38
5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen 5.1 Vorbemerkung In ingenieurwissenschaftlichen Untersuchungen spielen lineare Gleichungssysteme eine wichtige Rolle. Zum einen kommen sie direkt vor (z.B. bei Stabwerkberechnungen), zum anderen ergeben sie sich durch Linearisierung nichtlinearer (und daher schwierig zu lösen- der) Probleme. Probleme der Praxis führen häufig auf lineare Gleichungssysteme mit einer großen Anzahl von Gleichungen und Unbekannten. Außerdem können die darin enthaltenen Koeffizien- ten von sehr unterschiedlicher Größenordnung sein. Bei der numerischen Lösung solcher Systeme kann es daher durch Fehlerfortpflanzung zu erheblichen Genauigkeitsverlusten bis hin zu falschen Ergebnissen kommen. Auf diese numerischen Aspekte kann im vorliegen- den Text jedoch nicht eingegangen werden. Im folgenden führen wir zuerst die Begriffe Matrix und Determinante ein. Danach werden wir sehen, wie sie zum Beispiel für die Lösung von linearen Gleichungssystemen eingesetzt werden können. 5.2 Matrizen 5.2.1 Der Begriff der Matrix Ein lineares Gleichungssystem ist von der Form a 11 x 1 + a 12 x 2 + ··· + a 1k x k + ··· + a 1n x n = b 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a i1 x 1 + a i2 x 2 + ··· + a ik x k + ··· + a in x n = b i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a m1 x 1 + a m2 x 2 + ··· + a mk x k + ··· + a mn x n = b m . (5.2.1) 65

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5 Matrizen, Determinanten, lineareAbbildungen

5.1 Vorbemerkung

In ingenieurwissenschaftlichen Untersuchungen spielen lineare Gleichungssysteme einewichtige Rolle. Zum einen kommen sie direkt vor (z.B. bei Stabwerkberechnungen), zumanderen ergeben sie sich durch Linearisierung nichtlinearer (und daher schwierig zu lösen-der) Probleme.

Probleme der Praxis führen häufig auf lineare Gleichungssysteme mit einer großen Anzahlvon Gleichungen und Unbekannten. Außerdem können die darin enthaltenen Koeffizien-ten von sehr unterschiedlicher Größenordnung sein. Bei der numerischen Lösung solcherSysteme kann es daher durch Fehlerfortpflanzung zu erheblichen Genauigkeitsverlusten bishin zu falschen Ergebnissen kommen. Auf diese numerischen Aspekte kann im vorliegen-den Text jedoch nicht eingegangen werden.

Im folgenden führen wir zuerst die Begriffe Matrix und Determinante ein. Danach werdenwir sehen, wie sie zum Beispiel für die Lösung von linearen Gleichungssystemen eingesetztwerden können.

5.2 Matrizen

5.2.1 Der Begriff der Matrix

Ein lineares Gleichungssystemist von der Form

a11x1 + a12x2 + · · ·+ a1kxk + · · ·+ a1nxn = b1...

......

......

......

......

ai1x1 + ai2x2 + · · ·+ aikxk + · · ·+ ainxn = bi...

......

......

......

......

am1x1 + am2x2 + · · ·+ amkxk + · · ·+ amnxn = bm .

(5.2.1)

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Hierbei sind dieKoeffizientenaik mit i = 1, . . . ,m, k = 1, . . . ,n und die “rechten Seiten”bi

gegebene reelle Zahlen.Die n Unbekannten xk, k = 1, . . . ,n, sind so zu bestimmen, daßallem Gleichungen von (5.2.1) erfüllt sind.

Die Linearität des Gleichungssystems (5.2.1) besteht darin, daß die Unbekanntenxk nurin der angegebenen Form vorkommen, daß also Terme wie z.B.x3

1 oder 1x2

oder sinx3 nichterscheinen.

Beispiel 5.2.1.Das Gleichungssystem

3x1 −√

5x2 + 2x3 = −72x1 + 3x2 + (sin1)x3 = 4

mit den Unbekanntenx1,x2,x3 ist linear. Das Gleichungssystem

−2x1 + 4√

x2 + x2x3 = 13x1 − 5x2 + x3 = 0

mit den Unbekanntenx1,x2,x3 ist nicht linear (beachte die Terme√

x2 undx2x3). ♦

Man kann das lineare Gleichungssystem (5.2.1) auch schematisch in folgender Form notie-ren:

x1 x2 · · · xk · · · xn 1a11 a12 · · · a1k · · · a1n b1...

......

......

ai1 ai2 · · · aik · · · ain bi...

......

......

am1 am2 · · · amk · · · amn bn

(5.2.2)

Die unterhalb der Kopfzeile stehenden Zahlen enthalten bereits alle Informationen aus Sy-stem (5.2.1). Die Bezeichnung der Unbekannten ist unwesentlich; stattx1, . . . ,xn könnteman z.B. auchs1, . . . ,sn schreiben.

Es liegt daher nahe, rechteckige Schemata von Zahlen als neue mathematische Objekteeinzuführen und zu studieren.

Definition 5.2.2. Ein rechteckiges Schema von reellen Zahlen der Form

A =

a11 a12 · · · a1k · · · a1n...

......

...ai1 ai2 · · · aik · · · ain...

......

...am1 am2 · · · amk · · · amn

(5.2.3)

heißt(reelle) Matrix vom Typ (m,n) kurz (m,n)-Matrix , ausführlich:Matrix mit m Zei-len und n Spalten. Die aik heißenElementeder MatrixA. Der Oberbegriff zu Zeile undSpalte istReihe. ♦

66

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5.2 Matrizen

Bemerkung 5.2.3.1. Mathematisch korrekt kann eine(m,n)-Matrix auch als AbbildungA: {1, . . . ,m}×{1, . . . ,n} → R definieren.Die Elementeai j sind dann die WerteA(i, j)vonA an der Stelle(i, j).

2. Zahlen sind(1,1)-Matrizen.

3. Statt (5.2.3) schreibt man auch kurzA = (aik)i=1,...,m;k=1,...,n oderA = (aik). ♦

Beispiel 5.2.4.Es seien

A =(

3 −5 21 0 4

)und X =

x11 x12

x21 x22

x31 x32

.Dann istA eine(2,3)-Matrix undX eine(3,2)-Matrix. ♦

Definition 5.2.5. Eine(m,n)-Matrix, deren sämtliche Elemente gleich 0 sind, heißt(m,n)-Nullmatrix und wird mit 0m×n oder kurz 0bezeichnet.

Eine (n,n)-Matrix A = (aik) heißtn-reihige quadratischeMatrix, und die Elementeaii ,i = 1, . . . ,n, heißenDiagonalelemente.

Eine (n,n)-Matrix, deren Diagonalelemente gleich 1 und deren übrige Elemente gleich 0sind, heißtn-reihigeEinheitsmatrix :

En = E = 1n = 1 :=

1 0 · · · 00 1 · · · 0...

...0 0 · · · 1

.♦

Definition 5.2.6. Eine (n,n)-Matrix A = (aik) mit aik = 0 für i > k (also unterhalb derDiagonale) heißtobere Dreiecksmatrix:

A =

a11 a12 · · · a1n

0 a22 · · · a2n...

...0 0 · · · ann

, kurz A =

a11 ∗

a22...

0 ann

.(Rechts haben wir eine schematische Schreibweise fürA angegeben: Hierbei steht∗ fürbeliebige reelle Zahlen und 0 für lauter Nullen.) Analog ist eineuntere Dreiecksmatrixdefiniert. Eine Matrix, die sowohl obere als auch untere Dreiecksmatrix ist, heißtDiago-nalmatrix ; ein Beispiel hierfür istEn. ♦

Definition 5.2.7. Aus einer(m,n)-Matrix A entsteht die zuA transponierte (n,m)-MatrixA>, indem man diei-te Zeile vonA zur i-ten Spalte vonA> macht(i = 1, . . . ,m). ♦

67

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Beispiel 5.2.8.Es gilt

A =(

3 −5 21 0 4

)=⇒ A> =

3 1−5 0

2 4

und

B =

λ 7 00 3 −10 0 6

=⇒ B> =

λ 0 07 3 00 −1 6

mit λ ∈ R. Es istB einedreireihige obereundB> einedreireihige untereDreiecksmatrix;hierbei kannλ = 0 oderλ 6= 0 sein. ♦

Definition 5.2.9. Man nennt(n,1)-MatrizenSpaltenvektorenund(1,n)-MatrizenZeilen-vektoren. ♦

Beispiel 5.2.10.Somit ist

a =

a1

a2...

an

einSpaltenvektor und a> = (a1 a2 . . . an) einZeilenvektor.

Bemerkung 5.2.11.Wir hatten schon erkannt, daß die MengeRn der reellenn-Tupel einenVektorraum bilden. Wir können einn-Tupel

(a1,a2, . . . ,an)

mit einem Zeilenvektor(a1 a2 . . . an)

oder mit einem Spaltenvektor(a1 a2 . . . an)> identifizieren.Üblich ist dieIdentifizierungder n-Tupel mit den Spaltenvektoren:

(a1,a2, . . . ,an) =

a1

a2...

an

.♦

68

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5.2 Matrizen

Mit dieser Identifizierung führen wir folgende Bezeichnungen ein:

Rm×n := Menge der reellen(m,n)-Matrizen,

Rn := Rn×1 = {(a1, . . . ,an) = (a1 . . . an)> : ai ∈ R, i = 1, . . . ,n} ,Rn := R1×n = {(a1 . . . an) : ai ∈ R, i = 1, . . . ,n} ,

Es ist alsoRn bzw. Rn die Menge aller Spaltenvektoren bzw. Zeilenvektoren ausn reellenZahlen.

