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DOI: 10.1111/j.1610-0387.2008.06752.x Übersichtsarbeit 21 © The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag GmbH, Berlin • JDDG • 1610-0379/2009/0701 JDDG | 1 ˙ 2009 (Band 7) English online version on Wiley InterScience Schlüsselwörter Paravasat Chemotherapie Dermatoonkologie Keywords extravasation chemotherapy dermato-oncology Zusammenfassung In der Dermatoonkologie finden neben den inzwischen immer mehr verbreite- ten zielgerichteten Therapien nach wie vor Chemotherapeutika eine breite Ver- wendung. Gerade im Hinblick auf die Vermeidung weiterer Morbidität kommt der Vermeidung eines Paravasates bei Tumorpatienten eine hohe Bedeutung zu. Neben der frühen Diagnose eines Paravasates und der Verwendung des richtigen Antidotes ist vor allem eine gute Schulung des onkologisch tätigen Teams für ein optimales Paravasat-Management ausschlaggebend. Summary Despite the introduction of many targeted therapies, a wide variety of cytostat- ic agents are still frequently used in dermato-oncology. In order to avoid further morbidity in tumor patients, prevention of extravasation reactions is of highest importance. The optimal management of extravasation requires an early diag- nosis, the application of specific antidotes and a well-trained oncology team. Aktuelle Empfehlungen zur Prävention und Therapie von Paravasaten in der Dermatoonkologie Current recommendations for prevention and therapy of extravasation reactions in dermato-oncology Katharina C. Kähler 1 , Dieter Mustroph 2 , Axel Hauschild 1 (1) Klinik für Dermatologie und Venerologie, UKSH, Campus Kiel (2) Medizinische Klinik, Westküstenklinikum Heide JDDG; 2009 7:21–28 Eingereicht: 1.2.2008 | Angenommen: 24.2.2008 Einleitung Im klinischen Alltag wird der Dermato- loge in vielerlei Hinsicht mit der Begut- achtung und Therapie von Paravasaten nach einer Chemotherapie konfrontiert. Nicht nur die allgemein übliche Praxis im Vergleich zu anderen Ländern, Chemo- therapien bei Patienten mit einem malig- nen Melanom oder einem kutanen Lym- phom in dermatologischer Hand zu belassen, führt dazu, dass Dermatologen auch im Falle eines Paravasates unmittel- bar an der Therapie beteiligt sind. Auch andere onkologische Fachdisziplinen wie beispielsweise die Innere Medizin, die Gynäkologie und die Pädiatrie suchen im Falle einer Paravasation eine dermatologi- sche Mitbeurteilung. Ein Paravasat geht für den Patienten nicht nur mit Schmer- zen, langwierigen Wundheilungsstörun- gen einher, sondern gefährdet eventuell wegen notwendig werdender Therapie- verschiebungen den Therapieerfolg. Derzeit geht der Trend in der Onkologie mehr und mehr zu molekülspezifischen Therapeutika (targeted therapies), die überwiegend kein gewebereizendes Po- tenzial besitzen. Häufig verwendete Zy- tostatika in der Dermatologie wie z. B. Dacarbazin oder auch das gegenwärtig an Bedeutung gewinnende Paclitaxel werden z. T. bereits in oraler Form (Te- mozolomid ® ) verwendet oder aber im Rahmen von klinischen Prüfungen in chemisch modifizierter Form wie z. B. in einer Polymerbindung (Abraxane ® ) un- tersucht. In Analogie zum liposomal ver- kapselten Doxorubicin könnte dadurch das bisher existente Paravasatrisiko wir- kungsvoll gesenkt werden. Pathophysiologische Mechanismen Die Paravasation eines Zytostatikums bezeichnet das Eindringen einer potenzi- ell schädigenden Substanz in den peri- vaskulären Raum. Häufige Ursachen sind eine Fehlanlage des Venenweges so- wie eine sekundär eingetretene Ge- fäßwandschädigung oder Katheterdislo- kation. Es hat sich bewährt, die gängigen Zytostatika in drei Gruppen gemäß ihrem Toxizitätsprofil zu klassifizieren (Tabelle 1). Nicht gewebeschädigende Substanzen verursachen keine Gewebs- schäden. Gewebsreizende Substanzen lösen in dem betroffenen Areal Schmer- zen, Brennen und gelegentlich auch eine Phlebitis aus. Ursächlich für diese Sym- ptome sind Hilfsstoffe wie Ethanol oder Cremophor ® . Nekrotisierende Substan- zen (Vesikanzien) verursachen neben einer Gewebereizung auch Ulzerationen und Nekrosen mit irreversibler Schädi- gung neurovaskulärer und muskuloske- lettaler Strukturen [1]. Die mechanische Kompression des Ge- webes durch ein großes paravasal infun- diertes Volumen führt über eine Störung

Aktuelle Empfehlungen zur Prävention und Therapie von Paravasaten in der Dermatoonkologie

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DOI: 10.1111/j.1610-0387.2008.06752.x Übersichtsarbeit 21

© The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag GmbH, Berlin • JDDG • 1610-0379/2009/0701 JDDG | 1˙2009 (Band 7)

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Schlüsselwörter• Paravasat• Chemotherapie• Dermatoonkologie

Keywords• extravasation• chemotherapy• dermato-oncology

ZusammenfassungIn der Dermatoonkologie finden neben den inzwischen immer mehr verbreite-ten zielgerichteten Therapien nach wie vor Chemotherapeutika eine breite Ver-wendung. Gerade im Hinblick auf die Vermeidung weiterer Morbidität kommtder Vermeidung eines Paravasates bei Tumorpatienten eine hohe Bedeutungzu. Neben der frühen Diagnose eines Paravasates und der Verwendung desrichtigen Antidotes ist vor allem eine gute Schulung des onkologisch tätigenTeams für ein optimales Paravasat-Management ausschlaggebend.

