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Leitthema Ophthalmologe DOI 10.1007/s00347-017-0440-z © Springer Medizin Verlag Berlin 2017 J. L. Reiniger 1 · N. Domdei 1,2 · F. G. Holz 1 · W. M. Harmening 1 1 Universitäts-Augenklinik Bonn, Bonn, Deutschland 2 Institut für Zoologie und Tierphysiologie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland Technische Grundlagen adaptiver Optiken in der Ophthalmologie Die Bildgebung der menschlichen Netzhaut im intakten Auge wurde in den letzten 25 Jahren revolutioniert. Aufgrund zahlreicher technischer Entwicklungen und insbesondere der Implementierung adaptiver Optik in der ophthalmologischen Bildgebung sind wir heute in der Lage, kleinste Strukturen der Netzhaut und deren Veränderungen darzustellen. Moder- ne Bildgebungstechnologien sind nichtinvasiv und ermöglichen eine hohe räumliche Auflösung. Konven- tionelle Fundusfotografie, Scanning- Laser-Ophthalmoskopie (SLO) und optische Kohärenztomographie (OCT) sind Routine im klinischen All- tag, aber adaptive Optik bahnt sich als Erweiterung dieser Technologien ihren Weg. Aufgrund seiner transparenten Horn- haut und Linse hat das Auge als Sinnes- organ eine Sonderstellung im menschli- chen Körper, da es einen direkten Blick auf primäres sensorisches Gewebe er- laubt. Die natürlichen Unregelmäßigkei- ten der intraokularen optischen Medien erzeugen jedoch optische Abbildungs- fehler und erschweren so einen klaren Blick auf die genauen zellulären Struk- turen der Netzhaut. Dies zeigen auch erste Versuche, einzelne Photorezeptor- zellen der Netzhaut bildhaſt aufzulösen: Im Jahr 1985 zeigten Land und Snyder [24] sowie Jagger [21] erstmals mit kon- ventionellen analogen Funduskameras, dass es möglich ist, Photorezeptoren von Strumpfbandnatter (amnophis) bzw. Agakröte (Bufo marinus) durch deren natürliche Optiken abzubilden. Obwohl diese Beobachtungen an tie- rischen Augen mit guter Optik und besonders großen Photorezeptoren ge- macht wurden, ließen sie vermuten, dass die Darstellung einzelner Rezeptoren auch im menschlichen Auge möglich ist. Miller et al. [30] entwickelten 1996 eine digitale Funduskamera, um einzelne Photorezeptoren im menschlichen Auge sichtbar zu machen. Mit sorgfältiger Korrektur der optischen Abbildungs- fehler niedriger Ordnung (Defokus und Astigmatismus) gelang es ihnen erst- mals, direkte Bilder des Photorezepto- renmosaiks in vivo darzustellen. Weitere entscheidende Schritte in der Netzhaut- bildgebung wurden durch die Entwick- lungen von konfokaler Scanning-Laser- Ophthalmoskopie (SLO) [43] und opti- scher Kohärenztomographie (OCT) [18] gemacht. Während OCT ursprünglich als Methode zur Querschnittdarstellung der Netzhaut entwickelt wurde, dient konfokale SLO zur hochaufgelösten En- face-Darstellung des Fundus in Echtzeit. Studien zeigen, dass beide Methoden bereits ohne den Einsatz adaptiver Op- tiken (AO) – mit sorgfältiger Korrektur von Defokus und Astigmatismus – in der Lage sind, das Zapfenmosaik in jungen Augen mit guter optischer Abbil- dung außerhalb des fovealen Zentrums darzustellen [33, 41]. Es besteht jedoch der Bedarf nach einer robusten Methode, welche die Dar- stellung von Netzhautdegenerationen auf zellulärer Ebene auch bei Abbildungsfeh- lern höherer Ordnung möglich macht. Erste Ansätze, AO in einem SLO zu im- plementieren, wurden 1989 von Dreher et al. [8] gemacht. In ihrem Aufbau fehl- te zu diesem Zeitpunkt allerdings noch ein entscheidendes Element, der Wel- lenfrontsensor. Ohne Wellenfrontsensor konnte der eingesetzte deformierba- re Spiegel nur die vorher ermittelten Abbildungsfehler (Defokus und Astig- matismus) korrigieren und somit keine große Verbesserung der Bildqualität erzielen. Nachdem Liang et al. [26] 1994 erstmals einen Shack-Hartmann- Wellenfrontsensor für die Messung der Wellenfrontaberrationen des von der Netzhaut reflektierten Lichtes einsetz- ten, entwickelten Liang, Williams und Miller 1997 das erste AO-Ophthalmo- skop. Die Einführung von AO in der Augenheilkunde war der Beginn einer neuen Generation der hochaufgelösten ophthalmologischen Bildgebung. Vor al- lem in der klinischen Forschung finden AO sowohl in der Fundusfotografie [26, 34] und SLO [28, 36] als auch in der OCT [12, 23] der Netzhaut zunehmend Anwendung. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die technischen Notwendigkeiten und die ophthalmologischen Einsatzge- biete von AO. Weiterführend werden im Beitrag „Histologie im lebenden Auge: nichtinvasive mikroskopische Struk- tur- und Funktionsanalyse der Netzhaut mit adaptiven Optiken“ [7] die Netz- hautstrukturen und -erkrankungen, die bereits mithilfe von AO untersucht wur- den, sowie aktuelle Studienergebnisse genauer beschrieben. Funktionsweise adaptiver Optiken Seit Ende der 1970er-Jahre wurden AO bereits in der beobachtenden Astronomie eingesetzt, um beim Blick ins All Wel- lenfrontstörungendurchatmosphärische Turbulenzen zu kompensieren und so die optische Auflösung erdbasierter Telesko- pe zu verbessern [10]. In der ophthal- Der Ophthalmologe