Definition 5.2.12. Zwei MatrizenA = (aik) undB = (bik) heißengleich, in ZeichenA = B,wenn sie vom gleichen Typ sind undaik = bik für alle i,k gilt. ♦

Beispiel 5.2.13.1. Es gilt(3 −1 21 9 6

)6=(

3 −1 2 01 9 6 0

),

dadie Matrizen nicht vom gleichen Typ sind.

2. Für

a =(−3

7

)= (−3 7)> = (−3,7) ∈ R2 , b =

(7−3

)= (7 −3)> = (7,−3) ∈ R2 ,

gilt a6=b. ♦

5.2.2 Das Rechnen mit Matrizen

Definition 5.2.14. A = (aik) undB = (bik) seien Matrizengleichen Typs, λ sei eine reelleZahl. Man setzt

A+B := (aik +bik) , λA := (λaik) . ♦

Beispiel 5.2.15.1. Gegeben seien die Matrizen

A =(

5 1 32 −2 −4

), B =

(2 −1 03 1 0

), C =

(2 −13 1

).

Dann gilt

A+B =(

7 0 35 −1 −4

), −2A =

(−10 −2 −6−4 4 8

).

A+C undB+C sindnicht definiert.

2. Für einen beliebigen Spaltenvektora = (a1 a2 . . . an)> ∈ Rn gilt

a =

a1

0...0

+

0a2...0

+ · · ·+

00...

an

= a1e1 +a2e2 + . . .+anen .

69

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Das Produkt zweier Matrizen wirdnicht elementweise, sondern wie folgt definiert.

Definition 5.2.16. SeienA = (aik) eine (m, p)-Matrix und B = (bik) eine (p,n)-Matrix.Dann ist dasProdukt

C = AB = A·B

eine(m,n)-Matrix mit den Elementen

cik :=p

∑j=1

ai j b jk = ai1b1k +ai2b2k + . . .+aipbpk (i = 1, . . . ,m; k = 1, . . . ,n) .

(Das Elementcik in der i-ten Zeile undk-ten Spalte vonC ergibt sich daraus, daß diei-teZeile vonA mit derk-ten Spalte vonB multipliziert wird.) ♦

Bemerkung 5.2.17.AB ist genau dann definiert, wenn gilt:

Spaltenzahl vonA = Zeilenzahl vonB.

Beispiel 5.2.18.Gegeben seien die Matrix

A =(

3 0 12 −1 5

), B =

2 1 2 00 3 −1 1−3 2 4 3

.♦

Dann istA∈R2×3 undB∈R3×4. Damit istAB definiert, BA jedoch nicht. Die BerechnungvonAB ergibt:

2 1 2 00 3 −1 1−3 2 4 3

B

A

{3 0 12 −1 5

3 5 10 3−11 9 25 14

}C

Satz 5.2.19.Sofern die jeweiligen Terme definiert sind, gelten die folgendenRechenregeln:

E A = AE = A, 0+A = A+0 = A,

(A+B)C = AC+BC , A(B+C) = AB+AC ,

λ (AB) = (λA)B = A(λB) (λ ∈ R) ,A(BC) = (AB)C ,

(AB)> = B>A> .

70

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5.2 Matrizen

Bei der letzten Formel beachte man die Änderung der Reihenfolge. Diese ist wesentlich,denn im allgemeinen ist

AB 6= BA,

auch wenn beide Produkte definiert sind.

Beispiel 5.2.20.Für

A =(

0 10 0

), B =

(0 01 0

)gilt

AB =(

1 00 0

)und BA =

(0 00 1

).

5.2.3 Lineare Gleichungssysteme

Die Zweckmäßigkeit der obigen Produktdefinition zeigt folgende Anwendung. Gegebensei ein lineares Gleichungssystem

a11x1 + a12x2 + · · ·+ a1nxn = b1...

......

......

......

am1x1 + am2x2 + · · ·+ amnxn = bm .

(5.2.4)

Mit den Matrizen

A :=

a11 a12 · · · a1n...

......

am1 am2 · · · amn

, x :=

x1...

xn

, b =

b1...

bm

ist (5.2.4) äquivalent zu

Ax = b. (5.2.5)

Das lineare Gleichungssystem (5.2.4) kann also elegant alsMatrixgleichung (5.2.5) ge-schrieben werden.

Man nenntA die Koeffizientenmatrix, x denSpaltenvektor der Unbekanntenundb denSpaltenvektor der “rechten Seiten” (oderder Absolutglieder).

Definition 5.2.21. Das LGS (5.2.4) heißt

• homogen,wennb = 0 ist (alsob1 = · · ·= bm = 0),• inhomogen,wennb 6= 0 ist (also mindestens einbi 6= 0).

Ist (5.2.4) inhomogen, so heißtAx = 0 (5.2.6)

zu (5.2.5) gehöriges homogenes LGS. ♦

71

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Definition 5.2.22. Ein Spaltenvektorx = (x1 . . . xn)> = (x1, . . . ,xn) ∈ Rn, der die Matrix-gleichung (5.2.5) erfüllt, heißtLösungvon (5.2.5) (bzw. von (5.2.4)). ♦

Bemerkung 5.2.23.Ein homogenes LGS hat stets die triviale Lösungx = 0. ♦

5.2.4 Die inverse Matrix

Für eine (reelle oder komplexe) Zahla ist a−1 definiert als diejenige Zahlb, mit derab= 1gilt. Ein solchesb existiert genau dann, wenna 6= 0 ist, und dann gilt auchba= 1.

Für einequadratischeMatrix A soll nun durch die analoge Gleichung

AB = E (5.2.7)

die inverse MatrixA−1 definiert werden.

Definition 5.2.24. Die Matrix A∈Rn×n heißtinvertierbar , wenn es eine MatrixB∈Rn×n

gibt, so daß (5.2.7) gilt. ♦

Satz 5.2.25.Ist A∈ Rn×n invertierbar, so gibt es genau eine Matrix B∈ Rn×n mit (5.2.7).

Definition 5.2.26. Ist A∈ Rn×n invertierbar, so heißt die MatrixB∈ Rn×n mit (5.2.7) dieInversevonA (oder zuA inverse Matrix ) und wird mitA−1 bezeichnet. ♦

Bemerkung 5.2.27.1. Neben (5.2.7) gilt dann auchBA = E; insgesamt gilt also

AA−1 = A−1A = E . (5.2.8)

2. Aus der Analogie zu den Zahlen darf mannicht schließen, daß jede quadratische MatrixA 6= 0 invertierbar sei. ♦

Beispiel 5.2.28.Gegeben sei eine 2-reihige Matrix

A =(

a11 a12

a21 a22

).

Gilta11a22−a12a21 6= 0, (5.2.9)

so istA invertierbar, und es ist

A−1 =1

a11a22−a12a21

(a22 −a21

−a12 a11

).

Dies bestätigt man, indem man die Gültigkeit von (5.2.8) verifiziert. ♦

72

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5.2 Matrizen

Bemerkung 5.2.29.Später werden wir sehen, daß die Bedingung (5.2.9) auch notwendig

für die Existenz vonA−1 bei A∈ R2×2 ist. Hiermit ist z.B. die MatrixA =(

1 01 0

)nicht

invertierbar. ♦

Satz 5.2.30.Für invertierbare Matrizen A, B∈ Rn×n gelten die folgendenRechenregeln:

(A−1)−1 = A, (A−1)> = (A>)−1 ,

(AB)−1 = B−1 A−1 .

Bei der letzten Formel beachte man wieder die Änderung der Reihenfolge.

Mittels der Inversen können wir nun gewisse Matrixgleichungen lösen.

Beispiel 5.2.31.Gegeben seien eine invertierbare(n,n)-Matrix A und eine(n, r)-Matrix B.Gesucht ist eine(n, r)-Matrix X mit AX = B.

Lösung.Es gilt (man beachte die jeweilige Rechenregel)

AX = B ⇐⇒ A−1(AX) = A−1B ⇐⇒ (A−1A)X = A−1 B ⇐⇒ E X = A−1B

⇐⇒ X = A−1B. ♦

5.2.5 Spezielle Produkte einspaltiger Matrizen

Seiena,b∈Rn = Rn×1. Dann ist ihr Matrix-Produkt (fürn> 1) nicht definiert. Definiert istaber das Produkt vona> undb. Dieses ist vom Typ(1,1), also eine Zahl, und wir erkennenes als (euklidisches) Skalarprodukt vona undb:

a>b =n

∑i=1

aibi = 〈a,b〉 .

Es giltb>a = (a>b)> = a>b,

daa>b eine Zahl ist.

Seiena∈ Rm = Rm×1, b∈ Rn = Rn×1. Dann ist es auch möglich, das Produkt vona undb> zu bilden. Es ist vom Typ(m,n), also eine(m,n)-Matrix:

ab> = C mit Ci j = aib j .

