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129 7 Active-Sourcing – proaktive Kandidatensuche und -gewinnung Von Christian Gimbel und Kai Deininger Management Summary Veränderungen auf den Kandidatenmärkten und neue Wege der proaktiven Personalbeschaffung beschäftigen derzeit viele mittelständische Personaler. Als möglicher Ausweg wird häufig der Begriff Active-Sourcing als Lösung für vielerlei Probleme genannt und diskutiert. Im Mittelpunkt dieser Talentstrate- gie stehen die aktive Identifikation, persönliche Ansprache sowie der Aufbau einer dauerhaften Beziehung zu potentiellen Bewerbern. Der vorliegende Artikel bringt Ihnen anschaulich die Möglichkeiten und Gren- zen dieser neuen Strategie näher. Zunächst widmen wir uns hierzu dem ge- nerellen Umgang mit verschiedenen Bewerbermärkten und den individuellen Verhaltensweisen von Kandidaten auf selbigen. Durch die Benennung von Erfolgsfaktoren erhalten Sie eine konkrete Übersicht der notwendigen Ressourcen und Investitionen, welche für den erfolgreichen Aufbau einer eigenen Active-Sourcing Strategie vonnöten sind. Im praktisch orientierten Hauptteil des Artikels skizzieren wir einen beispiel- haften Sourcing Prozess, der Ihnen in detaillier Form die einzelnen Phasen aufzeigt. Wir haben uns hierbei auf die aktive Ansprache von potentiellen Ta- lenten konzentriert, da hierbei die größten Potentiale für die Gewinnung von neuen Kandidaten bestehen. 7.1 Die Ausgangssituation Der Mittelstand sieht sich derzeit mit tiefgreifenden Veränderungen in der Rekru- tierung konfrontiert. Oftmals wird in diesem Zusammenhang die Begrifflichkeit des Fachkräftemangels herangeführt. Zur Beruhigung sollte man anmerken, dass dieser Mangel in Teilen des Mittelstandes aufgrund von konjunktureller Unsicherheit und der noch nicht vollständig überstandenen Eurokrise derzeit noch nicht akut ist. Dennoch geht man davon aus, dass aus Rekrutierungssicht bereits jetzt Vorkeh- rungen für eine Belebung der Konjunktur getroffen werden müssen, um zum gege- benen Zeitpunkt auf eine ausreichende Anzahl potentieller Kandidaten für ausste-

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7 Active-Sourcing – proaktive Kandidatensuche und -gewinnung

Von Christian Gimbel und Kai Deininger

Management Summary

Veränderungen auf den Kandidatenmärkten und neue Wege der proaktiven Personalbeschaffung beschäftigen derzeit viele mittelständische Personaler. Als möglicher Ausweg wird häufig der Begriff Active-Sourcing als Lösung für vielerlei Probleme genannt und diskutiert. Im Mittelpunkt dieser Talentstrate-gie stehen die aktive Identifikation, persönliche Ansprache sowie der Aufbau einer dauerhaften Beziehung zu potentiellen Bewerbern. Der vorliegende Artikel bringt Ihnen anschaulich die Möglichkeiten und Gren-zen dieser neuen Strategie näher. Zunächst widmen wir uns hierzu dem ge-nerellen Umgang mit verschiedenen Bewerbermärkten und den individuellen Verhaltensweisen von Kandidaten auf selbigen. Durch die Benennung von Erfolgsfaktoren erhalten Sie eine konkrete Übersicht der notwendigen Ressourcen und Investitionen, welche für den erfolgreichen Aufbau einer eigenen Active-Sourcing Strategie vonnöten sind. Im praktisch orientierten Hauptteil des Artikels skizzieren wir einen beispiel-haften Sourcing Prozess, der Ihnen in detaillier Form die einzelnen Phasen aufzeigt. Wir haben uns hierbei auf die aktive Ansprache von potentiellen Ta-lenten konzentriert, da hierbei die größten Potentiale für die Gewinnung von neuen Kandidaten bestehen.

7.1 Die Ausgangssituation

Der Mittelstand sieht sich derzeit mit tiefgreifenden Veränderungen in der Rekru-tierung konfrontiert. Oftmals wird in diesem Zusammenhang die Begrifflichkeit des Fachkräftemangels herangeführt. Zur Beruhigung sollte man anmerken, dass dieser Mangel in Teilen des Mittelstandes aufgrund von konjunktureller Unsicherheit und der noch nicht vollständig überstandenen Eurokrise derzeit noch nicht akut ist. Dennoch geht man davon aus, dass aus Rekrutierungssicht bereits jetzt Vorkeh-rungen für eine Belebung der Konjunktur getroffen werden müssen, um zum gege-benen Zeitpunkt auf eine ausreichende Anzahl potentieller Kandidaten für ausste-

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hende Vakanzen zurückgreifen zu können. Die globale Betrachtung des gesamten Mittelstandes täuscht hier über Probleme in bestimmten Berufsbildern, Branchen und Regionen hinweg. Vor allem in den Branchen Maschinenbau und IT bestehen seitens der Unternehmen große Schwierigkeiten und Vakanzen können mitunter nur sehr schwer besetzt werden, was im Ergebnis zu Umsatzeinbußen führt.

