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Medienmitteilung Alexander Calder & Fischli/Weiss 29. Mai – 4. September 2016 Die Fondation Beyeler präsentiert vom 29. Mai bis 4. September 2016 eine umfassende Ausstellung zum amerikanischen Künstler Alexander Calder und den Schweizer Künstlern Peter Fischli und David Weiss, die als Partner unter dem Namen Fischli/Weiss agierten. Nach der erfolgreichen Präsentation der „Calder Gallery I-III“ (2012-2015) in der Fondation Beyeler und der Zusammenarbeit mit der Calder Foundation eröffnet die Ausstellung „Alexander Calder & Fischli/Weiss“ einen neuen und besonderen Zugang zu Calders Schaffen. Im Zentrum der bahnbrechenden Ausstellung steht das Moment des fragilen Gleichgewichts, eines prekären und gleichzeitig glücksverheissenden, immer nur temporären Zustands. In exemplarischer Weise hatten Alexander Calder (seit Anfang des 20. Jahrhunderts) und Peter Fischli und David Weiss (seit Ende) Formulierungen dieses Moments gefunden. Diese könnten auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein, erweisen sich aber bei genauerer Betrachtung als zwei Seiten einer Münze, als Ergebnis unterschiedlicher Perspektiven, die in verschiedenen Zeiten auf das gleiche Thema gerichtet wurden. Ausgewählte Werkgruppen Calders gehen in der Ausstellung einen offenen und raumübergreifenden Dialog mit einzelnen Werken von Peter Fischli und David Weiss ein. Die Schwerpunkte, entlang denen sich die Präsentation entfaltet, folgen entscheidenden historischen Momenten in Calders Schaffen. Sie erstrecken sich von Cirque Calder aus den 1920er Jahren über den Schritt zur Abstraktion und die Erfindung des Mobile Anfang der 1930er Jahre, bis hin zum souveränen und fulminanten Spiel mit den formalen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben haben. Als Kontrapunkte treten die Werke von Peter Fischli und David Weiss auf und verleihen der Ausstellung ihren besonderen Charakter. In der unerwarteten Verbindung erhalten die Momente des Tüftelns, des Beobachtens und Experimentierens ein eigenständiges Gewicht, die Wechselbeziehung von Schwerkraft und Schwerelosigkeit wird dadurch als ungemein lebendiger Prozess in einer neuen Perspektive erfahrbar. Leichtigkeit und Schwere, das Ausloten der Grenzen des Spiels, Scheitern und Zufall als künstlerische Praxis, das Pendeln entlang der feinen Linie zwischen Humor und Poesie, der Seiltänzer als Prototyp für eine existentielle Realität – es gibt viele Berührungspunkte, die die Werke von Alexander Calder und Fischli/Weiss gemeinsam und dennoch eigenständig wirken lassen. Nur einmal wird es in den Räumen des Museums zu einer direkten Begegnung der Arbeiten von Fischli/Weiss und Calder kommen, einer Begegnung, die am Beginn der Ausstellung und ihrer Erzählung steht. Calder (1898-1976) ist der Meister des fragilen Gleichgewichts in der Kunst der Moderne. Mit der wegweisenden Schöpfung des Mobiles hat er die sich stetig verschiebende Balance zwischen Schwerkraft und Schwerelosigkeit anschaulich werden lassen. Sein gesamtes Werk ist der Suche nach Balance gewidmet. Die Faszination seines Werkes liegt in der Gleichzeitigkeit von jedes Mal neu angestrebter und meist erreichter faktischer Balance und ihrer in vielfältigen Formen realisierten Visualisierung. Peter Fischli (geb. 1952) und David Weiss (1946-2012) haben dem Thema der labilen Balance in ihrem gemeinsamen Schaffen ab 1979 eine ikonische Form ganz anderer Art gegeben. Mit der gleichen lustvollen Unermüdlichkeit entwickelten sie – in Filmen und Skulpturen, mit Sprache, Fotografie und Malerei – ein unwiderstehliches Wechselspiel von Balance, Klarheit und Übersicht, in dem allerdings

Alexander Calder & Fischli/Weiss · Medienmitteilung Alexander Calder & Fischli/Weiss 29. Mai – 4. September 2016 Gleich am Anfang der Ausstellung trifft man auf Ratte und Bär,