Dieses Produkt wirddyadisches Produktgenannt. Es gilt

(ab>)> = (b>)>a> = ba> .

73

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Beispiel 5.2.32.Seia = (2,−1) =(

2−1

), b = (0,4,3) =

043

. Es gilt

ab> =(

0 8 60 −4 −3

), ba> =

0 08 −46 −3

.♦

5.3 Determinanten

5.3.1 Der Begriff der Determinante

Definition 5.3.1. Die Determinante detA einern-reihigen (also quadratischen) MatrixAist rekursiv definiert durch:

• Für n = 1 giltdetA = a11 .

• Für n≥ 2 gilt

detA :=n

∑i=1

(−1)i+1ai1detAi1 .

Hierbei bezeichnetAi1, i = 1, . . . ,n, die (n−1)-reihige Matrix, die ausA durch Streichender ersten Spalte und deri-ten Zeile entsteht. ♦

Bemerkung 5.3.2.1. Für n = 2 erhalten wir die schon bekannte Formel

detA = a11a22−a21a12 .

2. Fürn = 3 finden wir

detA = a11det

(a22 a23

a32 a33

)−a21det

(a12 a13

a32 a33

)+a31det

(a12 a13

a22 a23

)= a11(a22a33−a23a32)−a21(a12a33−a13a32)+a31(a12a23−a13a22) ,

also ebenfalls die schon bekannte Formel.

3. Fürn≥ 2 wird detA durchEntwicklung nach der ersten Spaltedefiniert.

4. Statt detA schreibt man auch|A|. Man beachte aber die Verwechslungsmöglichkeit mitdem Betrag. ♦

74

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5.3 Determinanten

Beispiel 5.3.3.1. Es gilt

det

3 1 5 00 2 1 −10 4 −2 32 3 0 2

= 3︸︷︷︸a11

·det

2 1 −14 −2 33 0 2

︸ ︷︷ ︸

A11

− 0︸︷︷︸a21

·det

1 5 04 −2 33 0 2

︸ ︷︷ ︸

A21

+ 0︸︷︷︸a31

·det

1 5 02 1 −13 0 2

︸ ︷︷ ︸

A31

− 2︸︷︷︸a41

·det

1 5 02 1 −14 −2 3

︸ ︷︷ ︸

A41

.

Weiter gilt

detA11 = 2·det

(−2 3

0 2

)−4·det

(1 −10 2

)+3·det

(1 −1−2 3

)= 2· [(−2) ·2−3·0]−4· [1·2− (−1) ·0]+3· [1·3− (−1) · (−2)]=−13.

detA21 und detA31 brauchen nicht berechnet zu werden, dasie mit Null multipliziert werdenund somit keinen Beitrag liefern. Ferner gilt detA41 = −49 (nachrechnen!). Hiermit istschließlich

detA = 3· (−13)−2· (−49) = 59.

2. Es seiA eine beliebige obere Dreiecksmatrix:

A =

a11 ∗

a22...

0 ann

(∗ : beliebige Elemente).

Man erhält

detA = a11 ·detA11−0·detA21+−·· ·+(−1)n+1 ·0·detAn1= a11detA11 .

Hierbei ist z.B.

A11 =

a22 ∗...

0 ann

wieder eine obere Dreiecksmatrix. Daher ergibt sich hier

detA = a11a22· · ·ann .

Die Determinante einer Dreiecksmatrix läßt sich also besonders einfach berechnen.

Dies wird später die Grundlage für ein Verfahren zur numerischen Berechnung von Deter-minanten sein. ♦

75

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

5.3.2 Das Rechnen mit Determinanten

SeiA∈ Rn×n, n≥ 2.

Definition 5.3.4. Mit Aik bezeichnen wir die(n−1)-reihige Matrix (Adjunkte zu aik ge-nannt), die ausA durch Streichen deri-ten Zeile und derk-ten Spalte (also gerade der Zeileund Spalte, in deraik steht) entsteht. ♦

Satz 5.3.5 (Entwicklungssatz).Die DeterminantedetA einer Matrix A∈ Rn×n, n≥ 2,kann durch Entwicklung nach einer beliebigen Spalte oder Zeile berechnet werden. Da-bei bedeutet

– Entwicklung nach der k-ten Spalte:

detA =n

∑i=1

(−1)i+kaik detAik ,

– Entwicklung nach der i-ten Zeile:

detA =n

∑k=1

(−1)i+kaik detAik .

Bemerkung 5.3.6.1. Die Vorzeichen(−1)i+k können nach dem “Schachbrettmuster” er-mittelt werden:

+ − + · · ·− + − ·· ·+ − + · · ·...

......

...

.2. Dieser Satz eignet sich zur Berechnung einern-reihigen Determinante, fallsn klein istoder viele Elemente gleich 0 sind. ♦

Beispiel 5.3.7.Die Determinante der Matrix

A =

1 3 43 −2 20 2 0

berechnet man zweckmäßig durch Entwicklung nach der3. Zeileund erhält:

detA = 0·detA31−2·det

(1 43 2

)︸ ︷︷ ︸

detA32

+0·detA33= 20.

76

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5.3 Determinanten

Satz 5.3.8 (Eigenschaften).Sei A∈ Rn×n mit den Spalten s1, . . . ,sn, d.h.,

A = (s1, . . . ,sn) =

> ·· · >s1 · · · sn⊥ ·· · ⊥

=

s1,1 · · · sn,1...

...s1,n · · · sn,n

.

1. Vertauscht man zwei (verschiedene) Spalten si und sk, so wechselt die Determinante dasVorzeichen:

det(s1, . . . , si , . . . , sk , . . . ,sn) =−det(s1, . . . , sk , . . . , si , . . . ,sn) (i 6= k) .

2. Herausziehen eines gemeinsamen Faktors aus einer Spalte:

det(s1, . . . , α si , . . . ,sn) = α det(s1, . . . ,si , . . . ,sn) (α ∈ R) .

3. Addition zweier n-reihiger Determinanten, die sich nur in einer Spalte unterscheiden:

det(s1, . . . , si , . . . ,sn)+det(s1, . . . , s′i , . . . ,sn) = det(s1, . . . , si +s′i , . . . ,sn) .

4. Addition eines Vielfachen der k-Spalte zur i-ten Spalte, k6= i, ändert die Determinantennicht:

det(s1, . . . , si , . . . , sk , . . . ,sn) = det(s1, . . . , si + αsk , . . . , sk , . . . ,sn) (i 6= k,α ∈ R) .

5. Es giltdet(s1, . . . ,sn) = 0 genau dann, wenndie s1, . . . ,sn linear abhängig sind. Insbe-sondere verschwindet die Determinante, wenn eine Spalte aus lauter Nullen besteht, oderwenn zwei Spalten gleich oder proportional zueinander sind.

6. Eine Determinante ändert ihren Wert nicht, wenn man die Matrix transponiert,

detA = detA> .

Alle obigen Eigenschaften gelten daher auch für Zeilen.

7. Für Matrizen A, B∈ Rn×n gilt

det(AB) = (detA)(detB) .

Weiter haben wir:

Satz 5.3.9 (Invertierbarkeitskriterium). Für n-reihige Matrizen Agilt

A ist invertierbar ⇐⇒ detA 6= 0 .

Ist detA 6= 0, so gilt

det(A−1) =1

detA.

77

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Die zweite Aussage des Satzes folgt aus

1 = detE = det(AA−1)= (detA)(detA−1) ,

wobei das dritte Gleichheitszeichen nach Satz5.3.8mit B := A−1 gilt.

Beispiel 5.3.10.Für die Matrix

A =(

a11 a12

a21 a22

)gilt detA = a11a22−a12a21. Nach Satz5.3.9 ist A also genau dann invertierbar, wenna11a22−a12a21 6= 0 gilt, vgl. Beispiel5.2.28. ♦

5.3.3 Anwendungen auf LGS im Fall m= n

Wir betrachten nun das LGS (5.2.4) mit m= n, d.h.,

Anzahl der Gleichungen(m) = Anzahl der Unbekannten(n),

also ein LGS der Forma11x1 + · · ·+ a1nxn = b1

......

......

...an1x1 + · · ·+ annxn = bn ,

(5.3.1)

kurzAx = b (5.3.2)

mit einer quadratischen MatrixA.

Satz 5.3.11.Gegeben sei eine Matrix A∈ Rn×n. Dann sind die folgenden Aussagen äqui-valent:

(a) Das homogene LGS Ax = 0 hat nurdie triviale Lösung x= 0.

(b) Für jedes b∈ Rn hat das inhomogene LGS(5.3.2) genau eineLösung x∈ Rn.

(c) Die Matrix Aist invertierbar.

(d) Es giltdetA 6= 0.

Folgerung 5.3.12.Ist A invertierbar, so istdieLösung xvon(5.3.2) gegeben durch

x = A−1b . (5.3.3)

Die Lösungsdarstellung (5.3.3) für (5.3.2) ist ein Spezialfall der LösungX = A−1B für dieMatrixgleichungAX = B, (s. Beispiel5.2.31), wobei nunB die einspaltige Matrixb∈ Rn

ist.