2 ©SpringerMedizinVerlagBerlin2017 ... · Leitthema Abb.18 SchematischeDarstellungderAnwendungadaptiverOptikineinembildgebendenVerfah-ren.VonderLichtquelleausgehend,gelangtdasLicht

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Leitthema

OphthalmologeDOI 10.1007/s00347-017-0440-z

© Springer Medizin Verlag Berlin 2017

J. L. Reiniger1 · N. Domdei1,2 · F. G. Holz1 · W. M. Harmening1

1 Universitäts-Augenklinik Bonn, Bonn, Deutschland2 Institut für Zoologie und Tierphysiologie, RWTH Aachen, Aachen, Deutschland

Technische Grundlagen adaptiverOptiken in der Ophthalmologie

Die Bildgebung der menschlichenNetzhaut im intakten Auge wurde inden letzten 25 Jahren revolutioniert.Aufgrund zahlreicher technischerEntwicklungenund insbesonderederImplementierung adaptiver Optik inder ophthalmologischen Bildgebungsind wir heute in der Lage, kleinsteStrukturen der Netzhaut und derenVeränderungen darzustellen.Moder-ne Bildgebungstechnologien sindnichtinvasiv und ermöglichen einehohe räumliche Auflösung. Konven-tionelle Fundusfotografie, Scanning-Laser-Ophthalmoskopie (SLO) undoptische Kohärenztomographie(OCT) sind Routine im klinischen All-tag, aber adaptive Optik bahnt sichals Erweiterung dieser TechnologienihrenWeg.

Aufgrund seiner transparenten Horn-haut und Linse hat das Auge als Sinnes-organ eine Sonderstellung im menschli-chen Körper, da es einen direkten Blickauf primäres sensorisches Gewebe er-laubt. Die natürlichen Unregelmäßigkei-ten der intraokularen optischen Medienerzeugen jedoch optische Abbildungs-fehler und erschweren so einen klarenBlick auf die genauen zellulären Struk-turen der Netzhaut. Dies zeigen aucherste Versuche, einzelne Photorezeptor-zellen der Netzhaut bildhaft aufzulösen:Im Jahr 1985 zeigten Land und Snyder[24] sowie Jagger [21] erstmals mit kon-ventionellen analogen Funduskameras,dass es möglich ist, Photorezeptorenvon Strumpfbandnatter (Thamnophis)bzw. Agakröte (Bufo marinus) durchderen natürliche Optiken abzubilden.Obwohl diese Beobachtungen an tie-rischen Augen mit guter Optik und

besonders großen Photorezeptoren ge-macht wurden, ließen sie vermuten, dassdie Darstellung einzelner Rezeptorenauch im menschlichen Auge möglichist. Miller et al. [30] entwickelten 1996eine digitale Funduskamera, um einzelnePhotorezeptoren im menschlichen Augesichtbar zu machen. Mit sorgfältigerKorrektur der optischen Abbildungs-fehler niedriger Ordnung (Defokus undAstigmatismus) gelang es ihnen erst-mals, direkte Bilder des Photorezepto-renmosaiks in vivo darzustellen. Weitereentscheidende Schritte in der Netzhaut-bildgebung wurden durch die Entwick-lungen von konfokaler Scanning-Laser-Ophthalmoskopie (SLO) [43] und opti-scher Kohärenztomographie (OCT) [18]gemacht. Während OCT ursprünglichals Methode zur Querschnittdarstellungder Netzhaut entwickelt wurde, dientkonfokale SLO zur hochaufgelösten En-face-Darstellung des Fundus in Echtzeit.Studien zeigen, dass beide Methodenbereits ohne den Einsatz adaptiver Op-tiken (AO) – mit sorgfältiger Korrekturvon Defokus und Astigmatismus – inder Lage sind, das Zapfenmosaik injungen Augenmit guter optischer Abbil-dung außerhalb des fovealen Zentrumsdarzustellen [33, 41].

Es besteht jedoch der Bedarf nacheiner robustenMethode, welche die Dar-stellungvonNetzhautdegenerationenaufzellulärer Ebene auchbeiAbbildungsfeh-lern höherer Ordnung möglich macht.Erste Ansätze, AO in einem SLO zu im-plementieren, wurden 1989 von Dreheret al. [8] gemacht. In ihrem Aufbau fehl-te zu diesem Zeitpunkt allerdings nochein entscheidendes Element, der Wel-lenfrontsensor. Ohne Wellenfrontsensorkonnte der eingesetzte deformierba-

re Spiegel nur die vorher ermitteltenAbbildungsfehler (Defokus und Astig-matismus) korrigieren und somit keinegroße Verbesserung der Bildqualitäterzielen. Nachdem Liang et al. [26]1994 erstmals einen Shack-Hartmann-Wellenfrontsensor für die Messung derWellenfrontaberrationen des von derNetzhaut reflektierten Lichtes einsetz-ten, entwickelten Liang, Williams undMiller 1997 das erste AO-Ophthalmo-skop. Die Einführung von AO in derAugenheilkunde war der Beginn einerneuen Generation der hochaufgelöstenophthalmologischen Bildgebung. Vor al-lem in der klinischen Forschung findenAO sowohl in der Fundusfotografie [26,34] und SLO [28, 36] als auch in derOCT [12, 23] der Netzhaut zunehmendAnwendung.

Dieser Beitrag gibt einen Überblicküber die technischen Notwendigkeitenund die ophthalmologischen Einsatzge-biete von AO. Weiterführend werden imBeitrag „Histologie im lebenden Auge:nichtinvasive mikroskopische Struk-tur- und Funktionsanalyse der Netzhautmit adaptiven Optiken“ [7] die Netz-hautstrukturen und -erkrankungen, diebereits mithilfe von AO untersucht wur-den, sowie aktuelle Studienergebnissegenauer beschrieben.