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Medienmitteilung

Alexander Calder & Fischli/Weiss 29. Mai – 4. September 2016 Die Fondation Beyeler präsentiert vom 29. Mai bis 4. September 2016 eine umfassende Ausstellung zum amerikanischen Künstler Alexander Calder und den Schweizer Künstlern Peter Fischli und David Weiss, die als Partner unter dem Namen Fischli/Weiss agierten. Nach der erfolgreichen Präsentation der „Calder Gallery I-III“ (2012-2015) in der Fondation Beyeler und der Zusammenarbeit mit der Calder Foundation eröffnet die Ausstellung „Alexander Calder & Fischli/Weiss“ einen neuen und besonderen Zugang zu Calders Schaffen. Im Zentrum der bahnbrechenden Ausstellung steht das Moment des fragilen Gleichgewichts, eines prekären und gleichzeitig glücksverheissenden, immer nur temporären Zustands. In exemplarischer Weise hatten Alexander Calder (seit Anfang des 20. Jahrhunderts) und Peter Fischli und David Weiss (seit Ende) Formulierungen dieses Moments gefunden. Diese könnten auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein, erweisen sich aber bei genauerer Betrachtung als zwei Seiten einer Münze, als Ergebnis unterschiedlicher Perspektiven, die in verschiedenen Zeiten auf das gleiche Thema gerichtet wurden. Ausgewählte Werkgruppen Calders gehen in der Ausstellung einen offenen und raumübergreifenden Dialog mit einzelnen Werken von Peter Fischli und David Weiss ein. Die Schwerpunkte, entlang denen sich die Präsentation entfaltet, folgen entscheidenden historischen Momenten in Calders Schaffen. Sie erstrecken sich von Cirque Calder aus den 1920er Jahren über den Schritt zur Abstraktion und die Erfindung des Mobile Anfang der 1930er Jahre, bis hin zum souveränen und fulminanten Spiel mit den formalen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben haben. Als Kontrapunkte treten die Werke von Peter Fischli und David Weiss auf und verleihen der Ausstellung ihren besonderen Charakter. In der unerwarteten Verbindung erhalten die Momente des Tüftelns, des Beobachtens und Experimentierens ein eigenständiges Gewicht, die Wechselbeziehung von Schwerkraft und Schwerelosigkeit wird dadurch als ungemein lebendiger Prozess in einer neuen Perspektive erfahrbar. Leichtigkeit und Schwere, das Ausloten der Grenzen des Spiels, Scheitern und Zufall als künstlerische Praxis, das Pendeln entlang der feinen Linie zwischen Humor und Poesie, der Seiltänzer als Prototyp für eine existentielle Realität – es gibt viele Berührungspunkte, die die Werke von Alexander Calder und Fischli/Weiss gemeinsam und dennoch eigenständig wirken lassen. Nur einmal wird es in den Räumen des Museums zu einer direkten Begegnung der Arbeiten von Fischli/Weiss und Calder kommen, einer Begegnung, die am Beginn der Ausstellung und ihrer Erzählung steht. Calder (1898-1976) ist der Meister des fragilen Gleichgewichts in der Kunst der Moderne. Mit der wegweisenden Schöpfung des Mobiles hat er die sich stetig verschiebende Balance zwischen Schwerkraft und Schwerelosigkeit anschaulich werden lassen. Sein gesamtes Werk ist der Suche nach Balance gewidmet. Die Faszination seines Werkes liegt in der Gleichzeitigkeit von jedes Mal neu angestrebter und meist erreichter faktischer Balance und ihrer in vielfältigen Formen realisierten Visualisierung. Peter Fischli (geb. 1952) und David Weiss (1946-2012) haben dem Thema der labilen Balance in ihrem gemeinsamen Schaffen ab 1979 eine ikonische Form ganz anderer Art gegeben. Mit der gleichen lustvollen Unermüdlichkeit entwickelten sie – in Filmen und Skulpturen, mit Sprache, Fotografie und Malerei – ein unwiderstehliches Wechselspiel von Balance, Klarheit und Übersicht, in dem allerdings

Unwägbarkeiten und Stolpersteine gegenüber der Eleganz und dem Selbstverständnis der grossen Geste der Moderne – wie sie das Mobile verkörpert – oft die Oberhand gewinnen. Die Ausstellung ist von Theodora Vischer kuratiert, Senior Curator an der Fondation Beyeler, und entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Calder Foundation in New York und dem Künstler Peter Fischli. Die Ausstellung „Alexander Calder & Fischli/Weiss“ wird unterstützt von: Beyeler-Stiftung Hansjörg Wyss, Wyss Foundation Art Mentor Foundation Lucerne Ernst Göhner Stiftung L. + Th. La Roche Stiftung Simone und Peter Forcart-Staehelin Swisslos-Fonds Basel-Landschaft Terra Foundation for American Art The Broad Art Foundation Walter A. Bechtler Stiftung Walter Haefner Stiftung Pressebilder: sind erhältlich unter http://pressimages.fondationbeyeler.ch Weitere Auskünfte: Elena DelCarlo, M.A. Head of Communications Tel. + 41 (0)61 645 97 21, [email protected], www.fondationbeyeler.ch Fondation Beyeler, Beyeler Museum AG, Baselstrasse 77, CH-4125 Riehen Öffnungszeiten der Fondation Beyeler: täglich 10.00–18.00 Uhr, mittwochs bis 20.00 Uhr

