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Tobqk und Tonpfeifenim südlichen 0stseeroum
und in Schlesien
Rolf Kluttig-Altmonn / Mortin Kügler
Husum
lmpressum
Herausgegeben vom Ostpreußischen Landesmuseum, LüneburgGedruckt mit Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
Umschlagbild: Schale mit Raucherdarstellung, datiert 1818, Bodenfund aus Lüneburg,Museum für das Fürstentum Lüneburg
Auswahlkatalog zur Ausstellung im Ostpreußischen Landesmuseum Lüneburg1. Mai bis 29.August 2004
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber htto://dnb.ddb.de abrufbar.
Abbildungsnachweis:Jörn Barford:Abb.12,I7 ,20t.,26,31t,35f.,4044,50f.,53, 55 (Futterale),56-59, 63f.Ralf Kluttig-Altmann:Abb. 39,49,52,54,65Martin Kügler:Abb. 1-10, 13ff. ,78f,22-25,27-30,33f.,37f.,45-48,55 (Quelle),60ff.,4. UmschlagseiteNatascha Mehler: Abb. 16Muzeum w. Elbl4gu/Pl:Abb. 66Edgar Ring:Abb. L1Stadtarchäologie Lüneburg: Titelbild
@ 2004 by Husum Druck- und Verlagsgesellschaft mbH u. Co. KG, Husum
Gesamtherstellung: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft,Postfach 1480, D-25804 Husum - wwwverlagsgruppe.de
ISBN 3-89876-187-8
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Vorworl
Die Ausstellung ,,Täbak und Tonpfeifen im südlichenOstseeraum und in Schlesien" ist das erfreuliche Erseb-nis der Kooperation zwischen dem Ostpreußischen ian-desmuseum in Lüneburg, dem Schlesischen Museum zuGörlitz und der Lüneburger Stadtarchäologie. Aus dengemeinschaftlichen Bemühungen der Beteiligten ent-wickelte sich eine sehenswerteAusstelluns. Sie sewährtmit der Darstellung der Entwicklung derTonpfäife unddes Tonpfeiferauchens vom 17. bis zum 19. Jahrhun-dert zugleich interessante Einblicke in allgemeine Ent-wicklungen der Kulturgeschichte und nähärt sich damiteinem komplexen europäischenThema. Erstmals ist da-bei der Blick auf bisherweniger beachtete Regionen ge-richtet und ein neuer Impuls für die Forschung gegeben.
Dass das Ausstellungsthema eine repräsentativeBehandlung erfahren konnte, ist vielen institutionellenund privaten Irihgebern zu danken. So sind die Aus-stellungsobjekte nicht nur aus Lüneburg und einer Rei-he anderer deutscher Herkunftsorte in die Ausstel-lung gekommen, sondern auch aus Breslau/IVroclaw.ElbinglElbl4g, Marienwerder/Kwidzyn, Marienburg/Malbork, Landsberg/Gorzdw Wielkopolski, MemeVKlaip6da,Dorpat/Tärtu. Ihnen allen gilt unser Dank. Er-freulich ist auch, dass die Ausstellung Begleitung undVertiefung durch eine internationale Tagung des Ar-b eitskreis es Tonp feifen gefunden hat.
Am Täg der Erweiterung der Europäischen Unionum zehn neue Mitglieder trafen sich neben den deut-schen Tägungsteilnehmern auch Gäste aus Frankreich,Großbritannien, den Niederlanden, Schweden, polen,Estland und Lettland im Ostpreußischen Landesmu-seum. Gleichzeitig zeigt dieser internationale Teilneh-merkreis die dem Thema Tonpfei.fen innewohnendekulturhistorische Subslanz.
Nach der Präsentation derAusstellung im Ostpreu-ßischen Landesmuseum vom 1. Mai bis 29. Ausust2004 sind im Anschluss polnische,litauische undist-nische Museen als mögliche Präsentationsorte im Ge-spräch.2006 ist das Schlesische Museum zu Görlitz alsabschließender Ausstellungsort vorgesehen.
Für die Förderung unseres kooperativen Ausstel-lungsvorhabens gilt unser Dank der Beauftragten derBundesregie.ung fUr Kultur und Medien. Dankendarf ich den beiden Ausstellungsautoren, Herrn RalfKluttig-Altmann und Herrn Dr. Martin Kügler, diedas Ausstellungsprojekt engagiert vorangetrieben ha-ben und auch für den Katalog verantwortlich zeich-nen.
Dr. Ronny KabusDirektor des Ostpreußischen
Landesmuseums
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Einleitung
HistorischeTonpfeifen sind nicht nur für denArchäo-logen sehr interessant. Sie bleiben meist unbeschadetim Boden erhalten und geben mit vielfältigenVerzie-rungen, Marken und Inschriften Auskunft über Ortund Zeit ihrer Entstehung. Die Ausstellung und derKatalog zetgen, dass Tonpfeifen so zum wichtigen,,Leitfossil" für andere Funde des Alltags, die sichnicht so genau datieren lassen, geworden sind. MitRecht kann gesagt werden, dass Tonpfeifen das wich-tigste archäologische Zeugnis für die Kulturgeschich-te (nicht nur) des Rauchens im Barock abgeben.
Der Kulturgeschichte dieses Alltagsgegenstandesfrüherer Zeiten widmen sichAusstellung und Katalogund lenken dabei erstmals den Blick besonders aufdie Entwicklung im südlichen Ostseeraum und inSchlesien.Archäologische Funde aus mehreren Städ-ten Ostpreußens und Schlesiens, Litauens und Est-lands belegen den Konsum vonTäbak mitTonpfeifenschon seit dem frühen 17. Jahrhundert.Aber auch dieTechnik zur Herstellung von Tonpfeifen verbreitetesich im 17. und 18. Jahrhundert im östlichen Europa,wie Produkte aus Warschau/Warszawa und den bei-den wichtigen preußischen Manufakturen in Ros-tin/RoScin in der Neumark und in Sborovsky/Zbo-rowski in Oberschlesien belegen. Im Vergleich mitden Funden von Tonpfeifen aus Verbrauchsorten wieLüneburg, Tärtu/Dorpat, Elbl4g/Elbing u. v. a. können
Aussagen über die Vorlieben der Tonpfeifenrauchergemacht werden. Zahheiche Leihgaben aus dem In-und Ausland erlauben es, den Konkurrenzkampf derTonpfeifen gegen Pfeifen aus anderen Materialienatfzuzeigen.
Die Ausstellung wie der vorliegende Katalog, dernur einen kleinenAusschnitt der zahlreichen Objektevorstellen kann, behandeln diese Themen in einemersten Überblick. Damit sollen die Forschungen zurKulturgeschichte des Rauchens vor allem im Ostsee-raum und Schlesien intensiviert und die günstige ar-chäologische und historische Quellenlage in Lüne-burg herausgestellt werden. Die in Verbindung mitder Ausstellung vom 29 . Aprll bis 2. Mai 2004 im Ost-preußischen Landesmuseum Lüneburg durchgeführ-te internationale Tägung des Arbeitskreises Tonpfei-
fen, u. a. mit Teilnehmern aus Estland und Polen, be-legt das wachsende Interesse derArchäologen an die-sem Kulturgut - und den großen Bedarf an weiterenForschungen und engerer Zusammenarbeit über dieheutigen Grenzen hinweg. Dem weiteren wissen-schaftlichen Austausch dient die Publikation derVorträge dieserTägung, die in Band 18 12005 des Knas-terKopF - Fachzeitschrift für Tonpfeifen und histori-schen Tabakgenuss erfolgen wird, und die Websitewww.knasterkopf.de.
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Der Tobok kommt noch Europo
Tabak gehört zu den Pflanzen und Früchten, die mitder Entdeckung des amerikanischen Kontinents nachEuropa gelangten. Wie die Tomate oder die Kartoffelist auch der Täbak ein Nachtschattensewächs (Sola-nacea ). Zwei Arten des Tabaks eignen iich für den ge-werblichen Anbau: die rot blühende, bis zu drei Melerhohe Nicotiana tabacum und die eelb blühende. sehrviel niedrige re Nicotiana rusrrca. Ifur diese beiden Ar-ten des Täbaks haben das, was sie für viele Menschenso interessant macht - einen Nikotinsehalt von 3 bis 5Prozent im getrockneten Blatt.
Täbakpflanzen sind einjährig und verfügen überstarke Wurzeln, einen kräftigen Stängel und großeBlätter. Die zahlreichen kleinen Blüten bringen proPflanze bis zu zehntausend Samen hervor. Dank derGenügsamkeit und Anpassungsfähigkeit der pflanzekonnte sie sich weltweit verbreiten. Die Anbausebieteliegen heute zwischen 60 Grad nördlicher und 4-5 Gradsüdlicher Breite. Dabei wird meist N. tabacum anee_baut, von der es zahlreiche Sorten eibt. Wirtschaftlichinteressant sind nur die Blätter, dieltir die verschiede-nen Verwendungszwecke zu unterschi edlichen Zeit_punkten des Wachstums geerntet werden. Vereinfachtwird unterschieden zwischen den unteren Blättern(Sandblatt und Fußblart), dem Mittelblatt und denacht obersten Spitzenblättern (Topblatt). Die Blütenund der Stängel finden keine Verwenduns.
Die nach ihrem Reifegrad getrennt geirnteten Tä-bakblätter trocknet und fermentiert man. Bei der Fer-mentation werden die im Tabak enthaltenen Ge_schmacks- und Inhaltsstoffe durch einen Gärprozesschemisch aufgeschlossen und können sich beim Rau-chen entfalten.
Die Pharmakologen und Toxikologen zählen denTäbak zu den Exicantia. Dies ist eine Gruppe von
Pflanzen, deren Genuss eine geistige Stimulationohne Bewusstseinsstörungen hervorruft. Der wich-tigste Wirkstoff ist das Nikotin, auf den der mensch-liche Kreislauf wie auch das zentrale Nervensystemsofort reagiert. Täbak kann daher sowohl nt thera-peutischen Zwecken eingesetzt werden als auch inhoher Konzentration als Gift wirken.
