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In den Aufgabenstellungen werden unterschiedliche Operatoren (Arbeitsan- weisungen) verwendet; sie weisen auf unterschiedliche Anforderungsbereiche (Schwierigkeitsgrade) hin und bedeuten, dass unterschiedlich viele Punkte erzielt werden können. Die Lösungen zeigen beispielhaft, welche Antworten die verschiedenen Operatoren erfordern. Alles Wissenswerte rund um die Abiprüfung finden Sie im Buch im Kapitel „Prüfungsratgeber und Prüfungsaufgaben“. Originalklausuren mit Musterlösungen zu weiteren Fächern finden Sie auf www.duden.de/abitur in der Rubrik „SMS Abi“. Das Passwort zum Download befindet sich auf der vorderen Umschlagklappe. Die Veröffentlichung der Abitur-Prüfungsaufgaben erfolgt mit Genehmigung des zuständigen Kultusministeriums. Das Schnell-Merk-System fürs Abi – aufschlagen, nachschlagen, merken Buch … Prüfungswissen für Oberstufe und Abitur systematisch aufbereitet nach dem SMS-Prinzip Extrakapitel mit Prüfungsaufgaben zu allen Unterrichts- einheiten, zu Operatoren und Anforderungsbereichen … und Download Originalklausuren mit Musterlösungen als Beispiele für den Umgang mit Operatoren kostenlos auf www.duden.de/abitur Für die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik, Geschichte, Biologie, Chemie, Physik sowie Politik und Wirtschaft Originalklausur mit Musterlösung Abitur Politik und Wirtschaft Aufgabe 1: Probleme der Parteiendemokratie Aufgabe 2: Wirtschaftspolitik / Globalisierung Aufgabe 3: Gesellschaft im Wandel

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In den Aufgabenstellungen werden unterschiedliche Operatoren (Arbeitsan-weisungen) verwendet; sie weisen auf unterschiedliche Anforderungsbereiche (Schwierigkeitsgrade) hin und bedeuten, dass unterschiedlich viele Punkte erzielt werden können. Die Lösungen zeigen beispielhaft, welche Antworten die verschiedenen Operatoren erfordern.

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Musterlösung für die Prüfungsaufgaben Abitur Prüfungsfach: Politik und Wirtschaft [Gemeinschaftskunde, Sozialkunde, Sozial- und

Wirtschaftskunde] (Brandenburg 2007, Aufgabenstellung 1) Autorin: Jessica Schattschneider Hinweis: Die gesamte Abiturprüfung besteht aus drei Aufgabenstellungen. Hier wird die Lösung der Aufgabenstellung 1 beschrieben.