Die Haupttreiber für eine zukünftige Verschärfung der Situation sind Auswirkun-gen des demografischen Wandels:

▪ Bevölkerungsentwicklung ▪ Sinkende Anzahl von Hochschulabgängern in relevanten Qualifikationsgebie-

ten

Für mittelständische Unternehmen stellt sich nun die Frage, wie man frühzeitig auf kommende Engpässe reagieren kann, um auch zukünftig Kandidaten für zu besetzende Positionen finden zu können. In diesem Zusammenhang kämpfen Un-ternehmen der KMU nicht nur gegen einen generellen Trend des Arbeitsmarktes, sondern befinden sich gleichfalls im direkten Wettbewerb mit großen Konzernen, welche durch millionenschwere Marketingkampagnen und hohe Löhne Arbeitneh-mer für sich begeistern können.

Personalverantwortliche sind sich bewusst, dass ein Umdenken aus Rekrutierungs-sicht notwendig ist. Vielfach sehen Sie sich aber weiterhin in alten Prozessfolgen gefangen, was dazu führt, dass anstatt eines Überdenkens der klassischen Wege weiterhin Geld vor allem in Stellenanzeigen investiert wird. Um sich den Herausfor-derungen der Zukunft zu stellen gilt es daher die Rolle der Recruiter zu verändern bzw. zu erweitern, Prozesse anzupassen, nachhaltige Kontakte mit Talenten zu entwickeln nicht zuletzt die Messung von Erfolgskriterien auf den Prüfstand zu stellen. Active-Sourcing kann zu allen dieser Punkten einen wichtigen Beitrag leis-ten.

7.2 Aktiver und passiver Kandidatenmarkt

Oftmals verfügen mittelständische Unternehmen bereits über ein sehr großes Netzwerk und einen hervorragenden Ruf – sowohl national als auch international. Auf den Umgang mit dem aktiven Kandidatenmarkt, also solcherlei Personen, die sich aktiv auf offene Vakanzen bewerben, sind die Firmen entsprechend gut vor-bereitet und verfügen über angepasste Prozessschritte.

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7Aktiver und passiver Kandidatenmarkt

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Im Hinblick auf sinkende Bewerberzahlen und einen steigenden Wettbewerb um Fachkräfte kann man sich allerdings nicht mehr ausschließlich auf bisherige Rekru-tierungswege verlassen. Eine frühzeitige Investition in die Erschließung weiterer Bewerberpotentiale aus dem passiven Kandidatenmarkt ist daher vonnöten. Eine Umfrage des Business Netzwerks LinkedIn in 2011 hat ergeben, dass nahezu 80% der Arbeitnehmer dem passiven Kandidatenmarkt zuzuordnen sind. Im Gegensatz zu aktiv nach einer neuen Herausforderung suchenden Personen beinhaltet der passive Kandidatenmarkt solcherlei Arbeitnehmer, die latent auf der Suche nach einer neuen Herausforderung sind, aber nicht selbstständig nach einer neuen Ar-beitsstelle suchen.

Der passive Kandidatenmarkt teilt sich in drei Schwerpunktbereiche ein, die sich durch unterschiedliche Verhaltensweisen der Kandidaten auszeichnen. Für eine Rekrutierungsstrategie von tragender Bedeutung sind hierbei die von Lou Adler definierten Gruppen „Tiptoer“ und „Explorer“ (Adler, 2011), die einer neuen be-ruflichen Herausforderung prinzipiell offen gegenüber stehen, wenn diese den persönlichen Wechselmotiven entspricht. Die nachfolgende Grafik erläutert die einzelnen Gruppen und deren grundsätzliche Verhaltensweisen.

Abb. 1: Aktiver und passiver Kandidatenmarkt: Ergebnisse basierend auf einer LinkedIn Stu-die aus dem Jahr 2011. Die Begriffe „Tiptoer“, „Explorer“, und „Super Passive“ basieren auf Lou Adler‘s Early-bird Sourcing Strategy © 2010

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Active-Sourcing – proaktive Kandidatensuche und -gewinnung

Active-Sourcing bedeutet nicht die Abkehr von klassischen Rekrutierungsmaßnah-men, welche nach wie vor genutzt werden. Vielmehr bedeutet es eine weitere Op-tion, um den passiven Kandidatenmarkt, der über die klassischen Rekrutierungsstra-tegien kaum erreichbar ist, für die Suche nach geeigneten Fachkräften zu aktivieren.

Die Studie „Recruiting Trends im Mittelstand 2013“ beschreibt die Thematik Active-Sourcing als eine wichtige Herausforderung in der Personalbeschaffung. Bereits heute nutzen 9,2% der befragten mittelständischen Unternehmen das Netzwerk XING, um aktiv nach Talenten zu suchen, die sich aktiv nicht mehr auf die ausge-schriebenen Vakanzen bewerben. Die Bedeutung wird in Zukunft weiter wach-sen, da eine steigende Anzahl von Unternehmen durch Active-Sourcing Methoden frühzeitig in Kontakt mit potenziellen Kandidaten tritt. Für Unternehmen, welche keine entsprechenden Bemühungen unternehmen, verknappt sich die Bewerbe-ranzahl hierdurch zusätzlich, da nur solche Kandidaten sich aktiv bewerben, die nicht bereits aktiv angesprochen wurden.

7.3 Quellen für Active-Sourcing Aktivitäten

Active-Sourcing ist eine viel diskutierte Talentstrategie, welche auf einer proakti-ven Ansprache von Kandidaten beruht und das Ziel verfolgt, Talente in geeigneter Form an das eigene Unternehmen zu binden. Die möglichen Sourcingquellen sind vielfältig

Business-Netzworking-Plattformen (XING, LinkedIn) Obgleich das rasante Wachstum dieser Plattformen ein wenig eingebremst wurde, verfügen sie über Millionen potentielle Ansprechpartner und sollten daher in kei-ner Rekrutierungsstrategie fehlen. An den Active Sourcer stellen sie besondere Anforderungen, da auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, ob der Kandidat aktiv auf der Suche nach einer neuen Herausforderung ist oder lediglich zu Netzwerk-zwecken auf der Plattform aktiv ist.

