68
175 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 7.1 EINLEITUNG Der spirituelle Zustand der Ungarischen Reformierten Kirche, sowie die oftmals gleichgültige oder sogar gegnerische Einstellung der kirchlichen Leiter gegenüber den Fragen der Inneren und der Äußeren Mission motivierten Forgács am Anfang seiner Tätigkeit dazu, sich mit den theoretischen und praktischen Fragen der Mission zu befassen. Er war der Meinung, dass man sich, ‘da wir keine Missionslehre haben’, 1 mit den systematischen und praktischen theologischen Fragen der Mission beschäfti- gen muss. Aus seinem Lebenslauf ist uns bekannt, dass er sich mit den theoretischen und praktischen Fragen der Mission so befasste, dass er nie Forscher oder Professor der Theologie war, sondern ein Pfarrer, der seinen Beruf ausübte. Darum kamen bei ihm die Gesichtspunkte der Theorie und Praxis nicht nur komplementär zur Geltung, sondern waren eng miteinander verbunden. Dieser Umstand bestimmte auch seine Missionstheologie. Ihn interessierten die Fragen der Missionstheologie in erster Linie deshalb, weil er in dem großen Begriffswirrwarr seiner Zeit die Fragen der ungari- schen protestantischen Inneren und Äußeren Mission zum einen klären und bekannt machen wollte und sie zum anderen gegenüber der kirchlichen öffentlichen Meinung vor Angriffen zu schützen versuchte. Im systematischen Teil seiner Missionstheologie oder seiner ‘Missionslehre’, wie er sie nannte, fasste er die Grundfragen der Mission in einem System zusammen, klär- te Begriffe, Ziele und Gebiete der Mission. Er bemühte sich, in seine Missionslehre sonstige Disziplinen der Theologie zu integrieren bzw. diese aus dem Blickwinkel der Missionslehre zu untersuchen. Mit dieser Absicht unternahm er einige bahnbrechende Schritte zur Schaffung einer dimensionalen Missionslehre. 2 In seiner praktischen Missionstheologie können wir später sehen, wie er versuchte, seine theologischen Grundprinzipien der Mission anzuwenden, in erster Linie in der ungarischen protestantischen Gemeindearbeit. Diese praktische Anwendung ist übri- gens der wertvollste Teil seiner Missionstheologie. 1 Gyula Forgács, A belmisszió és cura pastoralis kézikönyve (Pápa: Református Főiskolai Könyvnyomda, 1925), p. V. 2 Vgl. David J. Bosch, Transforming Mission: Paradigm Shifts in Theology of Mission (Maryknoll: Orbis, 1991) übers. Attila Boros, Paradigmaváltások a misszió teológiájában (Budapest: Harmat- PMTI, 2005), p. 451. Siehe noch Anne-Marie Kool, ‘Missziológia a teológiai tantervben Hollandiában és Magyarországon a globális fejlemények fényében’, in Debrecen, an der Debreceni Hittudományi Egyetem, am 14. Februar 2003 gehaltener öffentlicher Vortrag. Siehe noch Anne-Marie Kool, ‘Missziológia a teológiai oktatásban Magyarországon’ Református Egyház, LI/3 (1999), pp. 67-69.

7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

  • Upload
    others

  • View
    14

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

175

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

7.1 EINLEITUNG

Der spirituelle Zustand der Ungarischen Reformierten Kirche, sowie die oftmals gleichgültige oder sogar gegnerische Einstellung der kirchlichen Leiter gegenüber den Fragen der Inneren und der Äußeren Mission motivierten Forgács am Anfang seiner Tätigkeit dazu, sich mit den theoretischen und praktischen Fragen der Mission zu befassen. Er war der Meinung, dass man sich, ‘da wir keine Missionslehre haben’, 1 mit den systematischen und praktischen theologischen Fragen der Mission beschäfti-gen muss. Aus seinem Lebenslauf ist uns bekannt, dass er sich mit den theoretischen und praktischen Fragen der Mission so befasste, dass er nie Forscher oder Professor der Theologie war, sondern ein Pfarrer, der seinen Beruf ausübte. Darum kamen bei ihm die Gesichtspunkte der Theorie und Praxis nicht nur komplementär zur Geltung, sondern waren eng miteinander verbunden. Dieser Umstand bestimmte auch seine Missionstheologie. Ihn interessierten die Fragen der Missionstheologie in erster Linie deshalb, weil er in dem großen Begriffswirrwarr seiner Zeit die Fragen der ungari-schen protestantischen Inneren und Äußeren Mission zum einen klären und bekannt machen wollte und sie zum anderen gegenüber der kirchlichen öffentlichen Meinung vor Angriffen zu schützen versuchte.

Im systematischen Teil seiner Missionstheologie oder seiner ‘Missionslehre’, wie er sie nannte, fasste er die Grundfragen der Mission in einem System zusammen, klär-te Begriffe, Ziele und Gebiete der Mission. Er bemühte sich, in seine Missionslehre sonstige Disziplinen der Theologie zu integrieren bzw. diese aus dem Blickwinkel der Missionslehre zu untersuchen. Mit dieser Absicht unternahm er einige bahnbrechende Schritte zur Schaffung einer dimensionalen Missionslehre. 2

In seiner praktischen Missionstheologie können wir später sehen, wie er versuchte, seine theologischen Grundprinzipien der Mission anzuwenden, in erster Linie in der ungarischen protestantischen Gemeindearbeit. Diese praktische Anwendung ist übri-gens der wertvollste Teil seiner Missionstheologie.

1 Gyula Forgács, A belmisszió és cura pastoralis kézikönyve (Pápa: Református Főiskolai Könyvnyomda, 1925), p. V.

2 Vgl. David J. Bosch, Transforming Mission: Paradigm Shifts in Theology of Mission (Maryknoll: Orbis, 1991) übers. Attila Boros, Paradigmaváltások a misszió teológiájában (Budapest: Harmat-PMTI, 2005), p. 451. Siehe noch Anne-Marie Kool, ‘Missziológia a teológiai tantervben Hollandiában és Magyarországon a globális fejlemények fényében’, in Debrecen, an der Debreceni Hittudományi Egyetem, am 14. Februar 2003 gehaltener öffentlicher Vortrag. Siehe noch Anne-Marie Kool, ‘Missziológia a teológiai oktatásban Magyarországon’ Református Egyház, LI/3 (1999), pp. 67-69.

Page 2: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

176

In seiner Missionslehre, genauer gesagt in seiner praktischen Missionstheologie, verstand er unter dem Begriff der Kirche, die in der volkskirchlichen Form existie-rende Ungarische Reformierte Kirche, deren vorhandene äußere Struktur sowie de-ren Spiritualität und Aktivität. 3 Diese seit Jahrhunderten tätige Kirche wollte er so reformieren, dass er die vorhandenen Strukturen und Traditionen mit jener missio-narischen Spiritualität ausfüllen wollte, die von der Bewegung der Inneren Mission bzw. auch von ihm selbst vertreten wurden. Er wollte also die inneren Strukturen den Gesichtspunkten der Mission anpassen und dabei die äußere Struktur und die Traditionen der Kirche unberührt lassen. 4 Mit dieser die Reformation unterstützenden Absicht schrieb er 1915 seine Privatdozentenarbeit, die unter dem Titel A Misszió Elmélete (Die Theorie der Mission) 1917 herausgegeben wurde. 5 Unter Verwendung dieser Arbeit erschien 1925 sein Hauptwerk. 6 In diesem umfangreichen Werk for-mulierte er bereits Wesen, Natur, Ziele und Gebiete der Mission und zeigte auch die internationalen Kontexte von Geschichte und Theorie der Mission auf. In seiner 1931 erschienenen Schrift A Református Misszió irányelvei (Richtlinien der reformierten Mission) 7 war er bestrebt, seine theologischen Prinzipien der Mission auf die damali-ge Situation der Ungarischen Reformierten Kirche anzuwenden. Im Sinne der obigen Ausführungen können wir behaupten, dass seine missionstheologische Tätigkeit in der ungarischen theologischen Literatur als bahnbrechend bezeichnet werden kann. Diese Feststellung sprach in Ungarn zuerst die holländische Missionarin Anne-Marie Kool aus. 8 Für uns unverständlich hat János Bütösi, Theologieprofessor in Debrecen, in seiner 1999 verfassten Missiologie 9 das Werk von Forgács, das die erste ungarische comprehensive reformierte Missiologie darstellte, nicht einmal erwähnt. Dafür kann nur schwer eine Erklärung gefunden werden, gerade auch darum, weil Forgács auf die Verfasser der missionstheologischen Bücher und Essays, die die spätere Missionsthe-ologie der Ungarischen Reformierten Kirche gestalteten, 10 einen Einfluss ausgeübt hatund diese sich alle anerkennend auf sein Hauptwerk beriefen.

In diesem Kapitel möchten wir, unter Berücksichtigung des internationalen und ungarischen Kontexts, zuerst seine systematische Missionstheologie und danach sei-ne praktische Missionstheologie vorstellen und im Licht seiner Reformbestrebungen analysieren.

3 Definition der Volkskirche siehe Kap. 2. 3. 3. pp. 31-33.4 Die Ungarische Reformierte Kirche ist eine so genannte synodale Presbyterkirche, in der Bischöfe an

der Spitze der Kirchenhierarchie stehen.5 Gyula Forgács, A Misszió Elmélete, Practica theológiai tanulmány (Pápa: Nyomtatott a Főiskolai

Könyvnyomdában, 1917).6 Forgács, A belmisszió és cura pastoralis kézikönyve (Pápa: Református Főiskolai Könyvnyomda, 1925).7 Forgács, A református misszió irányelvei, Sonderdruck. (Sárospatak: Ref. Főiskolai Könyvnyomda, 1931).8 Anne-Marie Kool, God moves in a Mysterious way, The Hungarian Protestant Foreign Mission

Movement (1756-1951), (Zoetermeer: Boekencentrum, 1993), p. 304.9 János Bütösi, Missziológia mint teológiai tudomány (Missiologie, als theologische Wissenschaft)

(Debrecen: Debreceni Református Kollégium Nyomdája, 1999).10 László Ravasz, János Victor, Jenő Sebestyén, Sándor Makkai, Sándor Virágh.

Page 3: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

177

7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS

7.2.1 Die Mission und Missionslehre im internationalen Kontext

Die internationalen Einflüsse, die ab dem 17. Jahrhundert, aber hauptsächlich an derWende des 19/20. Jahrhunderts, zuerst von den westeuropäischen, später von den nor-damerikanischen protestantischen Kirchen und Missionsbewegungen eintrafen, 11 be-einflussten und prägten bedeutend die Entwicklung der ungarischen protestantischenMissionstheologie. Außer den spirituellen Einflüssen erschienen auch die missions-theologischen, dogmatischen und ekklesiologischen Betonungen, die für die missi-onarischen Bewegungen und Kirchen in Westeuropa und in Übersee typisch waren. Über die Pester Deutschsprachige Reformierte Mädchenkirche übten sie mit der indi-viduellen Ausübung der Frömmigkeit und der spezifischen Ekklesiologie (ecclesiola in ecclesia) des deutschen lutherischen Pietismus bzw. der Theorie der Inneren Mis-sion von Johann H. Wichern (1808-1881) einen großen Einfluss auf die Vertreter derungarischen Inneren Mission aus. 12 Über die Schottische Mission und die am Edin-burgher New College studierenden ungarischen Stipendiaten fand das streng an die Kirche gebundene missionarische Modell, 13 ‘der evangelikal veranlagte schottische puritanische Presbyterianismus’, 14 eine noch günstigere Aufnahme. Die ungarischen Theologiestudenten und Pfarrer, die als Stipendiaten ab Mitte des 19. Jahrhunderts an den Universitäten in Westeuropa studierten, an internationalen Missionskonferenzen teilnahmen oder mit den Leitern der ausländischen Missionsbewegungen persönliche Kontakte pflegten, vermittelten die internationalen Einflüsse der Missionstheologie. 15 In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erschienen beliebte Biografien bekannterausländischer Persönlichkeiten der Inneren Mission, 16 deren Ziel darin bestand, auch den einfachen Kirchenmitgliedern einen Einblick in die internationalen Ereignisse der Mission zu geben.

11 Siehe Kap. 2. 4. 1; 2. 4. 2; 5. 2. 1.12 István Pap Bilkei hielt die Denkschrift von Wichern ‘für ein klassisches, alles umfassendes Programm

der Inneren Mission’. István Pap B. ‘Wichern und die Innere Mission’, Protestáns Szemle, XX (1908), p. 202. Lajos Csiky, ‘Wichern, der Vater der deutschen Inneren Mission’, PSZ, VII (1895), p. 514. Forgács stellt die Tätigkeit von Wichern ausführlich vor und analysiert diese. Forgács, A belmisszió, pp. 127-143.

13 Siehe Lajos Csiky, A skót szabadegyház ismertetése. Egyháztanulmány (Debrecen: 1877) weiterhin József Szalay, ‘Mit csinál egy skót lelkész a gyülekezetében?’, Protestáns Egyházi és Iskolai Lap, 27/1884. p. 13-92. Forgács, ‘A Skót Egyesült Szabad Egyház belmissziója’, in A belmisszió, p. 142 -159.

14 Ábrahám Kovács, A Budapesti Ev. Ref. Németjakú Leányegyház eredete és története 1858-1869 (Debrecen: A D.Dr. Harsányi András Alapítvány, 2004), p. 10.

15 Siehe dessen ausführlichere Darstellung im Kapitel 2. 4. 2., unter dem Untertitel ‘Die ausländischen Wurzeln der Missionsbewegung’.

16 István Pap Bilkei, A belmisszió hősei (Budapest: M.P.I.T. Házi kincstár, 1912). Dieses Buch enthielt die Lebensläufe von H. Francke, J. Wesley, R. Raikes, A. More, J. Oberlin, T. Chalmers, J. Gossner, J.H. Wichern, Th. Fliedner, V. Löhe, O. G. Heldring, F. Bodelschwing, Sir G. Williams, D. Moody. Siehe noch Imre Révész, ‘Akikre nem volt méltó a világ’ Képek a keresztyénség történetéből (Cluj-Kolozsvár: Minerva Irodalmi és Nyomdai Műintézet Részvénytársaság, 1921).

Page 4: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

178

Zur Jahrhundertwende wiesen immer mehr Zeichen darauf hin, dass sich Ungarn an die internationale Diskussion der Missionstheologie angeschlossen hatte. Forgács empfahl den interessierten Lesern in dem 1915 geschriebenen Teil seines Buches über die Innere Mission nach den theoretischen Fragen der Mission u.a. die sich mit der Mission befassenden Werke von Gustav Warneck (1834-1919) und Johann H. Wichern. 17 Ausführlich stellte er die Tätigkeit des Schotten Thomas Chalmers (1780-1847) 18 und des Holländers Ottho G. Heldring (1804-1876), 19 des Gründers der ersten holländischen Gesellschaft der Inneren Mission, vor. Zudem berief er sich in seinem Buch auch auf die missionarische Tätigkeit von Alexander Duff (1806-1878). 20 Diese Empfehlungen weisen deutlich darauf hin, dass die Anhänger der ungarischen Missi-onstheologie den internationalen Kontext und die Entwicklung der Missionstheologie kannten und aufmerksam verfolgten. Diese Feststellung gilt jedoch in erster Linie für den internationalen Kontext des 19. Jahrhunderts und der ersten Jahre des 20. Jahr-hunderts. Diesen Zeitraum begrenzen wir darum, weil wir in der ungarischen Mis-sionsliteratur kein größeres Echo über die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch den Internationalen Missionsrat veranstalteten, sehr bedeutenden Konferenzen finden. Weder an der Edinburgher Konferenz (1910) noch an den Konferenzen in Je-rusalem (1928) und Tambaram (1938) nahm ein offizieller Vertreter der ungarischenprotestantischen Kirchen teil. In den kirchlichen Veröffentlichungen erschienen kaum Nachrichten über diese Konferenzen. 21 Die Anhänger der ungarischen Missiologie verfügten zwar über Informationen bezüglich der internationalen Ereignisse der Mis-sion des 20. Jahrhunderts, hatten jedoch keine Kenntnisse über die Auswirkungen der Ereignisse auf die Missionswissenschaft. Diese Situation änderte sich auch in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg durch die politische Isolierung Ungarns nicht wesentlich.

Die früheren Einflüsse, die nach Ungarn gelangten, sind in den Schriften von For-gács und seiner Zeitgenossen jedoch deutlich erkennbar. Diese Einflüsse versuchteman zu der Zeit auf die ungarischen Verhältnisse anzuwenden oder gegebenenfalls, kritisch abwägend, abzulehnen.

Johann H. WichernEinen großen Einfluss auf die Anhänger der ungarischen protestantischen InnerenMission übte Johann H. Wichern (1808-1881) aus. 22 Seine Missionstheologie hatte gerade auch auf Forgács eine große Wirkung. Einen bleibenden Einfluss übte auf ihnder Gedanke von Wichern aus, dass die Ausführung der Arbeit der Inneren Mission

17 Gustav Warneck, Evangelische Missionslehre (Gotha: 1897). E.G Lehmann, Die Werke der Liebe (Leipzig: 1883). Johann H. Wichern, Die Innere Mission der Deutschen ev. Kirche (Hamburg: Rauhes Haus in Horn, 1849). Siehe Forgács, A belmisszió, pp. 51-52.

18 Forgács, A belmisszió, pp. 145-146.19 Forgács, A belmisszió, pp. 160-163.20 Forgács, A belmisszió, p. 30.21 Siehe A.-M. Kool, God moves in a Mysterious way, p. 346. Fußnote 285.22 Siehe Ábrahám Kovács, A Budapesti Ev. Ref. Németajkú leányegyház, p. 14.

Page 5: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

179

Pflicht aller Christen ist, und dass darum dringend ausgebildete Laien-Missionsarbei-ter benötigt werden. Ihn bewegte auch, dass Wichern den interkonfessionellen Cha-rakter der missionarischen Arbeit klar betonte. Zudem hielt er das Verfassen sowie Verbreiten missionarischer Literatur, die Arbeit unter Kindern und Jugendlichen, die Bibelstunden sowie die Durchführung von Hausgottesdiensten in den örtlichen Ge-meinden für wichtige Tätigkeiten der Inneren Mission. 23 Forgács stimmte auch darin mit Wichern überein, dass die Arbeit der Inneren Mission von der Gemeinde ausgehen muss. Er sah außer der Gemeinde auch den Verein als legales Instrument der Inneren Mission an. Wir betrachten es nicht als zufällig, dass Forgács auch darauf aufmerksam wurde, dass Wichern den ‘patriotischen Zug’ der Inneren Mission betonte, der, auf das Beispiel anderer Völker bezugnehmend, damit begründet ist, dass die ganze Nation veredelt und erhöht wird, wenn sie an der Ausbreitung des Reiches Gottes arbeitet. 24 Diese Gedanken von Wichern finden wir nahezu unverändert in der Missionslehrevon Forgács wieder. Wir setzen weiter voraus, dass Forgács’ Ausdehnung des Missi-onsbegriffes auf die soziale Diakoniearbeit auf eine ähnliche Konzeption bei Wichern zurückzuführen ist. 25 Forgács war der Einzige, der den Gedanken von Wichern über-nahm, dass in den Plan der Reformation der Kirche auch die Reformation der Konfir-mation aufgenommen werden muss. 26

Forgács verurteilte gleichzeitig die von Wichern eingeleitete Bewegung darin, dass man zwischen der Inneren Mission und der Kirche einen ‘höflich ausgewogenen, aberdennoch unangenehmen Abstand hielt’, 27 und nicht alles unternahm, das Verhältnis mit der Kirche zu klären.

Die Bewegung der Inneren Mission von Wichern hatte auch eine große Wirkung auf Bischof László Ravasz, der zwischen dem spirituellen Zustand der deutschen Landeskirchen und der Ungarischen Reformierten Kirche des 19. Jahrhunderts eine Parallele zog. Seiner Meinung nach haben beide ‘unter Einwirkung des Zeitgeistes an Kraft verloren.’ 28 Gleichwie die Bewegung der Inneren Mission, die von den Vereinen geleistet wurde, die Wicherns Ansicht folgten, eine Erneuerung zum Ergebnis hatte, muss man anerkennen, dass auch die Erneuerung der ungarischen Kirche in Form von Vereinen begann. 29 Mit dieser Behauptung beurteilte er die Vereinsarbeit der In-neren Mission als positiv und hielt die Konzeption der Inneren Mission von Wichern für ‘den größten Gedanken der deutschen Kulturgeschichte’ des 19. Jahrhunderts. 30 Da die Einstellung von Ravasz und Forgács in der Beurteilung der Inneren Mission übereinstimmte, beurteilten beide die Konzeption von Wichern positiv. Darum unter-

23 Forgács, A belmisszió, pp. 127-143.24 Forgács, A belmisszió, p. 137.25 Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl. 8. Bd. red. Brigitte Schäfer (Tübingen: J.C.B. Mohr

[Paul Siebeck], 2005), pp. 1513-1514.26 RGG, 3. Aufl. 6. Bd. red. Wilfried Werrbeck(Tübingen: J.C.B. Mohr [Paul Siebeck], 1962), p. 1680.27 Forgács, A belmisszió, p. 138.28 Ravasz, ‘Egyház és egyesület’, in Legyen Világosság (Budapest: Franklin Társulat, 1938), p. 444.29 Ravasz, ‘Egyház és egyesület’, p. 444.30 Ravasz, ‘Egyház és egyesület’, p. 442.

Page 6: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

180

stützte Ravasz immer die Bestrebungen von Forgács, die Kirche zu reformieren, und tat viel dafür, dass die Synode das von Forgács ausgearbeitete Missionsgesetz (1933) annahm.

Ottho G. HeldringAuf Forgács wirkte auf jeden Fall auch die missionarische Tätigkeit des ‘holländischen Wichern’, 31 Ottho G. Heldring (1804-1876). Dies können wir daraus schließen, dass er es für wichtig hielt, dessen Tätigkeit in seinem über die Innere Mission geschriebenen Buch vorzustellen. Über die vielfältige Tätigkeit des Gründers der ersten holländischen Gesellschaft für Innere Mission hob er hervor, dass der Kern dieser Gesellschaft eine unter dem Namen Christelijke Vrienden 32 (Christlicher Freundeskreis) gegründete, aus Pfarrern bestehende Gruppe war, d.h. von einer kleinen Gruppe ging eine wirkungsvol-le Bewegung aus. Diese Gedanken motivierten Forgács bei der Gründung des Péczeler Kreises, der die Reformation der Reformierten Kirche anstrebte.

Für wichtig hielt es Forgács zu erwähnen, dass auch Heldring den Begriff der Inne-ren Mission auf das Gebiet der Diakonie ausdehnte und eine umfangreiche diakonische Arbeit ausführte. Er beobachtete, dass auch Heldring das Erwecken der Verantwortung für die Äußere Mission in den Gemeinden als seine Aufgabe betrachtete. Zum Gegen-stand seiner Kritik machte er, wie bei Wichern, dass die Basis der Arbeit der Inneren Mission auch bei Heldring nicht in den Gemeinden, sondern in den Vereinen lag. 33

Alexander Duff Auf die Denkweise der ungarischen Mission übte auch der aus Schottland stammende indische Missionar Alexander Duff (1806-1878) einen nachweisbaren Einfluss aus.Die Prinzipien, die Duff bei der Missionsarbeit sowohl in Indien, als auch in sei-ner Heimat Schottland anwandte, lernten die in Schottland studierenden ungarischen Stipendiaten kennen. Nach ihrer Rückkehr nach Ungarn wendeten diese Studenten die Prinzipien von Duff bei der Missionsarbeit an und sie erschienen zudem in ihrer Missionstheologie. Obwohl wir dem Namen Duff in der ungarischen missiologischen Literatur kaum begegnen, beriefen sich Forgács und Sándor Makkai in ihren Schriften so auf ihn, wie auf jemanden, dessen Theologie sie gut kannten. 34

Forgács hielt es, ähnlich wie Duff, für sehr wichtig, die intellektuelle Jugend mit der Mission zu erreichen. Die Gedanken von Duff kommen erneut zu Tage darin, dass Forgacs in seinen beiden Gemeinden, in Pécel und in Sárospatak, bemüht war, in den Mitgliedern der Gemeinde die Verantwortung gegenüber der Äußeren Mission zu we-cken. Besonders sahen wir das in der Zeit seiner Tätigkeit in Pécel, wohin er oft in der Äußeren Mission tätige Missionare eingeladen hatte, um in den Gemeinden über ihre

31 Johan A. Woudenberg, Uw Koninkrijk kome, Het Utrechtsch Studenten Zendingschap Eltheto Hé Basieleia Sou 1848-1908 (Zoetermeer: Boekencentrum, 1994), p. 256.

32 Johan A. Woudenberg, Uw Koninkrijk kome, p. 14.33 Forgács, A belmisszió, pp. 160-162.34 Forgács, A belmisszió, p. 504. Sándor Makkai, Az egyház missziói munkája (Budapest: Révai Kiadás,

1938), p. 350.

Page 7: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

181

Arbeit zu berichten. Nur wenige betonten nachdrücklicher als Forgács das von Duff vertretene missiologische Prinzip, welches besagt, dass Sinn und Ziel des Bestehens der Kirche die Mission ist.

Gustav WarneckDie andere Person, deren Missionstheologie in Ungarn bekannt wurde, war der Lu-theraner Gustav Warneck (1834-1919). Obwohl Warneck’s Werk, die Evangelische Missionslehre, nie ins Ungarische übersetzt wurde, kannte Forgács auch dessen Mis-sionslehre sehr gut und stellte in seinem Hauptwerk deren Inhalt vor. Er selbst hielt ihn sogar ‘für den hervorragendsten Betreiber der Missionswissenschaft der gegen-wärtigen Zeit.’ 35 Auch von Warneck wirkte auf ihn der Gedanke, dass die Diakonie ein wichtiger Teil der Missionsarbeit ist und dass man außer der Inneren Mission auch die Bedeutung der Äußeren Mission nicht genug betonen kann. Er stellte jedoch die Missionsterminologie von Warneck in Frage, da er die Innere Mission als Diakonie bezeichnete und damit den Begriff der Inneren Mission sehr stark einschränkte bzw. sich unter dem Titel der Missionslehre nur mit der Äußeren Mission befasste. 36

John R. MottNur wenige übten auf die Arbeit und Denkweise der ungarischen Inneren Mission, namentlich auf die Jugendmissionsarbeit, einen solchen spirituellen und missions-theologischen Einfluss aus wie John R. Mott (1865-1955), Sekretär des WeltbundesChristlicher Studenten (CSW) und Studenten-Bewegung der Missionsfreiwilligen (SMB). Mott, der 1895 zum ersten Mal Ungarn besuchte, 37 spielte eine bedeutende Rolle bei der Erweckung der Verantwortung gegenüber der Missionsarbeit 38 und auch darin, dass die Arbeit der Inneren Mission unter der Jugend begonnen wurde. Durch seinen Einfluss wurde in Ungarn 1904 der Evangelisch-Christliche Studentenbund(Magyar Evangéliumi Keresztyén Diák Szövetség) [MEKDSZ) 39 gegründet.

Mott, der Ungarn mehrmals besuchte, führte 1909 eine Vortragsreise durch, die einen dauerhaften Eindruck hinterließ. An den Theologischen Fakultäten Budapest, Debrecen, Kolozsvár, Sárospatak und Sopron sowie im Festsaal des Rathauses der Hauptstadt hörten mehrere Hunderte von Studenten seine Vorträge. 40 Die Wirkung seiner Vorträge zeigte sich darin, dass die ungarische Studentenbewegung einen neu-en Aufschwung erhielt. Nach seiner Abreise entstanden in Budapest, Pápa und Sáros-patak einige, die Mission studierende Studentengruppen. 41

35 Forgács, A belmisszió, p. 29.36 Forgács, A belmisszió, p. 29.37 Siehe Unbekannte MEKDSZ Handschrift, 15. Okt. 1895, p. 5. Zitiert A.-M. Kool, God moves in a

Mysterious way, p. 158. 38 Makkai, Az egyház missziói munkája, p. 298.39 A Magyar Református Egyház Története, Sándor Bíró und István Szilágyi red., (Budapest: Kossuth

Könyvkiadó, 1949), pp. 400-401.40 A Magyar Református Egyház Története, p. 401. 41 ‘A magyar diákmozgalom története 1912 őszéig’, Diákvilág V/1 (1913), p. 35. siehe auch ‘Jelentés az

1912/13 tanévről’, Diákvilág V/1 (1913), p. 38.

Page 8: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

182

Bei seinen Vorträgen war János Victor als Dolmetscher tätig und unter seinen Zuhö-rern befanden sich die späteren Bischöfe László Ravasz und Imre Révész (1889-1951) sowie die späteren Theologieprofessoren József Pongrácz (1885-1963) und Makkai Sándor (1890-1951). Forgács hatte auch persönliche Kontakte zu Mott, den er erstmals 1902 im dänischen Sorö traf: später traf er auch in Ungarn mit ihm zusammen. Wel-chen bleibenden Einfluss Mott auf Forgács ausübte, geht auch daraus hervor, dass er inseinem Hauptwerk mehrmals ausführlich auf die Tätigkeit von Mott verweist. 42

Außer seinem spirituellen Einfluss auf seine ungarischen Zuhörer und die Leserseines Buches 43 übte auch sein optimistisches Programm der Weltmission ‘Das Evan-gelisieren der Welt in dieser Generation’ einen großen Einfluss aus. Die in der Missi-onstheologie von Aladár Szabó, Forgács und János Victor ständig erkennbare interkon-fessionelle Offenheit und auch das Verantwortungsgefühl gegenüber dem universellen Christentum können wir darum auf den Einfluss von Mott zurückführen. Auch die in-tellektuelle Bildung von Mott half viel für die Sache der Mission. Seine intellektuellen Zuhörer gewann er dadurch, dass er das Evangelium der Bekehrung und die Ergebnisse der modernen Wissenschaften nicht einander gegenüber stellte, sondern auch die Er-gebnisse der Wissenschaften zur Bekräftigung des Evangeliums benutzte.

Auf Forgács und Victor übte das Programm der Weltevangelisation von John R. Mott 44 einen großen Einfluss aus. Bereits früher wiesen wir darauf hin, dass Forgács,Dank seiner schottischen Verbindungen, auch die missionarischen Ziele von Alexan-der Duff kannte, wonach das letzte Ziel der Mission ist, dass die Herrschaft und das Königreich von Christus auf der ganzen Welt ausgedehnt werden. 45 Diesen Gedanken bekräftigte der Besuch von John R. Mott in Ungarn bzw. auch sein 1909 veröffent-lichtes Programm. Mit der Übernahme dieses Begriffs hielt Forgács Schritt mit den internationalen 46 missionarischen Zielen des 19. Jahrhunderts.

