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1 „Gute Arbeit im Handel?!“ Arbeitsbedingungen zwischen Wunsch und Wirklichkeit Sonderauswertung der repräsentativen Befragung „Was ist gute Arbeit? Anforderungen aus der Sicht von Erwerbstätigen“ , durchgeführt 2004 im Auftrag der Initiative neue Qualität in der Arbeit (INQA) Sonderauswertung im Auftrag von ver.di Handel Internationales Institut für empirische Sozialökonomie Tatjana Fuchs (Soziologin) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Nicht nur bei den Gewerkschaften, sondern auch in den Ministerien, in den Krankenkassen und sehr vereinzelt auch bei den Arbeitgebern gibt es Personen, die von dem Glaubenssatz „Jede Arbeit sei besser als keine Arbeit“ und „Sozial sei was Arbeit schafft“ die Nase voll haben. Immer mehr Menschen erkennen, dass dies – konsequent weiter gedacht – sogar Kinder- und Sklavenarbeit rechtfertigt. Und bereits heute spüren immer mehr Menschen, dass die Arbeitsbedingungen, so wie sie heute sind, auf die Knochen gehen, also eine massive Bedrohung der Gesundheit, der Körperlichen Unversehrtheit, darstellen. Ende 2004 wurde im ganzen Bundesgebiet eine große, repräsentative Befragung durchgeführt, die zum einen die Vorstellungen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von guter Arbeit und zum anderen die heutige Arbeitsqualität genau unter die Lupe genommen hat. Über 4.700 abhängig Beschäftigte aus allen möglichen Branchen wurden befragt und die Ergebnisse liegen seit Anfang 2006 vor. Diese Ergebnisse, die ich Euch gleich vorstellen werde, sind zum Teil sehr alarmierend. Sie zeigen kein schönes Bild von der ‚schönen, neuen Arbeitswelt‘. Und weil die Untersuchung dies schonungslos zeigt, wollte sie der frühere Wirtschaftsminister Clemens diese Ergebnisse am liebsten in der Schublade verschwinden lassen. Es ist ihm nicht geglückt, vielmehr ist Herr Clemens in der Schublade der Zeitgeschichte verschwunden. Ich präsentiere Euch nun die ersten Ergebnisse einer Sonderauswertung dieser Untersuchung, die sich speziell auf Handelsbeschäftigte bezieht. Diese Spezialauswertung wurde von verdi beauftragt.

„Gute Arbeit im Handel?!“Gute Arbeit, das heißt aus Sicht von Handelsbeschäftigten, in erster Line Einkommens- und Beschäftigungssicherheit: Ein festes, verlässliches Einkommen,

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Page 1: „Gute Arbeit im Handel?!“Gute Arbeit, das heißt aus Sicht von Handelsbeschäftigten, in erster Line Einkommens- und Beschäftigungssicherheit: Ein festes, verlässliches Einkommen,

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„Gute Arbeit im Handel?!“Arbeitsbedingungen

zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Sonderauswertung der repräsentativen Befragung„Was ist gute Arbeit? Anforderungen aus der Sicht von Erwerbstätigen“ ,

durchgeführt 2004 im Auftrag derInitiative neue Qualität in der Arbeit (INQA)

Sonderauswertung im Auftrag von ver.di Handel

Internationales Institut für empirische Sozialökonomie

Tatjana Fuchs (Soziologin)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Nicht nur bei den Gewerkschaften, sondern auch in den Ministerien, in denKrankenkassen und sehr vereinzelt auch bei den Arbeitgebern gibt es Personen,die von dem Glaubenssatz „Jede Arbeit sei besser als keine Arbeit“ und „Sozialsei was Arbeit schafft“ die Nase voll haben. Immer mehr Menschen erkennen,dass dies – konsequent weiter gedacht – sogar Kinder- und Sklavenarbeitrechtfertigt. Und bereits heute spüren immer mehr Menschen, dass dieArbeitsbedingungen, so wie sie heute sind, auf die Knochen gehen, also einemassive Bedrohung der Gesundheit, der Körperlichen Unversehrtheit, darstellen.

Ende 2004 wurde im ganzen Bundesgebiet eine große, repräsentative Befragungdurchgeführt, die zum einen die Vorstellungen der Arbeitnehmer undArbeitnehmerinnen von guter Arbeit und zum anderen die heutige Arbeitsqualitätgenau unter die Lupe genommen hat. Über 4.700 abhängig Beschäftigte aus allenmöglichen Branchen wurden befragt und die Ergebnisse liegen seit Anfang 2006vor.

Diese Ergebnisse, die ich Euch gleich vorstellen werde, sind zum Teil sehralarmierend. Sie zeigen kein schönes Bild von der ‚schönen, neuen Arbeitswelt‘.Und weil die Untersuchung dies schonungslos zeigt, wollte sie der frühereWirtschaftsminister Clemens diese Ergebnisse am liebsten in der Schubladeverschwinden lassen. Es ist ihm nicht geglückt, vielmehr ist Herr Clemens in derSchublade der Zeitgeschichte verschwunden.