Lebenslaufdatenbanken (Monster, Stepstone) Die bekannten Player am Markt sind seit Jahren etabliert, sehen sich aufgrund der erstarkten Business Netzwerke aber zunehmend unter Druck im Hinblick auf sin-kende Mitgliederzahlen und Überalterung des Datenbestandes. Dennoch sind die Karriereplattformen noch immer für Active Sourcer interessant, bieten Sie doch ei-nen Zugriff auf Personen, die aktiv auf der Suche nach neuen Herausforderungen sind. Anbieter dieses Segments können als Generalpartner angesehen werden, da sie Kandidaten aller Bereiche enthalten.

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7Erfolgsfaktoren

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Karrieredienste (Experteer, Placement24) Dienste in diesem Segment ähneln sehr stark den Lebenslaufdatenbanken, unter-scheiden sich jedoch in ihrer ursprünglichen Form deutlich von ihnen, da sie sich auf einen bestimmten Bereich höherqualifizierter Personen beschränken. Anfangs waren entsprechende Plattformen ausschließlich Personalberatungen vorbehal-ten, bieten mittlerweile ihre Dienstleistungen aber auch Firmen an.

Internet-/Google-Recherche Das Internet ist eine weitere Quelle für die Recherche nach qualifizierten Kandida-ten. Für den Einstieg in die Welt des Active-Sourcing ist sie allerdings weniger ge-eignet, da sie tiefer greifende Recherchekenntnisse voraussetzt und die einzelnen Seiten keine einheitliche Struktur aufweisen.

Blogs, Communities, Special-Interest-Foren und weitere Kanäle. Sie können für die Ansprache von Kandidaten genutzt werden, die sich häufig in spezfischen Foren oder anderen Interessensseiten des Internets bewegen. Wenn Sie die spe-zifischen Interessen einer bestimmten Gruppe identifizieren können, besteht hier ein weiterer Ansatzpunkt für eine Kommunikation. Aufgrund der Nutzung von Pseudonymen ist eine Kontaktaufnahme mitunter schwierig, sodass dieser Weg nicht für einen Einstieg in die Thematik Active-Sourcing darstellt.

Talentpool bzw. interne Datenbank Im Idealfall verfügt das Unternehmen bereits über eine Datenbank von Personen, welche durch Bewerbungsprozesse, Messen oder ähnliches bereits mit dem Unter-nehmen in Kontakt kamen. Talentpooling ist ein zentrales Ziel des Active-Sourcing.

7.4 Erfolgsfaktoren

▪ Die Vorteile einer aktiven Sourcingstrategie liegen auf der Hand ▪ Aktualität der Kandidateninformationen ▪ Erschließung des passiven und aktiven Bewerbermarktes ▪ Nutzung von Netzwerken bzw. Verbindungen ▪ Zugriff auf tiefergehende Kandidateninformationen (bereits vor einem persön-

lichen Gespräch oder einer Bewerbung) ▪ Geringe Zutrittsbarrieren ▪ Kostenreduktion (bspw. weniger Aufwand für Stellenanzeigen) ▪ Größere Transparenz des Recruitingprozesses ▪ Nachhaltige Bindung von Talenten

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Active-Sourcing – proaktive Kandidatensuche und -gewinnung

Die operative Umsetzung des Active-Sourcing ist kein Selbstläufer und verlangt Investitionen in verschiedenen Bereichen. Folgende Schwerpunkte müssen hierbei beachtet werden.

7.4.1 Budget

Obgleich die Eintrittshürden als relativ gering bezeichnet werden können, benö-tigt man für eine effektive Umsetzung ein gewisses Budget für Setup, Betrieb und die Etablierung von Wissen in Bezug auf die Nutzung der jeweiligen Quelle. Durch den gezielten Einsatz von Active-Sourcing können Ausgaben für Personalberater eingespart werden, da man nicht mehr ausschließlich auf deren über Jahre ge-wachsene Netzwerke angewiesen ist.

Von den Anbietern (z. B. LinkedIn) werden oft günstige Einstiegspakete angebo-ten, welche in ihrer Funktionalität im Gegensatz zu Premiumzugängen deutliche Einschränkungen aufweisen. Beispiele für Einschränkungen reichen von verminder-ten Recherche- bzw. Kontaktierungsmöglichkeiten, beschränkten Ansichtsoptio-nen (z. B. kein Kandidatenname) bis hin zur Verlagerung von Rekrutierungskosten auf Kandidatenseite. Allen Maßnahmen gemeinsam ist, dass sie Benutzbarkeit und Effizienz der jeweiligen Plattform deutlich einschränken. Vielfach ist daher eine effiziente Nutzung nur mit teureren Zugängen möglich, jedoch bieten sie oftmals eine günstige Einstiegsmöglichkeit, um erste Gehversuche in der Welt des Active-Sourcing zu unternehmen.

7.4.2 Manpower und Kompetenzen

Für die Recherche von Talenten und die Betreuung der einzelnen Plattformen werden spezielle Recruiting-Mitarbeiter benötigt, die sich idealerweise vollum-fänglich dem Thema Active-Sourcing widmen. Eine Betreuung dieses Themas durch Personal, welches bereits durch andere Aufgaben stark eingebunden ist, hat sich in der Praxis nicht als zielführend erwiesen, da oft die mit der Active-Sourcing-Tä-tigkeit verbundene Kommunikationsarbeit unterschätzt wird. Die Anforderungen an einen Active-Sourcer lassen sich hierbei prinzipiell in zwei Schwerpunktbereiche gliedern, die fachliche und die persönliche Qualifikation.