7.2.2 Die Mission und Missionslehre im ungarischen Kontext

Mission und PatriotismusDie Aufnahme der Theorie der Mission und der Inneren Mission in Ungarn sowie die Entwicklung der Theologie dieses Zweiges wurden vom ungarisch-ideologischen und dessen kirchlich-geistlichen Kontext bedeutend beeinflusst. Unter ideologischemKontext verstehen wir in erster Linie den die ungarische nationale Identität stark be-

42 Forgács, A belmisszió, pp. 282-283.43 Mott János, A keresztyén missziók döntő órája, Übers. János Victor (Budapest: Magyar Evangéliumi

Keresztyén Diákszövetség, 1913).44 János Victor, ‘A liverpooli diákgyűlés’ Ébresztő, VIII (1908), p. 81. Victor nahm an der Liverpooler

Konferenz der SMB teil, auf der er sich erstmals mit John R. Mott zusammentraf und sie ‘eine bis zum Tod haltende Freundschaft schlossen’, zitiert A.-M. Kool, God moves in a mysterious way, p. 209.

45 Andrew F. Walls, ‘Missiological Education in Historical Perspective’ in Missiological Education for the 21st Century. The Book, the Circle and the Sandals. Essays in Honor of Paul E. Pierson, edited by J. Dudley Woodberry, Charles E. Van Engen and Edgar J. Ellison, p. 13, zitiert A.-M. Kool, ‘Missziológia a teológiai tantervben Hollandiában és Magyarországon’, p. 2.

46 RGG, 3. Aufl. IV. Bd, pp. 992-993.

Page 9: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

183

tonenden Patriotismus, dessen Träger über Jahrhunderte die Reformierte Kirche war. Da in dem aus mehreren Nationalitäten bestehenden Land die Reformierte Kirche nahezu ausschließlich aus Mitgliedern der ungarischen Muttersprache bestand, 47 be-deutete oftmals ein und dieselbe Sache, Angehöriger der Reformierten Kirche zu sein und zum ungarischen Ethnikum zu gehören. Die Vertreter des Anliegens der Inneren und der Äußeren Mission glaubten deshalb, dass die kirchliche Gemeinde den aus dem Ausland kommenden Gedanken der Inneren und der Äußeren Mission leichter aufnimmt, wenn sie diesen mit dem Gedanken der ungarischen Vaterlandsliebe ver-binden. Der die Sache der Mission unterstützende Debrecener Theologieprofessor József Erdős formulierte dieses so: ‘Unser Vaterland vor allem! Das Reich Gottes über allem!’ 48 Nach den tragischen Ereignissen von Trianon (1920) verstärkte sich dieser Patriotismus allmählich und induzierte lokal auch nationalistische Emotionen. Deshalb nahmen die Leiter und Pfarrer der Kirche an vielen Orten nur mit Abneigung das auf, was nicht ungarischen Ursprungs war, weil sie darin einen Faktor sahen, der das Ungartum schwächt. Dies waren in erster Linie die Gedanken und Prinzipi-en der deutschen, schottischen und angelsächsischen Innere Mission. Der Grund für die Zurückhaltung ist, dass die deutsch-pietistischen 49 und die schottischen Einflüssedem ungarischen Geist fremd sind 50 und das ungarische Selbstbewusstsein der refor-mierten Gemeinden schädigen. 51 Vielleicht motivierten diese Emotionen Forgács und später auch László Ravasz dazu, die Mission mit dem Gedanken der Vaterlandsliebe zu verbinden. Forgács ging so weit, dass er sogar mehrmals formulierte, dass es eine der Aufgaben der Inneren Mission innerhalb der Kirche ist, die ‘vaterländische Ge-sinnung’ zu stärken. 52 Sein Hauptargument war, dass ‘in unserem Land das Schicksal der Reformierten Kirche und das des ungarischen Vaterlandes in einem solchen inne-ren historischen Zusammenhang miteinander stehen, wie wir es in ähnlicher Weise nur zwischen dem nationalen und religiösen Leben des alttestamentlichen jüdischen Volkes erkennen.’ 53 Daraus zog er die Schlussfolgerung, dass mit der Stärkung des Gemeindelebens auch die ungarische Nation stärker wird.

Diese historisch-theologische Ansicht charakterisiert bis zum heutigen Tag die un-garische theologische Literatur. 54 In dieser Argumentation konnte der auch von Wi-chern vertretene Gedanke Forgács bekräftigt haben, dass derjenige, der sich um den

47 C. A. Macartney, Hungary (London: Ernest Benn Limited, 1934), p. 149.48 József Erdős, ‘A magyar ref. egyház és a misszió’, Debreceni Protestáns Lap, V/38 (1885), pp. 325-393.49 Als Aladár Szabó an die Budapester Theologie berufen wurde, wurde wie gesagt die Anklage gegen

das Institut erhoben, dass es ‘pietistische Professoren beschäftigt’. Aladár Szabó, Kegyelem által (Gödöllő: Ausgabe des Verfassers, 1941), p. 99. Siehe noch Sándor Bíró, ‘A szabadságharctól az első világháborúig 1849-1914’, p. 396.

50 Szabó, Kegyelem által, p. 101.51 László Ravasz, Emlékezéseim (Budapest: Zsinati Iroda Sajtóosztálya, 1992), pp. 85. 182.52 Gyula Forgács, ‘A Péczeli Református Egyház Adattára és Naplója, Péczel 1917’, Handschrift.

Református Lelkészi Hivatal Irattára Péczel, p. 142.53 Forgács, A belmisszió, p. 602.54 Vgl. Sándor Czeglédy, ‘Nép és egyház’ in A választott nép (Budapest: Sylvester Irodalmi és Nyomdai

Intézet, 1940), pp. 95-134.

Page 10: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

184

Aufstieg der Gemeinde bemüht, auch die ganze Nation erhöht. Eine ähnliche Meinung vertrat auch Warneck: ‘Wenn der Missionar nicht mehr fähig ist, sein eigenes Volks-tum zu schätzen, können wir nicht erwarten, dass er das fremde Volkstum schätzt, das er in den Bekehrten pflegen müsste.’ 55 Leider behinderte diese Ansicht sowohl Forgács als auch die Mehrheit der Vertreter der ungarischen Missionstheologie darin, die Frage der Mission von den biblischen und dogmatischen Grundlagen ausgehend zu prüfen. Stattdessen blieb jenes pragmatische Theologisieren, dessen einziges Ziel es war, den Missionsbegriff auf die ungarische kirchliche Situation anzuwenden. 56

Mission und KircheEin weiterer Grund für die Abneigung gegenüber der Mission war, dass sowohl die Leiter, als auch die Pfarrer der Kirche um das Ansehen der hierarchischen Institu-tionen der Kirche besorgt waren. Als in der Ekklesiologie der Erweckung der In-neren Mission die Laien eine ständig größere Rolle und Gewicht erhielten, in der alle christusgläubigen Kirchenmitglieder auch einen missionarischen Auftrag haben, befürchteten sie, dass die Innere Mission eine freikirchliche Struktur einführen will. 57 Sie hatten auch davor Angst, dass infolgedessen das Ansehen der Kirchenleiter und Pfarrer gefährdet wird. 58 Einen großen Widerstand löste weiterhin die Bildung der Missionsvereine aus, in denen sie einen Gegner der Einheit der Kirche zu erkennen meinten. 59 Auch der Interkonfessionalismus der Vereine gefiel ihnen nicht, weil siedurch diesen um die calvinistische Identität der Kirche besorgt waren.

Die ab dem Ende des 19. Jahrhunderts auf diese Anschuldigungen 60 gegebenen apologetischen Antworten charakterisierten die missiologischen Schriften und Vorträ-ge, in denen die Vertreter der Inneren Mission auf die Anschuldigungen und Missver-ständnisse antworteten. Gleichzeitig wollten sie auch das Wesen der Inneren Mission klären. Bei der theologischen und geographischen Bestimmung des Begriffs der Mis-sion standen verschiedene Ansichten nebeneinander, einander ergänzend oder auch angreifend. Demzufolge wurde die ungarische missiologische Literatur jener Zeit von diesem apologetischen Charakter geprägt.

Der vielfältige ungarische MissionsbegriffAls Folge der aus verschiedenen Richtungen eintreffenden ausländischen Einflüsseder unterschiedlichen theologischen Ausgangspunkte und der unterschiedlichen mis-sionarischen Ziele entstand in Ungarn ein vielfältiger Missionsbegriff. Nicht unbe-

55 Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, p. 275, zitiert Gensichen, German Protestant Missions, in Christensen & Huchison, 1982, p. 188.

56 Vgl. A.-M. Kool, God moves in a Mysterious way, pp. 346-347.57 ‘Két konferencia’ (ohne Unterschrift), Kálvinista Szemle, I/1(1920), p. 9.58 Sándor Bíró, ‘A szabadságharctól az első világháborúig 1848-1914’, pp. 396-398.59 Ákos Nagy, ‘Egyház és belmisszió’, Református Figyelő, II/4 (1929), pp. 40-42.60 Siehe Gyula Mitrovics, ‘A magyar protestáns theologiai irányzatok torzszülöttje’, Sárospataki Lapok, 50/

1884. Béla Kenessey, ‘Nyilt levél’, Erdélyi Protestáns Lap, I/1898 Gusztáv P. Nagy, ‘A húsvéti igazság’, Sárospataki Lapok, I/1882. Forgács, ‘Egyházi lapjaink és a belmisszió’, in A belmisszió, pp. 240-247.

Page 11: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

185

gründet ist die Behauptung von A.-M. Kool, die über die ‘ungarische missiologische Begriffsverwirrung’ schrieb. 61

Nachfolgend stellen wir die Personen vor, die den vielfältigen ungarischen Missi-onsbegriff prägten. In erster Linie heben wir die Personen hervor, die auch auf For-gács einen Einfluss ausgeübt haben und die gegenseitig aufeinander einwirkten. Inihrer Reihenfolge folgen wir der Chronologie ihrer Geburtsjahre.

Aladár SzabóEiner der Schöpfer des ungarischen Missionsbegriffes war Aladár Szabó (1862-1944). Szabós Missionsbegriff formten aus mehreren Richtungen kommende Einflüsse. InSchottland gewann er als Stipendiat Einblick in das Leben der Free Church of Scot-land, was bei der Einladung von John R. Mott nach Ungarn eine Rolle spielte. Zudem war ihm auch der Missionsbegriff von Johann H. Wichern gut bekannt. Als einer der Bahnbrecher der Bewegung der ungarischen Inneren Mission betonte er als Erster, dass das persönliche Glaubensleben mit der Wiedergeburt beginnt, wofür er des Pi-etismus bezichtigt wurde. Zu Beginn seiner Tätigkeit betrieb er die Vereinsmission, später vertrat er die an die Kirche gebundene Innere Mission.

Szabó betonte, dass die Mission die ‘wunderbare Arbeit ist, mit der das Christen-tum versuche, alle Völker mit dem Erlöser bekannt zu machen’ und diese zu Chris-ten zu machen. Er war der Auffassung, dass die Mission einen internationalen und einen interkonfessionellen Charakter trägt, woraus seiner Meinung nach folgt, dass das Reich Gottes mehr ist als die Ungarische Reformierte Kirche. Den internationalen Charakter der Mission erkennend, unterstützte er die Arbeit der Äußeren Mission. 62 Mit dieser Argumentation wollte Szabó die ungarische reformierte Denkweise von der nationalen Engstirnigkeit befreien. 63

Szabó, dessen Schüler Forgács an der Theologischen Fakultät war, übte einen gro-ßen Einfluss auf den jungen Forgács aus. Szabó führte ihn in die Arbeit der InnerenMission ein und später übten sie in den gleichen Missionsvereinen leitende Funktio-nen aus. Die interkonfessionelle Offenheit und das Interesse für die Äußere Mission übernahm Forgács von ihm. 64

László RavaszLászló Ravasz (1882-1975), Zeitgenosse von Forgács, näherte sich, ohne die Grund-begriffe der Mission zu präzisieren, der Mission über die Kirche und nahm am Anfang seines Dienstes als Bischof in sein Programm der Kirchenleitung die Verbindung von Mission und Kirche sowie die Integration der Vereine der Inneren Mission auf. 65 Ra-vasz sah, wahrscheinlich unter Einfluss von Wichern, den Weg der Erneuerung der

61 A.-M. Kool, God moves in a Mysterious way, p. 347.62 Aladár Szabó, ‘A pogánymisszió népszerűsítése’, Élet és Munka, V/1 (1913), p. 37.63 Aladár Szabó, ‘A protestantizmus és a külmisszió’ PSZ, II (1890), pp. 800-801. 64 Forgács, ‘Hazánk és a külmisszió’, Élet és Munka, II/6 (1910), pp. 41-42.65 László Ravasz, ‘Egyház és egyesület’ in Legyen Világosság (Budapest: Franklin Társulat, 1938), pp.

439-459.

Page 12: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

186

Kirche in der kirchlichen Integration der Inneren und der Äußeren Mission. Als Ziel der Inneren und der Äußeren Mission bestimmte er die Rettung der Seelen, die in der Verderbnis der Sünde zu Fall gekommen sind, und die Christianisierung der Kultur. 66 Damit trug Ravasz zu einer weiteren Kräftigung der Panmissionsanschauung bei, de-ren theoretische Fundamente durch Forgács gelegt wurden. David Bosch macht dar-auf aufmerksam, dass die Verbindung des Evangeliums mit der Kultur in der missio-logischen Denkweise des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielte. Einer ihrer Vertreter war Gustav Warneck. 67

Als Ravasz 1921 als Bischof nach Budapest kam, war Forgács bereits 10 Jahre Pfarrer in Pécel und ein anerkannter Führer der Arbeit der Inneren Mission. Forgács vertrat bereits damals das Prinzip, dass die Innere Mission aus den Vereinen in die Gemeinden getragen werden muss. Diesen Gedanken übernahm Ravasz und vertrat ihn als Kirchenleiter. Forgács wirkte also auf Ravasz ein, was auch daraus ersichtlich ist, dass sich der Bischof immer anerkennend über ihn äußerte. 68

Jenő SebestyénJenő Sebestyén (1884-1950), der später Professor an der Budapester Theologischen Fakultät wurde, war von 1907-1910 Stipendiat in Utrecht. Hier traf er mit den Lehren und mit der Auffassung über die Mission von Abraham Kuyper (1837-1920) zusam-men. Kuyper bekannte sich in der Frage der Mission zu den Prinzipien von Gijsbert Voetius (1589-1676), einer der Gründer der Utrechter Universität. Voetius formulierte das dreifache Ziel der Mission folgendermaßen: 1. die Bekehrung der Heiden (con-versio gentium), 2. die Gemeindegründung (plantatio ecclesiae), 3. die Ehre Gottes (gloria Dei). 69 Auf dessen Einfluss hin betonte Sebestyén, dass die reformierte Missi-on grundsätzlich theozentrisch sein muss, ihr Ausgangspunkt die Souveränität Gottes sei und ihr Ziel die conversio gentium, die plantatio ecclesiae und gloria Dei. 70

Sebestyén vertrat weiterhin nachdrücklich, dass die reformierte Innere Mission immer von der Kirche ausgeht und an die Kirche gebunden ist. 71 Das gleiche Prinzip wandte er auch auf die Arbeit der Äußeren Mission an, deren Ziel er in der plantatio ecclesiae angab. Er näherte sich dem Begriff der Mission über die Bibel. Er argumen-tierte damit, dass die Mission nur auf biblischen Grundlagen aufgebaut und erfolg-reich betrieben werden kann. 72 Den Begriff der Mission, den wir oben bereits vorstellt haben, setzte er auf biblische und dogmatische Fundamente und übernahm von den anderen nicht das Prinzip des nationalistischen Aspekts der Mission. Da er auch in der

66 Ravasz, ‘A külmisszió’, Hajnal, XIV/3 (1928), p. 3.67 Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, p. 269.68 László Ravasz, XX. Püspöki Jelentés, Sonderdruck. A Dunamelléki Ref. Egyházkerület 1941. évi

jegyzőkönyvéből (Budapest: Bethlen Gábor Irodalmi és Nyomdai Rt., 1941), p. 8.69 Siehe Jan A. B. Jongeneel, ‘Voetius’ zendingstheologie, de eerste comprehensieve protestantse

zendingstheologie’ in J. van Oort red., De onbekende Voetius (Kampen: Kok, 1989) p. 133. 70 Jenő Sebestyén, ‘A külmisszió ref. elvei és azok alkalmazása a gyakorlati egyházi életben’ in Külmissziói

évkönyv, I/1932, p. 12.71 Sebestyén, ‘A külmisszió ref. elvei’, pp. 9-15.72 Sebestyén, ‘A külmisszió ref. elvei’, p. 9.

Page 13: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

187

Frage der Mission die Zusammenarbeit mit den holländischen Calvinisten anstrebte, blieb seine Wirkung beschränkt. 73

Sebestyén griff den durch Forgács vertretenen Missionsbegriff zwar nicht direkt an, bezichtete ihn jedoch, dass dessen biblisches Fundament nicht gründlich ausgear-beitet, sondern planlos, nicht genug bekenntnistreu sei, und deshalb nicht kirchlich. 74 Wenn in der Kritik von Sebestyén zwar auch zutreffende Elemente auftraten, wirkte seine Kritik auf die Sache der Mission dennoch nicht anregend, sondern lenkte diese eher in die Richtung der Orthodoxie. Sie bewirkte in Forgács jedoch, dass er größeres Gewicht auf die Ausarbeitung der biblischen Fundamente und des kirchlichen Cha-rakters der Mission legte. 75

János VictorJános Victor (1888-1954), ein jahrzehntelanger Mitarbeiter von Forgács, 76 führte den um die Mission und die missionarische Arbeit entstandenen Begriffswirrwar auf drei Fragenkomplexe zurück, die seiner Meinung nach seine Zeitgenossen nicht geklärt oder deren biblische Begründung versäumt hatten. Die erste Frage, mit der er sich be-fasste, war die Klärung des Begriffes der Mission: was die Mission ist und was sie nicht ist. Der zweite Fragenkomplex bezog sich auf das Verhältnis von Kirche und Mission; wie die Kirche missionarisch werden kann. Die dritte Frage war, im Zusammenhang mit den vorhergehenden, die ekklesiologische Klärung der Natur der Kirche.

Dem Begriff der Mission näherte sich Victor über die Sendung von Christus. Als missionarische Arbeit bezeichnete er das, ‘was die Gemeinschaft der Kirche im Dienst der Herrschaft von Christus ausführt.’ 77 Er sah, dass sich der Begriff der Mission, auch unter Einfluss von Forgács, ständig erweiterte und dass immer mehr Tätigkeiten zumBereich der missionarischen Arbeit gezählt wurden. Da er darauf bestand, dass auch an die Frage der Mission nur über die Bibel herangegangen werden darf, erkannte er in diesem Prozess die Gefahr des Panmissionismus, die später Stephen Neill so for-mulierte: ‘Wenn alles Mission ist, dann ist nichts diese.’ 78 Deshalb engte Victor den Begriff der Mission auf die Tätigkeit ein, die die Kirche unter den ‘außerhalb ihrer Kreise stehenden Ungläubigen’ ausführt. 79 Er klammerte aus dem Missionsbegriff je-doch die von Forgács eingeschlossene pastorale Mission, Kinder- und Jugendarbeit,

73 Siehe Mihály Bucsay, ‘Calvin praesenz in Ungarn’, in W. Neuser (red.) Calvinus ecclesiae Doctor (Kampen: 1978), p. 220.

74 Sebestyén, ‘A külmisszió ref. elvei’, p. 9.75 Forgács, ‘A szakadás kédéséhez’, Reformáció, V/2 (1924), p. 18.76 János Victor, auf den Forgács seit seinem frühen Pfarrerleben einen großen Einfluss ausgeübt hatte,

war Mitarbeiter von Forgács hauptsächlich in der Arbeit der Jugendvereine und Freund bis zu dessen Lebensende. Ab 1925 war er Professor an der Budapester Reformierten Theologie, 1932 wurde er gründender Pfarrer der Gemeinde von Budapest-Szabadság tér der Reformierten Kirche. Siehe Sándor Gaál, ‘A kezdeményező egyház’ der kirchenbauende Dienst von János Victor mit besonderer Hinsicht auf die Mission und den Gemeindebau. PhD thesis (Debrecen, 2005), p. 11.

77 János Victor, ‘Mi a missziói munka?’, Református Világ Szemle, X/1 (1941), pp. 14-15.78 Zitiert Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, p. 466.79 János Victor, ‘A missziói munka theologiájához’, Theologiai Szemle, XVIII/2 (1941), p. 93.

Page 14: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

188

Bibelstunden, die Tätigkeit der Vereine und auch die Diakonie aus, da er diese für eine zum inneren Leben der Kirche gehörende, natürliche Lebensäußerung hielt. 80

Die zweite Frage, auf die er antworten wollte, bezog sich auf das Verhältnis von Kirche und Mission. Victor betrachtete die Kirche als legitimen Träger der Mission und war nicht bereit, die Anschauung zu akzeptieren, die innerhalb der Kirche ‘ein internes Heidentum voraussetzt.’ Er argumentierte damit, dass ‘die lebendige glau-bende Gemeinde’ im Körper von Christus nicht ein Element der Kirche ist, sondern ‘die Kirche selbst.’ 81 Victor hielt die örtliche Gemeinde für den Träger der Mission, ausdrückend, dass die Kirche in der örtlichen Gemeinde lebt. 82

Der dritte Fragenkomplex, der Victor beschäftigte, war auf die Bestimmung der Natur der Kirche gerichtet. Die Klärung dieser Frage hielt er für fundamental. Als er die Verbindung von Kirche und Mission analysierte, sprach er von biblischen Grund-lagen ausgehend immer von der unsichtbaren Kirche und in diesem Sinne behauptete er, dass es keine nach innen gerichtete Mission der Kirche gibt, die auf deren Mitglie-der ausgerichtet wäre. Von der anderen Seite aus betrachtet erkannte auch Victor, dass ‘es die gegenwärtige Situation unserer Kirche ist, dass im Sinne des Wortes Gottes auch innerhalb dieser eine Nicht-Kirche besteht.’ 83 In diesem Sinne gibt es in der Gemeinde auch eine nach innen gerichtete Mission. Diese innere Spannung der Kir-che gehörte für ihn zu deren Natur. Zur Natur der Kirche gehören das ‘institutionelle Element’, das er mit dem Knochensystem des Körpers vergleicht, und das ‘Bewe-gungselement’, das das dynamische Leben und die Organisation trägt. ‘Das instituti-onelle Element dient dazu, dass der Bewegungscharakter möglichst gut zur Geltung kommt.’ 84 Victor hielt auf der Grundlage dieser Erwägungen die von den Vereinen ausgeführte Arbeit der Inneren Mission für unbedingt berechtigt, aber ‘die Kirche und deren Gemeinden stellte er vor die Tätigkeit aller Vereine oder Gruppen.’ 85 Mit seiner Missionstheologie kam Victor auch in Konflikt mit Forgács. Wegen der Ach-tung und Freundschaft gegenüber Forgács kam es zwischen ihnen jedoch nie zu einer öffentlichen Diskussion.

Nur im Licht des vorgestellten ungarischen Kontextes können wir eine Antwort darauf erhalten, warum Forgács das Klären der grundsätzlichen Begriffe der Mission und das Zusammenfassen der verschiedenen Meinungen in ein System als seine Auf-gabe betrachtete. 86 So wird auch verständlicher, warum er sich mit dem Verhältnis von

80 János Victor, ‘Mi a missziói munka?’, p. 24.81 János Victor, ‘A missziói munka theologiájához’, p. 87. 82 János Victor, ‘Lelkészi bemutatkozó beszéd a Belsőlipót Terézvárosi Református Egyház

Presbitériumának 1932. április 12-i gyűlésén’, Box. 8. 99/c. RLt Budapest, Zitiert Gaál, ‘A kezde-ményező egyház’, p. 88. Vgl. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, p. 349.

83 János Victor, ‘A missziói munka theologiájához’, p. 95.84 János Victor, Az egyház bűnei [1945] Egyházi életünk válsága [1948] (Budapest: Kálvin János Kiadó,

2003), pp. 116-120.85 Sándor Gaál, ‘A kezdeményező egyház’, p. 48.86 ‘Ich wollte zwei Zielen dienen. Zuerst, zur Klärung der grundsätzlichen Begriffe beitragen. Die Begriffe

Innere Mission, Äußere Mission, Kirche, Gemeinde, Pfarrer, Diakonie und philanthropische Tätigkeit wurden in der letzten Zeit nämlich durcheinander gebracht.’ Forgács, A belmisszió, p. V.

Page 15: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

189

Innerer Mission und Kirche sowie mit dem Schutz der Inneren Mission befasste 87 und warum er die theologischen Betonungen der Mission gerade auf diese Themen legte, die wir im Folgenden vorstellen.

Sándor MakkaiDie Missionstheologie von Wichern und Warneck war auch Sándor Makkai (1890-1951), Professor am Lehrstuhl für praktische Theologie der Universität Debrecen, gut bekannt. Makkai bewegte sich bezüglich Inhalt und Methode seiner Missionstheolo-gie in den Spuren von Forgács. Makkai war damit einverstanden, dass Wichern die nominellen Mitglieder der Kirche mit den Mitteln der Inneren Mission zu ‘wirklichen Mitgliedern’ machen wollte. Er stimmte dem Voluntarismus von Wichern zu, 88 nahm jedoch die Ekklesiologie von Wichern nur mit Vorbehalten an. Er beanstandete, dass Wichern ‘die ad-hoc-Form der kirchlichen Organisation auf eine nicht zulässige Wei-se mit der Kirche selbst identifizierte und den Pfarrerdienst infolge seiner offiziellenGegebenheiten für die Arbeit als ungeeignet beurteilte, die jedoch allein die Kirche berufen ist, auszuführen.’ 89 Der Konzeption der Inneren Mission von Wichern haftete gemäß Makkai der Schatten der ‘pietistischen ecclesiola’ an und verursachte eine unbegründete Spannung zwischen der Kirche und der Inneren Mission. Makkai war also in der Analyse der Missionstheologie von Wichern und Warneck theologisch fun-dierter und kritischer als Forgács.

Makkai versuchte den Begriff der Mission aus dem dreifachen Amt von Christus zu bestimmen. Seiner Meinung nach ist die Mission die Frucht der in Christus gepfropf-ten Mitglieder der Kirche, die ‘mit prophetischem Zeugnis, mit priesterlichem Dank-opfer und königlichem Heldentum die Wirklichkeit ihres Glaubens dokumentieren.’ 90 Er sprach also immer von einer von der Kirche ausgehenden Mission, deren Ziel das Erwecken der örtlichen Gemeinde für ihre missionarische Aufgabe ist. Von Forgács übernahm er den Gedanken, dass die Mitglieder der Kirche für die missionarische Arbeit geschult werden müssen, weil so auch der Mitarbeiter der Gemeinde zu einem Missionar werden kann.

Bei Makkai kam die Ausbreitung des Reiches Gottes unter den Zielen der Mission nicht vor, weil er sich in seiner Missionstheorie auf die internen Arbeiten der Kirche konzentrierte. Seine Hauptfrage war: ‘Wie kann aus der Inneren Mission eine Ge-meindemission gemacht werden?’ 91 Er übernahm von Forgács dessen Panmissions-anschauung und teilte die Mission in drei Gebiete: Pastorale, Gemeinde- und Äußere Mission. So erhöhte er mit der Ausweitung des Begriffs der Mission die Verwirrung nur noch weiter. Dennoch fand seine Konzeption, dass er die missionarische Arbeit eng mit der Kirche verband und die Rolle der örtlichen Gemeinde hervorhob, in der Reformierten Kirche eine günstige Aufnahme.

87 Forgács, A belmisszió, p. 31.88 Sándor Makkai, Az egyház missziói munkája (Budapest: Révai Kiadás, 1938), p. 113.89 Makkai, Az egyház missziói munkája, p. 231.90 Makkai, Az egyház missziói munkája, p. 226. 91 Makkai, Az egyház missziói munkája, p. 231.

Page 16: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

190

7.3 BEZEICHNUNG, ORT UND STRUKTUR DER MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

7.3.1 Bezeichnung

Obwohl die Bezeichnung Missiologie schon am Anfang des 20. Jahrhunderts einge-führt wurde, 92 haben Forgács und seine Zeitgenossen diesen Begriff nicht verwen-det. Auf eine andere Art beschäftigte ihn die Bezeichnung der sich mit den Fragen der Mission beschäftigenden Wissenschaft. In seinem Buch analysiert er kurz die im Ausland verwendeten Bezeichnungen, 93 von denen er, aus dem Titel des Buches von Gustav Warneck, die Bezeichnung ‘Missionslehre’ als die geeignetste fand. 94 Forgács füllte gleichzeitig diese Bezeichnung mit einem anderen Inhalt. Warneck schreibt in seinem Werk über die Äußere Mission; er erkennt aber nur ‘die unter den Heiden geleistete missionarische Tätigkeit als Mission’ an. Forgács erweiterte den Inhalt der Missionslehre und füllte ihn mit einem neuen Inhalt, als er schrieb: ‘Die Mission kann aus zwei Gesichtspunkten den Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersu-chung bilden: aus theoretischen und praktischen Gesichtspunkten. Wenn diese beiden zusammen, einander ergänzend, die sich auf die Mission beziehenden Kenntnisse dar-legen, ergibt sich die Missionslehre.’ 95

7.3.2 Ort

Im Punkt 6.3.4 erwähnten wir bereits, welche Gedanken und Probleme Forgács hatte, die Stellung der Mission im curriculum der Theologie zu finden, bis er schließlich zudem Entschluss kam, auszudrücken, dass wir ‘der Missionslehre in der praktischen Theologie einen besonderen Platz sichern müssen.’ 96 Seiner Meinung nach kann dies jedoch auch nicht als endgültige und beruhigende Lösung betrachtet werden, da eine der Aufgaben der Missionslehre die Untersuchung der übrigen theologischen Wissen-schaftszweige ist. Die andere Aufgabe dieser Disziplin besteht jedoch darin, der The-ologie ‘solche Mittel und Methoden anzubieten, die sich in der Praxis bewähren und dazu geeignet sind, dass der einzelne Mensch in Christus das neue Leben findet unddie christliche Kirche der erweckende Sauerteig der Gesellschaft ist.’ 97 Er sah also, dass die Missionslehre mit allen Gebieten der Theologie Berührung hat. Gleichzeitig war er auch um deren Einheit und Souveränität bemüht.

92 Siehe Jan A. B. Jongeneel, Missiologie. I: Zendingswetenschap (’s-Gravenhage: Boekencentrum, 1986), p. 47.

93 Forgács, A belmisszió, pp. 42-47.94 Gustav Warneck, Evangelische Missionslehre (Gotha: 1897)95 Forgács, A belmisszió, p. 29.96 Forgács, A belmisszió, p. 30. Gleiche Meinung vertrat auch Friedrich D. Schleiermacher: Siehe Jan A. B.

Jongeneel, Philosophy, Science, and Theology of Mission in the 19th and 20th Centuries, A Missiological Encyclopedia, Part. I. The Philosophy and Science of Mission (Frankfurt am Main; Berlin; Bern; New York; Paris; Wien: Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, 1995), pp. 15. 162-163.

