befragung noch studiert. Der Zeitraum, der be-

261 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

trachtet wird, ist auf der einen Seite durch den ersten berufsqualifizierendenAbschluß (einschließlich eines eventuell notwendigen Referendariats) bzw.den Abbruch des Studiums und auf der anderen Seite durch die Aufnahme derersten Berufstätigkeit definiert.119 Bei den Untersuchungen wird wieder aufdie bereits eingeführten Methoden der Ereignisanalyse (Survivalanalyse undCox-Regression) zurückgegriffen.

6.4.2 Deskriptive Analysen der Wirkung privater Bindungen, des Erfolgs imStudium und möglicher Zusatzqualifikationen auf den Prozeß des Be-rufseintritts

Da der Berufseintritt noch nicht explizit als Prozeß betrachtet wurde, soll dieshier nachgeholt werden. Zum Thema Berufseinmündung liegen bereits eineReihe empirischer Untersuchungen auf der Basis des auch hier benutzten Da-tensatzes vor (Blaneck 1994; Hemsing 1993; Meulemann 1990a, 1995: 173-206; Ziegler et al. 1987).120 Deshalb sollen die deskriptiven Analysen nur kurzdargestellt werden. Dabei wird der Prozeß des Berufseintritts jeweils ge-schichtet nach der Tatsache privater Übergänge vor dem Berufseintritt undnach der Frage, ob das Studium mit einem Examen beendet wurde, mit Hilfeeiner Survivalanalyse beschrieben.

Der Einfluß privater Bindungen auf den Berufseintritt

Abbildung 6.4 stellt die Survivorfunktionen für den Prozeß des Berufseintrittsgeschichtet nach privaten Übergängen vor dem Berufseintritt jeweils für Frau-en und Männer dar. Wichtigstes Ergebnis dieser Analysen ist, daß die private

262 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

120 Dabei werden von den verschiedenen Autoren allerdings andere Schwerpunkte als in der vor-liegenden Arbeit gesetzt, wo die Einflüsse von privaten Bindungen im Mittelpunkt stehen.

119 Er umschließt also auch die Zeiträume möglicher Zusatzqualifikationen durch Berufsausbil-dungen, Zweit- und Aufbaustudiengänge. Wenn man davon ausgeht, daß diese Maßnahmendurchgeführt werden, weil das erste Studium nicht die erstrebte Position auf dem Arbeitsmarktgebracht hat, dann kann man sie als sinnvoll genutzte "Warteschleifen", die häufig erst den Wegin den Beruf ermöglichen, verstehen (ausgenommen vielleicht ein Teil der Fälle wissenschaftli-cher Weiterqualifikation, die aber empirisch eher von untergeordneter Bedeutung sind). Andersals in den Analysen von Ziegler et al. (1988) wird hier der Zeitraum nicht durch das bewußte"Suchen" der Absolventen definiert. Ähnlich bestimmen Blaneck (1994) und Meulemann(1990a; 1995: 173ff) in ihren Analysen den betrachteten Zeitraum. Unterschiede in der Stich-probe ergeben sich, weil hier der normale Weg ehemaliger Gymnasiasten über das Abitur undein anschließendes Studium (SNK, studentische Normalkarriere) in den Beruf verfolgt wird, alsoStudienaufsteiger (SA) ausgeschlossen sind.

Lebenssituation bei den Männern offenbar ohne Einfluß auf die Berufsein-mündung ist, und daß sich bei den Frauen nur eine Elternschaft auf den Be-rufseintritt auswirkt – aber die steht diesem Schritt dramatisch im Wege. Inden ersten drei Monaten nach dem Ende des ersten Studiums hat ungeachtetder privaten Lebenssituation etwa die Hälfte der Männer den Berufseintrittvollzogen, und auch bei den Frauen sind es – wenn sie bis dahin noch keinKind haben – zwischen 40 und 50%. Allerdings haben dann erst 18,5% derMütter den Schritt in den Beruf gemacht. Im weiteren Verlauf des ersten Jah-res nach dem Ende des Studiums steigt die Zahl der Männer mit Berufseintritt

263 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

1 Die zugehörigen Hazardfunktionen sind in Birkelbach (1996: TB48) dargestellt.2 Als Schichtungsvariable wird die kumulative Variable PVOREWB (vgl. Abb. 5.4) benutzt. 3 Stichprobe: Nur ehemalige Studierende mit normalem Studienzugang nach dem Abitur(SNK), keine Studienaufsteiger und Absolventen des zweiten Bildungsweges.4 Median aus Survivorfunktionen.

n.s.Log-Rank (Ende):p < 0,0001Log-Rank (Ende):n.s.Wilcoxon (Anfang):p < 0,0001Wilcoxon (Anfang):

Tests auf Gleichheit der Strata313,815,2Elternschaft— 55,6 15,6Elternschaft314,044,1NLGM/EHE4 10,2 54,4NLGM/EHE413,323,2Eig.Wohnung46,119,0Eig.Wohnung3 6,517,5Kein Übergang30,011,0Kein Übergang

Dauer(Monate)

Dauer(Monate)

Mediandavon

zensiert

AnteilMedian4

davonzensiert

Anteil

0 1 2 3 4 5 6 70

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Jahre

Kein Übergang Eig. Wohnung

NLGM/EHE Elternschaft

0 1 2 3 4 5 6 7 80

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Jahre

Elternschaft

Männer (n=630)Frauen (n=531)3

Abb. 6.4 Überlebensfunktion1 in der Nichtberufstätigkeit für Männer undFrauen geschichtet nach privaten Bindungen vor dem Berufsein-tritt2

auf etwa 70%, die Zahl der Frauen – Mütter wiederum ausgenommen – sogarauf etwa 75%. Nach drei bis vier Jahren sind dann über 90% der Frauen (oh-ne die Mütter) und Männer berufstätig; ein Anteil der im weiteren Verlaufnoch ansteigt. Der Anteil der Frauen mit Kind, die nach einem Jahr in denBeruf eingetreten sind, liegt bei nur 40% und steigt auch in den folgendenJahren kaum. Die Länge des Zeitraumes, in dem sich dieser Anteil kaum nochändert (etwa 6 Jahre), läßt vermuten, daß knapp die Hälfte der Frauen, die vordem Berufseintritt Mutter geworden ist, sich mit dieser Entscheidung auchlangfristig zugunsten der Arbeit in der Familie gegen eine Berufstätigkeit ent-schieden hat. Wenn Frauen mit Kind nicht im ersten Jahr nach dem Verlassender Hochschule berufstätig werden, dann liegt im weiteren Verlauf das Risikoeines Berufseintritts nahe 0 (Birkelbach 1996: TB48).

Studienerfolg und Berufseintritt

Welchen Einfluß hat der Studienerfolg auf den Berufseintritt? Verbessert einExamen, wie man es erwarten möchte, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt?Und: In welchen besonderen Verhältnis stehen Abbruch, Familiengründungund Beruf bei Frauen? Die oben durchgeführten multivariaten Analysen desStudienerfolges (Tab. 6.3) haben gezeigt, daß Männer und Frauen mit Kind,letztere allerdings stärker, zum Abbruch des Studiums neigen. Ob der Ab-bruch bei Männern tatsächlich erfolgt, um in den Beruf einzutreten, bei Frau-en aber den Verzicht auf berufliche Ambitionen indiziert, das sollte sich hierschon andeuten.

Frauen und Männer treten nach einem Abschluß und einem eventuell an-schließenden Referendariat im Beobachtungszeitraum deutlich häufiger alsweibliche Abbrecher in den Beruf ein.121 Noch etwas niedriger als bei den er-folgreichen Absolventen beiderlei Geschlechts liegt im Alter von gut 30 Jah-ren der Anteil der noch nicht in den Beruf eingetretenen Männer ohne Ex-amen. Diese Struktur wiederholt sich weitgehend, wenn man die durchschnitt-liche Verweildauer in der Nichtberufstätigkeit (Median) betrachtet. Hier dau-ert es bei den weiblichen Abbrechern etwa zwei Jahre, bis die Hälfte in denBeruf eingetreten ist, während dafür alle anderen Gruppen nur zwischen 3und 5 Monaten benötigen.

Den Prozeß des Berufseintritts zeigen die in Abb. 6.5 präsentierten Survi-vorfunktionen (vgl. auch Meulemann 1995: Abb. 5.2). Der Prozeß verläuft

264 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

121 Wenn man sieht, daß über 13% der Frauen und Männer noch nicht in den Beruf eingetretensind, muß man berücksichtigen, daß die "Nichtberufstätigkeit" die Möglichkeit des Erwerbs ei-ner Zusatzqualifikation einschließt.

bei Frauen und Männern mit Examen in den ersten beiden Jahren etwa gleich,wenn auch die Männer sofort nach dem Examen etwas häufiger eintreten alsdie Frauen, was diese aber bis zum zweiten Jahr weitgehend wieder aufgeholthaben. Und auch im weiteren Verlauf gewinnen die Männer nur geringe Vor-teile. Für die Tatsache, daß 50% der erfolgreichen Männer gegenüber nur40% der Frauen in den ersten drei Monaten in den Beruf eintreten, gibt esmöglicherweise eine Erklärung, die auch von Meulemann (1995: 180) disku-tiert wird: Frauen streben häufiger ins Lehramt (Birkelbach 1996: TB2). Dieöffentlichen Arbeitgeber aber haben feste Einstellungstermine, so daß sichschon dadurch gewisse Wartezeiten ergeben.

265 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

1 Die zugehörigen Hazardfunktionen sind in TB48 des Tabellenbandes (Birkelbach 1996) dar-gestellt.2 Stichprobe: Nur ehemalige Studierende mit normalem Studienzugang nach dem Abitur(SNK), keine Studienaufsteiger oder Absolventen des zweiten Bildungsweges.3 M di S i f kti

Werden wegen Überschneidungen der Stratanicht durchgeführt (vgl. Blossfeld et al. 1986: 128)

Wilcoxon (Anfang): p < 0,0001Log-Rank (Ende): p < 0,0001

Tests auf Gleichheit der Strata5 7,614,6Abbrecher 2430,410,5Abbrecher313,485,4Mit Examen 413,789,5Mit Examen

Dauer(Monate)

Dauer(Monate)

Mediandavon

zensiert

AnteilMedian3

davonzensiert

Anteil

0 1 2 3 4 5 6 70

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Jahre

Examen

Abbruch

0 1 2 3 4 5 6 70

0,2

0,4

0,6

0,8

1

Jahre

Examen

Abbruch

Männer (n=630)Frauen (n=531)2

Abb. 6.5 Überlebensfunktion1 in der Nichtberufstätigkeit nach dem Endedes ersten Studiums für Männer und Frauen geschichtet nach demStudienerfolg

Aber so gering die Unterschiede der Berufseintrittsprozesse bei Frauen undMännern mit Examen sind, so ausgeprägt sind sie bei den Abbrechern. Hierzeigt sich, daß der Abbruch des Studiums bei Männern mit dem Ziel des Ein-tritts in das Erwerbsleben erfolgt. Bei den Frauen aber folgt diesem Schrittauch sehr häufig der Rückzug in das Privatleben. In den ersten drei Monatentreten etwa 50% der erfolgreichen männlichen Absolventen und Abbrecher inden Beruf ein. Man kann also vermuten, daß etwa die Hälfte der männlichenAbbrecher das Studium erst dann abbricht, wenn sie eine Berufstätigkeit be-reits in Aussicht hat. Bei den Frauen dagegen sind dies nur knapp 30%. EineBerufsausbildung kann eine Alternative zu einem wenig erfolgversprechen-dem Studium darstellen. Die Funktionsverläufe lassen nun vermuten, daß vorallem Männer diese Alternative nutzen, während Frauen häufiger zunächstganz auf eine Berufstätigkeit verzichten. Wenn Frauen nicht gleich nach demAbbruch des Studiums in den Beruf eingetreten sind, dann steigt der Anteilder Berufstätigen nur noch langsam, aber relativ stetig bis etwa fünf Jahrenach dem Abbruch. Über 20% von ihnen finden auch danach nicht mehr inden Beruf. Bei den Männern dagegen treten, nachdem die Hälfte gleich zuBeginn des Prozesses diesen Schritt vollzogen hat, in den ersten zwei Jahrennur noch wenige in den Beruf ein, danach aber gewinnt der Prozeß wieder anDynamik und gegen Ende des vierten Jahres sind dann bereits mehr Abbre-cher als erfolgreiche Absolventen berufstätig. Diese Männer schaffen es of-fenbar, den Makel der Erfolglosigkeit, zumindest bezogen auf den Berufsein-tritt, zu tilgen, indem sie im Rahmen einer Berufsausbildung noch einmal in-vestieren, diesmal aber stärker am Markt – und vielleicht auch an den eigenenFähigkeiten – orientiert. Aber gleichwie, ihr Weg führt fast immer in den Be-ruf. Anders bei den weiblichen Abbrechern, von denen mehr als jede fünfteden Schritt in den Beruf nicht schafft. Wenn man nun noch einmal bedenkt,daß der Abbruch bei Frauen häufig wegen eines Kindes erfolgt ist (vgl. Tab.6.3) und zugleich die gravierenden Folgen einer Mutterschaft auf den Berufs-eintritt sieht (vgl. Abb. 6.4), wird deutlich, daß auch der Verzicht auf die Be-rufstätigkeit unserer Abbrecherinnen deswegen erfolgt. Der Schritt in den Be-ruf kann vielleicht später nachgeholt werden, aber das Studium ist dann nichtnur durch den Verzicht aufs Examen entwertet, sondern zusätzlich durch dieseitdem vergangene Zeit.