Abb.1Abbildung einer Tabakpflanze. C. G. Lorek: Flora prussicaTäfelband. Königsberg 1846,Täfel 37.
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Abb.2Rauchende Indianer. Theodor de Bry (Hrsg.): Zweites Buch.Wahrhafftige Abconterfeyung derWilden in America ... Frank-furt am Main l592.Tafel20.
Die Kunde vomTabak und dem Rauchen gelangteschon mit der ersten Reise des Christoforo Columbus1492 nach Europa. Doch bis zum Rauchen aus Ge-nussgründen vergingen in Europa noch fast 100 Jah-re - so lange wurde es nur als Medizin aufgefasst. InAmerika lernten die Europäer verschiedene Formendes Täbakkonsums kennen. In Mittel- und Südameri-ka begegneten sie Ureinwohnern, die den Tabakmeist in Form einer Zigarre rauchten. Im nördlichenAmerika sind Pfeifen verbreiteter gewesen. Hierlernten die Europä.er Geräte aus einem festen Rohrmit einer breiten Offnung, in der Tabak verbranntwird, kennen. Dabei herrschten zusammengesetztePfeifen vor. mit einem hölzernen Stiel und einem ke-
Abb.3Eine Tabakpflanze in der Blüte
ramischen bzw. steinernen Kopf. Aber auch andereheute noch bekannte Formen des Täbakkonsumsstammen aus Amerika: Schon 1-492berichtet RamonPane über das Schnupfen von Täbak, und 1503 er-wähnt Amerigo Vespucci das Kauen getrockneterTa-bakblätter.
Diese für Europäer zunächst fremden Angewohn-heiten der Ureinwohner werden in den frühen Reise-berichten immer wieder vorgestellt und mit Abbil-dungen illustriert. In der zweiten Hälfte des 16. Jahr-hunderts setzt eine wahre Flut von illustrierten Reise-berichten ein, die oft in viele Sprachen übersetztwurden und so zurVerbreituns der Kenntnis über denTäbak beitrusen.
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Abb.4Die getrockneten und zu Bün-deln geschnürten Tabakblätterriechen schon fast wteZigaret-ten- oder Pfeifentabak aus demGeschäft, müssen aber nochfermentiert, mit Aromastoffenversetzt und geschnitten wer-den.Sammlung Kügler und Kluttig,Letpzig
Abb.5Eine Samenkapsel der Täbak-pflanze enthält Hunderte derwinzigen Samen. Diese sind soklein, dass sie nicht einzeln indie Aufzuchtbeete gestecktwerden können. sondern ge-streut oder mit der Gießkanneausgesäl wurden. Aus wenigenGramm Tabaksamen könnenmehrere tausend Pflanzen ge-zogen werden.Sammlung Kügler und Kluttig,Leipztg
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Abb.6Der französische Calvinist Jean de Lery hielt sich 1556 bis 1558im Amazonasgebiet auf und liefert einen sehr genauenethnologischen Bericht über die Kultur der Ureinwohner desheutigen Brasilien. Sein erst 1594 erschienenes Buch schil-dert das Rauchen von ,,Zigarren", das er auch selbst auspro-bierte.Jean de Lery: Unter Menschenfressern amAmazonas. Brasilia-nischesTagebuch 1556-1558. Düsseldorf 2001. Sammlung Küg-ler und Kluttig,Lerpztg
Abb.7Der Verfasser, der Italiener Hieronymus Benzoni, berichtete1565 erstmals über den Gebrauch desTabaks in Mittelamerika,wie er ihn selbst beobachtet hatte. In dem mehrfach übersetz-ten Werk wird beschrieben. wie die Ureinwohner Tabakbiätterin eine Umhüllung einrollen und rauchen.Neuwe und gründtliche Historien, von dem NidergängischenIndien, ... hrsg. vonTheodor de Bry (Das vierdte Buch von derNewen Weldt). Franckfurt am Mayn 1594, S. 116 f. (Reprint).Sammlung Kügler und Kluttig, Leipzig
XXTobok ols Medizin
Von der ,,Entdeckung" Amerikas dauerte es etwa einhalbes Jahrhundert, bis um 1548 Samen der Tabakartl{icotiona tabacum nach Portugal gelangten und diePflanze dort als Ziergewächs in den königlichen Gär-ten angepflanzt wurde. Nun setzte eine intensive wis_senschaftliche Beschäftigung mit dem neuen Ge_wächs ein, dem starke heilende Kräfte zugeschriebenwurden. 1559160 brachte der französischi DiolomatJean Nicot die Täbakpflanze an den königlichän Hofund sehr rasch bürgerte sich der Name lNicotiana,,für das neue, noch weitgehend unbekannte Kraut ein.Andere Bezeichnungen waren,,petum,,,,,Herba Re-ginae " oder,, Indianis ch Wundtkraut,, .
1564 tauchte Täbak bei mehreren humanistischenGelehrten in Memmingen, Augsburg und Basel aufund wurde u. a. von Conrad Gessner in Zürich wissen-schaftlich untersucht. Der rege Informationsaus_tausch unter den Wissenschaftlern führte zu einer ra-schen Verbreitung der Kenntnis vom Täbak wie auchder Tabakpflanzen selbst, wobei zwei Aspekte zuunterscheiden sind: Die Medizin und der Genuss. DasHauptinteresse galt dem medizinischen Gebrauchdes Täbaks und der Verarbeitung der Blätter nach alt-bekannten pharmazeutischen Verfahren. Als eine mitwunderbaren Heilkräften ausgestattete pflanze wur-deTäbak als einAllheilmittel. eine sog... panacea'., ge-priesen und vielfach in botanischen Gärten bürsär-licher Gelehrter wie auch hochgestellter adliger Fer-sonen kultiviert und studiert. In den zahlreichenKräuterbüchern und Abhandlungen fand eine langandauernde Diskussion um die botanisch exakte Be_stimmung und Klassifizierung der beiden Tabakartenstatt, die erst 1596 erfolgte.
Neben der äußerlichen Anwendune derTabakblät-ter oder dem Einnehmen von Destiiläten wie Täbak-
wasser oder Täbaköl stand das Rauchen zunächst zu-rück. Kaum einer derAutoren versäumt es iedoch, diepharmakologische Wirkung des Tabakrauches auf dasNervensystem hervorzuheben, wodurch u. a. Gefühlewie Hunger, Durst und Erschöpfung betäubt werden.Dies stellte für körperlich hart arbeitende und Ent_behrungen ausgesetzte Menschen eine erwünschteund leicht herbeizuführende Wirkuns dar. So sind es
Abb.8Darstellung der Täbakpflanze und eines Rauchers. Matthias deL'Obel/Petrus Pena: Stirpium adversaria nova, perfacilis vesti_gat io. . . Londini l57l ,S. 252.
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anfänglich vor allem Seeleute und Soldaten, die das
Raucien verbreiten. In bürgerlichen Kreisen wurde
die anregende Wirkung gleichermaßen geschätzt, da
1688 nach Ansicht von Cornelius Bontekoe ,,nichtsbessers sey, wann man den Geist wil einspannen, und
den Verstantt in tieffen Beschauungen, in Untersu-
chung der Wqhrheiten, in Nachspürung der Tugend
und fuissenschaften zu Werck richten' als eine Pkifk
Taback, welche denVerstand gleichsam schärffet, die
Werckzeuge der Sinnen auffrischet, und den gantzen
Leib in Action und der Seele zu Dienste bringet'"
Neben der anregenden Wirkung des Tabaks sah
man aber auch die Gefahren' vor allem bei zu starkem
Gebrauch. Tabakbefürworter und Täbakgegner wur-
den im 17. Jahrhundert nicht müde, in unzähligen Bü-
Abb.9Sinnbild über Lust und Gefahren des Rau-chens. Petrus Scriverius: Saturnalia, Ofte Poöti-sche Vasten=avond=spe1, vervatende het ge-
bruyk en de misbruyk van de tabak. Haarlem1630.
chern und Flugblättern über den Tabak zu streiten'
Nur langsam setzte sich die Haltung durch, die für ein
maßvolGs Rauchen plädierte. Aufzuhalten war es oh-
nehin nicht mehr, wie Christoffel von Grimmelshau-
sen1,66l feststellte:..Wiewohl ich nun hie vorn gemeldet habe, dal3 sich
hoch: und nieder Standespersonen des Tabacks ge'
brauchn, so thuns iedoch ahm allermeisten die Solda-
ten, Zigeiner, Landfahrer und Bettler; nach denselben
ab e r aich B ür g er, H an dw e r c ks I eute, B au r en un d Ta g e -
löhner, derentheils so hart darauff verbaist sein, dalS ih-
nen der Taback nimmermehr vom Maul kompt "' und
meinet mancher, er seye kein rechter Soldot, odei sonst
ein genügsamer prav er Kerl, w ann er nicht w aidlich Ta'
back sauffen könne".
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Nicotirnroeiot
Abb.10Obwohl sich für die Tabakpflanze schon im 2.Dr i t tef des 17. Jahrhunder ls der Name , ,Nicot i t t -na" dtrchsetzte, dauerte es noch lange, bis sieauch botanisch richtig bestimmt war. In dem vonNicolaus Braun bearbeiteten Kräuterbuch desJacobusTheodor erscheint derTabak daher nochunter der Bezeichnung,,Indianisch Be1,nwelle".Wie in einem Lexikon wird al les Wissensuerteaufgezählt und auch das Rauchen erwähnt, dochstehen die medizinischen Anwendungsmöglich-keiten im Vordergrund des Interesses.Jacobus Theodorus gen. Tabernaemontanus:Neuq und volkommenlich Kreuterbuch ... DerAnder Theyl. (bearb. durch) Nicolaus Braun.Frankfurt am Main 159i, S. 279 (Reproduktion,Detai l) .