97 Forgács, A belmisszió, pp. 30-31.

Page 17: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

191

Diese Formulierungen lassen auch darauf schließen, dass Forgács etwas von dem er-kannte, was er, die Ausdrücke von David J. Bosch, Lesslie Newbigin und Hans-Werner Gensichen gebrauchend, als ‘dimensionalen’ und ‘intentionalen’ Aspekt bezeichnete, 98 obwohl er deren Ausdrücke nicht direkt verwendet. Seine These, dass die Missionslehre wichtigster Teil der praktischen Theologie ist, weist darauf hin, dass in seiner Missions-theologie der intentionale, d.h. der, die missionarische Praxis betonende Aspekt domi-nierte. In seiner Methode betrieb er die induktive Missiologie, 99 d.h. sein Ausgangspunkt war der Kontext. Diese Methode wandte er jedoch nicht immer konsequent an, weil sein Ausgangspunkt in bestimmten Fragen, z.B. bei der Bestimmung des Begriffs der Mission, der Text war. Damit ist auch in der Anwendung von Text und Kontext die bei Forgács in diesem Studium schon früher erwähnte kreative Spannung zu erkennen. 100

Diese induktive Methode charakterisierte übrigens auch später die ungarische mis-siologische Auffassung. 101 Die einzige Ausnahme darin bildete die Missionstheologie von János Victor, der zwar mit Forgács nicht in eine Diskussion verwickelt werden wollte, jedoch ausdrücklich eine deduktive Theologie betrieb und deswegen mit Sán-dor Makkai in Diskussionen geriet. 102

7.3.3 Struktur

Mit der Frage der Struktur der Missionslehre befasste Forgács sich auch getrennt. Sein Ausgangspunkt war, dass die Innere und die Äußere Mission ‘im Wesentlichen ein und dasselbe sind’. Dennoch kann diese eine Mission ‘aus zwei Gesichtspunkten Gegen-stand der Untersuchung sein, einerseits aus theoretischem, anderseits aus praktischem Gesichtspunkt. ’ 103 Unter Berücksichtigung dieser Prinzipien baute er seine Missionsleh-re auf, die aus zwei Hauptteilen bestand, einem theoretischen und einem praktischen.

Der theoretische Teil enthielt die systematische Missionstheologie, die er als ‘all-gemeine Missionslehre’ bezeichnete. Die allgemeine Missionslehre unterteilte er wie-der in zwei Teile. In dem einen Teil behandelte er unter dem Titel ‘Grundzüge der christlichen Mission’ Begriff, Natur, Ziel und Gebiete der Mission. Im zweiten Teil behandelte er unter dem Titel ‘Innere Mission’ die von ihm für wichtig gehaltenen theoretischen Fragen der Inneren Mission.

98 David J. Bosch, Transforming Mission – Paradigm Shifts in Theology of Mission (Maryknoll, New York: The American Society of Missiology Series, 16., 1991) Übers. Attila Boros, David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában (Budapest: Harmat-PMTI, 2005), p. 451.

99 Jongeneel, Jan A.B., Missiologie I. Zendingswetenschap. II. Missionaire theologie (’s Gravenhage: Boekencentrum, B.V., 1991), p. 115.

100 Anne-Marie Kool, ‘Missziológia a teológiai tantervben Hollandiában és Magyarországon a globális fejlemények fényében’, in Debrecen an der Debreceni Református Hittudományi Egyetem gehaltener öffentlicher Habilitations-Vortrag, 14. Februar 2003, p. 6.

101 A.-M. Kool, ‘Missziológia a teológiai tantervben Hollandiában és Magyarországon’, p. 8.102 János Victor Victor, ‘Mi a missziói munka?’, Református Világ Szemle, X/1 (1941), pp. 12. 24. Sándor

Makkai, ‘Mi a missziói munka?’, Theologiai Szemle, XVII/1 (1941), pp. 31-43. János Victor, ‘A “missziói munka” theologiájához’, Theologiai Szemle, XVII/2 (1941), pp. 84-99.

103 Forgács, A belmisszió, p. 29.

Page 18: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

192

Der praktische Teil enthielt unter dem Titel ‘Die Arbeit der Inneren Mission’ die praktische Missionstheologie. Die Arbeit der Inneren Mission unterteilte er auch wie-der in zwei Teile. Der eine ist die ‘Außenarbeit der Inneren Mission’, die aus zwei Zweigen besteht: aus dem Evangelisieren und aus der Diakonie. Der andere Teil ist die ‘Innenarbeit der Inneren Mission’. Diese besteht ebenfalls aus zwei Zweigen: aus der Ausbildung der Mitarbeiter und der Organisationstätigkeit. 104

Während Forgács versuchte, seine Missionslehre im Rahmen einer klar beschrie-benen Struktur darzustellen, betont er auch an mehreren Stellen die Einheit von Mis-sion bzw. Missionslehre. ‘Unsererseits betrachten wir die Lehre der Inneren Mission als einen Teil der allgemeinen Missionslehre.’ 105 Er argumentierte, dass es einen Aus-sendenden gibt und ‘die Mission einen großen Acker hat, “Der Acker ist die Welt” (Matthäus 13,38).’ 106 Es gibt also nach Forgács nur eine Mission.

Es kann behauptet werden, dass in der ungarischen theologischen Literatur das Be-trachten der Mission als eine Einheit zuerst von Forgács vertreten wurde. 107 Obwohl seine Missionstheologie anders erörtert werden kann als Forgács es gemacht hat, z.B. Jongeneel folgend, 108 analysieren wir sein ‘System’ gemäß der durch Forgács ausge-arbeiteten Struktur. Diese Einteilung von Forgács hat den Nachteil, dass er z.B. die Diakonie zwei Mal behandelt: einmal im systematischen und einmal im praktischen Teil. Obwohl wir darüber nachgedacht haben, diese zwei Sachen zusammen zu fügen, haben wir am Ende beschlossen, es zu belassen wie Forgács es herausgestellt hat.

7.4 SYSTEMATISCHE MISSIONSTHEOLOGIE

7.4.1 Begriff und Natur der Mission

Trinitarischer AspektForgács näherte sich dem Begriff der Mission von zwei Seiten. Eine war die vertikale An-näherung über die christozentrische Prädestinationslehre. Hinter dieser Annäherung stand die bekenntnistreue calvinistische Auffassung von Forgács. Gott wählte zuerst Christus aus, danach diejenigen, die er in Christus selig machen wollte. So wie die Auserwählung von Christus nicht nur hinsichtlich der Erlösung erfolgte, sondern auch hinsichtlich der Ausweitung des Reiches Gottes, wurden die Auserwählten nicht nur für die Erlösung, son-dern auch für die Ausweitung des Reiches Gottes erwählt. ‘Gott nahm seine Auserwählten von Anfang an in seiner Gnade auf und stellte sie in den Dienst seiner ewigen Ziele.’ 109

Damit steht jede Sendung mit der Sendung von Christi, genauer ausgedrückt, mit Christus selbst in Verbindung. ‘Der größte Ausgesandte Gottes ist Jesus Christus. Er

104 Forgács, A belmisszió, pp. 40-41.105 Forgács, A belmisszió, p. 48.106 Forgács, A belmisszió, p. 28.107 Unsere Behauptung wird auch von A.-M. Kool bekräftigt, God moves in a mysterious way, p. 304.108 Jongeneel, Missiologie I, p. 61.109 Forgács, A belmisszió, p. 1.

Page 19: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

193

steht an der Spitze der Missionsarbeit und gleichzeitig auch in deren Mittelpunkt.’ 110 An seiner Sendung hatten die Propheten des Alten Testaments und auch das Volk Isra-el Anteil, deren Sendung ‘auf die Vorbereitung des Kommens des Reiches Gottes ge-richtet war.’ 111 Gleichzeitig hatte an der Sendung von Christus dessen ‘Missionsheer, seine heilige christliche Kirche’, Anteil, 112 welche er zur Ausweitung des Reiches Gottes gesandt hatte. Jede Mission ist im Endergebnis die Mission von Jesus Chris-tus. ‘Die größte Bedeutung der Sendung von Jesus war, dass er sich an die Spitze der Auserwählten Gottes stellte, sie zu seiner Heerschar organisierte, ihnen seinen Geist gab und, in der Kirche vereint, zur Unterwerfung des Erdkreises zu allen Völkern, bis ans Ende der Welt, aussandte.’ 113

Forgács benutzte nicht den terminus technicus der Missio Dei. Doch seine sich auf die Mission beziehenden trinitarischen Formulierungen decken den Begriff der Missio Dei. Anne-Marie Kool machte, sich auf Jan A. B. Jongeneel berufend, darauf aufmerksam, dass der Missionsbegriff von Forgács, mit seiner auf die Betonung der Sendung durch Gott und der Einheit der Mission, eine große Ähnlichkeit mit den Ansichten des calvinistischen Missiologen Gijsbert Voetius (1589-1676) aufweist. 114 Damit kann Forgács ‘als früher Vorläufer des Grundprinzips betrachtet werden, das später als Missio Dei bezeichnet wurde.’ 115

Wenn wir die Missionslehre von Forgács an diesem Punkt mit der von Gustav War-neck vergleichen, den er ‘für den hervorragendsten Betreiber der Missionswissenschaft der gegenwärtigen Zeit’ hielt, können wir sagen, dass er bei aller Anerkennung den Missionsbegriff von Warneck kritisch behandelte. Er übernahm nicht den Gedanken, dass die Mission nur ‘Pflanzung und Organisation der Kirche unter Nichtchristen’ ist, 116 d.h. eine unter den heidnischen Völkern ausgeführte Mission, weil er darin eine ‘ein-seitige Beschränkung des Missionsbegriffs sah.’ 117 Obwohl auch Forgács die Äußere Mission für wichtig hielt, hielt er deren Trennung von der Inneren Mission für nicht annehmbar. Damit trennte er sich von der missionarischen Konzeption Warnecks, die auf die europäisch-missiologische Denkweise einen bedeutenden Einfluss ausübte. 118

Die weitere Missionsauslegung von Forgács übernahm der Debrecener Theolo-gieprofessor Sándor Makkai (1890-1951), der später (1947) auch Missionsreferent des Konvents war. Mit seinem 1938 erschienenen Buch trug er bedeutend zur Klärung der theoretischen und praktischen Fragen der ungarischen Missionstheologie bei. Ge-

110 Forgács, A belmisszió, pp. 1. 5.111 Forgács, A belmisszió, p. 1.112 Forgács, A belmisszió, p. 7.113 Forgács, A belmisszió, p. 7.114 A.-M. Kool, God moves in a mysterious way, p. 298. Vgl. Jan A. B. Jongeneeel, ‘Voetius’

zendingstheologie, de eerste comprehensieve protestantse zendingstheologie’, pp. 117-147.115 A.-M. Kool, God moves in a mysterious way, p. 300.116 RGG, 3. Aufl.. IV. Bd., Wilfrid Werbeck red., (Tübingen: J.C.B. Mohr /Paul Siebeck/, 1960), p. 974. Siehe

noch RGG, 4. Aufl. 5. Bd. Jörg Persch red. (Tübingen: J.C.B. Mohr [Paul Siebeck], 2002), p. 1328.117 Forgács, A belmisszió, p. 29.118 RGG, 3. Aufl. IV. Bd., p. 1014. Siehe noch RGG, 4. Aufl. 5. Bd., p. 1328.

Page 20: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

194

mäß Makkai ‘bilden die pastorale, Gemeinde- und Wiederholende Tätigkeit (Äußere Mission) zusammen das einheitliche Ganze der missionarischen Arbeit der Kirche.’ 119 Gleichzeitig war János Victor, der von Anfang an ein Mitarbeiter von Forgács war, nicht mit der weiten Auslegung der Mission, weder von Forgács noch von Makkai, einverstanden und bekannte, dass man solche Dinge unterscheiden muss, die heute, unter dem Sammelbegriff der missionarischen Arbeit vermischt werden.’ 120 Dieser Meinungsunterschied führte schließlich zu einer Kontroverse zwischen Victor und Makkai, und in der Erklärung für diesen Meinungsunterschied geben wir Sándor Gaál Recht, nach welchem die Ursache dessen eigentlich in der Methode des Herangehens an das Problem zu suchen ist. Demzufolge untersuchte Victor die Mission über die ekklesiologische Annäherung, d.h. darüber, was die Bibel über die Kirche sagt. Mak-kai jedoch suchte die Antwort auf die Frage, was Mission ist, 121 von der empirischen Wirklichkeit der Kirche ausgehend, d.h. ekklesiastisch. 122 Ihre Diskussion ist übrigens ein genauer Spiegel der theologischen Aktivität der ungarischen Mission, die durch die Ereignisse nach dem 2. Weltkrieg für Jahrzehnte unterdrückt wurde.

Forgács brachte über die obigen Ausführungen hinaus die Mission der Auserwähl-ten nicht nur mit der Sendung von Christus, sondern auch mit dem Opfer von Chris-tus in Zusammenhang. Die Teilnahme am Opfer von Christus betrachtete er auf eine solche Weise, dass auch der Mensch ‘seinen Verstand, Herz, Willen, Zeit, Vermögen, Körper und Geist für andere opfern muss aus Liebe zu Christus und zu seinem Evan-gelium. Das ist das Wesen der Mission.’ 123

Obwohl sich Forgács dem Begriff der Mission, wie wir behaupteten, von der chris-tozentrischen Prädestinationslehre annäherte, verlor seine biblisch begonnene Missi-onslehre ihre Theozentrizität und schlug in einen Pragmatismus um, als er zur For-mulierung des Ziels der Mission kam. Für ihn war das endgültige Ziel der Mission, welches er von John R. Mott übernahm, die ‘Eroberung der Welt’, 124 während ihn die Gloria Dei theologisch, als eigentliches Ziel der Mission, nicht mehr beschäftigte. Gemäß David Bosch begannen sich ab dem Ende des 19. Jahrhunderts, in erster Linie unter dem Einfluss der amerikanischen Missionen, der Pragmatismus und der Akti-vismus zu verbreiten. Diese verliehen den großen missionarischen Unternehmungen Schwung, die Missionstheologie dagegen machten sie oberflächlicher. 125 Diese missio-narische Begeisterung berührte, allen Zeichen nach, auch Forgács tief und damit kann auch die Oberflächigkeit seiner systematischen Missionstheologie erklärt werden. Als

119 Sándor Makkai, Az egyház missziói munkája (Budapest: Révai Kiadás, 1938), p. 117.120 János Victor, ‘Mi a missziói munka?’ Református Világ Szemle, X/1(1941), p. 12, zitiert: A.-M. Kool,

God moves in a mysterious way, p. 329.121 Sándor Gaál, ‘A kezdeményező egyház’, p. 58.122 ‘Die Ekklesiastik ist die Wissenschaft von Leben und Arbeit der Kirche, ihr Gegenstand ist nicht die

Kirche, sondern das kirchliche Leben’, ein Zweig der ungarischen Wissenschaft, eingeführt von László Ravasz, ihre bedeutendsten Anhänger sind Lajos Imre, Dezső László, Sándor Makkai. Siehe Lajos Imre, Ekkléziasztika (Budapest: Bethlen Gábor Irodalmi és Nyomdai Rt., 1941), p. 5.

123 Forgács, A belmisszió, p. 3. 124 Forgács, A belmisszió, p. 7.125 David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, pp. 308-309.

Page 21: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

195

Theologe befasste er sich eher mit dem Problem der Motivation der Mission, das zu den besser ausgearbeiteten Teilen seiner systematischen Missionstheologie gehört.

Obwohl Forgács die trinitarische Formulierung der Mission benutzte und anwand-te, war die Pneumatologie ein schwacher Punkt seiner Missionstheologie. Das geht auch daraus hervor, dass er in seinem Hauptwerk nur eine halbe Seite der Arbeit des Heiligen Geistes widmet. Noch auffallender ist jedoch, dass er über die Arbeit und Rolle des Heiligen Geistes nur so viel schrieb, dass er den Jüngern Kraft zur Aus-führung ihrer Arbeit gibt. Seine Behauptung ist es, dass es die Aufgabe der Jünger wäre, ‘das Geschenk des Heiligen Geistes unter der Voraussetzung der Bekehrung anzubieten. Die Pflicht der Missionare, dem Geist den Weg zu bereiten…’ 126 stand nicht im Einklang mit seiner eigenen Auffassung über die Prädestination. Denn diese Formulierungen werfen die Frage auf, ob die reformierte Lehre über die souveräne Arbeit des Heiligen Geistes infolge der in diesem Ausmaß auf den menschlichen Fak-tor gelegten Betonung nicht beeinträchtigt wird. Es scheint, dass die Diskontinuität zwischen dem von der Prädestination ausgehenden Missionsbegriff und der Pneuma-tologie ein schwacher Punkt seiner Missionstheologie ist.

Die außer Acht gelassene pneumatologische Betonung kann auch über die Missi-onslehre von Warneck gesagt werden. 127 Dazu bemerkt Makkai, dass ‘Warneck in sei-nem Werk nicht die handelnde Subjektivität des Heiligen Geistes hervorhebt.’ 128 Die Erklärung dafür findet Makkai darin, dass gemäß Warneck die Mission der Weiterbaudes von Christus auf der Erde begonnenen Werkes ist, obwohl die Jünger nicht das Werk von Christus weiter bauen müssen, sondern darüber Zeugnis abzulegen haben. Makkais Einwand ist auch deshalb interessant, weil das, was er bei Warneck bemän-gelt, auch über ihn gesagt werden kann. In seinem über die missionarische Arbeit der Kirche geschriebenen Werk finden wir weder in dessen ekklesiologischem noch indessen missiologischem Teil ein starkes pneumatologisches Fundament.

Im Gegensatz zu Forgács und Makkai kann dagegen behauptet werden, dass hinter der Missionstheologie von János Victor eine gründlich ausgearbeitete Pneumatologie stand, die hinsichtlich des Zeitpunkts des Erscheinens von Schriften dieses Inhalts, als Ergebnis eines theologischen Reifeprozesses ausgearbeitet wurde. 129 Es scheint, als hätte Forgács die pneumatologischen Gesichtspunkte von Victor nicht bemerkt oder unberücksichtigt gelassen.

126 Forgács, A belmisszió, p. 18.127 Darauf verweist Hoekendijk, wenn er schreibt: ‘Im Grunde rächt sich in Warneckes über die Mission

gebildeter Dogmatik die falsche Auffassung, wenn im Sinne des biblischen Gesetzes den Platz des Zeugnisses des Heiligen Geistes (eskatologisches Geschenk) die ‘Natur eingenommen hat.’ Johannes C. Hoekendijk, Kerk en Volk in de Duitse Zendingwetenschap, Diss. Utrecht (Groningen: 1948), p. 95, zitiert A.-M. Kool, God moves in a mysterious way, p. 345.

128 Makkai, Az egyház missziói munkája, p. 344. 129 János Victor, Református Hiszekegy (Budapest: Traktátus Kiadás, 1943), pp. 236-290. Siehe noch

János Victor, ‘Egyházi életünk válsága’ (1948) in János Victor, Az egyház bűnei (Budapest: Kálvin János Kiadó, 2003), pp. 138-145. Bedauerlich ist, dass Sándor Gaál in seiner über Victor geschriebenen Dissertation dieses pneumatologische Fundament außer Acht ließ.

Page 22: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

196

Ekklesiologischer AspektForgács näherte sich dem Begriff der Mission aus der Perspektive der Ekklesiastik. Das bedeutet, dass er die Mission mit der Kirche verband und diese für die ‘Lebens-äußerung’ der Kirche hielt. 130 Davon ausgehend gelangte er zu der Schlussfolgerung, dass die Mission Pflicht aller Mitglieder der Kirche ist. ‘Die Innere Mission ist beiuns die Arbeit der Kirche selbst, bei der sich die Organe, Repräsentanten und eifrigen Kirchenmitglieder zu dem einem Ziel zusammenschließen, dass unsere Reformierte Kirche insgesamt, eingeschlossen deren Mitglieder, ein bereitwilliger und ein eine brüderliche Gemeinschaft bildender Teil der christlichen Kirche von Jesus Christus werde.’ 131 ‘Meine heilige Überzeugung ist es, dass das Leben unserer Kirche und die-se Bestimmung gemeinsam bestehen, oder gemeinsam zu Fall kommen…’. 132

Die Verbindung des Begriffes der Mission mit der Kirche auf diese Weise hatte nicht nur deshalb eine besondere Bedeutung, weil dieses Prinzip im 20. Jahrhundert in Ungarn zum ersten Mal von Forgács formuliert wurde, sondern auch deshalb, weil diese Auffassung die Spannung zwischen der Reformierten Kirche und den die Mis-sion ausführenden Vereinen, sowie die Eifersucht der Kirchenleiter, schrittweise ab-bauen bzw. lösen konnte. Gleichzeitig war diese Auffassung auch dazu geeignet, in den Leitern der Kirche die Verantwortung gegenüber der Mission zu wecken. Dass der von ihm vertretene Missionsbegriff seitens der Leiter der Kirche schließlich anerkannt wurde, beweist die Tatsache, dass ihn die Synode 1930 mit Entwurf und Formulierung des Missionsgesetzes der Reformierten Kirche beauftragte.

Betrachten wir nun die Bestimmung des Begriffes der Mission, die er als Missi-onsreferent der Synode und der Kirche am 16. Dezember 1930 auf der Sitzung des Missionsausschusses der Synode und des Konvents vorlegte. Sie lautet wie folgt: ‘Die Lebensäußerung der Kirche Christi und der zu dieser gehörenden Ungarischen Refor-mierten Kirche, die ein Bekenntnis zum Evangelium von Jesus Christus ist, die Aus-breitung des Reiches Gottes durch den aus der christlichen Liebe herrührenden Dienst sowohl innerhalb der Kirche als auch außerhalb dieser unter den Juden, Mohammeda-nern und Heiden bezeichnen wir als göttliche Sendung, als Mission.’ 133 Mit dieser Be-stimmung wurden auf einem offiziellen Forum der Ungarischen Reformierten Kircheerstmals drei wichtige Feststellungen getroffen. Die erste, dass die Mission nicht nur eine Aufgabe der Kirche, sondern auch deren Lebensäußerung ist. Die zweite, dass die Mission nicht nur Predigt, sondern auch Diakonie ist. Die dritte, dass die Mission geografisch nicht nur lokaler, sondern auch globaler Natur ist.

In dieser Formulierung, deren Kirchenbegriff zwar zu allgemein ist, sehen wir dennoch die früher bereits behandelte, durch Wichern betonte, Innere Mission sowie die Gedanken der durch Warneck und Heldring angestrebten Diakonie und Äußeren Mission integriert. Darin sind sowohl die Gedanken der nationalen grenzüberschrei-tenden Mission, die von Aladár Szabó vertreten wurde, als auch der an die Kirche ge-

130 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 3.131 Forgács, A református misszió irányelvei, pp. 3-4.132 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 1.133 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 3.

Page 23: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

197

bundenen Mission, die Victor betonte, enthalten. Mit dieser prägnanten Formulierung der Mission kann Forgács als Pionier, der Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Missionsliteratur bezeichnet werden.

Die Natur der MissionÜber die Natur der Mission sagte Forgács aus, dass der missionarische Auftrag ewig gilt. Er drückte damit aus, dass die Mission über einen immanenten und einen es-chatologischen Aspekt verfügt. Über den immanenten Aspekt bekannte er, dass die missionarische Arbeit nicht hier auf der Erde enden wird, schon deshalb nicht, weil die Kirche diese Arbeit zu jeder Zeit und auch im Kontext des Volkes immer wie-der neu überdenken und anpassen muss. Nach dem eschatologischen Aspekt gilt die Mission ewig, weil sie ‘auch dann nicht aufhört, wenn die Anhänger von Christus ihren Herrn von Angesicht zu Angesicht sehen können … und ‘seine Diener ihm auch weiterhin dienen’ (Offb 22:1-3).’ 134 Im Bezug auf den immanenten Aspekt unternahm er einen Versuch, als er seiner 1931 erschienenen Schrift den Titel gab A református misszió irányelvei, különös tekintettel a magyar református egyház jelenlegi helyzeté-re (Grundprinzipien der reformierten Mission, mit besonderer Hinsicht auf die gegen-wärtige Situation der Ungarischen Reformierten Kirche). Das bedeutet in der ungari-schen reformierten Volkskirche inhaltlich einerseits das Ablegen des Zeugnisses über die Liebe Gottes, andererseits das praktische Leben der der Ehre Gottes dienenden christlichen Lebensform.

7.4.2 Ziele der Mission

7.4.2.1 Die Ausbreitung des Reiches GottesUnter den Zielen der Mission nannte Forgács am häufigsten die Ausbreitung des Rei-ches Gottes. ‘Das Erlösungwerk von Christus gründete das Reich Gottes und dessen Ausbreitung machte er zu einer Pflicht für alle seine Anhänger.’ 135 Bei ihm ist das Reich Gottes nicht nur ein Schlüssel, sondern auch ein alles umfassender Begriff. Unter den immanenten und eschatologischen Aspekten des Reiches Gottes legte er die Betonung auf dessen Gegenwärtigkeit. Den Inhalt des Begriffs bestimmte er auf ver-schiedene Weise. Einmal sagte er, dass das Reich Gottes das ‘Gute’ ist; 136 bei anderer Gelegenheit identifizierte er dieses mit dem Evangelium, ohne dass er den Inhalt desEvangeliums genau angegeben hätte. An anderer Stelle identifizierte er es dagegen mitdem Heil. 137 Obwohl er das Reich Gottes als einen Prozess verstand, entgingen seiner Aufmerksamkeit dennoch die alttestamentlichen Wurzeln des Gedankens des Reiches Gottes. Er sprach so über dieses, als hätte es erst mit dem Erlösungstod von Christus begonnen. Dass der Begriff des Reiches Gottes, der das Alte Testament mit dem Neu-

134 Forgács, A belmisszió, p. 6.135 Forgács, A belmisszió, p. 1. Siehe noch pp. 3. 11. 14. 23.136 Forgács, A belmisszió, p. 1. 137 ‘Das Reich Gottes ist alles das Gute, wonach wir uns sehnen. Das Reich Gottes ist das Heil.’ Forgács

Gyula, Isten országa, Magyar prédikációk (Ungarische Predigten), C/27-3. P.15. RLt Budapest.

Page 24: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

198

en Testament stark verbindet, der Aufmerksamkeit von Forgács entging, erstaunt uns desto mehr, weil er an der ungarischen Judenmission aktiv teilnahm und sich in mehre-ren seiner Schriften mit den theologischen Beweggründen der Judenmission befasste. Bemerkenswert ist, dass er sich bei den theologischen Beweggründen der Mission unter den Juden auch nicht auf das Reich Gottes als gemeinsames Fundament beruft. Dieser Mangel bildet einen weiteren Schwachpunkt der Missionstheologie von Forgács.

Das Reich Gottes war nicht nur als biblischer Begriff, sondern auch als ein die nationalen Grenzen überspannendes missionarisches Programm bereits bei Aladár Szabó 138 und István Hamar vorhanden, 139 die an der Budapester Theologischen Fakul-tät Professoren von Forgács waren. Die in 7.2.1 erwähnten ausländischen Einflüssespielten also auch eine Rolle dabei, dass er als Ziel der Äußeren Mission die Ausbrei-tung des Reiches Gottes angibt und den Begriff der Mission nicht nur auf die Arbeit innerhalb der ungarischen reformierten Gemeinden beschränkt.

Wenn Forgács von der Ausweitung des Reiches Gottes spricht, bezieht er das na-türlich nicht nur auf die Äußere Mission, sondern auch auf die Arbeit der Inneren Mis-sion. ‘Das Endziel der Tätigkeit der Inneren Mission ist also, dass unsere Kirche zur Erfüllung der größten Aufgabe geeignet ist, zur Ausbreitung des Reiches Gottes.’ 140 Über Wesen und nähere Bestimmung der Ausbreitung sprechend benutzte er nur ge-legentlich den Begriff ‘Bekehrung’, statt dessen verwendet er konsequent die Formu-lierung ‘die Menschen zu Jesus führen’ und ‘mit ihm eine Verbindung herzustellen’, sowie ‘ihnen Leben zu geben.’ 141 An anderer Stelle bezeichnet er die gleiche Arbeit auch als die ‘Rettung von Seelen’. 142 Die Ausbreitung des Reiches Gottes bedeutete bei Forgács letztendlich die Vermittlung des Heils, die dann beginnt, wenn die Men-schen mit Jesus Christus in eine Lebensverbindung kommen. 143 Dafür zu arbeiten ist eines der großen Ziele der Mission. Mit der Bezeichnung der Ausbreitung des Reiches Gottes als missionarisches Ziel erweiterte er übrigens den Begriff der Mission und machte diesen, gewollt oder ungewollt, zu einer über Konfessionen und Nationen ste-henden Angelegenheit. Die Bezeichnung der Ausbreitung des Reiches Gottes als mis-sionarisches Ziel arbeitete Forgács weder biblisch noch dogmatisch in einer solchen Tiefe aus, dass es seine Zeitgenossen hätte überzeugen können. Deshalb übernahmen weder László Ravasz, Jenő Sebestyén, noch Sándor Makkai diesen Gedanken von ihm. Dagegen legte Forgács mit der weiten Auslegung des Begriffs des Reiches Got-tes die Grundlage einer solchen Panmissionsanschauung, die Sándor Makkai später zwar von Forgács übernahm, János Victor jedoch entschieden ablehnte.

138 Aladár Szabó, ‘A protestantizmus és a külmisszió’, Protestáns Szemle, II (1890), pp. 800-801.139 István Hamar nahm 1910 an der Londoner Konferenz der Studenten Missionsfreiwilligen Bewegung

(SMB) teil, deren Programm ‘Die Jugend hat eine große und erhabene Aufgabe in der Ausbreitung des Reiches Gottes’ er zu Hause weitergab. István Hamar, ‘Jelentés a keresztyén diákok londoni nemzetközi missziói konferenciájáról’, Protestáns Egyházi és Iskolai Lap, XLIII/9 (1900), p. 140.

140 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 4. 141 Forgács, A belmisszió, p. 6.142 Forgács, A belmisszió, p. 336.143 Bosch bezeichnet das als paulinisches Paradigma. David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió

teológiájában, p. 362.