Fachliche Qualifikationen Grundsätzlich ist die Kenntnis unterschiedlichster Suchstrategien, Herangehens-weisen und Quellen (vor allem im Web 2.0) die Basis einer jeden Active-Sourcing-Strategie. Aufgrund der Vielzahl von Quellen und sich häufig verändernden Rah-

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7Erfolgsfaktoren

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menbedingungen muss dieses Wissen ständig erweitert und auf aktuellem Stand gehalten werden.

Das Know-how über wirtschaftliche Zusammenhänge, Hierarchieebenen und grundsätzliche Positionsinhalte ist essentiell. Nur so können Vakanzen ganzheit-lich verstanden werden und die Anforderungen der Position in zielführende Such-anfragen umgesetzt werden.

Neben solcherlei Methoden- und Fachkenntnis verfügen Active-Sourcer zusätzlich über umfangreiche Kenntnisse in der Beurteilung von Kandidatenprofilen im Hin-blick auf die Eignung für die ausgeschriebene Vakanz.

Persönliche Kompetenzen Persönlich zeichnen sich erfolgreiche Active-Sourcer durch eine ausgeprägte Kom-munikationsfähigkeit (sowohl gegenüber Kandidaten als auch internen Ansprech-partnern bzw. Abteilungen), Kontaktfreude, Neugierde und nicht zuletzt Beharr-lichkeit aus. Eine generelle Affinität zu Internet und speziell sozialen Netzwerken sollte vorhanden sein.

7.4.3 Guidelines

Trotz einfacher Nutzung der Portale sind spezifische Abläufe und eine Definition der beteiligten Rollen bzw. Akteure sowie deren Zusammenspiel notwendig, um eine differenzierte und durchgängige Betreuung des Kandidaten zu gewährleis-ten. Idealerweise sind diese für Active-Sourcing gültigen Verfahrensweisen mit denen anderer Rekrutierungswegen verzahnt, um eine sinnvolle Ergänzung darzu-stellen. Einheitliche Kommunikationsinhalte, gleichzeitiger Start mit anderweitigen Rekrutierungsbemühungen und eine einheitliche Präsentation der Arbeitgeber-marke auf allen Kanälen sorgen in diesem Zusammenhang für eine zielgerichtete Vorgehensweise.

Kandidaten, die über Active-Sourcing gewonnen wurden, setzen einen besonde-ren Umgang voraus, da sie aktiv vom Unternehmen auf eine Vakanz angesprochen wurden und hierdurch bereits eine gesteigerte Erwartungshaltung bezüglich der weiteren Betreuung im Bewerbungsprozess geweckt wurde. Eine gute Betreuung setzt voraus, dass alle Akteure (vom Recruiter bis hin zur Fachabteilung) mit die-sem Rekrutierungsweg umzugehen wissen.

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7.4.4 Technologie

Ein spezielles IT-System unterstützt den Prozess der Suche, um unnötige Mehrar-beit und Missverständnisse zwischen den Beteiligten zu verhindern. Solche Sys-teme werden häufig unter der Bezeichnung Applicant-Traking-System (ATS) zu-sammengefasst. Geeignete Systeme erfüllen hierbei folgende Anforderungen.

Effizientes Projektmanagement für den Gesamtprozess Einzelne Vakanzen werden hierdurch zielgerichtet bearbeitet und zu jeder Zeit ist der aktuelle Projektstatus und die daran beteiligten Personen übersichtlich darge-stellt.

Umfangreiche Kandidatenverwaltung Neben den Stammdaten eines Kandidaten und seinen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse etc.) wird auch die gesamte Kommunikation zentral abgelegt. Metada-ten, die bei der Erfassung eingetragen werden, dienen als wertvolle Information für zukünftige Projekte.

Suchfunktion Für eine zielgerichtete Suche im System nach Kandidaten, mit denen man bereits in Kontakt war, ist eine leistungsfähige Suchfunktion wichtig.

Gesicherte Datenhaltung Die persönlichen Daten und Unterlagen von Kandidaten unterliegen aus daten-schutzrechtlicher Sicht einem hohen Schutzinteresse, welches durch adäquate Schutzmechanismen gewährleistet sein muss.

Automatisierung von Standardvorgängen Manuelle Tätigkeiten können in geeigneter Weise durch das System automatisiert werden und entlasten die Mitarbeiter. Beispiele hierfür sind

▪ Nutzung von Vorlagen für den Versand von E-Mails ▪ Erstellung von Reports und Statistiken ▪ automatische Erfassung von Kandidatenunterlagen

Integration in bestehende IT-Landschaft Im Personalbereich sind oftmals bereits umfassende IT-Systeme in Verwendung. Eine Integration verhindert die Schaffung von Insellösungen. Hierzu sollte die Lö-sung Schnittstellen anbieten, mindestens dem Nutzer aber den strukturierten Im-port- und Export von Daten ermöglichen.

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7Erfolgsfaktoren

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7.4.5 Zeit

Vielfach dauert es eine lange Zeit, bis neue Rekrutierungswege vollständig etab-liert sind und erste Erfolge damit verbucht werden können. Active-Sourcing bie-tet den Vorteil, dass Stück für Stück an einer ganzheitlichen Strategie gearbeitet werden kann. Für den Active Sourcer besteht so die Möglichkeit zunächst mit ei-nigen wenigen Quellen zu starten und diese nach und nach zu erweitern. Erste Erfolge können so bereits nach kurzer Zeit mit einzelnen Suchprojekten realisiert werden. Der Aufbau eines Talentpools stellt im Bezug auf den Zeithorizont stellt eine langjährige Herausforderung dar.