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Abb.11Wegen seiner medizinischenWirkung wurde Tabak bis ins18. Jahrhundert hinein in APo-theken verkauft. Die Inventar-listen der Lüneburger Rats-apotheke verzeichnen erstmals1.624 ,,Tabacum". Weitere Ein-träge in den folgenden Jahrennennen Hamburger Kaufleuteals Lieferanten. 1631 wird erst-mals Tabak zum Rauchen ge-nannt (,,pro fu*o") und 1653waren drei Sorten verfügbar:,, N icotianae maj o ris ",,, N icotia-nae minoris" .und ,,NicotianaePeruvianae". Aber auch Ton-pfeifen gab es in der APothekezu kaufen.lnventar der RatsaPotheke inLüneburg von 1.624. Stadtar-chiv Lüneburg
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Abb.12Täbakdosen aus Zinn waren im 18. Jahrhundert sehr beliebt und standen bei geselligen Zusammenkünften zu Hause, in Gaststät-ten oder bei Clubs und Vereinen auf dem Tisch zur freien Bedienung. Die bei'den hölzernen Tabakbehälter aus der Biedermeier-zeit repräsentieren den bürgerlichen Wohlstand: Der Hausvater hatie stets einen reichen Vorrat an Tabak im Hause, den er in ei-nem repräsentativen und verschließbaren Behälter aufbewahrte.Holz und Zinn, 18./1. Hälfte 19. Jahrhundert. Museum für das Fürstentum Lüneburs
X&Abb.13Das kleine Buch schildert die viel-fältigen Anwendungsmöglichket-ten von Täbak zu medizinischenZwecken und führt auch das Rau-chen in diesem Zusammenhangan. Für die in der Abbildung zugroß gezeichnete Pfeife hat derVerfasser aber noch keine Be-zeichnung, sondern spricht nurvon einem ,, Röhrlein" .Die Vorla-ge für den Nachdruck stammt ausdem Besitz des Apothekers HansMartin Stobers, der es 1624 sicher-lich aus beruflichen Gründen er-warb.Jacobus Ziegler'. TABAC, Vondem gar heilsamen Wundtkraut,oder Beinwellen, Welchs Gott,der Herr der Artzney undKranckheiten, vor etlich Jahren,zu t\tz viler Kranknen, auch inunsern Landen sehen lassen. Zü-rich 1616, S. B (Reprint, Detail).Sammlung Kügler und Kluttig,Lerpztg
XPDie Verbreitung des Raurhens in Europo
Die rasch zunehmende Zahl der Raucher dränste dieBedeutung von Täbak als Heilmittel seit dem Besinndes 17. Jahrhunderts zurück. Von englischen Seeslad-ten ausgehend etablierte sich das Täbakrauchen zu-nächst bei den unteren sozialen Schichten.Ansesichtsder sich häufenden Berichte, der ab ca. l5gdeinset-zenden Flut von literarischen und poetischen Textenüber denTäbak und das Rauchen in Ensland muss derBedarf an Täbakblättern und Tonpfeiien dort schonvor 1600 einen großen Umfang erreicht haben. Tho-mas Platter aus Basel, der 1599 England besuchte, be-zeugt:,,1n den Bierheüsern hatt man auch den Tabacoder heidnisch wundtkraut, del3en man einem auchumb sein pfennig gibt, da zündet er das pulver im Rör-lin an, sauget den Rauch in rmundt,unndt lasset also vielflu/3 aul3 dem mundt laufen". Dies ,,lsr so gemein bevihnen. dat3 sie das instrument yederzeir mitiich trageÄ,unndt an allen orten, in den Comedien, den wirdtshaü-seren, oder..sonst feür entschlagen, anzünden unnclttrincken". Ahnliches gilt auch für die Niederlande,woviele englische Studenten das Rauchen populär ge-macht hatten.
Gleichzeitige Belege aus dem deutschsprachigenRaum sind noch vereinzelt. So lernte Herzoe Otto zuBraunschweig-Lüneburg 1598 von einem englischenDiplomaten das Rauchen. 1599 erwarb der schaum-burgische Edelmann Ludolf von Münchhausen inLeipzig ,ein Indianisch Instrument, beneben aufge-trukter guetter Nicotiana auss Peru, Hirdurch zihetman den rauch ins Maull, Ist gut wider Catarrhem,,.Und im April 1601 berichtete der Nürnberger ArztLeonhard Doldius an einen Kollegen. dass in Nürn-berg Täbak zum Rauchen in reichäm Maße vorhan-den war. Offenbar verbreitete sich in Deutschlandund in den östlichen Nachbarländern das Tabakrau-
chen erst in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Ausdem ostsächsischen Zittau wird 1620 berichtet, dass,,2000 auf der Durchreise nach Böhmen begriffene
Abb.14Darstellung eines Londoner Täbakgeschäftes. Richard Brath-wait:The smoking age. London 1617,Titelkupfer.
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Abb.15Täbaklokal in London. Typisch für diese Frühzeit des Rauchens ist das dargestellte. gesellige Rauchen in bestimmten
iotut"n und der dortige üerkauf bzw. Verleih von Tonpfeifen. Anonyme Federzeichnung vom Anfang des 17' 'Tahr-
hunderts; British Museum London
XWEngländer und Schotten ... das ,Tabak trinken, ... hier,gelert' haben". Mit der Verbreituns des Rauchenseinher geht der Handel mit Tabak und Tonpfeifen. InKönigsberg/Kaliningrad, Russland werden so 1621erstmals Tonpfeifen importiert, 1638 in E lbing/Elblqg,Polen.
Anfangs versuchten die Landesherren häufig, dasRauchen zu verbieten. Sie wetterten gegen die Ver-schwendungssucht, die Lasterhaftigkeit der Raucher,den Gestank des Qualmes und die Feuersefahr. DasRauchen wurde unter Androhung teils drakonischerStrafen entweder ganz verboten öd.r auf bestimmteOrte eingeschränkt. Genützt haben die Verbotenichts, und der anfänglich v. a. moralisch motivierteWiderstand der Oberschicht gegenüber dem Rau-chen wich zunehmend wirtschaftlichen überlegun-gen.
Im deutschen Sprachgebrauch setzten sich die Be-griffe ,,rauchen" und ,,Pfeife" nur langsam durch. Ta-bak wurde bis zum Ende des 17. Jahrhünderts aus denTonpfeifen,, getrunken" und ,,geschlürft,, oder bei ex-zessivem Gebrauch ,,gesoffen", wobei zugleich eineAnalogie zu der Wirkung von Alkohol hergestelltwurde. Sigmund von Birken machte sich 1658 einVer-gnügen daraus, in seiner Satire ,,Dle Truckene Trun-kenheit" weitere Begriffe anzuführen. Männer wieFrauen schämten sich seiner Ansicht nach nicht. sichmit,, etlichen Pip en un ges chmaken Rauchs v ollzutrin-ken", und er nennt die Pfeifen,, Tabaktrinkseschirre,,".. Rauchflöten". ..Tabakflören". ..euärpfeiffen. oder,,Taback-Mul3keten". Der Begriff der pfeife setzt sichjedoch im 17. Jahrhundert durch - auch S. von Birkenspricht bereits vielfach v on,, Pfeiffen" od,er,, pip en* .
Ob man rauchen konnte, war immer von der ak-tuellen Versorgungslage abhängig. Der Import vonTabak aus Amerika und nach 1600 auch der gewerbs-mäßige Anbau in Europa entwickelte sich söhr raschzu einem lukrativen Geschäft. In der Pfalz. im Raum
Abb.16TabaktrockenscheuneBenutzung ist.