78

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5.3 Determinanten

Satz 5.3.13.Für invertierbare n-reihige Matrizen Agilt

A−1 =1

detA(aik) mit aik := (−1)i+k detAik .

Beispiel 5.3.14.Die Lösung(x1,x2,x3) ∈ R3 des LGS

x1 +2x2−x3 = b1

x2 +2x3 = b2

−x1 +3x2 +x3 = b3

ist für einen beliebigen Vektor(b1,b2,b3) ∈ R3 darzustellen.

Lösung.Für

A =

1 2 −10 1 2−1 3 1

erhalten wir mit Satz5.3.13

A−1 =1

det

1 2 −10 1 2−1 3 1

det

(1 23 1

)−det

(0 2−1 1

)det

(0 1−1 3

)−det

(2 −13 1

)det

(1 −1−1 1

)−det

(1 2−1 3

)det

(2 −11 2

)−det

(1 −10 2

)det

(1 20 1

)

=

12

12 −1

215 0 1

5− 1

1012 − 1

10

.Nach (5.3.3) ist also x1

x2

x3

=

12b1 + 1

2b2 − 12b3

15b1 + 1

5b3

− 110b1 + 1

2b2 − 110b3

.♦

Abschließend geben wir eine Lösungsdarstellung mittels Determinanten an.

Satz 5.3.15 (Cramer-Regel).Ist A= (aik) ∈ Rn×n invertierbar und b∈ Rn, dann hat dasLGS(5.3.1) die Lösung x= (x1, . . . ,xn) mit

xi =1

detA·det

a11. . .a1i−1 b1 a1i+1 . . .a1n...

......

an1 . . .ani−1 bn ani+1 . . .ann

, (5.3.4)

d.h.,zur Berechnung von xi wird die i-te Spalte von Adurch bersetzt, i= 1, . . . ,n.

79

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Wegen des hohen Aufwandes bei der Determinantenberechnung hat diese Regel zur prakti-schen Lösung eines LGS nur fürn≤ 3 und in einigen Spezialfällen Bedeutung.

Beispiel 5.3.16.Das LGS

2x1 + x2 − x3 = −6x1 − 2x3 = −8−x1 + 3x2 + 4x3 = 17

soll nach der Cramer-Regel gelöst werden.

Lösung.Zunächst ist

detA = det

2 1 −11 0 −2−1 3 4

= 7.

WegendetA 6= 0 ist A invertierbar, also die Cramer-Regel anwendbar. Nach (5.3.4) ist

x1 =17

det

−6 1 −1−8 0 −217 3 4

=−2, x2 =17

det

2 −6 −11 −8 −2−1 17 4

= 1,

x3 =17

det

2 1 −61 0 −8−1 3 17

= 3. ♦

Das folgende Beispiel demonstriert, daß die Cramer-Regel aber auch für spezielle höherdi-mensionale Probleme sinnvoll eingesetzt werden kann:

Beispiel 5.3.17.Betrachte das LGS

Ax = b mit A =

1 2 3 02 3 0 03 0 2 10 1 0 2

, b =

2010

.Gesucht ist nur die zweite Komponentex2 der Lösungx.

Lösung.Mit Entwicklung nach der vierten Zeile erhalten wir

det(A) = 1det

1 3 02 0 03 2 1

+2det

1 2 32 3 03 0 2

=−6+2· (6−8−27))=−64.

Weiter folgt mit (5.3.4) und Entwicklung nach der vierten Zeile

det

1 2 3 02 0 0 03 1 2 10 0 0 2

= 2det

1 2 32 0 03 1 2

= 2· (6−8) =−4

und daherx2 = 116. ♦

80

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5.4 Numerische Algebra

5.4 Numerische Algebra

In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit der numerischen Berechnung der Lösungvon linearen Gleichungssystemen, der Inversion von Matrizen und der Berechnung vonDeterminanten.

5.4.1 Elementare Umformungen von Matrizen

Wir kommen zu einer Methode, die sich bei verschiedenartigen Problemen als sinnvollerweisen wird.

Definition 5.4.1. Man unterscheidet folgende Typen vonelementaren Zeilenumformun-gen(EZU) einer(m,n)-Matrix:

Typ 1: Vertauschung zweier Zeilen.

Typ 2: Multiplikation einer Zeile mit einer Zahlλ 6= 0.

Typ 3: Addition desλ -fachen(λ ∈ R) einer Zeile zu einer anderen Zeile. ♦

Analog sindelementare Spaltenumformungen(ESU) definiert.

Beispiel 5.4.2.Die Matrix

A =

−1 1 2 3

2 −2 3 −1−3 −1 2 4

0 2 −1 0

soll durch EZU der Typen 1 und 3 in eine obere DreiecksmatrixD umgeformt werden.

Lösung.1. Schritt: Geeignete Vielfache der ersten Zeile zur zweiten, dritten usw. Zeile addieren, sodaß die erste Spalte unterhalb des Hauptdiagonalelements nur Nullen enthält.Es wird alsodie mit 2 (bzw. mit−3) multiplizierte erste Zeile zur zweiten (bzw. dritten) Zeile addiert:

A =

−1 1 2 3

2 −2 3 −1−3 −1 2 4

0 2 −1 0

·2 ·(−3)

←←

Typ 3−→

−1 1 2 3

0 0 7 50 −4 −4 −50 2 −1 0

=: A1 .

2. Schritt: Nun sollen in der zweiten Spalte unterhalb des Hauptdiagonalelements Nullenerzeugt werden.Hierzu ist die mit geeigneten Vielfachen multipliziertezweiteZeile zu den

81

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

folgenden Zeilen zu addieren. Dies gelingt wegen der eingerahmten Null zunächst nicht.Daher wird zuvor die zweite gegen die vierte Zeile ausgetauscht:

A1Typ 1−→

−1 1 2 3

0 2 −1 00 −4 −4 −50 0 7 5

·2←

Typ 3−→

−1 1 2 3

0 2 −1 00 0 −6 −50 0 7 5

=: A2

3. Schritt: Unterhalb des Hauptdiagonalelements der dritten Spalte Nullen erzeugen:

A2 =

−1 1 2 3

0 2 −1 00 0 −6 −50 0 7 5

·76←

Typ 3−→

−1 1 2 3

0 2 −1 00 0 −6 −50 0 0 −5

6

=: D .

Satz 5.4.3.Jede quadratische Matrix A∈ Rn×n kann durch endlich viele EZU der Typen 1und 3 in eine obere Dreiecksmatrix Dumgeformt werden. Hierbei gilt

A ist invertierbar ⇐⇒ Alle Diagonalelemente von Dsind ungleich0.

Außerdem gilt:

Satz 5.4.4.Gegeben seien Matrizen A∈ Rn×n, B∈ Rn×r und C∈ Rn×r mit AC = B. Ent-stehenA und B gleichzeitig durch endlich viele EZU (der Typen 1, 2, 3) aus Abzw. B, sogilt AC = B, siehe folgendes Schema:

A | BEZU=⇒ A | B

AC = B AC = B.

5.4.2 Berechnung der Inversen

Als erste Anwendung von Satz5.4.4behandeln wir die Berechnung der Inversen zu einerMatrix A∈ Rn×n.

Rechts nebenA notiert man die EinheitsmatrixE ∈Rn×n. Alle im folgenden beschriebenenUmformungen werden gleichzeitig aufA und E angewendet. DurchEZU vorwärts(d.h.von oben nach unten, vgl. Beispiel5.4.2) überführt manA in eine obere DreiecksmatrixD.Hierbei ergibt sich einer der beiden folgenden Fälle.

Fall 1: Mindestens ein Diagonalelement vonD ist gleich 0.

Dann existiertA−1 nicht (Satz5.4.3).

Fall 2: Alle Diagonalelemente vonD sind ungleich 0.

82

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5.4 Numerische Algebra

Dann kannD durchEZU rückwärts(d.h. von unten nach oben) in die EinheitsmatrixEüberführt werden, und rechts nebenE stehtA−1:

A | EEZU=⇒ E | A−1 .

(Zur Rechtfertigung des Verfahrens im Fall 2 wendet man Satz5.4.4mit B := E, C := A−1

undA := E an: Dann istAC = E und daherAC = B, alsoB = C = A−1.)

Beispiel 5.4.5.Gesucht ist die Inverse der Matrix

A =

1 2 −10 1 2−1 3 1

.♦

Lösung.Gemäß obigen Schema erhält man

A E Bemerkung1 2 −10 1 2−1 3 1

1 0 00 1 00 0 1

·1

←EZU Typ 3 vorwärts

1 2 −10 1 20 5 0

1 0 00 1 01 0 1

·(−5)←

EZU Typ 3 vorwärts

1 2 −10 1 20 0 −10

1 0 00 1 01 −5 1

←·(−2) EZU Typ 3 rückwärts

1 0 −50 1 20 0 −10

1 −2 00 1 01 −5 1

←←·15 ·(−1

2)EZU Typ 3 rückwärts

1 0 00 1 00 0 −10

12

12 −1

215 0 1

51 −5 1 ·(− 1

10)EZU Typ 2

1 0 00 1 00 0 1

12

12 −1

215 0 1

5− 1

1012 − 1

10E A−1

Zur Kontrolle kann man bestätigen, daßAA−1 = E gilt. (Hiermit gilt dann „automatisch”auchA−1A = E; vgl. Bemerkung5.2.27.)