Der Aufbau und die Pflege von Active-Sourcing-Quellen und allen voran die Betreu-ung der Kontakte benötigt allerdings ein nicht zu vernachlässigendes Zeitbudget. Obgleich die Wege zum Kandidaten zunächst kurz erscheinen, muss dieser un-ter Umständen auch im Nachgang einer Konversation weiterhin betreut werden. Active-Sourcing beruht auf der direkten Kommunikation zwischen Unternehmen und potentiellem Kandidaten. Im Gegensatz zu klassischen Stellenanzeigen und anderen Rekrutierungswegen verfügt der Kandidat somit über einen unmittelba-ren Zugang zu einem Ansprechpartner, um sich über den aktuellen Status zu in-formieren – auch über das eigentliche Rekrutierungsverfahren hinaus. Durch die Vernetzung in sozialen Netzwerken nimmt jeder Teilnehmer zusätzlich eine Multi-plikatorrolle an, kann also positive und negative Erfahrungen direkt weitergeben.

7.4.6 Erfolgskontrolle

Eine erfolgreiche Implementierung setzt neben den voran genannten Aspekten auch eine stetige Kontrolle und Überprüfung der genutzten Quellen und Tools voraus. Im Internet gibt es mittlerweile unzählige Rekrutierungsportale und An-bieter, welche Lösungen im Bereich Active-Sourcing anbieten – nicht alle sind als zielführend einzustufen, da es ihnen an Nutzern oder einem leichten Zugang zu potentiellen Kandidaten mangelt. Durch eine stete Kontrolle können so unnötige Investitionen vermieden werden. Beispiele für sinnvolle Untersuchungsgrößen sind

▪ Anzahl und Qualität der potentiellen Kandidaten ▪ Zielgruppenkonformität ▪ Kosten-Nutzen Verhältnis ▪ Kontaktierungsmöglichkeiten ▪ Beurteilung der Usability

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Active-Sourcing – proaktive Kandidatensuche und -gewinnung

7.4.7 Externer Support

Aufgrund der voran genannten Investitionen stellt sich für viele Unternehmen die Frage, ob eine Zusammenarbeit mit einem spezialisierten, externen Partner eben-falls einen zielführenden Weg darstellen kann. Die Unterstützung kann hierbei auf verschiedenen Ebenen erfolgen und reicht von der Erarbeitung einer Recrui-tingstrategie, Auswahl von IT-Systemen über das Training eigener Mitarbeiter bis hin zur Auslagerung großer Teile des Active-Sourcing Prozesses. Interne oder ex-terne Lösung – beide Wege bieten Vorteile.

Vorteile einer internen Lösung Vorteile einer externen Lösung

Volle Kontrolle über den gesamten Rekrutierungsprozess

Direkte Einstiegsmöglichkeit in die Thematik Active-Sourcing

Aufbau eines eigenen Talentpools / Netzwerkes, da auch Kandidaten weiter-verfolgt werden können, die ein generelles Interesse am Unternehmen haben

Kosteneffizienz, da kein Personal für den Sourcing Prozess eingestellt, qualifiziert und vorgehalten werden muss

Schaffung von internem Know-how Schnelligkeit durch abgestimmte Prozesse, IT Systeme und qualifiziertes Personal seitens des Dienstleisters

Konsistente Vermittlung von Unternehmenswerten

Zugriff auf ein breiteres Quellenspektrum

Keine „Zwischenstationen“, sondern direkter Kontakt zum potentiellen Arbeitgeber

Rückgriff auf den Talentpool des Dienst-leisters, den selbiger im eigenen Interesse stetig ausbaut

Erfahrung des Dienstleisters im Hinblick auf die Wahl der Quellen und Sourcing-Wege

Wenn Sie sich für die Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister entschie-den haben, ist es wichtig, dass Sie klare Schnittstellen definieren und für eine kon-sistente Weiterbetreuung des Kandidaten im eigenen Unternehmen garantieren. Vielfach sind die Prozesse im Unternehmen noch auf die ausschließliche Verarbei-tung von Bewerbungen ausgerichtet, was das Active-Sourcing behindern kann.

Um Ihnen die einzelnen Stufen des Active-Sourcing anschaulich näherzubringen, widmen wir uns im nächsten Abschnitt den einzelnen Prozessphasen, die sich in mehreren hundert Active-Sourcing Projekten bewährt haben.

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7Die prozessuale Umsetzung

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7.5 Die prozessuale Umsetzung

Im Nachfolgenden möchten wir Ihnen einen beispielhaften Active-Sourcing-Pro-zess skizzieren, der sich in diversen Projekten bewährt hat. Es ist hierbei uner-heblich, ob alle Rekrutierungsschritte von eigenen Mitarbeitern durchgeführt oder partiell von externen Dienstleistern übernommen werden.

7.5.1 Briefing

Zu Beginn einer jeden Suche steht ein dediziertes Briefing, um die wesentlichen Aspekte der Position und deren Rahmenbedingungen zu diskutieren. Idealer-weise nehmen an dieser Besprechung alle Beteiligten des Rekrutierungsprozesses teil (mindestens Active Sourcer, Personalmanager und Fachvorgesetzer), um un-terschiedliche Ansichten und Vorstellungen bereits im Vorfeld der Suche auszu-schließen.