Aufgabe 1 Tobias Dürr äußert in dem Aufsatz „ Bewegung und Beharrung: Deutschlands künftiges Parteiensystem“, der im August 2005 in der APuZ (Aus Politik und Zeitgeschichte) erschien, seine Vorstellungen über gesellschaftliche Phänomene, die das gegenwärtige deutsche Parteiensystem nachhaltig beeinflussen und beeinflussen werden. Der Autor beschreibt das deutsche Parteiensystem der letzten Jahrzehnte als „außerordentlich stabil“ (Z. 1-2), in dem sich trotz „wandelnder Rahmenbedingungen“ (Z. 5-6) und wechselnder Wahlergebnisse, insbesondere auf der regionalen Ebene, wenig am Gesamtgefüge geändert habe. Es befinde sich, so Dürr, jedoch in einer Phase der Verän-derung. Als Ursache für den anstehenden Wandel führt der Autor die drei Phänomene Globalisierung, Demographie und Wissensgesellschaft an, deren zukünftige Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft (und damit das politische System) zu „ökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüchen“ (Z. 12-13) dramatischen Ausmaßes führen werden. Die Bedeutsamkeit dieses Wandels setzt Dürr mit dem Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft gleich (Z. 15-17). Der Wandel und die damit verbundenen Anstrengungen, den Wohlstand, den gesellschaft-lichen Zusammenhalt, die soziale Gerechtigkeit sowie die Möglichkeit zur individuellen Lebensgestaltung zu halten, werde eine neue Konfliktlinie in der Gesellschaft evozieren. Diese verlaufe zwischen denjenigen, die die Notwendigkeit von Wandel einsehen werden, und denjenigen, die am Althergebrachten festhalten wollen, von Dürr als noch nicht institutionalisierte „Partei der Bewegung" (Z. 37) und „Partei der Beharrung" (Z. 37) tituliert. Laut Dürr bildet das derzeitige alte Parteiensystem mit seinen Konfliktlagen die zukünftige Konfliktstruktur nicht ab und wird daher nicht zu der sich wandelnden Gesellschaft passen. Wie das zukünftige Parteiensystem aussehen werde – welche Konfliktstruktur und welche Dynamik es kennzeichnen werde –, hänge davon ab, wie die Parteien auf diese drei Phänomene und die neue Konfliktlinie reagieren werden. Konkrete Szenarien bleibt der Autor an dieser Stelle schuldig. Er mutmaßt, dass alte Parteizuordnungen und Ideologien wie Arbeit versus Kapitel, mehr Staat versus weniger Staat, sozial versus neoliberal, an Bedeutung verlieren werden (Z. 41-43). Diese Entgegensetzungen spiegelten sich heute nicht mehr zwischen, sondern zunehmend innerhalb von Parteien. Welcher Ansatz bei einer Wahl Zustimmung erfahre, hänge dann nicht von der gegebenen Parteiideologie sondern

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von den Anforderungen des konkreten Einzelfalls ab. Nur Linke, NPD und DVU schreibt er als Ewiggestrige ab, die bestenfalls der Partei der Beharrung zuzuordnen wären (Z. 58-62). Wie lange es dauern wird, bis sich dieser Wandel auch in dem Parteiensystem niederschlägt, sei offen, da komplexe Systeme in der Lage seien, sich selbst zu stabilisieren (Z. 68). Die schrittweise Anpassung der Parteien an die neuen Problemlagen sieht der Autor verzögert/verhindert, weil sie sich trotz neuer Herausforderungen an der (althergebrachten) Wettbewerbslogik des althergebrachten Parteiensystems orientierten. Irgendwann, so vermutet Dürr, werde die Diskrepanz zwischen dem System und der Gesellschaft so groß sein, dass sich die dadurch entstehende Spannung entladen werde. Die Zukunft werde wie immer der Partei der Bewegung gehören, der er die Mehrheit der Bevölkerung zuordnet.