SummaryDespite the introduction of many targeted therapies, a wide variety of cytostat-ic agents are still frequently used in dermato-oncology. In order to avoid furthermorbidity in tumor patients, prevention of extravasation reactions is of highestimportance. The optimal management of extravasation requires an early diag-nosis, the application of specific antidotes and a well-trained oncology team.

Aktuelle Empfehlungen zur Prävention und Therapievon Paravasaten in der Dermatoonkologie

Current recommendations for prevention and therapy of extravasationreactions in dermato-oncology

Katharina C. Kähler1, Dieter Mustroph2, Axel Hauschild1

(1) Klinik für Dermatologie und Venerologie, UKSH, Campus Kiel(2) Medizinische Klinik, Westküstenklinikum Heide

JDDG; 2009 • 7:21–28 Eingereicht: 1.2.2008 | Angenommen: 24.2.2008

Einleitung Im klinischen Alltag wird der Dermato-loge in vielerlei Hinsicht mit der Begut-achtung und Therapie von Paravasatennach einer Chemotherapie konfrontiert.Nicht nur die allgemein übliche Praxis imVergleich zu anderen Ländern, Chemo-therapien bei Patienten mit einem malig-nen Melanom oder einem kutanen Lym-phom in dermatologischer Hand zubelassen, führt dazu, dass Dermatologenauch im Falle eines Paravasates unmittel-bar an der Therapie beteiligt sind. Auchandere onkologische Fachdisziplinen wiebeispielsweise die Innere Medizin, dieGynäkologie und die Pädiatrie suchen imFalle einer Paravasation eine dermatologi-sche Mitbeurteilung. Ein Paravasat gehtfür den Patienten nicht nur mit Schmer-zen, langwierigen Wundheilungsstörun-gen einher, sondern gefährdet eventuellwegen notwendig werdender Therapie-verschiebungen den Therapieerfolg.

Derzeit geht der Trend in der Onkologiemehr und mehr zu molekülspezifischenTherapeutika (targeted therapies), dieüberwiegend kein gewebereizendes Po-tenzial besitzen. Häufig verwendete Zy-tostatika in der Dermatologie wie z. B.Dacarbazin oder auch das gegenwärtigan Bedeutung gewinnende Paclitaxelwerden z. T. bereits in oraler Form (Te-mozolomid®) verwendet oder aber imRahmen von klinischen Prüfungen inchemisch modifizierter Form wie z. B. ineiner Polymerbindung (Abraxane®) un-tersucht. In Analogie zum liposomal ver-kapselten Doxorubicin könnte dadurchdas bisher existente Paravasatrisiko wir-kungsvoll gesenkt werden.

Pathophysiologische MechanismenDie Paravasation eines Zytostatikumsbezeichnet das Eindringen einer potenzi-ell schädigenden Substanz in den peri-vaskulären Raum. Häufige Ursachen

sind eine Fehlanlage des Venenweges so-wie eine sekundär eingetretene Ge-fäßwandschädigung oder Katheterdislo-kation. Es hat sich bewährt, die gängigen Zytostatika in drei Gruppen gemäßihrem Toxizitätsprofil zu klassifizieren(Tabelle 1). Nicht gewebeschädigendeSubstanzen verursachen keine Gewebs-schäden. Gewebsreizende Substanzen lösen in dem betroffenen Areal Schmer-zen, Brennen und gelegentlich auch einePhlebitis aus. Ursächlich für diese Sym-ptome sind Hilfsstoffe wie Ethanol oderCremophor®. Nekrotisierende Substan-zen (Vesikanzien) verursachen neben einer Gewebereizung auch Ulzerationenund Nekrosen mit irreversibler Schädi-gung neurovaskulärer und muskuloske-lettaler Strukturen [1].Die mechanische Kompression des Ge-webes durch ein großes paravasal infun-diertes Volumen führt über eine Störung

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der Mikrozirkulation zu einer ischämi-schen Gewebeschädigung. Die durch dasParavasat entstandene Hyperosmolaritätim Extrazellularraum begünstigt die Ent-stehung von Ödemen, die zu einer weite-ren Verschlechterung der Mikrozirkula-tion führen [2]. Zusätzlich zu diesenunspezifischen Faktoren gibt es auchHinweise auf direkt zytotoxische Effektenach Paravasation: Doxorubicin z. B.bindet im Zellkern an die DNA undhemmt so die Replikation. Die abgestor-bene Zelle setzt Doxorubicin erneut frei,so dass die Aufnahme in die Nachbar-zelle erfolgen kann. Dieser Mechanismuserklärt auch die lange Verweildauer derAnthrazykline im Paravasatgebiet. Auchdie Bildung freier Sauerstoffradikalekann für die lokale Toxizität von Anthra-zyklinen eine Rolle spielen [3].