Page 25: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

199

7.4.2.2 Die GemeindegründungForgács war der Auffassung, obwohl das Reich Gottes und die Kirche eng zusammen gehören, dass die Kirche dennoch nicht mit dem Reich Gottes identisch ist. Aufgabe der Kirche ist die Ausbreitung des Reiches Gottes unter den Völkern, das ist die Äu-ßere Mission. Da es aber unter den Mitgliedern der Kirche viele so genannte Christen gibt, ist es Aufgabe der Kirche, auch unter den so genannten Christen das Reich Got-tes auszubreiten, und das ist die Innere Mission. 144

Nachdem er das Verhältnis zwischen dem Reich Gottes und der Kirche klar sah, ist auffallend, dass Forgács unter den Zielen der Mission an keiner Stelle die Grün-dung neuer Gemeinden nannte. Das ist auch deshalb erwähnenswert, weil infolge der industriellen Revolution große Massen in die Industriegroßstädte abwanderten und von 1920 bis 1941 in Budapest sieben, in der Umgebung von Budapest vierzehn neue Gemeinden entstanden. Diese Gruppe bildete sich aus den reformierten Kir-chenmitgliedern, die einerseits aus der Provinz abgewandert sind und anderseits aus Siebenbürgen nach dem 1920 abgeschlossenen Friedensvertrag von Trianon in ihr Mutterland umsiedelten. 145

In der Sichtweise von Forgács fehlte innerhalb der Bestimmung der allgemeinen, großen Ziele der Inneren Mission und der Äußeren Mission vollkommen das Ziel der Gemeindegründung (plantatio ecclesiae). Dieses missionarische Ziel, das damals noch nicht sehr viele Pfarrer beschäftigte, entging so sehr seiner Aufmerksamkeit, dass er es in seinem Buch über die Mission nicht einmal erwähnte. Es erschien auch nicht in dem von ihm vorbereiteten Missionsgesetz aus dem Jahre 1933. Die Erklä-rung dafür ist, vermuten wir, in zwei Umständen zu finden. Der eine Umstand ist, dasser die Ausarbeitung des theologischen Fragenkomplexes über die Gemeindegründung János Victor überließ, mit dem er bis zu seinem Lebensende das beste Freundes- und Mitarbeiterverhältnis hatte. Victor trat nämlich 1932 von seiner Funktion als Theo-logieprofessor zurück und wurde Pfarrer, der in Budapest Gemeinden gründete. 146 Er hat den missionarischen theologischen Fragenkomplex der Gemeindegründung gründlich ausgearbeitet. 147 Den anderen Grund vermuten wir darin zu finden, dass, alsin Budapest und Umgebung die Gründung neuer Gemeinden begann, Forgács in Sáro-spatak arbeitete (1924-1933), d.h. an einem entfernten Punkt des Landes, wo es keine aus anderen Gebieten zugewanderten Massen gab und die Bauern auf Aussiedlerhö-fen wohnten. Somit erschien die Gemeindegründung in erster Linie in der Hauptstadt als Problem. Es kann auch als sicher angenommen werden, dass ihn in dieser Zeit die ihm von der Synode anvertrauten vielfältigen missionarischen Arbeiten so beschäftigt haben, dass ihm vermutlich weder Zeit noch Kraft für die Ausarbeitung der theoreti-schen Fragen der Gemeindegründung blieb.

144 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 3.Forgács, A református misszió irányelvei, p. 3.145 Sándor Bíró, ‘A két világháború kora’ , in A Magyar Református Egyház története, Sándor Bíró und

István Szilágyi red., (Budapest: Kossuth Könyvkiadó, 1949), p. 412.146 János Victor, ‘Lelkészi bemutatkozó beszéd a Belsőlipót-Terézvárosi Református Egyház

Presbitériumának 1932. 04.12.-i gyűlésén’ 1. 99/c.8. RLt Budapest.147 Siehe dessen ausführliche Analyse, Sándor Gaál, ‘A kezdeményező egyház’, pp. 88-97.

Page 26: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

200

7.4.2.3 Verkündigung – ErziehungForgács bezeichnete das Ziel der Mission darin, dass die Menschen zu Jesus geführt werden müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, betrachtete er die Verkündigung des Wortes Gottes als wichtigstes Mittel der Mission. Die das Reich Gottes verbreiten-de Predigt bezeichnete er als ‘missionarische Predigt’. 148Die missionarische Predigt unterschied er von der Gemeindepredigt. Als missionarische Predigt bezeichnete er die in einem solchen Missionsbereich erfolgende, in dem das Evangelium entweder unbekannt ist oder in dem der Kirche entfremdete Menschen leben. Hier dient die Predigt der horizontalen Ausbreitung des Reiches Gottes. Als Gemeindepredigt cha-rakterisierte er die an die christliche Gemeinde gerichtete Verkündigung. 149

Gemäß Forgács ist die Mission mit der Taufe der Menschen nicht beendet, sondern die Getauften benötigen die Bekräftigung ihres Glaubens und auch die Ermutigung zum Handeln, denn die beiden Arme der Mission sind das Wort und die Tat. Diesem dient die Erziehung der Gemeinde zum Handeln und zur Mission. Das Mittel dafür ist die Lehre. ‘Die missionarischen Aufgaben reichen also nicht nur so weit, bis ein Mensch oder ein Volk bekehrt ist, eigentlich beginnen sie dann, weil der missionari-sche Befehl nicht bei ‘sie taufend’ endet, sondern bei ‘sie lehrend’. 150 Unter der Lehre als missionarisches Ziel verstand er einerseits das, worauf auch der missionarische Befehl hinweist, ‘… alles zu befolgen, was ich euch aufgetragen habe’ (Matthäus 28,19), d.h. die Weitergabe der Aufträge von Jesus und der Lehren der Bibel. An-dererseits bedeutete das bei ihm die bewusste Vorbereitung der Gemeindemitglieder auf die missionarische Tätigkeit. Vor Forgács schwebte, bis zu seinem Lebensende, als wichtiges Ziel das Bild der ‘missionarischen Kirche’, in der so viele wie möglich irgendeine missionarische Arbeit ausführen sollten. Er wollte also mit der Betonung der Lehre als missionarisches Ziel den erbärmlichen geistlichen Zustand der Kirche verändern. Er war davon überzeugt, dass die Lehre, unter der er auch die Katechese unter Teenagern und Erwachsenen verstand, ein geeignetes Mittel dafür ist, die Ge-meinde aus der traditionellen Passivität der Volkskirche herauszuführen und so das Reich Gottes auch innerhalb der Gemeinde aufzubauen.

Forgács betrat mit seinem Lehrprogramm, d.h. Mitarbeiter für die Mission auszu-bilden, mit dem er übrigens den Spuren von Wichern folgte, einen in der Ungarischen Reformierten Kirche bis dahin unbekannten Weg, während er den Begriff der Mission damit weiter ausdehnte. Die Lehre, als missionarisches Ziel, behielt er sein ganzes Le-ben lang vor Augen. Deshalb konnte László Ravasz in seinem Nekrolog über Forgács schreiben, dass ‘auch er ein Lehrmeister seiner Nation wurde: In erster Linie ging bei ihm das Donaugebiet zur Schule.’ 151

148 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 4. 149 Forgács, A belmisszió, pp. 339-340. Forgács, A belmisszió, pp. 339-340.150 Forgács, A belmisszió, p. 29.151 László Ravasz, XX. Püspöki Jelentés, Sonderdruck. A Dunamelléki Ref. Egyházkerület 1941. évi

jegyzőkönyvéből (Budapest: Bethlen Gábor Irodalmi és Nyomdai Rt., 1941), p. 8.

Page 27: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

201

7.4.2.4 Diakonie

Die Diakonie als EvangelisationForgács zählte zu den Mitteln der Mission die Diakonie als Tat des Wortes. Diese suchte die Unterstützung der ‘in Not geratenen, krank dahin siechenden, verwahr-losten oder der Gefahr der Verwahrlosung ausgesetzten Mitglieder’ der Kirche. 152 Als Zielgruppe der diakonischen Arbeit betrachtete er in erster Linie die in der Re-formierten Kirche getauften Christen, unabhängig davon, ob diese aktive oder nur nominelle Mitglieder der Reformierten Kirche sind. Die unter ihnen ausgeführte Di-akonie bezeichnete er als ‘Pflege-’, ‘Schutz-’ oder ‘Rettungsarbeit’, und bei andererGelegenheit auch als ‘Sozialarbeit’. Die diakonische Arbeit unterschied er so von der humanitären Hilfeleistung, dass er das missionarische Ziel der Diakonie stark mit dem Ziel der Evangelisation verband. ‘Die reformierte Diakonie dient nicht nur dazu, bei körperlichen Beschwerden zu helfen, sondern ihr Dienst ist auch eine Arbeit für das seelische Heil der Leidenden und ein Wegweiser zum König der Liebe.’ 153 Sich auf Calvin berufend betonte er, dass die Diakonie letztendlich nicht ein an Menschen, sondern für den Herrn ausgeführter Dienst ist, welcher sagte: ‘Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan (Matthäus 25,40).’ 154

Da gemäß Forgács das Hauptziel der Mission die Ausbreitung des Reiches Gottes ist, sah er auch in der Diakonie ein wichtiges Instrument für die Ausbreitung des Reiches Gottes, ein solches Mittel, das die Predigt mit Taten bekräftigt. Deshalb war er auch bestrebt, nicht nur die Diakonie, sondern auch die Erziehung zur Diakonie unter den Zielen der Mission aufzunehmen. 155 Der Erkenntnis, dass unter den Mit-teln der Mission auch die Erziehung zur Diakonie enthalten sein muss, halfen seine Kenntnisse der Geschichte des Pietismus sowie auch seine in Schottland erworbenen persönlichen Erfahrungen. 156 Nach dem in Schottland gesehenen Vorbild organisierte er als Pfarrer in Sárospatak die Fürsorge der Armen, die Fürsorge der Säuglinge der auf Aussiedlerhöfen lebenden armen Eltern und den Kampf gegen die Bettelei auf den Straßen. Was er also als Theorie über die Diakonie schrieb, versuchte er selbst zu realisieren.

Die Diakonie als AufgabeÜber die Motivationen der diakonischen Arbeit sprechend, hielt er diese einerseits für eine Frucht des ‘christlichen Lebens’, andererseits, unter Berufung auf Matthäus 25:35-36, für eine Pflicht und einen Auftrag von Christus her. Er berief sich auch nochauf das Leben der apostolischen Kirche, in der die Diakonie ebenfalls eine wichtige Rolle spielte. An einer anderen Stelle begründet er die Pflicht zur diakonischen Arbeitdamit, dass es ‘in der christlichen Kirche nicht nur seelische, sondern auch körperli-

152 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 3.153 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 12.154 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 12.155 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 17.156 Forgács, A belmisszió, pp. 118. 155.

Page 28: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

202

che Gebrechen gibt’. 157 Weil das Ziel der Mission der Mensch selbst ist, gehören auch dessen körperliche Gebrechen in den Bereich der Mission. Die Diakonie ist in der christlichen Kirche so lange notwendig, ‘so lange es unter ihren Mitgliedern auch nur ein Mitglied gibt, das leidet, arm ist und entbehren muss.’ 158 Die Durchführung der Diakonie betrieb er übrigens auch noch deshalb, weil er davon überzeugt war, dass deren Ausübung positiv auf das missionarische Leben der Gemeinde zurückwirkt und gleichzeitig das Reich Gottes baut.

7.4.3 Gebiete der Mission

7.4.3.1 Eine Mission, zwei GebieteWenn Forgács über die missionarische Tätigkeit sprach, betonte er immer, dass es nur eine Mission gibt und diese eine ‘Mission über ein großes Feld verfügt: “Der Acker ist die Welt” (Matthäus 13,38).’ 159 Diesen großen Acker teilte er jedoch, aus dem Gesichtspunkt des ‘Arbeitsfeldes’, in zwei Gebiete: zum einen in die Innere Mis-sion und zum anderen in die Äußere Mission. Den Unterschied zwischen den beiden Arbeitsgebieten hielt er nur für einen ‘formellen’ Unterschied. Darunter verstand er, dass das Wesen der Mission in beiden Gebieten gleich ist, nur die äußeren Mittel und Methoden der Realisierung sind andere. Die Betonung der Einheit zwischen Innerer und Äußerer Mission hielt er deshalb für wichtig, weil sich ‘diese beiden Zweige der missionarischen Tätigkeit gegenseitig unterstützen. Gewöhnlich blühen sie zusam-men oder, wie an manchen Stellen, verwelken sie zusammen.’ 160 Sich auf missions-historische Beispiele berufend behauptete er, dass wenn in der Kirche ein gesundes Leben der Inneren Mission stattfindet, es unmöglich ist, dass sich die Kirche nicht denHeiden zuwendet. 161

Diese Anschauung von Forgács übte allen Anzeichen nach auch auf Sándor Makkai Einfluss aus, der noch nachdrücklicher als Forgács die Verbindung von Kirche und Äu-ßerer Mission betonte. 162 Sándor Virágh ging sogar so weit, dass er keinen Unterschied zwischen der Inneren und der Äußeren Mission machte, sondern von der Mission der Kirche sprach. 163 Virágh vertrat diese Ansicht nicht unter Einfluss von Forgács, sondernübernahm diese von dem Klausenburger Theologieprofessor Sándor Tavaszy, über den die dialektische Theologie von Karl Barth nach Ungarn gelangte. 164

157 Forgács, A belmisszió, p. 38.158 Forgács, A belmisszió, p. 39.159 Forgács, A belmisszió, p. 28160 Forgács, A belmisszió, p. 28.161 ‘Auch die Ungarische Reformierte Kirche konnte sich, als sie lebend war, mit den Mohammedanern,

Ruthenen und Walachen befassen, als sie jedoch äußere Probleme und interne Krankheiten schwächten, konnte sie auch sich selbst nicht helfen.’ Forgács, A belmisszió, p. 28.

162 Makkai, Az egyház missziói munkája, p. 357.163 Siehe A.-M. Kool, God moves in a mysterious way, p. 314. Fußnote 124.164 A.-M. Kool, God moves in a mysterious way, p. 314.

Page 29: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

203

Forgács bestritt die Praxis der ‘deutschen lutherischen Kirche’, die eine scharfe Grenzlinie zwischen der Inneren und der Äußeren Mission zog, und nahm den Stand-punkt ein, dass alle Arbeiten, die ‘die Ausbreitung des Reiches Gottes zum Ziel ha-ben’, prinzipiell eins und damit unteilbar sind. 165 Er argumentierte damit, dass die ‘Evangelisation und die Arbeit der erbarmenden Liebe’ die beiden Zweige der missi-onarischen Arbeit zusammenbindet. Hinter seinem Standpunkt sehen wir die Absicht der Bewahrung des Wesens der Mission und die Sorge um sie. Hier müssen wir jedoch anmerken, dass Forgács selbst, obwohl seine kritischen Äußerungen gegenüber der Praxis der ‘deutschen lutherischen Kirche’ theologisch zu rechtfertigen waren, in sei-ner systematischen Missionstheologie und in seiner praktischen Missionstheologie, gewollt oder ungewollt, mit der starken Betonung der Inneren Mission eine Grenzli-nie zwischen der Inneren und der Äußeren Mission gezogen hat. Das kann eine Ursa-che dafür gewesen sein, dass die Sache der Äußeren Mission nicht zu einer wirklichen Herzensangelegenheit der ungarischen Gemeinden werden konnte.

Immer wenn Forgács von den Bereichen der Mission sprach, verstand er darunter auch die Judenmission, die er für eine wichtige missionarische Aufgabe hielt. Das ist auch daran zu erkennen, dass er, außer in zahlreichen Traktaten, in seinem Hauptwerk die methodischen und inhaltlichen Fragen der Judenmission in einem separaten Ka-pitel behandelte. 166

7.4.3.2 Innere MissionDie Bezeichnung ‘Innere Mission’ übernahm Forgács aus der deutschen missiona-rischen Literatur, in erster Linie unter Berufung auf den Wortgebrauch des Theolo-gieprofessors Friedrich Lücke. 167 Den Inhalt des Begriffes füllte er jedoch mit seinen eigenen theologischen Ansichten über die Mission, die eng mit seinen Tätigkeiten in der Inneren Mission zusammenhingen. Die Bezeichnung ‘Innere Mission’ verwende-te er teilweise für ein Arbeitsgebiet, teilweise für die theologische Beschreibung der missionarischen Arbeit.

Gebiete der Inneren MissionSeiner Meinung nach erfolgt die Innere Mission ‘in den christlichen Ländern, in der christlichen Kirche und unter den in diesen Gesellschaften lebenden Menschen…’ 168 In Kenntnis des Widerstandes einzelner Leiter der Kirche im Zusammenhang mit dieser Ansicht, die auch die Kirche selbst für ein missionarisches Gebiet hielten, 169 empfand er es für wichtig, seine Argumente ausführlicher darzulegen. In seiner Argu-mentation bezog er sich darauf, dass die Reformatoren einen Unterschied zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Kirche machten, nach dem die unsichtbare Kir-

165 Forgács, A belmisszió, pp. 28-29.166 Forgács, A belmisszió, pp. 487-504.167 Forgács, A belmisszió, p. 41. Siehe noch Jan A. B. Jongeneel, Philosophy, Science, and Theology of

Mission in the 19th and 20th Centuries, Part. I, p. 99. 168 Forgács, A belmisszió, p. 27.169 Sándor Bíró, ‘A két világháború kora’, pp. 396-398.

Page 30: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

204

che hier auf der Erde in der sichtbaren Kirche lebt und deren missionarische Kraft trägt. In der sichtbaren Kirche gibt es dagegen viele solche Menschen, die ‘getauft wurden, aber in deren Herzen der Geist Christi fehlt’ und auch solche, deren Glaube sehr schwach ist. Für die Innere Mission ist also die sichtbare Kirche ein sehr wich-tiges und gleichzeitig auch schweres Gebiet, denn ‘was ist leichter: den primitiven Götzendienst der halbwilden Heiden oder das Anbeten des goldenen Kalbes und den sinnlichen Materialismus der gebildeten nominellen Christen zu besiegen?’ 170

Den Wirkungsbereich der Inneren Mission dehnte er jedoch auch auf die Gesell-schaft der christlichen Länder aus, so dass auch die getauften, jedoch mit der Kirche keine Verbindung haltenden Mitglieder der Kirche als Zielgruppe der Inneren Missi-on in der Gesellschaft leben. Zur biblischen Bestätigung dieser Anschauung berief er sich auf den in Matthäus 10,6 zu lesenden Auftrag von Jesus, ‘in dem er seine Jünger in erster Linie zu den “verlorenen Schafen des Volkes Israel” schickt.’ 171 An anderer Stelle schreibt er dagegen, dass ‘die missionarische Tätigkeit, die innerhalb der Mau-ern der Kirche erfolgt, die Innere Mission ist; was außerhalb dieser erfolgt, ist Äußere Mission.’ 172 Diesen Widerspruch brachte auch A.-M. Kool in ihrer Dissertation zur Sprache, 173 aber sie berücksichtigte nicht, was Forgács unter dem Begriff ‘innerhalb der Mauern der Kirche’ verstand. Auf der Grundlage der Bundestheologie betrachtete er alle getauften Kinder und Erwachsenen als Mitglieder der Kirche, 174 auch dann, wenn diese mit der Kirche zurzeit keinerlei Verbindung hielten. Diese bezeichnete er als ‘verirrte Schafe’. Das Gebiet jedoch, das außerhalb der Grenze der getauften Mit-glieder der Kirche fiel, bezeichnete er als Gebiet der Äußeren Mission. Auch hier müs-sen wir uns mit der Feststellung von A.-M. Kool auseinandersetzen, nach der Forgács ‘die Wirkung der Mission in den Rahmen der Kirche drängte.’ 175 Diese Feststellung halten wir nur hinsichtlich des Begriffs der Inneren Mission von Forgács für annehm-bar, jedoch nicht für seinen Begriff der Mission. Denn ein Ziel der Arbeit der Inneren Mission sah er in der Vorbereitung auf die auch außerhalb der Mauern der Kirche auszuführende Mission. ‘Das Endziel der Tätigkeit der Inneren Mission ist also, dass unsere Kirche zur Erfüllung der größten Aufgabe in der Lage ist, zur Ausbreitung des Reiches Gottes unter den Juden, den Mohammedanern und den Heiden.’ 176

Die mit dem Gebiet der Inneren Mission zusammenhängende Auffassung von Forgács zeigt eine auffallende Ähnlichkeit mit der Auffassung von Johann H. Wi-chern, der die Innere Mission nicht nur auf das Gebiet des kirchlichen Lebens, sondern auch auf die sozialen und moralischen Gebiete der ganzen Gesellschaft ausgedehnt hatte. Wichern dehnte das Arbeitsgebiet der Inneren Mission auch aus geografischem Gesichtspunkt auf die europäische Diaspora und auch auf den gan-

170 Forgács, A belmisszió, p. 36.171 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 4.172 Forgács, A belmisszió, p. 28. 173 A.-M. Kool, God moves in a mysterious way, p. 302.174 Forgács, Konfirmációi Olvasókönyv, p. 50.175 A.-M. Kool, God moves in a mysterious way, p. 305.176 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 4.

Page 31: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

205

zen Kontinent aus. 177 Diese interkonfessionelle und internationale Missionsanschau-ung übernahm Forgács auch von Wichern. Gleichzeitig wirkte auf ihn auch das, was er an der United Free Church of Scotland gesehen hatte, in der die Arbeit, die der Inneren Mission ähnlich war, als Home Mission bezeichnet wurde. Den Unterschied zwischen der Home Mission und der Inneren Mission gemäß Wichern sehen wir darin, dass die Home Mission außer der in der Gesellschaft ausgeübten missionarischen und diakonischen Arbeit größeres Gewicht auf das individuelle geistliche Leben innerhalb der Gemeinde legte. Diese Auffassung kommt bei Forgács im Laufe der Zeit immer stärker zum Ausdruck. Den Grund dafür sehen wir darin, dass sich in ihm immer mehr die Überzeugung durchsetzte, dass eine über die Mauern der Kirche hinaus wach-sende Mission nur von einer von innen reformierten und geistlich erneuerten Kirche erfolgreich ausgeführt werden kann. 178

Arbeit der Inneren MissionDas Aufgabengebiet der Arbeit der Inneren Mission fasste Forgács in einem leicht überschaubaren System zusammen. Später arbeitete er dessen Inhalt und die prakti-schen Methoden zu deren Realisierung gründlich aus.

Die Arbeit der Inneren Mission teilte er in zwei große Aufgabengebiete. Das eine bezeichnete er als inneres Arbeitsgebiet, das andere als äußeres Arbeitsgebiet. Zum inneren Arbeitsgebiet zählte er die Anwerbung und Ausbildung der für die missio-narische Arbeit geeigneten Menschen sowie die Organisation der einzelnen missio-narischen Arbeitsgebiete. Die organisatorische Arbeit der Inneren Mission ist auf die Schaffung der geistlichen Gemeinschaft und brüderlichen Zusammenarbeit der Mis-sionsmitarbeiter gerichtet, aber dazu gehört auch die Sicherung der materiellen Be-dingungen und der erforderlichen Mittel der Arbeit. Deshalb bezeichnete er diese als innere Arbeit, weil die Ausbildung von Missionsmitarbeitern und die organisatorische Arbeit ‘die Innere Mission in ihrem eigenen Interesse und für sich selbst ausführt.’ 179 Zum äußeren Arbeitsgebiet zählte er das Evangelisieren und die Diakonie, über die die unsichtbare Kirche nach außen einen Einfluss auf die zur sichtbaren Kirche gehö-renden Menschen ausübt.

Damit, dass Forgács das Evangelisieren und das Lehren der Gläubigen, d.h. die Unterstützung des Wachsens ihres Glaubens, die Vorbereitung auf die Missionsarbeit, die Diakonie und die Organisation der Missionsarbeit zum Arbeitsgebiet der Inneren Mission zählte, dehnte er, wie wir auch später sehen werden, den Begriff der Mission auf alle Tätigkeiten der Kirche aus. 180 Diese ‘panmissionarische’ Einstellung spiegelt auch der von ihm verfasste § 3. des III. Gesetzartikels aus dem Jahre 1933 wider, der die Arbeit der Inneren Mission auf alle kirchlichen Tätigkeiten ausdehnt.

177 Johann H. Wichern, Die Innere Mission der Deutschen ev. Kirche (Hamburg: Rauhes Haus in Horn, 1849), Kapitel: I. II.

178 Gyula Forgács, ‘Miért nincs kellő hatása közöttünk az evangéliumnak?’, Reformáció, II/19 (1921), pp. 201-202.

179 Forgács, A belmisszió, pp. 40-41. 180 Forgács, ‘A református misszió irányelvei’, Reformáció, XIV/2 (1931), pp. 17-19. Siehe noch Forgács,

Konfirmációi Olvasókönyv, pp. 71-73.

Page 32: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

206

Diese, in der weltweiten Missiologie auch seitdem immer neu wiederkehrende ‘Panmission-Auffassung’ 181 wurde in Ungarn zuerst von Forgács vertreten. Zwar setz-te sich damit zu der Zeit noch niemand auseinander, aber nachdem dann auch Sándor Makkai diese Auffassung von Forgács übernahm, schrieb János Victor seine Kritik über den Panmissionismus. 182 Wir meinen, dass die Panmissionsauffassung von For-gács nicht allein in der Motivation der Ausbreitung des Reiches Gottes wurzelt, aber er hatte auch Angst davor, was David Bosch die Versuchung des Reduktionismus 183 nennt, die die souveräne Arbeit Gottes auf einen engeren Bereich beschränken will.

Forgács vertrat auch konsequent seine Überzeugung, dass ‘die Innere Mission eine Arbeit der Kirche ist’, 184 mit der sie nicht andere beauftragen kann, denn die-se ist selbst ‘eine kraftvolle Lebensäußerung der Kirche.’ 185 Seine Missionstheolo-gie ist also kirchenzentrisch, die auch die Arbeit der Inneren Mission vollkommen in den Zuständigkeitsbereich der Kirche einbezog und zu deren Aufgabe machte. In seinem Hauptwerk ließ er sich deshalb auf eine Diskussion mit Gustav Warneck ein, weil dieser ‘nur die unter Heiden ausgeführte missionarische Tätigkeit, als Mission anerkennt.’ 186 Mit dieser Begründung hielt übrigens Warneck auch die Bezeichnung ‘Innere Mission’ für nicht annehmbar. Gleichzeitig stellte er auch die Ansicht von Jo-hann H. Wichern in Frage, nach der die Innere Mission dort notwendig ist, ‘wohin die offiziellen Organe der Kirche nicht reichen können’. 187 Gemäß Forgács hat Wichern mit dieser Bestimmung die Innere Mission und die Kirche getrennt und nebeneinander gestellt, obwohl die Innere Mission ‘die Äußerung der Lebenslust’ der Kirche ist, 188 und deshalb von der Kirche nicht unabhängig gemacht werden kann. Mit dieser Kritik formulierte er auch gleichzeitig seine ständig nachdrücklicher betonte Überzeugung, dass die Berechtigung der von der Kirche unabhängigen Inneren Mission der Vereine theologisch in Frage gestellt werden kann. Auch mit dieser These wollte Forgács die häufig vorgebrachten Anschuldigung gegenüber der Inneren Mission als unbegründeterweisen, nach der die Innere Mission eine gegen die Kirche und gleichzeitig gegen das Ungartum gerichtete Bewegung sei. Mit dem Begriff der Inneren Mission der ‘angelsächsischen protestantischen Kirchen’ war er deshalb nicht einverstanden, weil viele diesen Begriff nur zur Kennzeichnung der Diaspora-Mission benutzten 189 und damit die Arbeit der Inneren Mission auf ein enges Gebiet beschränkten.

181 David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, pp. 465-466.182 János Victor, ‘A missziói munka theologiájához’, Theologiai Szemle, XVII (1941), pp. 84-89.183 David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, p. 467.184 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 3. 185 Forgács, A belmisszió, p. 42.186 Forgács, A belmisszió, p. 29. bezieht sich auf das Werk von G. Warneck, Evangelische Missionslehre

(Gotha: 1897).187 Forgács, A belmisszió, p. 43. Hier zitiert er Wichern, Denkschrift, 1892, p. 268. Siehe noch Forgács, A

református misszió irányelvei, p. 3. 188 Forgács, A belmisszió, p. 44. Siehe noch Forgács, A református misszió irányelvei, pp. 3-4.189 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 3.

Page 33: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

207

Seine kritischen Anmerkungen zeigten jedoch auch zugleich, dass er die epochen-bestimmenden Missionstheologien von Wichern und Warneck nicht nur kannte, son-dern auch eklektisch behandelte und diese auf die ungarischen Verhältnisse kontex-tualisieren wollte.

7.4.3.3 Äußere MissionDas andere Gebiet der Missionstätigkeit bezeichnete Forgács als Äußere Mission. Ob-wohl er selbst nicht aktiv an der Arbeit der Äußeren Mission teilnahm, war er jedoch bestrebt, die Gemeinden damit bekannt zu machen. Ihn beschäftigte vor allem die theologische Frage der Äußeren Mission.

Unter der Äußeren Mission verstand er die missionarische Tätigkeit, bei der das Evangelium solchen Menschen verkündet wird, die dieses noch nie gehört ha-ben. Diese Menschen bezeichnete er, die Terminologie der Bibel verwendend, als Heiden. 190 Er verwarf die sehr häufig angewandte geografische Differenzierung zwi-schen Innerer und Äußerer Mission. Er argumentierte, dass das Gebiet der Äußeren Mission nicht unbedingt in ferne Länder fällt, denn ‘die Urchristen führten im heid-nischen römischen Reich an ihren eigenen Wohnstätten die Äußere Mission durch’ 191 unter denen, die noch keine Christen waren. In diesem Sinne sprach er manchmal auch von innerem Heidentum der sog. christlichen Gesellschaften. Deshalb sind alle missionarischen Arbeiten außerhalb der Mauern der Kirche, unabhängig davon, in welchem Land sie erfolgen, im Wesentlichen Äußere Mission. ‘Gott will, dass die Kirche Christi allen Völkern das Evangelium bringt. Sowohl denen, die diesem nahe sind, als auch denen, die weit entfernt in heidnischen Ländern leben.’ 192 Somit ließ er keinen Zweifel daran, dass er auch einen Teil des ungarischen Volkes als Zielpunkt der Äußeren Mission betrachtet. 193

Obwohl er über die Innere und die Äußere Mission aussagte, dass ‘zwischen bei-den kein wesentlicher Unterschied besteht’, spürte er dennoch die Notwendigkeit des-sen, diese diskutable Feststellung ausführlicher darzulegen. Demgemäß besteht die Arbeit der Äußeren Mission aus zwei Teilen. Der eine Teil besteht darin, dass ‘das Licht den in der Finsternis lebenden Völkern gebracht wird, der andere Teil erweckt hier die christlichen Kirchen zum Erkennen ihrer Pflichten der Äußeren Mission.’ 194 Aufgaben der Kirche sind Anwerbung und Ausbildung der Missionare, das Sammeln von Spenden und das Gebet für diese. Laut Forgács geht es nicht darum, dass sich die Äußere und die Innere Mission einander ergänzen, sondern sich gerade in einem von-einander abhängigen Verhältnis befinden. Er fragte: ‘Was könnte die Innere Missionohne den Segen der Äußeren Mission ausrichten und was könnte die Äußere Mission ohne die Innere Mission ausrichten?’ 195 ‘Der Wert der Äußeren Mission hängt davon

190 Forgács, A belmisszió, p. 27.191 Forgács, A belmisszió, p. 27. 192 Forgács, Konfirmációi Olvasókönyv, p. 74.193 Forgács, A belmisszió, p. 36.194 Forgács, A belmisszió, p. 504.195 Forgács, A belmisszió, pp. 504-505.

Page 34: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

208

ab, was für Missionare sie für das Arbeitsgebiet erhalten kann.’ 196 Er bekannte, dass nur derjenige unter den Heiden eine erfolgreiche missionarische Arbeit leisten kann, der bereits in seiner eigenen Kirche Missionsarbeit geleistet hat. Das ist die Erklärung dafür, dass ein großer Teil seiner Schriften zur Äußeren Mission in den Lesern die Verantwortung gegenüber der Äußeren Mission wecken wollte.