266 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

6.4.3 Private Lebenssituation, Arbeitsmarkt und die Qualifikationsstrukturder Bewerber: Multivariate Analysen des Berufseintrittsprozesses

Variablen und Hypothesen

Welchen Einfluß private Bindungen auf die Neigung, in den Beruf einzutre-ten, besitzen, wenn der Studienerfolg und Zusatzqualifikationen nach demStudium zusammen mit weiteren persönlichen Leistungsmerkmalen undÜbergangsvorbereitungen, sowie den Studienfächern und der Situation amfachspezifischen Arbeitsmarkt kontrolliert werden, soll nun mit Hilfe desVerfahrens der Cox-Regression überprüft werden. Der Schwerpunkt liegt da-bei auf der Analyse der Wirkung der privaten Lebenssituation auf den Berufs-eintritt. Die wird – wie schon bei den Analysen des Studienerfolgs – durchdrei zeitabhängige Variablen (EIGWOHN, NLGM/EHE, KIND)repräsentiert. Die Realisierung der privaten Lebenssituation als zeitabhängigeVariablen innerhalb des Prozesses bietet gegenüber einer Berücksichtigungprivater Bindungen zum Zeitpunkt des Verlassens der Hochschule (vgl. Meu-lemann 1990a, 1995: 172-206) den Vorteil, auch mögliche Veränderungender privaten Lebenssituation nach dem Verlassen der Hochschule zu erfassen.

Wie wir wissen, werden private Übergänge nicht selten aufgeschoben, bisdas Studium beendet ist, dann aber relativ kurzfristig nachgeholt. Das Ziel desAufschubs ist klar: Die bisherigen Investitionen in das Studium sollen nichtgefährdet werden. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Für Männer hateine relativ schnell nachgeholte Familiengründung keine Konsequenzen fürden Berufseintritt. Wenn Frauen – gewissermaßen als biographischer Kom-promiß – zwar noch ihr Examen erwerben, danach aber wegen einer Famili-engründung zunächst nicht in den Beruf eintreten, dann dürften sie damit einespätere Berufstätigkeit kaum ganz aus den Augen verlieren. Angestrebt wirdvermutlich häufig ein spezielles Drei-Phasen-Modells, bei dem die Berufskar-riere noch vor dem Berufseintritt zugunsten der Familiengründung unterbro-chen wird. Hinzu kommen Frauen, die in einer Familiengründung eine ge-wollte oder durch den Arbeitsmarkt erzwungene Alternative zu einem Be-rufseintritt sehen. Gleichgültig aber, warum die Familiengründung geradejetzt erfolgt und ob sich ein späterer Berufseinstieg angesichts von Dequalifi-zierungsprozessen durch die verstrichene Zeit seit dem Verlassen der Hoch-schule (Klein/Braun 1995) im weiteren Verlauf doch noch realisieren läßt:Mit der Familiengründung wird, wie alle bisherigen Ergebnisse zeigen, dieNeigung zum Berufseintritt bei Frauen deutlich sinken.

267 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Auch wenn die oben präsentierten deskriptiven Ergebnisse zum Berufseintrittnicht explizit darauf hinweisen, daß die Verpflichtung einer Familie gegen-über bei Männern den Prozeß beschleunigen, sollte diese Hypothese für diemultivariate Analyse doch aufrechterhalten werden, denn ihre Begründung istnach wie vor plausibel. Durch die Verpflichtung gegenüber einer Familie, diefür Männer vor allem eine finanzielle Verantwortung darstellt, steigt derDruck, die Angebote des Arbeitsmarktes wahrzunehmen, selbst wenn diesemit den ursprünglichen Zielen nicht völlig übereinstimmen sollten. Das lenktden Blick auf die Tatsache, daß der Berufseintritt innerhalb marktförmig or-ganisierter Strukturen erfolgt. Der Prozeß selber ist nicht nur vom Wollen derehemaligen Hochschüler abhängig, sondern vor allem auch davon, inwieweitderen spezifisches Angebot der Nachfrage potentieller Arbeitgeber entspricht.Beides gilt es in der multivariaten Analyse zu berücksichtigten. Welches An-gebot der Bewerber machen kann, hängt natürlich von seinen Investitionen,d.h. seinen Qualifikationen, ab. Aber diese Investitionen sind mit Risiken be-haftet, da sich ihre Rentabilität nicht mit Sicherheit prognostizieren läßt.Beim Eintritt in den Markt lautet denn auch die entscheidende Frage, von de-ren Beantwortung Erfolg oder Mißerfolg bei der Stellensuche abhängt: Ist imHinblick auf die momentane Marktlage qualitativ richtig und quantitativ ge-nug investiert worden?

Als Indikator der Situation am fachspezifischen Arbeitsmarkt wird in derAnalyse das Verhältnis von Erstbewerbern zu offenen Stellen in der jeweili-gen Fachrichtung zum Zeitpunkt des Verlassens der Hochschule benutzt, deraus Unterlagen der Bundesanstalt für Arbeit gebildet worden ist (Hemsing1993). Wegen der Asymmetrie dieses Maßes, ein Quotient zwischen 0 und 1beschreibt einen Bewerbermarkt, ein Quotient über 1 einen Arbeitgebermarkt,wird es für die Analyse logarithmiert, so daß der Wertebereich zwischen -∞und +∞ liegt. Um die Lesbarkeit der Ergebnisse zu verbessern, wurde zusätz-lich durch Multiplikation mit -1 erreicht, daß positive Werte der VariablenARBMARKT einen für die Bewerber günstigen Markt indizieren. Eine Hypo-these ist bezüglich der Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Berufseintrittsnei-gung leicht zu formulieren: Eine gute Arbeitsmarktsituation sollte den Berufs-eintritt beschleunigen.

Ob und wie der Eintritt in den Beruf gelingt, das hängt auf Seiten des Be-werbers zunächst einmal davon ab, was und mit welchem Erfolg studiert wor-den ist. Die Frage des "Was" wird auch hier durch die schon aus den Analysezum Studienerfolg bekannten Studiengänge mit einem sozialwissenschaftlichausgerichteten Fachhochschulstudium als Basiskategorie indiziert. Nach denvorliegenden Untersuchungen (Blaneck 1994; Hemsing 1993; Meulemann

268 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

1990a, 1995; Ziegler et al. 1987) sollten die stärker berufsqualifizierendenStudiengänge den Berufseintritt erleichtern. Genau wie die "richtige" Studien-fachwahl gehört auch die Schwerpunktbildung (SCHWERP) bereits im Studi-um zu den qualitativen Investitionen, die einerseits die Erfolgsaussichten aufdem Arbeitsmarkt verbessern können, zugleich aber auch hochriskant sind.Eine Spezialisierung kann, wenn sie die Anforderungen des Arbeitsmarktesantizipiert, den Berufseinstieg erleichtern. Ist die besondere Qualifikationaber nicht gefragt, dann kann dieser Effekt auch in sein Gegenteil um-schlagen, was vielleicht auch den von Meulemann (1995: Tab. 5.5) beschrie-benen schwachen und nicht signifikanten, aber negativen Einfluß dieser Va-riablen auf die Berufseintrittsneigung verständlich machen kann.

Der Erfolg des Studiums bemißt sich vor allem daran, ob das Studium mitdem Examen abgeschlossen wurde (STERFOLG). Die unterschiedlichen Zu-sammenhänge zwischen Studienabbruch und Berufseintritt bei Frauen undMännern und der überwiegend positive Einfluß eines erfolgreichen Studiumsbei beiden wurden oben ausführlich erörtert, so daß hier darauf verzichtetwerden kann. Für die multivariate Analyse ergibt sich an dieser Stelle aberein Problem: Die Berücksichtigung des Studienerfolgs verletzt, allerdings nurbei den Männern, die Proportionalitätsannahme der Cox-Regression. Dieslegt auch für diese Variable nahe, sie nur als Schichtungsvariable zu berück-sichtigen. Da aber – soviel sei hier vorweggenommen – die Effekte der übri-gen Variablen sich zwischen dem geschichtetem und dem ungeschichtetemModell kaum unterscheiden und der Effekt für den Studienerfolg bei Männernnicht bedeutsam ist, wird im folgenden ein Modell dargestellt, daß auch denStudienerfolg als Prädiktor berücksichtigt (vgl. auch Meulemann 1990a: 255).Das Examen signalisiert Arbeitgebern nicht nur erbrachte Leistungen sondernauch die Leistungsfähigkeit. Dies gilt auch für den Notendurchschnitt im Abi-tur (ANOTE), der von potentiellen Arbeitgebern wohl vor allem dann berück-sichtigt werden dürfte, wenn andere Leistungsmerkmale, etwa nach einemStudienabbruch, nicht erhoben werden können.

Zur Beurteilung der Leistung und des Leistungspotentials erfolgreicherStudenten gehört auch, in welchem Zeitraum diese Leistung erbracht wurde.Gewiß, lange Studienzeiten sind häufig auch ein Ergebnis ungünstiger Rah-menbedingungen. Die aber gelten in den Augen potentieller Arbeitgeber ver-mutlich für alle Absolventen gleichermaßen, so daß die relative Studiendauerein Leistungsmerkmal darstellt. Meulemann (1990a, 1995: 195ff) kommt zudem Ergebnis, daß kurze Fachstudienzeiten wider Erwartungen den Berufs-eintritt nicht erleichtern, sondern ihn eher verlangsamen. Dies wird darauf zu-rückgeführt, daß Absolventen mit kurzen Studienzeiten die gewonnene Le-

269 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

benszeit zu zusätzlichen Qualifikationen nutzen, die dann natürlich den Zeit-raum bis zum Berufseintritt vergrößern. Solche Zusatzqualifikationen (WEI-TERBI) können hier allerdings wegen einer Verletzung der Proportionali-tätsannahme des Verfahrens (vgl. Birkelbach: TB47) nicht als Prädiktorenaufgenommen, sondern nur als Schichtungsvariable kontrolliert werden.

Ein Indikator für die Dauer des Studiums sollte aber gleichwohl als Prä-diktor in die Gleichung aufgenommen werden. Ich habe mich für das Alter

Von größerem inhaltlichen Gewicht für unsere Fragestellung aber ist, daß dasZiel einer solchen Doppelqualifikation natürlich die Verbesserung der Ar-beitsmarktchancen ist. Auch berufliche Erfahrungen, die in Jobs und Erwerbs-tätigkeiten während Studienunterbrechungen oder parallel zum Studium er-worben wurden (EWJOBWST), sollten die Berufseinmündung erleichtern.Allerdings zeigen die vorliegenden Untersuchungen (Meulemann 1990a,1995: Tab. 5.5; Blaneck 1994), daß die Effekte beruflicher Erfahrungen nurschwach ausgeprägt und keineswegs eindeutig sind. Nützlich sein dürften dar-über hinaus Kontakte, die bereits während des Studiums zu potentiellen Ar-beitgebern geknüpft werden konnten (KONTAKT).