Funktionsweise adaptiverOptiken

Seit Ende der 1970er-Jahre wurden AObereits inderbeobachtendenAstronomieeingesetzt, um beim Blick ins All Wel-lenfrontstörungendurchatmosphärischeTurbulenzenzukompensierenund sodieoptischeAuflösung erdbasierter Telesko-pe zu verbessern [10]. In der ophthal-

Der Ophthalmologe

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Leitthema

Abb. 18 SchematischeDarstellungderAnwendungadaptiverOptik in einembildgebendenVerfah-ren.VonderLichtquelleausgehend,gelangtdasLicht,durchdasgesamteoptischeSystemgeleitet, insAuge.①Relaisoptiken,die sich für jedesBildgebungsverfahrenunterscheiden;dabeiwerdenScanner(für Scanning-Laser-Ophthalmoskopie [SLO] und optische Kohärenztomographie [OCT]) sowie ver-schiedene Linsen- und Spiegelsysteme eingesetzt. Das von der Netzhaut reflektierte Lichtwird aufeinenDetektionsarm für die Bildgebung undggf. denWellenfrontsensor aufgespalten.②OptionenderWellenfrontmessung:mitWellenfrontsensor (z. B. Shack-Hartmann)oderohneWellenfrontsensor(auf Grundlage der Bildinformation). Die hier gemessenenAberrationen derWellenfrontwerden imKontrollkreislauf verarbeitet und kontinuierlichdurch den deformierbaren Spiegel kompensiert. Dergestrichelt dargestellte Referenzarmwird in derOCT verwendet, da das interferometrische Verfahrenauf demVergleich einesMessstrahls und eines Referenzstrahls beruht

mologischen Bildgebung wird die Abbil-dungsqualität durch intraokulare Abbil-dungsfehler wie monochromatische Ab-errationen, Lichtbeugung und -streuunglimitiert. AO werden daher eingesetzt,um das ins Auge einfallende Lichtbün-del so zu verändern, dass die Aberratio-nen des Auges kompensiert werden undnach Reflektion im Fundus eine nahe-zu ebene Wellenfront das Auge verlässt.Hierfür werden in der Regel 2 Kompo-nenten eingesetzt:4 ein Wellenfrontsensor, der die Ab-

errationen von Hornhaut und Linsemisst, und

4 ein nachgeschaltetes optisches Kor-rekturelement, das diese durch Ver-änderung der Phasenlage des Lichtesin Echtzeit korrigiert (. Abb. 1).

Als Korrekturelement kommt in denmeisten Fällen ein deformierbarer Spie-gel zum Einsatz [45]. Während der

Spiegel bei den ersten Implementierun-gen von AO für retinale Bildgebung so-wohl eine stark begrenzteAuslenkung alsauch geringe Anzahl an Stellelementenaufwies, bestehen deformierbare Spiegelinzwischen aus einer Vielzahl kleinsterAktuatoren, die eine sehr genaue mecha-nische Auslenkung der reflektierendenOberfläche ermöglichen [8, 45]. EineAlternative dazu bietet der Einsatz vonFlüssigkristall-Lichtmodulatoren, diewährend der Transmission des Lichteseine elektrisch kontrollierte Phasenmo-dulation vornehmen [31]. Über einenleistungsstarken Rechner gesteuert, bil-den Wellenfrontsensor und optischesKorrekturelement einen geschlossenenRegelkreis (. Abb. 1).

Abb. 28 Punktverwaschungsfunktionen ei-nes beugungsbegrenzten Auges und eines ty-pischen aberriertenAuges inAbhängigkeit vomPupillendurchmesser (linke Spalte). (Adaptiertnach [35])

Wellenfrontsensor-basierteadaptive Optik

Grundsätzlich gelangt in einem bild-gebenden AO-System nur ein geringerTeil des von der Netzhaut reflektiertenLichtes auf den Sensor, der die Wel-lenfrontaberrationen des Auges misst.Es gibt verschiedene Ansätze, dieseaberrierten Wellenfronten zu messen,z. B. mittels eines Krümmungs- oderPyramiden-Wellenfrontsensors [6, 19].Einer der gängigsten Wellenfrontsenso-ren im Bereich der Netzhautbildgebungist jedoch, seit dieser 1994 erstmals fürUntersuchungen ammenschlichen Augeeingesetzt wurde, der Shack-Hartmann-Wellenfrontsensor [15, 25]. Diese vorherbereits in der Astronomie eingesetztenSensoren messen Wellenfrontfehler anmehreren Punkten der meist geweitetenPupille. Die reflektierten Laserstrahlenwerden hierbei durch ein Mikrolinsen-gitter abgebildet, wobei jede einzelneMikrolinse das Licht auf einen Punkteines Bildaufnahmeelements fokussiert.Durch die Wellenfrontfehler des Laser-

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strahls fällt das jeweils fokussierte Lichtauf eine von einem idealen orthogonalenMuster abweichende Stelle des Kamera-chips. Aus der so gemessenen Differenzzwischen einer plan einfallenden Wel-lenfront undder vonderNetzhaut reflek-tierten, aberrierten Wellenfront wird dienotwendige kompensatorische Verände-rung des optischen Korrekturelementsberechnet.

Sensorlose adaptive Optik

In den letzten Jahren gewinnt die Idee,AO gänzlich ohne einen Wellenfront-sensor umzusetzen, immer mehr an Be-deutung [16]. Hierbei wird die aberrier-te Wellenfront nicht mittels eines Wel-lenfrontsensors gemessen, sondern dasBild selbst als Grundlage für Optimie-rungen der Wellenfront mittels des de-formierbaren Spiegels verwendet. Hier-für werden Metriken eingesetzt, die eineQuantifizierung der Bildqualität ermög-lichen. Eine Bewertung der Bildqualitäterfolgt je nachMetrik z. B. durchdieBild-schärfe [9] oder die Messung der Ge-samtintensität der einzelnen Bilder [16].Bei der Implementierung von Algorith-men zur Optimierung der Bildqualitätin AO-Messgeräten für die Ophthalmo-logie kann bereits auf Erfahrungen mitAOaus derMikroskopie zurückgegriffenwerden [1]. Allerdings ergeben sich beider Umsetzung am lebenden Auge auchHindernisse, die in der eher statischenMikroskopie nicht vorliegen. So sind bei-spielsweise die Aberrationen des Augesund die Tränenfilmqualität nicht kon-stant [17], und auch Augenbewegungensowie Lidschlag müssen kontinuierlichberücksichtigt werden.