RisikofaktorenNeben der individuellen Disposition desPatienten (Tabelle 2) und dem substanz-

spezifischen Risiko ist auch das ärztlicheHandeln für das Paravasatrisiko von Be-deutung. Erschwerte Venenverhältnissenach früheren Zytostatika-Infusionenkönnen ebenso wie z. B. eine Lymphab-flussstörung nach einer Lymphadenekto-mie das Risiko einer Paravasatentstehungerhöhen [4]. Gerade im Bereich bereitserfolgter Punktionen kommt es nichtselten zu Gefäßspasmen [5]. Die nachVincaalkaloiden häufig zu beobachtendePolyneuropathie begünstigt ebenfalls dieParavasatentstehung. Kinder und Patien-ten in höherem Lebensalter weisen erfah-rungsgemäß ebenfalls ein erhöhtes Risiko auf [4]. Neben dem Schädigungspotenzial derSubstanz (Tabelle 1) ist auch die einge-setzte Konzentration sowie beigemischteHilfsstoffe in der Formulierung von Bedeutung. Defizite in der klinischen Ausbildungdes medizinischen Personals und geringeErfahrung können zu einem Gefahren-

punkt werden. Bereits die Auswahl einerungeeigneten Vene oder Punktionstech-nik stellt eine erhebliche Risikoerhöhungdar. Personelle oder infrastrukturelle De-fizite erschweren dem Arzt zudem einesuffiziente Überwachung während derApplikation mit dem Risiko eines uner-kannten Paravasates.

Präventive MaßnahmenDie Qualität des Venenzugangs ist fürdie Sicherheit der Zytostatika-Applika-tion von großer Bedeutung. Ein Venen-zugang im Bereich der Unterarmmitteist der Anlage am Handrücken oderproximal des Handgelenkes in der Regelvorzuziehen. Ein Venenzugang in derEllenbeuge sollte möglichst vermiedenwerden [4]. Im Bereich der Ellenbeugewird eine Paravasation nicht selten erstnach Infusion eines größeren Volumensbemerkt. Es sollte primär eine distaleVene gewählt werden, um nach einerFehlpunktion noch proximal gelegenerePunktionsstellen zur Verfügung zu haben. Nach einer Fehlpunktion darfkeinesfalls eine distal gelegene Veneam selben Arm punktiert werden, umdie Gefahr des Austritts des Zytostati-kums aus der Fehlpunktionsstelle zuvermeiden. Ideal für eine Zytostatika-Applikation istein dünner Venenverweilkatheter.Großvolumige Kanülen sind in der Re-gel nicht nötig und begünstigen einungünstiges Verhältnis zwischen Gefäß-querschnitt und Zytostatikamenge. Kei-nesfalls sollte eine Stahlkanüle wie z. B.eine Butterfly®-Nadel eingesetzt werden.Nicht selten führen diese zu einer Verlet-zung der Gefäßrückwand [5]. Es ist dar-auf zu achten, dass die Einstichstelle bzw.ihre Umgebung nach Fixation derKanüle sichtbar bleibt. Nach erfolgrei-cher Blutaspiration sollte über einige Mi-nuten ausschließlich die Trägerlösung in-fundiert werden. Die Region derPunktionsstelle ist anschließend auf Zei-chen der Fehllage wie z. B. Schwellung,Rötung oder Schmerz zu inspizieren.Die Infusionslösung sollte ohne Wider-stand zu applizieren sein. Eine möglicheMethode zur Kontrolle einer korrektenintravasalen Applikation kann auch dieAuflage der Handfläche ca. 20 cm proxi-mal der Punktionsstelle sein. Bei korrek-ter Lage sistiert die Infusion durch die da-mit verbundene Kompression der Venen.Bewährt hat sich ebenfalls eine Rück -flussprobe, indem die Infusionsflasche bei

Tabelle 1: Einteilung der Chemotherapeutika nach ihrem Schädigungs-potenzial.

ChemotherapeutikumPhysikalischeMaßnahmen

Antidot

Bleomycin keine –

Carboplatin keine –

Liposomal verkapseltes Doxorubicin Kälte –

Methotrexat keine –

Dacarbazin keine –

Fotemustin keine –

Doxorubicin Kälte DMSO; ggf. Dexrazoxan (Savene®)

Paclitaxel keine Hyaluronidase

Vindesin trockene Wärme Hyaluronidase

Tabelle 2: Maßnahmen und Antidote der relevanten Chemotherapeutikain der Dermatoonkologie [13].

Nicht gewebeschädigendGewebsreizend= „Irritanzien“

Nekrotisierend = „Vesikanzien“

Bleomycin Cisplatin (< 0,4mg/ml) Cisplatin (> 0,4mg/ml)

Carboplatin Dacarbazin Doxorubicin

Liposomal verkapseltesDoxorubicin

Fotemustin Paclitaxel

Methotrexat Vindesin

Vincristin

Paravasate in der Dermatoonkologie Übersichtsarbeit 23

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offener Klemme unterhalb des Herzni-veaus des Patienten gehalten und derRückfluss des Blutes in den Ansatz desInfusionsschlauches registriert wird.Während der Infusion ist der Arm zuimmobilisieren [6]. Der Patient wird gebeten, bei Schmer-zen, Brennen, Schwellungen sofort dasPersonal zu informieren und vorüberge-hend auf die Benutzung des Armes wie z.B. das Umblättern einer Zeitung zu ver-zichten. Patienten, die bei schlechten Venenverhältnissen eine dauerhafte Che-motherapie mit gewebsnekrotisierendenSubstanzen erhalten sollen, werden nicht

selten mit einem implantierten Zugangwie z. B. dem sogenannten „Port-a-Cath-System“ versorgt [7]. Selbst mitdiesem Venenweg sind in 4,1 % der FälleParavasate zu erwarten [8]. Die häufigs -ten Ursachen sind hierbei eine inkor-rekte Lage der Portnadel, ein luminalerThrombus, Fibrinabscheidungen im Ka-theter oder eine Perforation der Venasubclavia superior durch den Katheterselbst [9]. Daher sollten Patienten mitder Notwendigkeit einer Dauerinfusionmit nekroseinduzierenden Substanzeneher einen Hickman- oder Broviac- Katheter erhalten.

