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GEBEN WIR KÜNFTIG GAS? Wie schon in den vergangenen Jahren war das Thema CO 2 -Emissionen in Aachen tonangebend. So klar das Ziel auch vor Augen ist – die Europäische Kommission gibt 95 g CO 2 /km im Flottenmittel für 2020 als Leitlinie vor – so verschieden sind die technischen Entwicklungen zur Umsetzung. „Die E-Mobilität wird ihren Weg machen, aber auch CNG muss ins Auge gefasst werden.“ Dies erklärte Dr. Heinz- Jakob Neußer, Leiter Aggregateent- wicklung Volkswagen, in diesem Zusammenhang in seinem Plenar- vortrag zu Beginn des Kolloquiums. Neußer verwies darauf, dass Volks- wagen schon seit zehn Jahren Erfolg mit Erdgasfahrzeugen hat. Nun wird die Compressed-Natural-Gas(CNG)- Entwicklung auch auf den modularen Querbaukasten des Volkswagen-Kon- zerns ausgerollt. Für den CNG-Antrieb sprechen geringe Rohemissionswerte, der im Vergleich zu benzinbetriebe- nen Ottomotoren 25 % geringere CO 2 - Ausstoß und die hohe Klopffestigkeit. Damit sich CNG-Motoren künftig am Markt verstärkt durchsetzen können, formulierte Neußer Forderungen: „Wir benötigen stabile Randbedin- gungen bezüglich Besteuerung, zudem dürfen sich Infrastruktur- investitionen nicht nur auf die Elektromobilität fokussieren und die Automobilhersteller müssen attraktive Fahrzeuge für die Kunden anbieten“. FAHREN WIR KONVENTIONELL? Dem klassischen Otto- und Diesel- motor für flüssige Kraftstoffe widmete sich Mitsuo Hitomi, Mitglied der Geschäftsführung Mazda, in seinem Vortrag. Mit den Skyactiv-Motoren verfolgt das Unternehmen – im Gegensatz zu fast allen anderen Herstellern der Branche – nicht das Ziel, den CO 2 -Ausstoß durch Down- sizing zu reduzieren. Vielmehr baut Mazda auf einen auf die Leistung bezogen vergleichsweise großen Hubraum von 2,2 l. Wesentliche Kon- struktionsparameter gleichen sich dabei bei Diesel- und Ottomotor an. So beträgt das Verdichtungsverhältnis einheitlich 14, was für einen Ottomo- tor hoch und für einen Dieselmotor gering ist. Als Sauger bietet der Otto- motor damit ein sehr viel höheres Drehmoment bei geringen Drehzah- len als Downsizingkonzepte, was Downspeeding erlaubt und laut Hitomi besonders den Verbrauch im realen Alltagsbetrieb entscheidend reduziert. Der Dieselmotor erfüllt die Euro-6- und Japan-Emissionsnorm ohne DeNO x -System. Der nächste Ent- wicklungsschritt ist für Hitomi die magere Verbrennung beim Ottomotor. Damit verspricht er Verbräuche unter Diesel- und Hybridniveau. Auch Honda beschäftigt sich mit der mageren Verbrennung beim Otto- motor, geht technisch aber andere Wege als Mazda. Wie Toshihiro Mibe, Geschäftsführer des Forschungs- und Entwicklungs-Centers Automobil bei Honda R&D, erklärte, wird der Otto- motor dem Dieselantrieb dank Down- sizing, Aufladung und Direkteinsprit- zung bald Konkurrenz machen. „In Zukunft wird der Ottomotor eine grö- ßere Effizienz als der Dieselmotor aufweisen, sie wird bei 50 % oder noch höher liegen“, so Mibe. Die Schlüsseltechnik auf diesem Weg ist die Kontrolle der Brennraumtempera- tur, um Konzepte zur homogen-mage- ren Verbrennung beim Ottomotor umsetzen zu können. 22. AACHENER KOLLOQUIUM FAHRZEUG- UND MOTORENTECHNIK 1800 Teilnehmer diskutierten am 8. und 9. Oktober 2013 auf dem 22. Aachener Kolloquium über neue Entwicklungen der Fahrzeug- und Motorentechnik. Neben sauberen und sparsamen Antrieben lag der Fokus fahrzeugseitig vor allem auf aktuellen Fahrwerktrends und dem Bereich Fahrerassistenz – Stichwort „Cloud“. AKTUELL TAGUNGSBERICHT 940

22. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik

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Page 1: 22. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik

GEBEN WIR KÜNFTIG GAS?