Ein wesentlicher Vorteil dieser Me-thode ist, dass das gesamte von derNetzhaut reflektierte Licht genutzt wer-den kann, um das Bild zu erzeugen. EineAufspaltung des reflektierten Lichtes inDetektionsarm und Wellenfrontsensorentfällt, wodurch der Signal-Rausch-Ab-stand vergrößert wird. Da eines der wohlgrößten Anwendungsgebiete von AO inder Ophthalmologie die Untersuchungvon degenerativen Erkrankungen ist, beidenen häufig zusätzlich eine patholo-gisch bedingte, verringerte Menge anLicht von der Netzhaut reflektiert wird,

Zusammenfassung · Abstract

Ophthalmologe DOI 10.1007/s00347-017-0440-z© Springer Medizin Verlag Berlin 2017

J. L. Reiniger · N. Domdei · F. G. Holz · W. M. Harmening

Technische Grundlagen adaptiver Optiken in der Ophthalmologie

ZusammenfassungIn den letzten 25 Jahren wurde die oph-thalmologische Bildgebung revolutioniert.Dieser Review gibt einen Überblick über dieMöglichkeiten adaptiver Optiken (AO) fürophthalmologische Bildgebungstechnolo-gien und deren Entwicklung. Wir zeigen,dass die Rolle von ophthalmologischerBildgebung sich von der Dokumentationvon makroskopischen Veränderungen derNetzhaut hin zur Detektion mikroskopischerAuffälligkeiten entwickelt hat, wodurchfrühzeitigere und präzisere Diagnosenermöglicht werden. Die Implementierung

von AO in bildgebende Systemewie Fundus-kameras, Scanning-Laser-Ophthalmoskopeund optische Kohärenztomographen spielteine immer größere Rolle. Seit einigenJahren entwickeln verschiedene Firmen auchkommerziell erhältliche AO-Systeme, wasderen zukünftigen Einzug in die klinischeRoutine zeigt.

SchlüsselwörterBildgebung · Fundusfotografie · Scan-ning-Laser-Ophthalmoskopie · OptischeKohärenztomographie · Auflösung

Technical principles of adaptive optics in ophthalmology

AbstractDuring the last 25 years ophthalmic imaginghas undergone a revolution. This reviewgives an overview of the possibilities ofadaptive optics (AO) for ophthalmic imagingtechnologies and their development andillustrates that the role of ophthalmicimaging changed from the documentationof obvious abnormalities to the detection ofmicroscopic yet significant conspicuities. Thisenables earlier and more precise diagnoses.The implementation of AO for imagingsystems like fundus cameras, scanning laser

ophthalmoscopy and optical coherencetomography has gained in importance. Inrecent years a couple of companies starteddeveloping commercially available AOsystems, thus, indicating a future use inclinical routine.

KeywordsImaging · Fundus photography · Scanninglaser ophthalmoscopy · Optical coherencetomography · Resolution

kann dies ein entscheidender Faktor fürzukünftige Entwicklungen sein.

Möglichkeiten und Grenzen vonWellenfrontkorrektur

Um eine Aussage über den Nutzen vonAO zu machen, ist es wichtig zu beach-ten, dass ein Objekt im menschlichenAuge durch natürliche Unregelmäßig-keiten leicht verzerrt auf der Netzhautabgebildet wird. Dies fällt z. B. beim Be-trachten einer Punktlichtquelle auf. DiePunktverwaschungsfunktion (englisch:„point spread function“, PSF) des Augesist abhängig vom Pupillendurchmesser(. Abb. 2). Generell gilt dabei: Je kleinerdie Apertur (in diesem Fall die Pupille),umso stärker wird die Abbildung durchBeugungseffekte beeinträchtigt; je grö-ßer die Apertur, umso größer sind die

Einflüsse optischer Aberrationen niede-rer und höhererOrdnung. EinAuge oderoptisches System, das keine optischenAberrationen besitzt, wird als beugungs-begrenzt bezeichnet. Daher ist es beider Anwendung von AO sinnvoll, dieBildgebung mit einer möglichst weitenPupille durchzuführen, da auf dieseWei-se sowohl die Beugungseffekteminimiertwerden, während Aberrationen durchdie AO korrigiert werden, als auch mehrvon der Netzhaut reflektierte Photonendetektiertwerdenkönnenund sichdamitdie Auflösung mikroskopischer Detailsverbessert.

Durch die Kombination bildgebenderSysteme mit AO können die durch dasmenschliche Auge verursachten Aberra-tionen ausgeglichenwerden, um eine hö-here laterale Auflösung und einen höhe-ren Kontrast im Vergleich zu z. B. kon-

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Leitthema

Abb. 38 Vergleich der Bildqualitätmit bestmöglicher Korrektur vonDefokus undAstigmatismus,a ohne Korrektur durch adaptive Optiken (AO) undbmit Korrektur durch AO, aufgenommenan der-selbenNetzhautstelle, etwa 1° oberhalb der Fovea. Dargestellt sind Einzelbilder verglichenmit c, d50stabilisiertenundsummiertenEinzelbilderneinesVideos,dieGrauwertewurdenhier logarithmischskaliert, um Pixelmit schwacher Bildinformation besser differenzieren zu können, linksuntenwird je-weils dermarkierte Bildausschnitt vergrößert dargestellt. SLO Scanning-Laser-Ophthalmoskopie

ventionellen SLO-Bildern zu erreichen([36]; . Abb. 3 und 4). Dabei ist stets zuberücksichtigen, dass jedes Auge durchseine Anatomie und Refraktion sowiesonstige Beeinträchtigungen der Abbil-dungsqualität,wie z. B. durch intraokula-reMedientrübungen (wie Katarakt) oderErkrankungen, welche die ReflektivitätderNetzhaut verringern, unterschiedlichist. Dementsprechend kann der durchAO erzielte Vorteil bei Patienten variie-ren. Er nimmt zu, je größer der AnteilAberrationen höherer Ordnung an einerFehlsichtigkeit ist.