in Heddesheim/Pfalz. die heute noch in
äffiMagdeburg, im Eichsfeld, in der Uckermark und im
Gebiet um Nürnberg entstanden schon im 1'7. Jahr-
hundert große Tabakanbaugebiete. Frühzeitig ver-
suchten die Landesherren dabei, von dem möglichen
Gewinn zu profitieren. Sie legten nicht nur hohe Zöl-
Ie fürTäbak aus demAusland fest, sondern schützen
die Tabakkulturen im eigenen Gebiet mit Privilegien
und verboten häufig den privaten Tabakanbau.Von einem florierenden Tabakanbau im südlichen
Ostseeraum und in Schlesien zeugen die zahlreichenTäbakfabriken. Bedeutende Fabriken an der Küstewaren in Westpreußen und besonders in Danzig an-
sässig. In Ostpreußen hatten die Firma Loeser &
Wolff in Elbing und die Firma Grunenberg in Worm-
ditt überregionalen Absatz. Sie erreichten jedoch
meist nur regionale und landesweite Bedeutung, na-
tional gesehen konnten sie mit der Fabrikation etwa
in Nordhausen nicht mithalten.Für die Tabakfabriken in Schlesien gilt mit Ausnah-
me der Firma Joseph Doms das Gleiche. Die 1811 von
Joseph Doms im oberschlesischen Ratibor gegründe-
te Schnupftabakfabrik eroberte innerhalb weliger
Jahrzehnte den gesamten schlesischen Markt. Uberviele Generationen in Familienbesitz, verlagerte Ju-
lius Doms nach 1945 den Betrieb an den Niederrhein,wo er bis in die 1960er Jahre bestand'
Abb.17Ein Hauptargument gegen das Rauchen war immer wieder diedamit zuiammenhängende Brandgefahr. In der neu aufgeleg-ten Feuerordnung Lüneburgs von 1725 wird vorgeschrieben,dass an bestimmten Orten nur noch aus Pfeifen mit einem De-ckel aus Draht oder Blech geraucht werden durfte. Damit soll-te der Funkenflug verhindert werden.Eines Edlen Rahts der Stadt Lüneburg revidirte Feuer-Ord-nung In der Stadt undAuff der Sülzen. Lüneburg 1725. Stadtar-chiv Lüneburg
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::.',:.::::.Abb.18Klingende Kassen versprachen sich die Landesherren vom An-bau und Handel mit Thbak und erklärten ihn zu ihrem Mono-pol. Und das (bis heute) zu Recht. Teils verpachteten sie dasMonopol gewinnbringend an Kaufleute. teils engagierten siesich selbst durch die Anlegung eigener Fabriken in diesem lu-krativen Geschäft.Verordnung über die Errichtung einerTabaks-Fabrik in Braun-schweig, 1716, gedruckt 1717. Sammlung Kügler und Kluttig,Lerpzig
Abb.19In der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts erfreutesich ein Motiv immer wieder großer Beliebtheit: Rauchendeund trinkende (und oft auch raufende) einfache Leute, Bauernund Soldaten.Auf den barocken Gemälden ist das Leben einerZeit festgehalten, die ihren Wohlstand feiert und dabei nichtselten Anstand und Ordnung verliert. Dabei symbolisiert dergezeigte Genuss der Drogen Alkohol und Nikotin zweierlei:die Lebenslust und das Laster. Zerbrochene Tonpfeifen amBoden erinnern an die Vergänglichkeit des Lebens, des Wohl-stands und des Glücks.Der Tiompeter in der Wachstube, Stahlstich von A. H. pavnenach einem Gemälde von Fr. van Mieris (um 1650). Dies-denlLeipzig Mitte 19. Jahrhundert. Sammlung Kügler undKluttig,Leipzig
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Abb.20Die Firma Doms war von der zweiten Hälftedes 19. Jahrhunderts bis 1945 bei Schnupf- undKautabak eines der marktbeherrschendenIJnternehmen in Deutschland und den angren-zenden Nachbarländern. In schön gestaltetenDosen und Schachteln aus Blech oder Bakelitbot sie ihr vielfältiges Sortiment an und warbmit Aufdruckenwie ,,Echter Doms KautabakLatty Twist",,,Joseph D oms Kautabak- FabrikRatibor",, ,Nur Priem von Doms" ' , ,Doms
Ga'belbissen",oder,, Ich prieme nur DOMS" fnrihre Produkte.Kautabakdosen der Fa. Joseph Doms, Rati-bor/Oberschlesien. Sammlung JohannesDoms, Pfaffenhofen
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Abb.21Geschnupft wird mehrmals täglich und derTa-bak muss immer griffbereit sein. Dazu entwr-ckelte man kleine Flaschen aus Glas oder
Steinzeug, die leicht in der Jackentasche Platz
fanden und sehr robust sind. Sie sind zugleichWerbeträger für die Schnupftabakfabriken'Wie dieTibaktöpfe wurden auch sie imWester-wald hergestellt. Alte Schnupftabakflaschensind heute begehrte Sammlerobj ekte.Schnupftabaliflaschen in diversen Tabakfir-men im südlichen Ostseeraum; salzglasiertesSteinzeug,Westerwald um 1900. Sammlung Ed-win Breiden. Höhr-Grenzhausen
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trffiDos wkhtigste Rouchgerüt - die Tonpfeife
Wenn man im 71 . Jahrhundert der neuen Lust clesRauchens frönen wollte, benötigte man eine Tonofei-fe. Das bl ieb bis ins 19. Jahrhundert so. Trorz der zu-nehmenden Konkurrenz von Pfeifen aus anderen Ma-terialien, Zigarren oder dem Schnupfen und KauenwarenTonpfeifen das populärste Hilismittel zum Ge-nießen von Tabak, sozusagen die ,,Zigarette,. desI 7. i I 8. Ja h rh underrs.
Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Herstellunsvon Tonpfeifen in England entwickelt, inspiriert vonKontakten europäischer Seefahrer mit nordamerika-nischen Ureinwohnern. Schon bald mussten die ers-ten englischen Pfeifenbäcker jedoch den drakoni-schen Rauchverboten ihres Königs Jacob I. auswei-chen und siedelten sich in den Nieäerlanden an. Hierentwickelte sich Gouda in Windeseile zum weltweitbedeutendsten Zentrum fürTonpfeifen.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein blieb Gouda ronan_gebend, was Produktionsqualität und die Entwick-lung neuer Pfeifenformen anging. Goudaer Tonpfei-fen wurden nicht nur europaweit verhandelt, sondernebenso gern nachgeahmt, um von ihrem guten Ruf zuprofitieren. Von den Niederlande.r uut verbreitetesich im 17. und 18. Jahrhundert das neue Handwerkder Pfeifenbäckerei europaweit. überall wo Bedarfan Pfeifen bestand, entwickelten sich kleinere Fami-lienbetriebe oder größere Manufakturen. Im deutsch-sprachigen Raum sind inzwischen fast 300 Orte be-kannt, wo man Tonpfeifen herstellte. Meist handelt essich nur um eine kurzfristige kleingewerbliche pro-duktion. Wichtigere Orte und Regionen mit bedeu-tendem Produktionsumfang sind u. a. Hildesheim,Walbeck, Helmstedt, Hameln in Südniedersachen,Großalmerode und Uslar in Nordhessen, der Wester-wald, Altenburg, Waldenburg und Grimma in Mittel-
deutschland, Rostin in der Neumark und Sborovskyin Oberschlesien.
Am Anfang waren die Köpfe der Tonpfeifen sehrklein, da Täbak noch importiert werden musste undextrem teuer war. Die Pfeifen waren zudem plumpund meist unverziert - sie mussten funktionieren. daiAussehen kam an zweiter Stelle. Seit der Mitte des17. Jahrhunderts expandierte derTäbakanbau überallin Europa, dadurch wurde Täbak bedeutend billiser
Abb.22Tonpfeifen und Rauchutensilien wurden bald überall absebil_det, hier auf einer niederländischen Fliese aus dem l;..-Jahr_hundert, aus Theodorus Niemeyer: Nicotiana Tabacum. Gro_ningen 1964, S.36.
ffi&und die Größe der Pfeifenköpfe nahm zt. Zugleich
wurden die Pfeifen länger und graziler, und es ent-
stand eine Fülle von Modellen und Verzierungen'
Eine Politur der Pfeifenoberfläche und allgemein
sorgfältige Herstellung sprechen ab dem 18. Jahrhun-
deri fur-ein wachsendes Qualitätsbewusstsein und
eine größere Konkurrenz der Pfeifenbäcker unterein-
andei. Rasch entwickelten sich regionale Besonder-
heiten, technologische und typologische Unterschie-
de. So wurde in Ost- und Südeuropa die Gesteckpfei-
fe populär, ein tönerner Kopf, kombiniert mit einem
hölzernen Stiel; während in West-, Nord- und Mittel-
europa die langstielige Tonpfeife dominierte'pfäifen aus Meerschaum, Holz und Porzellan
drängten die Tonpfeife im 19' Jahrhundert langsa m ins
Abseits. Mit einer Vielzahl neuer Modelle, figürlich
gestalteten Köpfen und bunter Bemalung versuchten
äie Tonpfeifenhersteller ihr Produkt attraktiver zu
machen und den Markt zu behaupten. Dies gelang ih-
nen i edoch nicht, und die Pfeifenbäckerei ist heute bis
auf öinzelne kleine Werkstätten verschwunden.
Abb.23Die Pfeifenmacher in Gouda waren eine mächtige Zunft, was
sich auch in diesem repräsentativen Sargschild aus Silber aus-
drückt. dat.1734.Museum het Catharina Gasthuis en Museum de Moriaan, Gou-
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Abb.24Historische Tonpfeifen sind anvielen Orten zu entdecken:AlsProduktionsabfall und Werk-stattbruch, bei archäologischenAusgrabungen in Siedlungen,in Kanälen und Hafenbeckenoder auf den Feldern, r.rohin siemit dem Haushaltsabfall frühe-rer Jahrhunderte gelangt sind.Stets treten sie dabei in Massenauf - ein Beweis für die Bedeu-tung derTonpfeife als notwen-diges Gerät zum Rauchen vonTabak. Hier Zeugnisse der letz-ten Produktion im Westerwaldim 20. Jahrhundert.Sammlung Kügler und Klurr ig.Letpztg
Abb.25Zur Datierung von Tonpfeifen gibt es eine einfache Regel: Jekleiner der Kopf, desto älter ist die pfeife. Die frühesten p-feifenvom Beginn des lT.Jahrhunderts haben noch einen winzis klei_nen Kopl da auch derTabak sehr teuer war. Die Köpfe würdenaber schnell größer. Hier ist die Entwicklungsreihe von etwal6l5 ( l inks oben) bis 1700 (unren) abgebi lder.Sammlung Kügler und Kluttig, Leipzig
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Abb.26Jede handwerkliche Vereini-gung, ob Zunft, Gilde, Innungoder Gesellenverein, hielt stetssehr großen Wert aui RePrä-sentation und Selbstdarstel-lung. Auch die LüneburgerFreimaurer wussten das Rau-chen zu schätzen und ließensich 1791 eine neue Tabakscha-le aus Zinn anfertigen. Auf demSockel haben sich die Stifterder Tabakschale verewigt.Museum für das FürstentumLüneburg
Abb.27Breslau zählte im 17./18. Jahrhundert zu den wichtigsten Han-delsstädten im Deutschen Reich und war ein Umschlagplatzfür Waren aus Ost und West. So finden sich auch zahlreiche Bei-
spiele früher Pfeifenköpfe aus dem osmanischen Kulturkreisdes Balkans. Die frühen Exemplare sind noch einfach und grob
searbeitet. erst im 18. Jahrhundert werden die Dekore zier-
licher und dieVerarbeitung sorgfä1tiger.Rote Irdenware, 18. Jahrhundert. Muzeum Archeologicze w
Wroclawiu/PL
ffipTonpfeifen - Herstellungstechnik und -orte
Die Produktion vonTonpfeifen erfolgte mit Hilfe einerzweischaligen Metallform,wobei die ganze pfeife in ei-nem Arbeitsgang entsteht. Der Herstellungsprozessselbst is t s impel. er lordert aber v ie l Handarbei t : DasAufbereiten des Tones, das Rollen der Rohlinse. dasAusformen, das Säubern von Tonresten, das Einsetzenin Brennbehälter, den Brand im holzsefeuerten Ofenund das vorsichtigeVerpacken des zerbrechlichen End-produktes. Diese einfache, standardisierte Massenferti-gung erlaubte den geringen Preis einer Tonpfeife, dergenerell unter dem des benötigtenTäbaks lag.