Wie schon in den vergangenen Jahren war das Thema CO2-Emissionen in Aachen tonangebend. So klar das Ziel auch vor Augen ist – die Europäische Kommission gibt 95 g CO2/km im Flottenmittel für 2020 als Leitlinie vor – so verschieden sind die technischen Entwicklungen zur Umsetzung. „Die E-Mobilität wird ihren Weg machen, aber auch CNG muss ins Auge gefasst werden.“ Dies erklärte Dr. Heinz-Jakob Neußer, Leiter Aggregateent-wicklung Volkswagen, in diesem Zusammenhang in seinem Plenar-vortrag zu Beginn des Kolloquiums. Neußer verwies darauf, dass Volks-wagen schon seit zehn Jahren Erfolg mit Erdgasfahrzeugen hat. Nun wird die Compressed-Natural-Gas(CNG)-Entwicklung auch auf den modularen Querbaukasten des Volkswagen-Kon-zerns ausgerollt. Für den CNG-Antrieb sprechen geringe Rohemissionswerte, der im Vergleich zu benzinbetriebe-nen Ottomotoren 25 % geringere CO2-Ausstoß und die hohe Klopffestigkeit. Damit sich CNG-Motoren künftig am Markt verstärkt durchsetzen können, formulierte Neußer Forderungen:

„Wir benötigen stabile Randbedin-gungen bezüglich Besteuerung, zudem dürfen sich Infrastruktur-investitionen nicht nur auf die Elektromobilität fokussieren und die Automobilhersteller müssen attraktive Fahrzeuge für die Kunden anbieten“.

FAHREN WIR KONVENTIONELL?

Dem klassischen Otto- und Diesel-motor für flüssige Kraftstoffe widmete sich Mitsuo Hitomi, Mitglied der Geschäftsführung Mazda, in seinem Vortrag. Mit den Skyactiv-Motoren verfolgt das Unternehmen – im Gegensatz zu fast allen anderen Herstellern der Branche – nicht das Ziel, den CO2-Ausstoß durch Down-sizing zu reduzieren. Vielmehr baut Mazda auf einen auf die Leistung bezogen vergleichsweise großen Hubraum von 2,2 l. Wesentliche Kon-struktionsparameter gleichen sich dabei bei Diesel- und Ottomotor an. So beträgt das Verdichtungsverhältnis einheitlich 14, was für einen Ottomo-tor hoch und für einen Dieselmotor gering ist. Als Sauger bietet der Otto-motor damit ein sehr viel höheres

Drehmoment bei geringen Drehzah-len als Downsizingkonzepte, was Downspeeding erlaubt und laut Hitomi besonders den Verbrauch im realen Alltagsbetrieb entscheidend reduziert. Der Dieselmotor erfüllt die Euro-6- und Japan-Emissionsnorm ohne DeNOx-System. Der nächste Ent-wicklungsschritt ist für Hitomi die magere Verbrennung beim Ottomotor. Damit verspricht er Verbräuche unter Diesel- und Hybridniveau.

Auch Honda beschäftigt sich mit der mageren Verbrennung beim Otto-motor, geht technisch aber andere Wege als Mazda. Wie Toshihiro Mibe, Geschäftsführer des Forschungs- und Entwicklungs-Centers Automobil bei Honda R&D, erklärte, wird der Otto-motor dem Dieselantrieb dank Down-sizing, Aufladung und Direkteinsprit-zung bald Konkurrenz machen. „In Zukunft wird der Ottomotor eine grö-ßere Effizienz als der Dieselmotor aufweisen, sie wird bei 50 % oder noch höher liegen“, so Mibe. Die Schlüsseltechnik auf diesem Weg ist die Kontrolle der Brennraumtempera-tur, um Konzepte zur homogen-mage-ren Verbrennung beim Ottomotor umsetzen zu können.

22. AACHENER KOLLOQUIUM FAHRZEUG- UND MOTORENTECHNIK

1800 Teilnehmer diskutierten am

8. und 9. Oktober 2013 auf dem

22. Aachener Kolloquium über neue

Entwicklungen der Fahrzeug- und

Motorentechnik. Neben sauberen

und sparsamen Antrieben lag der

Fokus fahrzeugseitig vor allem auf

aktuellen Fahrwerktrends und dem

Bereich Fahrerassistenz – Stichwort

„Cloud“.