7.5.2 Zusammenfassung der Gesprächsergebnisse

Alle wichtigen Aspekte werden anschließend in einem Dokument zusammenge-fasst, um die Basis der weiteren Arbeit zu bestimmen. Ziel ist es, eine übersicht-liche und konsistente Zusammenfassung der Vakanz und deren Anforderungen an geeignete Kandidaten zu bilden. Idealerweise werden solcherlei Zusammenfas-sungen immer nach einem einheitlichen Schema erstellt, sodass ein routinierter Umgang mit selbigen garantiert wird. In der Praxis hat es sich bewährt, eine listen-ähnliche Form für die Zusammenfassung zu wählen, da diese einen schnellen Über-blick und gleichzeitig eine bessere Platznutzung ermöglicht als eine Beschreibung im Fließtext. Als Hilfestellung für die Erstellung einer eigenen Zusammenfassung skizzieren wir Ihnen im Anhang dieses Artikels die einzelnen Schwerpunkte, die berücksichtigt werden sollten.

7.5.3 Auswahl geeigneter Kanäle

Um eine möglichst breite Kandidatenbasis erschließen zu können stehen für den Active-Sourcing Prozess verschiedenste Quellen zur Verfügung. Nicht alle Quellen sind für jede Vakanz relevant, sodass die Festlegung einer Suchstrategie späte-ren Mehraufwand bei der Suche sinnvoll vermeiden kann. Gleichzeitig kann durch eine zielgerichtete Auswahl von Rekrutierungswegen ebenfalls Budget gespart

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Active-Sourcing – proaktive Kandidatensuche und -gewinnung

werden, wenn exklusive, kostenpflichtige Experten-Netzwerke nicht gebucht werden müssen.

7.5.4 Recherche und Auswahl

Wurden die Quellen im vorherigen Prozessschritt ausgewählt, beginnt nun eine der wichtigsten Phasen im gesamten Prozess, da dieser alle nachfolgenden Schritte beeinflusst und mitunter unnötigen Mehraufwand nach sich zieht.

Der Rechercheprozess folgt den Phasen, die aus informationswissenschaftlicher Sicht für nahezu jede Recherche gelten.

▪ Vorbereitung Ausarbeitung der Suchstrategie; Definition der Suchbegriffe

▪ Recherche auf der Plattform Freitextsuche (Boolesche Operatoren verwenden); Selektion anhand von Kate-gorien; erste Sichtung der Ergebnisse; Auswahl von Kandidaten, die man kon-taktieren möchte; etc.

▪ Nacharbeit Sichtung und Auswertung, Speicherung zur späteren Verwendung

Achten Sie darauf, dass die Suchstrategie niemals ein starres Konstrukt ist. Nehmen Sie Informationen, die Sie in den Kandidatenprofilen finden als Anhaltspunkt für weitere Suchen. Die Kombination von Suchbegriffen bei der Suche nach neuen Talenten ist essentiell, da es bei der Anlage eines Profils bspw. in sozialen Netzwer-ken nur rudimentäre Vorschriften gibt und jede Person sich in einer individuellen Form präsentieren kann.

Wenn Sie bei einer Anfrage zu viele Treffer erhalten, können Sie durch die Kom-bination mit weiteren Suchbegriffen die Treffermenge begrenzen. Bedenken Sie hierbei aber, dass eine starke Einschränkung zu viele Kandidaten aus der Ergeb-nismenge ausschließen kann. Viele Personaler nehmen an, dass Personen Dinge nicht beherrschen, die im Profil fehlen – ein gravierender Trugschluss. Kandida-tenprofile, die über Active-Sourcing Quellen recherchiert wurden, sind niemals als vollständige Bewerbungsunterlagen für eine bestimmte Vakanz zu sehen, sondern markieren einen ersten Anhaltspunkt für die grundsätzliche Eignung eines Kandi-daten. Für eine tiefer gehende Beurteilung ist die Kontaktaufnahme unerlässlich.

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7Die prozessuale Umsetzung

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7.5.5 Ansprache

Die in der Recherchephase gewonnenen Profile werden in der anschließenden Pro-jektphase direkt kontaktiert, um deren Interesse an einer neuen Herausforderung bzw. den gegenwärtigen Status zu erfragen.

In sozialen Medien jedweder Form kann man in diesem Zusammenhang nicht gene-rell davon ausgehen, dass alle Informationen aktuell oder korrekt sind.

Für die Ansprache stehen, in Abhängigkeit zur Quelle und den dort enthaltenen Daten, unterschiedliche Kommunikationskanäle (u.  a. E-Mail, Mobilfunknummer etc.) zur Verfügung.

In jedem Fall gilt es bei der Ansprache eines jeden Kandidaten die Herkunft seines Profils zu beachten – Kandidaten in sozialen Netzwerken sind nicht unbedingt an einer neuen Herausforderung interessiert, Kandidaten in Lebenslaufdatenbanken hingegen schon. Mit einer geeigneten Ansprache gelingt es hier, auch wenn keine direkten Wechselambitionen vorhanden sind, nachhaltiges Interesse für das Unter-nehmen in der Zukunft zu wecken.