Nach der Infusion gewebsnekrotisieren-der Substanzen ist die Spülung mit einerzum Chemotherapeutikum kompatiblenTrägerlösung wichtig, um verbliebeneZytostatikareste im Kathetersystem zuentfernen [10].

Patientenaufklärung Die Aufklärung des Patienten über diegeplante Chemotherapie, den Ablaufund mögliche Komplikationen ist einbedeutender Faktor in der Risikomini-mierung eines Paravasates.Zum einen ist aus forensischer Sicht so-wohl mündlich als auch schriftlich eineAufklärung notwendig, zum anderensetzt eine gute Mitarbeit des Patienteneine genaue Information über mögliche„Warnsignale“ voraus. Im klinischen All-tag bewährt haben sich standardisiertePatientenaufklärungsbögen (z. B. vomPerimed Compliance Verlag), die nebender Aufklärung über das verabreichte Zytostatikum auch über das Risiko derParavasation informieren. Da die Aufklärung üblicherweise Tage vor derersten Zytostatika-Applikation erfolgt,empfiehlt es sich, den Patienten unmit-telbar vor der Applikation an diese Vorsichtsmaßnahmen zu erinnern.

Therapie von Paravasaten Die Therapieempfehlungen basierenüberwiegend nicht auf Daten randomi-sierter Studien, da diese aus ethischenGründen bei Patienten mit Paravasatennur schwer zu realisieren sind. BisherigeErkenntnisse beruhen zumeist auf klei-neren unkontrollierten Studien und denErgebnissen tierexperimenteller Unter-suchungen. Der Mangel an Daten ausklinisch kontrollierten Studien ist auchein Grund dafür, dass bis heute inDeutschland keine offiziellen Leitliniender entsprechenden Fachgesellschaftenzum Management von Paravasaten vorliegen. Abbildung 1 zeigt eine sche-matische Darstellung des Vorgehens beiParavasation nach Chemotherapie.

ErstmaßnahmenDie Anwendung von Zytostatika setztvoraus, dass Ärzte und Pflegekräfte überdie Gefahren eines Paravasates, die Sym-ptome und die sachgerechte Behandlunginformiert sind. Ein Paravasat-Notfall-Set (Tabelle 3) zur Versorgung von Para-vasaten und entsprechende Dokumenta-tionsbögen [11] müssen einsatzbereitund gut zugänglich bereit liegen. Das

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Vorgehens bei Paravasation nach Chemotherapie.

Tabelle 3: Empfehlungen für ein Paravasate-Notfall-Set [13].

Sterile Mullkompressen 10 � 10 cm

Einmalspritzen + Kanülen 1, 2, 5 ml

Fixierpflaster

Sterile Handschuhe, Zytostatikahandschuhe

Cold-Hot-Pack

Hyaluronidase (10 Ampullen)

NaCl 0,9 % (10 Ampullen)

DMSO-Lösung 99 % (2 � 100 ml)

Dexrazoxan

Antidotliste

Klinischer Verlaufsbogen

Listen: Allgemeine Maßnahmen, Wirkstoffe und Schädigungspotenzial

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Pflegepersonal sollte wegen des engenKontaktes zum Patienten besonders aufdie Wahrnehmung eines beginnendenParavasates geschult werden. Gibt derPatient während der Infusion Schmerzenoder andere Missempfindungen an,muss diese sofort unterbrochen werden.Differenzialdiagnostisch ist zu diesemZeitpunkt an eine lokale Hypersensibi-litätsstörung zu denken, die durch eineUnverträglichkeit gegenüber der Träger-substanz des Zytostatikums hervorgeru-fen wird [4]. Charakteristischerweisekommt es zu einem unmittelbar auftre-tenden Schmerz im Bereich der Infusionmit anschließender Schwellung,Erythem und der Entwicklung einer Ur-tikaria. Diese Zeichen sind zumeist imVerlauf von Stunden rückläufig. Amhäufigsten sind diese Reaktionen bei derVerwendung von Bleomycin, Cisplatin,Paclitaxel und Anthrazyklinen [12]. Dadiese Reaktion nach Reexposition derSubstanz nicht zwingend wiederauftre-ten muss, ist eine Fortführung der Che-motherapie zu einem späteren Zeitpunktgrundsätzlich möglich.Nach einer Paravasation sollte ohnegleichzeitige Ausübung von Druck miteiner 5-ml-Spritze soviel wie möglichvom Paravasat aus dem Gewebe über dienoch belassene Venenverweilkanüle aspi-riert werden. Nach Abschluss der sub-stanzspezifischen Maßnahmen ist eineRuhigstellung und Hochlagerung derExtremität sinnvoll [13]. Einer Erstdo-kumentation [11] sollte im Verlauf eineAbschlussdokumentation folgen. Photo-graphische Dokumentationen könnenaus forensischen Gründen sinnvoll sein.Es wird in der Literatur kontrovers dis-kutiert, ob der Venenzugang nachDurchführung der Erstmaßnahmen ent-fernt oder belassen werden sollte. Einer-seits wird die Spülung über den noch lie-genden Katheter mit Natriumchlorid(NaCl) 0,9 % propagiert, um eine Ver-dünnung des ausgetretenen Zytostati-kums zu erreichen [14]. Auch die Appli-kation des geeigneten Antidotes könnteauf diesem Weg direkt und atraumatischerfolgen. Dem entgegen steht die Über-legung, dass durch diese Spülung nochim Katheter befindliches Zytostatikumin das Gewebe eingebracht wird [15]. Al-ternativ wurden perkutane NaCl-Injek-tionen in das Paravasatgebiet empfohlen.Diese Maßnahme könnte wiederum dieDiffusion gewebsnekrotisierender Stoffein die Umgebung noch verstärken [16].