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Alexander Calder & Fischli/Weiss 29. Mai – 4. September 2016 Gleich am Anfang der Ausstellung trifft man auf Ratte und Bär, zwei kindgrosse Kostümfiguren eines schwarz-weissen Pandabären und einer Ratte. Sie wirken entspannt und schläfrig, vielleicht träumen sie. Über Bär und Ratte schwebt ein Mobile an einem dünnen Drahtseil von der Decke, eine Komposition von Gleichgewichten, deren jeweilige Endpunkte kreisrunde weisse Metallplättchen in der Schwebe halten. Wer Gelegenheit hat, ein Mobile von Calder in voller Entfaltung zu erleben, wird unweigerlich angezogen vom Spiel der Bewegungen, vom reibungslosen Ineinander der einzelnen Teile, von der Schönheit, Ruhe und Absichtslosigkeit, die solche Werke ausstrahlen. Und es erstaunt nicht, dass in der Rezeption von Calders Werk das Spielerische, die Leichtigkeit und Eleganz seines Schaffens im Vordergrund stehen. Was aber macht die Faszination aus, die sich bei jedem Betrachten aufs Neue einstellt? Der Grund für die besondere Ausstrahlung ist das schwebende Gleichgewicht der einzelnen Teile, das durch die Überwindung der Schwerkraft, durch den Ausgleich von Schwerkraft und Schwerelosigkeit erreicht wird. Untrennbar mit dem Moment der Balance verbunden ist jedoch auch die Idee des Temporären, des Experimentierens, des Gelingens und des Scheiterns. Ist es das, was unsere Faszination ausmacht – und ist es das, worum es Calder auch ging? Wendet man sich mit solchen Fragen seinen Werken zu, so zeigt sich, dass Calders gesamtes Schaffen eben diesem Prozess gewidmet ist, der Überlistung der Schwerkraft und dem Erreichen eines Idealzustands der Balance, der jedes Mal, mit jedem Versuch, mit jeder Form und Konstellation neu erprobt und gefunden werden muss – und dass die Lust am Erproben, am Prozess, ebenso gross ist wie die Lust am Gelingen. Das Phänomen der fragilen und prekären Balance ist nicht an einen bestimmten historischen Moment gebunden, ist uns vertraut und nah, zeitlos und zeitgenössisch – das Nicht-Gelingen ebenso wie der nie endende Versuch, es zu überwinden, zu überlisten, um den Moment der Balance wieder zu erreichen, und sei es nur eben für den kurzen, ja utopischen Moment. In den frühen 1980er-Jahren hat es das Künstlerduo Peter Fischli und David Weiss unternommen, Werkzeuge und andere Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs zu umständlichen Konstellationen zusammenzustellen, die sich gegenseitig nur für Momente im Gleichgewicht hielten – zumindest so lange, dass diese heikle Ruhe auf einem Foto festgehalten werden konnte. Daraus entstand die Serie der Equilibres, Schwarz-Weiss und Farbaufnahmen von wundersamen Konfigurationen mit merkwürdigen Titeln. Die Equilibres wurden zu einer Schlüsselserie, aus ihr entstand die Idee für einen Film, in dem das Kollabieren einer Konstruktion als Antrieb zur nächsten genutzt wird, und deren Kollabieren wiederum als Impuls für die nächste unmögliche Konstellation und so weiter. Das Spiel mit dem Gleichgewicht, das ganz auf den Zufall vertraut, wie es im 1987 entstandenen Film Der Lauf der Dinge vorgeführt wird, hat etwas Unwiderstehliches, auch wenn es voraussehbar ist, jedes Mal von Neuem … Man stellt sich den Prozess vor und erlebt dieselbe hilflose Heiterkeit beim Kollabieren, ein wunderbares Gefühl des Sich-gehen-Lassens, welches jenem Gemütszustand vielleicht gar nicht so unähnlich ist, in welchem sich Bär und Ratte unter dem Mobile von Calder liegend befinden müssen.

Mit den beiden exemplarischen Positionen von Calder und Fischli/Weiss, die zu Beginn und zum Ende des letzten Jahrhunderts ihren Anfang genommen haben, sind die Hauptakteure der Ausstellung vorgestellt, in deren Mitte das Moment des fragilen Gleichgewichts steht. Wie aber sieht eine Begegnung zweier derart unterschiedlicher Bild- und Vorstellungswelten aus? Kann daraus ein Dialog entstehen – und welche Art Dialog wäre das? Zufällig oder beliebig kann er nicht sein und ebenso unergiebig wäre die Absicht, eine Gleichsetzung der beiden Positionen zu behaupten. Vielmehr geht es darum, dem Phänomen des Äquilibriums nachzuspüren, herauszufinden, wie innerhalb der beiden exemplarischen Oeuvres damit umgegangen wurde, welche typischen »Bilder« sich jeweils darin finden. Der Plan war also, in beiden Werken signifikante Momente des prekären Gleichgewichts herauszuarbeiten und sie zu zeigen. Alexander Calder Sein Interesse für Konstruktionen, mechanische Phänomene und Bewegungsabläufe manifestierte sich bereits in Calders Kindheit und es wird später der wichtigste Antrieb für sein künstlerisches Schaffen, welches die Skulptur der Moderne so entscheidend geprägt hatte. So muss es eigentlich nicht erstaunen, dass der junge Calder nicht unmittelbar in die Fussstapfen seines Vaters und seines Grossvaters getreten ist und eine Ausbildung als klassischer Bildhauer gewählt hat. Stattdessen absolvierte er ein vierjähriges Maschinenbaustudium am Stevens Institute of Technology in Hoboken, New Jersey. Das Wissen und die Erfahrung in Theorie und Praxis, die sich Calder in dieser Ausbildung aneignen konnte, waren eine wertvolle Grundlage für sein späteres künstlerisches Schaffen, das sich in eine so andere Richtung entwickelte als die klassische Skulptur, mit der Calder aufgewachsen war. Auf der Suche nach künstlerischen »Bildern« im Schaffen von Calder, in denen sich das Moment der fragilen Balance in besonders signifikanter und folgenreicher Weise manifestiert, treten als erstes seine frühen Pariser Jahre ins Blickfeld. Was hier im Cirque Calder und den gleichzeitig entstandenen Drahtfiguren seinen Höhepunkt findet, lässt sich schon in den allerersten, noch disparaten künstlerischen Versuchen in New York erkennen; beispielsweise in den Zeichnungen, die Calder im Rahmen eines bezahlten Gelegenheitsjobs für die National Police Gazette zwischen 1924 und 1926 angefertigt hat, um über Ereignisse aus dem New Yorker Alltagsleben zu berichten. Besonders beliebt – bei den Lesern und ganz offensichtlich auch bei Calder selbst – waren Sportveranstaltungen und andere populäre Ereignisse, zu denen selbstverständlich auch der Zirkus gehörte. Solche Beispiele deuten schon an, dass Calder im Erfassen von Bewegung – und damit der Kräfte, welche die Bewegung verursachen – den Schlüssel zur Darstellung von Wirklichkeit und Leben sah. Er suchte sich Motive und Figuren, die über Bewegung und Aktivität definiert werden, und hatte eine Vorliebe für Orte, an denen diese vorwiegend zu finden sind. Paris, wohin Calder im Sommer 1926 übersiedelte, war reich an solchen Orten. Zirkusvorstellungen, Cabaret und Vaudeville wurden von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen, aber auch von intellektuellen Kreisen begeistert diskutiert. In Paris begann Calder schon bald mit der Erschaffung seines eigenen Zirkus, des Cirque Calder. Zu den Figuren des Cirque Calder gehören Jongleure, Trapezkünstler, Seiltänzer, Akrobaten und ein Dompteur. Das Kunststück oder die Performance dieser Figuren beruht auf ihrer Körperbeherrschung, der Koordination ihrer Bewegungen, die im ausbalancierten und kontrollierten Zusammenspiel der unterschiedlichen Kräfte besteht. Ist es erfolgreich, so gelingt das Kunststück, versagt das Zusammenspiel, so stürzt die Seiltänzerin und überfällt der Löwe den Dompteur. In den Jahren, in denen der Cirque entstand, schuf Calder eine Reihe von Drahtskulpturen, die aber vom Cirque Calder unabhängige und eigenständige Kunstwerke bleiben. Calder analysiert die Körperbewegungen und überträgt das Gesehene in die Konstruktion aus Draht, dessen Dicke und damit Stärke je nach seiner Funktion im Ganzen leicht variieren kann.