Ich präsentiere Euch nun die ersten Ergebnisse einer Sonderauswertung dieserUntersuchung, die sich speziell auf Handelsbeschäftigte bezieht. DieseSpezialauswertung wurde von verdi beauftragt.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

1

Anforderungen & Erwartungen an gute Arbeit-aus Sicht von abhängig Beschäftigten im HandelBeschäftigten im Handel -

Im ersten Teil widmet sich die Studie der Frage:

Was ist eigentlich gute Arbeit aus Sicht von Beschäftigten?

Dazu wurde den Leuten eine Liste von 57 Merkmalen der Arbeitsgestaltung

vorgelegt, und sie wurden gebeten, für jedes einzelne eine Bewertung abzugeben,

ob dies – aus ihrer Sicht - ein äußerst wichtiges, sehr wichtiges, wichtiges oder

nicht wichtiges Merkmal für gute Arbeit ist. Aus ihren Antworten wurde eine

Rangfolge gebildet und aus dieser Rangfolge stelle ich Euch die 20 wichtigsten

Merkmale guter Arbeit vor:

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

3

2

1

88%Unbefristetes Arbeitsverhältnis

89%Sicherheit des Arbeitsplatzes

90%Festes, verlässliches Einkommen

„Sehr/äußerst wichtig“

(in %)

Die 20 wichtigsten Aspekte guter Arbeit (von 57)

Einkommens- und

Beschäftigungssicherheit

Gute Arbeit, das heißt aus Sicht von Handelsbeschäftigten, in erster LineEinkommens- und Beschäftigungssicherheit:

Ein festes, verlässliches Einkommen, das ist mit Abstand das zentrale Kriteriumguter Arbeit (Platz 1): Für 90% der befragten Arbeitnehmer/innen aus demHandel ist dies ein sehr wichtiges Kriterium guter Arbeit. Auf Platz zwei folgt einsicherer Arbeitsplatz und ein unbefristetes Arbeitsverhältnis rangiert auf Platz 3.....

Das erstaunliche an dieser Prioritätensetzung ist, dass der Grossteil der Befragtennoch nie selbst in einem befristeten oder Leiharbeitsverhältnis waren, unddennoch räumen sie einem unbefristeten Arbeitsverhältnis einen solch hohenStellenwert ein.

Zum zweiten ist es bemerkenswert, dass Handelsbeschäftigte einem festen,verlässlichen Einkommen zu 90% einen äußerst bzw. sehr wichtigen Stellenwertbeimessen, obwohl es gerade im Handel seit Jahren Erfahrungen mit Provisionenund Leistungsbestandteilen gibt. Jedoch wurde dem Merkmal „Erfolgs- oderleistungsabhängige Einkommensbestandteile“ eine klare Absage erteilt. Von 56Merkmalen landet dies auf den hintesten, d.h. unwichtigsten Plätzen.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

75%Vielseitige/abwechslungsreiche Arbeit9

75%Sinnvolle Arbeit11

7

3

75%Auf die Arbeit stolz sein können

87%Arbeit, die Spaß macht

„Sehr/äußerst wichtig“

(in %)

Die 20 wichtigsten Aspekte guter Arbeit (von 57)

Einkommens- und Beschäftigungssicherheit

Sinnliche & Kreative

Aspekte

Der zweite, bedeutende Komplex bezieht sich auf die sinnlichen und kreativenAspekte von Arbeit: Arbeit soll Spaß machen, fordern 87% ; die Beschäftigtenwollen eine sinnvolle Arbeit, auf die sie Stolz sein können und einArbeitsgestaltung, die abwechslungsreich und vielseitig ist. Für rund drei Viertelder Befragten sind dies zentrale Aspekte guter Arbeit.

Diese Prioritätensetzung zeigt, dass sich die Beschäftigten im Handelaußerordentlich stark mit dem Inhalt ihrer Arbeit identifizieren.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Die 20 wichtigsten Aspekte guter Arbeit (von 57)

Einkommens- und Beschäftigungssicherheit

Sinnliche & Kreative Aspekte

80%Förderung der Kollegialität8

17

5

69%Kein Leistungswettbewerb unter den

KollegInnen

90%Behandlung "als Mensch" durch

Vorgesetzte

„Sehr/äußerst wichtig“

(in %)Soziale Merkmale

Ebenso wichtig wie eine Arbeit, die Spaß macht und auf die man stolz sein kann,sind gute, soziale Arbeitsbeziehungen: 90% sind der Auffassung, dass sich guteArbeit darin auszeichnet, dass Vorgesetzte sie primär als Mensch achten undbehandeln. Und sie finden, dass der Betrieb Kollegialität fördern müsse und dases keinen Leistungswettbewerb unter den Kollegen und Kolleginnen geben solle.

Dass guten sozialen Beziehungen eine derart wichtige Bedeutung zugemessenwird, kommt nicht von ungefähr: Dass Wissen und die Sicherheit, selbst geachtetund geschätzt zu werden und im Problemfall Hilfe und Unterstützung vonanderen zu bekommen, gibt jedem Menschen enorme Kraft und Stärke. ImIdealfall sind gute Freunde am Arbeitsplatz der beste Schutz vor Angst,Unsicherheit und Stress.

