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Thorsten Gromes

VorlesungPolitische Ordnungen

28. Mai 2010

Vergleichende Politikwissenschaft IV:

Staat, schwache und gescheiterter Staaten, Staaten bauen

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Rückblick auf die letzte Sitzung

Defekte Demokratie

Anokratie

Autokratie

Totalitarismus

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Defekte Demokratie

• weist ein weitgehend funktionierendes demokratisches

Wahlregime auf,

• allerdings werden in einem oder in mehreren der

anderen Teilregime (politische Teilhabe, Bürgerrechte,

Gewaltenkontrolle, effektive Regierungsgewalt)

Prinzipien der Demokratie verletzt.

• Dabei besteht ein Mindestmaß an Freiheit, Gleichheit

und Kontrolle der Regierung.

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44Reintypen defekter Demokratien

Exklusive Demokratie

Defekt: Wahlregime, politische Teilhaberechte

Illiberale Demokratie

Defekt: Rechtsstaat

Delegative Demokratie

Defekt: horizontale Gewaltenkontrolle

Enklavendemokratie

Defekt: effektive Regierungsgewalt

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Anokratie in Polity IV

Anokratie = zwischen Demokratie und Autokratie

Anokratie im Bereich -5 bis 5

Varianten:

a) offene Anokratie: 1 bis 5

b) geschlossene Anokratie: -5 bis 0

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Stabile Regime zwischen Demokratie und Autokratie

• Der Bereich zwischen Demokratie und Autokratie ist

nicht unbedingt eine Übergangszone.

• Regime können über Jahrzehnte hinweg einen Platz

zwischen Demokratie und Autokratie einnehmen.

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Autokratienach Polity IV

1. Die kompetitive, politische Partizipation ist unterdrückt

oder stark eingeschränkt,

2. die politische Elite bestimmt die Regierungsspitze,

3. die Spitze der Exekutive sieht sich kaum institutionellen

Einschränkungen gegenüber.

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Totalitarismusnach Giovanni Sartori

• Starke Ideologie, die auf das Schaffen neuer Menschen

abzielt.

• Das Regime zerstört die Grenze zwischen öffentlich und

privat und durchdringt extensiv alle Lebensbereiche.

• Keine Unabhängigkeit für Subsysteme.

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Totalitarismusnach Giovanni Sartori

4. Ungeteilte Macht, großer Zwang durch Angst und Terror,

hoher Mobilisierungsgrad.

5. Zerstörerische Politik gegenüber Randgruppen.

6. Unbegrenzte Willkür.

7. Partei allgegenwärtig mit zentraler Rolle.

Hinweise:

• Es müssen alle Merkmale vorliegen!

• Völkermord gibt es nicht nur in totalitären Regimen!

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Themen heute

Staat

Schwacher Staat

Gescheiterter Staat

Staaten bauen

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Politische Ordnung

Staat als wichtige politische Ordnung

Demokratie, Anokratie und Autokratie als

Staatsformen

(fehlende) Staatlichkeit als Kriegs- oder Friedensursache

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Drei Elemente des Staates nach Georg Jellinek

Ein Staat zeichnet sich durch drei Elemente aus:

1. Staatsgewalt, d.h. Souveränität nach innen (gegenüber

den eigenen Bürgern) und nach außen (gegenüber

Akteuren jenseits der eigenen Grenzen),

2. Staatsgebiet,

3. Staatsvolk.

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Staatlichkeit de facto und de jure

Staatlichkeit de facto: die drei Elemente sind gegeben.

Staatlichkeit de jure: der Staat ist international anerkannt.

Faktische Staaten genießen nicht unbedingt internationale

Anerkennung, so Nordzypern, Somaliland oder Taiwan.

Nicht alle anerkannten Staaten bestehen auch de facto,

beispielsweise Somalia.

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Staatsdefinition von Max Weber

„Staat soll ein politischer Anstaltsbetrieb heißen,

wenn und insoweit sein Verwaltungsstab

erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwangs für

die Durchführung der Ordnungen in Anspruch nimmt.“

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Staatsdefinition von Max Weber

„Staat soll ein politischer Anstaltsbetrieb heißen…“

Der Staat ist eine Institution

und besteht aus Institutionen, die…

…bei nicht vorauszusetzendem Konsens allgemein

verbindliche Entscheidungen herstellen und durchsetzen

sollen, um öffentliche Probleme zu bearbeiten.

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Staatsdefinition von Max Weber

„…erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwangs

für die Durchführung der Ordnungen

in Anspruch nimmt.“

Gewaltmonopol,

um Gesetzen und anderen Entscheidungen

Geltung zu verschaffen.