Ein neues, stark verändertes Bild vom Moment der fragilen Balance zeigt sich, wenn wir unseren Blick von der Welt des Cirque Calder abwenden und unsere Aufmerksamkeit auf die darauffolgende Schaffensphase richten, die ihren Anfang an einem Oktobernachmittag 1930 mit dem Besuch Calders im Atelier von Piet Mondrian genommen hat. Für Calder war es das erste Mal, dass er über die Frage der Wiedergabe von Bewegung nicht in Verbindung mit Figuren und Motiven nachdachte, die sich in der Realität bewegen. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass es möglich sein könnte, losgelöst von der sichtbaren Wirklichkeit, Bewegung wiederzugeben. Diese Erkenntnis markierte einen Wendepunkt im Schaffen Calders. Jetzt galt es herauszufinden, in welcher Form, mit welchen Mitteln diese Erkenntnis in seinem Werk umzusetzen sei. In den darauffolgenden Monaten und wenigen Jahren entstand in rasanter Folge eine Serie von wichtigen Werken und Werkgruppen, die sich dieser Aufgabe stellten. Schon ein halbes Jahr nach seinem »Mondrian-Erlebnis«, Ende April 1931, konnte er eine erste Serie von abstrakten Konstruktionen in der Galerie Percier in Paris präsentieren. Die Konstruktionen, die in dieser Zeit entstanden sind, gehören einer konzeptuellen Werkphase an, die in ihrer Strenge in Calders Oeuvre ungewöhnlich erscheint, unmittelbar nach dem figürlichen Werk aber Manifestcharakter haben. Dazu passt, dass Calder nun erstmals auch kurze Texte verfasst hat, die als Begründung und Erklärung seiner künstlerischen Haltung verstanden werden können. Von da war der Weg zum Mobile in freier Bewegung, wie Calder es erfunden hat, nicht mehr weit. Die Vielfalt und der Reichtum der Formen, die Calder für seine Werke entwickelt hat, sind stupend. Es ist daher interessant, dass Calder sich intensiv mit der Art der Wirkung seiner Skulpturen und ihrer Wahrnehmung auseinandergesetzt und dass er der Inszenierung seiner Werke, sei es im Atelier oder in Ausstellungen, grosses Gewicht beigemessen hat. In diesen Inszenierungen kommt ein Verständnis von Raum zum Tragen, das mit der Erfindung des frei hängenden Mobiles um 1932 seinen Anfang genommen hatte. Besassen die ersten Konstruktionen überspitzt gesagt noch den Charakter von Anschauungsmodellen, so entfaltet sich im freien Schweben, im Balancieren der Einzelteile eines Mobiles ein performatives Moment, welches Bewegung unauflöslich mit Raum verbindet, von dem auch wir ein Teil sind. Peter Fischli und David Weiss Peter Fischli und David Weiss bewegten sich in den späten 1970er-Jahren in den gleichen Kreisen der Zürcher Punk- und Alternativszene. Näher kennengelernt hatten sie sich aber durch den Künstler Urs Lüthi, mit dem David Weiss befreundet war, und in dessen Studio Peter Fischli damals als Assistent arbeitete. Sie begannen, gelegentlich etwas zusammen zu unternehmen, gestalteten ein Poster oder einen Flyer für eine fiktive Band oder besuchten gemeinsam eine Ausstellung. Die Arbeit aber, welche die Zusammenarbeit von Peter Fischli und David Weiss begründete und ihr die spezifische Prägung gab, war ein Film, Der geringste Widerstand, der mehr durch Zufall, auf jeden Fall aber ohne Plan entstand, als David Weiss 1979 bis 1981 in Los Angeles gelebt hatte und Peter Fischli ihn dort besuchte. In der Verkleidung als Ratte und Pandabär mit Kostümen aus einem Verleih in Hollywood waren die Akteure gefunden, um die herum Fischli/Weiss ihre Geschichte entwickelten. Es war ihnen bewusst, dass sie mit den beiden Tieren an eine literarische und kinematografische Tradition anknüpften, die mit Duos wie Bouvard und Pécuchet oder Laurel und Hardy prominent besetzt war, und deren Erzählung auf der komischen Gegensätzlichkeit der Figuren aufbaut. Auch Bär und Ratte sind solche Gegensätze, die sich – unverkennbar verkleidete Menschen – auf Augenhöhe gegenüberstehen. In dieser eher zufälligen Wahl der Tiere ist die Ausgangslage für einen Dialog geschaffen, in dem Ernst und Witz, Ernsthaftigkeit und Absurdität gleichwertig nebeneinanderstehen und Grosses und Kleines ohne Unterschied zur Sprache kommen können.