Schließlich soll die soziale Herkunft der Absolventen, wie bisher erhobendurch das Berufsprestige des Vaters (VAPREST), nicht vollständig aus denAugen verloren werden. Aber eine Voraussage ist hier schwierig, denn einer-seits erscheint es durchaus möglich, daß der Einfluß der Herkunftsfamiliehilfreich auf dem Weg in den Beruf sein kann. Andererseits aber werden mitder sozialen Herkunft auch die Ansprüche an die Berufstätigkeit steigen. Dersoziale Hintergrund der Herkunftsfamilie kann darüber hinaus die nötige Si-cherheit vermitteln, zu warten, und nicht gleich die erste Möglichkeit – die jabekanntlich nicht immer die beste ist – zum Berufseinstieg zu nutzen. Andersformuliert: Warten muß man sich auch leisten können.

An dieser Stelle wird ein Zielkonflikt der Akteure sichtbar, der die ganzeAnalyse des Berufseintrittsprozesses begleitet und auch bei der folgenden In-terpretation der Ergebnisse nicht aus den Augen verloren werden darf: Erfolgbeim Berufseintritt bedeutet nicht nur, daß möglichst schnell eine Arbeitsstel-le gefunden wird, sondern ebenso bedeutsam sind Merkmale des Arbeitsplat-zes, wie Ausbildungsadäquanz, Einkommen, Prestige, Aufstiegsmöglichkei-ten etc. Beides aber ist oft nicht gleichzeitig zu haben, so daß einerseits einePhase der Sucharbeitslosigkeit, bis eine Stelle dem Anspruchsniveau des Ak-teurs entspricht, selbst bei guter Arbeitsmarktlage zu erwarten ist. Anderer-seits wird auch eine Anpassung des Anspruchsniveaus an die Marktlage erfol-gen, die bewirkt, daß nach einer gewissen Suchdauer Angebote angenommenwerden, die zu Beginn der Suche noch abgelehnt worden wären. Diese zweiteDimension des Erfolges beim Berufseintrittsprozeß, gemessen als Einkom-men und Berufsprestige der Absolventen, wird im Anschluß an die Analyseder Dauer dieses Prozesses mit einem weitgehend gleichen Prädiktorensatzuntersucht werden. Schon hier aber sollte klar sein, daß ein schneller Berufs-eintritt in dieser Hinsicht nicht immer ein besonders erfolgreicher ist.

271 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Ergebnisse

Auch wenn wichtige Faktoren dessen, was die ehemaligen Hochschüler aufdem Arbeitsmarkt an Qualifikationen und Leistungen zu bieten haben, kon-trolliert werden, und zugleich die Nachfrageseite in Form des Arbeitsmarkt-quotienten berücksichtigt wird, zeigt sich, daß eine Familiengründung vordem Berufseintritt bei Frauen und Männer die erwarteten gegensätzlichen Ef-fekte hat (Tab. 6.6). Allerdings gilt dies noch nicht im Falle des unverheirate-ten oder ehelichen Zusammenlebens, das bei Frauen und Männern – zumin-dest als Tendenz, aber ohne Signifikanz – den Berufseintritt nach dem Studi-um beschleunigt. Der entscheidende Wendepunkt ist erst die Elternschaft. BeiFrauen, die bereits ein Kind haben, sinkt die Berufseintrittsneigung deutlich,bei Männern mit Kind steigt sie dagegen. Wenn es zwischen dem Ende desStudiums und dem Berufseintritt zu einer geschlechtsspezifischen Differen-zierung der Lebensläufe kommt, dann erst mit der Elternschaft.

Eine gute Lage am fachspezifischen Arbeitsmarkt (ARBMARKT) erleich-tert Frauen und Männern erwartungsgemäß nach dem Studium den Berufsein-stieg. Der Effekt ist bei Frauen viel stärker als bei Männern. Offenbar findenbei einem Überangebot an Arbeitskräften Männer auch bei Kontrolle vonQualifikationen und familiären Bindungen schneller eine Stelle als Frauen,die erst bei einer höheren Nachfrage nach Arbeitskräften mit der entsprechen-den Qualifikationsstruktur verstärkt zum Zuge kommen. Obwohl hier der Au-genschein zunächst für eine eindeutige Bevorzugung der Männer durch dieArbeitgeber spricht, bietet sich ergänzend eine zweite Erklärung dieses Phä-nomens an: Wenn sich die Ansprüche an einen Arbeitsplatz auf dem Marktnicht realisieren lassen, dann haben Frauen die Möglichkeit, die eigene Le-bensplanung zu ändern und die Ansprüche an den Beruf zu reduzieren, umsich stärker auf eine Familiengründung hin zu orientieren. Eine entsprechendePartnersituation vorausgesetzt, können sie aber auch die beabsichtigte Pha-senfolge des Lebenslaufes ändern und eine ursprünglich erst nach einigenJahren der Berufstätigkeit eingeplante Familienphase vorzuziehen. Ob dieseRechnung später aufgeht, ist allerdings eher zweifelhaft, denn mit der Dauerdes verstrichenen Zeitraumes drohen Qualifikationsverlustes (vgl. Klein/Braun 1995), die einen späteren Berufseinstieg auf dem angestrebten Niveauunwahrscheinlich werden lassen. Männer besitzen eine solche Option nichtund müssen in jedem Fall in den Beruf – notfalls auf einem gegenüber den ur-sprünglichen Ansprüchen deutlich reduzierten Niveau.

Dies ist auch an der Tatsache, daß der Studienerfolg (STERFOLG) beiden Männern keinen signifikanten Einfluß auf den Berufseintritt besitzt, ab-

272 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

273 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

* p < 0,10; ** p < 0,05; *** p < 0,01; **** p < 0,001. MW: Mittelwert, SD: Standardabweichung. Dichotomien sind an der fehlenden SD erkennbar.Stichprobe: Nur Frauen und Männer mit normalem Studienzugang (SNK), die die Hochschulezum Befragungszeitpunkt bereits verlassen haben. Schichtungsvariable: WEITERBI (Weiter-bildung nach dem Studium: 0 keine, 1 Zweitstudium, Promotion, 2 Berufsausbildung). Basis-kategorie der Studiengänge: FHSOZ. (t): Zeitabhängige Variablen als Indikator der privatenLebenssituation. Variablenbildung und Erläuterung der anderen unabhängigen Variablen: Ta-belle A6 im Anhang. Zur Darstellung der Effekte vgl. Long 1987, Kühnel et al. 1989, Urban1993. Negative standardisierte Werte werden als Kehrwerte dargestellt.

49,8****χ² (21 Fg.):95,2****χ² (21 Fg.):12,5%zensiert:15,4%zensiert:

1,05-11,00 13,61 50,08 1,13-10,99** 13,49 50,51 VAPRESTHerkunft

1,061,180,161,031,120,08 KONTAKT

1,04-10,930,461,021,040,49 SCHWERP

1,011,020,09 1,05-10,820,06 EWJOBWST

1,05-10,860,02 1,07-10,750,06 BAVORST1,141,02**6,01-27,66 1,031,014,90-27,58 ANOTE *(-1)1,031,01 2,37 26,84 1,08-10,972,3025,53 ALTSTERF

1,061,160,851,362,69****0,89 STERFOLGLeistungen, Erfahrungen und Übergangsvorbereitungen

1,10-10,700,08 1,05-10,780,04 MED 1,00-11,000,081,021,110,05 RECHT1,081,280,11 1,00-10,990,01 TECH1,071,320,07 1,09-10,63 0,03 NAT1,151,540,111,021,120,04 WIRT

1,03-10,910,10 1,00-11,000,12 SPKO 1,11-10,780,24 1,04-10,920,32 L2 1,02-10,910,061,031,07 0,26 L11,191,71*0,121,061,280,05 FHWN

Studiengang1,061,031,82-1,09 1,211,13**1,52-1,47 ARBMARKT

Die Situation am Arbeitsmarkt und die Qualifikationsstruktur der Bewerber1,141,45**0,14 1,45-10,36****0,15KIND (t)1,061,130,431,041,080,53NLGM/EHE (t)

1,01-10,980,23 1,01-10,980,19EIGWOHN (t)Private Lebenssituation vor dem Berufseintritt

standar- disiert

exp(b*SD)

un-standardexp(b)

SDMWstandar- disiert

exp(b*SD)

un-standardexp(b)

SDMWEffektkoeffizientenEffektkoeffizienten

Männer (n=630)Frauen (n=531)

Tabelle 6.6 Cox-Regression des Berufseintritts nach dem ersten Studium auf die private Le-benssituation, die Situation am Arbeitsmarkt, die Qualifikationsstruktur der Be-werber und deren Herkunft (unter Berücksichtigung möglicher Zusatzqualifika-tionen nach dem Studium als Schichtungsvariable).

lesbar. Ihr Weg führt in jedem Fall in den Beruf – gleichgültig, ob das Studi-um erfolglos abgebrochen oder mit einem Examen abgeschlossen wurde. Diesist offensichtlich bei Frauen anders. Sie treten nach einem Studienabbruch un-gleich seltener als Männer in den Beruf ein und verzichten häufiger auf eineBerufskarriere (vgl. Abb. 6.5). Da angenommen wurde, daß Frauen vor allemwegen familiärer Belastungen auf eine Berufstätigkeit verzichten, überraschtan dieser Stelle die Stärke des Effektes des Studienerfolges auf den Berufs-eintritt, weil der Familiengründungsprozeß in der Analyse ja bereits kontrol-liert wird. Das Examen besitzt für diese Frauen offenbar eine besondere Be-deutung. Nur ein erfolgreich abgeschlossenes Studium eröffnet den Weg indie mit dem Beruf angestrebte wirtschaftliche Unabhängigkeit. Ein Abbruchaber bedeutet – anders als bei den Männern, die ihr Ziel wenigsten auf einemniedrigeren Niveau erreichen – häufig das Scheitern der Pläne. Wie die inTab. 6.3 präsentierten Untersuchungen belegen, sind familiäre Bindungen,insbesondere die Mutterschaft, ein verbreiteter Grund das Studium abzubre-chen. Bei der Analyse des Berufseintritts zeigt sich nun, daß die Frauen, dietrotz zusätzlicher Belastungen durch eine Familie ihr Studium erfolgreich be-enden, nach dem Examen in den Beruf streben. Allen Widrigkeiten zumTrotz, vielleicht auch begünstigt durch besondere Rahmenbedingungen, wieBetreuungsmöglichkeiten für das Kind und finanzielle Sicherheiten, haben sieviel in ihre Ausbildung investiert und erwarten nun den Lohn der Mühen. EinStudienabbruch ist bei Frauen ein Indikator für eine Entscheidung gegen eineBerufskarriere,124 eine Entscheidung allerdings, die häufig erst durch ungün-stige Gelegenheitsstrukturen erzwungen wird. Anders als im Falle des Ar-beitsmarktquotienten, dessen unterschiedlicher Effekt bei Frauen und Män-nern auch auf Diskriminierungstendenzen der Arbeitgeber hinweist, zeigt sichhier wieder die besondere Bedeutung aktiven Wollens und Strebens für dieBerufskarriere von Frauen, während bei Männern vieles selbstverständlicherabzulaufen scheint.125 Gewiß – der Wille allein reicht nicht aus, das Ziel zuerreichen, aber er ist angesichts der Option einer Entscheidung gegen eineBerufskarriere eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg beim Berufs-eintritt.

274 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

125 Der Studienerfolg hat also im Grunde als Variable in der Erklärung des Erfolges beim Beruf-seintritt den Platz der Studienaspirationen (STUD, EVST, UNEN) bei der Erklärung des Stu-dienerfolgs eingenommen.