Aufgabe 2 I. Als erstes möchte ich der Frage nachgehen, was unter einem Parteiensystem zu verstehen ist: Mit Parteiensystem wird ein strukturelles Gefüge bezeichnet, eine Anordnung und die Wechselbeziehungen der Gesamtheit der politischen Parteien. Bei einer Analyse von den Strukturen eines Parteiensystems berücksichtigt man z. B. die Anzahl von Parteien, ihre Größe, ihre Binnenstruktur sowie ihr jeweiliges Programm; in westlichen Demokratien spielen für die Analyse gesellschaftliche, politische und ökonomische Entwicklungslinien eine wichtige Rolle. Dabei gibt es für die Ausgestaltung des Parteiensystems – beispielsweise die Anzahl der Parteien - verschiedene Erklärungsansätze, z. B. den soziokulturellen und den Milieuansatz. Dürr nimmt in seiner Argumentation auf den soziokulturellen Ansatz Bezug, wenn er von den das alte Parteiensystem charakterisierenden Konflikten schreibt. Als Hauptvertreter des soziokulturellen Ansatzes gelten Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan. Für sie sind Parteien Ausdruck eines Konfliktes (cleavages). Bei der Analyse der Entwicklung westlicher Parteiensystem haben sie vier Hauptkonfliktlinien ausgemacht: Arbeit versus Kapital, Stadt versus Land, Zentrum versus Peripherie und Staat versus Kirche. Diese Konfliktlinien finden sich auch im Parteiensystem des Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Zudem gibt es Nebenkonfliktlinien, die jedoch zeitlich und örtlich begrenzt sind, z. B. Sozialisten versus Sozialdemokraten (KPD versus SPD) oder Einheimische versus Vertriebene /Flüchtlinge. Im Laufe der Zeit haben sich allerdings die eingangs erwähnten Konfliktlinien durch soziokulturelle und sozioökonomische Veränderungen modifiziert. Der Milieu-Ansatz wurde von Mario Rainer Lepsius für das Parteiensystem der Kaiserzeit und der Weimarer Republik entwickelt. Demnach existierten geschlossene soziopolitische Milieus, die von jeweils einer Partei repräsentiert wurden. Durch die Diktatur des Dritten Reiches seien diese Milieus jedoch zerstört worden. Lepsius Ansatz wurde vielfach modifiziert um ihn für die Bundesrepublik Deutschland auszubauen (z. B. Lebensstil-Gruppen). Fraglich ist jedoch, ob dieser Ansatz auch auf die ehemalige DDR übertragen werden kann. Die SPD beispielsweise musste nach der Wiedervereinigung schmerzhaft feststellen, dass in ihren ostdeutschen Hochburgen der Weimarer Republik die zwei Diktaturen in der Tat zu starken Erosionen der Milieus geführt haben – dort wurde 1990 mehrheitlich CDU gewählt. Beide Ansätze nehmen an, dass Wähler sich aufgrund von bestimmten Konflikten oder aber aufgrund ihrer Milieu- oder Schichtzugehörigkeit bei ihrer Parteibindung bzw. bei der Wahl bewusst oder unbewusst leiten lassen. Diese Kennzeichnung findet sich in Überzeichnungen wieder, bei denen Wählerverhalten klischeehaft verallgemeinert wird: „Jeder Bauer mit 'ner Kuh wählt CDU“ oder „Die SPD ist die Partei der Arbeiter“. In Westdeutschland wurden bis Anfang der 1980er-Jahre der Konflikt- und der Milieu-Ansatz kaum in Frage gestellt. Seit den 1980ern jedoch stellen mehrere Faktoren die Anwendung dieser Ansätze in Frage:

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sinkende Wahlbeteiligung nachlassende Bindungskraft der Volksparteien gestiegenes Stimmensplitting Etablierung der von Bündnis90/DIE GRÜNEN Infolge soziokulturellen und sozioökonomischen Wandels haben die Gruppen, in

denen CDU/CSU und SPD traditionell ihre stärkste Unterstützung hatten, abgenommen. Die neue Mittelschicht hat keine Schichtmentalität entwickelt; hier lassen sich besonders häufig Wechselwähler finden.