Während also Wichern die Äußere Mission auch in den Begriff der Inneren Mission einbezog, trennte Forgács die beiden. Den Gedanken der Verbindung der Äußeren Mis-sion mit der Inneren Mission bzw. mit der Kirche übernahm von ihm László Ravasz. Mit ihm stimmten auch noch Jenő Sebestyén, Sándor Makkai und Sándor Virágh damit überein. 197 Der Unterschied zwischen ihnen bestand in der Bestimmung des Ziels der Äußeren Mission. Während Forgács als Ziel der Äußeren Mission die Ausbreitung des Reiches Gottes angab, bezeichnete László Ravasz dieses Ziel in der Christianisierung der Kultur, 198 Sebestyén 199 und Makkai 200 jedoch in der plantatio ecclesiae.

Beweggrund und Ziel der Ausbreitung des Reiches Gottes gingen schrittweise ver-loren, an ihre Stelle traten kirchliche Motive. Die Erklärung dafür sieht A.-M. Kool darin, dass man die missionarische Arbeit ‘eher im Kontext der ungarischen Kultur zu interpretieren versuchte.’ 201 Unsererseits sehen wir die Ursache für diese Erscheinung darin, dass hauptsächlich unter Einfluss von Jenő Sebestyén das Motiv der Treue zumreformierten Glaubensbekenntnis erstarkte.

7.4.3.4 JudenmissionWenn Forgács über die Zielgruppen der Äußeren Mission sprach, nannte er außer dem allgemeinen Begriff ‘Heiden’, auch zwei Religionen beim Namen, die Juden und die Mohammedaner. 202 Während er sich mit den theologischen Problemen der Mission unter den Mohammedanern nicht befasste, beschäftigte er sich mit den theologischen Problemen der Mission unter den Juden. Die Frage der Judenmission beschäftigte ihn deshalb besonders, weil er am Anfang seiner Tätigkeit Mitarbeiter der Budapester Schottischen Mission war, die die Judenmission in Ungarn betrieb, 203 und er später in

196 Forgács, A belmisszió, p. 505.197 Sándor Virágh, ‘A misszió dogmatikai alapvetése’, p. 4. Siehe noch A.-M. Kool, God moves in a

Mysterious way, p. 318.198 Ravasz, ‘A külmisszió’, Hajnal, XIV/3 (1928), p. 3.199 Sebestyén, ‘A külmisszió ref. elvei és azok alkalmazása a gyakorlati egyházi életben’ in Külmissziói

évkönyv, I/1932, pp. 9-15.200 Makkai, Az egyház missziói munkája, p. 368.201 A.-M. Kool, God moves in a Mysterious way, pp. 343-344.202 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 4.203 Ábrahám Kovács, The origin of scottish-hungarian Church relations:the settlement and the first years

of the scottish mission in the 1840s (Debrecen: D.Dr. Harsányi András alapítvány kuratóriuma, 2001). Ábrahám Kovács, ‘A skót presbiterianizmus hatása Budapesten: A Skót Misszió rövid története’ in Reformátusok Budapesten 2, red. László Kósa (Budapest: Argumentum, 2006), pp. 895-914. A.-M. Kool, God moves in a Mysterious way, pp. 98-110. Dictionary of Scottish Church History and Theology, ed. Nigel M.de S.Cameron (Edinburgh: T and T Clark, 1993), pp. 590.

Page 35: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

209

den letzten acht Jahren seines Lebens bis zu seinem Tode als Mitarbeiter der gleichen Mission an der missionarischen Arbeit unter den Juden teilnahm. 204

Historische und inhaltliche Kontexte der Judenmission in UngarnIn Ungarn wurden die Juden bezüglich der Ausübung ihrer bürgerlichen und politi-schen Rechte 1867 gleichberechtigt. 205 Die religiöse Situation des Judentums regelte das Gesetz Nr. XLII aus dem Jahre 1895, das den jüdischen Glauben zu den so genann-ten ‘anerkannten’ Religionen (religiones acceptae) zählte. 206 So wird verständlich, dass die im 19. Jahrhundert durch die Schottische Mission begonnene Judenmission ungestört fortgeführt werden und sich entwickeln konnte. 207

Obwohl zum Ende des 19. Jahrhunderts auch in Ungarn die sich in Europa entfal-tenden Ideen des Antisemitismus erschienen, sicherten die ungarischen Gesetze den Schutz des Judentums. Der Prozess der Verschärfung des Antisemitismus setzte in Ungarn in den 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts ein. 208 Damit wird verständlich, dass Forgács, der von 1906-1910 der erste ungarische Mitarbeiter der Schottischen Missi-on war, die Judenmission ohne alle äußerlichen Hindernisse ausüben konnte und sich zu diesem Zeitpunkt mit der Frage des Antisemitismus noch nicht beschäftigt hatte. Der durch die Schottische Mission unter den Juden in Ungarn ausgeführten Missions-arbeit wurden auch in den auf den ersten Weltkrieg folgenden Jahrzehnten noch keine Hindernisse in den Weg gelegt.

Forgács befasste sich dagegen bereits 1925 mit der Frage des Antisemitismus und spricht darüber als extreme Erscheinung. 209 Diese Erscheinung blieb jedoch zu diesem Zeitpunkt in Ungarn noch ohne politischen Folgen. Deshalb konnte vom 7.-13. April 1927 in Budapest eine internationale Konferenz über die Judenmission 210 veranstaltet werden, deren Teilnehmer die christlichen Kirchen zur Durchführung der Mission unter den Juden aufgefordert hatten. Auch noch 1933 konnte der zur Schottischen Mission zurückgekehrte Forgács ungestört seine Tätigkeit unter den aus den Nachbar-ländern nach Ungarn geflüchteten Juden ausführen. 211 Zu der vom 23.-29. Juli 1934 in London veranstalteten Konferenz des Internationale Jüdisch-Christliche Allianz (The

204 Ábrahám Kovács, ‘A skót presbiterianizmus hatása Budapesten’, pp. 906. 908. Siehe noch Kap. 3.4. p. 85 und 3.6. p. 120.

205 Magyar Nagylexikon, Bd. 18. red. Vizi E. Szilveszter (Budapest: Magyar Nagylexikon Kiadó, 2004), p. 898.

206 Siehe Kap. 2.3.1. p. 25.207 Das ist auch die Erklärung dafür, dass der schottische Evangelist A. N. Sommerville, der 1887 mit dem

Ziel nach Ungarn kam, die Sache der Judenmission zu popularisieren, auch diese Tätigkeit während seines sich auf das ganze Land erstreckenden Dienstes der Evangelisation ungestört ausführen konnte. Siehe Kap. 2.4.2. p. 50.

208 Magyar Nagylexikon, Bd. 9. red. Ferenc Glatz (Budapest: Magyar Nagylexikon Kiadó, 1999), p. 567.209 Forgács, A belmisszió, pp. 502-503.210 An der Konferenz nahmen außer John R. Mott, Samuel Zwemer, Webster McDonald ca. einhundert

Delegierte aus den USA, aus Schweden, England, Dänemark, Deutschland, Schottland und Ungarn teil. ‘Zsidómissziói konferencia Budapesten’, (ohne Verfasser) Hajnal, XIII/5 [1927], pp. 2-3.

211 Ábrahám Kovács, ‘Einfluss des schottischen Presbyterianismus in Budapest’, p. 908.

Page 36: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

210

International Hebrew Christian Alliance) konnte auch die Delegation der ungarischen christlichen Juden ohne Schwierigkeiten fahren. 212

Unter der Auswirkung des sich verstärkenden deutschen Einflusses begannen ab1938 bedeutende Veränderungen in der politischen und religiösen Situation des un-garischen Judentums. 213 Zwischen 1938 und 1942 verabschiedete das ungarische Par-lament vier, dem Judentum ständig schwerere Lasten aufbürdende Gesetze. 214 Diese Gesetze hatten auch solche Folgen, die den schottischen Leiter der Schottischen Mis-sion und dessen Mitarbeiter, die bei der Rettung der verfolgten Juden eine Rolle spiel-ten, gefährdeten. Die Situation verschlechterte sich in dem Maße, dass der damalige Leiter der Schottischen Mission, George A. F. Knight, wegen seiner Tätigkeit für die Rettung der verfolgten Juden verhaftet wurde und nur auf Intervention von Bischof László Ravasz freigelassen wurde. 215 Deshalb war Knight gezwungen, das Land am 12. Mai 1940 zu verlassen. 216 Danach beauftragte der Edinburgher Ausschuss für die Judenmission Forgács mit der Leitung der Schottischen Mission, der diese Aufgabe bis zu seinem Tode versah. 217 Die Leiterin des Studentenwohnheims der Schottischen Mission, Jane Haining, die nach der Abreise von Knight freiwillig in Ungarn blieb und sich mutig für die verfolgten Juden einsetzte, wurde im April 1944 von der Ge-stapo verhaftet, später nach Auschwitz deportiert, wo sie ihre rettende Tätigkeit mit ihrem Leben bezahlte. 218

Kirchlicher Kontext der JudenmissionVorrangiges Ziel der Schottischen Mission in Ungarn war ‘die Verkündung des Evan-geliums unter dem jüdischen Volk.’ 219 Das bedeutete in der Praxis, dass die Schottische Mission die Juden nicht in einer christlichen Kirche sammeln, sondern in erster Linie zu Christus bekehren wollte. Deshalb zeigte die reformierte Kirche, die am Anfang

212 Die Delegation wurde von Jenő Szűcs und D. Dezső Földes geleitet. Földes D. Dezső, ‘A Zsidó-Keresztyén Mozgalom Londoni Nemzetközi Konferenciája’, Hajnal, XX/9 (1934), pp. 6-7.

213 Vgl. Magyar Nagylexikon, Bd. 9., p. 567., und Ábrahám Kovács, ‘A skót presbiterianizmus hatása Budapesten’, p. 909.

214 Gemäß Gesetz Nr. XV aus dem Jahre 1938 durften in den intellektuellen und freiberuflichen Berufensowie in den Geschäfts- und Handelsberufen unter den Beschäftigten höchstens 20 % Juden sein. Gemäß Gesetz Nr. IV aus dem Jahre 1939 wurde in den intellektuellen Berufen die Anzahl der Juden auf 6 %, in den Gebieten der Kultur und des Handels auf 12 % beschränkt. Das Gesetz Nr. XV aus dem Jahre 1941 verbot die Ehe zwischen Juden und Nichtjuden und setzte das Gesetz Nr. XLII aus dem Jahre 1895 außer Kraft. Das Gesetz VIII aus dem Jahre 1942 verfügte die Einziehung des jüdischen Vermögens, das Tragen des gelben Sterns und die Bildung von Gettos.

215 A. F. George Knight, What Next? The Saint Andrew Press (Edinburgh: 1982) p. 53.216 A. F. George Knight, What Next?, pp. 51-52.217 George Mackenzie, ‘Report on Jewish Missions’ in Reports to the General Assembly with Legislative

Acts 1941 (Edinburgh: William Blackwood and Sons, and T.& A. Constable, 1941), p. 410.218 David McDougall, Jane Haining 1897-1944 (Edinburgh: Church of Scotland, World Mission, 1949),

p. 26. An der Wand des Gebäudes der Schottischen Mission bewahrt seit 1982 eine Gedenktafel die Erinnerung an Jane Haining.

219 Gyula Forgács,‘A száz éves Skót Misszió’ in Ravasz László, ‘És lőn világosság’ (Budapest: Franklin Társulat,1941), p. 413

Page 37: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

211

die Kirchenmitgliedschaft der zu Christus gefundenen Juden nicht in Frage stellte, bis 1909 kein besonderes Interesse an der Judenmission. Eine weitere Erklärung für die Interesselosigkeit der reformierten Kirche sehen wir darin, dass die Anzahl der Juden, die sich dennoch der reformierten Kirche anschließen wollten, anfänglich so gering war, 220 dass die Judenmission die Kirche überhaupt nicht beschäftigte.

Dafür, dass sich die reformierte Kirche nach 1910 dennoch mit der Frage der Ju-denmission zu beschäftigen begann, gab es mehrere Ursachen. Die eine war, dass im Jahre 1909 auf Anregung der die Schottische Mission betreibenden United Free Church of Scotland zwischen der Schottischen Mission und der Ungarischen Refor-mierten Kirche eine Vereinbarung abgeschlossen wurde. Im Sinne der Vereinbarung gewährt die reformierte Kirche der Arbeit der Judenmission der Schottischen Mission moralischen Schutz und drückt ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit aus. 221 Bei die-ser Entwicklung des Verhältnisses der Kirche und der Judenmission hatte auch For-gács eine Rolle gespielt, der zwischen 1906 und 1910 als Mitarbeiter der Schottischen Mission bemüht war, diese Arbeit der kirchlichen Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Zum Tätigkeitsbereich der Schottischen Mission gehörte die Gründung einer Schule für jüdische Kinder. Im Ergebnis des dort erfolgenden niveauvollen Unterrichts stieg die Anzahl der jüdischen Schüler ständig an und die Ausbildungsarbeit der Schottischen Mission wurde auch unter den Juden immer mehr anerkannt. Dieser Umstand sowie der zunehmende Antisemitismus spielten auch eine Rolle dabei, dass die Anzahl der ihre Aufnahme in die Kirche beantragenden, konvertierten Juden ständig zunahm. 222 Da die überwiegende Mehrheit der in die reformierte Kirche Konvertierten ihre Aufnahme in eine der Budapester Kirchengemeinden beantragte, schloss 1932 die Leitung der Bu-dapester Superintendantur 223 einen Vertrag mit der Schottischen Mission ab. Im Sinne dieser Vereinbarung verpflichtete sich die Schottische Mission, dass sie jüdische Kon-vertierte nur dann zu reformierten Pfarrern schickt, wenn diejenigen, die konvertieren wollen, nach einer entsprechenden Vorbereitung eine bekennende Entscheidung gefällt haben. Die Pfarrer der Budapester reformierten Superintendantur dagegen verpflichte-ten sich, die Konvertierten in ihren Gemeinden aufzunehmen und darüber hinaus ‘die Judenmission moralisch zu schützen und zu unterstützen.’ 224 Nach der Vereinbarung erarbeitete die Budapester reformierte Superintendantur auf Vorschlag der Schottischen Mission ein ‘Statut für das Vorgehen gegenüber den israelitischen Konvertierten’, in dem die Voraussetzungen für das Konvertieren geregelt wurden. 225

220 Gemäß den Angaben von Forgács traten zwischen 1841 und 1918 743 Bekehrte in die reformierte Kirche ein. Forgács, ‘A száz éves Skót Misszió’, p. 413.

221 Protokoll vom 12. November 1909. Budapesti Fővárosi Levéltár, Iskolagyűlési jegyzőkönyvek 1909-1933. VIII. 256. a. 4. Siehe noch Forgács, ‘A száz éves Skót Misszió’, p. 414.

222 Ábrahám Kovács, ‘Einfluss des schottischen Presbyterianismus in Budapest’, p. 908. Siehe nochForgács, ‘A zsidók’, Hajnal, XXII/11 (1936), pp. 5-6. 1919: 492. 1935: 1057.

223 László Kósa, ‘A budapesti reformátusok történetének időrendi áttekintése a kezdetektől 1989-ig’ in Reformátusok Budapesten 2, red. László Kósa (Budapest: Argumentum, 2006) p. 1442.

224 Forgács, ‘A száz éves Skót Misszió’, p. 414. Forgács, ‘A zsidó áttérések indító okai’, Hajnal, XXIII/2 (1937), pp. 5-6.

225 Forgács, A zsidó áttérők figyelmébe (Budapest: Sylvester Nyomda, 1937).

Page 38: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

212

Die ideologische und politische Gefahr des im Land zunehmenden Antisemitis-mus wurde auch in der reformierten Kirche erkannt. Darauf weist auch hin, dass in der durch László Ravasz und Gyula Muraközy redigierten ‘kirchengesellschaftli-chen und kirchenpolitischen’ Wochenzeitschrift Református Élet, in dessen Redak-tionsausschuss überwiegend zur Bewegung der Inneren Mission gehörende Pfarrer mitwirkten, 226 ein scharfer Artikel von Forgács gegen den Antisemitismus erschien. 227 In diesem Artikel schreibt er, dass der Antisemitismus keine allein stehende, unabhän-gige Ideologie ist, sondern mit der Rassentheorie und der Gegnerschaft gegenüber den Christen zusammenhängt. ‘Der Judenhass gelangte in einen untrennbaren Zusammen-hang mit dem Götzendienst von Blut, Rasse und Nation sowie mit der Ablehnung des Christentums.’ 228 Im gleichen Artikel stellt er die Frage: ‘Warum folgen wir nicht dem Beispiel der deutschen Protestanten und Bekennenden, die z.B. am 17. März 1935 als Protest gegen den Antisemitismus in allen Kirchen eine Proklamation verlesen hatten …’. Das erklärt, dass er die Barmer Theologische Erklärung gut kannte.

Als das ungarische Parlament im Jahre 1938 das erste so genannte Judengesetz verabschiedete, das das Judentum ‘in die Grenzen ihres zahlenmäßigen Anteils im wirtschaftlichen Leben zwängte’, 229 vertrat Bischof László Ravasz im Parlament die Ungarische Reformierte Kirche. Ravasz hatte dem ersten Judengesetz, zusammen mit den Abgeordneten der übrigen christlichen Kirchen, zugestimmt. Deshalb war er nach 1945 zahlreichen Angriffen ausgesetzt und die reformierte Kirche wurde auch mehr-mals des Antisemitismus beschuldigt. 230

Aus den späteren Schriften von Ravasz geht hervor, dass ihn bei der Abstimmung über das erste Judengesetz nicht theologische, sondern pragmatische und politische Erwägungen motivierten. Die Judenfrage zählte er zu den Schicksalsfragen des Un-gartums. Das Problem des Judentums sah er darin, dass ‘das Judentum im wirtschaft-lich-geistigen öffentlichen Leben, seinen zahlenmäßigen Anteil vielfach übersteigend, vertreten ist’. 231 Die Lösung des Problems suchte er in der kulturellen und religiösen Assimilation des Judentums. Er hatte damit gerechnet, dass das angenommene Gesetz eine die gesellschaftlichen Spannungen vermindernde Wirkung haben und die von ihm als Lösung betrachtete Assimilation unterstützen wird. 232

Auch Ravasz selbst bedauerte später, dass er dem ersten Judengesetz zugestimmt hatte. Darüber schrieb er nachträglich: ‘Ich habe das erste Judengesetz angenommen.

226 Bereczky Albert, Enyedy Andor, Kováts J. István, Révész Imre, Szabó Imre, Victor János.227 Forgács, ‘A zsidókérdés’, Református Élet, IV/17 (1937), pp. 170-171.228 Forgács, ‘A zsidókérdés’, Református Élet, p. 170.229 László Ravasz, Emlékezéseim (Budapest: A Református Egyház Zsinati Irodájának Sajtóosztálya,

1992), p. 213.230 Imre Kádár, Az egyház felelőssége Izraelért (Budapest: Jó Pásztor Kiadás, 1948), pp. 5-6. Tamás

Majsai, ‘A magyar református egyház és a holocaust’, Világosság, 5/1995, pp. 50-80. Siehe noch Réka Kiss, ‘Ravasz László püspöki működése’ in Reformátusok Budapesten 1, red. László Kósa (Budapest: Argumentum, 2006), p. 560.

231 László Ravasz, Pro Memoria. Egy fejezet Ravasz László készülő püspöki jelentéséből. Szigorúan bizalmas kézirat gyanánt. A/1/b 91/1950. RLt Budapest.

232 László Ravasz, ‘Asszimiláció és disszimiláció’, Magyar Szemle, 1939. április, p. 307.

Page 39: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

213

Später sah ich ein, dass das ein verhängnisvoller Schritt war... Ich hätte sagen müs-sen, dass ich der Vorlage nicht zustimme, weil ich damit gegen das Grundprinzip der Demokratie, gegen die Rechtsgleichheit und gegen das Prinzip der menschlichen Freiheit verstoße.’ 233 (Hervorhebung von mir, EAS) Dass er dieses damals tatsächlich bedauerte, wissen wir daraus, dass er den anderen drei Judengesetzen nicht zuge-stimmt hat, gegen diese Gesetze sogar bei den höchsten Staatsbehörden protestiert hatte. 234 Die Verschlimmerung der Situation der Juden sehend, beauftragte Ravasz, der in dieser Zeit wegen einer Krankheit an das Bett gefesselt war, den reformierten Pfarrer Albert Bereczky mit der Rettung der verfolgten Juden. Als Bereczky diese Rettungsarbeit nicht mehr bewältigen konnte, setzte die reformierte Kirche in Zu-sammenarbeit mit der durch die protestantischen Kirchen im Jahre 1942 gegründeten Guter Hirte Mission (Jó Pásztor Misszió) die Rettung der Verfolgten fort, deren Leiter damals die reformierten Pfarrer Gyula Muraközy und József Éliás waren. 235

Im Namen der reformierten Kirche protestierte Ravasz entschieden gegen die Durchführung des 1942 in Kraft gesetzten dritten Judengesetzes. Er war bestrebt, den Schutz der bei der Rettung von Leben eine Rolle spielenden kirchlichen Einrichtun-gen und deren Leitern zu sichern, während er selbst auch unzählige verfolgte jüdische Personen gerettet hatte. Wegen dieser Tätigkeit geriet er schließlich auch persönlich in Gefahr, so dass er sich 1944 vor seinen Verfolgern verbergen musste. 236

Die verallgemeinernde Behauptung, dass die reformierte Kirche bzw. Bischof Ra-vasz gleichgültig der Verfolgung der Juden zusahen und für deren Rettung in Ungarn nichts taten, ist nicht zutreffend. 237 In Kenntnis verschiedener Dokumente beurteilt die ungarische Geschichtsschreibung der Kirche sowohl die Rolle der reformierten Kirche als auch die von Bischof Ravasz heute deutlich differenzierter. 238

Theologischer Kontext der JudenmissionForgács befasste sich mit den theologischen Problemen der Judenmission erstmals in seinem 1925 herausgegebenen Hauptwerk. Aus diesem geht hervor, dass er sich im ersten Abschnitt seiner in der Schottischen Mission geleisteten Arbeit (1906-1910) zwei Prinzipien der Schottischen Mission zu eigen machte. Das eine war, ‘dass diese missionarische Arbeit Aufgabe und Pflicht der christlichen Kirche ist.’ 239 Das zweite, dass das direkte Missionsziel dieser Arbeit ‘die Verkündung des Evangeliums unter

233 Ravasz, Emlékezéseim, p. 213.234 Ravasz, Emlékezéseim, pp. 213-216. Siehe noch László Ravasz, Korbán (Budapest: Franklin Társulat,

1943), pp. 270-281.235 Ábrahám Kovács, A Magyarországi Református Egyház és zsidóság kapcsolata, különös tekintettel a Jó

Pásztor Bizottság munkájára. Debrecen, 1996. (Kézirat, szerző tulajdonában).)236 Réka Kiss, ‘Ravasz László püspöki működése’, pp. 562-564. Siehe noch László Ravasz, Pro Memoria.

Egy fejezet Ravasz László készülő püspöki jelentéséből. Szigorúan bizalmas kézirat gyanánt. A/1/b 91/1950. RLt Budapest.

237 Imre Kádár, Az egyház felelőssége Izraelért, pp. 4-6.238 Siehe Ábrahám Kovács, ‘A skót presbiterianizmus hatása Budapesten’, pp. 908-911. Siehe noch Réka

Kiss, ‘Ravasz László püspöki működése’, pp. 561-564.239 Forgács, A belmisszió, p. 493.

Page 40: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

214

den Juden’ ist, die das Wesen des Evangeliums nicht nur nicht kennen, sondern auch falsche Begriffe über Jesus Christus haben. 240

Die theologische Motivation der Judenmission behandelnd, ging Forgács davon aus, dass Gott mehrere solche Versprechen gab, die er im Leben des jüdischen Volkes noch nicht eingelöst hat. Die Ausführungen im Römerbrief Kapitel 9-11 legte er so aus, dass das jüdische Volk auch heute noch das auserwählte Volk Gottes ist. Diese ‘Auserwählung wurde ausgesetzt und wird erst dann erneuert, wenn Israel die Aus-erwählung des Neuen Bundes gewinnt.’ 241 Unter der Erneuerung der Auserwählung verstand er, dass die ‘natürlichen Zweige (Israel) auf ihren eigenen Ölbaum gepfropft werden’ (Römer 11,24.), d.h. dass das jüdische Volk sich zu Christus bekehrt. Die sich auf Israel beziehenden Versprechen Gottes gehen dann in Erfüllung, wenn das jüdi-sche Volk den gekreuzigten und auferstandenen Christus als seinen Erlöser annimmt. Deshalb ist eine Aufgabe der Judenmission, den gekreuzigten und auferstandenen Christus unter den Juden zu verkündigen, sie dadurch zu Christus zu führen. Die mis-sionarische Pflicht der Kirche leitete Forgács aus den Israel gegebenen und noch nichterfüllten Versprechen Gottes und aus dem Auftrag zur Mission ab. 242

In Verbindung mit der Natur der Arbeit der Judenmission nannte er häufig zweiBedingungen. Die eine war die Bedingung der Liebe. Diese Arbeit darf nur derje-nige ausführen, der gegenüber dem Judentum aufrichtig voller ‘christlicher brüder-licher Liebe’ ist. Das begründete er damit, dass die zu Christen gewordenen Juden von den Juden verachtet wurden; sie ‘wurden vertrieben und betrauert, als wären sie gestorben’. 243 Und diese Verachtung sowie Aussonderung kann nur die Liebe der auf-nehmenden christlichen Gemeinde ersetzen.

Forgács beschäftigte unter den Problemen der Judenmission auch die Frage des Verhältnisses der an Christus glaubenden Juden und der christlichen Kirche. Zu die-ser Frage äußerte er sich jedoch ziemlich widersprüchlich bzw. pragmatisch. An ei-ner Stelle schrieb er, dass das Ziel der Judenmission ist, die sich bekehrenden Juden ‘durch die Taufe mit der christlichen Kirche zu verbinden’, 244 an anderer Stelle, dass die ‘Eingliederung in die Kirche nie ein Ziel der Judenmission war.’ 245 Da er diese zuletzt erwähnte Meinung 1941 betonte, als unter Einwirkung des zunehmenden poli-tischen Drucks ständig mehr in die Kirche übertraten, ist anzunehmen, dass er mit der Betonung seiner Meinung verkünden wollte, dass die Voraussetzung für die Konver-tierung nur die Bekehrung zu Christus sein kann.

Im Zusammenhang mit dem Verhältnis der an Christus glaubenden Juden und der Kirche erschienen außer dem Standpunkt von Forgács auch andere Meinungen. Nach

240 Forgács, ‘A száz éves Skót Misszió’, p. 413.241 Forgács, A belmisszió, p. 492.242 Siehe Forgács, ‘A titok’, Ungarische Predigten, Box C/27-3. p. 22. RLt Budapest. Siehe noch Forgács, A

belmisszió, pp. 491-492.243 Forgács, A belmisszió, p. 502.244 Forgács, A belmisszió, p. 501.245 Forgács, ‘A száz éves Skót Misszió’, p. 413. Er bezog sich auf das Bibelwort, dass ‘mich Christus nicht

gesandt hat, zu taufen, sondern das Evangelium zu predigen.’ (1. Korinther 1,17)

Page 41: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

215

der vom 23.-29. Juli 1934 in London veranstalteten Konferenz der Internationalen Jüdisch-Christlichen Allianz (The International Hebrew Christian Alliance) vertraten auch in Ungarn immer mehr an Christus glaubende Juden den Gedanken der Grün-dung einer ‘besonderen Kirche der an Christus glaubenden Juden’. 246 Unter den an Christus glaubenden Juden dachten nämlich immer mehr daran, dass sie in dem Falle, wenn sie in eine christliche Glaubensgemeinschaft eintreten, ihre jüdische Identität aufgeben müssen, an der sie jedoch festhalten wollten. 247 Es gab auch einen solchen Vorschlag, dass die in die christliche Kirche eingetretenen Juden, als christliche Kir-chenmitglieder, die jüdischen Gesetze, wie z.B. den Sonnabend und die sonstigen jüdischen Feiertage, beibehalten sollen. 248

Forgács hielt die Gründung von sog. an Christus glaubenden jüdischen Gemein-den, der sich auch ohne Aufnahme der Taufe an Christus glaubende Juden anschlie-ßen konnten, für biblisch nicht nachweisbar. Das vor der christlichen Gemeinde ab-gegebene Glaubensbekenntnis und die Taufe mit Wasser hielt er auch für Juden als unerlässlich. Die Zugehörigkeit zu einer jüdischen Gemeinde hielt er höchstens als einen provisorischen Zustand für annehmbar. 249 Gemäß Forgács kann die Lösung der Judenfrage nur ‘auf der geistlichen Ebene erfolgen’, d.h. wenn das Judentum sich zu Christus bekehrt. 250

Bischof László Ravasz ging an die ‘Judenfrage’ aus soziologischem Gesichtspunkt heran. Er sah die Lösung in der ‘vollständigen Assimilation’ des Judentums, worunter er die Aufnahme und Verschmelzung des Judentums in die christlichen Kirchen und in die ungarische Nation verstand. 251

In Verbindung mit dem durch Ravasz aufgeworfenen Gedanken der Assimilati-on fragte Forgács jedoch, ob die ungarischen protestantischen Kirchen geistlich reif sind, die an Christus glaubenden Juden als Brüder aufzunehmen. 1937 verlangt er Rechenschaft von den ungarischen protestantischen Kirchen, warum sie nicht wie die ‘amerikanischen, schottischen, englischen, irischen und deutschen’ Kirchen ‘gegen den Götzendienst von Rasse und Blut’ auftreten. 252 Aus seinen Bemerkungen können wir auch darauf schließen, dass er den mit dem Antisemitismus zusammenhängenden westeuropäischen Kontext kannte. Diese Kenntnis hatte auch das entschiedene Auf-treten von Forgács beeinflusst.

Unter den Fragen der Judenmission beschäftigten Forgács außerdem die Vorausset-zungen für die Taufe der jüdischen Konvertierenden und die Aufnahme in die refor-mierte Kirche. Das war eine betonte Frage seiner unter den Juden ausgeführten Mis-sionstätigkeit. Als wichtigste Voraussetzung betrachtete er die Bekehrung zu Chris-

246 Dezső D. Földes ‘A Zsidó-Keresztyén Mozgalom Londoni Nemzetközi Konferenciája’, Hajnal, XX/9 (1934), pp. 6-7.

247 Bernát Bartha, ‘Mit akarnak a krisztushívő zsidók?’, Hajnal, XXIII/12 (1937), pp. 4-5.248 Béla Fülöp, Zsidó Keresztény megértés útja (Makó: a szerző kiadása, 1937).249 Forgács, A belmisszió, p. 502.250 Forgács, ‘A zsidókérdés’, Református Élet, IV/17 (1937), p. 171.251 Ravasz, Korbán , p. 278.252 Forgács, ‘A zsidókérdés’, pp. 170-171.