124 Dies wird zusätzlich unterstrichen, wenn man sieht, daß bei getrennt für ehemalige Studentin-nen mit und ohne Examen gerechneten Cox-Regressionen des Berufseintritts auf den gleichenPrädiktorensatz bei den Abbrecherinnen die Neigung zum Berufseintritt im Falle einer Eltern-schaft auf 5% sinkt, während sie bei den erfolgreichen Studentinnen "nur" auf 44% sinkt (vgl.Birkelbach 1996: TB49/50). Bei Männern ergeben sich dagegen nur minimale Unterschiede.

Die durch den Vergleich zu den sozialwissenschaftlich ausgerichteten Fach-hochschulstudiengängen definierten Effekte der Studienfachwahl bestätigenin der Tendenz – allerdings weitgehend ohne statistische Signifikanz – dieHypothese, daß stärker berufsorientierte Studiengänge den Berufseintritt er-leichtern. So begünstigt bei Frauen und Männern ein technisch, wirtschafts-oder naturwissenschaftlich ausgerichtetes Fachhochschulstudium (FHWN)und ein universitäres Studium der Wirtschaftswissenschaften (WIRT) den Be-rufseinstieg. Darüber hinaus finden wir bei den Männern positive Effekte beitechnischen (TECH) und naturwissenschaftlichen (NAT) Studiengängen undbei den Frauen im Falle eines Lehrerstudiums mit dem Ziel des Grundschul-lehrers (L1), sowie bei einem Jurastudium (RECHT).

Auch wenn die Effekte statistisch ohne Signifikanz sind, ist doch interes-sant, daß noch unter Kontrolle der übrigen Prädiktoren bei den traditionell"männlichen" Studiengängen naturwissenschaftlich oder technischer Ausrich-tung (vgl. Hille 1993, Metz-Göckel et al. 1989) eine Interaktion mit dem Ge-schlecht zu berichten ist: Ein Studium dieser Fächer verringert bei Frauen dieArbeitsmarktchancen, während es sie bei den Männern verbessert. Das aberdeutet auf eine einseitige Bevorzugung der Männer bzw. Diskriminierung derFrauen durch die Arbeitgeber hin, denn die relativ wenigen Frauen, die einensolchen Studiengang wählen (vgl. Birkelbach 1996: TB2), zeigen allein schondurch diese Wahl, daß sie nicht bereit sind, sich einer vorgegebenen Ge-schlechtstypik unterzuordnen, und daher auch nach dem Examen vermutlichin den Beruf streben (vgl. Meulemann 1990a).

Nachdem die fachliche Qualifikation der Bewerber durch die Berücksich-tigung des Studiengangs und des Erfolgs im Studium kontrolliert ist, solltenberufliche Erfahrungen der Bewerber, spezifische Übergangsvorbereitungenund ihre Leistungsfähigkeit weitere Kriterien für Arbeitgeber sein, geeigneteBewerber auszuwählen. Aber berufliche Erfahrungen, die die Absolventen ineiner Berufsausbildung vor dem Studium gewonnen haben (BAVORST), undauch Berufserfahrungen durch Erwerbstätigkeit oder Jobs während des Studi-ums (EWJOBWST) begünstigen den Berufseintritt nach dem Studium nicht.Ähnlich sieht es bei den Variablen aus, die Übergangsvorbereitungen bereitsim Studium, wie eine Schwerpunktbildung im Studium (SCHWERP) und dieAnbahnung von Kontakten zu Arbeitgebern bereits im Studium (KON-TAKT), indizieren. In all diesen Fällen sind die Effekte nur schwach undnicht signifikant. Die Richtung der Einflüsse wechselt zum Teil zwischen denGeschlechtern, nur die frühzeitige Anbahnung von Kontakten ist bei Frauenund Männern gleichermaßen hilfreich (vgl. Meulemann 1990a: 254, 1995:194). Wie zusätzliche, nach dem Studienerfolg differenzierte Analysen

275 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

zeigen, sind bereits im Studium geknüpfte Kontakte zu Arbeitgebern insbe-sondere im Falle eines Abbruchs von Bedeutung, aber sie erleichtern auchnach einem Examen den Berufseinstieg (Birkelbach 1996: TB49/50). Die be-sondere Bedeutung von Kontakten bei Abbrechern resultiert möglicherweisedaher, daß der Studienabbruch vor allem dann ein Alternative zur Fortsetzungdes Studiums darstellen kann, wenn sich jenseits des Studiums eine beruflichePerspektive bereits abzeichnet (vgl. Blaneck 1994: 100).

Eine andere Größe, die hier berücksichtigt wurde, weil sie vermutlich vonArbeitgebern vor allem im Falle eines Studienabbruchs als Leistungsmerkmalzur Beurteilung der Bewerber herangezogen wird, ist die Leistung im Abitur(ANOTE). Diese inzwischen weit zurückliegende Leistung scheint für Arbeit-geber auch unabhängig vom Erfolg im Studium ein Indikator für das Lei-stungspotential der Bewerber zu sein. Aber es ist ein Maßstab, den Arbeitge-ber vor allem zur Beurteilung von männlichen Bewerbern heranziehen, wieder im Vergleich zu den Frauen wesentlich stärkere Effekt bei den Männernzeigt. Der unterschiedliche Einfluß der Abitursleistung bei Frauen und Män-nern ist darauf zurückzuführen, daß die Frage der Qualifikation erst dann be-deutsam wird, wenn die grundsätzliche Frage des Berufseintritts geklärt ist.Der aber steht bei Männern außer Zweifel, so daß stärker Leistungsmerkmalein den Vordergrund rücken können.

Das Alter beim ersten Studienabschluß bzw. beim Abbruch des Studiumshat weder bei Frauen noch bei Männern einen signifikanten Effekt auf die Be-rufseintrittsneigung. Interessant aber ist die Gegenläufigkeit der Effekte. Of-fensichtlich wirkt sich ein langes Studium, das hier durch ein erhöhtes Alterbeim Studienabschluß indiziert wird, nur bei Frauen negativ auf die Berufs-eintrittsneigung aus, beschleunigt diesen Prozeß aber tendenziell bei männli-chen Absolventen. Schaut man noch etwas genauer hin und differenziert nachehemaligen Hochschülern mit und ohne Examen, dann sieht man, daß nacheinem Studienabbruch die Berufseintrittsneigung bei Frauen und Männern re-lativ deutlich – wenn auch wegen der geringen Fallzahlen statistisch nicht si-gnifikant – mit zunehmendem Alter steigt (Birkelbach 1996: TB49/50). Of-fenbar soll die in einem erfolglosen Studium vertane Lebenszeit nach demAbbruch mit Hilfe einer zügigen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit teilweisewieder wettgemacht werden. Blickt man nun auf die Befragten mit Examen,dann sinkt mit dem Lebensalter die Berufseintrittsneigung – allerdings beiden Männern nur schwach, während der Effekt bei Frauen stärker und sogarsignifikant ist. Hier scheint sich auf den ersten Blick also die Hypothese zubestätigen, daß für Arbeitgeber eine in kürzerer Zeit erbrachte Leistung einwichtiger Maßstab zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Bewerber ist.

276 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Aber wieso ist der Effekt dann bei Frauen so viel ausgeprägter als bei Män-nern? Bei Frauen indiziert das Alter zum Zeitpunkt des Studienabschlussesnicht nur dem potentiellen Arbeitgeber die Dauer des Studiums und damit dieLeistungsfähigkeit, sondern ist – wie schon im Falle des Abbruchs – zugleichauch der Person eine Bedingung der weiteren Lebensplanung. Mit zunehmen-den Alter wächst bei Frauen der Druck, sich zwischen Beruf und Familie zuentscheiden. Dies aber ist natürlich auch potentiellen Arbeitgebern bekannt,von denen einige vielleicht schon wegen der daraus resultierenden Unsicher-heit und wegen des potentiellen Kostenrisikos davor zurückscheuen, ältereHochschulabsolventinnen einzustellen.126 Wenn dies zutrifft, dann hält Frauennicht nur die bereits getroffene Entscheidung für die Familie vom Arbeits-markt fern, sondern bereits die Tatsache, daß sie sich für eine Familie – unddamit gegen eine ausgeprägte Berufsorientierung – entscheiden könnten, re-duziert unter bestimmten Bedingungen ihre Berufschancen.

Die durch das Prestige des Vaterberufs (VAPREST) erhobene sozialeHerkunft wirkt sich bei Männern und Frauen – bei letzteren auch signifikant –negativ auf die Berufseintrittsneigung aus. Offenbar bestätigt sich hier dieVermutung, daß mit der sozialen Herkunft die Ansprüche an den späteren Ar-beitsplatz steigen und gleichzeitig eine längere Phase der Sucharbeitslosigkeitleichter in Kauf genommen werden kann.

Der Berufseintritt als Selbstverständlichkeit und als Entscheidung

Der Schritt in die Erwerbstätigkeit erfolgt bei Männern mit viel größererSelbstverständlichkeit als bei Frauen. Auch bei Männern gibt es Faktoren, diediesen Prozeß verzögern oder beschleunigen können, aber das Ziel selbststeht außer Frage. Die Einflüsse der anderen berücksichtigten Faktoren sinddenn auch deutlich schwächer als bei den Frauen. Lediglich bei den Studien-fächern und dem Notendurchschnitt im Abitur übersteigen die Effekte die beiden Frauen beobachteten leicht. Beides sind Kriterien, anhand derer Arbeitge-ber die Bewerber auswählen, d.h. es handelt sich um Effekte der Nachfrage-seite. Aber auch der Anbieter beeinflußt den Prozeß der Berufseinmündung,indem er bestimmte Ansprüche an Beruf und Arbeitsstelle hegt. Sind dieseAnsprüche besonders hoch, dann verlängert sich die Suche. Umgekehrt kanner seine Marktchancen erhöhen, indem er seine Erwartungen reduziert. Eine

277 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

126 Dies würde die Theorie der statistischen Diskriminierung (Cain 1976: 1232ff) stützen, die an-nimmt, daß Arbeitgeber mangels besserer Informationen auf Alltagserfahrungen und -wissen zu-rückgreifen, und dabei Frauen eine Lebensplanung, und damit ein Erwerbsverhalten unterstel-len, das dem wahrgenommenen durchschnittlichen Erwerbsverhalten von Frauen entspricht.

solche Reduktion der Ansprüche wird zwar kaum ohne Not geschehen, aberder Anpassungsdruck steigt mit der Dauer der erfolglosen Suche und er ver-stärkt sich in besonderen Lebenssituationen, wie sie die Verantwortung für ei-ne Familie darstellt. Dies kann den beschleunigenden Effekt einer Familien-gründung bei Männern erklären.