Keine andere Beschäftigtengruppe misst übrigens der Kollegialität einen soherausragenden Stellenwert zu, wie die Beschäftigten im Handel.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Die 20 wichtigsten Aspekte guter Arbeit (von 57)

Einkommens- und Beschäftigungssicherheit

Sinnliche & Kreative Aspekte

Soziale Merkmale

6 78%Gesundheitsschutz bei

Arbeitsplatzgestaltung

„Sehr/äußerst wichtig“

(in %)

Gesundheitsschutz

Einen überraschend hohen Stellenwert messen Handelsbeschäftigte demGesundheitsschutz bei der Gestaltung ihres Arbeitsplatzes bei: Drei Viertel halteneinen gesundheitsförderlichen Arbeitsplatz für ein zentrales Kriterium guterArbeit.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Die 20 wichtigsten Aspekte guter Arbeit (von 57)

Einkommens- und Beschäftigungssicherheit

Sinnliche & Kreative Aspekte

Soziale Merkmale

75%Vorgesetzte vermitteln Anerkennung/

konstruktive Kritik10

15

14

13

12

71%Vorgesetzte haben Verständnis für

individuelle Probleme

70%Vorgesetzte unterstützen bei der Arbeit

72%Vorgesetzte sorgen für gute

Arbeitsplanung

71%Vorgesetzte kümmern sich um

fachliche /berufliche Entwicklung

„Sehr/äußerst wichtig“

(in %)

Gesundheitsschutz

Führungsqualität der

Vorgesetzten

Ebenfalls überraschend ist die hohe Bedeutung, die Arbeitnehmer/innen aus demHandel dem Führungsverhalten für die Arbeitsqualität beimessen.

Neben der Forderung, von den Vorgesetzten primär als Mensch geachtet zuwerden, nennen die befragten 5 weitere Aspekte einer Führungskultur, die manzusammenfassend als wertschätzend und fachlich unterstützend beschreibenkann. Gute Führung ist aus Sicht von Beschäftigten ein Garant für gute Arbeit.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Die 20 wichtigsten Aspekte guter Arbeit (von 57)

Einkommens- und Beschäftigungssicherheit

Sinnliche & Kreative Aspekte

Soziale Merkmale

Gesundheitsschutz

Einfluss- & Entwicklungs-

möglichkeiten

61%Konzentration auf eine Arbeitsaufgabe19

61%Konstruktiver Umgang mit Arbeitsfehlern20

18

16

67%Verantwortungsvolle Arbeitsaufgaben

65%Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten

Führungsqualität der Vorgesetzten

Und schließlich gehören Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten zu guterArbeit: Beschäftigte im Groß- und Einzelhandel wollen eine Arbeitsgestaltung,die es ihnen erlaubt, ihre Fähigkeiten bei der Arbeit weiterentwickeln zu könnenund Verantwortung zu übernehmen.

Die Arbeitsgestaltung soll jedoch auch ermöglichen, sich zeitweise auf eineeinzelne Arbeitsaufgabe zu konzentrieren. Und gute Arbeit zeichnet sich – ausSicht der Handelsbeschäftigten durch einen konstruktiven Umgang mitArbeitsfehlern aus.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Die 20 wichtigsten Aspekte guter Arbeit (von 57)

Einkommens- und Beschäftigungssicherheit

Sinnliche & Kreative Aspekte

Soziale Merkmale

Gesundheitsschutz

Einfluss- & Entwicklungs-

möglichkeiten

Führungsqualität der Vorgesetzten

Die genannten Bereiche prägen zusammengenommen das Bild, das Beschäftigtevon guter Arbeit haben. Dieses Bild entspricht entspricht in hohem Maße denarbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen einer menschengerechtenArbeitsgestaltung.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Gute Arbeit im Handel:

die Anforderungen

ÿ Keine andere Beschäftigtengruppe weist dem kollegialenZusammenhalt eine solch hohe Bedeutung zu.

ÿ Anforderungen verweisen auf

– hohe Motivation,

– Identifikation mit den Arbeitsaufgaben

– Verantwortungsbereitschaft für den Arbeitsprozess.

ÿ Handelsbeschäftigte wissen, dass gute Arbeit gestaltetwerden muss:

– Hohe Bedeutung von Gesundheitsschutz bei der Gestaltung desArbeitsplatzes,

– und einem wertschätzenden und fachlich unterstützendenFührungsstil.

Fassen wir nochmals zusammen:

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Gute Arbeit im Handel:

die Anforderungen

ÿ Handelsbeschäftigte haben ein Bewusstsein

für den Wert ihrer Arbeit. Ihr

Selbstverständnis von guter Arbeit schließt

die Vorstellung ein, dass gute Arbeit ein

finanzielles Fundament benötigt.

– dem Bereich Einkommens- und

Beschäftigungssicherheit wird höchste Priorität

eingeräumt.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Weitere Gemeinsamkeiten....

Beschäftigungsverhältnisse - SOEP

35% 46% 4%15%

Stimme voll zu Stimme eher zu Stimme eher nicht zu Stimme gar nicht zu

81% : Arbeitsverhältnisse sollten nur in Ausnahmefällen befristet werden.

30% 44% 5%21%

Stimme voll zu Stimme eher zu Stimme eher nicht zu Stimme gar nicht zu

74% : Leiharbeit sollte begrenzt werden.

34% 45% 4%18%

Stimme voll zu Stimme eher zu Stimme eher nicht zu Stimme gar nicht zu

78% : Einkommensunterschiede sollten begrenzt werden.