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Staatsdefinitionvon Michael Mann

Der Staat ist

ein differenziertes Gefüge von Institutionen und Personen,

die in einem Territorium die Befugnis besitzen,

allgemein verbindliche Regeln zu setzen,

und sich dabei auf organisierte physische Gewalt stützen.

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Formen staatlicher Machtnach Michael Mann

Despotische Macht:

Eliten können handeln, ohne mit gesellschaftlichen

Gruppen zu verhandeln.

Infrastrukturelle Macht:

Fähigkeit, Hoheitsgebiet zu durchdringen und politische

Entscheidungen umzusetzen.

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Idealtypen des Staatesnach Michael Mann

Infrastrukturelle Macht

gering groß

Des-potische

Macht

geringfeudal bürokratisch-

demokratisch

großabsolutistisch autoritär

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Das Staatskonzeptvon Joel S. Migdal

Kritik des gängigen Staatsverständnisses, das meint,

• der Staat stehe gegen die Gesellschaft und

• könne mit überlegenen Ressourcen und Ideen seinen

Willen auf die gesamte Gesellschaft ausdehnen und

• so seine Verhaltensregeln durchsetzen.

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Das Staatskonzeptvon Joel S. Migdal

Grundannahmen:

• Der Staat wie auch die Repräsentanten des Staates sind

Teil der Gesellschaft (state in society).

• Vielfältige Konflikte um Verhaltensregeln und damit um

soziale Kontrolle prägen die Struktur einer Gesellschaft.

• Neben dem Staat sind andere Organisationen und

soziale Kräfte Parteien in diesen Konflikten um

Verhaltensstandards.

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Das Staatskonzeptvon Joel S. Migdal

• Wie der Staat, nutzen auch andere Organisationen

Sanktionen, Belohnungen und Symbole, um ihre Regeln

durchzusetzen.

• Zu den konkurrierenden Regelsetzern zählen etwa

Familien und Clans, Ethnien, Religionsgemeinschaften,

politische Parteien oder Unternehmen.

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Die Staatsdefinitionvon Joel S. Migdal

• Der Staat ist ein Machtfeld, gekennzeichnet vom

Gebrauch und von der Androhung von Gewalt.

• Zwei Elemente prägen den Staat: Image und Praktiken

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Die Staatsdefinitionvon Joel S. Migdal

Es gibt das Image des modernen Staates

• als autonome, integrierte und kohärente Entität,

• die ein Volk repräsentiert und

• die direkt oder indirekt jedes Regelsetzen

in einem bestimmten Territorium dominiert und

• so soziale Kontrolle ausübt.

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Die Staatsdefinitionvon Joel S. Migdal

Die Praktiken des Staates umfassen:

• die Handlungen der staatlichen Akteure,

• die Reaktionen nicht-staatlicher Akteure,

• die Interaktionen zwischen staatlichen und nicht-

staatlichen Akteuren.

Während sich das Image des Staates in vielen

Gesellschaften gleicht, gibt es bei den Praktiken der

Staaten große Unterschiede.

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Die Staatsdefinitionvon Joel S. Migdal

Image und Praktiken können

• sich überlappen und gegenseitig verstärken,

• aber auch widersprechen und gegenseitig zerstören.

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Arbeit in den Nachbarschaftsgruppen

Diskutieren Sie, wie sehr die Praktiken in Deutschland dem

Image des modernen Staates entsprechen.

Staat:

• als autonome, integrierte und kohärente Entität,

• die ein Volk repräsentiert und

• die direkt oder indirekt jedes Regelsetzen

in einem bestimmten Territorium dominiert.

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Stärke des Staates bei Joel S. Migdal

Die Stärke eines Staates zeigt sich darin,

1. wie sehr die Bevölkerung den Forderungen des Staates

nachkommt (Folgsamkeit),

2. wie sehr der Staat die Bevölkerung für Aufgaben in

seinen Institutionen organisieren kann (Partizipation),

und vor allem

3. wie sehr die Bevölkerung die Regeln des Staates als

wahr und richtig akzeptiert (Legitimität).

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Begriffliche Verwirrung

schwacher Staat

fragiler Staatscheiternder Staat

gescheiterter Staat

zerfallener Staat

kollabierter Staat

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Kontinuum fragiler Staatlichkeit

Starker Staat

Schwacher Staat

Scheiternder Staat

Gescheiterter / zerfallener / kollabierter Staat

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Typologie von Staatlichkeitnach Ulrich Schneckener

Ausgangspunkt:

Vorstellung von dem, was ein Staat leisten soll.

Fragile Staatlichkeit:

Ein Staat ist oder war nie fähig, seine Aufgaben zu

bewältigen.

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Funktionen der Staatlichkeitnach Ulrich Schneckener

1. Sicherheit nach innen außen (primäre Funktion)

– es gibt staatliche Streitkräfte und Polizei,

– der Staat kontrolliert mittels seines Gewaltmonopols

sein Territorium,

– er missbraucht das Gewaltmonopol nicht.