Das Wahlverhalten in Ostdeutschland folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als im Westen. Die soziostrukturelle Zusammensetzung mit dem höheren Anteil an nicht konfessionell gebun-denen Arbeitern spräche nach westdeutschen Maßstäben für ein hohes SPD-Klientel. Jedoch fehlen beiden großen Parteien die Bedingungen an ihre traditionellen Stammwähler. Insgesamt verkörpern ostdeutsche Wähler eher den rationalen Wähler, der seine Entschei-dungen unabhängig von sozialer Verankerung trifft und je nach Situation neu entscheidet. Wahlforscher sind der Meinung, dass sich die westdeutschen Wähler mit der Zeit an die ostdeutschen Wähler diesbezüglich anpassen werden. In diesen Zusammenhang passen Dürrs Ausführungen, wenn er davon spricht, dass in Zukunft nicht mehr die Konflikte (oder Milieus) wahlentscheidend sein werden, sondern thematische Entscheidungen (und die konkrete Positionierung der Partei). II. Nun stellt sich die Frage, wie sich der von Dürr prognostizierte gesellschaftliche Wandel vollziehen wird. Dürr ist der Auffassung, dass die alten Konfliktlinien nicht mehr gültig seien, sondern die Gesellschaft sich aufteilen wird in Besitzstandswahrer und Reformbefürworter. Hier wird meinem Erachten nach nicht deutlich, inwiefern es sich (1.) wirklich um eine neue Konfliktlinie handelt und (2.) welches Ausmaß diese Konfliktlinie wirklich haben wird. Zu 1.: Die Einteilung der Gesellschaft in Reformer und Besitzstandswahrer ist nicht neu. Den Ruf nach Reformen als Anpassung an sich wandelnde Strukturen hat es schon oft gegeben – und vielfach haben sich diese Änderungen auch in dem Parteiensystem niedergeschlagen (z. B. durch Parteineugründungen, programmatische Änderungen usw.). Zu 2.: Daher ist fraglich, wie groß dieser Wandel wirklich sein wird und in welcher Schnelligkeit er zu Veränderungen führen wird. Hinzu kommt, dass es offen ist, inwieweit dieser Konflikt auch von den Wählern als der dominierende und bei einer Wahl entscheidende Konflikt wahrgenommen werden wird. Hier kann man nur spekulieren. Dies bringt mich zu einem weiteren von Dürr angesprochenem Punkt: Der Autor prognos-tiziert, dass sich Politik zukünftig nicht mehr über die alten Konflikte, sondern anhand konkreter Einzelfallentscheidungen (Z. 47-48) ausrichten werde. Dies wird mit Sicherheit auch Einfluss auf das Wahlverhalten habe. Wie oben schon angedeutet, gibt es in Ost-deutschland seit der Wiedervereinigung auch ein derartiges Wählerverhalten, da – mit Ausnahme von der PDS – weniger Parteibindungen existieren. Ein solcher Trend lässt sich aber auch schon in Westdeutschland festmachen, wo einige Wahlen durch Personalia oder Themen entschieden wurden (z. B. Brandt, Ostblockpolitik, Schröder). Es lässt sich – und dies würde Dürrs These bestätigen – bloß vermuten, dass die Parteibindung der Wähler schrumpft. Dies stellt in der Tat die Parteien vor eine große Herausforderung. Sie können nicht mehr auf ein festes Stammpublikum zählen und müssen dementsprechend ihren Politikstil ändern. Hier ist Dürr zuzustimmen. Ich bestreite jedoch, dass dieser Fakt einen Beleg für ein Nicht-mehr-Passen des Parteien-systems darstellt. Vielleicht handelt es sich hierbei ja auch um kritische Bürger, die nicht mehr in Lagern denken und die Möglichkeit der Wahlentscheidung sehr bewusst und reflek-tiert einsetzen. An dieser Stelle wären weitere Daten, zum Beispiel zu Haltung von Wählern, zur Untermauerung der einen oder anderen Position von Nöten. Es gibt in der sozial- und politikwissenschaftlichen Forschung hierzu eine Reihe von Daten, z. B. Umfragen zu Einstel-