Man könnte nun annehmen, dass die herausragende Bedeutung der Einkommens-und Beschäftigungssicherheit ausschließlich die Unzufriedenheit undUnsicherheit der eigenen Situation widerspiegelt. Zum Teil stimmt das auch.Aber nicht nur.

Die Beschäftigten wurden darüber hinaus zu einigen grundsätzlichenEinstellungen befragt. Und hier zeigt sich, dass nicht nur die eigene Sicherheit imVordergrund steht, sondern dass – aus Sicht von Arbeitnehmern undArbeitnehmerinnen – sichere Arbeitsverhältnisse und eine ausgewogeneEinkommensstruktur übergreifende gesellschaftspolitische Werte darstellen:Wenn 78% an geben, dass die Einkommensunterschiede begrenzt werden sollen,und rund drei Viertel bzw. 80% Leiharbeit und Befristungen begrenzen wollen,dann geht es nicht nur um die eigene Betroffenheit. Hier zeigen sichVorstellungen von Gerechtigkeit, die nach wie vor von dem Anspruch derGleichheit geprägt sind.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

2.

Auf den Spuren guter Arbeit im Handel

Beschreibung der aktuellen Arbeitssituation- aus Sicht von Arbeitnehmer/innen im HandelArbeitnehmer/innen im Handel -

Die Untersuchung hat nicht nur die Frage unter die Lupe genommen, was dennun – aus Sicht von Beschäftigten – gute Arbeit charakterisiert, sondern hat denBlick auch auf die Arbeitsrealität gelenkt. Hier stand die Frage im Vordergrund,in welchem Maße es überhaupt gute Arbeit gibt.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Gesundheitsbelastungen

Finanzielle Existenzsicherung:

Bruttoarbeitseinkommen

Ressourcen

(1) Entwicklung braucht ein Fundament. Wenn Menschen im Rahmen der Arbeit ihreFähigkeiten und Kenntnisse, ihre Kreativität und ihre soziale Kompetenz entfaltenwollen uns sollen, dann benötigen sie ein Mindestmaß an finanzieller Sicherheit.Andernfalls bedroht die ständige Angst, am Monatsende die Rechnungen nicht mehrzahlen zu können, die Entfaltung von unseren Potentialen in der Arbeit. FinanzielleSicherheit ist eine zentrale Voraussetzung für gute Arbeit.

(2) Im Rahmen der Arbeit,vor allem der beruflichen Arbeit, werden viele Fähigkeitengefordert, die sehr wichtig für die menschliche Entwicklung sind: z.B. die Fähigkeitund die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen an einer Sache zu arbeiten. Durch dieArbeitsteilung entwickeln wir unser Leben lang kommunikative und sozialeFähigkeiten. Durch die fachlichen und sozialen Anforderungen am Arbeitsplatzentwickeln wir viele weitere Fähigkeiten, die uns durchaus Kraft, Selbstwertgefühlund Anerkennung geben können. In der Arbeitswissenschaft werden diese FaktorenRessourcen genannten und in der Untersuchung werden diese durch eine Gießkannesymbolisiert, die die Entwicklung in der Arbeit fördert.

(3)Es gibt aber natürlich auch Arbeitsbedingungen, die das Wohlbefinden in derArbeit massiv beschränken. Insbesondere, wenn Arbeit zu sehr belastend ist, wenn dieGesundheit des arbeitenden Menschen bedroht wird. Solche negativen Belastungenwerden in der Untersuchung in Form von Sägen dargestellt. Sägen, die die positivenEntwicklungsmöglichkeiten in der Arbeit beschränken.

Im Folgenden werden wir diese drei Dimensionen, die sehr bedeutsam sind für dieQualität von Arbeit, systematisch betrachten.

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(1.) Die Finanzielle Basis guter Arbeit im Handel:

Existenzsichernde Bruttoarbeitseinkommen

26% 25% 14%33%

unter 1.500 € 1.500 € u. 2.000€ 2.000 € u. 3.500€ 3.500€ u. mehr o. A.

43% 20% 10%26%

unter 400 € 400 € u. 800€ 800 € u. 1.500€ 1.500€ u. mehr o. A.

51% aller Vollzeitbeschäftigten erhalten ein Bruttoeinkommen unter 2.000 €.

63% aller Teilzeitbeschäftigten erhalten ein Bruttoeinkommen unter 800 €.

Geringe Einkommen sind aus der Sicht von

Arbeitnehmer/innen im Handel der zentrale Brennpunkt

(1) Nehmen wir zunächst das finanzielle Fundament der beruflichen Arbeit unterdie Lupe:

Diese Grafik zeigt die Bruttoeinkommen von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigtenim Handel. Dabei wird deutlich, dass selbst Vollzeitarbeit bei weitem nichtvor Armut schützt: 51% der Vollzeitbeschäftigten beziehen einBruttoeinkommen von unter 2.000 €uro, d.h nach Abzug von Sozialabgaben(21%) und Steuern (ca. 15% Stkl. I, ohne Kind) bleiben diesen Beschäftigtenweniger als 1.300 Euro für Miete, Versicherungen, Heizung, ein Auto, usw.26% der Vollzeitbeschäftigten beziehen sogar nur ein Bruttoeinkommen vonunter 1.500€. Diese Ergebnisse unterstreichen nochmals die Notwendigkeitvon Mindestlöhnen.