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Funktionen der Staatlichkeitnach Ulrich Schneckener

2. Wohlfahrtsfunktion

– staatliche Dienst- und Transferleistungen,

– öffentliche Infrastruktur aufbauen und erhalten,

– Staatstätigkeit im Bereich Wirtschaft, Soziales,

Bildung, Gesundheit und Umwelt

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Funktionen der Staatlichkeitnach Ulrich Schneckener

3. Legitimitäts- und Rechtsstaatsfunktion

– politische Partizipation,

– politische Institutionen stabil,

– Qualität der Justiz und Verwaltung

Autokratische und anokratische Staaten gelten damit per

se als fragil!

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Typologie von Staatlichkeitnach Ulrich Schneckener

Konsolidierte Staaten

erfüllen weitgehend alle drei Staatsfunktionen.

Schwache Staaten

• sorgen zwar für innere und äußere Sicherheit,

• weisen aber Mängel bei der Wohlfahrtsfunktion und /

oder der Legitimitätsfunktion auf.

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Typologie von Staatlichkeitnach Ulrich Schneckener

Verfallende Staaten

• erfüllen zwar noch in einem gewissen Grad die

Wohlfahrtsfunktion und / oder die Legitimitätsfunktion,

• sind aber kaum oder gar nicht in der Lage, ihr gesamtes

Territorium oder ihre Außengrenzen zu kontrollieren.

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Typologie von Staatlichkeitnach Ulrich Schneckener

Gescheiterte / zerfallene Staaten

• erfüllen keine der drei Funktionen;

• ihre Staatlichkeit ist kollabiert

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Typologie von Staatlichkeitnach Ulrich Schneckener

Konsolidierte Staaten

Schwache Staaten

Verfallende Staaten

Gescheiterte Staaten

Stabilität Gewalt

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Arbeit in den Nachbarschaftsgruppen

Diskutieren Sie folgende These:

„Es ist falsch, nicht-demokratische Staaten

per se als schwach einzustufen.“

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State Fragility IndexCenter for Systemic Peace

Fragilitätsindex setzt sich zusammen aus:

1. der Effektivität eines Staates (bis zu 13 Punkte),

2. der Legitimität eines Staates (bis zu 12 Punkte)

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State Fragility Index

Zur Effektivität des Staates

1. Sicherheit: Anfälligkeit für Bürgerkrieg (0-3 Punkte)

2. Politik: Regime-Instabilität: Putsch(versuche), Attentate

(0-3 Punkte)

3. Wirtschaft: BIP pro Kopf (0-4 Punkte)

4. Soziales: Human Development Index (0-3 Punkte)

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State Fragility Index

Zur Legitimität des Staates

1. Sicherheit: Repression (0-3 Punkte)

2. Politik: Exklusion (0-3 Punkte)

3. Wirtschaft: Anteil hergestellter Güter am Export (0-3

Punkte)

4. Soziales: Kindersterblichkeit (0-3 Punkte)

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State Fragility Index 2009

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Die fragilsten und die stabilsten Staaten

Fragil Stabil

Somalia (25 Punkte!)

Sudan

DR Kongo

Afghanistan

Tschad

Myanmar

Nigeria (20)

Deutschland (0)

Schweden

Costa Rica

Japan

Süd-Korea

14 weitere mit 0 Punkten

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Failed State IndexFund for Peace

Zusammengesetzt aus

4 sozialen Indikatoren,

2 wirtschaftlichen Indikatoren,

6 politischen Indikatoren.

Bei jedem Indikator können bis zu 10 Punkte vergeben

werden. Daraus ergibt sich ein Maximalwert von 120

Punkten.

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Failed State IndexFund for Peace

Die sozialen Indikatoren:

1. Demographischer Druck: Bevölkerungsdichte relativ zum

Nahrungsangebot, Anteil junger Männer, Konflikte aus

Siedlungsmustern u.a.

2. Große Zahl von Flüchtlingen.

3. Identitätsgruppen diffamiert, politisch ausgeschlossen,

verfolgt oder physisch angegriffen.

4. „Brain drain“, Auswanderung der Mittelklasse.

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Failed State IndexFund for Peace

Die wirtschaftlichen Indikatoren:

1. tatsächliche oder wahrgenommene Ungleichheit

zwischen Gruppen in Sachen Bildung, Arbeit und

Einkommen,

2. deutlicher ökonomischer Niedergang.

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Failed State IndexFund for Peace

Die politischen Indikatoren:

1. Illegitimer Staat,

2. öffentliche Dienste verschlechtern sich,

3. weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen,

4. Sicherheitsapparat agiert als Staat im Staat,

5. Institutionen und Eliten entlang ethnischer Linien

fragmentiert,

6. militärische Intervention anderer Staaten, von äußerer

Hilfe abhängig.