All dies gilt natürlich grundsätzlich auch für Frauen. Auch bei ihnen istdie Dauer des Suchprozesses davon abhängig, wie gut sie bestimmten Aus-wahlkriterien der Arbeitgeber genügen. Aber die Berufseinmündung vonFrauen unterliegt nicht nur der spezifischen Rationalität von Angebot undNachfrage, sondern wird darüber hinaus durch das besondere Verhältnis vonBeruf und Familie geprägt. Frauen können und müssen sich unter bestimmtenBedingungen zwischen Beruf und Familie entscheiden, oder sie können ver-suchen, beides miteinander zu vereinbaren. Aber dabei handelt es sich letzt-lich um einen Kompromiß, der meist zu Lasten der Berufskarriere geht. DieEntscheidung selber hängt von persönlichen Präferenzen, aber auch von denRahmenbedingungen der Situation ab. Wie sich dieses Spannungsverhältniszwischen Beruf und Privat im Entscheidungsverhalten von Frauen ausdrückt,wurde in der vorliegenden Analyse daran deutlich, daß einerseits ein Kind dieBerufseintrittsneigung sehr stark senkt, andererseits aber der Studienerfolg alsZeichen einer beruflichen Orientierung sie fast ebenso stark erhöht. Zugleichist der Berufseintritt bei Frauen viel stärker als bei Männern von den Rah-menbedingungen des Arbeitsmarktes abhängig. Hier kann nicht entschiedenwerden, ob sich bei einer schlechten Arbeitsmarktsituation Frauen eher ent-mutigen lassen und auf den Schritt in den Beruf verzichten, oder ob auf deranderen Seite Arbeitgeber bei einem Überangebot von Bewerbern Männerbevorzugen. Immerhin aber lassen sich dafür, daß es unabhängig von subjek-tiven Präferenzen und individuellem Entscheidungsverhalten der Frauen auchauf Seiten der Arbeitgeber Tendenzen gibt, Männer zu bevorzugen, in denAnalysen einige weitere Indizien finden. So erschwert ein naturwissenschaft-lich oder technisch ausgerichtetes Studium bei Frauen den Berufseintritt, er-leichtert es aber bei Männern, wobei Geschlechterstereotype auf Seiten derArbeitgeber gewiß eine Rolle spielen dürften. Solche Vorbehalte der Arbeit-geber gegen die Beschäftigung von Frauen basieren auch auf der Überzeu-gung, daß Frauen sich an einem bestimmten Punkt ihres Lebens zwischen Be-rufskarriere und Familie entscheiden müssen, und diese Entscheidung über-wiegend zugunsten der Familie und damit gegen die Berufskarriere ausfällt.So wird bei Frauen mit zunehmendem Alter beim Examen, je näher also derZeitpunkt einer möglichen Entscheidung zwischen beiden Lebensbereichenrückt, der Berufseintritt stärker als bei Männern erschwert.

278 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß – wie schon der Studienzugangund der Erfolg im Studium – auch der Erfolg bei der Berufseinmündung beiFrauen viel mehr als bei Männern durch die Rahmenbedingungen des Prozes-ses und durch Entscheidungen, die auf diesen Bedingungen und auf subjekti-ven Präferenzen basieren, beeinflußt wird. Dagegen ist der Berufseintritt fürMänner eine Selbstverständlichkeit, zu der keine Alternative besteht.

6.5 Erfolg im ersten Beruf: Einkommen und Berufsstatus

6.5.1 Variablen und Hypothesen

Um die Auswirkungen der privaten Lebenssituation auf die Berufseinmün-dung genauer zu untersuchen, soll nun das Einkommen und das Berufspresti-ge des ersten Berufes nach dem Verlassen der Hochschule mit einem ähnli-chen Prädiktorensatz wie die Berufseinmündung vorhergesagt werden. DieGeschwindigkeit des Berufseintritts ist nur ein Kriterium einer erfolgreichenVerwertung des während des Studiums akkumulierten Humankapitals. Min-destens ebenso wichtig ist, ob die Investitionen auch in dem dann erreichtenBeruf eine entsprechende Rendite in Form von Einkommen und Prestige ab-werfen. Das Berufsprestige wird durch Wegeners (1985, 1988) Magnitude-Prestigeskala (MPS) für die erste Berufstätigkeit nach dem Studium erhoben.Als Maßstab des Einkommens wird hier vor allem auf das Monatseinkommen(und nur ergänzend auf das Einkommen pro Arbeitsstunde) zurückgegriffen.Gewiß ist das Stundeneinkommen ein besserer Maßstab dafür, wieviel die ge-leistete Arbeit auf dem Markt wert ist. Es ist ähnlich dem Prestige ein Indika-tor für die Wertschätzung der Tätigkeit. Das Monatseinkommen aber stellt ei-ne zusätzliche Dimension des Erfolges im Beruf dar, denn als Haupteinnah-mequelle des Individuums bestimmt es direkt dessen Lebensverhältnisse. Mitdem Prestige – und ähnlich ist es mit dem auf eine Arbeitsstunde bezogenenEinkommen – erfolgt dagegen eine soziale Bewertung der geleisteten Arbeit.Das Monatseinkommen ist in stärkerem Maße ein persönlicher Maßstab desErfolgs.127 Es wird weniger durch externe Faktoren, wie den Markt, bestimmt,

279 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

127 Die größere subjektive Präsenz des Monatseinkommens ist auch der Grund, daß in der vorlie-genden, wie in den meisten anderen mir bekannten Befragungen das Monatseinkommen direkterfragt wird, das Stundeneinkommen aber erst nachträglich errechnet werden muß.

sondern es ist mehr vom konkreten Handeln der Person abhängig, die dadurcheine spezifische Situation zu lösen versucht (Thomas/Znaniecki 1923: 68).Teilzeitbeschäftigung, mit der zwangsläufigen Folge eines reduzierten monat-lichen Einkommens, und Mehrarbeit, um das verfügbare Einkommen zu erhö-hen, sind Antworten auf die besonderen Probleme, die sich aus der privatenLebenssituation ergeben. Deren Einfluß auf die Verwertung von Bildungsin-vestitionen im Beruf aber steht im Zentrum des Interesses der beabsichtigtenUntersuchung.

Bei der Analyse der zeitlichen Dimension der Berufseinmündung hat sichgezeigt, daß nur eine Elternschaft vor dem Berufseintritt einen signifikantenEinfluß auf diesen Prozeß besitzt. Sie beschleunigt ihn bei Männern, führtaber zu starken Verzögerungen bei Frauen (Tab. 6.6). Als Ursache dafür wur-de das an traditionellen Geschlechterrollen orientierte Verhalten identifiziert.Männer müssen dann in den Beruf, weil sie eine Familie zu versorgen haben.Aus dem gleichen Grund werden sie ein möglichst hohes Einkommen anstre-ben. Darüber hinaus gibt es nicht nur im öffentlichen Dienst Kinderzulagenzum Gehalt und auch durch steuerliche Freibeträge erhöht sich für Eltern dasverfügbare Einkommen. Der größere Druck, schnell in den Beruf einzutreten,wie auch die Priorität zugunsten eines möglichst hohen Einkommens, könnteallerdings dazu führen, daß ein Bewerber sich eher mit einem weniger presti-geträchtigen Beruf zufrieden gibt. Da aber die Dauer des Suchprozesses(DSUCH) in der Analyse kontrolliert wird, sind allenfalls schwache Einflüsseder Elternschaft auf das Prestige zu erwarten. Frauen dagegen fehlt häufig dieZeit, einen Beruf auszuüben, wenn sie ein Kind zu betreuen haben. Einigeverzichten daher auf den Schritt in den Beruf, bei anderen verzögert sich derBerufseintritt, und schließlich versucht eine dritte Gruppe, Beruf und Familiedurch eine Teilzeitbeschäftigung zu vereinbaren. Die Mutterschaft sollte da-her das erzielte Einkommen senken. Schwieriger vorherzusagen ist der Ein-fluß einer Familiengründung vor dem Berufseinstieg auf die Berufswahl unddamit auf das Berufsprestige. Mögliche Dequalifizierungsprozesse, die mitder Dauer des Aufschubs des Berufseintritts einhergehen, sollten sich vor al-lem in einem negativen Effekt der Länge dieses Zeitraumes (DSUCH) auf dasPrestige bemerkbar machen. Aber möglicherweise ist bereits die Tatsache,daß das Risiko der Elternschaft schon vor dem Berufseintritt eingegangenwurde, ein Indiz geringerer beruflicher Ambitionen. Der inzwischen vollzoge-ne Berufseintritt allerdings belegt, daß die hier betrachteten Frauen sehr wohlneben der Familie auch eine berufliche Lebensperspektive anstreben und daß

de Lebensbereiche zu integrieren, einen Berufseintritt suchen, der ihrem er-worbenen Qualifikationsniveau entspricht, so daß bei Kontrolle der Qualifika-tionsstruktur allenfalls schwache negative Effekte auf das Berufsprestige zuerwarten sind.

Die Qualifikationsstruktur, also das, was die Bewerber potentiellen Ar-beitgebern bieten können, wird in den folgenden Analysen durch einen Prä-diktorsatz indiziert, der weitgehend dem schon bei der Analyse des Berufsein-trittsprozesses verwendeten entspricht. Auch die Voraussagen decken sich inweiten Bereichen. So sollte auch hier gelten, daß Leistungen und Investitio-nen sich auszahlen und das Berufsprestige bzw. das Einkommen positiv be-einflussen.

Unter den Investitionen sind wiederum die Studiengänge von besondererBedeutung. Sie bereiten fachlich auf bestimmte Berufsfelder vor und solltendadurch den stärksten Einfluß auf das Berufsprestige besitzen. So ist bei-spielsweise das durchschnittliche Prestige im ersten Beruf nach einem Medi-zinstudium am höchsten, weil das Medizinstudium auf den hoch angesehenenArztberuf vorbereitet. Am anderen Ende der Skala findet man die in der Ana-lyse als Basiskategorie verwendeten sozialwissenschaftlich ausgerichtetenFachhochschulstudiengänge (Meulemann 1995: 207). Während die Prestige-skala einzelne Berufe direkt mit einem bestimmte Prestigescore verknüpft, isteine solche eindeutige Beziehung zwischen Beruf und Einkommen nur einge-schränkt gegeben. Die Einflüsse der einzelnen Studiengänge auf das Einkom-men sollten schwächer sein als die auf das Prestige.

Aber die durch das Studium angestrebten Berufe bleiben häufig unerreich-bar ohne ein entsprechendes Examen (STERFOLG). Dies gilt für die klassi-schen Professionen Recht und Medizin, aber auch für den öffentlichen Dienstmit seinen strengen Laufbahnregeln. Und auch in der Wirtschaft ist ein Hoch-schulabschluß oft eine Voraussetzung für eine gehobene Position. Ein hohesEinkommen läßt sich dagegen auch ohne ein erfolgreich abgeschlossenes Stu-dium erzielen, so daß auch beim Studienerfolg ein schwächer Einfluß auf dasEinkommen als auf das Prestige zu erwarten ist. Als Auswahlkriterium, aufdas Arbeitgeber vor allem – aber nicht nur – bei einem fehlenden Studiener-folg zurückgreifen, wird wiederum zusätzlich die Abitursleistung (ANOTE)kontrolliert. Sie indiziert die individuelle Leistungsfähigkeit der Bewerberund sollte daher beide Indikatoren beruflichen Erfolgs positiv beeinflussen.

Ebenfalls durch einen positiven Effekt auf Prestige und Einkommen solltesich der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen vor und nach einem Studium be-merkbar machen. Dazu zählt die Tatsache einer Berufsausbildung vor demStudium (BAVORST) und eines Zweit-, Aufbau- oder Promotionsstudiums

281 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

im Anschluß an das erste erfolgreich abgeschlossene Studium (ZWSTUD).Etwas anders dürfte es sich mit einer Berufsausbildung nach dem Studium(BANACHST) verhalten, die zwar auch eine zusätzliche Qualifikation dar-stellt, aber auch zeigt, daß das Studium alleine nicht ausgereicht hat, denBerufseinstieg zu gewährleisten. Das absolvierte Studium hat sich als Fehlin-vestition erwiesen, so daß zumindest das Berufsprestige negativ beeinflußtwerden dürfte. Dies gilt nicht unbedingt für das Einkommen, dessen Höheweniger stark an ein erfolgreich abgeschlossenes Studium gebunden ist.

Ebenfalls kontrolliert werden wieder die Variablen, die bei der Analysedes Berufseintritts unter dem Begriff der Übergangsvorbereitungen zusam-mengefaßt wurden. Erwerbstätigkeiten oder Jobben vor dem Verlassen derHochschule (EWJOBST) können von Arbeitgebern als Erfahrungen gewertetwerden, die dann auch mit einem höheren Einkommen honoriert werden. Ein-flüsse auf das Prestige sind nicht zu erwarten. Wenn bereits während des Stu-diums Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern geknüpft werden (KONTAKT),dann sicher im anvisierten Berufsfeld. Kontakte sollten also helfen, in einenBeruf einzusteigen, der den Erwartungen entspricht, und sich dadurch positivauf das Prestige auswirken. Allerdings stimmen die schwachen Effekte beiden Analysen des Berufseintritts eher skeptisch bezüglich der Stärke des Ein-flusses. Auch ob eine Schwerpunktbildung im Studium (SCHWERP) hilft, ineinen besonders prestigeträchtigen Beruf zu gelangen und dort ein hohes Ein-kommen zu erzielen, kann nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen eherbezweifelt werden. Um des Vergleichs willen wird diese Variable hier den-noch mitkontrolliert.