Bezogen auf Teilzeitarbeit zeigt sich, dass die Entgelte aus diesenBeschäftigungsverhältnissen kaum zum Leben reichen: Nur 10% derTeilzeitbeschäftigten beziehen ein Bruttoeinkommen von mindestens 1500Euro, fast 2/3 der Teilzeitbeschäftigten erhält sogar nur unter 800 Euro.

Die Einkommenssituation wird von den Beschäftigten ausgesprochen negativbewertet: Wie ein roter Faden zieht sich dieser Befund durch dieUntersuchung – Bei den Einkommen herrscht die größte Unzufriedenheit undhier wird auch der größte Handlungsbedarf gesehen.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

(2.) Ressourcen

Ressourcen

(2) Die zweite Dimension, die sehr zentral die Qualität von Arbeit bestimmt, sinddie sogenannten arbeitsbezogenen Ressourcen. Damit werden all jene Faktorenbezeichnet, die uns in der Arbeit motivieren, die uns in Stresssituationenschützen, die Freunde, Identifikation mit der Arbeit aber auch das Gefühl vonsozialer Einbindung ermöglichen.

Zu diesen Ressourcen zählen u.a. Qualifizierungs-, Entwicklungs- undEinflussmöglichkeiten, ein wertschätzender und unterstützender Führungsstil undein gutes, kollegiales Klima. Je stärker die Arbeitsrealität durch dieseunterstützenden Faktoren geprägt ist, desto besser.

Die Frage ist also, von welchen Ressourcen die Beschäftigten berichten?

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Ressourcen: Großer Gestaltungsspielraum!

Entwicklungsmöglichkeiten in

der Arbeit/ im Betrieb...................

Hilfreiche betriebliche

Weiterbildung................................

Möglichkeiten für Abwechslung/

Kreativität in der Arbeit................

Einflussmöglichkeiten in der

Arbeit.............................................

Unterstützung d. Vorgesetzte......

Positive Rückmeldung durch

Arbeitsinhalt/ Arbeitsergebnis.....

Kollegiale Unterstützung ...........

11%

20%

31%

32%

56%

61%

84%

26%

36%

45%

29%

27%

12%

62%

80%

33%

23%

16%

13%

4%

NiedrigesRessourcenniveau

HohesRessourcenniveau

Die wichtigste Unterstützung am Arbeitsplatz bieten aus der Sich vonBeschäftigten ihre Kollegen und Kolleginnen. Von keinem anderen Bereich wirübereinstimmend soviel Gutes erzählt wie von diesem: 84% der Befragtenberichten von einem guten, kollegialen Klima, von sozialer und fachlicherUnterstützung und Hilfe durch ihre Kollegen. Weitere 12% empfinden zumindesteinzelne Aspekte als hilfreich und nur 4% wissen in dieser Hinsicht nichtsPositives zu berichten.

Auch die Identifikation mit dem Arbeitsinhalt und die unmittelbare Rückmeldungdurch die Arbeit ist eine verbreitete Ressource (61%).

Von umfassender Unterstützung durch die/den Vorgesetzte/n berichtet nur nochgut jede/r Zweite (56%): Das heißt ein fachlich unterstützender und gleichzeitigrespektvoller und wertschätzender Führungsstil gehört keineswegs zurNormalität. Dies ist insofern problematisch, da gerade den Führungskräften imHinblick auf das Wohlbefinden, den Gesundheitsschutz, die Motivation, usw. einganz zentraler Stellenwert beigemessen wird. Mit Blick auf die Realisierung vonguter Arbeit ist der Gestaltungsbedarf bei der Verbesserung der Führungsqualitätdaher groß.

Das gilt noch stärker für die Einfluss- und Qualifizierungsmöglichkeiten sowiedie Entwicklungsmöglichkeiten in der Arbeit. In all diesen Bereichen ist dasGestaltungspotential noch ziemlich unausgeschöpft. Insbesondere im Bereich derQualifizierung und der Gestaltung von lernförderlichen Arbeitsplätzen steht dieRealität in einem starken Kontrast zu den wohlfeilen Sonntagsreden überlebenslanges Lernen und die Bedeutung von Wissen und Qualifikation.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Soziale Unterstützung durch

die Kollegen & Kolleginnen

Vertrauen in die eigenen

Fähigkeiten

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

(3.) Gesundheitsbelastungen

Gesundheitsbelastungen

(3) Wenden wir uns nun dem dritten, sehr wichtigem Bereich zu, der zentral diewahrgenommene Qualität der Arbeit beeinflusst: dem Niveau der erlebtenBelastungen. Je belastender Arbeit erlebt wird, desto stärker kann Arbeit auch dieGesundheit beeinträchtigen. Und umgekehrt ist eine möglichst belastungsarmeArbeit eine wichtige Voraussetzung für gute Arbeit.