In jedem Fall bieten AO Vorteile fürdie klinische Routine, da sie die Dar-stellung von – sonst in vivo unzugängli-chen – mikroskopischen Netzhautstruk-turen ermöglichen und für eine Unter-suchung keine oder nur eine grobe Kor-

rektur der Fehlsichtigkeit des Patientenausreichend ist. Beispielhaft ist das Auf-lösungsvermögen eines SLOmit und oh-ne AO in . Abb. 3 dargestellt und, kon-zeptuell verallgemeinert, für verschiede-nebildgebendeTechnologien in. Abb. 4.Diese Technologien haben unterschied-licheVorteile für dieDarstellung der ein-zelnen Strukturen und die Diagnose ver-schiedener Krankheitsbilder oder auchfür die Funktionsanalyse (s. nachfolgen-denBeitrag: „Histologie im lebendenAu-ge“, [7]).

Einsatzgebiete adaptiverOptiken in der Ophthalmologie

Die Auflösung einzelner Photorezeptor-zellen sowie dieMessungvonDichte,Ab-stand und Anordnung des Zapfenmosa-

iks im gesundenwie im erkrankten Augesind wesentliche Ziele bei der Anwen-dung von AO in der Ophthalmologie.Durch die Wellenleitereigenschaften derInnensegmente der Photorezeptoren er-zeugen diese in En-face-Aufnahmen dasstärkste Signal und werden so besondersdeutlich sichtbar. Aus der Analyse derräumlichen Verteilung der Photorezep-toren in der Netzhaut und deren Funkti-onstestung lassen sich neue Erkenntnis-se über physiologische Aspekte visuel-ler Signalverarbeitung des menschlichenAuges gewinnen. Neben Photorezepto-ren können zahlreiche weitere Netzhaut-strukturen sichtbar gemacht werden, un-ter anderem das retinale Pigmentepithel(RPE), die retinale Nervenfaserschicht,retinale Blutgefäße oder die Lamina cri-brosa. ImFolgenden soll kurz auf die ein-zelnen bildgebenden Technologien, beidenen AO bereits implementiert wurde,eingegangen werden.

Fundusfotografie

Konventionelle Funduskameras haben,herstellerabhängig leicht variierend, einGesichtsfeld von etwa 45° und ermög-lichen so mit einer Aufnahme einengroßflächigen Überblick über die Netz-haut. Dabei werden mittels Beleuch-tung durch einen wenige Millisekundenkurzen Lichtblitz alle Pixel des Bildessimultan durch einen CCD („chargecoupled device“)-Sensor aufgenommen,wodurch die Aufnahme kaum von Be-wegungsartefakten beeinträchtigt wird.

» Funduskameras ermöglichenmit einer Aufnahme einengroßflächigen Überblick über dieNetzhaut

Durch die Kombination mit AO kanndie laterale Auflösung wesentlich, bisauf wenige Mikrometer, erhöht werden(. Abb. 4), jedoch muss hierfür auch dieaufgenommene Bildgröße wesentlichverringert werden, um die begrenzte Pi-xelzahl des CCD-Sensors zu nutzen. Soarbeitet beispielsweise die kommerziellerhältlicheAOFunduskamera rtx1TM desfranzösischen Herstellers Imagine Eyes

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Abb. 48 Vergleich der Zellgrößen einermenschlichenNetzhaut imhistologischenSchnitt (oben)und des Auflösungsvermögens dermeist verbreiteten Bildgebungsverfahrenmit und ohne adapti-ve Optiken (AO). Die vertikale undhorizontale Längeder schwarzenSymbole entspricht der lateralenund axialen Auflösung derMessgeräte. Dargestellt werden: konfokales SLO (kSLO), konfokales SLOmit adaptivenOptiken (AO-kSLO), Funduskameramit adaptivenOptiken, optischeKohärenztomogra-phie (OCT), ultrahochauflösendes OCT (UHR-OCT) und ultrahochauflösendes OCTmit adaptivenOpti-ken (UHR-AO-OCT). RNFLNervenfaserschicht,GCLGanglienzellschicht, IPL innere plexiforme Schicht,INL innere Körnerschicht,OPL äußere plexiforme Schicht,ONL äußere Körnerschicht, PLPhotorezep-torschicht. (Adaptiert nach [29],mit freundl. Genehmigung vonNature PublishingGroup)

mit einem abgebildeten Netzhautbereichvon 4° x 4° [20]. Damit sind AO-Fun-duskameras in der Lage, Strukturen, wiez. B. extrafoveale Zapfenphotorezepto-ren, Netzhautgefäße, Poren der Laminacribrosa sowie Mikroaneurysmen, auf-zulösen.