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State Failure Index 2007

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Failed State Index 2009

„Alarmstufe Rot“ für 38 Staaten, insbesondere für

Somalia (114,7)

Simbabwe (114,0)

Sudan (112,4)

Tschad (112,2)

DR Kongo (108,7)

Irak (108,6)

Afghanistan (108,2)

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Failed State Index 2009

Insgesamt nur 11 „nachhaltige Staaten“, darunter:

Norwegen (18,3)

Finnland (19,2)

Schweden (20,6)

Schweiz (21,2)

Irland (21,6)

Deutschland mit 36,2 („moderat“) auf Rang 157 von 177.

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Scheiternde Staaten als Bedrohung?

„America is now threatened

less by conquering states

than we are by failing ones.“

US National Security Strategy 2002

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Scheiternde Staaten als Bedrohung?

Scheiternde oder gescheiterte Staaten gelten als

• Ausgangspunkt von Terrorismus,

• Ursache von Bürgerkriegen,

• destabilisierend für die Region,

• Motor der Schattenglobalisierung (Menschen-, Waffen-

und Drogenhandel, Schmuggel, Geldwäsche,

Fluchtbewegungen).

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State-building als Sicherheitspolitik

State-building / Staaten bauen:

• staatliche Institutionen stärken oder aufbauen, d.h.

• staatliche Handlungsfähigkeit stärken oder aufbauen,

• und zwar durch Eingreifen von außen.

State-building besitzt einen hohen Stellenwert in den

Programmen internationaler Organisationen und

westlicher Staaten.

In der Regel wollen sie demokratische Staaten aufbauen.

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Varianten von state-building

1. bestehende Strukturen stabilisieren,

2. bestehende Strukturen reformieren,

3. staatliche Strukturen (wieder) aufbauen

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Konzeptverwirrung

Der Katalog konkreter Aufgaben von state-building gleicht

in großen Teilen dem von

• (post-settlement) peace-building: nach

Friedensschlüssen einen sich selbst tragenden

innerstaatlichen Frieden schaffen,

• democracy-building,

• nation-building: oftmals synoym für peace-building,

democracy-building oder sogar state-building

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Aufgaben (nicht nur) von state-building

• Institutionen der Regierung und Legislative aufbauen /

reformieren,

• Sicherheitskräfte reformieren,

• Kämpfer entwaffnen, demobilisieren und reintegrieren,

• Justizwesen aufbauen / reformieren,

• Verwaltung aufbauen / reformieren,

• öffentliche Infrastruktur (Verkehrs- und

Kommunikationswege, Bildungseinrichtungen etc.)

reparieren / errichten

• …

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Rausschmeißer

„Staatskunst ist die kluge Anwendung

persönlicher Niedertracht für das Allgemeinwohl.“

Abraham Lincoln

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Aufgaben zur Nachbereitung

1. Nach Migdal stehen staatliche Institutionen und Personen in Konflikt mit

anderen sozialen Kräften. Gegenstand dieser Konflikte ist, wer

Verhaltensregeln setzen darf. Identifizieren Sie in einem beliebigen Staat

drei solcher Konfliktfelder und ermitteln Sie die dortigen Konkurrenten des

Staates.

2. Gehen Sie auf:

www.fundforpeace.org/web/index.php?option=com_content&task=view&id

=12&Itemid=175

Lesen Sie das Länderprofil von Deutschland oder einen anderen Staat, mit

dem Sie vertraut sind. Prüfen Sie, ob Sie zum gleichen Ergebnis wie die

Autoren kommen.

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Aufgaben zur Nachbereitung

1. Nach Migdal stehen staatliche Institutionen und Personen in Konflikt mit

anderen sozialen Kräften. Gegenstand dieser Konflikte ist, wer

Verhaltensregeln setzen darf. Identifizieren Sie in einem beliebigen Staat

drei solcher Konfliktfelder und ermitteln Sie die dortigen Konkurrenten des

Staates.

2. Gehen Sie auf:

www.fundforpeace.org/web/index.php?option=com_content&task=view&id

=12&Itemid=175

Lesen Sie das Länderprofil von Deutschland oder einen anderen Staat, mit

dem Sie vertraut sind. Prüfen Sie, ob Sie zum gleichen Ergebnis wie die

Autoren kommen.

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Aufgaben zur Nachbereitung

3. Laden Sie folgenden Text herunter:

http://unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/un/unpan026305.pdf

Wie sehr überschneiden sich in ihm state-building, peace-building,

democracy-building und nation-building.

Hinweis: Es ist nicht erforderlich, den Text Satz für Satz zu lesen.