Auch hier betrachten wir zunächst wieder größere Bereiche derArbeitsbedingungen und fragen, in welchem Maße diese als belastend erlebtwerden.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Belastende

Arbeitsbedingungen:

Niedriges

Belastungsniveau

Geringe Entwicklungsmöglichkeiten

Hohe Verantwortung

Verhältnis zu Vorgesetzten

Umgebungsbedingungen

Arbeitszeitgestaltung

Arbeitsorganisatorische Probleme

Soziales Verhältnis zu Kollegen/innen

Geringe Einflussmöglichkeiten

Widersprüchliche Anforderungen

Emotionale Anforderungen

Zeitdruck & hohe Arbeitsintensität

Hohe Komplexität

Einseitige/ körperlich schwere Arbeit

Arbeitsplatzunsicherheit

21%

22%

23%

23%

25%

26%

28%

30%

34%

41%

47%

60%

26%

47%

39%

37%

35%

58%

38%

31%

20%

31%

34%

37%

34%

17%

69%

43%

40%

41%

42%

19%

37%

43%

53%

38%

32%

22%

19%

23%

5%

9%

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Hohes

Belastungsniveau

Hoher

Handlungsbedarf!

Am häufigsten empfinden Beschäftigte die Unsicherheit des Arbeitsverhältnissesals belastend. Bei fast 2/3 der Befragten kommt in diesem Bereich einigeszusammen: sie befürchten ganz unmittelbar den Verlust ihres derzeitigenArbeitsplatzes, sie sind verunsichert über die Frage, ob sie wieder einenvergleichbaren Arbeitsplatz finden würden und vielfach geht die Angst vor einerÄnderungskündigung um. Kein anderer Bereich wird von so vielen Beschäftigtenals mehrfach belastend empfunden wie die Arbeitsplatzunsicherheit.

An zweiter Stelle steht ein klassischer Belastungsbereich, nämlich körperlicheArbeitsanforderungen, die als belastend empfunden werden. Dazu gehörtkörperliche schwere oder einseitige Arbeit oder auch Computerarbeit, wenn sievon den Beschäftigten als subjektiv belastend erlebt wird.

Daran schließen sich etliche Bereiche aus dem Spektrum der psychischenBelastungen an, in denen es jeweils bei rund einem Drittel der Beschäftigten zumehrfachen negativen Beeinträchtigungen kommt: Zum Beispiel eine zu hohe,als belastend erlebte Arbeitsintensität, Über- bzw. Unterforderungen.

Aber auch auf Grund von arbeitsorganisatorischen Problemen, einemunzureichenden und widersprüchlichem Informationsfluss, emotionalenAnforderungen und Problemen kommt es bei rund einem Drittel der befragtenArbeitnehmer/innen zu vielfältigen Belastungen.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

GesundheitsbelastungenArbeitsplatzunsicherheit

Körperlich belastende Arbeit

Zu starke Arbeitsverdichtung

Emotionale Belastungen

(v.a.Vorgesetzte/ Kunden)

Arbeitsorganisatorische Probleme

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Auf den Spuren guter Arbeit im Handel– zwischen Ressourcen & Beanspruchungen –

Fehlbeanspruchungsniveau („Belastungen“)

14%14%6%Hoch

25%14%5%Mittel

14%5%2%Niedrig

HochMittelNiedrigRessourcen-

niveau

Typ1:Viele Ressourcen

& wenig

belastende Arbeit

11%

Typ2:Viele Ressourcen &

belastende Arbeit

28%

Typ3:Sehr belastende

Arbeit & sehr

viele Ressourcen

14%

Typ4:Sehr belastende

Arbeit & viele

Ressourcen 25%

Typ5:Wenige/Keine

Ressourcen &

belastende Arbeit

21%

11% 28% 14% 25% 21%

0% 1 0 % 2 0% 3 0 % 4 0% 5 0 % 6 0 % 7 0 % 8 0 % 9 0 % 1 0 0 %

Arbeit ist in der Regel nie nur belastend und nie nur förderlich und motivierend.

In der Untersuchung wurde daher versucht, die Arbeitsplatzbeschreibungen danach zuklassifizieren, in welchem Maße belastende Faktoren und förderliche Faktorenzusammentreffen.

Als besonders gut können wir Arbeit dann bewerten, wenn die befragtenArbeitnehmer/innen von vielen Ressourcen berichten aber nur wenigen Belastungen.Von derart gut gestalteten Arbeitsplätzen berichten gerade einmal 11% derBeschäftigten. Weitere 28% der beschriebenen Arbeitsplätze sind nahe an guterArbeit: Auch sie bieten viele Ressourcen aber es treten auch schon viele Belastungenauf.

Jeder zweite Arbeitsplatz im Handel ist durch ein extrem hohes Belastungsniveaugekennzeichnet. Diese Arbeitsplätze können – auch wenn die Beschäftigten teilweisevon sehr vielen Entwicklungs- und Einflussmöglichkeiten berichten (14%) – nichtmehr als gut bezeichnet werden.

Ganz besonders problematisch sind Arbeitsplätze, an denen sich der arbeitendeMensch überwiegend belastet fühlt und gleichzeitig kaum Entwicklungs- undEinflussmöglichkeiten oder sozialer Unterstützung zur Verfügung stehen. Auf 21%der Arbeitsplätze trifft dies – nach Ansicht der befragten Beschäftigten – zu.