Die Idee, die zur Fotoserie Equilibres von 1984–86 führte, entwickelte sich aus dem Plan, das gemeinsame Nachdenken über den Sinn von Arbeit und den Wert von Langeweile in eine Form und in Bilder umzusetzen. Die Balanceakte aus alltäglichen Gebrauchsgegenständen, die zur Hand sind, wenn man in der Küche, im Atelier oder in der Werkstatt sitzt, könnten an eine spielerische Zufallsbeschäftigung erinnern, der man sich an einem stillen Nachmittag zum Zeitvertreib hingibt. Doch beim zweiten Blick auf die Fotos treten die penible Waghalsigkeit der Gleichgewichtskompositionen und die Faszination an der unsinnigen Verbindung von Gegenständen, die ihre jeweils eigene Funktion haben, hier aber allein gemäss ihrer Zweckdienlichkeit als Teile im Balanceakt eingesetzt sind, in den Vordergrund. Stand eine Konstellation, so wurde sie fotografiert, das Werk war damit abgeschlossen und der nächste Versuch konnte beginnen, immer wieder, bis am Schluss Bilder von über hundert irrwitzigen Gleichgewichtskonstellationen zusammengekommen waren. Fischli/Weiss haben für die Serie der Equilibres den wie ein Abzählreim anmutenden Satz »Am schönsten ist das Gleichgewicht kurz bevor’s zusammenbricht« als Motto gesetzt. Als lapidar grotesker Sinnspruch entspricht er dem Charakter dieser Bilder und Konstruktionen, die in ihrer Dinglichkeit zutiefst im Alltag und der eigenen Realität verwurzelt sind. Dies gilt auch für den Film Der Lauf der Dinge, der 1987 entstanden ist. Auslöser des Films ist für Fischli/Weiss die Arbeit an der Fotoserie gewesen. Die mit dem Klick der Kamera eingefrorene Energie von Equilibres wird im Film in Bewegung umgesetzt, Gleichgewicht wird zu einem kurzen Moment innerhalb eines scheinbar endlosen Prozesses von Zusammenbruch und Wiederaufbau des Moments bis zu seinem erneuten Kollaps, der den Antrieb gibt für die nächste unwahrscheinliche Gleichgewichtskonstellation. In eine andere Richtung als die Werkgruppe der Experimente mit den Balanceakten, die in der eigenen kleinen Welt der vertrauten Gegenstände angesiedelt ist, führt der Blick auf eine Werkgruppe, deren rein sprachliche Verfasstheit in frappantem Gegensatz dazu steht. Die künstlerische Praxis von Fischli/Weiss ist ja im Sprachlichen begründet, im Erörtern von Fragen und Themen, im Dialog. Das erste Mal ausdrücklich direkt in einem Werk tauchen Fragen mit dem Auftreten von Ratte und Bär auf, die sich im Film Der geringste Widerstand (1980/81) auf die Suche nach Sinn begeben. Wirklich Werk geworden sind sie aber erst mit Fragenprojektionen, von denen zwischen 2000 und 2003 mehrere Versionen entstanden sind. Fünfzehn Diaprojektoren projizieren handgeschriebene Fragen in weisser Negativschrift auf die Wände eines abgedunkelten Raumes. Sie werden in langsamem Rhythmus ein- und wieder ausgeblendet. Die Fragen führen ein Eigenleben, sie leuchten auf, tanzen als unregelmässige Wellenlinien über die Fläche, bleiben für eine Weile und tauchen wieder ins Dunkel ab. Es ist ein wenig wie in einem Traum, man weiss nicht, woher eine Frage kommt, doch plötzlich ist sie da und man sinnt ihr nach und sie entschwindet wieder. Alle Fragen sind ernst gemeint. So wie Kinderfragen ernst gemeint sind. Es sind grosse und kleine Fragen. Sie sind vertraut und banal und dann unvermutet abgründig und tiefsinnig, oft sehr bildhaft und immer lapidar. Die Fragen fordern keine Antwort, sie erfüllen ihren Sinn im blossen Dastehen. Gegenüber solchen Fragen – und erst recht in einem mit Fragen vollgefüllten Raum stehend – taucht man ab in eine Welt von Möglichkeiten, in der alles zur Disposition steht, und man nicht sicher ist, ob diese Offenheit beglückend oder beängstigend ist. Eine prekäre Balance, die einen schwindlig werden lässt. Der Blick auf Fragenprojektionen und auf die Werke um Equilibres gibt eine Ahnung vom enormen Spektrum des Schaffens von Fischli/Weiss. An den beiden Werkgruppen lässt sich beispielhaft die Wirkungsweise der Gleichgewichtsspiele erleben, die während so vieler Jahre dem Dialog des Künstlerduos entsprungen sind. Mit narrativem Überschwang beschwören Fischli/Weiss mit allen erdenklichen Mitteln eine vertraute und alltägliche Welt herauf, um sie mit kleinen, aber beharrlichen Störmanövern aus der Façon und ins Wanken zu bringen. Die Balance und mit ihr der Gleichmut gehen nicht verloren, so prekär alles auch manchmal erscheinen mag. Aber zur Ruhe kommt man nie.