Page 42: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

216

tus. Für untersuchungswürdig hielt er die Frage, was die in die christliche Kirche zu konvertieren beabsichtigenden Juden in ihrer Entscheidung motiviert. Er diskutierte mit den Pfarrern, die die Juden ohne alle Voraussetzungen und Vorbereitungen in die reformierte Kirche übernommen hatten. Im Zusammenhang damit hielt er auch das Prinzip für annehmbar, dass, wenn auch nicht die konvertierenden Juden, so jedoch später ihre Kinder gute Christen sein werden. 253 Er bestritt auch die Motivation, dass die jüdischen Menschen angesichts des wachsenden Antisemitismus ihr Ungartum dadurch beweisen wollen, dass sie Mitglied einer christlichen Kirche werden. Diese bezeichnete er als ‘politische Konvertierer’. 254 Forgács gemäß hat nämlich ‘die Kon-vertierung nur dann einen annehmbaren Wert, wenn es sich auch um eine Bekehrung handelt.’ 255 Diesen Standpunkt änderte er auch nicht, als sich herausstellte, dass zwei Drittel der konvertierenden Juden zur römisch-katholischen Kirche konvertierten, in der sie ohne alle besonderen Voraussetzungen getauft wurden. Er argumentierte, dass es den ‘bekehrenden Juden eine große Enttäuschung verursachen würde, wenn sie die Kirche ohne alle Vorbereitung und ohne Probe übernehmen würde.’ 256 Da er davon überzeugt war, dass die wirkliche Lösung der Situation des Judentums das Bekehren zu Christus ist, hielt er die Evangelisation und die der Taufe vorausgehende Unterwei-sung für zwei wichtige Instrumente der Mission unter den Juden. Als Lehrmittel der Unterweisung benutzte er den Heidelberger Katechismus.

Forgács arbeitete über Jahre hindurch in der Judenmission und leistete eine erfolg-reiche Tätigkeit. Die theologische Begründung dieser Arbeit führte er jedoch nicht gründlich aus. 257 Auch in dieser Frage bewies er sich als pragmatischer Theologe. Wenn er sich unter den Motivationen der Judenmission auf die nicht eingelösten Versprechen Gottes bezog, verwendete er in seiner Begründung die Argumente der postmillenistischen Theologie, nach der im Millennium auf das Volk Israel, wenn es sich ganz bekehrt, noch eine große ‘Erhöhung’ wartet. Forgács verstand unter der Bekehrung ‘ganz Israels’ die Bekehrung der Juden, die Gott aus Gnade für das Heil auserwählt hat. 258 Mit der postmillenistischen Begründung der Judenmission setzte Forgács sich zuerst zur Zeit seines Stipendiats in Schottland, bzw. später, im Laufe der Tätigkeit der Schottischen Mission in Ungarn, auseinander. Eine Motivierung der durch die Schotten ausgeführten Judenmission war nämlich, dass es zum Ende der Weltgeschichte noch eine große Erweckung geben wird, bei der Israel bekehrt wird. Die Teilnahme an dieser Israel erweckenden Mission stellt ein großes Privileg dar. 259

Forgács klärte nicht das Verhältnis zwischen Kirche und Israel. Deshalb begründe-te er theologisch auch nicht, warum die Kirche die Judenmission ausführen und die

253 Forgács, ‘A zsidó áttérések indító okai’, Hajnal, XXIII/2 (1937), p. 5.254 Forgács, ‘A zsidó áttérések indító okai’, Hajnal, XXIII/2 (1937), p. 6.255 Forgács, ‘A zsidók’, Hajnal, XXII/11 (1936), pp. 5-6.256 Forgács, ‘A zsidók’, Hajnal, XXII/11 (1936), p. 6.257 Vgl. David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, pp. 145-150. 258 Forgács, A belmisszió, p. 492.259 Andrew F. Walls, ‘Jewish Mission’ in Dictionary of Scottish Church History and Theology, p. 590.

Siehe noch Kovács, A Budapesti Ev. Ref. Németajkú Leányegyház eredete és története, p. 76.

Page 43: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

217

bekehrten Juden aufnehmen muss. Er betonte, dass es deshalb Pflicht der Kirche ist,diese Mission auszuführen, weil Israel Gottes auserwähltes Volk ist. Aufnehmen muss man sie jedoch wegen der Liebe. Auch begründete er theologisch nicht, warum die jüdischen Bekehrten sich einer christlichen Gemeinde anschließen müssen. Aus der Berufung auf den Auftrag der Taufe bzw. auf die Notwendigkeit des dieser voraus-gehenden Glaubensbekenntnisses fehlt das christologisch-soteriologische Argument, nachdem Christus die Mauer eingerissen hat, die beide Nationen trennte (Epheser 2,14). Deshalb schreibt Paulus: ‘Denn wir alle, Juden und Nichtjuden, Sklaven und Freie, sind in der Taufe durch den selben Geist in den einen Leib Christi eingegliedert worden’ (1. Korinther 12,13). Demzufolge gibt es seit Pfingsten einen Leib Christi,in dem Juden und Heiden eingegliedert sind. Hinter der Betreibung der Judenmission stand, als pragmatisches Argument ebenfalls, die Überzeugung von Forgács, dass die Bekehrung der Juden ein bedeutendes Hindernis für das Aufflammen des Antisemi-tismus sein kann. 260

Die theologischen und praktischen Prinzipien der Judenmission übernahm Forgács von der Schottischen Mission. Von ihren Prinzipien wich er nicht ab. Auf seine prag-matische Denkweise übten jedoch der wachsende Antisemitismus und der Protest der westeuropäischen protestantischen Kirchen einen Einfluss aus. Er war damit einver-standen, dass die Schottische Mission gegenüber denjenigen, die in die reformierte Kirche konvertieren wollten, von der Kirche ‘die Anwendung strenger reformierter Prinzipien’ erwartete. 261 Das bedeutete die Teilnahme an einem auf der Grundlage des Heidelberger Katechismus durchgeführten, wenigstens ein halbes Jahr dauernden Lehrgang. So ist zu verstehen, dass er bis zum Ende seines Lebens auf dieser Bedin-gung bestand. Anfangs stand Forgács geradezu allein in dieser Arbeit, der sich erst später der Pfarrer Albert Bereczky, Nachfolger von Forgács in Péczel, anschloss. Des-halb können die praktische Tätigkeit von Forgács und alle seine mit der Judenmission zusammenhängenden Schriften als Pionierarbeit in der ungarischen missiologischen Literatur bezeichnet werden.

7.5 PRAKTISCHE MISSIONSTHEOLOGIE

7.5.1 Struktur der praktischen Missionstheologie

Seine praktische Missionstheologie, die die Methode der missionarischen Arbeit be-schreibt, legte er unter dem Titel A belmisszió munkája (Die Arbeit der Inneren Mis-sion) dar. 262 Dieser Teil, der 480 Seiten umfasst, ist der am ausführlichsten ausgear-beitete seiner Missionstheologie, der wegen seiner praktischen Hinweise die größte Wirkung in der Kirche auslöste. Seiner Meinung nach enthält die Bibel hinsichtlich der Durchführung der missionarischen Arbeit keine genaue Beschreibung; diese muss

260 Forgács, A belmisszió, p. 503.261 Forgács, ‘A száz éves Skót Misszió’, p. 413.262 Forgács, A belmisszió, p. XI.

Page 44: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

218

die Kirche zu allen Zeiten selbst suchen. 263 Mit dieser Theorie wurde er der eigentliche frühe Pionier des Gedankens der Inkulturation, deren Begriff erst ab 1960 in der Missi-ologie verwendet wurde, 264 dessen Prinzip 265 wir aber schon bereits bei Forgács findenkönnen. Er betrachtete es als seine Hauptaufgabe, die internationale Theorie und Praxis der Inneren Mission, unter Berücksichtigung der ungarischen Kultur und der Situation der ungarischen Volkskirche, auf die Situation der Gemeinden anzuwenden. Forgács bezeichnete diesen Prozess und dieses Bestreben als ‘Reformation’, die ein Schlüssel-wort seiner Theologie der praktischen Mission war. Da er genau das anstrebte, können wir behaupten, dass dieses der originalste Teil seines opus magnum ist.

Begriff und Gedanke einer neuen Reformation wurden nach Forgács auch zu einem Programm seiner die Innere Mission in Theorie und Praxis betreibenden Zeitgenossen und zu einem Schlüsselwort der Inneren Mission. László Ravasz verwendete auch diesen Begriff, unter dem er verstand, ‘das Vereins-Christentum zu verkirchlichen und die historische Kirche zu evangelisieren.’ 266 Gemäß Jenő Sebestyén bedeutet die Reformation, dass in der Inneren Mission ‘die reformierten Prinzipien streng durch-gesetzt werden müssen’, weil infolge der durch die Innere Mission entstehenden Erweckung, auch ‘die wenigen reformierten Grundsätze’ verschwinden können, die noch in der Reformierten Kirche geblieben sind. Unter diesen reformierten Grundsät-zen verstand er, dass ‘die missionarische Arbeit der Kirche, sowohl in der Lehre, als auch in der Organisation vollständig zum Leib der Kirche gehören muss.’ 267 Sándor Makkai verwendete ebenfalls diesen Begriff. Seiner Meinung nach besteht das Wesen der neuen Reformation darin, dass der Begriff der Inneren Mission verkirchlicht und zu einer Gemeinde-Mission gemacht werden muss. 268 János Victor verwendete statt des Begriffs der Reformation lieber den Begriff der ‘teilweisen Reformation’, darauf hinweisend, dass das große historische Ereignis der Reformation bereits stattfand. 269 Victor bezeichnet die in zwei Gebieten vorzunehmende Reform als ‘teilweise Refor-mation’. Das eine ist das Reformieren der Kirchenmitgliedschaft und der Konfirma-tion. Darunter verstand er, dass die Verknüpfung der Konfirmation des Kindes mitder Kirchenmitgliedschaft geändert werden muss. Das andere Gebiet, auf dem neu begonnen werden muss, ist die Einführung des diakonischen Amtes in der Reformier-ten Kirche. Das ist deshalb notwendig, weil dieses Amt den ‘Charakter der Liebesge-meinschaft’ der Kirche hervorheben könnte.’ 270 In den vorgestellten Formulierungen

263 Forgács, A belmisszió, pp. 23-24.264 Pierre Charles und J. Masson sprachen zuerst 1962 über den ‘inkulturierten Katholizismus’. Vgl. David

J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, p. 409.265 ‘Der christliche Glaube kann allein nur so existieren, wenn er in irgendeine Sprache der Kultur “übersetzt

wurde”.’ David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, p. 409.266 László Ravasz, Emlékezéseim, p. 166.267 Jenő Sebestyén, ‘A belmisszió kérdése a zsinat előtt’, Kálvinista Szemle, IX/15 (1928), p.1.268 Sándor Makkai, Az egyház missziói munkája, pp. 243-244.269 János Victor, ‘Egyházi jövőnk útja. Ébredés? Evangélizáció? Reformáció?’, Református Figyelő, II/45

(1929), pp. 537- 539.270 Victor, ‘Egyházi jövőnk útja. Ébredés? Evangélizáció? Reformáció?’, p. 538.

Page 45: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

219

des Reformationsbegriffes finden wir die Weiterführung und Entwicklung der Gedan-ken, die Forgács in seinem Programm grundlegend formuliert hatte.

Als ein Mittel, das zur Reformation führen sollte, bezeichnete er das Evangelisieren, das neben der Reformation ein weiterer Schlüsselbegriff in der praktischen Missions-theologie von Forgács war. Um diese beiden Begriffe baute er ausführlich die Methode und die Durchführungsrichtlinien für diese Arbeit auf und erarbeitete diese. 271

7.5.2 Anwerbung und Ausbildung von Missionsmitarbeitern

Forgács war sich bewusst, dass die Verwirklichung, der in seiner systematischen Mis-sionstheologie genannten Missionsziele nur möglich ist, wenn sie einen großen Teil der Gemeindemitglieder für die missionarische Arbeit bewegen können. Eine Ursache für den erbärmlichen Zustand der Kirche sah er nämlich darin, dass die Mitglieder der Gemeinde passiv sind und alles vom Pfarrer erwarten. 272 Deshalb befasste er sich in seiner praktischen Theologie in einem besonderen Kapitel mit der Frage, wie man die ‘zu einem missionarischen Selbstbewusstsein erweckten’ Gemeindemitglieder als Mitarbeiter einbeziehen kann, die als die ‘Soldaten der Inneren Mission’ bei der Ver-breitung der Bibel und von Traktaten, bei Familienbesuchen, bei den Dorf- und Stadt-missionen, dem Unterricht in den Sonntagschulen sowie in der diakonischen Arbeit aktiv teilnehmen können. 273

Ausgehend von der Lehre über das allgemeine Priestertum gelangte er zu der Fest-stellung, dass ‘alle Christen Missionare sind’, 274 deren Pflicht es ist, an der Ausbrei-tung des Reiches Gottes teilzunehmen. Aufgabe des Pfarrers ist es dabei, die ‘zum Glauben erweckten’ Menschen für den Bau des Reiches Gottes zu gewinnen. Diese Aufgabe besteht aus zwei Teilen: aus Anwerbung und Ausbildung von Mitarbeitern.

Unter der Anwerbung verstand Forgács die Aufklärung der Mitglieder der Gemein-de hinsichtlich dessen, was Gott von ihnen in der Mission erwartet. Bei der Anwerbung müssen ihre Augen für die vielschichtigen Arbeiten und Aufgaben geöffnet werden, denen sie sich anschließen können. Zum Schluss muss jeder damit für diese Arbeit ermutigt werden, dass ‘viele Helden und Pioniere der Inneren Mission aus den Reihen der einfachen Menschen hervorgegangen sind.’ 275 Gleichzeitig betonte er auch, dass sich die Anwerbung auch auf studierte und gebildete Menschen erstrecken muss, weil diese ‘auf allen Linien der Evangelisation und bei der Organisation und Leitung der Institutionen’ benötigt werden. 276 Er schlug vor, dass die Anwerbung bereits unter den Kindern begonnen werden sollte. Deshalb befasste er sich in seinem Katechismus für Konfirmanden in sieben Fragen mit dem Thema des Dienstes. 277

271 Forgács, A belmisszió, pp. 336-817. 272 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 15.273 Forgács, A belmisszió, pp. 618-619.274 Forgács, A belmisszió, p. 618.275 Forgács, A belmisszió, p. 619.276 Forgács, A belmisszió, p. 619.277 Gyula Forgács, Református konfirmációi káté (Tahitótfalu: Sylvester Kiadás, 1928), pp. 28-30.

Page 46: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

220

Nach seiner Methode muss der Anwerbung eine gründliche Ausbildung folgen. Sich auf englische, schottische und deutsche Beispiele berufend 278 schlug er vor, dass diejenigen, die sich in der missionarischen Arbeit einsetzen wollen, zu solchen ‘Kur-sen der Inneren Mission’ geschickt werden müssen, bei denen sie eine entsprechende Ausbildung erhalten können. Die Durchführung der Kurse betrachtete er als Aufgabe der Kirche, aber er sah auch kein Problem darin, wenn diese Aufgabe vorerst die mis-sionarischen Vereine übernehmen. Beachtenswert ist, dass an keiner Stelle der Gedan-ke auftritt, dass die Ausbildung von Mitarbeitern in der örtlichen Gemeinde vom Pfar-rer selbst geleitet werden könnte. Die Aufgabe des örtlichen Pfarrers in dieser Arbeit gab er nur in der wöchentlichen Vorbereitungshilfe der Lehrer der Sonntagschule an.

Wir können nicht beweisen, nur annehmen, dass Forgács in Bezug auf die Zusam-menarbeit zwischen Kirche und Vereinen eine Möglichkeit darin sah, dass die Vereine die Ausbildung von Missionsmitarbeitern für die Kirche übernehmen würden. Sei-ne Darlegungen über Anwerbung und Ausbildung der Mitarbeiter beendete er damit, dass das ‘Hauptmittel’ dieser Arbeit das Gebet ist; ‘Bittet den Herrn der Ernte!’

Forgács, der sich weder mit den inhaltlichen, noch mit den methodischen Fragen der Ausbildung der missionarischen Mitarbeiter gründlich beschäftigte, erschien dennoch selbst der Gedanke, dass in der Gemeinde die Verantwortung für die Mission erweckt werden muss, dass sogar auch die Mitglieder der Gemeinde in die missionarische Ar-beit einbezogen werden müssen, als neues Paradigma in der Ungarischen Reformierten Kirche, das bei einigen Widerspruch, bei anderen dagegen Begeisterung auslöste.

Interessant ist nun, das Forgács zwar die Ausbildung der Missionsmitarbeiter und deren Einbeziehen in die Arbeit betrieb, aber in der missionarischen Gemeindear-beit nicht einmal theoretisch einen selbständigen Arbeitskreis gebildet hat, z.B. die Leitung einer Bibelstunde, die Durchführung eines Gottesdienstes auf einem Aus-siedlerhof oder etwa das Organisieren einer neuen missionarischen Gemeinde. Damit gedachte er den Mitgliedern der Gemeinde eher die Rolle eines ‘Hilfsarbeiters’ der Mission zu. Das bedeutete, dass seine Anschauung der Gemeinde trotz allem pfarr-erzentrisch blieb und er die für die Sache des Evangeliums gespürte Verantwortung nicht der Gemeinde oder deren Leiter übergeben konnte.

7.5.3 Organisation der einzelnen missionarischen Arbeitsgebiete

Forgács zählte zur inneren Arbeit der Inneren Mission auch die sog. organisatori-sche Arbeit. Seiner Meinung nach gefährden Voreiligkeit und Experimentieren die missionarische Arbeit am meisten. Deshalb muss diese organisiert werden. Unter der organisatorischen Arbeit verstand er planmäßige Vorbereitung, Beginn und ständige Weiterentwicklung der Missionsarbeit sowie deren Verbindung mit der Missionstätig-keit des Weltchristentums. 279

Bei der Organisations- und Planungsarbeit dachte Forgács den Missions- und Di-akonie-Ausschüssen der Gemeinden eine bedeutende Rolle zu. Das nahm er auch

278 Forgács, A belmisszió, p. 651. 279 Forgács, A belmisszió, p. 654.

Page 47: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

221

ernst; und überall wo er arbeitete, organisierte er Ausschüsse, in denen die Planung vorab erfolgte. Er war bemüht, auch den Ausschussmitgliedern Verantwortung zu übertragen und plante darum selbst nie allein.

Für ein weiteres Instrument der Organisationsarbeit hielt Forgács die Missions-vereine, in erster Linie die Vereinigungen, deren Mitglieder aus den Mitgliedern der kirchlichen Gemeinde bestanden. Die Bedeutung der Vereinigungen beurteilte er da-nach, welche und wie viel Missionsarbeit sie in den kirchlichen Gemeinden leisteten. Eine Aufgabe der Vereinigungen bestimmte er darin, für die verschiedenen Gebie-te der Missionsarbeit (Krankenbesuche, Evangelisation, Diakonie, Sonntagsschule, Lehre usw.) Gemeindearbeiter auszubilden. Die Gründung von Vereinigungen mit diesen Zielen war seiner Meinung nach hauptsächlich in den Großstadtgemeinden notwendig, in denen das Arbeitsgebiet auch groß ist.

Die andere Aufgabe der Vereinigungen sah er darin, solche Freundeskreise zu or-ganisieren, die die Missionsarbeit materiell unterstützen und helfen, bezahlte Mis-sionsmitarbeiter einzustellen. Die Vereinigungen können auch die Aufgabe haben, Mitglieder kleinerer Gemeinden mit ähnlichem Interesse zusammenzufassen und für die Missionsarbeit auszubilden.

Für ein drittes Instrument der Organisationsarbeit hielt Forgács die Landes-Missi-onsvereine. Deren Aufgabe sah er darin, die in den örtlichen Vereinigungen laufende Arbeit zu koordinieren, bei der Planung der Missionsarbeit zu beraten und mit Pro-grammen sowie mit Literatur die Mission zu unterstützen. Aufgabe der Landesor-ganisationen sollte die Kontaktpflege mit den ausländischen Missionsvereinigungen,das Einladen ihrer Vertreter, die Organisation von persönlichen Besuchen und die Teilnahme an Konferenzen im Ausland sein. 280

Forgács selbst war auch ein guter Organisator und ihn zeichnete ein missionarischer Aktivismus aus. Auch diese Arbeit führte er selbst aus. Er war bestrebt, diese Prinzi-pien in dem durch ihn vorbereiteten Missionsgesetz (1933) zur Geltung zu bringen. Eine bedeutende Rolle spielte er dabei, dass die Kirche und die Missionsvereinigun-gen sich nicht nur einander näher kamen, sondern dass auch mehrere Vereinigungen in die Reformierte Kirche integriert wurden. 281

7.5.4 Das Evangelisieren

Begriff und Wesen des Evangelisierens In der Missionstheologie von Forgács spielte der Begriff des Evangelisierens eine wichtige Rolle. Deshalb verwandte er große Sorgfalt auf die prinzipielle Klärung von Begriff und Natur des Evangelisierens. In seiner praktischen Missionstheologie un-terschied er bewusst und konsequent den Begriff ‘Evangelisieren’ und den Begriff ‘Evangelisation’. Im allgemein kirchlichen Wortgebrauch bedeutete die Evangeli-sation die mündliche oder schriftliche Weitergabe des Evangeliums an die sich von

280 Forgács, A belmisszió, pp. 658-670.281 Belmissziói Útmutató, Gyula Forgács red., (Budapest: Bethlen Gábor Irodalmi és Nyomdai Rt., 1930),

pp. 67-68.

Page 48: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

222

der Kirche entfernt habenden, aber getauften Kirchenmitglieder, die an einzelnen Stellen in größerer Anzahl zusammen kamen. 282 Unter der Evangelisation verstand man einen bestimmten Typ von Predigt. 283 Forgács dagegen benutzte den Begriff des Evangelisierens in einem allgemeineren Sinn und dehnte dessen Geltungsbereich auf das große Gebiet der Arbeit der Inneren Mission aus. Nach seiner Definition ist ‘dasEvangelisieren die missionarische Demonstration des Evangeliums.’ 284 Diese kurze und allgemeine Definition legte er danach ausführlicher dar, als er schrieb, dass dieseDemonstration ‘in der missionarischen Predigt, in Lesen und Verbreitung der Bibel, in Herstellung und in Vertrieb von christlichen Schriften und Büchern, im Beten, Singen und schließlich im Spenden zum Ausdruck kommt.’ 285 Unter dem Evangelisieren ver-stand er also eine solche missionarische Tätigkeit, die nicht nur die Predigt einschloss. Diese erweiterte Auslegung ist der Grund dafür, dass er sich bemühte, von Anfang an zu betonen, dass die Innere Mission nicht mit dem Evangelisieren identisch ist, obwohl sie ‘ein wesentliches Element’ dessen darstellt. 286

Den Begriff ‘Evangelisieren’ und dessen erweiterten Inhalt übernahm die ungari-sche Literatur der Inneren Mission von Forgács nicht. Stattdessen verwendeten alle das Wort Evangelisation, das sie mit unterschiedlichem Inhalt füllten. Jenő Sebestyén benutzte den Begriff der Evangelisation ausdrücklich für einen Typ der Predigt und sprach meistens von der reformierten Evangelisation. Die Evangelisation ist seiner Meinung nach die Verkündigung des Evangeliums unter denjenigen, die der Wahr-heit Gottes entfremdet leben. Ihr Ziel ist es jedoch, über das Gelangen zum Glauben hinaus, dass diese Menschen zu dienenden Mitgliedern der Reformierten Kirche wer-den. Die reformierte Evangelisation bleibt also nicht bei dem individuellen Ziel der Bekehrung stehen. 287 Auch Sándor Makkai übernahm von Forgács nicht den Begriff ‘Evangelisierung’; er sprach auch von der ‘Evangelisation’. Er benutzte den Begriff der Evangelisation dagegen für die Arbeit, für die Forgács das ‘Evangelisieren’ ver-wendete. Makkai bezeichnete die Evangelisation als einerseits die ‘kultlose, freie, ungebundene, nicht an den Text gebundene’ Predigt; andererseits dehnte auch er die-sen auf Familiengottesdienste, Bibelstunden und die Orchester- und Chorarbeit von kirchlichen Veranstaltungen aus. 288 János Victor benutzte den Begriff der Evangelisa-tion in erster Linie für eine bestimmte Art der Predigt. Das Wesen dieser Predigt, die auf der Kanzel oder auch woanders gehalten werden kann, ist, dass sie persönlich und ansprechend ist, ihr Ziel ist jedoch die Erweckung. Deshalb gab er als Ziel der Evan-

282 Zum Konventbeschluss Nr. 142/1931 der Missionsordnung der Reformierten Kirche in Ungarn (Magyarországi Református Egyház missziói szabályrendelete) (4.§) Anlage Nr. 3. Siehe noch: III. tc. 3.§.a, in A Magyarországi Református Egyház Törvényei (Budapest: Bethlen Gábor Irodalmi és Nyomdai Rt., 1933), p. 115.

283 Gemäß Forgács sind viele Evangelisationen ‘nachlässig, burlesk, methodistisches Erpressen’, deshalb verwendete er nicht gerne den Begriff der Evangelisation. Siehe Forgács, A belmisszió, p. 340.

284 Forgács, A belmisszió, p. 336.285 Forgács, A belmisszió, p. 336.286 Forgács, A belmisszió, p. 336.287 Jenő Sebestyén, ‘Az evangélizáció főbb kérdései’, Kálvinista Szemle, III/1922. pp. 309-310.288 Makkai, Az egyház missziói munkája, pp. 200-209.

Page 49: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

223

gelisation die Erweckung an, weil gemäß Victor der Weg zur Reformation der Kirche über die Erweckung führt. 289 Somit gab es um den Begriff der Evangelisation viele Missverständnisse, die auch bis heute noch in Ungarn bestehen. Forgács stimmte in der Bestimmung des Begriffes der Evangelisation nicht mit Victor überein und blieb bis zum Ende seines Lebens bei dessen weiterer Auslegung.

Inhalt des EvangelisierensForgács war bestrebt, seine eigene Konzeption in ein System zu fassen und dieses aus-führlich darzulegen. Der Inhalt des Evangelisierens besteht in ‘Gottes Zeugnis über die in Jesus Christus offenbarte und seine unter uns arbeitende, ewige Liebe.’ 290 Ihr Ziel ist es, ‘dass das Evangelium von Christus in allen Situationen des menschlichen Lebens, im Alltag sowohl wie bei der Arbeit als auch in der Unterhaltung, zur Gel-tung komme und eine heiligende Kraftquelle werde.’ 291 Aus dieser Definition gehtklar hervor, dass er das Ziel des Evangelisierens nicht nur in der Übermittlung des transzendenten Heils bestimmte, sondern auch in der Anerkennung der Herrschaft Christi über diese Welt. In sein Verständnis des Heils gehörten also nicht nur die transzendenten Perspektiven des Heils, sondern auch dessen immanente Wirklichkeit. Deshalb halten wir ihn in der ungarische Missiologie für einen Pionier des Gedankens des ‘alles umfassenden Heils.’ 292

Getrennt befasste Forgács sich mit dem Charakter der evangelisierenden Arbeit, d.h. mit deren bekenntnistreuer Eigenart. Er bekannte, dass das Evangelium zwar eins ist, aber nicht charakterlos. ‘Ein Evangelisieren ohne Charakter kennen nur die Dilettanten.’ 293 Deshalb bemühte er sich, zu formulieren, worin der Charakter des reformierten, calvinistischen Evangelisierens besteht. Eines ihrer ‘Charaktereigen-schaften’ ist, dass sie die ganze Heilige Schrift und den ganzen Inhalt des Evangeli-ums demonstrieren will. Ihre andere Eigenart ist, dass sie sich inhaltlich im Rahmen der reformierten Glaubensbekenntnisse bewegt. 294 Die homiletische Eigenart des re-formierten Evangelisierens ist weiterhin, dass sie nicht aufdringlich und aggressiv ist, nicht sofort Ergebnisse sehen und beurteilen will, sondern geduldig auf das Han-deln Gottes wartet, der das Wachsen schenkt. (1 Korinther 3,7). ‘In der Gemeinde muss die Wirkung des Evangelisierens darin zum Ausdruck zu kommen, dass die Gemeinde eifrig den Gottesdienst in der Kirche besucht, regelmäßig am Abendmahl teilnimmt und immer mehr Verantwortung gegenüber denjenigen fühlt, die an diesen geistlichen Segnungen nicht teilhaben.’ 295 Forgács, der von der Vereinsarbeit zur Ge-meindearbeit überging, vertrat entschlossen den Standpunkt, dass die Kirche nicht nur

289 Victor, ‘Egyházi jövőnk útja. Ébredés? Evangélizáció? Reformáció?’, p. 538.290 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 4.291 Forgács, A református misszió irányelvei, pp. 5-6.292 David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, pp. 367-368. 293 Forgács, A belmisszió, p. 336.294 Namentlich nannte er das Zweite Helvetische Bekenntnis, den Heidelberger Katechismus und den

Westminster Larger Katechismus. Forgács, A belmisszió, p. 337.295 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 6.

Page 50: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

224

Objekt der evangelisierenden Arbeit, sondern auch deren Subjekt ist. Darum ist die evangelisierende Arbeit eigentlich Aufgabe der Kirche, genauer gesagt, Aufgabe der Gemeinde. 296

Evangelisieren durch Verkündigung des Wortes GottesDie Predigt hielt er für ein wichtiges Mittel des Evangelisierens. Den ‘ersten Typ’ der evangelisierenden Wortverkündigung nannte er die missionarische Predigt. Die mis-sionarische Predigt 297 unterschied er von der Predigt in der Gemeinde. ‘Die Predigt in der Gemeinde baut auf den vorhandenen Grundlagen auf, die missionarische Predigt renoviert entweder ein verfallenes Gebäude oder beginnt dort zu bauen, wo statt eines glänzenden Palastes eine Einöde oder ein Abfallhaufen ist.’ 298 Inhalt der missionari-schen Predigt ist die Verkündung der grundlegenden Wahrheiten des Evangeliums; ihre Zielgruppe ist die Masse, die der Kirche entfremdet ist oder gefühlsmäßig auch im sozialen Sinn aus kaputten Menschen besteht.

Den zweiten Typ der evangelisierenden Wortverkündigung bezeichnete er als per-sönliches, mündlich vorgetragenes Ablegen eines Bekenntnisses. Darunter verstand er, wenn ein Christ bei einem persönlichen Besuch oder einer Begegnung auf der Stra-ße anderen Menschen das Evangelium bringt, bzw. wenn sich die Gelegenheit ergibt, auf öffentlichen Plätzen auch vor einer großen Menge Zeugnis über die Wahrheit des Evangeliums abzulegen. Im Zusammenhang damit betonte er zu berücksichtigen, dass, wenn jemand infolge des Zeugnisablegens auf den Weg des christlichen Glaubens tritt, dieser unbedingt eine kirchliche Gemeinschaft benötigt, die ihn aufnimmt. Unter der kirchlichen Gemeinschaft verstand er jedoch nicht die Teilnehmer am sonntäglichen Gottesdienst, sondern diejenigen, die während der Woche zu Bibelstunden und Gebets-gemeinschaften zusammenkommen, wo man über die Sachen des Glaubens freundli-che Unterhaltungen führen und einander gegenseitig im Glauben stärken kann.