Wird die Arbeitsqualität also im Spannungsfeld von Belastungen und Ressourcenbeleuchtet, zeigt sich ein hoher Gestaltungsbedarf. Von einer schönen neuenArbeitswelt, die den Menschen Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten imArbeitsprozess bietet und nicht mehr „auf die Knochen“ geht, ist noch wenig zu sehen.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Auf den Spuren guter Arbeit– zwischen Ressourcen - Belastungen – existenzsichernden Einkommen -

Langfristig nicht

existenzsichernd

weniger als 2.000 € Brutto

Langfristig

existenzsichernd

mind. 2.000 € Brutto

Einkommen

Belastungen

Ressourcen

ÿSchlechte ArbeitþÿGute Arbeitþ

11% 28% 14% 25% 21%

0% 1 0 % 2 0 % 3 0 % 4 0 % 5 0 % 6 0 % 7 0 % 8 0 % 9 0 % 1 0 0 %

9% 89%2%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Wird nun noch die dritte zentrale Dimension der Arbeitsqualität berücksichtigt –die Qualität des Einkommens – verändern sich die Ergebnisse nochmals: Nebendem Verhältnis von Belastungen und positiven Potentialen wurde nun nochermittelt, ob die Beschäftigten ein langfristig existenzsicherndes Einkommen vonmindestens 2.000 Euro brutto beziehen.

Berücksicht man dieses Kriterium zusätzlich, können nur noch 2% derbeschrieben Arbeitsplätze im Handel als umfassend gut bezeichnet werden, d.h.Arbeit mit vielen guten Potentialen, wenigen Belastungen und einemArbeitseinkommen, das materielle Sicherheit vermittelt.

9% der Arbeitsplätze sind nahe an guter Arbeit, d.h. sie bieten ebenfalls vieleRessourcen und materielle Sicherheit, aber das Belastungsniveau sollte bereitsreduziert werden. 89% der Arbeitsplätze sind mehr oder minder problematisch:entweder ist die Arbeit sehr belastend und/oder die Beschäftigten haben kaumEinfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten oder/und die finanzielle Absicherungist unzureichend.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

3.

Über den Nutzen von Arbeitsgestaltung:.... Macht gute Arbeit glücklich und gesund?

Bewertung der aktuellen Arbeitssituation-aus Sicht von Arbeitnehmer/innen im HandelArbeitnehmer/innen im Handel –

Bislang haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie viele Arbeitsplätze als

besonders gut bezeichnet werden können, und wie viele deutlich schlechter

abschneiden. Wir haben uns angesehen, wodurch gute und schlechte Arbeit

charakterisiert sind.

Nun gehen wir noch der Frage nach, welchen Effekt die Arbeitsgestaltung

auf den einzelnen Menschen hat. D.h. uns interessiert der Zusammenhang

von Arbeitsqualität und der Gesundheit, der weiteren Arbeitsfähigkeit, der

Zufriedenheit, usw.

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73%

55%

42%

24%

18%

9%

22%

27%

28%

29%

7%

20%

26%

43%

17%

15%

11%

22%

10%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

T yp1

T yp2

T yp3

T yp4

T yp5

'W irklich' Zufriedene Unzufrieden (Resigniert/ Fixiert)

Konstruktiv Unzufrieden Diffus (Un-)Zufrieden

Arbeitsqualität entscheidet überechte Arbeitszufriedenheit

Hohe Belastungen &Kaum Ressourcen

Geringe Belastungen& Hohe Ressourcen

Betrachten wir zunächst den Zusammenhang von Arbeitsqualität undZufriedenheit: Der grüne Balken symbolisiert den Anteil derer, man als wirklichzufrieden bezeichnen kann. Rund 3/4 der Handelsbeschäftigten, die von sehrguten Arbeitsbedingungen berichten (Typ1) , sind tatsächlich – ohneEinschränkung – zufrieden. Demgegenüber ist das Erleben der Beschäftigten, dieunter sehr schlechten Bedingungen arbeiten (Typ5), häufig durch Resignationund Unzufriedenheit geprägt. Das heißt, diese Personen würden lieber heute wiemorgen den Arbeitgeber wechseln und wären früher nie mit dieser Stellezufrieden gewesen, oder sie sie geben rundheraus an, unzufrieden zu sein. Weitverbreitete Unzufriedenheit ist das prägende Merkmal von Beschäftigten, dieunter schlechten Arbeitbedingungen arbeiten (Typ 4/5).

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Typ1:VieleRessourcen&keine/wenigbelastendeArbeit

Typ2:VieleRessourcen&etwasbelastendeArbeit

Typ3:sehrbelastendeArbeit&sehrvieleRessourcen

Typ4:sehrbelastendeArbeit&vieleRessourcen

Typ5:KeineRessourcen&belastendeArbeit

nie selten oft immer

... mit flauen Gefühlen an die berufliche Zukunft gedacht

... die Arbeit frustrierend empfunden

... auch in der arbeitsfreien Zeit nicht erholt

... ausgebrannt nach der Arbeit gefühlt

... mit dem Unternehmen verbunden gefühlt

... Stolz auf die Arbeit empfunden

... Anerkennung bei der Arbeit erhalten

... von der Arbeit begeistert

... mit Freude gearbeitet

In den letzten vier

Arbeitswochen ….