Die Arbeitsgruppe um Giunta berichteteaktuell in einer Fallserie von der Anwen-dung einer frühzeitigen subkutanen Spü-lung des betroffenen Hautareals mit0,9%iger NaCl-Lösung nach Vincaalka-loid- bzw. Anthrazyklin-Paravasation,die bei allen acht Patienten im Verlaufdie Entstehung einer Nekrose verhin-dern konnte [17].

Applikation von Wärme oder KälteDie Anwendung trockener Kälte be-wirkt eine örtliche Vasokonstriktion, dieeinerseits zu einer verminderten Aus-breitung der Paravasatsubstanz führt,andererseits aber auch ein längeres Ver-weilen der toxischen Substanz im Ge-webe zur Folge hat [18]. In-vitro-Expe-rimente konnten durch die Anwendungvon Kälte sowohl eine verringerte Auf-nahme von Doxorubicin in die Zellenals auch einen unmittelbar verminder-ten zytotoxischen Effekt von Cisplatinund Bleomycin zeigen [19, 10]. ImMausmodell verringerte die topischeKühlung der Haut von 38 °C auf 17 °Csignifikant die Entstehung einer Ulzera-tion nach Applikation von Doxorubicin[18]. Im Schweinemodell, das am ehes -ten auf den Menschen zu übertragen ist, zeigte der Einsatz trockener Kälteebenfalls einen positiven Effekt auf dasRisiko einer Paravasatentstehung nachDoxorubicin. Klinische Studien konn-ten zeigen, dass bei alleiniger Anwen-dung von trockener Kälte 26 % der Pa-tienten nach Anthrazyklin-Paravasationeine Ulzeration entwickeln. Bei einerkombinierten Therapie mit trockenerKälte und, je nach Studie, mit kortiko-idhaltigen Externa oder Dimethylsul-foxid entwickelten im Verlauf nur 3 %der Patienten eine Ulzeration [20–22].Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dasseine alleinige Therapie mit trockenerKälte nicht als ausreichend zu betrach-ten ist. Hinsichtlich der Dauer der Käl-teapplikation finden sich in der Litera-tur unterschiedliche Empfehlungen.Eine prospektive randomisierte Studieder Eastern Cooperative OncologyGroup (ECOG), die eine Kühlung über24 Stunden mit einer längerfristigenAnwendung über die nachfolgendendrei Tage verglich, konnte keinen Unter-schied hinsichtlich des Therapieerfolgsfür die beiden Behandlungsgruppen zei-gen [21]. Der Einsatz von trockenerKälte in Kombination mit Dimethylsul-foxid konnte bei einer Paravasation von

Cisplatin das Risiko einer Ulzerationsignifikant verringern [22, 23].Die Kälteapplikation sollte immerzunächst für 24 Stunden erfolgen, in denTagen danach mehrmals täglich für je-weils 15 Minuten [13].Trockene Wärme führt zu einer verstärk-ten Durchblutung mit der Folge einerZunahme des Abtransportes der toxi-schen Substanz aus dem Paravasatgebiet[18]. Es wird ein synergistischer Effektmit Hyaluronidase bei Paravasation vonVincaalkaloiden diskutiert [24]. Bisherliegen nur wenige Daten zum Nutzenvon trockener Wärme bei einer Paravasa-tion von Vincaalkaloiden vor. Aufgrundder guten Verträglichkeit ist eine Anwen-dung jedoch auch zum jetzigen Zeit-punkt zu vertreten. Die Wärmeapplikationsollte hier mittels Gel-Pack viermal täglich über 20 Minuten erfolgen [13].Die Anwendung von trockener Wärmezeigt jedoch bei anderen Substanzen wieDoxorubicin (Maus-Experimente), Cis-platin und Bleomycin (In-vitro-Untersu-chungen) eine Zunahme der Restakti-vität, so dass hier der klinische Einsatzmöglicherweise zu einer Verschlechte-rung der Paravasatsituation führenkönnte und deshalb zum gegenwärtigenZeitpunkt nicht empfohlen werden kann[18, 25].