Den dritten Typ der evangelisierenden Wortverkündigung bezeichnete Forgács als evangelisierende Kampagne. Für eine evangelisierende Kampagne hielt er, wenn ein beliebter Evangelist in großen Sälen einer Stadt oder eines Ortes, d.h. außerhalb eines Kirchengebäudes, eine mehrtägige Reihe von Predigten hält. Wenn Forgács den Aus-druck ‘Evangelisation’ verwendet, versteht er darunter immer die evangelisierende Kampagne. In Verbindung mit Inhalt und Methode dieser Arbeit distanzierte er sich mehrmals von der Anwendung aufdringlicher Methoden. 299 Dagegen betonte er, dass einen wichtigen Teil dieser Arbeit die Vorbereitung und die Nacharbeit ausmachen. Die Bedeutung der Nacharbeit hob er ganz besonders hervor.

296 Forgács, A belmisszió, p. 339. Forgács gelang es, diesen Gedanken auch in das Missionsgesetz von 1933 aufzunehmen.

297 Siehe: ‘Missionary Sermons’ in Jan A. B. Jongeneel, Philosophy, Science, and Theology of Mission in the 19th and 20th Centuries, A Missiological Encyclopedia, Part. II. The Philosophy und Science of Mission (Frankfurt am Main; Berlin; Bern; New York; Paris; Wien: Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, 1997), pp. 282-289.

298 Forgács, A belmisszió, p. 340.299 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 4.

Page 51: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

225

Evangelisieren durch Lesen und Verbreiten der BibelZur Arbeit des Evangelisierens zählte Forgács auch das Verbreiten der Bibel und das Fördern des Lesens der Bibel. Da er die Bibel für die Offenbarung Gottes hielt, be-kannte er, dass aus diesem Buch ‘der Mensch Gott, sich selbst und die umgebende Welt kennen lernen kann, und auch erkennen kann, dass der Erwerb des ewigen Le-bens nur auf eine Weise möglich ist: durch Christus.’ 300 Darum hielt er das Kennenler-nen der Bibel für ein wichtiges Mittel des Evangelisierens.

Forgács forderte auch besonders, dass die Vorstellung der Bibel bei den Kindern begonnen werden muss, und zwar in der Familie. ‘Die Popularisierung und erneute Verbreitung der Ausübung der Hausandachten ist eine der dringendsten missionari-schen Aufgaben in unserem Land.’ 301 In mehreren seiner Schriften forderte er auch, dass in allen Gemeinden und in allen kirchlichen Institutionen Bibelschulkurse orga-nisiert und in den kirchlichen Schulen die Kenntnis der Bibel in den Lehrplan des Re-ligionsunterrichts aufgenommen werden soll. Für notwendig hielt er, dass alle Kinder der 3. Klasse über ein Neues Testament und alle Konfirmanden über eine kompletteBibel verfügen. 302 Die Leiter der Kirche machte er besonders darauf aufmerksam, dafür zu sorgen, dass die Lehrlinge sowie auch die Wirtschafts- und Haushaltshilfen die Bibel kennen.

Forgács gab ausführliche methodische Ratschläge, wie die Bibelstunden abzuhal-ten sind, in denen man mit den Teilnehmern über Inhalt und Botschaft der Bibel spre-chen kann. Die Pfarrer warnte er besonders davor, dass sie in der Bibelstunde keine monologe Predigt halten sollen, sondern ein gemeinsames Bibelgespräch suchen. 303 Ähnlich bemühte er sich auch, ausführlich darzulegen, wie man die Bibel lesen und studieren muss. 304

Evangelisieren durch religiöse Traktate und ZeitschriftenFür einen wichtigen Teil der evangelisierenden Arbeit hielt Forgács, außer der Verbrei-tung und Vorstellung der Bibel, das Schreiben und Verfassen von ‘wissenschaftlichen und populären Büchern, Traktaten und Zeitschriften, die den Glauben wecken und zudem biblische Wahrheiten sowie die Lehren der Geschichte unseres reformierten Glaubens behandeln.’ 305 In dieser missionarischen Arbeit gehörte auch Forgács selbst zu den produktivsten Autoren der ungarischen Literatur der Inneren Mission.

Sorgfältig beschrieb Forgács die Methode der Verbreitung der religiösen Literatur, wem Traktate, Zeitschriften und Bücher welchen Typs anzubieten sind, wie man die Menschen auf diese Ausgaben aufmerksam machen kann, dass die Traktate möglichst

300 Forgács, A belmisszió, p. 346. 301 Forgács, A belmisszió, p. 366. Forgács, ‘Missziói nevelés a gyülekezetben’, Reformáció, V/10 (1924),

pp. 130-131.302 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 5.303 Forgács, A belmisszió, pp. 368-370.304 Forgács, A belmisszió, pp. 366-368. Siehe noch Forgács, Konfirmációi olvasókönyv, pp. 45-46. Forgács,

‘Hogyan olvassuk a Bibliát?’, Kis Tükör, XII (1904), pp. 58-59. Forgács, Gyermekek a Bibliában. Biblia magyarázatok serdülő ifjak számára (Debrecen: Hegedűs Sándor, 1913).

305 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 6.

Page 52: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

226

kostenlos zu verteilen sind, usw. 306 Auf vier Seiten führte er die Liste der Kirchen- und Missionsblätter auf, deren Verbreitung und Lesen er seinen Lesern empfahl. 307

Evangelisieren durch Gebet und GesangBesonders befasste Forgács sich mit der Verbindung von Gebet und Mission, wobei er feststellte, dass ‘die missionarische Bedeutung des Gebets gleich nach der Bedeutung des Wortes Gottes folgt.’ 308 Seine Überzeugung war es, dass ‘jede missionarische Ar-beit hier im Heiligtum des Gebets beginnt.’ 309 Als ersten Schritt der missionarischen Arbeit betrachtete er das Gebet für die Mitarbeiter: ‘Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter schickt, um sie einzubringen!’ (Lukas 10,2). Gleichzeitig hielt er es auch für eine Voraussetzung der missionarischen Arbeit, dass das ständige Gebet der Ge-meinde oder der Gemeinschaft die Missionsmitarbeiter begleitet und auch diejenigen die das Wort Gottes hören.

Das Beten muss gemäß Forgács gelernt und gelehrt werden, deshalb befasste er sich auch ausführlich mit dem inhaltlichen und formellen Teil des Gebets. Er unter-schied das ‘einsame Gebet’, das ‘gemeinsame Gebet’ und das ‘öffentliche Gebet’, mit deren inhaltlichen und formellen Elementen er sich ausführlich befasst hat. 310 Seine Methode begründete er damit, dass das Gebet nicht vom Evangelisieren getrennt wer-den kann, weil das Gebet ein der Predigt gleichrangiger Faktor ist. 311 In der Arbeit des Evangelisierens verband er das Gebet mit dem Gesang als gesungenes Gebet, damit ausdrückend, dass Gebet und Gesang Zwillinge sind. 312

Außer den Liedern des reformierten Gesangbuches, das auch Psalme enthielt, trat Forgács für die Einführung der ‘missionarischen Lieder’ 313 ein. Darunter verstand er die Lieder, die überwiegend im Laufe der großen Evangelisationen des 19. Jahrhun-derts von deutschen und englischen Verfassern entstanden. 314 Für diese Lieder setzte er sich deshalb ein, weil er deren Inhalt für evangelistisch und deren Text für so einfach hielt, dass ihn auch ein Kind verstehen und leicht erlernen kann. Da diese Lieder unter den um die Traditionen besorgten Pfarrer und Mitglieder der Kirche einen großen Wi-

306 Forgács, A belmisszió, pp. 379-386.307 Forgács, A belmisszió, pp. 387-390.308 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 7.309 Forgács, A belmisszió, p. 394.310 Forgács, Konfirmációi Olvasókönyv, pp. 63-64. Forgács, ‘Az imádság’, Ébresztő, VIII/10 (1908), pp.

162-163. Forgács, ‘Az imádság értéke’, Hajnal, XX/3 (1934), pp. 1-2.311 Forgács, A belmisszió, p. 397.312 Forgács, A belmisszió, p. 401.313 Forgács, A belmisszió, p. 410.314 Forgács hat vier Liedersammlungen empfohlen: Új Simeon énekei, red. Ferenc Kecskeméthy, 1898; A

Gyermek Lant, red. Sándor Farkas, 1883; Hozsánna, red. János Victor sen., 1901; Hallelujah, red. Pál Nyáry, 1905; Im Hozsánna und Hallelujah finden wir die Gesänge von Karl Bogatzky: Wach auf du Geist...; Nikolaus L. von Zinzendorf: Jesu geh voran...; Van Alstyne Crosby: Safe in the arms of Jesu...; Sarah Adams-Flower: Nearer my God to Thee...; Joseph M. Scriven: What a friend we have in Jesus usw. Forgács, A belmisszió, pp. 404-407. Vgl. Jan A. B. Jongeneel, Philosophy, Science, and Theology of Mission in the 19th and 20th Centuries, A Missiological Encyclopedia, Part. II., pp. 238-240.

Page 53: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

227

derstand auslösten, schrieb er ein besonderes Kapitel unter dem Titel ‘A missziói éne-kek védelme’ (Schutz der missionarischen Lieder). 315 Besonders empfindlich reagierteer auf das Argument der Gegenseite, dass diese Lieder ‘die ungarischen Calvinisten deshalb nicht nötig haben, weil diese sehr oft den Namen Jesu’, die Bekehrung, die Wiedergeburt, methodistische Sündenbekenntnisse usw. enthalten.’ 316 Auf diese An-schuldigungen antwortete er mit mildem Spott, dass man damit zuerst das Neue Testa-ment selbst beschuldigen müsste. Er betonte, dass zwischen dem Singen von Psalmen und den ‘schwungvollen evangelisierenden Liedern’ kein Widerspruch besteht.

Eine besondere Methode arbeitete er für den Gesangsunterricht von Kindern und Erwachsenen aus und veröffentlichte diese in einer Artikelserie, 317 forderte die Bil-dung von Chören und das Erhöhen des Niveaus der Gesangskultur.

Evangelisieren und SpendenIn dem Kapitel ‘Das Geld und die Mission’ zeigt Forgács auf, warum er das Spenden zu den Arbeiten des Evangelisierens zählt. 318 In diesem Kapitel drückt er aus, dass das ‘durch Christus neugeborene Leben gedeihen und sich ausbreiten will, und bereit ist, für den Triumph Opfer zu bringen.’ 319 Ein derartiges Opfer kann auch das Geld sein, das nicht nur ein Ergebnis, sondern auch ein Mittel der evangelisierenden Arbeit ist. Für wichtig hielt er die Betonung des missionarischen Nutzens der Spende, der die Predigt stärkt; denn das Spenden beginnt so, dass wir zuerst geistliche Schätze geben, danach aus den Spenden Traktate und Sozialhilfe, die die Glaubwürdigkeit des Evangeliums in denjenigen bestärken, die diese erhalten. Forgács arbeitete auch eine Methode für die Erziehung zum Spenden aus und schrieb Ratschläge hinsichtlich des Umgangs mit den Spenden. 320 Über die Unterweisung der Gemeindemitglieder zum Spenden schrieb er eine eigene Artikelserie. 321

Damit, dass Forgács auch das Spenden zu den Arbeiten des Evangelisierens zählte, erwies er sich als Pionier der ungarischen theoretischen und praktischen Missions-theologie, weil er das Wesen des Evangelisierens nicht allein auf die verbale Predigt beschränkt hat. 322

315 Forgács, A belmisszió, p. 410.316 Forgács, A belmisszió, p. 411.317 Forgács, ‘Általános vezérfonal az egyházi énektanításhoz’, Az Út, III/1-2 (1917), pp. 59-63. III/3-4

(1917), pp. 103-109. III/11-12 (1917), pp. 264-263. IV/4-5 (1918), pp. 81-93.318 Forgács, A belmisszió, pp. 413-423. Forgács, ‘Tiszteld az Urat a te vagyonodból’, Reformáció, XI/12

(1931), p. 188.319 Forgács, A belmisszió, p. 413.320 Forgács, A református misszió irányelvei, pp. 8-9. Forgács, A belmisszió, pp. 420-422.321 Forgács, ‘Önkéntes adózás’, Reformáció III/18 (1922), pp. 125-126. V/3 (1924), pp. 33-37. V/4 (l924),

pp. 49-53. V/5 (1924), pp. 66-70. V/6-7 (1924), pp. 84-86. Forgács, ‘A fegyelem és az anyagiak’, Reformáció, IV/3 (1923), pp. 49-52.322 David J. Bosch, Paradigmaváltások, p. 384. Zitiert: D.L. Watson, D. A. McGavran, L. Newbigin und J.

A. B. Jongeneel.

Page 54: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

228

Die Arbeitsgebiete des EvangelisierensIn seiner praktischen Missionstheologie, in der Forgács über die verschiedenen Ge-biete der evangelisierenden Arbeit schrieb, formulierte er vielleicht die meisten neuen Gedanken. Die evangelisierende Arbeit teilte er sowohl örtlich als auch nach Alters-gruppen auf. Die Aufteilung der missionierenden Arbeit nach örtlichen Gegebenhei-ten und Altersgruppen galt in der Ungarischen Reformierten Kirche als Paradigmen-wechsel, der zuerst von den Mitarbeitern der Erweckung der Inneren Mission in den Gemeinden angewendet wurde.

In Pécel ließ Forgács wie gesagt das erste Gemeindehaus des Landes bauen, wo er sog. ‘Gesellschaftsabende’ organisierte, bei denen nach einer kurzen evangelisie-renden Predigt bei einer Tasse Tee Theaterstücke mit religiösem Inhalt dargeboten, Gedichte vorgetragen und eventuell Filme gezeigt wurden. Anschließend wurde über die missionarischen Angelegenheiten der Kirchengemeinde im Rahmen einer unge-zwungenen Unterhaltung gesprochen. Seine Absicht war damit, die evangelisierende Arbeit außerhalb der Kirchenmauern zu bringen. Das war in einer ungarischen Ge-meinde auf dem Land eine neue Erfahrung. Ungewöhnlich neu war auch, als er in Pécel eine Straßenevangelisation und später Hausgottesdienste durchführte, weil er damit den Rahmen der kirchlichen Gebäude verließ. Als die Sonntagschule für die Kinder im Gemeindesaal durchführt wurde, überschritt er auch den Rahmen des Re-ligionsunterrichts, der an die Klassenräume der kirchlichen Schule gebunden war und dehnte damit die örtliche Grenzen der evangelisierenden Arbeit bedeutend aus.

Die inhaltlichen, praktischen und methodischen Elemente dieser Arbeit erarbeitete Forgács sehr sorgfältig, bis hin zu solchen Details, wie eine bestimmte missionarische Form, zu welcher Tageszeit und nach welchem Programm ablaufen soll. 323 Er ging auch auf solche Einzelheiten ein, dass der Pfarrer möglichst keinen Talar anlegen soll, wenn er in diesen Gebieten arbeitet. 324 Da er in mehreren Schriften über die in der United Free Church of Scotland 325 laufende Arbeit der Inneren Mission berichtet hatte, ist auch in diesem Teil seiner praktischen Missionstheologie der schottische Einfluss erkennbar.

Das Evangelisieren der KinderIn seiner praktischen Theologie teilte Forgács das Gebiet der evangelisierenden Ar-beit auch nach Altersgruppen ein. Die erste Altersgruppe, mit deren Evangelisieren er sich befasste, waren die Kinder. 326 Der Begriff des Evangelisierens der Kinder war im ungarischen kirchlichen Wortgebrauch nahezu unbekannt.

In der biblischen Begründung dieser Arbeit beruft Forgács sich auf das Verhält-nis von Jesus zu den Kindern. Davon ausgehend leitete er die These ab, dass ‘ge-

323 Forgács, ‘A vallásos estékről’. Reformáció, IV/4 (1923), pp. 81-85.324 Forgács, A belmisszió, pp. 341-343. Siehe noch Forgács, A református misszió irányelvei, pp. 5-6.

Forgács, ‘A vallásos estékről’, Reformáció, IV/4 (1923), pp. 81-85.325 Forgács, A belmisszió, pp. 143-146.326 Unter dem Titel ‘Evangélizálás a gyermekek és serdülők között’ (Das Evangelisieren unter Kindern

und Heranwachsenden) befasste er sich in einem besonderen Artikel mit dem Evangelisieren dieser Altersgruppe. Forgács, A belmisszió, pp. 423-450.

Page 55: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

229

mäß Jesus die Kinder das heilige Recht haben, das höchste Gut, das Reich Gottes, zu besitzen.’ 327 Deshalb ist es auch Pflicht der Kirche, solche Gelegenheiten zu schaffen,bei denen die Kinder dieses höchste Gut erhalten können. Als wichtigste Mittel des Evangelisierens der Kinder nannte er die Familie, deshalb förderte er auch das Evan-gelisieren der Eltern. Als weiteres Mittel des Evangelisierens der Kinder bezeichnete er die Sonntagschule, die durch die Kirche organisiert werden sollte. Das organisato-rische, liturgische und pädagogische Programm der Arbeit der Sonntagschule arbei-tete er ausführlich aus. 328 Dabei gab er auch an, wie viel Minuten welches liturgische Element dauern darf. Sein Hauptprinzip war, dass das Programm ‘vielseitig und nicht langweilig sein darf!’ 329

Über das missionarische Ziel des Evangelisierens der Kinder sprechend verwen-dete Forgács nie die Begriffe ‘Bekehrung’ oder ‘Bekehren’. Im Allgemeinen nannte er zwei missionarische Ziele. Das eine war, dass der Sonntagschullehrer sich bemü-hen soll, die Kinder ‘mit dem Lehren der Bibel, mit dem Beispiel seines Lebens und mit der geduldigen Liebe gegenüber den Kindern zu Christus zu führen.’ 330 Für ein weiteres Ziel hielt er es, dass die Kinder ‘mit dem Organisieren von sinnvoller Unter-haltung und Ausflügen’ davon überzeugt werden müssen, dass ‘der christliche Glaubedie fröhliche Unterhaltung nicht ausschließt.’ 331 Als pädagogisches Ziel des Evangeli-sierens der Kinder gab er das ‘Erziehen’ für die Konfirmation an. 332

Das Evangelisieren der TeenagerAußer der Kindermission beschäftigten ihn auch die inhaltlichen und methodischen Fragen der unter den Teenagern, d.h. unter den Konfirmanden, 333 auszuführenden mis-sionarischen Arbeit. Die Erklärung dafür liegt darin, dass der sich sein ganzes Leben lang um die Reformation der Kirche bemühende Forgács, davon überzeugt war, dass die Reformation der Kirche mit dem Reformieren der Konfirmation begonnen werdenmuss. 334 Eine Ursache des Verfalls der Kirche sah er nämlich darin, dass das Sakra-ment des Abendmahls im Leben der Gemeinden seine biblische Bedeutung verloren hat und aus ihm eine leere Tradition wurde. An dieser Situation wollte er durch das

327 Forgács, A belmisszió, pp. 423-424. 328 Forgács, A református gyermekmisszió, (Budapest: Magyarországi Református Egyház Egyetemes

Konventje, 1929). Forgács, ‘A vasárnapi iskolák ügye’, Reformáció, IV/12 (1923), pp. 247-250. Forgács, ‘A gyermek lelki gondozása’, Reformáció, VI/9 (1926), pp. 150-153. Forgács, ‘A gyermekmissziói tanfolyamok rendezéséről’, in Belmissziói Útmutató 1929-1930 (Budapest: Bethlen Nyomda, 1929), pp. 16-22. Forgács, ‘Gyermekmisszió református egyházunkban’, in Belmissziói Útmutató 1929-1930 (Budapest: Bethlen Nyomda, 1929), pp. 51-123.

329 Forgács, A belmisszió, p. 434.330 Forgács, A belmisszió, p. 430.331 Forgács, A belmisszió, p. 430.332 Forgács, A református misszió irányelvei, p. 5.333 In Ungarn war der Konfirmation im Alter von 12 Jahren übrig.334 ‘Die moralische Lebensfähigkeit der Gemeinde und damit der universellen Kirche hängt von der

gewissenhaften Bewertung und Durchsetzung der Konfirmation ab.’ Forgács, ‘A konfirmáció’,Reformáció, II/3 (1921), pp. 34-35.

Page 56: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

230

Reformieren der Konfirmation helfen. Er schlug vor, das Alter der sich zur Konfirma-tion Meldenden von bisher 12 Jahren auf 14-18 Jahre anzuheben. Die Vorbereitungs-dauer soll 2 Jahre betragen, während der Unterricht in einer Anfänger- und in einer Fortgeschrittenenklasse erfolgt. In den Lehrstoff müssen die inhaltliche Kenntnis der Bibel und die Vermittlung der ethischen Normen der christlichen Lebensweise aufge-nommen werden. Bis zum Ende ist das missionarische Ziel ‘das Erwecken des indi-viduellen Glaubens sowie diesen selbstbewusst zu machen.’ 335 In seinem Reformplan der Konfirmation widmete er dem Presbyterium eine bedeutende Rolle. Deren Mit-glieder sollten die Konfirmanden besuchen und geistlich betreuen. Um diesen Prozesszu unterstützen, schrieb er selbst ein Lesebuch und einen Katechismus für Konfirman-den und arbeitete zudem eine Methodik für den Konfirmationsunterricht aus. 336

Das Evangelisieren der JugendlichenIn der Aufteilung der evangelisierenden Arbeit nach Altersgruppen befasste er sich noch besonders mit den Methoden der missionarischen Arbeit, die man unter Jugend-lichen, die das 18. Lebensalter erreicht haben, ausführen kann. Über den inhaltlichen Teil dieser Arbeit schrieb er verhältnismäßig wenig und dann auch nur allgemein. ‘Bei den Zusammenkünften müssen wir in erster Linie evangelisieren!’ 337 Im Zusammen-hang mit dieser Altersgruppe hebt er eher hervor, dass sie gerne Ausflüge und Gesell-schaftsspiele macht sowie einzelne Themen gemeinsam bespricht, dementsprechend müssen auch die Stunden geplant werden.

Im Zusammenhang mit der Jugendarbeit hielt Forgács jedoch nicht die Betonung des ekklesiologen Standpunktes für wichtig, dass auch diese Arbeit in die Gemeinde integriert werden muss. Er empfahl, dass dort, wo die Jugendarbeit beginnt, selbstän-dige Jugendvereine gegründet werden oder man sich einer landesweiten Jugendor-ganisation anschließt. Er ermutigte sogar die Gründung einer Jugendgemeinde, de-ren Mitglieder unter sich selbst Presbyter und auch sonstige Würdenträger wählen können. 338 Zur Gründung von Jugendvereinen ermutigend gab er auch ein Beispiel an unter dem Titel ‘Wie muss ein lebensfähiger christlicher Jugendverein aussehen?’ 339 Auffallend ist, dass unter diesen Bedingungen an keiner Stelle die Klärung dessen vorkommt, wie die Verbindung der Mitglieder der Jugendorganisation mit der örtli-chen Gemeinde aussehen soll. Dieses Problem wurde seitdem zu einer brennenden Frage der ungarischen reformierten Jugendarbeit. Forgács, auf den die in den inter-nationalen Jugendorganisationen erfolgende Arbeit bereits als jungen Pfarrer einen großen Einfluss ausgeübt hat, sah allen Anzeichen nach keinerlei Gefahr in der vonihm vertretenen Konzeption. Die Jugend wollte er um jeden Preis gewinnen, weil er in

335 Forgács, ‘A konfirmáció’, Reformáció, II/8 (1921), pp. 92-93.336 Forgács, Vezérkönyv a konfirmációi oktatáshoz. Útmutató tervezet az úrvacsorázó református

egyháztagok előkészítésének és felvételének gyakorlására (Tahitótfalu: Sylvester Nyomda, 1927).337 Forgács, A belmisszió, p. 462. 338 Forgács, A belmisszió, pp. 445-447.339 Forgács, A belmisszió, pp. 465-466.

Page 57: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

231

ihr das Unterpfand einer neuen Reformation sah. Deshalb bezeichnete ihn später einer seiner Laudatoren als ‘Missionar der Jugend’. 340

In Verbindung mit allen Teilen der Arbeit des Evangelisierens betonte er die Ver-antwortung des örtlichen Presbyteriums und empfahl unter Berücksichtigung der ört-lichen Gegebenheiten, dass das Presbyterium in jedem Jahr einen kurzfristigen und ei-nen langfristigen missionarischen Arbeitsplan ausarbeitet, in dem Inhalte und Termine der geplanten Arbeit sowie die Verantwortlichen für diese Arbeit enthalten sind. Diese methodische Behandlung der missionarischen Arbeit hatte in der Ungarischen Refor-mierten Kirche ebenfalls Pioniercharakter, in der im Allgemeinen jede missionarische Arbeit pfarrerzentrisch war und jahrzehntelang ohne einen besonderen Plan ablief.

7.5.5 Die Diakonie

Diakonie als Arbeit der Inneren MissionÜber die nach außen wirkende Arbeit der Inneren Mission schreibend bezeichnete Forgács die Diakonie außer dem Evangelisieren als zweites Arbeitsgebiet. Im Hin-tergrund dessen stand, dass er selbst die wirtschaftlichen und sozialen Krisen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erlebte, die auch die Kirche schwer berührten und schließlich in Ungarn 1919 zu einer blutigen Revolution führten. In der ungari-schen Gesellschaft blieben jedoch auch später die sozialen Probleme bestehen und verursachten auch weiterhin bedeutende gesellschaftliche Spannungen. Forgács sah das so, dass die Kirche zur Behandlung der sozialen Probleme ein Beispiel zeigen könnte, wenn sie innerhalb der Gemeinden die sozialen Probleme ihrer Mitglieder, mit Solidarität und gemeinsamem Opfer, lösen würde. Die Kirche könnte jedoch mit der Gründung von sozialen Einrichtungen auch der Gesellschaft helfen. 341

Diakonie als missionarisches TorForgács sah in der Diakonie nicht nur ein Kirche und Gemeinde bauendes missio-narisches Mittel, sondern ein wichtiges missionarisches Tor zur Gesellschaft. Da die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung des Landes Mitglied einer christlichen Kon-fession war, sprach Forgács über Ungarn als eine christliche Gesellschaft. Nach dem ersten Weltkrieg kämpfte das Land auf den Gebieten Gesundheitswesen, Armut, Wai-senversorgung sowie Versorgung der Suchtkranken gleichermaßen auch mit schweren sozialen Problemen. Als Forgács forderte, dass die Gemeinden die Armen registrieren und unterstützen, den Ärzten bei gesundheitlichen Angelegenheiten, bei der Pflegeder unterernährter Säuglinge, bei dem hygienischen Unterricht helfen, für die Waisen Waisenhäuser errichten und sich mit rettender Liebe denjenigen zuwenden, die dem Alkohol verfallen sind, sah er in dieser Arbeit jenes missionarische Mittel, mit dessen Hilfe die Kräfte des Evangeliums die ganze Gesellschaft erreichen können.

Das hielt er für eine der missionarischen Aufgaben der Kirche des 20. Jahrhunderts. ‘Die Mission des XX. Jahrhunderts ist der Ausbau und die Stärkung der sozialen Basis

340 Pál Gulyás, Magyar Írók élete és munkái (Budapest: Argumentum kiadó, 1992), p. 414.341 Forgács, A belmisszió, pp. 330-332.

Page 58: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

232

des Christentums, damit sie danach mit noch größerem Schwung die Erfüllung des gro-ßen missionarischen Auftrags fortsetzen kann.’ 342 In seiner Missionstheologie war die Diakonie ein immer wiederkehrendes Thema. In seinem Lebenswerk befasst er sich über 52 Seiten mit der Diakonie. Darin interessierten ihn jedoch nur deren praktische Fragen.

Hier müssen wir anmerken, dass er sich über die Ziele der Mission sprechend zwar bemühte, die einzelnen Ziele klar voneinander zu unterscheiden, aber er hat diese Zie-le theologisch nicht miteinander verbunden. Das wäre jedoch besonders im Falle des Reiches Gottes und der Diakonie begründet gewesen. Da er jedoch den Begriff des Reiches Gottes theologisch nicht gründlicher ausdrückte, blieb er auch einer theologi-schen Bestimmung des Heilsbegriffes schuldig. Der Begriff des Heils war ein auf das Eschaton beschränkter Begriff, deshalb begründete er dessen immanente Ausbreitung 343 theologisch nicht. Das ist ein Paradoxon der Missionstheologie von Forgács, dass er dafür, was er in Verbindung mit der Ausführung der Diakonie in der Praxis förderte, keine gründliche theologische Begründung gab. Dieses Versäumnis wurde von Sándor Makkai weder bemerkt, noch weiter bearbeitet. Makkai schrieb ein beachtenswertes Buch über die missionarische Arbeit der Kirche, aber auch er unterließ in diesem die theologische Verbindung der Frage des Reiches Gottes, der Diakonie und des Heils. 344

Auch hier möchte ich darauf verweisen, was wir bereits früher erwähnten, dass wir in der Einbeziehung der Diakonie in das Gebiet der Inneren Mission einen Einflussvon Wichern erkennen können, den auch die schottischen Erfahrungen von Forgács nur bekräftigen konnten, wo die diakonische Arbeit ein wichtiges Element der missi-onarischen Arbeit der Gemeinde war.

János Victor, der weder die Panmissionsanschauung von Forgács, noch die von Makkai teilte, zählte die Diakonie zu den Grundtätigkeiten der Gemeinde und ver-band sie mit der Predigt und der Seelsorge. Damit wollte er betonen, dass die Diako-nie nur dann biblisch ist, wenn sie die Predigt stärkt; im gegenteiligen Fall verliert sie ihre evangelistische Dimension. 345

Die Struktur der diakonischen ArbeitDie diakonische Arbeit teilte Forgács in drei Gebiete auf. Das eine bezeichnete er als ‘Schutz-, und Pflegearbeit’, das zweite als ‘Rettungsarbeit’ und das dritte als‘Sozialarbeit’. 346 Diese Arbeitsgebiete werden in seinem Buch wie folgt beschrieben.

Unter der Schutz- und Pflegearbeit verstand Forgács die Tätigkeit in Waisenhäu-sern und in Internaten, wo die Jungen und Mädchen aus der Provinz wohnten und wo für deren Beköstigung und Kleidung gesorgt wurde. Für wichtig hielt er es, dass in diesen Institutionen auch für die seelische Erziehung und Schulausbildung der Ju-

342 Forgács, A belmisszió, p. 332.343 Vgl. David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, p. 362.344 Makkai schreibt über die theologische Begründung der Diakonie nicht einmal so viel, wie Forgács.

Siehe Sándor Makkai, Az egyház missziói munkája, pp. 318-320.345 János Victor, Építsünk hajlékot (Budapest: 1936), p. 14. Zitiert Sándor Gaál, ‘A kezdeményező egyház’,

pp. 100-102.346 Forgács, A belmisszió, p. XIII.

Page 59: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

233

gendlichen gesorgt wurde. Zu den Schutz- und Pflegearbeiten zählte er auch die unterKranken, Körperbehinderten und geistig Behinderten auszuführende Arbeit.

Zur Rettungsarbeit zählte Forgács die Arbeit unter Gefangenen, Alkoholikern und Prostituierten. Dazu zählte er die Gefangenenmission sowie die Unterstützung der aus dem Gefängnis Entlassenen bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Er strebte die Beteiligung an der Arbeit des ‘Blauen Kreuzes’ unter den Alkoholikern an. Im Kampf gegen die Prostitution empfahl er den Anschluss an die Arbeit des ‘Weißen Kreuzes’.