Ein sehr eindeutiges Bild zeigt sich, wenn die Beschäftigten beschreiben, was siefühlen, wenn sie an ihre Arbeit denken: Sind die Arbeitsbedingungen gut, alsobelastungsarm und ressourcenreich (grüne Linie), dann prägen Freude,Begeisterung, Anerkennung, Stolz und Verbundenheit mit dem Unternehmen dasBild. Ganz anders bei den Beschäftigten, die unter sehr belastenden und/oderressourcenarmen Bedingungen arbeiten: Sie fühlen sich oft leer und ausgebranntnach der Arbeit, können sich auch in der arbeitsfreien Zeit oft nicht erholen undempfinden ihre Arbeit nicht selten als frustrierend. Ihrer Zukunft treten sie mitflauem Gefühl im Bauch entgegen.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Denken Sie an Ihre Arbeit und Ihren Gesundheitszustand:

Meinen Sie, dass Sie unter den derzeitigen Anforderungen Ihre

jetzige Tätigkeit bis zum Rentenalter ausüben können?

95%

65%

53%

53%

41%

5%

36%

27%

41%

4%

8%

11%

19%

18%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Typ1

Typ2

Typ3

Typ4

Typ5

Ja, wahrscheinlich Nein, wahrscheinlich nicht Weiß nicht

Wer Tag für Tag von Beschwerden geplagt wird, kann sich meistens auch nichtvorstellen, unter diesen Arbeitsbedingungen gesund das Rentenalter zu erreichen.Auch das zeigt die Untersuchung.

Unter den Beschäftigten, die von sehr schlecht gestalteter Arbeit berichten, sindes gerade einmal 40%, die optimistisch sind, unter diesen Bedingungen gesunddas Rentenalter zu erreichen. Sind die Arbeitsbedingungen gut gestaltet, könnensich das über 95% vorstellen.

Angesichts der dramatisch hohen Verbreitung von schlechter,gesundheitsbelastender Arbeit ist die geforderte Erhöhung des Rentenalters auf67 ein Hohn für die Betroffenen. Unter den gegenwärtigen Arbeitsbedingungenkönnen es sich die wenigsten 40-Jährigen vorstellen, gesund das jetzigeRentenalter zu erreichen.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Zusammengefasst

4.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Gute Arbeit ...

ÿ ... bedeutet aus der Sicht von Handelsbeschäftigten,

– ein festes, verlässliches Einkommen zu erhalten,

– unbefristet beschäftigt zu sein,

– die fachlichen und kreativen Fähigkeiten in die Arbeit

einbringen und entwickeln zu können,

– Anerkennung zu bekommen und

– soziale Beziehungen zu entwickeln.

ÿ Positiv wird Arbeit bewertet,

– wenn die Entwicklungs-, Qualifizierungs- und

Einflussmöglichkeiten vorhanden sind,

– wenn das soziale Klima zu den Vorgesetzten und KollegInnen

gut bewertet werden.

– Das Anforderungsniveau darf nicht übermäßig als belastend

empfunden werden.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Gute Arbeit im Handel – hoher Gestaltungsbedarf

ÿ Arbeitsplätze, die diesen Kriterien entsprechen, sind rar:Nur 11% der Handelsbeschäftigten berichten vonguter Arbeitsgestaltung: Ein geringes Fehlbelastungs-und ein hohes Ressourcenniveau. Unter Berücksichtigungeines langfristig existenzsichernden Einkommen (2.000€)können sogar nur 2% der Arbeitsplätze im Handel alsoptimal bezeichnet werden.

28% der Arbeitsplätze haben gute, ausbaufähigeGrundlagen: sie bieten Einfluss- undEntwicklungsmöglichkeiten und soziale Einbindung(Ressourcen), aber das Spektrum der Fehlbelastungenmuss reduziert werden. Darunter bieten 9% ein langfristigexistenzsicherndes Einkommen.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Gute Arbeit im Handel – hoher Gestaltungsbedarf

ÿ 89% der Arbeitsplätze sind ....

– entweder durch extrem geringe Ressourcen und/oder

– durch ein bedenklich hohes Belastungsniveau

gekennzeichnet.

– Oder/und sie bieten den Beschäftigten kein

existenzsicherndes Einkommen.

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Gute Arbeit – Ansatzpunkte

ÿ Zurückdrängen von unsicheren Arbeitsverhältnissen

ÿ Arbeitsintensivierung bremsen: Pausen,Arbeitszeitregelungen, Zielvereinbarungen mit klarenBedingungen, ..

ÿ Respektvolle und fachlich unterstützende Führungsqualitäteinfordern: Zusammenhang von guter Führung und ...

– Informationsklarheit

– unterstützender Arbeitsorganisation

– gutem Arbeitsklima

aufzeigen

ÿ Die Bedeutung von Solidarität und gutensozialen Arbeitsbeziehungen bewusstmachen: es ist der wirksamster Schutzgegen Angst und Stress.

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Tatjana Fuchs - Soziologin am Internationalen Institut für empirische Sozialforschung

Arbeitsbedingungen

waren immer

umkämpft!

ÿ Generationen vor uns haben für die

heutigen sozialen Rechte und

Errungenschaften gekämpft.

ÿ Auf jeden Fortschritt, den wir heute

gestalten, kann die nächste

Generation aufbauen.

ÿ Jedes Recht, was wir heute aufgeben,

muss die nächste Generation wieder

mühsam neu erstreiten!

ÿ Mit Blick auf frühere und folgende

Generationen:

Gemeinsam für gute Arbeit im Handel!

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„Gute Arbeit im Handel?!“

Internationales Institut für empirische Sozialökonomie

Sonderauswertung im Auftrag von Ver.di

Danke für Eure Aufmerksamkeit!

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