Im frühen 17. Jahrhundert kam es aufsrund man-gelnden Technologietransfers und der siarken Ver-wurzelung der neuen Pfeifenbäcker im Töpferhand-werk mancherorts zu handwerklichen Eisenentwick-
lungen. In Ostsachsen/Schlesien setzten die Hand-werker die vorher einzeln gefertigten Köpfe und Stie-le der Pfeifen zusammen und verkauften ihre produk-te von Breslau bis Leipzig.
Lange versuchte man vergeblich die Herstellung zurationalisieren. Im 19.120. Jahrhundert produziörteman immer noch so wie ganz am Anfang - was nun, daArbeitskraft und -zeit teurer wurde, maßgeblich zumNiedergang des Handwerks beigetragen hat. ErstAn-fang des 20. Jahrhunderts gelang mit der Einführungvon Pfeifenpressen eine Mechanisierung der produk-tion, doch konnte dies das Verschwinden derTonpfei-fen nur verzögern, nicht verhindern.
Die Hersteller verewigten sich mit verschiedenenMarken- und Namensstempeln auf den pfeifen. die
Abb.28Pfeifenbäckerwerkstatt in Gou-da, Holzschnitt Ende 18. Jahr-hundert;aus G. C. Helbers/D.A.Goedewaagen: Goudse Pijpen.Amsterdam 1942,5.161.
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Abb.29Pfeifenofen der Fa. Tiumm-Bergmans in Weert/NL'
z. T. Werbun E, z. T. Schutzmarke sein sollten. Diese
Markierungen auf Kopf, Ferse und Stiel geben Aus-
kunft über Ort, Zeitpunkt und häufig den Herstellerselber und sind damit wichtige Hinweise für Histori-ker und Archäologen. Direkte Zeugnisse des Produk-
tionsorozesses. z. B. eine Glasurbrandhilfe aus einer
klein-en Warschauer Töpferei, sind äußerst selten.In einigen Orten entstanden große Betriebe, die
Hunderttausende Tonpfeifen, manchmal Millionen,pro Jahr produzierten. Damit konnten sie nicht nur
die umliegende Region versorgen, sondern auch in
weiter entfernt liegende Städte exportieren. Dies gilt
z. B. für die Manufakturen Rostin inWestpreußen und
Sborovsky (bis 1929 Ostenwalde) in Oberschlesien.An beiden Orten gründeten preußische Geschäfts-leute kurz nach 1750 mit staatlicher UnterstützungManufakturen und warben Facharbeiter aus den
Niederlanden an. Gegen Ende des 18. Jahrhundertsbeschäftigten diese beiden Fabriken jeweils über hun-
dert Arbeiter und waren damit wichtige Wirtschafts-faktoren. ZumAbsatz ihrer Pfeifen unterhielt z. B. die
Rostiner Manufaktur eine Verkaufsstelle in Berlin.
Schriftliche Quellen belegen einen regen Austausch
mit anderen Pfeifenbäckerorten in Deutschland. In
Elbing existierte um 1800 eine solche Verkaufsstelleder ebenfalls bedeutenden preußischen Tonpfeifenf a-
brik Weissenspring. Deren Produkte tauchen jedoch
im Fundmaterial der in dieser Ausstellung vorgestell-ten Städte kaum auf.
Vielfach wechselten Pfeifenbäckergesellen zwi-
schen dem Westerwald, Großalmerode, Uslar, Rostin
und Sborovsky und trugen so zum technologischenWissensaustausch bei. Quellen informieren uns häu-
fig genau über Herkunft und Lebenslauf dieser Wan-
dergesellen, wie z. B. über Johann Conrad Wille, der
sichlll6 von Sborovsky kommend in Görlitz nieder-
Iieß und hier eine über mehrere Generationen wäh-
rende Tonpfeifenproduktion initiierte.
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Herstellung_von Tonpfeifen mit Pfeifenpressen in der Fa. Withelm Klauer Söhne in Baumbach um 1930.Sammlung Kügler und Kluttig, Leipzig
Mit dem langsamen Rückgang des Bedarfs an ToJl- ky die Tätigkeit ein. Bis zum Ersten weltkrieg war diepfeifenseitAnfangdeslg.Jahrhundertsstelltennicht Pfeifenbäclerei in Deutschland, außer im Wester-nur die beiden Manufakturen in Rostin und Sborovs- wald, nahezu erloschen.
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Abb.31Für jedes Pfeifenmodell ist eine zweischalige Pfeifenform notwendig, in der meist auch die Verzierungen schon eingraviert sind.Zu jeder Eisenform gehört ein spezieller Stopfer, mit dem der Kopf der Pfeife ausgehöhlt wird. Pfeifenformen waren stets teuerund der Besitz möglichst vieler verschiedener Formen stellte das wichtigste Betriebskapital dar.Eisen,Anfang 20. Jahrhundert. Peter Spang, Ransbach-Baumbach (Pfeifenform);Sammlung Küg1er und Kluttig, Leipzig (Pfeife)
Abb.32ZumAusformen derTonpfeifen sind außer denPfeifenformen nur kleine Werkzeuge notwen-dig: der lange gerade Weierdraht zum Durch-stechen des Pfeifenstieles, der hakenförmigeSchenker zum Entfernen von Tonresten amStiel, der Stempel zum Aufdrücken von Her-stellerzeichen, der Achatstein zum Polieren derOberfläche und Thockendrähte, die ein Ver-krümmen des Stieles beim Tiocknen verhin-dern.Holz, Eisen, Westerwald Anfang 20. Jahrhun-dert. Sammlung Kügler und Kluttig, Leipzig
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Abb.33Ein Pfeifenbäcker beim Ausformen einer Tonofei-fe. Hi lgert I995.Sammlung Kügler und Kluttig, Leipzig
Abb.34Tonpfeifen aus dem 17. Jahrhundert aus demGrenzraum Sachsen/Schlesien sind durch eine inder Region erfundene Technologie entstanden.die in den Nieder landen nicht be[annt isr . Dabeiwerden Kopf und Stiel von Hand zusammenge-setzt - im Cegensatz zur Ausformune in der pfei-fenform. wo in einem Arbeitsgang die komplettePfeife entsteht. Diese Beispiele wurden inWroclaw gefunden.MuzeumArcheologiczne w Wroclawiu/Pl
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Abb.35Brennhilfen für das Glasieren von Tonpfeifensind sehr selten erhalten. Bei dem WarschauerExemplar wurden frisch glasierte Pfeifenköpf'eeinzeln auf die Dorne gesteckt, da sie sich nichtberühren dürfen, um nicht zusammenzukle-ben.Rote Irdenware, ergänzt, 17./18. Jahrhundert'Historisches Museum Warschau/PL, Archäolo-gische Abteilung
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Abb.36Die große Pfeifenmanufakturin Rostin hatte es nicht nötig,sich hinter dem Qualitätsbe-griff ,,Gouda" zu verstecken.Selbstbewusst versah sie ihreProdukte auf verschiedeneWeise mit dem Namen ,,FA-BRIQUE ROSTIN" und be-nutzte einen ganzen Katalog ei-gener Fersenmarken, der zumgroßen Teil denen aus Goudaähnelt (Abb. stark vergrößerr) .18./19. Jahrhundert. MuzeumLubuskie, Gorzöw Wielkopols-KilPL
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Abb.37Auch die Manufaktur in Sborovsky war ein Großproduzent von Tonpfeifen, die weit verhandelt wurden und wie diese Beispiele
zahlreich bei Ausgrabungen in Wroclaw auftauchen.2. Hälfte 18. Jahrhundert. Muzeum Archeologiczne w Wroclawiu/Pl
s$Der Hondel mit Tonpfeifen
Die Herstellung von Tonpfeifen etablierte sich imspäten 11.178. Jahrhundert überall in Europa. Es ent-wickelten sich besondere Produktionsorte oder -re-gionen, die zu bestimmten Zeiten einen so großenAusstoß an Pfeifen hatten, dass sie auch weit entferntliegende Orte versorgen konnten. Andererseits gibtes viele Städte,in denen es aufgrund mangelnder poli-tischer oder wirtschaftlicher Voraussetzunsen nie zurAnsiedlung von Pfeifenbäckerei kam, un-d die des-halb stets auf Importe angewiesen blieben. Im süd-lichen Ostseegebiet und Schlesien ist beides zufinden. Die ehemaligen preußischen ManufakturenRostin und Sborovsky waren so aktiv, dass man ihreProdukte nicht nur zwischen Rostock und Klaip6dabzw. in ganz Schlesien findet, sondern vereinzelt auchin weiter entfernt liegenden Orten.
Auch in vielen Städten ohne eigene Tonpfeifenpro-duktion wie Elbl4g/Elbing, Kwidzyn/Marienwerder,MalborkiMarienburg in Polen, Tärtu/Dorpat in Est-land und KlaipddaiMemel in Litauen findet man stetseinen großen Anteil von Pfeifen aus Rostin - nebenImporten aus vielen anderen Regionen wie z. B. ausHolland. Der bedeutende Handel in diesen Städten,verbunden mit einer hohen Mobilität der Bevölke-rung, brachte Pfeifen aus aller Herren Länder mitsich, sei es als Handelsware oder persönlichen Besitz.Dabei lassen sich aufgrund archäologischer Funde bisjetzt kaum signifikante Unterschiede zwischen dengenannten Städten herausarbeiten - meist sibt es ei-nen bunten . . lmportmix '
Da es sich um Küsten- oder küstennahe Städte han-delt, spielt die Entfernung zu einzelnen produktions-orten eine weniger große Rolle als bei Binnenstädten,die nur über Land zu erreichen waren. Die Fundzahlist in den meisten Fällen iedoch noch sehr klein. Erst
durch weitere Forschungen kann z. B. ermittelt wer-den, ob manche Produzenten bzw Fabriken eine be-sondere Bedeutung für bestimmte Importstädte besa-ßen.Zwarlassen sich im Fundspektrum der einzelnenStädte unterschiedliche Goudaer Hersteller identifi-zieren, doch ist die Repräsentativität dieser Beobach-tung bislang fraglich.