Schließlich wird auch das Alter (ALTSTERF), wie schon bei der Analysedes Berufseintrittsprozesses, berücksichtigt. Wiederum gilt, daß das Alterdem Individuum ein Maßstab für Planungen und Ansprüche ist. Mit steigen-dem Alter – auch wegen der subjektiv höheren Bildungsinvestitionen, für diedas Alter beim ersten Studienerfolg, bzw. beim Verlassen der Hochschuleebenfalls steht – sollten vor allem die Ansprüche an das Gehalt steigen. Aucheinzelne Tarifverträge, insbesondere im öffentlichen Dienst, sehen eine Al-tersstaffelung des Gehalts vor, so daß sich auch dadurch ein positiver Einflußauf das Einkommen ergeben dürfte. Negative Effekte des Alters auf die Dauerdes Berufseintrittsprozeß, die darauf hinweisen könnten, daß Arbeitgeber beilangen Studienzeiten auch auf mangelnde Leistungsfähigkeit der Bewerberschließen könnten, waren insgesamt schwach ausgeprägt und nur bei denFrauen eben signifikant. Dennoch erschwert dieser gegenläufige Zusammen-hang eine Voraussage. Es muß vorläufig offen bleiben, was sich durchsetzt:die höheren Ansprüche älterer Bewerber oder die tendenziell negative Bewer-

282 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

tung langer Studienzeiten durch die Arbeitgeber. Dies gilt besonders, weil dieDauer der Suche (DSUCH) ebenfalls kontrolliert wird.

Aber auch die Dauer der Suche ist als Prädiktor selbst nicht unproblema-tisch (vgl. Ziegler u.a. 1987: 23). Sie wirkt nur indirekt über das Anspruchsni-veau auf Prestige und Einkommen im ersten Beruf. Eine kurze Suchdauerkann anzeigen, daß das Anspruchsniveau von Beginn an relativ niedrig ange-setzt wurde; eine kurze Suchphase kann aber auch bedeuten, daß die vorhan-denen hohen Ansprüche schnell erfüllt werden, während zu langes Zögerndurch eine sich verändernde Marktlage bestraft wird. Umgekehrt werden ver-mutlich mit der Dauer der Wartezeit die Ansprüche sinken, aber es ist auchdenkbar, daß erst nach langer Suche ein den Erwartungen entsprechender Ar-beitsplatz gefunden wird. Die entscheidende Größe sind also die Ansprüchean den gesuchten Arbeitsplatz.

Welche Faktoren aber spielen neben der Qualifikationsstruktur, dem Fa-milienstand und dem Alter eine Rolle für das subjektive Anspruchsniveau?Ein Indikator für den Erwartungshorizont der Bewerber ist neben der Qualifi-kation ihre soziale Herkunft. Sie wird wiederum mittels des väterlichen Be-rufsprestiges (VAPREST) erhoben. Mit der sozialen Herkunft sollten die An-sprüche an den Beruf steigen. Die Analyse des Berufseintrittsprozesses (Tab.6.6) legt darüber hinaus den Schluß nahe, daß es auch vom sozialen Hinter-grund abhängt, inwieweit man sich eine lange Suche leisten kann. Jedenfallssank in diesen Analysen mit der Höhe des Prestiges des väterlichen Berufesauch die Neigung, in den Beruf einzutreten. Ob der längere Atem sich bezahltmacht, wird sich hier herausstellen. Als ein zusätzlicher Indikator für dieAspirationen der Person sollen hier wieder die schon aus früheren Analysenbekannten Studienaspirationen (STUD, EVST und UNEN) berücksichtigtwerden. Die Gewißheit, mit der die damals 15-16jährigen Gymnasiasten einStudium angestrebt haben, steht hier noch einmal für die langfristigen Le-bensplanungen der Bewerber. Darüber hinaus legt das Individuum seine An-sprüche natürlich nicht unabhängig von den Möglichkeiten des Arbeitsmark-tes fest. Bei einer schlechten Arbeitsmarktlage sollten Bewerber eher bereitsein, schlechtere Bedingungen zu akzeptieren.

6.5.2 Ergebnisse

Die Ergebnisse der Regressionen auf den Berufsstatus und das Einkommenim ersten Beruf nach dem Verlassen der Hochschule sind in Tabelle 6.7 dar-gestellt. Der beschriebene Prädiktorensatz erklärt – korrigiert um die Anzahl

283 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

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* p < 0,10; ** p < 0,05; *** p < 0,01; **** p < 0,001; Stichprobe: SNK und Berufseintritt.Variablenbildung: Tabelle A6 im Anhang. Bei den Variablen zur privaten Lebenssituationhandelt es sich um Dummy-Variablen, die aus einer fünfstufigen Variable, die indiziert, bis zuwelcher Stufe der Prozeß vom Elternhaus bis zur eigenen Familie beim Berufseintritt fortge-schritten ist, gebildet wurden. Basiskategorien: Private Lebenssituation: "Bei den Eltern", derStudienaspirationen: "Keine Studienabsicht", Studiengang (STGANG): FHSOZ.

4,3*** 4,5**** 17,7***15,5****F-Wert0,170,220,490,50R2 (korr. für 28Fg.)=441 344 492 403 N=

,09 ,10 ,30**** ,33 ,043,25 ,031,89 UNEN ,04 ,04 ,19*** ,24 ,065,95 -,04-2,75 EVST ,16 ,14 ,27**** ,26 ,053,51 ,00 ,20ASPIR:STUD ,07 ,00 -,03 -,00 ,060,17 ,01 ,02VAPREST

Herkunft und Aspirationen ,01 ,00 -,04 -,00 -,01 -,03 -,06 -,12DSUCH ,00 ,00 ,15* ,05 ,051,05 ,16***2,93ARBMARKT

-,02 -,00 ,08 ,02 ,01 ,10 ,09*1,22ALTSTERF ,09* ,01 ,05 ,00 ,12***0,75 ,13*** ,73ANOTE *(-1) ,01 ,01 -,01 -,01 ,032,42 -,04-2,10SCHWERP ,03 ,04 -,01 -,02 ,044,44 ,07*7,01KONTAKT

-,12** -,18 -,22**** -,50 -,05-6,59 -,06-8,32EWJOBWST ,07 ,10 ,07 ,14 ,067,23 ,00 ,28BAVORST ,03 ,04 ,18*** ,27 -,05-6,12 -,01-1,26BANACHST ,13*** ,30 ,13** ,31 ,08**14,15 ,14***17,84ZWSTUD ,12** ,15 ,15** ,26 ,31****32,22 ,29****28,24STERFOLG ,35**** ,54 ,11 ,25 ,58****77,79 ,48****61,85MED ,16* ,26 ,03 ,07 ,26****35,50 ,23****33,05RECHT ,25** ,34 -,01 -,03 ,15*17,61 ,023,92TECH ,02 ,04 -,05 -,15 ,23****33,83 ,13***23,91NAT ,14 ,19 ,05 ,12 ,16**18,60 ,14***20,53WIRT ,02 ,03 -,01 -,01 ,19**23,66 ,13**11,12SPKO ,21 ,22 ,22** ,24 ,21**19,21 ,32****19,30L2

-,02 -,04 -,15 -,16 ,069,41 ,14*8,52L1 ,09 ,12 ,08 ,15 ,067,17 ,12**13,59STGANG:FHWN

Die Situation am Arbeitsmarkt und die Qualifikationsstruktur der Bewerber ,10* ,12 -,03 -,06 ,08*4,57 -,02-2,13KIND ,10* ,11 ,05 ,06 ,054,52 -,01 -,41EHE ,01 ,01 ,06 ,06 ,044,01 -,07-4,26NLGM ,03 ,04 ,07 ,08 ,11**9,79 -,02-1,24EIGWOHN

Private Lebenssituation vor dem Berufseintritt7,196,5553,7455,38Interzept

standardisiert

unstan-dardisiert

standar-disiert

unstan-dardisiert

standardisiert

unstan-dardisiert

standar-disiert

unstan-dardisiert

MännerFrauenMännerFrauenEinkommen (Monat)Prestige (MPS)

Tabelle 6.7 Regression des Prestiges und des (logarithmierten) Monatseinkommens im erstenBeruf nach dem Studium auf die private Lebenssituation, die Situation am Ar-beitsmarkt, die Qualifikationsstruktur der Bewerber und deren Herkunft.

der Prädiktoren – etwa 50% der Varianz des Prestiges, aber nur rund 20% derEinkommensvarianz. Auffällig ist auch, daß bei den Frauen dieser Wert imFalle des Prestiges etwas, im Falle des Monatseinkommens sogar deutlich(um 5 Prozentpunkte) höher liegt als bei den Männern. Die Ursachen dieserDifferenzen können herausgearbeitet werden, wenn wir den spezifischen Bei-trag der einzelnen Prädiktoren genauer betrachten. Dies gilt auch für die vielgrößeren Differenzen zwischen der Erklärung des Berufsprestiges und desEinkommens. Vorweg aber muß darauf hingewiesen werden, daß ein Teil die-ser Differenz vermutlich darauf zurückzuführen ist, daß sich die Angaben aufTatbestände beziehen, die bei ihrer Erhebung nicht selten bereits einige Jahrezurückliegen. Die Erinnerung an die erste berufliche Position ist aber sicherviel ausgeprägter als die an das erste Einkommen. Die Angaben zum An-fangsgehalt dürften daher mit einer deutlich höheren Fehlervarianz als diezum Berufsstatus behaftet sein, so daß sie sich auch schlechter voraussagenlassen (Meulemann 1991a: 240). Erinnerungslücken sind sicher auch eine derUrsachen für die hohe Anzahl fehlender Werte beim Einkommen, die dieStichprobe noch einmal deutlich reduzieren.128

Private Bindungen vor dem Berufseintritt

Wie wir wissen, senkt die Elternschaft bei Frauen die Neigung zum Berufs-eintritt und beschleunigt diesen Prozeß bei Männern (Tab. 6.6). Aber davonabgesehen waren keine signifikanten Einflüsse der privaten Lebenssituationauf die Dauer des Suchprozesses feststellbar. Ähnlich verhält es sich mit demMonatseinkommen (Tab. 6.7). Bei den Männern lassen sich schwach signifi-kante positive Effekte im Falle einer Ehe oder der Elternschaft auf das Mo-natseinkommen berichten. Daß es sich dabei nicht nur um einen Effekt derSteuerpolitik handelt, wird erkennbar, wenn man zusätzlich die Analysen desStundeneinkommens (Tab. A6.7b im Anhang) betrachtet, wo sich der Einflußder Vaterschaft deutlich abschwächt. Dies weist darauf hin, daß Väter auchdurch Mehrarbeit versuchen, ihr Einkommen zu erhöhen, um gestiegenen fi-nanziellen Belastungen gerecht zu werden. Frauen zwingt die zusätzliche zeit-liche Belastung durch ein Kind häufiger zu Teilzeitarbeit, wie an dem Kon-trast der – allerdings nicht signifikanten – Einflüsse auf Monats- und Stunden-

285 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

128 Wegen Erinnerungsmängeln sind auch die Angaben zur Anzahl der geleisteten Wochenstun-den eine zusätzliche Fehlerquelle. Die erklärte Varianz bei den im Anhang dargestellten Analy-sen des auf eine Arbeitsstunde bezogenen Gehaltes (Tab. A6.7b) sinkt im Vergleich zum Mo-natseinkommen daher noch einmal leicht.

einkommen ablesbar ist, wo eine leichte Steigerung des Stundeneinkommenseiner Senkung des Monatseinkommens gegenübersteht.