Scanning-Laser-Ophthalmoskopie

Anders als die Funduskamera funktio-niert die SLO über einen kontinuier-lich eintretenden Laserstrahl, der mittelszweier beweglicher Spiegel mit horizon-taler und vertikaler Ablenkung rasterför-mig über die Netzhaut geführt wird. DasNetzhautbildwirddurchdieMessungderHelligkeit des reflektierten Lichtes Punktfür Punkt innerhalb weniger Millisekun-den zusammengesetzt. Seit der erstmali-gen Beschreibung 1981 [42] wurden ver-schiedeneSLO-Versionenentwickeltundin zahlreichen Studien getestet. DabeistelltdaskonfokaleSLO[43]diegängigsteMethode dar, die auch bereits in Verbin-dungmitAO inkommerziellenSLO-Sys-temen umgesetzt wurde (Boston Micro-machines, MA, USA [2]; Canon Inc., Ja-pan [4]; Physical Sciences Inc.,MA, USA[32]). Hierbei wird eine konfokale Loch-

blende eingesetzt, um selektiv das reflek-tierte Licht aus der betrachteten Ebeneauf den Detektor fallen zu lassen und da-mit einen höheren Kontrast zu erzielen.Damit kann die Struktur der Netzhautin verschiedenen Tiefen betrachtet wer-den [5]. Durch die Kombination mit AOkönnen Strukturen wie Photorezeptoren(Zapfen und Stäbchen), kleinste Kapilla-ren sowie die retinaleNervenfaserschichtdargestellt werden. Bisher bietet nur diekonfokale SLO in Kombination mit AOeine gleichzeitige Stimulation einzelnerPhotorezeptoren, die es ermöglicht, diesichtbare Netzhautstruktur direktmit ih-rerFunktionzukorrelieren.InerstenVer-suchen zur Implementierung sensorloserAOinderkonfokalenSLOkonntenHoferet al. [16] 2011 zeigen, dass mit sensor-losen AO vergleichbare Aufnahmen zuAOmit einemShack-Hartmann-Wellen-frontsensor erzielt werden können.

EineweitereMethode ist dieAO-split-detection-SLO, bei der der nicht-konfo-kale Anteil des von der Netzhaut reflek-tierten Lichts über einen räumlich hal-bierenden Spiegel auf 2 Detektoren auf-geteilt wird. Das resultierende Bild wirdberechnet als das Verhältnis der Diffe-renzundderSummebeiderDetektorauf-

nahmen ([39]; . Abb. 5). Generell kanndurch nicht-konfokale Detektorkonfigu-rationen das starke Signal der Photore-zeptoren unterdrückt werden. Dadurchkönnen sowohl Photorezeptoren, derenAußensegmente z. B. beschädigt oder ge-genüber der Pupillenachse verkippt sindund daher in der konfokalen Bildgebungdunkel erscheinen [39], als auch Signa-le tieferer Zellstrukturen (wie des RPE)detektiert werden (s. auch Beitrag „His-tologie im lebenden Auge“, [7]).

Optische Kohärenztomographie

Als interferometrisches Verfahren bietetdie OCT im Vergleich zu der hohen la-teralen Auflösung von AO-unterstützterFundusfotografie und AO-SLO-Bildge-bung, eine wesentlich höhere axiale Auf-lösung von weniger als 3 μm (. Abb. 4).Erstmals 1991 beschrieben [18], ermög-lichtOCTdieAufnahmehochaufgelösterQuerschnitte der Netzhaut in vivo. Da-mit wurde durch diese Technologie nichtnur eine höhere Auflösung erreicht, son-dern erstmals auch ein Blick in die le-bende Netzhaut geboten. Die OCT er-lebte eine rasante Entwicklung, Kom-merzialisierungundeinen schnellenEin-zug indenklinischenAlltag.Mittlerweileist die OCT ein etabliertes Routine-Dia-gnoseinstrument für die Beurteilung vonz. B. Makulalöchern, Chorioretinopathiacentralis serosa, altersbedingter Maku-ladegeneration (AMD), Makulaödemen,diabetischer Retinopathie und Glaukomund ist neben der visuellen Funktions-prüfungeinanerkanntesKriteriuminkli-nischen Studien.

» Die OCT ermöglicht dieAufnahme hochaufgelösterQuerschnitte der Netzhaut invivo

Durch die Kombination von AO undOCT können die Stärken beider Tech-nologien genutzt und eine hohe 3-di-mensionale Auflösung erreicht werden(ca. 3 × 3 × 3 μm3). Durch den für AObe-nötigten größeren Pupillendurchmesserergeben sich als weitere Vorteile des AO-OCT nur geringere „Speckle-Artefakte“

Der Ophthalmologe

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Leitthema

Abb. 58 Vergleich der En-face-Bilder verschiedener Bildgebungsverfahren bei einer Netzhautexzentrizität von etwa 1°. Bil-derwurdenmit den genannten Systemen an verschiedenen Probanden und Standorten aufgenommen. (Teilabbildungenfreundlicherweise zurVerfügunggestellt von:MarcoLombardo [AO-Funduskamera],DonaldMiller [AO-OCT], RigmorBaraas,HildePedersenundBostonMicromachines [Split-detection-AO-SLO]).AOadaptiveOptiken,OCToptischeKohärenztomogra-phie, SLO Scanning-Laser-Ophthalmoskopie

(störende Interferenzmuster, die durchdie Lichtstreuung imbiologischenGewe-be auftreten) und eine bessere Detekti-on schwacher Reflektionen [12, 29]. Diesermöglicht eine hochaufgelöste Darstel-lung von En-face- und Querschnittbil-dern von einer Vielzahl von Netzhaut-strukturen [23]. Auch im Bereich derOCT zeigen bereits erste Studien guteErgebnisse in der Umsetzung sensorlo-ser AO [22, 44].

Gegenüberstellung vonkommerziell erhältlichenSystemen und AO-Systemen inder Forschung

Für die klinische Anwendung bestehtderWunsch nach einemUntersuchungs-gerät, das eine schnelle und intuitiveDurchführung der Messung und mög-lichst selbstständige Quantifizierungder vorliegenden Defekte durch dasMesssystem erlaubt. Außerdem sollte esmöglichst wenig Platz benötigen und guttransportierbar sein, um einen flexiblenEinsatz zu gewährleisten.