Warschau nimmt eine Mittelstellune ein - zwarscheint Tonpfeifenherstellung bzw. zumindest dasnachträgliche Glasieren von Tonpfeifen um 1700
Abb.38Tiansport von Tonpfeifen in Holzfässern und Körben, Holz-schnitt aus Gouda von ca. 1762;aus G. C. HelbersiD.A. Goede-waagen: Goudse Pijpen. Amsterdam 1942, S. 91.
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Abb.40Dieser repräsentative Tabaktopf aus Delfter Fayence verdeut-licht mit s-einem Motiv den Seehandel, der von jeher so eng mitdem Rauchen verbunden ist. Um 1800;Stadtmuseum Köin
kurzzeitignachgewiesen zu sein, doch hat es sich nach
bisheriger Kenntnis um einen Kleinbetrieb gehan-
delt, der nie den Bedarf der Stadt decken konnte. Des-halb zeigt das Fundbild in Warschau neben den mut-maßlichen lokalen Produkten die typischen west-preußischen Importe, in deren kulturellem Einfluss-
bereich die Stadt lag.
wAbb.39Eine Goudaer Pfeife mit dem Stadtwappen von Hamburg ver-deutlicht einen typischen Exportauftrag (Abb. stark vergrö-ßert). Mitte 18. Jahrhundert; Helms-Museum - HamburgerMuseum für Archäologie
ffipDie Fundsituation in Schlesien ist noch weitsehend
unbekannt, nur aus Wroclaw/Breslau liegen stöß.r.Funde vor. Demnach wird der Markt im iZ. : inrnun-dert von Produkten noch nicht lokalisierter Herstel-ler im Gebiet Ostsachsen/Schlesien dominiert. Im-porte aus den Niederlanden kommen nur in gerinsemUmfang vor. da ab der Mir te des 18. Jahrhunldert idasoberschlesische Sborovsky den Markt mit seinen pro-dukten überschwemmt.
In Lüneburg ist die Situation wieder anders. Hiergab es genügend produzierende Orte in der näherenUmgebung, die Tonpfeifen herstellten, z. B. Großal-merode oder Walbeck. Lange Zeit bestand politischeWeisung, bevor^tgt die Produkte der Region. also desFürstenl ums Lüneburg. zu erwerben.
Nicht nur Goudaer Tonpfeifenmanufakturenstellten auf Wunsch Pfeifen miidenWappen und Na-men der auftraggebenden Städte oder personen her,auch aus Sborovsky ist das belegt. Es handeltsich stets um hochwertige, fein gearbeitete Relief-pfeifen, die sich nicht selten auf eine person oderein besonderes Ereignis, z. B. ein Jubiläum, be-ziehen. Dieses spezielle Produzieren nur für den Ex-port spielte auch im 79.120. Jahrhundert nocheinmal eine große Rolle, als viele pfeifenbäcker denwegbrechenden innereuropäischen Markt eineZeitlang mit dem massenhaften Export nach über-see, größtenteils nach Amerika. kompensierenkonnten. Das hat dazu geführt, dass
-an äus dieser
Zeit weltweit die gleichenTonpfeifenmodelle findenKann.
Abb.41Etwa aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt ein detailreichgestalteter Porträtkopf einer ,,Hexe,, oder ,,Medusa,,. Herge_stellt wurde er vermutlich von der berühmten, auf solche fieu_ralen Pfeifen spezialisierten französischen Firma Gambier.Tartu Linnamuuseum, Thrtu/EST
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Abb.42Die Funde aus Klaip6da sind ein gutes Beispiel fürein sehr bunt zusammengesetztes Importspektrum.Darin befinden sich Pfeifen aus Gouda, Deutschlandund Großbritannien. Es muss sich nicht in jedem Fallum zielgerichtete Handelsware, sondern kann sichebenso um Souvenirs und Geschenke von Reisen-den handeln. Besonders beliebt in dieser Küsten-stadt waren Reliefpfeifen mit Seefahrermottven.19./20. JahrhundertMaZosios Lietuvos Istoriios Muzeij us, Klaip6da/LIT
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Abb.44Reliefpfeifen mit der Aufschrift ,,VIVAT ..." vom Anfang des 18. Jahrhunderts sind im norddeutschen Raum sehr verbreitet. Der
Raucher ließ damit Schweclen, Hamburg, das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg oder die Stadt Lüneburg hochleben. Der Kopf
der Pfeifen trug in den vorliegenden Fällen meist das Niedersachsenross. Die Qualität dieser Funde aus Lüneburger Ausgrabun-
gen ist überwiegend schlecht und tässt auf alte, abgenutzte Formen schließen.Stadtarchäologie Lüneburg
Abb.45Die Manufaktur in Sborovskyfertigte Pfeifenköpfe mit demMonogramm ,,FR" (= P1;g6.ti-cus Rex) und dem preußischemWappen an.2. Hälfte 19. Jahrhundert.Sammlung Edward Zimmer-mann, Gdairsk/Pl
&$Die Tonpfeife ols orchüologischer Fund
In der Zeit des Tonpfeifengebrauchs vom späten 16.bis ins 20.Jahrhundert wurde dieses Rauchinitrumentals Alltagsprodukt in millionenfacher Stückzahl her_gestellt und nach seinem - meist kurzen - Leben ent_sorgt. Man kann sprichwörtlich keine Ausgrabuns inSchichten dieser Zei t durchführen. ohne-auI Fäe-mente von Tonpfeifen zu stoßen. Da sich sebranntärTon im Boden ausgezeichnet hält, sind die pfeifen beiihrer Auffindung zwar meist in viele Stücke zerbro-chen, das Material an sich aber ist in gutem ZusLand.
Zu diesem Fundreichtum kommt noch ein zweiterAspekt, der dem Neuzeitarchäologen die Tonofeifesympathisch macht. Die schnel le Veränderunä. derdie Form der Pfeifenköpfe in der Vergang.rrt eitunter lag. ermögl icht e inen ersten zeir l ichen nnhal ts_punkt. Durch Stempel undVerzierungen des Herstel_Iers, oft sogar die Angabe seines Namäns und des pro-duktionsortes auf den Pfeifen, ist häufie eine ensereDat ierung und vor al lem eine Lokal is ie iuns. der Fun-de möglich. Hierbei helfen Zunftlisten und anderehistorische Dokumente, die über Ort und Zeit derTä_tigkeit von Pfeifenmachern berichten. Natürlich sindsolche Zuweisungen auch mit Unsicherheiten behaf_tet, die im Zusammenhang mit Fälschungen und Mar_kenpiraterie stehen. Tiotzdem bleiben Tonpfeifeneine der am besten auswertbaren Fundkategorieninnerhalb der Neuzeitarchäologie. Sie dienen deshalbals eine Art ,,Leitfossil" nicht selten zur Datierunsund Beurteilung ganzer Fundkomplexe, in denen siöenthalten sind - was sonst meist nur mit Münzen. be-schrifteter Keramik oder anderen Sonderfunden se_l ingl .
In Deutschland beschäftigt sich der 19g9 gegründe_te Arbeitskreß Tonpfeifen speziell mit der wissen_schaftlichen Erforschung dieses kleinen, aber infor_
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Abb.46Mess-Schema für Tonpfeifen; aus Martin Kügler: Tonpfeifen.Ein Beitrag zur Geschichte der Tonpfeifenbäckörei inDeutschland. Höhr-Crenzhausen 1 q87. S. 5 l .