Dimethylsulfoxid (DMSO)DMSO wirkt vasodilatatorisch und anti-inflammatorisch. Durch seine Eigen-schaft als Lösungsvermittler kommt es zueiner verbesserten systemischen Vertei-lung des Paravasates. Als Radikalfängerist DMSO besonders für die Therapieder Anthrazyklin-Paravasate geeignet.DMSO bewirkte, ebenso wie trockeneKälte, in vitro eine verringerte Zytotoxi-zität von Cisplatin [26]. Die gemein-same Anwendung mit trockener Kältekonnte im Fall einer Anthrazyklin-Para-vasation einen positiven Effekt auf dasRisiko einer Nekroseentstehung zeigen[22]. Unmittelbar nach Entstehung desParavasates sollte eine 99%ige DMSO-Lösung über einen Zeitraum von einerWoche alle 8 Stunden (4 Tropfen der Lö-sung pro 10 cm2 betroffener Hautober-fläche) steril aufgetragen werden. DieseBehandlung ist gut verträglich, mit nurgelegentlicher auftretender Rötung undBrennen im Gebiet der Anwendung.Auffallend während der Therapie ist einknoblauchartiger Mundgeruch der be-handelten Patienten [22].

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Abbildung 2: Zehn Tage altes Paravasat nach Chemotherapie mit Doxorubicin im Bereich der rechtenExtremität eines 69-jährigen Mannes.

Dexrazoxan (Savene®)Dexrazoxan ist ein katalytischer Topoiso-merase-II-Inhibitor, der bisher zur Ver-ringerung der Kardiotoxizität bei Patien-ten mit Doxorubicin-Chemotherapieeingesetzt wurde [27]. Dexrazoxan ver-hindert in seiner Eigenschaft als Chelat-bildner die Entstehung freier Radikaleaus dem Anthrazyklin-Eisen-Komplex.In Analogie zu dem beobachteten kar-dioprotektiven Effekt untersuchte dieArbeitsgruppe um Langer den Nutzeneiner Dexrazoxan-Applikation nach Pa-ravasation von Doxorubicin bei Mäusen.Im Jahr 2000 konnte hier in einer erstenStudie gezeigt werden, dass durch diesys temische Verabreichung von Dexrazo-xan nach Doxorubicin-Paravasaten so-wohl eine Reduktion der aufgetretenenUlzerationen als auch eine Verkürzungder Dauer der Abheilung erreicht werden[28]. In einer späteren Untersuchung anMäusen zeigte sich, dass Dexrazoxan dieEntstehung einer Nekrose nach Dau -norubicin-Paravasat in allen Fällen ver-hindern konnte. Hingegen konnte dertopische Einsatz von DMSO ebenso wiedie intraläsionale Anwendung von Hy-drocortison keinen positiven Effekt aufden Paravasatverlauf zeigen [29]. Diegleichzeitige Applikation von Dexrazo-xan und DMSO führte darüber hinauszu einer Abschwächung des protektivenEffektes einer Dexrazoxan-Monothera-pie. Die Ergebnisse zweier prospektiverrandomisierter Multicenterstudien erga-ben, dass die dreimalige intravenöse Ver-abreichung von Dexrazoxan nach Para-vasation eines Anthrazyklin-Präparatesan drei konsekutiven Tagen zu einer ver-minderten Häufigkeit von Ulzerationenführt. Auf der Basis der gegenwärtigenLiteratur ist bei 25–50 % der Paravasateim Verlauf mit einer Ulzeration und dendamit verbundenen Folgekomplikatio-nen zu rechnen. Die Behandlung mitDexrazoxan hingegen konnte bei 53 voninsgesamt 54 Patienten eine Ulzerationverhindern (Ulzerationsrate 1,8 %) [30].Dem entgegen stehen die relativ hohenKosten von mehr als 10 000 Euro proPatient. Dexrazoxan wurde 2006 in Eu-ropa unter dem Handelsnamen Savene®

zur Therapie anthrazyklinbedingter Paravasate zugelassen. Die Fachinforma-tion empfiehlt an Tag 1 und 2 dieGabe von 1000 mg/m2 i.v. gefolgt von500 mg/m2 i.v. am dritten Tag verab-reicht über 1–2 Stunden über eine Veneaußerhalb des Paravasatgebietes.

HyaluronidaseHyaluronidase bewirkt durch den enzy-matischen Abbau der Kittsubstanz desGewebes, der Hyaluronsäure, einen ver-stärkten Abtransport des Paravasates imbetroffenen Gewebe [31]. Es wird einsynergistischer Effekt in der gemeinsa-men Anwendung mit trockener Wärmeangenommen. Bei einer Paravasationvon Paclitaxel sollte das betroffeneHautareal größenadaptiert mit bis zu1500 IE Hyaluronidase unterspritzt wer-den (Abbildung 2). Die zusätzliche Ap-plikation von trockener Wärme ist beieinem Paravasat von Vindesin zu emp-fehlen. Umfangreiche klinische und tier-experimentelle Daten, die den Nutzendieser Kombinationstherapie belegenkönnten, stehen noch aus.

Natriumbikarbonat (Natriumhydrogen-karbonat, NaHCO3)Natriumbikarbonat erwies sich bei Rat-ten als ein wirksames Antidot bei Do-xorubicin-Paravasaten [32]. Diese Ergeb-nisse konnten jedoch an Schweinen nichtreproduziert werden [33]. Da Schweine -haut strukturell am ehesten der menschli-chen Haut entspricht, kann der Einsatzvon Natriumbikarbonat im klinischenAlltag aufgrund der bisherigen Datenlagenicht sicher empfohlen werden. TrotzEmpfehlungen in der Literatur [34] istdie Verwendung von Natriumbikarbonatals Antidot wegen bekannter schwerer

Gewebeschädigungen nach subkutanerApplikation problematisch zu sehen [22].