Schwieriger als beim Einkommen sind die Einflüsse der privaten Lebens-situation auf das Prestige des ersten Berufes zu interpretieren. Direkte Effekteeiner Elternschaft vor dem Berufseintritt sind kaum wahrnehmbar. Das warauch für Frauen kaum anders zu erwarten, denn wenn Frauen trotz der Bela-stungen durch ein Kind nach dem Studium einen Beruf aufnehmen, dannsollten – wie bei Männern – vor allem die Bildungsinvestitionen das Niveauder Ansprüche an den Beruf bestimmen. Dennoch scheint sich bei Frauennach dem Verlassen des Elternhauses jede andere Lebenssituation tendenziellnegativ auf den Status im ersten Beruf auszuwirken. Verengt man die Per-spektive auf die im Studium erfolgreichen Hochschulabsolventinnen (Tab.A6.9a im Anhang), dann verstärken sich die Effekte leicht, in einem Fall(NLGM) wird auch die 10%-Signifikanzgrenze erreicht. Bei den Männernsind dagegen alle Effekte positiv. Die Einflüsse verstärken sich bei den Hoch-schulabsolventen mit Examen noch einmal geringfügig (Tab. A6.7a). Die Tat-sache, daß bei den Frauen alle Effekte im Vergleich zur Basiskategorie nega-tiv, bei den Männern aber alle positiv sind, legt es nahe, die Ursache in derBasiskategorie zu suchen. Es dürfte aber kaum die Lebenssituation als solchesein, die Männern, die noch im Elternhaus leben, den Weg in prestigeträchti-ge Berufe verlegt, während bei den Frauen eher das Gegenteil der Fall zu seinscheint. Eine denkbare Lösung des Rä5.6(e)-7.20sung d

marstufe, am oberen Ende die klassischen Professionen Recht und Medizin.Allerdings ist der Prestigegewinn für Männer sowohl in den eher wissen-schaftsorientierten Fächern (SPKO, NAT) aber auch in den technischen Fä-chern (TECH) und der Medizin (MED) deutlich höher als für Frauen. Davonunabhängig bringt auch der Studienerfolg Männern einen etwas größeren Pre-stigegewinn. Da weitere Qualifikationsmerkmale, ebenso wie die private Le-benssituation und langfristige Aspirationen der Person, kontrolliert werden,zeigen diese Ergebnisse, daß bei gleicher Ausbildung nach wie vor Männerleichter Zugang zu bestimmten, besonders prestigeträchtigen Berufen finden.

Längst nicht so ausgeprägt wie im Falle des Prestiges sind die Einflüsseder Studiengänge auf das Einkommen. Bei den Frauen verspricht im Ver-gleich zu den sozialwissenschaftlichen Fachhochschulstudiengängen nur dasLehrerstudium (L2) ein signifikant höheres Anfangseinkommen, während deretwa gleich hohe Einfluß des Medizinstudiums wegen der geringen Fallzahlnicht signifikant ist. Negative Effekte, allerdings allesamt nicht signifikant,ergeben sich bei den Grundschullehrerinnen, sowie bei den wissenschaftsori-entierten (SPKO, NAT) und den technischen Fächern (TECH). Bei den Män-nern finden wir nur bei den Grundschullehrern einen sehr schwachen negati-ven Effekt, alle anderen Vorzeichen sind positives. Ein signifikant höheresAnfangseinkommen als nach einem sozialwissenschaftlichen Fachhochschul-studium können Absolventen eines technischen Studiengangs und der klassi-schen Professionen Jura und Medizin erwarten; die Lehramtskandidaten (L2)verfehlen die Signifikanzgrenze (10%) nur knapp. Beachtlich sind auch hierwieder die Differenzen zwischen den Geschlechtern: Der Gewinn durch die"richtige" Wahl des Studienganges fällt in fast allen Fächer bei den Männernhöher aus als bei den Frauen. Die Differenzen vergrößern sich z.T. sogarnoch, wenn man nur die erfolgreichen Absolventen betrachtet (Tab. A6.7a imAnhang) und sie verschwinden auch größtenteils auch dann nicht, wenn manstatt des Monatseinkommens das Stundeneinkommen betrachtet (Tab. A6.7b).Auch hier läßt sich also feststellen, daß für Frauen spezifischen Barrieren zuexistieren scheinen, die ihnen den Weg in besonders prestige- und damit aucheinkommensträchtige berufliche Tätigkeiten erschweren.

Erwartungsgemäß beeinflußt die Tatsache eines erfolgreich abgeschlosse-nen Studiums das Einkommen bei Frauen und Männern positiv. Im Vergleichzu den anderen Prädiktoren des Modells allerdings fallen die Effekte – wieschon bei den Studiengängen – schwächer aus als bei den Regressionen aufdas Prestige. Interessant ist hier, daß der Studienerfolg bei Frauen für die Hö-he des Anfangseinkommens bedeutsamer ist als bei Männern. Wenn man zu-gleich sieht, daß sich die Einflüsse des Examens auf das Stundeneinkommen

287 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

zwischen den Geschlechtern kaum unterscheiden (Tab. A6.7b), dann heißtdies, daß die Unterschiede der Einflüsse auf das Monatseinkommen vor allemauf die geleisteten Wochenstunden zurückzuführen sind. Offenbar zeigt sichauch an dieser Stelle, daß ein Studienabbruch bei Frauen häufig mit einemVerzicht auf eine explizite Berufsorientierung einhergeht, der sich auch in ei-nem Verzicht auf eine Vollzeitbeschäftigung widerspiegeln kann. Männernhingegen läßt ihr Rollenverständnis kaum eine Wahl; das wegen des Studien-abbruchs niedrigere Einkommen pro Stunde wird sogar teilweise durch einhöhere Stundenleistung wettgemacht.

Von den anderen berücksichtigten Qualifikationsmerkmalen hat nur dieTatsache eines Zweit-, Aufbau- oder Promotionsstudiums (ZWSTUD) durch-gängig einen signifikanten positiven Einfluß auf Einkommen und Prestige desersten Berufes. Verglichen mit dem Erfolg im ersten Studium ist der Einflußeiner zusätzlichen akademischen Qualifikation auf das Berufsprestige zwarschwächer, aber sie kann noch einmal einen deutlichen Einkommensschub be-wirken. Eine Berufsausbildung als die zweite Form einer zusätzlichen Qualifi-kation nach dem Studium (BANACHST) baut dagegen nicht auf dem Studi-um auf; ihre Notwendigkeit weist im Gegenteil darauf hin, daß mit dem Studi-um das Ziel des Berufseinstiegs nicht erreicht werden konnte. Sie führt zu ei-ner anderen Qualifikation auf niedrigerem Niveau und steht für die Abschrei-bung von Bildungsinvestitionen. Darauf deuten zumindest die negativen,wenngleich nicht signifikanten Einflüsse auf das Berufsprestige hin. Aber dernegative Einfluß beschränkt sich auf das Prestige. Beim Einkommen ist beiden Frauen sogar ein relativ starker und signifikanter positiver Effekt einerBerufsausbildung nach dem Studium zu berichten, während bei den Männernkein Zusammenhang besteht. Diese Differenz bleibt auch erhalten, wenn mandie Analyse nur auf erfolgreiche Hochschulabsolventen beschränkt (A6.7a),aber sie verschwindet, wenn man die Zielvariable wechselt und das Stunden-einkommen erklären will (A6.7b). Offenkundig besteht hier ein ähnlicher Zu-sammenhang wie im Falle des Studienerfolgs. Wer, nachdem sich das Studi-um als Fehlinvestition erwiesen hat, noch einmal neu in Form einer Berufs-ausbildung investiert hat, der ist vielleicht gezwungen, seine Ansprüche anden beruflichen Status zurückzuschrauben, aber er hat das eigentliche Ziel desBerufseinstiegs nicht aus den Augen verloren. Eine solche Berufsorientierungist für Männer selbstverständlich, während sich Frauen in dieser Situation alsOrientierungsalternative häufig auch ein Rückzug ins Private anbietet. Dermuß nicht gleich vollzogen werden – die private Lebenssituation wird in denAnalysen kontrolliert – aber die Ziele der Lebensplanung können sich von ei-ner stärkeren Berufs- hin zu einer stärkeren Familienorientierung verschieben.

288 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

Eine Berufsausbildung nach dem Studium ist bei Frauen ein Indikator für eineBerufsorientierung, die auch nach einem Mißerfolg nicht aufgegeben wird.

Ganz anders hingegen ist eine Berufsausbildung vor dem Studium (BA-VORST) zu bewerten. Mit ihr verbindet sich keine Entwertung des Studiumsdurch den Arbeitsmarkt, sondern sie stellt eine zusätzliche Qualifikation ne-ben dem Studium dar, die allerdings keinen positiven Einfluß auf die Dauerdes Berufseintrittsprozesses hat, sondern ihn eher – wenn auch nicht signifi-kant – zu behindern scheint. Hier zeigt sich nun, daß sich eine solche Doppel-qualifikation auch auf das Berufsprestige und das Einkommen nicht signifi-kant auswirkt. Immerhin sind hier wenigstens die Vorzeichen den Erwartun-gen entsprechend durchgängig positiv.

Ähnlich wie eine Berufsausbildung kann auch eine Erwerbstätigkeit wäh-rend des Studiums (EWJOBWST) potentiellen Arbeitgebern praktische Er-fahrungen signalisieren. Bei der Analyse des Berufseintritts hat sich aller-dings schon herausgestellt, daß diese Art von Erfahrungen nicht die erwarte-ten Vorteile mit sich bringt. Jetzt zeigen sich sogar negative Einflüsse, die imFalle des Berufsprestiges zwar nur relativ schwach sind, aber beim Einkom-men stärker und hochsignifikant sind. Betrachtet man ergänzend die Analysendes Stundeneinkommens (Tab. A6.7b), dann verschwindet zwar der negativeEffekt bei den Männern und wandelt sich bei erfolgreichen Hochschulabsol-venten sogar in einen signifikanten positiven Einfluß. Bei den Frauen aberbleibt der negative Effekt bestehen. Hier darf man nicht vergessen, daß essich nicht um Erwerbstätigkeiten und Jobs handelt, die parallel zum Studiumdurchgeführt wurden (und in der Analyse kontrolliert werden, wenn sie zu be-ruflich verwertbaren Kontakten geführt haben (KONTAKT)), sondern umStudienunterbrechungen. Offenkundig belohnt der Markt nicht die zusätzli-chen Erfahrungen, sondern bestraft die Abweichung von der Normalität eineszusammenhängenden Studiums. Die Unterbrechungen werden dem Bewerberals Indiz mangelnder Zielstrebigkeit angekreidet. Allerdings scheint es insbe-sondere Männern zu gelingen, dieses Manko teilweise durch den Abschlußwettzumachen und die beruflichen Erfahrungen zwar nicht in einen besondersprestigeträchtigen Beruf, aber zumindest in ein höheres Stundeneinkommenumzumünzen. Wenn dennoch das Monatseinkommen negativ beeinflußt wird,dann weist dies auf eine niedrigere Stundenzahl hin. Möglicherweise gebensich Absolventen, die schon vor dem Verlassen der Hochschule auf einemniedrigeren Qualifikationsniveau berufstätig waren, danach eher mit objektivkleineren Verbesserung ihrer beruflichen und finanziellen Situation zufrieden,einerseits weil sie schon vorher einen subjektiv akzeptablen Lebensstil gefun-den haben, andererseits aber wohl auch, weil sich der Kontakt mit den Reali-

289 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

täten des Erwerbslebens dämpfend auf das individuelle Anspruchsniveau aus-wirkt.