Eine beispielhafte Anfrage kann wie folgt aussehen:

Muster: Kandidatenanfrage

Sehr geehrter Herr Meier,für meinen Klienten – ein renommiertes, international agierendes Dienstleistungs-unternehmen mit ca. 300 Mitarbeitern – suche ich derzeit einen Leiter Personal (m/w) für die Zentrale in Düsseldorf. Als Generalist verantworten Sie die komplette Personalarbeit, die Sie gemeinsam mit Ihrem sechsköpfigen Team operativ wie strategisch weiterentwickeln.Als fachlich breit aufgestellter stv. Personalleiter in einem Dienstleistungsunternehmen passt Ihr Profil ausgezeichnet zu den Anforderungen meines Klienten. An einem ersten Kontakt bin ich sehr interessiert. Wann und wie kann ich Sie erreichen?Mit freundlichen Grüßen vom Main an die RuhrChristian [email protected]/2443221-21

Sofern der Kandidat Interesse an der ausgeschriebenen Vakanz zeigt, können be-reits in einem ersten telefonischen Gespräch wichtige Rahmenbedingungen und Anforderungen besprochen werden. Ein direkter Austausch gibt der jeweiligen

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Person das Gefühl ernst genommen zu werden und stärkt das Image des Arbeit-gebers bereits im ersten Gespräch.

Bei allen telefonischen Interviews wird in diesem Zusammenhang darauf geachtet, dass diese lediglich eine Brücke zum späteren Fachgespräch bilden. Zumeist ist der Recruiter nicht der spätere Fachvorgesetzte, sodass individuelle Anforderungen des selbigen nur unzureichend weitergegeben werden könnten. Daher dient das (mitunter kurze) Erstgespräch als Brücke zum späteren Vorstellungsgespräch mit Beteiligten der Fachabteilung und soll das Interesse des Kandidaten am weiteren Bewerbungsprozess wecken bzw. die grundsätzliche Eignung für die Position klä-ren. Vor allem geht es hier um den Aufbau einer wertschätzenden Beziehung zum Kandidaten. Diese Beziehung ist im Zweifel so fair und tragfähig zu gestalten, dass ein passiver Kandidat selbst ein zweites Mal angesprochen werden kann, ohne sich davon genervt zu fühlen. Nur so können langfristige Talentpools gedacht und aufgebaut werden.

7.5.6 Verarbeitung der Bewerbungsunterlagen

Im Idealfall zeigt der Kandidat sich interessiert an der Vakanz und möchte seine Bewerbungsunterlagen für eine Bewerbung zur Verfügung stellen. Das Übermitt-lungsverfahren ist hierbei optimalerweise an die Präferenzen von Kandidaten an-zupassen: Die große Mehrheit bevorzugt die einfache Übermittlung ihrer Unter-lagen via E-Mail (vgl. Bewerbungspraxis 2013). Da das Unternehmen aktiv auf den Kandidaten zugekommen ist, werden umständliche Bewerbungswege als negativ und wenig wertschätzend aufgefasst. Informieren Sie den Kandidaten bereits zu diesem Zeitpunkt, wie es nach der Übermittlung der Unterlagen weitergehen wird und wer seine Unterlagen erhält. Diese Transparenz sorgt für steigendes Vertrauen beim Kandidaten und zeugt von Professionalität.

7.5.7 Überleitung von Interessenten an einen Fachgesprächspartner

Stellen Sie im nächsten Schritt sicher, dass die Fachabteilung die Unterlagen zeit-nah erhält und bearbeitet. Sofern keine Rückmeldung erfolgt, ist der Active-Sour-cer angehalten, den Fortschritt weiter zu forcieren oder gegebenenfalls den Kan-didaten über eine Verzögerung zu informieren. Auch wenn Bewerbungsprozesse sich durch verschiedene Umstände verlängern können, treffen Sie so eine gewisse Vorsorge gegen eine Absage seitens des Kandidaten.

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7Die prozessuale Umsetzung

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7.5.8 Persönliches Interview, Einstellung oder Absage

Persönliche Vorstellungsgespräche werden meist direkt seitens des Fachbereichs durchgeführt.

Durch den vorangegangenen Prozess ist dem Kandidaten die Vakanz bereits grund-legend erläutert worden. Hierdurch können die Gespräche deutlich differenzierter und zielgerichteter geführt werden, da der Kandidat sich besser darauf vorbereiten konnte. Wichtig ist, dass die Informationen im Interview sich mit den im Vorge-spräch seitens des Active-Sourcers genannten Details decken (siehe Briefing weiter oben). Für den Kandidaten ist es wenig verständlich, wenn seitens der Fachab-teilung überraschend andere Anforderungen oder Rahmenbedingungen genannt werden. Das Ergebnis des Interviews wird dem Active-Sourcer unmittelbar im An-schluss übermittelt, damit dieser stets über den aktuellen Status informiert ist.

7.5.9 Talentpooling und nachhaltige Betreuung

Active-Sourcing bedeutet neben der direkten Suche nach Talenten auch immer den Aufbau eines eigenen Talentpools. Sofern der Kandidat also von grundsätzli-chem Interesse für eine Anstellung im Unternehmen ist, sollte er in einem geeigne-ten IT System hinterlegt werden. Dies ermöglicht es, zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf ihn zukommen zu können. Im Idealfall führt dies zu einem Kandidaten-pool, welcher es dem Unternehmen, welches Active-Sourcing betreibt ermöglicht, deutlich weniger Stellenanzeigen schalten und Interviews führen zu müssen.

Abb. 2: Active-Sourcing: Beteiligte der einzelnen Prozessschritte

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Active-Sourcing – proaktive Kandidatensuche und -gewinnung

7.6 Ausblick

Konzerne und mittelständige Unternehmen sehen sich mit den gleichen Heraus-forderungen in der Rekrutierung konfrontiert. Sie suchen derzeit Wege, um Kandi-daten aktiv auf eine Vakanz hinzuweisen und diese bereits im Vorfeld einer Bewer-bung für das Unternehmen zu interessieren.