Die Ausstellung „Alexander Calder & Fischli/Weiss“ wird unterstützt von: Beyeler-Stiftung Hansjörg Wyss, Wyss Foundation Art Mentor Foundation Lucerne Ernst Göhner Stiftung L. + Th. La Roche Stiftung Simone und Peter Forcart-Staehelin Swisslos-Fonds Basel-Landschaft Terra Foundation for American Art The Broad Art Foundation Walter A. Bechtler Stiftung Walter Haefner Stiftung Pressebilder: sind erhältlich unter http://pressimages.fondationbeyeler.ch Weitere Auskünfte: Elena DelCarlo, M.A. Head of Communications Tel. + 41 (0)61 645 97 21, [email protected], www.fondationbeyeler.ch Fondation Beyeler, Beyeler Museum AG, Baselstrasse 77, CH-4125 Riehen Öffnungszeiten der Fondation Beyeler: täglich 10.00–18.00 Uhr, mittwochs bis 20.00 Uhr

29. Mai – 4. September 2016

Pressebilder http://pressimages.fondationbeyeler.chDas Bildmaterial darf nur zu Pressezwecken im Rahmen der aktuellen Berichterstattung verwendet werden. Die Reproduktion ist nur im Zusammenhang mit der laufenden Ausstellung und während deren Dauer erlaubt. Jede weitergehende Verwendung – in analoger und in digitaler Form – bedarf einer Genehmigung durch die Rechtsinhaber. Ausgenommen davon ist der rein private Gebrauch. Bitte verwenden Sie die Bildlegenden und die dazugehörenden Copyrights. Mit freundlicher Bitte um Zusendung eines Belegexemplars.

FONDATION BEYELER

01 Alexander CalderThe S-Shaped Vine, 1946 Metallblech und Draht, bemalt, 250,2 x 200,7 cmThe Eli and Edythe L. Broad Collection © 2016 Calder Foundation, New York / ProLitteris, ZürichFoto: Calder Foundation, New York / Art Resource, New York

03 Alexander CalderThe Brass Family, 1929 Messingdraht und Holz, bemalt, 170,2 x 104,5 x 22,5 cm Whitney Museum of American Art, New York, Schenkung des Künstlers 69.255 © 2016 Calder Foundation, New York / ProLitteris, ZürichFoto: © Whitney Museum, N.Y.

05 Alexander CalderLa Demoiselle, 1939 Metallblech, Draht und Rundstab, bemalt, 148,6 x 53,3 x 74,9 cmGlenstone Museum© 2016 Calder Foundation, New York / ProLitteris, ZürichFoto: Tim Nighswander / Imaging4Art.com

06 Peter Fischli David WeissGleichgewichtsorgan, 1986 Aus der Serie der Grauen SkulpturenPolyurethan und Tuch, bemalt, 65 x 83 x 52 cmStudio Fischli / Weiss © Peter Fischli David WeissFoto: Fischli / Weiss Archiv, Zürich

02 Peter Fischli David WeissRatte und Bär (schlafend), 2008 Wolle, Stoff und Elektromotor, 2 Teile: 82 x 37 x 27 cm, 88 x 48 cmMuseo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid© Peter Fischli David Weiss Foto: Fischli / Weiss Archiv, Zürich

04 Peter Fischli David WeissDie Gesetzlosen, 1984 Aus der Serie Equilibres (Stiller Nachmittag)C-Print, 46 x 31 cmStudio Fischli / Weiss© Peter Fischli David WeissFoto: Fischli / Weiss Archiv, Zürich

29. Mai – 4. September 2016

Pressebilder http://pressimages.fondationbeyeler.chDas Bildmaterial darf nur zu Pressezwecken im Rahmen der aktuellen Berichterstattung verwendet werden. Die Reproduktion ist nur im Zusammenhang mit der laufenden Ausstellung und während deren Dauer erlaubt. Jede weitergehende Verwendung – in analoger und in digitaler Form – bedarf einer Genehmigung durch die Rechtsinhaber. Ausgenommen davon ist der rein private Gebrauch. Bitte verwenden Sie die Bildlegenden und die dazugehörenden Copyrights. Mit freundlicher Bitte um Zusendung eines Belegexemplars.

FONDATION BEYELER

07 Alexander CalderApple Monster, 1938 Holz und Draht, bemalt, 167,6 x 141 x 82,6 cmCalder Foundation, New York, Schenkung von Alexander S.C. Rower in Gedenken an Mary Calder Rower, 2015© 2016 Calder Foundation, New York / ProLitteris, ZürichFoto: Calder Foundation, New York / Art Resource, New York

13 Peter Fischli David WeissEin neuer Tag beginnt, 1984 Aus der Serie Equilibres (Stiller Nachmittag)C-Print, 46 x 31 cmStudio Fischli / Weiss © Peter Fischli David WeissFoto: Fischli / Weiss Archiv, Zürich

12 Alexander CalderThe General Sherman, 1945 Metallblech, Rundstab und Draht, bemalt, 81,3 x 111,8 x 58,4 cmJulie und Edward J. Minskoff© 2016 Calder Foundation, New York / ProLitteris, Zürich