Kontakte, die schon vor dem Verlassen der Hochschule zu potentiellenArbeitgebern geknüpft wurden (KONTAKT), verkürzen nur bei Studienab-brechern die Wartezeit bis zum Berufseintritt, in der Gesamtgruppe aber sinddie Effekte schwach und nicht signifikant. Ein ähnliches Bild zeigt sich nunbei der Analyse von Prestige und Einkommen im ersten Beruf, wo Kontakteebenfalls keine große Rolle spielen. Aber während dies im Falle des Einkom-mens durchgängig der Fall ist und die Vorzeichen der sehr kleinen Koeffizi-enten z.T. sogar der Hypothese zu widersprechen scheinen, läßt sich an denErgebnissen doch auch ablesen, daß sich frühzeitig geknüpfte Kontakte zu-mindest für Frauen in einem höheren Berufsprestige auszahlen. Der schon inder Gesamtgruppe signifikante Effekt verstärkt sich sogar noch etwas, wennman die Analyse auf die erfolgreichen Hochschulabsolventinnen beschränkt(Tab. A6.7a). Frauen sind offenbar stärker als Männer darauf angewiesen, ei-nen Einstieg in besonders ambitionierte Berufslaufbahnen durch Kontakte,die sie sich während ihres Studiums aufgebaut haben, vorzubereiten. Eine an-dere Möglichkeit der Übergangsvorbereitung ist die fachliche Schwerpunkt-bildung im Studium (SCHWERP). Aber die zeigte bereits bei der Analyse desBerufseintritts nicht die erwarteten Einflüsse und wirkt sich auch hier nicht si-gnifikant auf die beiden Indikatoren des Erfolgs im ersten Beruf aus. Dies istvermutlich darauf zurückzuführen, daß eine frühzeitige Spezialisierung zwarden Weg in bestimmte Nischen des Arbeitsmarktes eröffnen kann, aber auchhochriskant ist und leicht ins berufliche Abseits führen kann.

Gute Leistungen im Abitur (ANOTE) erhöhen die Berufseintrittschancenbei Frauen nur schwach, bei Männern aber stärker und signifikant (vgl. Tab.6.6). Die verkürzte Suche geht nicht zu Lasten des Berufsstatus, vielmehrwirkt sich ein guter Notendurchschnitt beim Abitur auch positiv auf den Sta-tus des ersten Berufes aus und erhöht das Berufsprestige bei Frauen und Män-nern signifikant (Tab. 6.7). Allenfalls ein schwacher Einfluß ist dagegen aufdas Einkommen zu berichten. Die Einflüsse der Abitursleistung auf Prestigeund Einkommen verringern sich geringfügig, wenn man nur die erfolgreichenAbsolventen betrachtet (Tab. A6.7a). Dies deutet darauf hin, daß die Abiturs-note im Falle eines Studienabbruchs eine besondere Bedeutung als ein greif-bares Kriterium zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Bewerber erhält.Aber auch nach einem Examen spielt die dann schon einige Jahre zurücklie-gende Leistung für die Arbeitgeber offensichtlich noch eine wichtige Rolleals Indikator für Leistungsfähigkeit und Leistungswillen der Bewerber. Jeden-

290 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

falls ist ihr Effekt stärker als der der Studiennote (SNOTE), die nur von mar-ginaler Bedeutung zu sein scheint.

Das Alter zum Zeitpunkt des ersten Studienabschlusses bzw. des Verlas-sens der Hochschule ohne Abschluß (ALTSTERF) wurde als ein Maßstab desIndividuums für seine weitere Lebensplanung und seine Ansprüche an denBeruf, aber zugleich auch als ein Kriterium der Arbeitgeber bei der Beurtei-lung der Bewerber mitkontrolliert. Aber es ist nur von untergeordneter Be-deutung für die Erklärung des Erfolges bei der Berufseinmündung und bleibtohne Einfluß auf das Einkommen im ersten Beruf. Möglicherweise neutrali-sieren sich hier zwei entgegengesetzte Effekte: Einerseits steigen mit dem Al-ter die Ansprüche an das Gehalt, andererseits aber werden Arbeitgeber einhöheres Alter bei Berufseinsteigern eher negativ bewerten, denn es signali-siert auch mangelnde Zielstrebigkeit des Bewerbers bei der Berufsvorberei-tung. Dies sollte sich auch auf das Prestige auswirken. Bei den Männern istzwar kein Zusammenhang erkennbar, aber bei den Frauen besteht ein signifi-kanter positiver Einfluß, der sich wiederum bei den Absolventinnen mit Ex-amen noch verstärkt. Die Ursachen dieses Effektes müssen m.E. vor allem inder Person und ihren Einstellung und weniger in der Bewertung von derenQualifikation durch den Arbeitsmarkt gesucht werden. Das Alter beim erstenStudienabschluß bzw. dem Studienabbruch steht bei Frauen offenbar in vielstärkerem Maße als bei den Männern für die Quantität der Investitionen in dieAusbildung. Die Länge des Studiums scheint vor allem bei Frauen ein Indika-tor einer stärkeren Karriereorientierung zu sein, die sich dann in einem ent-sprechenden Prestigegewinn auszahlt.

Bei einer guten Arbeitsmarktlage (ARBMARKT) ist es erwartungsgemäßeinfacher, einen "guten" Beruf zu finden. Allerdings sind die durchweg positi-ven Einflüsse auf das Prestige des ersten Berufes und des darin erzielten Ein-kommens – wie schon bei der Analyse des Prozesses der Berufseinmündung –nur bei den Frauen signifikant. Frauen sind zur Verwirklichung ihrer berufli-chen Ambitionen stärker als Männer auf eine gute Arbeitsmarktlage angewie-sen. Möglicherweise lassen sie sich schneller durch eine schlechte Arbeits-marktlage entmutigen. Darauf weisen zumindest die etwas stärker als bei denMännern ausgeprägten, wenngleich nicht signifikanten negativen Effekte derDauer des Suchprozesses (DSUCH) bei den Frauen hin.

Eine gehobene soziale Herkunft, die in den vorliegenden Analysen durchdas Berufsprestige des Vaters (VAPREST) gemessen wurde, mag im Prozeßder Berufseinmündung zwar die notwendige Sicherheit vermitteln, auf eineberufliche Chance auch eine gewisse Zeit zu warten (Tab. 6.6). Aber sie kannin der Gesamtgruppe weder den beruflichen Status noch das Einkommen si-

291 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

gnifikant beeinflussen (Tab. 6.7). Eine Ausnahme bilden die männlichen Ab-solventen mit Examen (Tab. A6.7a), wo ein positiver Effekt der Herkunft aufdas Prestige des ersten Berufes zu berichten ist. Hier scheinen Mechanismender Statusvererbung wirksam zu werden, bei der die Person einerseits die ei-genen Ansprüche am Status der Herkunftsfamilie orientiert und die Her-kunftsfamilie sich auf der anderen Seite bemüht, den Status der Familie auchin der nächsten Generation zu sichern. Die entsprechende Unterstützung aberwird stärker den Söhnen, und unter diesen den bis dahin erfolgreichen, zuteil.Dies kann erklärt werden, wenn man bedenkt, daß auch Unterstützung eineknappe Ressource ist, die durch die Eltern möglichst ökonomisch eingesetztwerden muß. Offenbar bieten Söhne angesichts der nach wie vor dominantentraditionellen Arbeitsteilung der Geschlechter eine bessere Garantie auf einenerfolgreichen Statuserhalt der Familie (vgl. auch Meulemann 1990a: 262),vor allem, wenn sie bereits entsprechende Leistungen vorzuweisen haben.

Die Studienaspirationen (STUD, EVST, UNEN) als Indikator der langfri-stigen Lebensplanung sind bei Kontrolle der Studiengänge und zusätzlicherQualifikationsmerkmale der Hochschulabsolventen für das Prestige, das imersten Beruf erreicht wird, relativ bedeutungslos. Sie entfalten ihre Wirkungauf das Prestige wohl vor allem über die erworbenen Qualifikationen. Nachdem Studienabschluß aber wirkt sich der besondere Ehrgeiz, dessen Ausdrucksie sind, noch einmal in gehobenen Ansprüchen an das Einkommen aus. Aberdas gilt vor allem für die Frauen, wo die Einflüsse hochsignifikant sind, wäh-rend sie bei den Männer deutlich niedriger liegen und auch im Falle der festenStudienabsicht (STUD) die 10%-Signifikanzgrenze knapp verfehlen.129 Auchhier zeigt sich wieder die gegenüber den Männern geringere Selbstverständ-lichkeit, mit der bei Frauen ein beruflicher Schritt auf den nächsten folgt. BeiMännern ist es keine Frage, nach dem Studium ein hohes Einkommen anzu-streben. Private Ziele stehen dem nicht im Wege. Anders bei Frauen, wo eineIntegration von beruflichen und privaten Lebensplanungen i.d.R. einen spezi-fischen Kompromiß zwischen beiden Lebensbereichen erfordert. Besondererberuflicher Ehrgeiz, so wie er sich in den Studienaspirationen manifestiert,aber ist ein Grund, die Schwerpunkte auch weiterhin im beruflichen Bereichzu setzen.

292 Private Lebenssituation und Erfolge in Ausbildung und Beruf: Multivariate Analysen

129 Die Effekte sind beim Stundeneinkommen schwächer, aber sie bleiben bei den Frauen z.T. si-gnifikant.

6.6 Erfolgsbilanz mit 30 Jahren: Die subjektive Sicht der beruflichenEntwicklung

6.6.1 Einige Hypothesen zur Erklärung beruflicher Zufriedenheit und dieAnalysestrategie

Ausgehend von der Überlegung, daß private Bindungen in der Ausbildungden Erfolg beeinträchtigen können, wurde oben deren Einfluß auf diesen Pro-zeß unter Kontrolle von Aspirationen und Leistungen, aber auch von spezifi-schen Rahmenbedingungen des Erfolges an drei markanten Punkten des "nor-malen" Ausbildungsverlaufes ehemaliger Gymnasiasten untersucht: Studien-zugang, Studienerfolg und Berufseinmündung. An diesen Stellen lassen sichmögliche Kosten der privaten Lebenssituation für den Ausbildungs- und Be-rufsverlauf besonders sichtbar machen, denn sie sind zugleich Hürde undWeiche. Sie stellen Hürden dar, weil sie auf dem Weg ins Ziel erst erfolgreichbewältigt werden müssen. Sie sind aber auch Weichen, weil derjenige, der dieHürde nicht bewältigt, einen anderen Weg nehmen kann. Das Verlassen desursprünglich eingeschlagenen Weges stellt aber aus der subjektiven Perspek-tive des Akteurs nicht unbedingt einen Mißerfolg dar, sondern kann auchAusdruck persönlicher Neigungen und Präferenzen sein.

Wie schon ausführlich im fünften Kapitel diskutiert wurde, bilanziert derGrad der Zufriedenheit das Erreichte mit individuellen Erwartungen und An-sprüchen. Wenn die berufliche Zufriedenheit die objektiven Erfolge der be-ruflichen Entwicklung der hier betrachteten ehemaligen Gymnasiasten im Be-obachtungszeitraum reflektiert, dann faßt sie zugleich die bisherigen Analy-sen zum Studienzugang, zum Erfolg im Studium und zur Berufseinmündungzusammen. Die Perspektive auf diese Erfolge ist nicht mehr die des unbetei-ligten Beobachters, sondern die subjektive Sicht der Akteure. Was als Erfolggewertet wird, das bestimmen hier nicht mehr die externen Maßstäbe desWissenschaftlers, sondern die Person anhand ihrer eigenen Kriterien.

Das gegenüber den bisherigen Analysen spezifisch neue dieser Bewertungder beruflichen Entwicklung durch das Individuum ist, daß sie bereits in derZielvariable den nötigen Raum läßt für eine Relativierung der sozial vermit-telten objektiven Erfolgskriterien durch die Ansprüche und Erwartungen derPerson, die sich aus den individuellen Startbedingungen, den persönlichenLebensplänen und den Begleitumständen des Lebenslaufs bis zum Erhebungs-zeitpunkt ergeben. In den Analysen des Erfolgs im Studienzugang, des Stu-dienerfolgs und der Berufseinmündung wurden diese Faktoren bereits als Prä-

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diktoren des Erfolgs berücksichtigt und es konnte – wenn auch mit unter-schiedlicher Gewichtung der einzelnen Faktoren – gezeigt werden, daß gün-stige soziale und persönliche Startbedingungen (erhoben durch das Berufspre-stige des Vaters: VAPREST und den im Alter von fünfzehn Jahren gemesse-nen Intelligenzquotienten: IST), hohe Aspirationen (indiziert durch die Studi-enaspiration in der Primärbefragungung: STUD, EVST, UNEN) und günstigeVerlaufsumstände, auch weil sie für den Ehrgei