Zu diesem Zweck bieten bereits ver-schiedene Hersteller AO-basierte Sys-teme für retinale Bildgebung an. Seit2010 gibt es eine kommerziell erhältli-che AO-Funduskamera, die rtx1TM derFirma Imagine Eyes. Diese bietet ne-ben einem vollständig automatisiertenBildverarbeitungsvorgang verschiedeneSoftwareoptionen, wie z. B. eine Fol-low-up-Funktionalität, die es erleichternsoll, eine untersuchte Netzhautstelle beieiner späteren Untersuchung wiederzu-

finden. Mit weiteren (optionalen) Pro-grammen kann der Anwender mehrereaufgezeichnete Bilder zu einer Collagezusammenfügen (Einzelaufnahme 4° x4°) oder das aufgezeichnete Photorezep-tormosaik analysieren (Zapfendichte,Zapfenabstand, Voronoi-Analyse derMosaikregularität), wobei Letzteres der-zeit ausschließlich als Testversion fürForschungsarbeit angeboten wird [20].Die rtx1TM ist aktuell zu einem Preisvon ca. 145.000 € erhältlich, eine zweiteGeneration befindet sich im Entwick-lungsstadium (Stand: Oktober 2016;E-Mail: L. Vabre, vom 28.09.2016).

Weiterhin werden bereits von 3 Fir-men kommerzielle AO-SLOs hergestellt.EinesdieserSystemeentwickeltdieFirmaCanon in Zusammenarbeit mit der Kyo-toUniversity in Japan. Aktuell entwickeltCanon weitere Software für eine Analy-se der aufgezeichneten Bilder bezüglichdes Photorezeptorenmosaiks sowie desBlutflusses in kleinen Gefäßen. Weite-re Informationen zu diesem System sindaktuell noch nicht verfügbar, da sich dasAO-SLO imPrototypenstadium befindet[4].

Die Firma Boston Micromachinesentwickelte in Zusammenarbeit mit derIndiana University School of Optome-try das Apaeros Retinal Imaging System.Dieses wurde 2015 erstmals kommerziellangeboten und wird auf Wunsch spe-ziell an Kundenbedürfnisse angepasst.Die für die Bildgebung genutzte Wel-lenlänge des Apaeros liegt mit 840 nmim nah-infraroten Bereich. Der abgebil-dete Netzhautbereich kann bis zu einer

Größe von 3° gewählt werden (E-Mail:M. Feinberg, vom 23.09.2016). Das Sys-tem erreicht eine laterale Auflösung vonetwa 2,3 μm und bietet verschiedeneSoftwareoptionen. Zum einen kann dasZapfenmosaik auf verschiedene Weisenquantifiziert werden (u. a.: Zapfendichte,Zellabstand, Voronoi-Mosaik-Darstel-lung). Außerdem bietet die integrierteSoftware Möglichkeiten zur Detekti-on von Mikroaneurysmen, Darstellungdes Blutflusses in Kapillaren sowie einermanuellenAbstimmungzwischenAuflö-sung undKontrast durch eine in Positionund Größe verstellbare Detektorapertur[2].

Ein weiteres System, entwickelt vonder Firma Physical Sciences Inc. (An-dover, Massachusetts), ist der CAORI– Compact Adaptive Optics RetinalImager. Der CAORI bietet eine Kom-bination aus einem AO-SLO mit einemabgebildeten Netzhautbereich von etwa3° x 5° und einer integrierten Zapfen-dichtemessung sowie einemOCT-Kanal,der zur Orientierung gleichzeitig eineQuerschnittaufnahme am beobachtetenNetzhautort macht [32]. Neben diesemHybridsystem ist aktuell noch kein wei-teres AO-OCT kommerziell erhältlich.

Die in der klinischen Forschung ent-wickelten Systeme unterscheiden sichin Aufbau und Funktionalität von denkommerziell erhältlichenSystemen.Zumeinen sind sie in der Regel deutlich grö-ßer, da bereits die einzelnen Elementegrößer gewählt werden, um den Aufbaunach Bedarf flexibel anpassen zu kön-nen. Durch diese Möglichkeit können

Der Ophthalmologe

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Abb. 68 En-face-AufnahmederPhotorezepto-renmittels „full-field swept-sourceOCT“. Nebenden,besondersamoberenundunterenBildrandverlaufenden, retinalen Blutgefäßen könnendurch die hohe laterale Auflösung die einzel-nenPhotorezeptorensichtbargemachtwerden.Nach numerischer Korrektur der AberrationenkönnenÄnderungen der optischenWeglängeeinzelnen Zapfen zugeordnetwerden. Der aufdie Netzhaut projizierte Stimulus kanndurchfarblicheMarkierung entsprechendder Inten-sität der Änderungen der optischenWeglängerekonstruiert werden,was eine Zuordnungderam Seheindruck beteiligten Photorezeptorenermöglicht.DieuntereTeilabbildungzeigteinenvergrößertenAusschnittderstimuliertenPhoto-rezeptoren. Eswurden keine adaptivenOptikenverwendet. Länge des Skalenbalkens: 200μm.(Freundlicherweise zur Verfügung gestellt vonGereonHüttmann)

Änderungswünsche direkt am eigenenSystem umgesetzt werden, was eine hö-here Flexibilität gewährleistet. Dagegenbestehen ein deutlich höherer techni-scher und finanzieller Aufwand sowieerhöhter Personalbedarf.