Natriumthiosulfat Natriumthiosulfat hemmt in seiner Ei-genschaft als Radikalenfänger in vitro diezytotoxische Wirkung von Cisplatin[35]. Abgesehen von vereinzelten Fallbe-richten über die erfolgreiche Anwen-dung von Natriumthiosulfat nach Para-vasation von Anthrazyklinen undVincaalkaloiden liegen keine Daten überdie systematische Verwendung von Na-triumthiosulfat vor [35].

GlukokortikosteroideDie topische oder intrakutane Anwen-dung von Kortikosteroid-Präparaten basierte auf der Annahme, dass vor allemeine akute Entzündungsreaktion der dominierende Pathomechanismus sei.Histologische Untersuchungen wiesen je-doch nach, dass die Entzündungsreaktionfür eine mögliche Gewebsnekrose nichtden entscheidenden Faktor darstellt. ImVordergrund stehen vielmehr Gefäßver-schlüsse und die Nekrobiose von Kollagen[36, 37], so dass für die Injektion vonKortikosteroid-Präparaten derzeit keineIndikation mehr zu sehen ist.

Operative MaßnahmenChirurgische Interventionen werden beirechtzeitiger Feststellung des Paravasatesund einer substanzangepassten Behandlung

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nur in wenigen Fällen notwendig [35].Generell ist bei einer Paravasation einesnekrotisierenden Chemotherapeutikumsinnerhalb von 72 Stunden die Konsulta-tion eines Chirurgen ratsam [13]. Eine so-fortige Vorstellung bei einem Chirurgensollte dann erfolgen, wenn es zu Ulzeratio-nen, einem Kompartmentsyndrom durchein sehr ausgedehntes Paravasat oder zutherapierefraktären Schmerzen über 48Stunden kommt [15, 38]. Die chirurgische Therapie erfolgt zu-meist in einem zweizeitigen Verfahren.Das Débridement erfolgt großzügig imGesunden, da nicht selten die Größe desbetroffenen Areals unterschätzt wird[15]. Nach einer Paravasation mit Do-xorubicin kann unter der Wood-Licht-Lampe das Doxorubicin-kontaminierteGewebe dargestellt wird, um so dieGrenzen der erforderlichen Resektionfestzulegen [39]. In Kombination mit ei-ner anschließenden intravenösen Appli-kation von Fluorescin (10 mg/kg) ge-lingt die Abgrenzung zum vitalenGewebe, das anders als nekrotisches Ge-webe grün fluoresziert [40]. Die konser-vative Nachbehandlung erfolgt im Allge-meinen mit sterilen Feuchtverbändenund Wundgaze, aber auch durch moder-nere Wundtherapieverfahren mit Hydro-kolloid- und Alginat-Produkten sowieVakuumpumpen. Ausgedehnte Nekro-sen zeigen im Verlauf in der Regel keineflächige Reepithelialisierung. Die vomWundrand ausgehende Abheilung erfolgt

mit einer Geschwindigkeit von 1–2 mmpro Woche [6].

Relevante Zytostatika in derDermatologieBleomycinDie Literatur bietet keine Berichte übereine klinisch dokumentierte Nekrosenach Paravasation. Bleomycin kann auchintramuskulär und subkutan verabreichtwerden kann, so dass nicht von einemgewebereizenden Potenzial auszugehenist. Unabhängig von einer Paravasationentwickeln 20–25 % der Patienten nachder Applikation von Bleomycin eine Hy-persensibilitätsreaktion, die auch ohnespezifische Maßnahme nach einigenStunden rückläufig ist [41].

CarboplatinIn der Literatur sind bisher keine Schä-den im Zusammenhang mit einer Para-vasation beschrieben worden, so dassCarboplatin als nicht gewebeschädigendeingestuft wird. Erytheme, Gefäßwand-reizungen und damit verbundeneSchmerzen sind unabhängig von einerParavasation beschrieben worden [13],so dass über die allgemeinen Maßnah-men hinaus keine spezifischen Therapie-empfehlungen existieren.

CisplatinCisplatin ist abhängig von der verwende-ten Konzentration als gewebsreizend (< 0,4 mg/ml) oder gewebsnekrotisierend

(> 0,4 mg/ml) einzustufen. In der Litera-tur finden sich Berichte über die Wirk-samkeit der kombinierten Therapie mitDMSO und Kälte [22, 23].

DacarbazinDacarbazin ist zwar als gewebsreizendeinzustufen, in der Literatur wird jedochkein Fall einer Gewebeschädigung nachParavasation berichtet. Gut bekannt isteine erhöhte Photosensibilität bei Son-nenexposition durch den vermehrtenAnfall von Abbauprodukten des Dacar-bazins [18]. Eine spezifische Therapiekann mangels nachgewiesener Wirksam-keit nicht empfohlen werden [13].