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lungen, Wahrnehmungen, Wahlabsichten, Wahlverhalten von Bürgern, die der Autor zur Untermauerung seiner These leider nicht heranzieht. Mithilfe solcher Daten könnte man sich konkreter mit seiner These auseinandersetzen. Zudem hat das Parteiensystem schon immer durch gesellschaftliche Änderungen Wand-lungsprozesse vollzogen, wie die angedeutete Verschiebung der Konfliktlinien oben zeigt. Hier ließe sich auf drei weitere Aspekte verweisen: 1. Die Anzahl der Parteien: Seit Beginn des deutschen Parteiensystems haben sich immer wieder Änderungen in der Anzahl der Parteien ergeben (Südschleswigscher Wählerverband, Bündnis 90/Die GRÜNEN, Die LINKE). 2. Der Wandel in den Parteiprogrammen: Die Honorationsparteien und Weltanschauungs-parteien wurden beispielsweise durch die Volksparteien abgelöst. 3. Der Politikstil, der sich von der traditionellen Repräsentanz hin zu einem partizipativen und kommunikativen Politikverständnis den Anforderungen von Seiten der Bevölkerung anpasst. Fazit: Die angeführten Beispiele zeigen, dass das (west)deutsche Parteiensystem sich bereits mit einer Anzahl von gesellschaftlichen Wandlungen weiterentwickelt hat. Es ist also keine starre Größe, sondern hat bereits eine Reihe von Modifizierungen durch gesellschaft-liche Wandlungen durchlaufen. In Dürrs Argumentation wird nicht deutlich, wieso das Parteiensystem nicht auch weiterhin die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse abbilden wird. Ob also die Phänomene Globalisierung, Wissenschaftsgesellschaft usw. zu einem derartigen Gesellschaftswandel führen, der von dem Parteiensystem nicht aufgegriffen werden kann und es damit als „alt“ nicht mehr zur Gesellschaft passen würde, erscheint daher spekulativ. Dürr äußert die These, dass die Partei der Bewegung in der Gesellschaft mehrheitsfähig sei. Woran er dies misst, bleibt offen. In der Tat gab es bei der Bundestagswahl 1998 eine große Reformbereitschaft in Deutschland. Mit der rot-grünen Koalition ist ein Wechsel gewählt worden, der auch als Hoffnung auf eine Veränderung und Reformen interpretiert wird. Dass Reformen nötig sind, wird mit Sicherheit die Mehrheit der Bevölkerung sagen. In diesem Punkt stimme ich zu. Inwieweit aber auch die Mehrheit dies nicht nur äußert, sondern auch bereit ist, für diese Reformen Einschnitte hinzunehmen, erscheint fraglich. Daher kritisiere ich die fehlende empirische Fundierung von seiner These. III. Abschließend fasse ich zusammen: Auf einen ersten Blick erscheint Dürrs Prognose über die Zukunft des deutschen Parteiensystems sehr einleuchtend: der sich vollziehende gesell-schaftliche Wandel wird Konsequenzen für das politische System und damit auch für das Parteiensystem haben. Ich kritisiere dabei weniger den Inhalt und damit seiner Gesamt-aussage, sondern stärker dem Charakter von Allgemeinplätzen, die seine Argumentation aufweist. Inwiefern dies in der Tatsache begründet liegt, dass es sich um Auszüge handelt, vermag ich nicht zu beurteilen. Dürrs Aufsatz muss jedoch vor dem Hintergrund seiner Entstehung betrachtet werden. Zum einen richtet sich die „Aus Politik und Zeitgeschichte“ als Beilage der Wochenzeitung „Das Parlament“ verstärkt an ein politisch interessiertes und oftmals auch politisch aktives Publi-kum. Zum anderen muss man das Entstehungsdatum beachten: 2005 fand die letzte Bundestagswahl statt, bei der Gerhard Schröder als Bundeskanzler und Angela Merkel als Kanzlerkandidatin der CDU antraten. Dürrs Aufsatz kann somit in gewissem Sinne als eine den Parteienwettbewerb belebende Streitschrift für einen notwendigen Wandel interpretiert werden, die sich überzeugend auch aufgrund ihrer oberflächlichen Generalisierung gut lesen lässt. Seine Aussage, dass die Mehrheit der Bevölkerung Reformen will, könnte als eine Mahnung oder Erinnerung an die Politik interpretiert werden, diese umzusetzen. So schließt der Autor mit der Prognose, dass der Wandel einem offenen Ende entgegensieht – einer Aussage, der man wenig entgegen halten kann, denn gesellschaftlichen und damit strukturellen Wandel wird es immer geben.

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Die hier abgedruckten Lösungsvorschläge sind nicht die amtlichen Lösungen des zuständigen Kultusministeriums. Impressum: Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, vorbehaltlich der Rechte die sich aus den Schranken des UrhG ergeben, nicht gestattet. © Dudenverlag, Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim 2008 Autorin: Jessica Schattschneider Redaktion: Heike Krüger-Beer, Christa Becker