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sich auf Tonpfeifen, berücksichtigt jedoch das ganze
Umfeld historischen Tabakgenusses sowie Kleinfigu-ren aus Ton. Mittlerweile kann sie auf ihre 17. Ausga-
be und einen kontinuierlich gewachsenen Umfang zu-
rückblicken.Einen bedeutenden Beitrag zur internationalen
Beachtung und Wirksamkeit des Arbeitskreises Ton-pfeifen leistet die komplett viersprachige Website
www.knasterkopf.de (deutsch, englisch, französisch
und niederländisch). Hier wird über Pfeifen und das
Pfeifenbäckerhandwerk berichtet, hier stellt sich der
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Abb.4'7Von der Manufaktur in Sborovsky verwendete Marken;Zusammenstellung von Edward Zimmermann, Gdairsk/Pl
mationsbeladenen Gegenstandes. Jährliche Tagun-gen vereinigen europäische Wissenschaftler, die sich
temporär oder langfristig mit Tonpfeifen und histori-
scher Tabakkultur befassen. Im Arbeitskreis gelingt
auf lebendige und lockere Weise die Zusammenarbeitvon Wissenschaftlern, Sammlern und Heimatfor-
schern.Die eng mit dem Arbeitskreis verbundene und 1990
ins Leben gerufene Fachzeitschrift Knasterrcopr ist
nicht nur in Deutschland fest etabliert, sondern zählt
weltweit Autoren und Interessenten. Sie konzentriert
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. :
Abb.48Aufschriften auf Pfeifenstielen aus der Manu-faktur in Rostin; Zusammenstellung TeresaWitkowska, Cörzow Wlkp./PL
&&
Abb.49w"tr[ ***.t nasterkopf.de des Arbeitskreises Tonpfeifen und des Knasterroer, zu der man Zugang in vielenweltsprachen findet'
Arbeitskreis mit seinen Aufgaben und Ergebnissen
vor, und hier findet man Inhaltsabgaben und Illustra-
tionen zu allen bisher erschienenen Ausgaben des
Knastercopp. Aus aller Welt erreichen den Arbeits-
kreis und den KnasterKoPF so Anfragen, Manuskripte
undAnsebote zur internationalen Zusammenarbeit'
Das ganze Arbeitsspektrum der deutschen Ton-
pfeifenforschung ist stark interdisziplinär und inter-
national angelegt. Auf diese Weise konnten schon vie-
le Vernetzungen hergestellt und Länder- bzw. Fach-gr enzen überschreitende E rgebnisse erzielt werden'
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Abb.50Verliehen auf Lebenszeit oder für einige Jahre, besaß jeder Goudaer Pfeifenbäcker eine odermehrere Marken, mit denen er seine Produkte kennzöichnete - zahlen, Buchstaben, Gegen-stände,Tiere usw. Zugleich blieben diese Marken ständiger Anreiz für Fälscher in und außerhalbder Niederlande. Die Benutzung vieler originaler Goudaer Marken durch deutsche pfeifenbä-cker macht eine Zuweisung ohne weitere Hinweise oft schwierig. Ztdemverkamen diese Mar-ken mit der Ze i t . gerade au ßerha lb Goudas, imme r mehr zur broßen Verzierun sDie Beispiele aus Lüneburg zeigen die stark vergrößerten Marken: König Dav-id mit abgeschla-genem Haupt und Schwert, das Milchmädchen, denvogelkäfig, eine Kuhiowie ,,HB,,,,,L,,,,,B,,,,,40" und ,,46", jeweils mit Krone.18./19. Jahrhundert. Stadtarchäologie Lüneburg
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Abb.51Ein besonderes Stück ist diese Reliefpfeife mit dem Motiv
,,Doppeladler" auf beiden Seiten des Kopfes. Die Qualität istnicht sehr gut, sodass Gouda als Exporteur ausscheidet. Mögli-cherweise wurde die Pfeife in Polen, Russland oder Osterreichhergestellt, wo dieses Motiv im 19. Jahrhundert politische Be-deutung besaß (Abb. stark vergrößert).Gefunden in Tartu. Tartu Linnamuuseum, Tartu/EST
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Abb.52Mit eigenen Stielbeschriftungen geben deutsche Pfeifenbäckeraus dem näheren oder weiteren Umland Lüneburgs Auskunftüber sich. Die meisten von ihnen haben im 18. Jahrhundert Lü-neburg mit Pfeifen versorgt, deren Qualität sehr unterschiedlichist. aber durchaus die der niederländischen Produkte erreichenkann. Solche Herstellungsorte waren z. B' Hildesheim oderGroßalmerode (auf den Pfeifen meist abgekürzt mit ,,GARD"),wo u. a. die Pfeifenbäckerfamilie Knecht wirkte.Stadtarchäologie Lüneburg, Zeichnungen Helms-Museum -Hamburger Museum für Archäologie
&trFundort [üneburg
Was Tonpfeifen angeht, ist Lüneburg nicht irgendein,sondern ein ganz besonderer Fundort. Die heutigenErkenntnisse profitieren davon, dass man schon inden 1970er Jahren, als Neuzeitarchäologie allgemeinnoch ziemlich klein geschrieben wurde, hier bei Aus-grabungen auf Tonpfeifenfunde achtete. Diese lang-jährige Forschung hat dazu geführt, dass in LüneburgHunderte Tonpfeifenfragmente von einer Vielzahlstädtischer Grundstücke bekannt sind. Dieses konti-nuierlich erweiterte Fundmosaik bietet ein vielseitisabgesichertes Bild zum Tonpfeifenkonsum in dieseinorddeutschen Stadt.
Für eine eigene Tonpfeifenproduktion in Lüneburggibt es bislang weder schriftliche noch archäologischeHinweise. Einheimische Töpfer versuchten sich aberin der ,,Veredlung" vonTonpfeifen - aus eigenemAn-trieb oder auf Wunsch der Kunden - indem sie dieschlichten weißen Pfeifen mit Glasuren aufweneten.Vereinzelte Funde, überwiegend von der Töpferei-parzelIe,,Auf der Altstadt 29", gibt es mit gelben. grü-nen und dunkelbraunen Glasuren. Diese Mode er-streckt sich bis in das 18. Jahrhundert und ist nicht,wie in Süddeutschland, auf das 17. Jahrhundert be-schränkt.
In Lüneburg hatte man ganz besondere Vorbehaltegegen Stadtbrände. Dafür finden sich archivalischeund archäologische Zeugnisse in ungewohnter Dich-te. Zahkeiche Feuerverordnungen verbieten dasRauchen oder legen die Benutzung einer Tonpfeifenur mit Gluthaube fest. Unter den Lüneburger Ton-pfeifenfunden befinden sich tatsächlich einige sehrseltene Pfeifen(-fragmente), die noch diese Haubeoder Korrosionsspuren davon aufweisen. Aus ande-ren Orten mit einer vielfach größeren Fundmengewie etwa Leipzig ist keine einzige Gluthaube bekannt.
Auch andere Utensilien, die mit dem Rauchen zu-sammenhängen, sind in Lüneburg erfreulicherweisearchäologisch erhalten: so mehrere hölzerne Futtera-le für die Aufbewahrung und den Tiansport von Ton-pfeifen, wie man sie sonst nur auf Gemälden oder mu-seal überliefert findet.
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Abb.53Auf dieser Karikatur sieht man auch einen Soldaten mit pfeife,die eine Gluthaube trägt. Um 1800;Stadtmuseum Köln
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Das genaue Verhältnis zwischen deutschen undniederländischen Tonpfeifenimporten in Lüneburgist noch zu untersuchen. E,s treten aber viele deutscheHersteller deutlich in Erscheinung, und zwar nichtwie andernorts erst im 18.. sondern schon im 77.Jahr-hundert. Besonders wichtig für die Versorgung derLüneburger Raucher waren die ProduktionsorteGroßalmerode und Walbeck, daneben Hildesheim,Münden. Hameln und Helmstedt. Die Qualität derPfeifen schwankt sehr stark. doch haben auch diedeutschen Hersteller z.T. hervorragende Pfeifen ge-macht. Dabei benutzten sie zumTeil Kennzeichen derGoudaer Pfeifenbäcker, was die Abgrenzung zu origi-nalen Goudaer Importen schwierig gestaltet. Gene-rell waren die Lüneburger aber wohl wenig auf solche
Abb.54Zeichnung eines Holzfutteralsfür einen Tonpfei fenkopf. ge-funden in Lüneburg; Stadtar-chäologie Lüneburg, Zeich-nung Helms-Museum Ham-burger Museum für Archäolo-gle
bewussten Plagiate angewiesen, denn diese lassensich bis jetzt nur vereinzelt nachweisen. Durch dieNähe zu Hamburg stand das Tor zur Welt offen undImporte waren billiger als weiter im Inland.
Die Lüneburger Tonpfeifenlandschaft bietet dasBild einer norddeutschen Handelsstadt, die selberkeine Pfeifen produzierte, in der jedoch das Raucheneine große Rolle spielte. Sie war deshalb ein lohnen-der Markt für die umliegenden Pfeifenmanufakturen.Die guten Erhaltungs- und Bergungsbedingungen er-lauben für Lüneburg ein reicheres und detaillierteresBild zum historischen Umgang mit Tonpfeifen, als esbei den meisten deutschen Städten (bis jetzt) möglichist.
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Abb.55Auch unterwegs wollten Rau-cher nicht auf ihr Vergnügenr erzichten, doch mussten siedie zerbrechliche Tonpfeifeschützen. Mit Pfeifenlutteralenaus Ho1z, oftmals mit Verzre-rungen aus Messing oder Silberbeschlagen. konnten Tonpfei-fen immer mitgeführt werden.Pfeifenfutterale erhalten sichals wertvolle Objekte meistensnur in Sammlungen. Aus Lüne-burg liegt der seltene Fund ei-nes solchen Fut leralr aus einerarchäologischen Ausgrabungvor (das kurze für den Kopf).Beide können in die Zeit um1750 datiert werden.Stadtarchäologie Lüneburg,Museum für das FürstentumLüneburg, Lüneburg
Zeitgenössische Que1le (1727)aus Breslau über die Erfindungeines Pfeifenfutterals; aus:SammlungVon Natur- und Me-dicin- Wie auch hierzu gehöri-gen Kunst- und Literatur-Ge-schichten... Bd.33. Leipzig undBrdißin1727.