83

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

5.4.3 Lösung einer Matrixgleichung

Das folgende allgemeinere Verfahren ergibt sich (mit beliebiger MatrixB stattE) ebenfallsaus Satz5.4.4.

Gegeben seien MatrizenA∈Rn×n undB∈Rn×r . Gesucht ist eine MatrixX ∈Rn×r , so daßAX = B gilt.

Rechts nebenA notiert man die MatrixB. Im übrigen verfährt man wie bei der BerechnungvonA−1 über eine DiagonalmatrixD. Hierbei ergibt sich einer der beiden folgenden Fälle.

Fall 1: Mindestens ein Diagonalelement vonD ist gleich 0.

Dann existiertA−1 nicht und die GleichungAX = B nicht oder nicht eindeutig lösbar.

Fall 2: Alle Diagonalelemente vonD sind ungleich 0.

Dann kannD durchEZU rückwärtsin die EinheitsmatrixE überführt werden, und rechtsnebenE stehtA−1 B:

A | BEZU=⇒ E | A−1 B.

5.4.4 Berechnung der Determinanten

Mit den Sätzen5.4.3und5.3.8ergibt sich folgendes Verfahren zur numerischen Berechnungvon detA:

Zu berechnen sei die Determinante der MatrixA∈ Rn×n. Durch EZU der Typen 1 und 3verwandle manA in eine obere Dreiecksmatrix:

A =

a11 ∗

a22...

0 ann

(∗ : beliebige Elemente).

Wurden hierzur Zeilenvertauschungen (EZU Typ 1) benötigt, so gilt

detA = (−1)r detA = (−1)r a11a22· · · ann .

Beispiel 5.4.6.Zu berechnen ist die Determinante der Matrix

A =

0 2 −1 31 −2 0 13 2 −1 −12 0 2 1

.

84

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5.4 Numerische Algebra

Lösung.Zuerst vertauschen wir die 1. und 2. Zeile (EZU Typ 1), um an der Stellea11 einvon Null verschiedenes Element zu erhalten, dann folgen EZU Typ 3:

ATyp 1−→

1 −2 0 10 2 −1 33 2 −1 −12 0 2 1

·(−3) ·(−2)

←←

Typ 3−→

1 −2 0 10 2 −1 30 8 −1 −40 4 2 −1

·(−4) ·(−2)←

Typ 3−→

1 −2 0 10 2 −1 30 0 3 −160 0 4 7

·(−43)

Typ 3−→

1 −2 0 10 2 −1 30 0 3 −160 0 0 43

3

= A.

Da zur Umwandlung vonA in A eine Zeilenvertauschung benötigt wurde, gilt

detA = (−1)1detA = (−1) ·1·2·3· 433

=−86. ♦

5.4.5 Lineare Gleichungssysteme

Wir betrachten nun den Gauß-Algorithmus zur Lösung des Gleichungssystems

Ax = b (5.4.1)

mit

A :=

a11 · · · a1n...

. .....

am1 · · · amn

, x :=

x1...

xn

, b :=

b1...

bm

.Hierbei kannm< n, m= n oderm> n sein.

Wir benötigen dieerweiterte Koeffizientenmatrix

(A|b) :=

a11 · · · a1n...

......

am1 · · · amn

b1...

bm

.

85

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Definition 5.4.7. Eine MatrixA∈ Rm×n hat dieZeilenstufenform, wennA die Form

A =

� ∗ · · · ∗0 0 � ∗ · · · ∗0 0 0 � ∗ · · · ∗...

......

.. .0 0 0 · · · 0 � ∗ · · · ∗0 · · · 0...

...0 · · · 0

hat, wobei folgendes gilt:

1. DiePivot-Elemente� sind ungleich 0, und∗ bezeichnet beliebige Zahlen.2. In jeder Zeile stehen links von den Pivot-Elementen� nur Nullen.3. Von einer Zeile zur darunter stehenden nimmt die Zahl der Nullen links von den Pivot-Elementen� um mindestens eins zu. ♦

Beispiel 5.4.8.1. Jede obere Dreiecksmatrix, deren sämtliche Diagonalelemente ungleich0 sind, hat Zeilenstufenform.

2. Von den Matrizen

B =

3 −1 0 5 10 0 -5 4 20 0 0 1 00 0 0 0 0

, C =

3 −1 0 5 10 0 -5 4 20 0 2 1 00 0 0 0 0

hatB Zeilenstufenform,C jedoch nicht, da die Zahl der Nullen links von� von der zweitenzur dritten Zeile nicht zunimmt. ♦

Überführung einer Matrix A in Zeilenstufenform A

Schritt 1: Sicherstellen, daß an der Stellea11 von A eine Zahl ungleich 0; hierzu evtl.Zeilen vertauschen.

Schritt 2: In der Spalte unterhalb des Pivot-Elements� Nullen erzeugen (EZU); es entstehteine Matrix der Form

� ∗ · · · ∗0 ∗ · · · ∗...

......

0 ∗ · · · ∗

=

� ∗ · · · ∗0... A10

.

86

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5.4 Numerische Algebra

Schritt 3: Mit der (m− 1,n− 1)-Matrix A1 (“Restmatrix”) analog Schritt 1 verfahren:Sicherstellen, daß in der am weitesten links stehenden Spalte vonA1, welche Elementeungleich 0 enthält1, ein solches Pivot-Element� in der ersten Zeile vonA1 (also in derzweiten Zeile vonA) steht; hierzu evtl. Zeilen vonA1 vertauschen.

Schritt 4: Mit A1 analog Schritt 2 verfahren, usw..

Die ZeilenstufenformA ist hergestellt, wenn man entweder in der letzten Zeile vonA ange-kommen ist oder eine nur aus Nullen bestehende “Restmatrix” erhalten hat.

Der folgende Satz stellt die Beziehung zu LGS dar.

Satz 5.4.9.Geht die Matrix(A|b) durch endlich viele EZU aus der Matrix(A|b) hervor, sosind die LGS Ax = b undA x = b äquivalent, sie haben also genau dieselben Lösungen x.

Hieraus ergibt sich ein auf C. F. Gauß zurückgehendes Verfahren zur Lösung von LGS.

Gauß-Algorithmus zur Lösung des LGS Ax = b

(das homogene LGS ist als Spezialfall mitb = 0 enthalten!)

I. Elimination: Überführe die erweiterte Koeffizientenmatrix(A|b) durch EZU in eineMatrix (A|b), so daßA Zeilenstufenform hat:

x1 xn 1� ∗ b1

. .....

0... � br

0 · · · 0 br+1...

......

0 · · · 0 bm

II. Feststellung zur Lösbarkeit:

Ax = b ist lösbar ⇐⇒ br+1 = · · ·= bm = 0. (5.4.2)

(Die Lösbarkeit liegt also im homogenen Fallb = 0 stets vor!)

Ist Ax = b nicht lösbar, dann stopp.Ist Ax = b lösbar, dann gehe zu III.

III. Feststellung freier Parameter:

1Es ist möglich, daß außer der ersten Spalte vonA1 auch die zweite Spalte usw. nur Nullen enthält (vgl.Schema 1).

87

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Unbekanntexk, die zu Spaltenk von A ohneein Pivot-Element� gehören, sindfreie Para-meter; sie können beliebige reelle Zahlen annehmen.

IV. Rückwärtsrechnung:

Die Unbekanntenxk, die zu Spaltenk von A mit einem Pivot-Element� gehören, werden“rückwärts” (von unten nach oben) aus der Gleichung

Ax = b

in Abhängigkeit von den freien Parametern berechnet.

Beispiel 5.4.10.1. Gesucht sind die Lösungenx∈R4 des homogenen LGSAx = 0 mit dernachfolgend bezeichneten MatrixA.

Lösung.Wir führen die vier Schritte des Gauß-Algorithmus aus.

I. Mit

A

x1 x2 x3 x4

2 3 0 −2−2 −3 0 6

1 32 −1 2

6 9 0 −62 3 0 −20 0 0 40 0 −1 30 0 0 0

·1 ·(−12) ·(−3)

←←

erhalten wir

A =

2 3 0 −20 0 -1 30 0 0 40 0 0 0

.II. Als homogenes LGS ist das LGS lösbar.

III. Aus der Form vonA liest man ab, daßx2 = λ ein freier Parameter ist.

IV. Aus Ax = 0 erhält man rückwärts:

4x4 = 0 , also x4 = 0,

−1x3 +3·0 = 0 , also x3 = 0,

2x1 +3λ +0·0 = 0 , also x1 =−32

λ .

Ergebnis: Für jedesλ ∈ R istx1

x2

x3

x4

= (x1,x2,x3,x4) = λ (−32,1,0,0)

88

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5.4 Numerische Algebra

eine Lösung des gegebenen LGSAx = 0.

Speziell fürλ = 0 hat man die Lösung(x1,x2,x3,x4) = (0,0,0,0), für λ = 2 die Lösung(x1,x2,x3,x4) = (−3,2,0,0).

2. Gesucht sind die Lösungen des LGS

x+2y−z = 4−2x−4y+2z = c;

wobeic∈ R ein Parameter ist.