AKTUELL TAGUNGSBERICHT

940

Tagungsbericht

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STEHEN WIR UNTER STROM?

Natürlich kam auch das allgegen-wärtige Thema Elektrifizierung des Antriebs in Aachen nicht zu kurz. Im Bereich der Hybridisierung kündigte Mibe drei neue Hybridantriebsstränge von Honda an, die in Kürze auf den Markt kommen werden. Davon wird ein System aus einem 1,5-l-Ottomotor im Atkinson-Zyklus bestehen, kombi-niert mit einem Siebengang-Doppel-kupplungsgetriebe. Peter Langen, Leiter Fahrdynamik bei BMW, griff das Thema Elektromobilität auf und stellte es in den Mittelpunkt seines Vortrags: „Nach evolutionären Schrit-ten mit dem Mini E und dem ActiveE sind i3 und i8 nun revolutionäre Ent-wicklungen, bei denen wir die Fahr-zeuge um den Antrieb konstruiert haben“, erklärte er. Als Beispiel für die besonderen Möglichkeiten durch die innovative Verbundwerkstoff-Fahrzeugkonstruktion führte er die Hinterachsträger an, die beim i8 direkt am Hinterachsmodul aufge-hängt sind und damit Leichtbau und hohe Fahrdynamik vereinen.

HABEN WIR KÜNFTIG FAHRWERKE AUS KUNSTSTOFF?

Einen Schritt weiter als BMW beim i8 auf dem Weg zum Vollkunststoff-Fahr-werk ist ZF. Dr. Stefan Sommer, Vorsit-zender des Vorstands der ZF Friedrichs-hafen AG, stellte entsprechende Kon-zepte für Vorder- und Hinterachse vor: Als Prototyp hat das Unternehmen eine Hinterachse als Blattfeder aus Faserver-bund-Kunststoff entwickelt. Sie vereint Federung und Radführung in einem Bauteil und hilft so, Gewicht einzuspa-ren. Bei der vorderen Radaufhängung arbeitet ZF an einem McPherson-Feder-bein in Faserverbundtechnik. „Das ist ein radikaler Ansatz, aber es sind viele serienreife Technologien verfügbar“, erklärte Sommer.

LEBEN WIR IN DER WOLKE?

Neben neuen Entwicklungen auf der Antriebs- und Fahrwerkseite wurde in Aachen über die Daten-„Cloud“ im Fahrzeugbereich diskutiert. Die elekt-ronische Vernetzung innerhalb des

Fahrzeugs und mit der Außenwelt wird künftig für noch mehr Komfort und Sicherheit sorgen – Fernziel ist das voll -automatisierte Fahren. Bei ZF umfasst diese Zukunftsvision unter anderem das Fahrwerk, das auf Basis von Daten anderer Fahrzeuge, der Infrastruktur und der Sensorsignale der eigenen Fah rerassistenzsysteme vorkonditio-niert wird. „Das Connected Car wird in Zukunft zum automatisierten Fah-ren führen“, so Sommer. Wolf-Henning Scheider, Bosch-Geschäftsführer, er-gänzte die Thematik mit seinen Aus-führungen zum vernetzten Automobil. Sein Fazit: „Die Automobil-Cloud wird sich von der Consumer-Electronic-Cloud unterscheiden.“ Es wird zwar Schnittmengen geben, doch die ver-schiedenen Anforderungen bezüglich Sicherheit und Verfügbarkeit führen dazu, dass eine Zusammenlegung bei-der Datennetze nicht sinnvoll ist.

FAZIT

In mehr als 100 Fachvorträgen berich-teten Experten der Branche über ak-tuelle Themen aus Industrie und For-schung. In diesem Jahr wurden 1800 Teilnehmer gezählt – eine Steigerung auf diesem hohen Niveau ist als Platz-gründen allerdings nicht geplant.

Richard Backhaus

Die große Ausstellung – 65 Firmen präsentierten ihre Exponate – war Anlaufpunkt der Fachleute in den Pausen

ZITATE

DR. HEINZ-JAKOB NEUSSER, VOLKSWAGEN:„Auch CNG muss ins Auge gefasst werden.“

DR. STEFAN SOMMER, ZF: „Das Connected Car wird in Zukunft zum automatisierten Fahren führen.“

WOLF-HENNING SCHEIDER, BOSCH: „Die Automobil-Cloud wird sich von der Consumer-Electronic-Cloud unterscheiden.“

BILDER © Aachener Kolloquium

12I2013 115. Jahrgang 941

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