Unter der Sozialarbeit verstand er alle Tätigkeiten, die der Milderung des sozialen Elends dienen. Über die Methode dieser Arbeit schrieb er nichts. Dagegen befasste er sich mit dem Verhältnis der diakonischen Arbeit und der Gemeinde.

Forgács empfahl, in den Gemeinden über diese Arbeit weiter zu informieren, die Gemeindemitglieder zu ermutigen, nicht nur zu spenden, sondern auch aktiv an dieser Arbeit teilzunehmen. Gleichzeitig hat jede Gemeinde sich zu bemühen, auch in ihrem eigenen Gebiet die vielschichtige Arbeit der Diakonie auszuführen. Er betrieb die Organisation dieser Arbeiten und empfahl, dass es ‘in allen Gemeinden einen Kurator der Armen geben soll’, der die Armen und die Kranken im Auge behält sowie den Mutter-, und Säuglingsschutz organisiert. 347

Da Forgács in erster Linie entweder in großen Städten oder in Kleinstädten (Pé-czel, Sárospatak) gearbeitet hat, entging seiner Aufmerksamkeit der Umstand, dass die einen bedeutenden Teil der Mitglieder der Ungarischen Reformierten Kirche aus-machenden Landarbeitermassen auf Aussiedlerhöfen und in kleinen Dörfern lebten. Mit diesen Massen befasste sich die Kirche weder aus einem geistlichen, noch aus ei-nem sozialen Gesichtspunkt. Imre Révész merkt an, dass sich die Reformierte Kirche mit diesem fast zwei Jahrhunderte alten Problem nicht befasst hat. Was die Vertreter der Inneren Mission auf diesem Gebiet zu tun versuchten, waren höchstens ‘soziale Öltropfen’. 348 Révész wirft den Vertretern der Inneren Mission vor, dass sie den ‘of-fensichtlichen tiefen Zusammenhang zwischen den Sektenbewegungen und der sozi-alen Unzufriedenheit des Landproletariats’ nicht bemerkten. 349 Forgács tat während seiner Zeit als Pfarrer in Sárospatak zwar sehr viel für die Unterstützung der auf den Aussiedlerhöfen lebenden Menschen, in seiner theoretischen Arbeit bringt er dennoch die Zusammenhänge nicht zum Ausdruck, auf die Imre Révész hingewiesen hat.

7.5.6 Die Reformation der Missionsarbeit

In der von Forgács ausgearbeiteten praktischen Missionstheologie ist außer ‘Evange-lisieren’ und ‘Diakonie’ die ‘Reformation’ ein Schlüsselbegriff. 350 Unter der Reforma-

347 Forgács, A református misszió irányelvei, pp. 12-13.348 Imre Révész, ‘Előszó’ in A Magyar református egyház története, Sándor Bíró und István Szilágyi red.,

(Budapest: Kossuth Könyvkiadó, 1949), pp. 13-14.349 Révész, ‘Előszó’, p. 14.350 Im Organ der Reformbewegung ‘Péczeli Kör’, schrieb Forgács in der ersten Ausgabe der Reformáció:

‘Die Reformation wollen wir, für die Reformation arbeiten wir, die Reformation ist in allen Erscheinungsformen und in jeder Hinsicht unseres Kirchenlebens notwendig.’ Forgács, ‘A reformáció’, Reformáció, I/1 (1920), p. 1.

Page 60: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

234

tion verstand er in erster Linie die den Gesichtspunkten der Mission angepasste Um-gestaltung der bisher tätigen, statischen kirchlichen Strukturen. 351 Seine Zielsetzung war es, dass die Ungarische Reformierte Kirche einmal zu einer ‘missionarischen Kir-che’ wird. 352 Auch hier zeichnete ihn der missionarische Aktivismus aus. Er arbeitete dafür, dass die Mitglieder der Gemeinde ihre von Gott bestimmte Sendung erkennen und sich der Ausbreitung des Reiches Gottes widmen.

Die Reformation der örtlichen GemeindeDa nach Forgács jede missionarische Arbeit klein begonnen werden muss, 353 wollte er die ersten Schritte des Weges, der zu der missionarischen Kirche führt, in der örtli-chen Gemeinde beginnen. Deshalb befasste er sich mit der Reformation der örtlichen Gemeinden mindestens ebenso intensiv wie mit der Frage der Reformation der gan-zen Kirche. Die Reformation der Gemeinde hielt er in vier Bereichen für notwendig. Diese Gebiete waren 1. Kirchenmitgliedschaft, 2. Konfirmation, 3. missionarischeAktivierung der Gemeinde und 4. Kirchendisziplin.

1. Die Frage der Kirchenmitgliedschaft beschäftigte ihn deshalb, weil ‘uns in allem das Trägheitsmoment behindert, das die Zwangsmitglieder unserer Kirche darstellen.’ 354 Unter den Zwangsmitgliedern verstand er solche getauften Gemeinde-mitglieder, die keinerlei Verbindung mit der Gemeinde pflegten und dagegen mit ihrerGleichgültigkeit und Lebensführung ‘der Kirche Schande machen’. Seine Frage war, ob die Kirche von den ‘Zwangsmitgliedern’ die ‘Zwangssteuer’ annehmen darf, die die staatliche Steuerbehörde als Kirchensteuer zwangsweise eintrieb. Er warf auch die Frage auf, ob es biblisch ist, dass der Staat die Kirche mit Geld unterstützt. 355 Die Reformation der Kirchenmitgliedschaft wollte er so beginnen, dass alle getauften Menschen eine Erklärung ablegen sollen, dass sie die Kirchenmitgliedschaft und die damit verbundenen geistlichen und materiellen Opfer auf sich nehmen wollen. Dieje-nigen, die dazu nicht bereit sind, soll die Kirche nicht als ‘berechtigte Mitglieder der Kirche’ anerkennen 356 und weder von ihnen, noch vom Staat, die materielle Unterstüt-zung annehmen. 357

Die Reform der Kirchenmitgliedschaft empfahl er bei den Konfirmanden zu begin-nen, indem das Presbyterium jeden einzeln prüft, wer zur Konfirmation zugelassen undwer von ihnen Mitglied der Kirche werden darf. 358 Sein auf die Kirchenmitgliedschaft

351 Forgács, A belmisszió, pp. 325-326.352 Forgács, A belmisszió, p. 7. Siehe noch Forgács, ‘A missziói egyház’, Reformáció, X/1. (1930), pp. 1-2.

Siehe noch ‘Missionary Ecclesiology’ in Jan A. B. Jongeneel, Philosophy, Science, and Theology of Mission in the 19th and 20th Centuries, A Missiological Encyclopedia, Part. II. Missionary Theology, pp. 88-89.

353 Forgács, A belmisszió, pp. 654-655.354 Forgács, ‘Kényszertagok’, Reformáció, I/4 (1920), p. 1.355 Forgács, ‘Kényszeradózás’, Reformáció, III/17 (1922), pp. 117-118.356 Forgács, ‘Kényszertagok’, Reformáció, I/4 (1920), p. 1.357 Forgács, ‘Az önkéntes adózás’, Reformáció, III/18 (1922), pp. 125-126.358 Forgács, ‘Kényszertagok’, Reformáció, I/4 (1920), p. 1.

Page 61: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

235

bezogener Reformvorschlag löste ein starkes Echo aus, sowohl pro als auch contra. Dieser konnte aber schließlich nur in einigen Gemeinden verwirklicht werden. 359

In der Frage der Reform der Kirchenmitgliedschaft nennt er jedoch nur pragmati-sche Argumente und hat dabei weder gute dogmatische, noch missionstheologische Antworten. Die von ihm als ‘Zwangsmitglieder’ bezeichneten Menschen waren näm-lich alle als getaufte Personen gemäß der reformierten Bundestheologie Mitglieder des Gnadenbundes und stellten in diesem Sinne eine wichtige Zielgruppe der Inneren Mis-sion dar. Es scheint so, dass Forgács bei diesem Punkt unter den Einfluss seiner subjek-tiven Gefühle gelangte und seine missionarischen Gesichtspunkte verloren hat.

2. Für einen ‘kritischen Punkt’ des Gemeindelebens hielt er die Frage der Konfirma-tion. Die Krise der Konfirmation sah er darin, dass nach einer kurzen Vorbereitung vonzwölfjährigen Kindern ein solches Gelöbnis abgelegt wird, das sie auf der Grundlage ihres Alters noch gar nicht verantwortlich ablegen können. Sie verstehen auch nicht genau, worum es bei der Konfirmation geht; dennoch werden sie zum Abendmahlzugelassene Mitglieder der Gemeinde. Da ein 12-jähriges Kind auch das Wesen des Abendmahls noch nicht verstehen kann, ist für sie später die Abendmahlgemeinschaft eine überflüssige Liturgie, mitunter nur ein abergläubischer Brauch. Deshalb stellte erder kirchlichen öffentlichen Meinung die Frage: ‘Achtet die Ungarische Reformierte Kirche den Leib des Herrn?’ 360 Da er hinter der Entwicklung der falschen Praxis der Kirchenmitgliedschaft und des Abendmahls die Krise der Konfirmation sah, war erder Meinung, dass nur die erfolgreiche Reformation der Konfirmation die Kirche ‘aufihrem verhängnisvollen Niedergang des vollständigen Zerfalls’ aufhalten kann.

Sein Reformvorschlag bestand darin, dass nur derjenige ein vollberechtigtes Mit-glied der Kirche sein darf, der konfirmiert wird. Nur derjenige darf das Abendmahlnehmen, der konfirmiert wurde. Alle konfirmierten Personen sollen ein kleines Mit-gliedsbuch erhalten und wenn sie in einer anderen Gemeinde das Abendmahl zu sich nehmen wollen, können sie sich mit diesem kleinen Buch ausweisen. 361 Zur Konfirma-tion dürfen sich die 14 bis 18 Jahre alten Jugendlichen melden, deren Vorbereitung in einer Anfänger- und später in einer Fortgeschrittenenklasse erfolgen würde. Ein geist-liches Ziel der Vorbereitung wäre die ‘Erweckung des individuellen Glaubens’, ein anderes das ‘Einpflanzen von Entscheidungen’ zur demütigen Nachfolge Christi. 362

Ein ganz neues Element in seinem Reformvorschlag war die Einbeziehung der Presbyter in die Arbeit der Konfirmation. Jeder Presbyter muss für die seiner Wohnungam nächsten wohnenden Konfirmanden verantwortlich sein. Sie sollen nicht nur beo-bachten, ob der Konfirmand in die Kirche geht, sondern auch deren Familien und ihrmoralisches Verhalten aufmerksam verfolgen. Forgács schlug vor, dass die Presbyter regelmäßig die Konfirmandenstunden besuchen und die Schüler kennenlernen. ZumAbschluss haben sie nach der Konfirmandenprüfung einzeln zu entscheiden, welcher

359 Forgács verwirklichte diese Reform als er Pfarrer in Péczel war. Siehe Péczeli Presbiteri jkv. V. kötet, 1919, p. 98.

360 Forgács, ‘A konfirmáció’, Reformáció, II/5 (1921), pp. 59-60.361 Forgács, ‘A konfirmáció’, Reformáció, II/6 (1921), pp. 72-75.362 Forgács, ‘A konfirmáció’, Reformáció, II/8 (1921), pp. 92-93.

Page 62: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

236

Schüler das Gelöbnis ablegen darf. Wer für nicht geeignet erfunden wird, ist für ein Probejahr zu entlassen. 363 Er unterbreitete auch einen Vorschlag für das Lehrmaterial, das auf die Konfirmation vorbereitet, indem er ein Lesebuch und einen Katechismusfür Konfirmanden schrieb.

Der Vorschlag von Forgács gelangte schließlich vor die Synode. 364 Von dem Vor-schlag wurde die Erhöhung der unteren Altersgrenze für die Konfirmation auf das14. Lebensjahr so angenommen, dass der Unterricht im Alter von 12 Jahren zu be-ginnen hat und zwei Jahre lang dauert, aber der Teenager erst nach Vollendung des 14. Lebensjahres konfirmiert werden darf. Angenommen wurde, dass deren Ziel ‘dieTaufe des Heiligen Geistes’ sein soll bzw. dass das Presbyterium auf der Grundlage des Berichts des Pfarrers entscheiden soll, ‘wer würdig ist, zur Konfirmation zuge-lassen zu werden’. Die Synode nahm auch seinen Vorschlag für das Lehrmaterial zur Konfirmation an. 365 Wir können feststellen, dass, wenn auch nicht alle Teile seines Vorschlages angenommen wurden, die Sache der Konfirmation aus ihrem Todpunktbewegt wurde und von einer formellen Liturgie, für einige Zeit, eine missionarische Angelegenheit wurde.

3. Das dritte Gebiet, auf dem Forgács Reformen verlangte, war die missionarische Aktivierung der Mitglieder der Gemeinde. Seit Beginn seiner Tätigkeit beschäftigte ihn, wie die Mission von den Vereinen in die Gemeinde getragen und zu einer Sache der Gemeinde gemacht werden kann. Nach seinem darüber gehaltenen Vortrag be-gann auch die Reformbewegung des Péczeler Kreises. 366 1923 begann er, seine Er-fahrungen zusammenfassend, eine Artikelserie in der Reformáció unter dem Titel: ‘Die arbeitende Gemeinde’. In diesen Artikeln berichtete er darüber, welche Arbeiten der Inneren Mission in der Péczeler Gemeinde erfolgen, an denen die Mitglieder der Gemeinde aktiv teilnehmen: Gesellschaftsabende, 367 Verbreitung von Literatur und die Schriftenmission, 368 Sonntagsschule 369, die Teilnahme am Ausschuss für die In-nere Mission und an der Sozialarbeit. 370 Ziel dieser Artikel war es, auf die Methoden zu verweisen, mit deren Hilfe möglichst viele Mitarbeiter in die Mission einbezogen werden können, um dadurch die Gemeinde selbst zu aktivieren. 371 Mit dieser Tätigkeit leistete er sowohl auf theoretischem als auch auf praktischem Gebiet Pionierarbeit in

363 Forgács, ‘A konfirmáció’, Reformáció, II/7 (1921), pp. 81-82.364 Seinen Vorschlag nahm zuerst der Dunamelléki Egyházkerület (Kirchenbezirk Donaugebiet) an, später

legte sie ihn der Synode vor. Forgács, ‘Szemle’, Reformáció, IV/4 (1923), pp. 79-80.365 Hinweise zum Verfahren bezüglich der Konfirmation, in Kraft getreten am 1. Januar 1931. A

magyarországi református egyház 1928. május 8-án megnyílt zsinatának irományai (Budapest: Bethlen Gábor Irodalmi és Nyomdai Rt., 1928), 41. Anlage, pp. 2-7.

366 Der Vortrag erschien in: Kálvinista Szemle, 1920. július 18. I/16 (1920), pp. 4-5. Titel: ‘Javaslat az egyházi élet megújhodására’ (Vorschlag zur Erneuerung des kirchlichen Lebens).

367 Forgács, ‘A vallásos estékről’, Reformáció, IV/4 (1923), pp. 81-85.368 Forgács, ‘Belmisszió’, Reformáció, IV/7 (1923), pp. 150-152.369 Forgács, ‘A vasárnapi iskolák ügye’, Reformáció, IV/12 (1923), pp. 247-249.370 Forgács, ‘Belmissziói bizottság munkarendje’, Reformáció, IV/9 (1923), pp. 200-204.371 Forgács, ‘Missziói feladatok a gyülekezetben’, Reformáció, V/8 (1924), pp. 97-99.

Page 63: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

237

der Reformierten Kirche und legte so die Fundamente der heute in Ungarn als Ge-meindebau bezeichneten Arbeit.

4. Das Thema der Reformation der Kirchenmitgliedschaft und der Konfirmationverband Forgács konsequenterweise mit der Reform der Kirchendisziplin. Mit dieser Frage befasste er sich deshalb, weil ‘es unmöglich ist, bei diesem Gedanken ruhig zu bleiben, dass unsere Gemeinden wegen der fehlenden Disziplin an den Abgrund der vollständigen Verwahrlosung gelangen.’ Sein Ausgangspunkt war also die in der Kirche entstandene praktische Situation. Die Gemeindedisziplin dehnte er auf zwei Gebiete aus. Das eine beschäftigte sich mit den moralischen Fragen (Ehebruch, Al-koholismus, Erregen öffentlichen Ärgernisses etc.) und das andere mit der Treue zur Kirche (Fernbleiben vom kirchlichen Leben, Übertritt in eine andere Konfession etc.). Als erstes Forum der Einhaltung der Disziplin nannte er den Pfarrer, als zweites das Presbyterium und als drittes das Kirchenbezirksgericht. 372 Er betonte, dass bevor ir-gendein Disziplinarverfahren in der Gemeinde eingeleitet wird, zuvor über Ziel und Wesen der Disziplinarmaßnahme aufgeklärt werden muss: zum einen über das Motiv der Disziplinarmaßnahme: die Liebe, und zum anderen über deren Ziel: das Retten der Seele. Er betonte also den seelsorgerischen Aspekt der Disziplinarmaßnahme. In einem besonderen Zeitungsartikel befasste er sich mit der Aufführung von Beispielen, bei denen die Einhaltung der Disziplin der Stärkung des Gemeindelebens diente. 373 Die biblischen Grundlagen der schwierigen Frage der Disziplinarmaßnahme arbeitete er jedoch nicht aus, sein Ausgangspunkt war der Gemeindekontext, deshalb war seine Argumentation eher Moralisieren, als Theologie. Die Ausübung des Disziplinierens in der Gemeinde begann er selbst meistens nicht sehr glücklich, woraus ihm in seinen bei-den Gemeinden viele Unangenehmlichkeiten entstanden. Seine sich auf die Disziplin beziehenden Vorschläge haben auf die synodale Ordnung keinen Einfluss gehabt.

Die Reformation der Arbeit der Inneren MissionDie Reformation der Arbeit der Inneren Mission hielt Forgács deshalb für eine wich-tige Aufgabe, weil er in dem in der Kirche herrschenden Mangel an Organisation, in der Spannung zwischen Kirche und Vereinen sowie im Fehlen von Verbindungen und geistlicher Einheit der Missionvereine ein großes Hindernis sah. Für eine Vorausset-zung der erfolgreichen Arbeit der Inneren Mission hielt er dagegen das Organisieren der dieses große Gebiet umfassenden Arbeit. Unter der organisierenden Arbeit ver-stand er die sorgfältige Planung der Missionsarbeiten, deren landesweite Koordinie-rung sowie das Bemühen um den Aufbau einer ‘brüderlich geistlichen Gemeinschaft’ der die Arbeit ausführenden verschiedenen Gruppen.

Forgács empfahl, dass für die Durchführung dieser Planungs-, und Koordinie-rungsarbeit der Inneren Mission in den graduellen Kirchenkörperschaften der Unga-rischen Reformierten Kirche missionarische Ausschüsse gegründet werden. Ein Mis-sionsausschuss sollte also in der örtlichen Gemeinde, dann bei der Superintendantur, beim Kirchendistrikt und später bei der Synode tätig sein. Diese Missionsausschüsse

372 Forgács, ‘Fegyelmezés a gyülekezetben’, Reformáció, II/21 (1921), pp. 228-229.373 Forgács, ‘Szemle’, Reformáció, IV/65 (1923), pp. 97-100.

Page 64: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

238

haben Pläne zu erarbeiten, die Arbeit zu organisieren und zu lenken, einander Re-chenschaft abzulegen, und sie müssen miteinander in einem hierachischen Verhältnis stehen. Dieser Reformvorschlag wurde auch schnell realisiert. Später erhielt dieser Vorschlag im III. Gesetzartikel aus dem Jahre 1933 über die Missionsarbeit der Kirche Rechtskraft.

Dieses Bestreben von Forgács hatte in der kirchlichen Denkweise eine solche Para-digmaänderung zum Ergebnis, in deren Folge die Kirche die Innere Mission als eige-ne anerkannte und ‘die Durchführung der missionarischen Arbeit für alle Funktionäre der Kirche und alle Mitglieder der Kirche für verbindlich erklärte.’ Die Hauptprinzi-pien, die Forgács über Wesen, Ziele, Gebiete und Organisation der missionarischen Arbeit niederschrieb und bekannte, erwiesen sich als so dauerhaft, dass nahezu alle ausnahmslos auch im Gesetz Nr. II aus dem Jahre 1995 über die Mission der Ungari-schen Reformierten Kirche wieder erschienen.

Die Reformation der Verbindung zwischen Kirche und VereinenDa Spannung und Rivalität zwischen der Kirche und den Missionsvereinen die er-folgreiche Arbeit der Inneren Mission häufig bremsten, wollte Forgács dieses Problemdurch die Organisation lösen. Sein Vorschlag war es, dass die Kirche einen solchen landesweiten reformierten Missionsbund gründet, der die missionarische Arbeit und die Zusammenarbeit mit den Vereinen unter Mitarbeit von freigestellten missiona-rischen Pfarrern organisiert und lenkt. Der reformierte missionarische Landesbund selbst würde zur Kirche gehören, seine Leitung dagegen wäre der Missionsausschuss des Konvents. Dieser Bund würde auch die Verbindungen mit den ausländischen gro-ßen Weltverbänden pflegen. Deshalb erwartete er von der Tätigkeit des Bundes aucheinen Aufschwung der Arbeit der Inneren Mission. Sein Vorschlag löste jedoch in der Synode den Widerstand der Mehrheit aus mit der Begründung, dass die Tätigkeit einer derartigen Organisation in der Kirche nur Verwirrung und Anarchie hervorruft sowie zwischen den missionarischen Pfarrern und den Pfarrern der Gemeinden Spannungen verursacht. Darum nahm die Synode diesen Vorschlag von Forgács nicht an.

Nach der Ablehnung des Vorschlags stellt sich die Frage, ob die Gründung einer durch die Kirchenleitung gelenkten und kontrollierten Organisation die Innere Missi-on effektiver gemacht hätte. Öfter war die Aufstellung einer derartigen Organisation ein Hindernis für die freie missionarische Arbeit. Auf diese Fragen blieb Forgács die missionstheologische Antwort schuldig. Bedauerlicherweise konnte auch die Refor-mierte Kirche zu diesen Fragen keine beruhigende Lösung bzw. Antwort finden.

7.6 SCHLUSSBEMERKUNGEN

Das unter dem Titel A belmisszió és cura pastoralis von Forgács herausgegebene Buch war die erste auf Ungarisch geschriebene Missionstheologie. An seinem Werk, das 1925 herausgegeben wurde, begann er bereits vor dem ersten Weltkrieg zu schreiben. Auf seine Missionstheologie übten die angelsächsische und die deutsche Missionslite-ratur einen bedeutenden Einfluss aus. In erster Linie waren dies Johann H. Wichern, in

Page 65: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

239

geringerem Maße Gustav Warneck, der Holländer Ottho G. Heldring sowie seine per-sönlichen Verbindungen und Erfahrungen. Er wollte diese ausländischen Einflüsse nichtkopieren, sondern er war bestrebt, diese auf die Situation der ungarischen Volkskirche anzuwenden. Da er pragmatische Missionstheologie betrieb, deren Ausgangspunkt der ungarische Kontext war, dominierte in seiner Missionstheologie neben einem verhält-nismäßig kurzen theoretischen Teil der viel umfangreichere praktische Teil.

Bei der Ausarbeitung seiner Missionstheologie hatte Forgács zwei Dinge vor Au-gen: Einerseits das um die Begriffe der Mission und der Inneren Mission in Ungarn entstandene ekklesiologische Durcheinander und Missverständnis, andererseits die geistliche Hinfälligkeit der Gemeinden der Reformierten Kirche. Die Sache der Mis-sion wollte er auf jeden Fall von den Leitern der Kirche und von der öffentlichen Mei-nung anerkennen lassen und den Abgrund zwischen Mission und Kirche überbrücken. Da viele in der Ungarischen Reformierten Kirche die Erweckung der Inneren Mission für eine sektiererische Erscheinung des 19. Jahrhunderts hielten, bemühte er sich na-hezu 300 Seiten lang die zweitausend Jahre alte Geschichte der Mission vorzustellen. Ziel dessen war es, seine Leser davon zu überzeugen, dass diese Bewegung keine neuzeitliche sektiererische Abweichung der Kirchengeschichte ist. Deshalb trägt auch seine Missionstheologie, ähnlich der seiner Zeitgenossen, z.B. Gustav Warneck, klare apologetische Züge.

An seinen Missionsbegriff ging Forgács von der calvinistischen Prädestinations-lehre heran. Sein Ausgangspunkt war die Erwählung von Christus, den der Vater zur Durchführung der Erlösung und zur Ausbreitung des Reiches Gottes gesandt hat (Mis-sio Dei). Christus sandte die für das Heil Auserwählten in die Welt, in die Mission (Missio Christi). Mit dieser Argumentation verband er die Mission mit der Kirche, womit er nachwies, dass die Mission Sendung und Pflicht der Kirche selbst ist. Diezwei Schlüsselwörter der Motivation waren Gehorsam und Pflicht. Obwohl sein Mis-sionsbegriff nicht in allen Einzelheiten entsprechend biblisch begründet war, erschien er in der ungarischen missionstheologischen Literatur dennoch als ein wichtiges Ele-ment für die Verbindung der Mission mit der Kirche.

Während wir über den Ausgangspunkt seines Missionsbegriffes sagen können, dass er calvinistisch war, können wir das über sein Ziel nicht mehr behaupten, weil das Ziel seines Missionsbegriffes das Erlangen des persönlichen Heils und die Aus-breitung des Reiches Gottes war. In seiner Theologie fehlte vollkommen als Ziel die Angabe der reformierten plantatio ecclesiae und gloria Dei. Aus der Bezeichnung der Ausbreitung des Reiches Gottes als Ziel der Mission folgte die interkonfessionelle und internationale Auffassung von Forgács, die hauptsächlich in der Arbeit erkennbar ist, die er bei der Judenmission geleistet hatte.

Seine Missionstheologie enthielt auch mehrere Paradoxien. Eines dieser war, dass in seiner Missiologie, neben seiner interkonfessionellen und internationalen Einstel-lung, der ungarische Patriotismus seiner Zeit komplementär erschien, der nicht nur aus der politischen Schicksalstragödie des Ungartums, sondern auch aus der Theologie von Wichern und Warneck genährt wurde. Ein anderes paradoxon der Missionstheo-logie von Forgács war, dass er, obwohl er die Ausbreitung des Reiches Gottes für das Hauptziel der Mission hielt, dennoch keinen Ausblick auf ‘alle Völker’ entwickelte.

Page 66: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

240

In erster Linie beschäftigte er sich mit der Frage, wie die Ungarische Reformierte Kir-che zu einer reformierenden Kirche werden kann, d.h. zu einer solchen Kirche, bei der alle Tätigkeiten Mission sind. Damit beschränkte sich der Interessenkreis seiner Mis-sionstheologie hauptsächlich auf die Situation der Ungarischen Reformierten Kirche.

Den Weg der Wandlung der Reformierten Kirche zu einer missionarischen Kirche sah er im Evangelisieren, in der Diakonie und in der internen Reformation der Kirche. Deshalb drückte er in seiner praktischen Missionstheologie das Evangelisieren, die Diakonie und die Methoden der Reformation des kirchlichen Lebens sehr detailliert und so erfolgreich aus, dass ein Teil seiner Reformvorschläge auch in das Missions-gesetz (1933) aufgenommen und ein Teil auch im allgemeinen kirchlichen Leben ver-wirklicht wurde.

Bei der genauen Ausarbeitung der praktischen Einzelheiten der missionarischen Ar-beit verwandte Forgács jedoch nicht ausreichend Sorgfalt für die Klärung des Kirchen-begriffs, was bis zum Ende der schwache Punkt seiner praktischen Missionstheologie blieb. Er arbeitete zwar das Wesen der Mission heraus, beschäftigte sich aber nicht mit der biblischen Lehre über die Natur der Kirche und untersuchte auf der Grundlage der Bibel nicht die Frage, ob es im Wesen der Kirche einen solchen Zug gibt, der nicht als Mission bezeichnet werden kann. Das Außerachtlassen dieses Gesichtspunktes konnte zu seiner Panmissionsanschauung geführt haben, die später auch Sándor Makkai von ihm übernahm und in die kirchliche öffentliche Meinung einführte.

Da Forgács keinen Unterschied zwischen dem in der Reformierten Kirche ver-wendeten Begriff der praktischen Kirche und dem biblischen Kirchenbegriff machte, konnte er nicht aussprechen, was sein guter Freund und Mitkämpfer János Victor im Laufe einer späteren Diskussion sagte, nämlich dass die Ungarische Reformierte Kir-che dann zu einer wirklichen Kirche wird, wenn sie zu einer missionarischen Kirche wird, weil sie in ihrem gegenwärtigen Zustand im biblischen Sinne nicht als Kirche bezeichnet werden kann. 374

Es scheint jedoch, dass Forgács sich so sehr auf die praktischen Fragen der Mission und auf deren Aufgaben konzentriert hat, dass es seiner Aufmerksamkeit entging, dass die Ekklesiologie viel enger in das Gebiet der Missionstheologie einbezogen wer-den muss, als er es tat. 375 Seine pragmatische Missionstheologie, sein Aktivismus und Panmissionismus, die vor allem von John R. Mott und von der nordamerikanischen missionarischen Denkweise her großen Einfluss ausübten, waren keine ungarischeBesonderheiten, weil Forgács sich mit seiner Anschauung in den missionarischen Kontext einfügte, der Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts weltweit charakteristisch war.

Den ersten und den letzten Abschnitt seiner Pfarrertätigkeit verbrachte Forgács in der durch die Schottische Mission geleisteten Judenmission. Bei dieser Arbeit führte Evan-gelisation und Lehre durch. Die Bedeutung seiner Tätigkeit gaben der in Ungarn schritt-weise erstarkende Antisemitismus und die beginnende Judenverfolgung. Als reformier-ter Pfarrer war er Pionier dieser Arbeit, sowohl in der Praxis als auch in der Theorie.

374 János Victor, ‘A “missziói munka” theologiájához’, Theologiai Szemle, XVII/2 (1941), pp. 84-92.375 Vgl. David J. Bosch, Paradigmaváltások a misszió teológiájában, pp. 450-451.

Page 67: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und

7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS

241

Die sich auf die Judenmission beziehenden Prinzipien der Missiologie von Forgács widerspiegeln die theologischen Grundprinzipien der Schottischen Mission. Da er die christologisch-soteriologischen und ekklesiologischen Probleme der Judenmission pragmatisch behandelte, blieb er der biblischen Begründung dieser schuldig. Dennoch tat er viel, um in der reformierten Kirche das missionarische Interesse am jüdischen Volk und die für die Juden gefühlte Verantwortung zu wecken.

Page 68: 7. D MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS · 2020. 3. 4. · 7. DIE MISSIONSTHEOLOGIE VON FORGÁCS 177 7.2 DIE MISSION UND MISSIONSLEHRE VOR UND ZUR ZEIT FORGÁCS 7.2.1 Die Mission und