Lösung.I. Mitx y z 11 2 −1 4−2 −4 2 c

1 2 −1 40 0 0 8+c

·2←

erhalten wir

A =(

1 2 −10 0 0

), b =

(4

8+c

).

II. Ist 8+c 6= 0, alsoc 6=−8, dann ist das LGS unlösbar; fürc =−8 ist es lösbar.

III. Es sei nunc =−8. Dann sindy = λ undz= µ freie Parameter.

IV. Aus der ersten Gleichung ergibt sichx+2λ −µ = 4, alsox = 4−2λ + µ.

Ergebnis:Für c =−8 hat das gegebene LGS die Lösungen xyz

=

400

+ λ

−210

+ µ

101

; λ ,µ ∈ R .♦

Zusammenfassung

Ein homogenesLGS hat stets die Lösungx = 0; es kann darüber hinaus Lösungen haben,die von einem oder mehreren freien Parametern abhängen (Beispiel5.4.10, 1.).

Ein inhomogenesLGS kann• unlösbar sein (Beispiel5.4.10, 2., im Fallc 6=−8),• eindeutig lösbar sein, oder• Lösungen haben, die von einem oder mehreren freien Parametern abhängen (Beispiel5.4.10, 2., im Fallc =−8).

89

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

5.4.6 Anwendung: Lineare Unabhängigkeit von Vektoren

Die Vektorenv(1), . . . ,v(n) des VektorraumsV wurden linear unabhängig genannt, wenn dieGleichung

λ1v(1) + · · ·+ λnv(n) = 0 (5.4.3)

nur die triviale Lösungλ1 = · · · = λn = 0 hat. Sei(b1, . . . ,bm) eine Basis vonV. Dannexistieren eindeutig bestimmte Koordinatenvektorenw(1), . . . ,w(n) ∈ Rn mit

v(i) =m

∑k=1

w(i)k bk

und die Vektorenv(1), . . . ,v(n) sind genau dann linear unabhängig, wenn ihre Koordinaten-Vektoren linear unabhängig sind.

O.B.d.A. können wir alsoV = Rm annehmen. Die Gleichung (5.4.3) lautet dann

v(1)1 λ1 + · · ·+ v(n)

1 λn = 0...

......

......

v(1)m λ1 + · · ·+ v(n)

m λn = 0,

(5.4.4)

das heißt, wir haben ein homogenes LGS für den Vektorλ .

Nach dem Gauß-Algorithmus erhalten wir als Bedingung für die eindeutige Auflösbarkeit,daß in jeder Spalte der Zeilenstufenform ein Pivot-Element steht.Dies ist nur möglich,wennn≤m gilt, d.h., wenn es mindestens soviel Gleichungen wie Unbekannte gibt.

Beispiel 5.4.11.Die Vektoren

v(1) =

032

, v(2) =

12−1

, v(3) =

−145

sind auf lineare Unabhängigkeit zu untersuchen.

Lösung.Das LGS (5.4.4) (mit n = m= 3) lautet

λ2 − λ3 = 03λ1 + 2λ2 + 4λ3 = 02λ1 − λ2 + 5λ3 = 0.

90

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5.5 Begriff und Darstellung linearer Abbildungen

Der Gauß-Algorithmus führt zu(wobei wir gleich die erste mit der dritten Zeile getauschthaben)

λ1 λ2 λ3

2 −1 53 2 40 1 −12 −1 50 7

2 −72

0 1 −12 −1 5

0 72 −7

2

0 0 0

·(−32)

·(−27)

Da die dritte Spalte kein Pivot-Element enthält, haben wir keine eindeutige Lösungλ undv(1), v(2) undv(3) sind linear abhängig.

5.5 Begriff und Darstellung linearer Abbildungen

5.5.1 Definitionen und Beispiele

Lineare Funktionen oder – wie man meist sagt – lineare Abbildungen zwischen Vektorräu-men sind besonders “handliche” Funktionen. Sie spielen auch für nichtlineare Funktionen(als lokale Approximationen) eine wichtige Rolle (siehe z.B. später die mehrdimensionaleDifferentialrechnung).

Definition 5.5.1. Es seienV undW Vektorräume. Eine AbbildungL : V→W heißtlinear,wenn:

(L1) L(v+w) = L(v)+L(w) für allev,w∈V,

(L2) L(λv) = λL(v) für alle λ ∈ R , v∈V.

Bemerkung 5.5.2.1. Vektoren (Ausnahme:n-Tupel) werden wir hier nicht mehr beson-ders kennzeichnen.

2. IstL : V→W eine lineare Abbildung, so gilt für beliebigev1, . . . ,vp∈V undλ1, . . . ,λp∈R :

L

(p

∑i=1

λivi

)=

p

∑i=1

λiL(vi) . (5.5.1)

91

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Durch lineare Abbildung werden also Linearkombination von Vektorenv1, . . . ,vp ∈V ab-gebildet auf die entsprechende Linearkombination der BildvektorenL(v1), . . . ,L(vp) ∈W.

x

WVv1

v2

L(x)

L(v1)L

L(v2)

Aus (L2) mit λ = 0 folgt insbesondereL(0) = 0, wobei links 0∈V und rechts 0∈W diejeweiligen Nullvektoren sind. ♦

Beispiel 5.5.3.

1. Die AbbildungL : R3→ R3 sei definiert durch

L((α1,α2,α3)) = (α1,α2,0) .

(Hier ist alsoV = W = R3.) Geometrisch beschreibtL die Projektion der Vektorenv = (v1,v2,v3) ∈ R3 aufdie vone1 unde2 aufgespannte Ebene durch den Null-punkt.

α3

α1 L(a)

α2

a

Wir zeigen, daß die AbbildungL linear ist. Es seiena = (a1,a2,a3) ∈R3, b = (b1,b2,b3) ∈R3 undλ ∈ R. Dann gilt

L(a+b) = L

a1 +b1

a2 +b2

a3 +b3

=

a1 +b1

a2 +b2

0

=

a1

a2

0

+

b1

b2

0

= L(a)+L(b) .

Damit ist (L1) nachgewiesen. Weiter gilt

L(λa) = L

λa1

λa2

λa3

=

λa1

λa2

0

= λ

a1

a2

0

= λL(a) ,

womit auch (L2) verifiziert ist.

2. Mit einem festen Vektora∈Rn, a 6= 0, definieren wir die AbbildungT : Rn→Rn durchT(v) = a+v (Translation uma). Es gilt z.B.

T(2v) = a+2v, aber 2T(v) = 2(a+v) = 2a+2v.

Also ist (L2) nicht erfüllt; die Translation ist keine lineare Abbildung. Dies folgt übrigensschon ausT(0) = a 6= 0. ♦

92

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5.5 Begriff und Darstellung linearer Abbildungen

5.5.2 Matrixdarstellung

Lineare Abbildungen lassen sich in einfacher Weise mittels Matrizen darstellen. Es seien

•V ein Vektorraum mit der Basisϕ = (v1, . . . ,vn),•W ein Vektorraum mit der Basisψ = (w1, . . . ,wm),• L : V→W eine lineare Abbildung

Für a∈V seia = (a1, . . . ,an) := [a]ϕ

der eindeutig bestimmte Koordinatenvektor vona bezüglich der Basisϕ = (v1, . . . ,vn),d.h., umgekehrt ist durch den Koordinatenvektora und der Basisϕ der Vektora wiederbestimmt:

a = (a1, . . . ,an)ϕ :=n

∑k=1

akvk . (5.5.2)

DaL linear ist, folgt (siehe (5.5.1))

L(a) =n

∑k=1

akL(vk) . (5.5.3)

Zur Beschreibung vonL werden also nur die BildvektorenL(v1), . . . ,L(vn) benötigt.Dieselassen sich ihrerseits mittels ihrer Koordinatenvektoren

λ(k) := [L(vk)]ψ

bezüglich der Basisψ = (w1, . . . ,wm) darstellen:

L(vk) =m

∑i=1

λ(k)i wi (k = 1, . . . ,n) . (5.5.4)

Aus (5.5.3) und (5.5.4) folgt

L(a) =n

∑k=1

ak

(m

∑i=1

λ(k)i wi

)=

m

∑i=1

(n

∑k=1

λ(k)i ak

)wi . (5.5.5)

Daher gilt:

Satz 5.5.4 (Darstellung linearer Abbildungen).Es seien V ein Vektorraum mit der Basisϕ = (v1, . . . ,vn) und W ein Vektorraum mit der Basisψ = (w1, . . . ,wm).

1. Ist L : V→W linear, dann gilt

∀a∈V : [L(a)]ψ = [L]ψ,ϕ · [a]ϕ (5.5.6)

93

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

mit derAbbildungsmatrix

[L]ψ,ϕ =

> ·· · >[L(v1)]ψ · · · [L(vn)]ψ⊥ ·· · ⊥

∈ Rm×n . (5.5.7)

2. Ist L∈ Rm×n und definiert man L: V→W durch

[L(a)]ψ = L · [a]ϕ für a∈V ,

so ist L linear und es gilt L= [L]ψ,ϕ .

Bemerkung 5.5.5.1. Gemäß (5.5.4) gilt: Die k-te Spalte der Matrix[L]ψ,ϕ ist der Koordi-natenvektor vonL(vk) bezüglich der Basisψ = (w1, . . . ,wm).Die Abbildungsmatrix hängtalso von den gewählten Basen ab!