08 Peter Fischli David WeissOhne Titel (Fragenprojektion), 1981–2003 1244 Dias, 15 Diaprojektoren, Masse variabelFriedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof, Berlin© Peter Fischli David Weiss Foto: Fischli / Weiss Archiv, Zürich

09 Alexander CalderSelf Portrait, 1907 Farbstift auf Papier, 14,9 x 22,9 cmCalder Foundation, New York, Vermächtnis von Mary Calder Rower, 2011© 2016 Calder Foundation, New York / ProLitteris, ZürichFoto: Calder Foundation, New York / Art Resource, New York

11 Alexander Calder in seinem Atelier in Roxbury, 1941 Fotografie von Herbert Matter © 2016 Calder Foundation, New York / ProLitteris, ZürichFoto: © Herbert Matter, Courtesy Calder Foundation, New York / Art Resource, New York / ProLitteris, Zürich

14 Peter Fischli David WeissStill aus dem Film Der Lauf der Dinge, 198716mm-Filmkopie in einer Auflage von 12 (DVD unlimitiert), Ton, Länge: 30 min.Kamera: Pio Corradi; Schnitt: Rainer M. Trinkler; Technik: Patrick LindenmaierStudio Fischli / Weiss© Peter Fischli David Weiss Foto: Fischli / Weiss Archiv, Zürich

10 Peter Fischli David WeissSon et lumière (Le Rayon vert), 1990 Taschenlampe, Drehscheibe, Plastikbecher, Klebeband, 15 x 38 x 20,5 cmStudio Fischli / Weiss © Peter Fischli David Weiss Foto: Fischli / Weiss Archiv, Zürich

Biographie Alexander Calder 1898–1926 Alexander Calder wird am 22. August 1898 in Lawnton, Pennsylvania, in eine Familie von Künstlern hineingeboren. Sein Grossvater, Alexander Milne Calder, ist ein bekannter Bildhauer, der in und um Philadelphia bedeutende Aufträge für monumentale Denkmäler erhält. Auch sein Vater, Alexander Stirling Calder, ist Bildhauer, der grossformatige Werke in der Tradition der Pariser École des Beaux-Arts schafft, während seine Mutter, Nanette Lederer Calder, als Porträtmalerin arbeitet. Die Aufträge, die sein Vater erhält, bringen es mit sich, dass die Familie in Calders jungen Jahren häufig umziehen muss und im Laufe der Zeit in Philadelphia, Oracle (Arizona), Pasadena, San Francisco, Croton-on-Hudson im Staat New York sowie in New York City wohnt. Calder wird von seinen Eltern stets dazu ermuntert, sich kreativ zu betätigen, und es wird ihm bereits ab einem Alter von acht Jahren im jeweiligen Wohnhaus eine eigene Werkstatt eingerichtet.1909 schenkt er den Eltern zwei seiner ersten selbstgefertigten Arbeiten: ein Hund und eine Ente, Figuren, die er aus Messingblech ausgeschnitten und in Form gebogen hat. Die Ente ist beweglich, sanft angestossen, schaukelt sie vor und zurück. Obwohl er in einem Künstlerhaushalt aufgewachsen ist, entscheidet sich Calder für eine Ausbildung zum Maschinenbauingenieur. Am Stevens Institute of Technology in Hoboken, New Jersey, wo er unter anderem auch theoretische und praktische Kenntnisse in Mechanik und Hydraulik erwirbt, kann er seine intuitiven technischen Fähigkeiten und seinen Sinn für technische Präzision weiterentwickeln und Erfahrungen sammeln, die ihm später bei seinen monumentalen Werken von Nutzen sein werden. Nach dem Examen 1919 arbeitet Calder mehrere Jahre als Ingenieur und technischer Zeichner in unterschiedlichen Stellungen, die ihn, ganz wie er es aus seiner Kindheit und Jugend gewohnt ist, in die verschiedensten Teile des Landes führen. Als er im Staat Washington in einem Holzfällercamp arbeitet, wo er für die Zeiterfassung zuständig ist, inspiriert ihn die umgebende Berglandschaft derart, dass er nach Hause schreibt und seine Mutter bittet, ihm Farben und Pinsel zu schicken. 1923 entschliesst sich Calder, eine Künstlerlaufbahn einzuschlagen. Er zieht nach New York und schreibt sich an der Art Students League ein. Zu seinen Lehrern gehört John French Sloan, einer der Mitbegründer der Ashcan School. Dem urbanen Realismus dieser Künstlergruppe entsprechend, beginnt Calder, Ölbilder von New Yorker Strassenszenen zu malen und Illustrationen für Zeitschriften wie die National Police Gazette anzufertigen. Auf seinen Streifzügen durch die Stadt, vom Central Park bis Coney Island, fängt Calder in seinen Bildern das New Yorker Grossstadtleben der 1920er-Jahre ein. Er besucht Sportveranstaltungen, nimmt an den verschiedensten kulturellen Ereignissen teil, beobachtet exotische Tiere in den New Yorker Zoos und dokumentiert das Geschehen bei Vorstellungen des Ringling Bros. and Barnum & Bailey Circus im Madison Square Garden. Im Winter 1925 reist er nach Sarasota in Florida, wo er zwei Wochen damit zubringt, das Leben im Winterquartier dieses Zirkusunternehmens in Skizzen festzuhalten. Besonders beeindrucken ihn dabei die Konstruktion des Zirkuszeltes sowie das gesamte System der vom Zirkus bei seinen Vorstellungen aufgebotenen Technik. Im Juli 1926 heuert Calder als Deckarbeiter auf einem britischen Frachter an und reist so zum ersten Mal nach Europa. Nach einem kurzen Aufenthalt in England zieht er weiter nach Frankreich und kommt am 24. Juli in Paris an. In der Rue Daguerre mietet er ein Atelier (das erste der vier Ateliers, die er zwischen 1926 und 1933 in Paris bezieht) und belegt Zeichenkurse an der berühmten Académie de la Grande Chaumière auf dem Montparnasse, dem Zentrum der damaligen Pariser Kunstszene. 1926–1931 Nur wenige Monate nach seiner Ankunft in Paris beginnt Calder die Arbeit an seinem Cirque Calder (1926–1931). Erste Schritte in diese Richtung hatte er bereits im Frühjahr in New York unternommen, als er sich für den Humpty Dumpty Circus des Spielwarenherstellers Schoenhut, mit dem die Kinder seines Zimmervermieters spielen, mechanische Vorrichtungen ausdachte, durch die sich die Spielzeugfiguren in Bewegung versetzen liessen. Sein Cirque entwickelt sich zu einem komplexen und ganz aussergewöhnlichen Kunstwerk. Die aus Leder, Draht, Holz, Kork, Gummi, Stoff und einem Sammelsurium von Materialfunden bestehenden Figuren lässt Calder, wenn er sie einem Publikum