DoxorubicinIn der Literatur ist Doxorubicin als ge-websnekrotisierend beschrieben worden(Abbildung 2, 3). Ulzerationen tretennicht selten mit zeitlicher Latenz auf, sodass eine engmaschige Kontrolle in denTagen nach einer Paravasation sinnvollist [10]. Die Re-Exposition mit Doxoru-bicin kann eine Intensivierung der be-reits bestehenden Gewebsnekrose verur-sachen (Recall-Phänomen) [4]. DieTherapie mit Dimethylsulfoxid undKälte im Fall einer Doxorubicin-Parava-sation verringerte signifikant das Risikoeiner Gewebsnekrose [22]. Seit 2006 be-findet sich Dexrazoxan (Savene®) als einfür diese Indikation zugelassenes Präpa-rat auf dem Markt, für das im Gegensatzzu DMSO im Rahmen einer prospekti-ven randomisierten Studie ein nachge-wiesener Nutzen gezeigt werden konnte.Der Einsatz von Kortikoiden, Hyaluro-nidase, Natriumbikarbonat, Natrium -thiosulfat, Isoproterenol und anderenSubstanzen kann wegen unzureichenderDaten nicht empfohlen werden.

Liposomal verkapseltes Doxorubicin Obwohl kein Bericht über eine Nekrosenach Paravasation in der Literatur vor-liegt, wird liposomal verkapseltes Do-xorubicin gemeinhin als gewebsnekroti-sierend bezeichnet. Mögliche Verläufebeinhalten ein leichtes Erythem, eineSchwellung, jedoch keine Schmerzen[13]. Auch im Tiermodell verursachte li-posomales Doxorubicin keine Nekrose.Die Formulierung in einem Liposomen-komplex ist aller Wahrscheinlichkeit nachder Grund für die ausbleibende Schädi-gung des umliegenden Gewebes [42]. Auch die positive Wirkung von trocke-ner Kälte ist belegt. Anders als beim

Abbildung 3: Zwei Wochen altes Paravasat nach Chemotherapie mit Doxorubicin im Bereich des lin-ken Unterarmes eines 56-jährigen Mannes.

Paravasate in der Dermatoonkologie Übersichtsarbeit 27

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konventionellen Doxorubicin sollteDMSO bei der liposomal verkapseltenFormulierung nicht zur Anwendungkommen. DMSO kann durch seine Ei-genschaft als Lösungsvermittler die Frei-setzung des Doxorubicins aus seinem Li-posomenkomplex mit der Folge einerprotrahierten Gewebsschädigung bewir-ken [24, 43].

FotemustinIn der Literatur existieren keine klini-schen Berichte über Gewebeschäden nachParavasation von Fotemustin. Unspezifi-sche Reaktionen wie eine Phlebitis im Be-reich der Einstichstelle sind vielmehr aufden Hilfsstoff Ethanol in der Fotemustin-Formulierung zurückzuführen [44]. EineInfusionsdauer unter einer Stunde führtebenfalls über den Mechanismus einer In-timareizung zu phlebitischen Beschwer-den. Spezifische Therapieempfehlungenexistieren nicht [13].

MethotrexatIn der Literatur wird Methotrexat als ge-websreizend bzw. als nekrotisierend ein-gestuft. Im Tiermodell konnte hingegenkeine Nekrose ausgelöste werden [45].Da Methotrexat auch intramuskulärkomplikationslos verabreicht wird, istdie Substanz als nicht gewebeschädigendzu betrachten.

PaclitaxelPaclitaxel ist aufgrund mehrerer Berichtein der Literatur als nekrotisierendeinzustufen. Paclitaxel verbleibt aufgrundseiner chemischen Eigenschaften langeim Gewebe, so dass es mit Verzögerungzu einer ausgeprägten Nekrose kommenkann [46]. Die enthaltenen HilfsstoffeCremophor®EL und Ethanol könnenunabhängig von einer Paravasation zuPhlebitiden und Überempfindlichkeits-reaktionen führen [47]. Auch Paclitaxelkann bei Re-Exposition im Sinne einesRecall-Phänomens zu einer Verschlech-terung einer bereits bestehenden Nekrose führen [48]. Bisherige Untersu-chungen konnten nur für die Hyaluro-nidase einen therapeutischen Nutzen imSinne der Verhinderung einer Nekrosezeigen [49]. Der Einsatz von Wärmeoder Kälte beeinflusste den weiteren Ver-lauf nicht [50].

VindesinVindesin gilt in der Literatur als gewebs-nekrotisierend. Auch bei Vindesin ist

bekannt, dass unabhängig von einer Pa-ravasation Beschwerden im Sinne einerPhlebitis oder auch Zellulitis auftretenkönnen [51]. Klinische Berichte belegenfür die Substanzen Vincristin, Vinblastinund Vinorelbin, dass durch subkutaneApplikation von Hyaluronidase das Ne-kroserisiko gesenkt werden kann [30].Für Vindesin konnte dieser Effekt bishernur im Tiermodell gezeigt werden [18].Die zusätzliche Applikation von Korti-kosteroiden und Kälte scheint die ge-webstoxische Wirkung von Paclitaxel of-fenbar noch zu verstärken [42]. Für denEinsatz von Wärme gibt es tierexperi-mentell weder positive noch negativeDaten [18]. Da jedoch der Einsatz vonWärme ebenso wie der von Hyaluro-nidase einen verbesserten Abtransportdes Zytostatikums bewirkt, erscheint diesimultane Verwendung sinnvoll [13].

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InteressenkonfliktKeiner.

KorrespondenzanschriftDr. med. Katharina C. KählerKlinik für Dermatologie und VenerologieUniversitätsklinikum Schleswig-Hol-stein, Campus KielSchittenhelmstraße 7D-24105 KielTel.: +49-431-5971-512Fax: +49-431-5971-853E-Mail: [email protected]

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