2. Gemäß (5.5.5) und (5.5.6) gilt: Ist L : V→W eine lineare Abbildung, sinda∈V, b∈Wund

L = [L]ψ,ϕ , a = [a]ϕ , b = [b]ψ ,

so giltL(a) = b ⇐⇒ L a = b,

d.h.,dieAbbildungsgleichung L(a) = b ist äquivalent zu derMatrixgleichung La = b. ♦

Beispiel 5.5.6.1. Wir betrachten denR3 mit der Standardbasisε = (e1,e2,e3) und dielineare AbbildungL : R3→ R3, die definiert ist durch

L((α1,α2,α3)) = (α1,α2,0)

(vgl. Beispiel5.5.3, 1.)

a) Gesucht ist die Abbildungsmatrix[L]ε,ε vonL bezüglich der Basisε.

Lösung.Wir habenϕ = ψ = ε. Nach Bemerkung5.5.5sind die Spalten vonL1 die Vektoren

[L(e1)]ε = (1,0,0) , [L(e2)]ε = (0,1,0) , [L(e3)]ε = (0,0,0) .

Also gilt

[L]ε,ε =

1 0 00 1 00 0 0

.b) Gesucht ist nun die Abbildungsmatrix[L]ϕ,ϕ von L bezüglich der Basisϕ = (v1,v2,v3)mit

v1 = (1,1,0) , v2 = (0,−1,0) , v3 = (1,0,−2) .

94

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5.5 Begriff und Darstellung linearer Abbildungen

Lösung.Wir habenψ = ϕ. Gemäß Bemerkung5.5.5sind die Koordinatenvektoren[L(vk)]ψfür k = 1,2,3 zu ermitteln. Es gilt

L(v1) = (1,1,0)= v1 =⇒ [L(v1)]ψ = (1,0,0) ,L(v2) = (0,−1,0)= v2 =⇒ [L(v2)]ψ = (0,1,0) ,L(v3) = (1,0,0)= v1 +v2 =⇒ [L(v3)]ψ = (1,1,0) ,

wobei die Koordinatenvektoren vonL(v1) und L(v2) bezüglichϕ = ψ sofort abgelesenwerden können.[L(v3)]ψ kann durch Hinsehen oder auch durch Lösung des LGS

λ1v1 + λ2v2 + λ3v3 = (1,0,0)

ermittelt werden. Nach Bemerkung5.5.5ist

[L]ϕ,ϕ =

1 0 10 1 10 0 0

.Ist z.B.a=−2v1+3v2+v3 gegeben, so ist[a](v1,v2,v3) = (−2,3,1). Also ist nach Satz5.5.4

[L(a)]ϕ = [L]ϕ,ϕ · [a]ϕ =

1 0 10 1 10 0 0

−231

=

−140

und daher

L(a) =−v1 +4v2 .

2. In R2 mit der Standardbasisε = (e1,e2) betrachten wir die durch

Dα(x) :=(

cosα −sinα

sinα cosα

)︸ ︷︷ ︸

=[Dα ]ε,ε

(x1

x2

), x = (x1,x2) ∈ R2

definierte lineare AbbildungDα : R2→ R2. Hierbei istα ∈ R ein fester Parameter.

Die geometrische Bedeutung vonDα ergibt sich aus

Dα(e1) =(

cosα

sinα

),

Dα(e2) =(−sinα

cosα

)=(−cos(π

2 −α)sin(π

2 −α)

).

Dα beschreibt dieDrehung eines Vektorsx in R2 umden Winkelα; die Drehung erfolgt um den Nullpunktund fürϕ > 0 entgegendem Uhrzeigersinn.

Dα(x)

x

α

95

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

3. In R2 mit der Standardbasisε = (e1,e2) sei die lineare AbbildungS: R2→ R2 definiertdurch

S(x1,x2) = (x1,−x2) .

Offensichtlich beschreibtSdie Spiegelungder Vekto-ren inR2 bezüglich der Geraden durch den Nullpunktmit der Richtunge1. Es gilt

S(e1) = e1 und daher[S(e1)]ε = (1,0) ,S(e2) =−e2 und daher[S(e2)]ε = (0,−1) .

S(x)

x

Folglich ist

[S]ε,ε =(

1 00 −1

)die Abbildungsmatrix vonSbezüglichε. ♦

5.5.3 Komposition linearer Abbildungen

Wir kommen zur Matrixdarstellung der Komposition linearer Abbildungen. Gegeben seiendie VektorräumeU ,V,W mit den Basenυ = (u1, . . . ,u`), ϕ = (v1, . . . ,vm), ψ = (w1, . . . ,wn).Wir betrachten die KompositionM ◦N : U →W zweier linearer AbbildungenN : U → VundM : V→W.

Es seienN = [N]ϕ,υ undM = [N]ψ,ϕ die entsprechenden Matrixdarstellung vonN undMbezüglich den Basenυ , ϕ undψ.

Dann gilt

(M ◦N)(x) = M(N(x)) = M(N(`

∑k=1

xkuk)) =`

∑k=1

xkM(N(uk))

=`

∑k=1

xk ·M

(m

∑i=1

nikvi

)=

`

∑k=1

xk ·

(m

∑i=1

nikM(vi)

)

=`

∑k=1

xk

(m

∑i=1

nik

(n

∑j=1

mji w j

))=

n

∑j=1

(`

∑k=1

m

∑i=1

mji nikxk

)w j

für allex∈U , x = [x]υ .

Durch Interpretation des letzten Ausdruckes erhalten wir:

Satz 5.5.7.Die Abbildungsmatrix einer Komposition linearer Abbildungen ist das Produktder Abbildungsmatrizen:

[M ◦N]ψ,υ = [M]ψ,ϕ · [N]ϕ,υ .

96

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5.6 Rang von Matrizen und linearen Abbildungen

Beispiel 5.5.8.

Es seiSα : R2→ R2 die lineare Abbildung, die jedenVektor in R2 an der Geraden durch den Nullpunkt mitdem Richtungsvektorr mit ](r,e1) = α spiegelt. Ge-sucht ist die Abbildungsmatrix vonSα bezüglich derStandardbasisε = (e1,e2). α x

Sα(x)

Lösung.Die gesuchte SpiegelungSα ist eine Zusammensetzung einer DrehungD−α , derSpiegelungSund der RückdrehungDα , also

Sα = Dα ◦S◦D−α .

Mit Satz5.5.7sowie Beispiel5.5.6folgt

[Sα ]ε,ε = [Dα ]ε,ε [S]ε,ε [D−α ]ε,ε

=(

cosα −sinα

sinα cosα

)(1 00 −1

)(cos(−α) −sin(−α)sin(−α) cos(−α)

)=(

cosα −sinα

sinα cosα

)(cosα sinα

sinα −cosα

)=(

cos2α−sin2α 2cosα sinα

2cosα sinα sin2α−cos2α

)=(

cos2α sin2α

sin2α −cos2α

). ♦

5.6 Rang von Matrizen und linearen Abbildungen

5.6.1 Dimensionsformel, Rang einer Matrix

Es seien

•V ein Vektorraum mit der Basisϕ := (v, . . . ,v),•W ein Vektorraum mit der Basisψ := (w1, . . . ,wm),• L : V→W eine lineare Abbildung,• L = [L]ψ,ϕ ∈ Rm×n die Abbildungsmatrix vonL bezüglichϕ undψ,• ker(L) := {x∈V : L(x) = 0} derNullraum (oderKern ) vonL,• im(L) := {L(x) : x∈V} derWertevorrat (oder dasBild ) vonL.

Beispiel 5.6.1.SeiL : R2→ R2 mit L(x,y) = (x−y,y−x). Dann gilt

ker(L) = {(x,y) : L(x,y) = (0,0)}= {(x,x) : x∈ R}

und

im(L) = {(u,v) : ∃x,y mit (u,v) = L(x,y)}= {(x−y,y−x) : x,y∈ R}= {(x,−x) : x∈ R} . ♦

97

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Bemerkung 5.6.2.1. ker(L) ist ein Untervektorraum von V, d.h. ker(L) ⊆ V ist einVektorraum mit der vonV induzierten Addition und Multiplikation mit Skalaren.

2. im(L) ist ein Untervektorraum vonW. ♦

Satz 5.6.3.Für jede lineare Abbildung L: V→W gilt dieDimensionsformel

dimker(L)+dimim(L) = dimV . (5.6.1)

Bemerkung 5.6.4.Der Nullraum ker(L) ist der Lösungsraum der homogenen GleichungL(x) = 0; seine Dimension dimker(L) gibt also die Anzahl der linear unabhängigen Lösun-gen vonL(x) = 0 an. ♦

Es giltL ist injektiv ⇐⇒ [L(x′) = L(x′′)⇒ x′ = x′′] .

DaL linear ist, gilt nun weiter

L(x′) = L(x′′) ⇐⇒ L(x′)−L(x′′) = 0 ⇐⇒ L(x′−x′′) = 0.

Mit x := x′−x′′ hat man also

L ist injektiv ⇐⇒ [L(x) = 0⇒ x = 0] ⇐⇒ ker(L) = {0}⇐⇒ dimker(L) = 0. (5.6.2)

Wir kommen zu einer Charakterisierung von dimim(L).