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' r ' : jAbb.56Dem Bedürfnis nach attraktiven Rauchgeräten kam ein Töpfer vom Grundstück ,,Auf der Altstadt 29" nach. Er steckte fertigepfeifen in eine weiche Tonplatte, versah Iie mit den Glasuren seiner Geschirre und brannte al1es. Danach wurden die festgeback-
ten pfeifen kurzerhand uus d". Iit.nnhilfe gebrochen und die Stiele erhielten durch Schliff ein neues Mundstück. Solche Funde
sind selten und ein weiterer Beleg für die besondere Fundlandschaft Lüneburg.Rote und weiße Irdenware (Pfeifenton), 17./18. Jahrhundert. Stadtarchäologie Lüneburg
Abb.57Die Tonpfei fe mit e iner Clut-haube aus Metall stammt voneiner Ausgrabung in Lüneburgund stellt einen sehr seltenenBeweis dafür dar, dass die Rau-cher den Geboten der Feu-erordnungen auch folgten.18./19. Jahrhundert. Stadtar-chäologie Lüneburg
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Abb.58Ein springendes Pferd - das sog. Niedersachsenross - spielte imFürstentum Lüneburg bei der Markierung von Produkten zeit-weise eine große Rolle. So erscheint es häufig auf den Tonpfei-fen, wenn auch nicht immer als so qualitätvol1 ausgeprägte Re-liefverzierung wie bei diesem Beispiel (Abb. stark vergrößert).18./19. Jahrhundert. Privatbesitz Edgar Ring. Lüneburg
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Abb.59In der Aufstellung des WägersWölschen in Lüchow ist ver-merkt, welche Pfeifen derKaufmann Schröder am 8. De-zember 1"713 nach Lüneburggeliefert bekam:10 Dutzend Pfeifen mit unver-ziertem Stiel (,,GlatstehligtePfeff in") mit der Marke ,,B",die aus Holland stammen sol-len,2 Dutzend und 7 Stück mit ver-zierten Stielen 1.. Kraul3stehlig-re") mit der Marke ,,E8",14 Dutzend Pfeifen mit unver-zierten Stielen und der Marke..EB" sowie9 Dutzend und 5 Stück aus derPfeifenfabrik in Celle, die mitden Initialen des Landesherren,,G. L. C." (Georg LudwigCh urfürsl) gemarkt waren.Das Schriftstück bestätigt diearchäologischen Befunde, dassin Lüneburg holländische undeinheimische Tonpfeifen zurVerfügung standen.Stadtarchiv Lüneburg, ,
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Es geht ouch onders - Pfeifen ous verschiedenen Msteriolien
Die Tonpfeife war, wenn auch lange Zeit das meistverbreitete, nie das einzige Mittel,Tabak zu rauchen.Schon im 17. Jahrhundert nutzten Soldaten oderSeefahrer Metallpfeifen, da sie für die zerbrech-lichen Tonpfeifen lange Zeit keinen Ersatz bekom-men hätten. Aber dies waren eher schlecht schme-ckende Notlösungen, die eine Nischenfunktion be-hielten.
Das 18. Jahrhundert brachte bedeutendere Kon-kurrenten - Pfeifen aus verschiedenen Hölzern(,,IJlmer Maserholz"), Porzellan, Meerschaum undschließlich aus Bruyöreholz. Sie alle unterscheidensich von der Tonpfeife durch ihre höheren gestal-terischen Möglichkeiten in Form und Farbe undentstanden meist in kunstfertiser Handarbeit.Deshalb besaßen sie anfangs exklüsiveren Charak-ter als das billige Massenprodukt Tonpfeife undwaren nicht für jedermann erschwinglich. Dasänderte sich mit der fabrikmäßigen frerstellunsvon Porzel lan- und einfachen Mäerschaum- unäHolzpfeifen im 19. Jahrhundert. Diese wurden da-durch schnell preiswerter und verdrängten Tonpfei-fen mehr und mehr aus der öffentlichen Raucherkul-tur.
Neben dem Schnupfen und Kauen von Tabak ent-stand derTonpfeife gegen Ende des 18. Jahrhundertsein noch schärferer Konkurrent: die Ziparre. Bewusstsetzten sich vor allem bürgerliche Kräise durch dasRauchen gerollter Täbakblätter ohne künstlichesHilfsmittel als ,,moderne" Form des Täbakkonsumsvon den Pfeiferauchern ab. Mit demAufkommen derdünn eren Zi gar 11lo s und s chlie ßli ch der Zi gare t t en a betwa 1850 war das Ende derTonpfeife besiegelt, die inder folgenden Endphase nur noch in ländlichen Ge-bieten eine Rolle spielte.
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Abb.60Scherenschnitt aus dem Oldenburger Land von 1818; aus Hel-mut Ottenjann: Lebensbilder aus dem ländlichen Biedermeier.2. Auflage Cloppenburg 1 984, S. 52.
$&Die sinkende Nachfrage nach Tonpfeifen in Europa
konnte im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch einmal
durch den massenhaften Export nach Übersee aufge-
fangen werden. Mit dem Ersten Weltkrieg aber war
für die wenigen verbliebenen deutschen Hersteller,
etwa im Westerwald, die ,,gute Zeit" endgültig vorbei'
Gegenwärtig werdenTonpfeifen nur noch von vier
Betrieben hergestellt, doch meist nicht mehr zum
Rauchen. In großen Massen finden Tonpfeifen nur
noch als Spielzeug und Zugabeartikel Verwendung.
In vielen Teilen Deutschlands ist es Brauch, in der
Vorweihnachtszeit Pfefferkuchenfiguren in Men-
schengestalt eine kleine Pfeife mitzugeben. Sie soll
die Kinder aber nicht zum Rauchen verführen, son-
dern dient einem ganz anderenZweck: dem Seifen-
blasen machen. Und selbst dieses letzte Refugium ist
aktuell bedroht, werden die Weckmannpfeifen doch
mittlerweile billiger aus biologisch abbaubarer Zellu-
lose hergestellt.
Abb.61Holzschnitt von M.Weber ,,Eine feine Sorte" nach einem Ge-
mälde von L. Max-Ehrler, um 1880; Sammlung Kügler und
Kluttig,Leipzig
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Abb.62Meerschaum ist ein sehr weiches, leicht zu bearbeitendes Mine-ral, das nur in der Türkei gefunden wird. Seit dem 18. Jahrhun-dert werden in Deutschland Pfeifen daraus hergestellt. EinzigeProduktionsorte waren Ruhla in Thüringen und Lemgo inNiedersachsen.Stärker noch als bei Pfeifen aus anderen Materialien bietetMeerschaum die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung. Zu-gleich wurden aber auch bekannte Formen aufgesriffen wie beidem geschwungenen Pfeifenkopf aus dem 19. Jähihundert. Derunverzierte Pfeifenkopf aus Meerschaum besitzt eine klassischeForm und hat sich durch den Gebrauch bereits verfärbt.Meerschaumpfeife mit Silberbeschlag aus Schweden, Mitte 19.Jahrhundert. Sammlung Rainer Immensack, Hofheim-Dieden-Dergen
Abb.63Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Holzpfeifen rmmerbeliebter. Wie bei anderen Materialien zur Härstellung vonPfeifen gibt es auch bei den Holzpfeifen eine fast unendlicheVielfalt von Formen. Vielfach findin sich formal Anklänse anPorzellanpfeifen. Diese böhmische Pfeife aus stark semäser-tem Holz ist aufwändig mit Silberbeschlägen verziert undstammt aus der Zeit um 1780190.Sammlung Rainer Immensack, Hofheim-Diedenbergen
$&Abb.64Die großen, lang gestreckten Porzellanpfeifen-köpfe halten eine große Fläche für die Dekora-tion bereit. Die Porzellanfabriken boten einesroße Fülle verschiedener Dekore an, dochkonnten die Pfeifenköpfe auch vor Ort von Por-zellanmalern nach den Wünschen des Kundenbemalt werden. So finden sich in Sammlungsbe-ständen wie auch ais Bodenfunde eine Fülle vonMotiven wie Militär- und Jagdszenen, Porträts,Lebensbilder und Sinnsprüche. Neben handbe-malten Köpfen kommen im 19. Jahrhundert vorallem billigere bedruckte Exemplare in den Han-del. Je nach Vorl iebe des Rauchers können siemit Rohren aus verschiedenen Materialien undin unterschiedlicher Länge kombiniert werden.Porzellanpfeifen, z.T. mit Deckel gegen Funken-flug, aus Bodenfunden in Lüneburg (beide Stü-cke in der Mitte), Elb14g/PL (rechts) und Klaipdda/LIT (links), 19. Jahrhundert. Stadtarchäo-logie Lüneburg, Muzeum w Elbl4gu/Pl, Maäo-sios Lietuvos Istoriios Muzeijus, Klaipöda/LIT
Abb.6sZigarren, Zigarillos und Zigaretten bieten zunächst keineMöglichkeit, nach außen für jedermann sichtbar zu repräsen-tierön. Durch die Verwendung verschiedener Spitzen gelang esjedoch, den,,Glimmstängel" aufzuwerten. Die Spitzen bestan-den meist aus geschnitztem Meerschaum, wobei man auf denkurzen Stiel allerlei Figuren setzte: eine Frau mit ihrem Hund,Pferde, Hirsche, Hunde usw. Das Mundstück bestand im 19.Jahrhundert meist aus Bernstein, der aus Ostpreußen an dieMeerschaumfabriken in Ruhla und Lemgo geliefert wurde.Spätes 19. Jahrhundert. Muzeum Ethnograficzne, Kwiedzyn/PL
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Abb.66Mit dem Rückgang derTonpfeifen zum Rauchen vonTabak versuchten die Pfeifenbäcker, andere Absatzmöglichkeiten zu finden.Ein_Produkt waren Spielzeugpfeifen für Kinder, deren Köpfe mit Zucker gefültt werden konnten. Die Qualität der Pfeifchen ist je-doch sehr gering und der billige Massenartikel warf kaum Gewinn ab. Schon in den 1880er Jahren ist aus dem Westerwald beleät.dassdie Pfeifenbäcker spezielle kleine ,,Nikolauspfeifchen" herstellten. Das Ende derTonpfeifenbenutzung im frühen 20. Jalir-hundert belegt diese grün bemalte Spielzeugpfeife, die zum Seifenblasenmachen gedacht isi- nicht mehr zum Rauchen.Vermutlich Westerwald, 1. Hälfte 20. Jahrhundert. Muzeum w Elblaeu/Pl-
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Verzekhnis der leihgeberAusstellung und Katalog wurden durch Leihgaben und anderweitige Hilfe unterstützt von der Bundesbeauftragten für Kultur undMedien beim Bundeskanzleramt
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Tabak als Medizin
Die Verbreitung des Rauchens in Europa " " " " 17
Das wichtigste Rauchgerät - die Tonpfeife '
Tonpfeifen - Herstellungstechnik und -orte
DerHandelmitTonPfeifen . . .
Die Tonpfeife als archäologischer Fund ' ' '
Fundort Lüneburg
Esgehtauchanders-Pfei fenausverschiedenenMater ia l ien. . ,53
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