Diverse AO-basierte Technologienwurden bisher nur in Forschungslabo-ren umgesetzt. So ist beispielsweise dieDarstellung des RPEs derzeit noch mitkeinem kommerziell erhältlichen Gerätmöglich, wurde aber in der Forschung

bereits gezeigt. Eine mögliche Methodehierfür ist die Autofluoreszenz (AF)-Bildgebung mittels AO-SLO. Dafür wirddie Netzhaut mit Licht kurzer Wel-lenlänge beleuchtet, um die intrinsischeFluoreszenz der im Zytoplasma der RPE-Zellen angereicherten Fluorophore imlysosomalen Kompartiment (Lipofus-zin) anzuregen. Neben der AF kann dasRPE-Zellmosaik auch mittels Dunkel-feldbildgebung, wobei nicht konfokale,gestreute Anteile des Lichts ausgewertetwerden [38], oderAO-OCT [27] sichtbargemacht werden.

Weiterhin wurde für AO-SLO-Sys-teme in der Forschung in den letztenJahren eine AO-basierte Mikrostimula-tionstechnik entwickelt [40]. Ein pho-torezeptorspezifischer Funktionstest istbisher nur mit diesen Systemen möglich[3, 11]. Vielseitige Möglichkeiten für dieklinische Anwendung bietet außerdemdie Kombination verschiedener AO-Bildgebungsverfahren, wie z. B. kürzlichdurch Kombination von AO-Fundus-kamera und AO-OCT gezeigt werdenkonnte [37]. Auch diese Technologienhaben ein hohes Potenzial für zukünftigeKommerzialisierung.

Im klinischen Einsatz ist für bild-gebende Systeme eine hohe Anwen-derfreundlichkeit besonders wichtig.Zusätzlich ist zu beachten, dass einbildgebendes System für die Durchfüh-rung klinischer Studien in Deutschlanddem Medizinproduktegesetz entspre-chen muss. Forschungssysteme sindin der Regel mit Hardware und Soft-ware ausgestattet, die eine flexible Ver-änderung der Systems gewährleisten.Andererseits sind sie für den ungeüb-ten Anwender häufig erst nach längeremTraining zubedienen.Daherwird eshäu-fig notwendig, dass für die Bildgebungbei einem Patienten ein ärztlicher undein wissenschaftlicher/technischer Mit-arbeiter zusammenarbeiten, was erhöhtePlanungsanforderungen stellt. Möchteman also in erster Linie ein Gerät füreine bestimmte Diagnostik, das einfachund schnell zur Verfügung steht, istvermutlich ein kommerziell erhältlichesSystem die beste Wahl. Liegt dagegender Schwerpunkt in der Untersuchungdiverser Netzhautauffälligkeiten mit ggf.anpassbaren technischen Voraussetzun-

gen, so sollte man eher die Kooperationmit einem Forschungslabor in Betrachtziehen.

Ausblick

Wie obendargestellt, ermöglicht der Ein-satz vonAO in derOphthalmologie neueEinblicke in dieMikrostruktur, FunktionundDysfunktionderNetzhaut.Dazu pa-rallel verlaufende Weiterentwicklungender OCT-Technologie haben ein hohesPotenzial für eine zellgenaue Strukturund Funktionsanalyse der Netzhaut invivo. So zeigen z. B. neueste Ansätzedes Instituts für Biomedizinische Optikin Lübeck, dass die zelluläre Netzhaut-struktur auch ohne AO aufgelöst werdenkann. Auf Grundlage einer numerischenKorrektur der mittels „full-field swept-source OCT“ (FF-SS-OCT) gewonne-nen Messdaten konnten Strukturen, wiez. B. die Nervenfaserschicht, kleinsteKapillarnetzwerke und einzelne Pho-torezeptoren, aufgelöst werden ([13];. Abb. 6). Weiterhin wird es durch dieAnalyse räumlichundzeitlichaufgelösterVeränderungen der optischen Weglängeder Photorezeptoraußensegmente, dieals Reaktion auf eine optische Stimula-tion erfolgen, möglich, physiologischeVeränderungen funktionskorreliert zumessen [14]. Damit stellt diese Tech-nologie einen weiteren Meilenstein inder ophthalmologischen Bildgebung dar,der neue diagnostische Optionen für dieOphthalmologie undNeurowissenschaf-ten bereithält.

Fazit für die Praxis

4 Bei jungen Patienten mit geringenoptischen Aberrationen könnenauch ohne AO mittels SLO einzelneZapfenphotorezeptoren außerhalbder Fovea sichtbar gemacht werden.

4 AO verbessern die laterale Auflösungbildgebender Verfahren bis aufwenige Mikrometer.

4 Durch AO-Bildgebung ist es heutemöglich, selbst die kleinsten Zap-fen im Zentrum der Foveola undStäbchen in vivo darzustellen.

4 Im Bereich der ophthalmologi-schen Bildgebung wird AO heutein Funduskameras, Scanning-Laser-

Der Ophthalmologe

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Leitthema

Ophthalmoskopen und optischenKohärenztomographen eingesetzt.

Korrespondenzadresse

J. L. Reiniger, M.Sc.Universitäts-AugenklinikBonnErnst-Abbe-Str. 2,53127 Bonn, [email protected]

Danksagung. Wir danken Rigmor C. Baraas(University College of Southeast Norway, Kongsberg,Norwegen), Gereon Hüttmann (Institut fürBiomedizinische Optik, Lübeck, Deutschland), MarcoLombardo (Vision Engineering Italy srl, Rom, Italien),Donald T. Miller (School of Optometry, Bloomington,IN, USA) und Austin Roorda (University of California,Berkeley, CA, USA), sowie den Firmen BostonMicromachines (Cambridge, MA, USA) und ImagineEyes (Orsay, Frankreich) für das unkomplizierte undkurzfristige Zurverfügungstellen von Bild- undInformationsmaterial.

Förderung. Emmy Noether Programm derDeutschen Forschungsgemeinschaft (Ha 5323/5-1),Carl Zeiss Wissenschaftsfonds.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. J.L. Reiniger,N.Domdei, F.G.HolzundW.M. Harmeninggeben an, dass kein Interessen-konflikt besteht.

Dieser Beitragbeinhaltet keine vondenAutorendurchgeführten Studien anMenschenoder Tieren.

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