Auf breiter Front, auch bei mittelständischen Unternehmen, werden derzeit eigene Kapazitäten für Active-Sourcing Maßnahmen seitens der Unternehmen aufgebaut, um frühzeitig auf die Veränderungen des Kandidatenmarktes zu reagieren. Es ist davon auszugehen, dass jene Mittelständler, welche auch zukünftig komplett auf Active-Sourcing Elemente verzichten, auf Dauer kaum noch Top-Kandidaten in den Engpass-Profilen wie bspw. im Engineering werden rekrutieren können.

Die zentralen Herausforderungen und Treiber einer zukünftigen Entwicklung sind hierbei:

1. Erweiterung der Rekrutierungswege Durch den Einsatz von Active-Sourcing besteht der Rekrutierungsprozess für eine Vakanz nicht mehr nur aus der schlichten Bearbeitung von Bewerbungs-eingängen, sondern beginnt in einem wesentlich früheren Stadium. Hier steht das Erwecken von Interesse für das Unternehmen im Fokus. Bereits heute gibt es durch Messen, Hochschulkooperationen etc. unzählige Ansatzpunkte für eine erste Kontaktaufnahme mit dem Kandidaten. Die Herausforderung der Zu-kunft ist eine sinnvolle Verzahnung der einzelnen Ansätze zu einer Gesamtstra-tegie mit dem Ziel eines zentralen Talentpools. Folglich kommt der Betreuung von Kontakten sowie der Schaffung von Netzwerken in der Zukunft eine immer größere Bedeutung zu.

2. Vernetzung von HR-Know-how Active-Sourcing hat einen gravierenden Einfluss auf die bestehenden HR Be-reiche, da es die Verzahnung verschiedenster Disziplinen erfordert. Im Idealfall sind alle Einheiten in soweit aufeinander abgestimmt, dass eine konsistente Betreuung von Talenten auf allen Ebenen erfolgen kann. Der Vorteil für mit-telständische Unternehmen besteht hierbei darin, dass HR Einheiten deutlich kleiner sind als die großer Konzerne. So ist ein direkter Austausch zwischen den einzelnen Kompetenzträgern oftmals einfacher zu realisieren.

3. Individuelles Candidate-Targeting Klassische Rekrutierungswege, welche sich häufig durch einen zielgruppen-spezifischen Fokus auszeichnen, werden zunehmend durch personenspe-zifische Ansätze abgelöst werden. Diese Wege der individuellen Ansprache entsprechen gleichzeitig dem veränderten Bewerberverhalten. Kandidaten le-gen zunehmend einen gesteigerten Wert auf eine individuelle Betreuung mit nachhaltiger Kommunikation. Positiv wird wahrgenommen, wer sich bei der

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Kontaktaufnahme an gewisse Regeln hält. Das massenweise Anschreiben von potentiellen Talenten ohne einen konkreten Ansatzpunkt verärgert viele Kan-didaten und kann das Image (und damit den Rekrutierungserfolg) eines Unter-nehmens innerhalb kürzester Zeit negativ beeinflussen.

4. Weiterentwicklung der technologischen Rahmenbedingungen Die technologische Entwicklung schreitet weiterhin rasant voran und bietet immer neue Möglichkeiten, um mit Talenten in Kontakt zu kommen. Die Innova-tionszeiten werden immer kürzer und erste digitale Netzwerke verlieren bereits wieder an Bedeutung oder verschwinden gänzlich vom Markt, wenn Mitglieder das Interesse an Ihnen verloren haben. Die Herausforderung für Unternehmen ist es, technologische Trends rechtzeitig zu erkennen und sinnvoll in die Ge-samtstrategie einzubinden. Plattformbetreiber forcieren derzeit aktiv den Be-darf von Active Sourcern und versuchen die Interessen von Arbeitgebern und Talenten in Einklang zu bringen.

Literatur

Adler, Lou; (2011). LinkedIn – Hiring Survey Whitepaper (WWW-Seite, Stand: 02.01.2011). Internet:https://app.box.com/shared/eus2rk2m2j (Zugriff: 25.07.2013) siehe ergänzend auch: http://talent.linkedin.com/blog/index.php/2011/12/ passive-candidates-accelerate/ (Zugriff: 26.07.2013)

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Weitzel, Tim; Eckhardt, Andreas; Laumer, Sven; Stetten, Alexander von, Maier, Christian (2012): Recruiting Trends 2012. Hg. Von Monster Worldwide Deutschland GmbH, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Goethe-Universität Frankfurt am Main; Centre of Human Resources Information Systems – CHRIS

Weitzel, Tim; Eckhardt, Andreas; Laumer, Sven; Stetten, Alexander von, Maier, Christian (2013): Bewerbungspraxis 2013 – Eine empirische Studie mit über 6.000 Stellensuchenden und Karriereinteressierten im Internet; Hg. Von Monster World-wide Deutschland GmbH, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Goethe-Universität Frankfurt am Main; Centre of Human Resources Information Systems – CHRIS

Weitzel, Tim; Eckhardt, Andreas; Laumer, Sven; Stetten, Alexander von, Maier, Christian (2012): Bewerbungspraxis 2012 – Eine empirische Studie mit über 10.000 Stellensuchenden und Karriereinteressierten im Internet. Von Monster World-wide Deutschland GmbH, Otto-Friedrich-Universität Bamberg; Goethe-Universität Frankfurt am Main; Centre of Human Resources Information Systems – CHRIS

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