Satz 5.6.5.Für jede lineare Abbildung L: V→W und ihre Abbildungsmatrix[L]ψ,ϕ gilt

dimim(L) = Anzahl der linear unabhängigen Spaltenvektoren von[L]ψ,ϕ= Anzahl der linear unabhängigen Zeilenvektoren von[L]ψ,ϕ . (5.6.3)

Beweis.Nach Bemerkung5.5.5 ist die k-te Spalte von[L]ψ,ϕ der Koordinatenvektor vonL(vk) bez. der Basisψ = (w1, . . . ,wm) vonW. Da der Teilraum im(L) von L(v1), . . . ,L(vn)aufgespannt wird, folgt hiermit das erste Gleichheitszeichen in (5.6.3). Auf die Verifikationdes zweiten Gleichheitszeichens verzichten wir.

Definition 5.6.6. Sei A ∈ Rm×n. Die gemeinsame Anzahl linear unabhängiger Spalten-bzw. Zeilenvektoren vonA heißtRang der Matrix A und wird mit rang(A) bezeichnet.♦

Bemerkung 5.6.7.Der Rang von[L]ψ,ϕ ist unabhängig von der konkreten Wahl der Ba-sen. ♦

98

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5.6 Rang von Matrizen und linearen Abbildungen

Daher können wir definieren:

Definition 5.6.8. Der Rang von[L]ψ,ϕ heißt auchRang der Abbildung L,

rang(L) := rang([L]ψ,ϕ) . ♦

Bemerkung 5.6.9.Nach (5.6.3) gilt also

dimim(L) = rang(L) . (5.6.4)♦

Da elementare Zeilenumformungen einer Matrix die Anzahl der linear unabhängigen Zei-lenvektoren nicht ändern, gilt:

Satz 5.6.10.Die Matrix A sei durch EZU in die MatrixA in Zeilenstufenform überführt.Dann gilt

rang(A) = rang(A) = Anzahl der von0 verschiedenen Zeilen vonA. (5.6.5)

Mit (5.6.5) hat man einVerfahren zur Rangbestimmung.

Beispiel 5.6.11.Für die unten gegebene MatrixA erhält man

A =

−1 0 −33 2 52 1 4

EZU−→

−1 0 −30 2 −40 0 0

= A.

Somit ist rang(A) = rang(A) = 2. Die Matrix A enthält also nur zwei linear unabhängigeSpaltenvektoren und nur zwei linear unabhängige Zeilenvektoren. ♦

5.6.2 Die Umkehrabbildung

Es seien

•V ein Vektorraum mit der Basisϕ,•W ein Vektorraum mit der Basisψ,• L : V→W eine lineare Abbildung

und es geltedimV = dimW = n. (5.6.6)

Ziel ist es, die Existenz der UmkehrabbildungL−1 : W→V zu sichern. Dazu benötigen wirdie Bijektivität vonL.

99

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Satz 5.6.12.Die Abbildung L ist genau dann injektiv, wenn sie surjektiv ist.

Beweis.Es gilt

L injektiv(5.6.2)⇐⇒ dimker(L) = 0

(5.6.1)⇐⇒ dimim(L) = dimV(5.6.6)⇐⇒ dimim(L) = dimW ⇐⇒ L surjektiv.

Satz 5.6.13.Die Abbildung L ist genau dann injektiv, wenn sie vollen Rangrang(L) = nbesitzt.

Beweis.Wegen dimim(L) = rang(L) und (5.6.6) gilt

L injektiv ⇐⇒ dimim(L) = dimV ⇐⇒ rang(L) = n.

Damit erhalten wir:

Satz 5.6.14 (Umkehrabbildung).Ist dimV = dimW = n, so sind für die lineare AbbildungL : V→W und ihre Abbildungsmatrix[L]ψ,ϕ ∈Rn×n bezüglich den Basenϕ, ψ von V bzw.W die folgenden Aussagen äquivalent:

L ist injektiv. L ist surjektiv. rang(L) = n.[L]ψ,ϕ ist invertierbar. det[L]ψ,ϕ 6= 0. rang([L]ψ,ϕ) = n.

Gilt eine und somit jede dieser Aussagen, dann existiert die Umkehrabbildung L−1 : W→Vvon L, sie ist linear und bijektiv, und es gilt

[L−1]ϕ,ψ =([L]ψ,ϕ

)−1,

d.h., die Abbildungsmatrix der Umkehrabbildung L−1 ist die inverse Matrix der Abbil-dungsmatrix von L.

Beispiel 5.6.15.Die lineare AbbildungDα beschreibt die Drehung der Vektoren inR2 umden Winkelα (Beispiel5.5.6). Die Abbildungsmatrix

[Dα ]ε,ε =(

cosα −sinα

sinα cosα

)bezüglich der Standardbasisε = (e1,e2) ist ist invertierbar und es gilt (nachrechnen!)

[Dα ]−1ε,ε =

(cosα sinα

−sinα cosα

)=(

cos(−α) −sin(−α)sin(−α) cos(−α)

)= [D−α ]ε,ε .

Nach Satz5.6.14istD−1

α = D−α ,

d.h.,D−1α beschreibt (erwartungsgemäß) die Drehung um den Winkel−α. ♦

100

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5.6 Rang von Matrizen und linearen Abbildungen

5.6.3 Lösbarkeit linearer Gleichungssysteme

Wir betrachten das LGSAx = b (5.6.7)

und das zugehörige homogene LGS

Ax = 0. (5.6.8)

Hierbei seienA∈ Rm×n undb∈ Rm gegeben. Neben der KoeffizientenmatrixA benötigenwir die erweiterte Koeffizientenmatrix(A|b) ∈ Rm×(n+1).

Der folgende Satz präzisiert die Aussagen in Abschnitt5.4.5zur Lösung eines LGS.

Satz 5.6.16.1. (Lösbarkeitskriterium) Das inhomogene LGS(5.6.7) ist genau dann lös-bar, wenn

rang(A|b) = rang(A) . (5.6.9)

2. (Lösungsdarstellung)Es gelte(5.6.9) und es sei xs ∈ Rn eine spezielle Lösung von(5.6.7). Dann gibt es zu jeder Lösung x∈ Rn von (5.6.7) eine Lösung xh ∈ Rn von (5.6.8),so daß gilt

x = xs+xh . (5.6.10)

3. (Lösungsvielfalt)Die Anzahl der linear unabhängigen Lösungen von(5.6.8) ist

p := n− rang(A) .

Die allgemeine Lösung von(5.6.7) enthält also p frei wählbare Parameter.

Beweis.Wir versehenRn undRm mit den Standardbasenεn = (e1, . . . ,en), εm = (e1, . . . ,em).Dann giltx = x = [x]εn undb = b = [b]εm für alle x ∈ Rn undb∈ Rm. Wir definieren dielineare AbbildungL : Rn→ Rm durchL(x) = Ax für allex∈ Rn. Dann gilt

Ax = b ⇐⇒ L(x) = b. (5.6.11)

1. Wegen (5.6.11) ist (5.6.7) genau dann lösbar, wennb∈ im(L). b∈ im(L) gilt genau dann,wennb Linearkombination aus Spaltenvektoren vonA ist, d.h., wenn rang(A|b) = rang(A).

2. Seix∈ Rn Lösung von (5.6.7) undxh := x−xs. Dann gilt

Axh = Ax−Axs = b−b = 0.

Also istxh Lösung von (5.6.8), und es istx = xs+xh.

3. Bezeichnetq die Anzahl der linear unabhängigen Lösungen von (5.6.8), so gilt:

q = dimker(L) = dimRn−dimim(L) = n− rang(A) = p.

101

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5 Matrizen, Determinanten, lineare Abbildungen

Hierbei gilt das erste Gleichheitszeichen wegen (5.6.11) mit b = 0, das zweite nach derDimensionsformel (5.6.1) und das dritte nach (5.6.4).

Es seienx(1)h , . . . ,x(p)

h linear unabhängige Lösungen von (5.6.8). Dann ist

xh :=p

∑i=1

λix(i)h , wobeiλ1, . . . ,λp ∈ R beliebig,

die allgemeine Lösung von (5.6.8); d.h., jedeLösung von (5.6.8) läßt sich mit geeignetenParameterwertenλ1, . . . ,λp so darstellen. Wegen (5.6.10) ist daher

x = xs+p

∑i=1

λix(i)h , wobeiλ1, . . . ,λp ∈ R beliebig,

die allgemeine Lösung von (5.6.7).

Bemerkung 5.6.17.Die Rangbedingung (5.6.9) ist eine präzisierte Form der Lösbarkeits-bedingung (5.4.2) im Gauß-Algorithmus. ♦

Beispiel 5.6.18.Wir erläutern den Satz an dem LGSAx = b von Beispiel5.4.10, 2. Dorthatten wir folgendes erhalten:

x y z 11 2 −1 4−2 −4 2 c

4 2 −1 40 0 0 8+c

·2←

Es gilt rang(A) = 1 und rang((A|b)) = 1 für c = −8, rang((A|b)) = 2 für c 6= −8. Fürc =−8 gibt es damit 2 linear unabhängige Lösungen. ♦

102