präsentiert, eine Reihe mechanisierter Handlungsabläufe vollführen. Im Laufe von fünf Jahren ist sein Zirkus derart angewachsen, dass er fünf grosse Reisekoffer füllt, die Calder auf seinen Reisen über den Atlantik regelmässig begleiten; ob in New York oder in Paris, stets ist der Künstler für eine Darbietung gerüstet. Aufgrund seiner Kenntnisse der in einem Zirkus eingesetzten Technik gelingt es Calder, die Handlungsabläufe einer echten Zirkusvorstellung auf eine Weise zu verdichten, dass die Performance Art der 1960er-Jahre hier bereits vorweggenommen scheint. Indem dieses Projekt Calders die Grenzen zwischen Musik, Theater und Bildhauerei und sogar zwischen Illusion und Wirklichkeit verwischt, erweist es sich als einer der Vorläufer jener neuen Tendenz zum Interdisziplinären, die erst nach dem Krieg in der New Yorker Kunstszene aufkommen sollte. Calder behält zwar ein bestimmtes Mass an Kontrolle über den Ablauf der Vorstellung, lässt jedoch dem Zufall stets einen gewissen Spielraum, sodass nie sicher ist, ob seine Akrobaten letztlich auch wirklich auf ihren Füssen landen oder ihr Kunststück misslingt. Die authentischen Gesten und Haltungen und die auffallend unvorhersehbaren Bewegungen seiner Figuren sowie das klar erkennbare Konzept seiner Zirkusvorstellung begeistern die Zuschauer. Ursprünglich präsentiert Calder seinen Cirque nur im Kreis von Freunden und Künstlerkollegen, die um die improvisierte Arena herum Platz nehmen und dem Schauspiel gebannt folgen. Im zirkusverrückten Paris machen Calders Vorführungen rasch von sich reden und verschaffen ihm Zutritt zur Kunstszene der Stadt. Die Pariser Avantgarde, darunter Jean Cocteau, Joan Miró, Man Ray, Le Corbusier, Fernand Léger und Marcel Duchamp, um nur sechs von tatsächlich Dutzenden zu nennen, lässt sich Calders Zirkusvorstellungen nicht entgehen. Neben seiner Arbeit am Cirque Calder arbeitet der Künstler an gegenständlichen Drahtskulpturen – »Zeichnungen im Raum«, wie Kunstkritiker sie bezeichnen –, die Figuren sowie Porträts von Freunden und bekannten Persönlichkeiten darstellen. Als Werke einer radikal neuen Art von transparenter Skulptur umreissen sie Volumen räumlich durch Linien aus Draht. Die zunächst kleinformatigen Drahtskulpturen werden entweder auf kleinen Holzsockeln oder an der Wand montiert, manche sind auch frei im Raum schwebend an der Decke aufgehängt. Im Februar 1928 erhält Calder in der New Yorker Weyhe Gallery die Gelegenheit zu einer ersten Einzelausstellung seiner Drahtskulpturen. Im Januar 1929 sind sie in einer Ausstellung in der Galerie Billiet-Pierre Vorms in Paris zu sehen und im darauffolgenden April reist Calder nach Berlin, um in der Galerie Neumann-Nierendorf – wie von Hans Cürlis in einem Kurzfilm dokumentiert – Figuren aus Holz sowie aus Draht zu präsentieren. In dieser Periode des relativ häufigen Hin- und Herreisens zwischen den Kontinenten, zwischen Paris und New York – was damals nicht nur Zeit und Geld kostete, sondern auch einen beträchtlichen Aufwand bedeutete – stellen die Vorstellungen des Cirque Calder im Leben des Künstlers eine Konstante dar. Angesiedelt zwischen Improvisation und Perfektion ist der Cirque Calder ein ideales Experimentierfeld, das dem Künstler die Möglichkeit zur Entwicklung und Erprobung einer Ästhetik des Unvollendeten gibt, in der Erwartung, Spannung und Aktion einander die Waage halten. Einige der signifikantesten Eigenschaften und Merkmale seines Oeuvres sind auf dieses frühe Meisterwerk zurückzuführen. 1930–1932 Im Oktober 1930, einige Tage nachdem Piet Mondrian eine Vorstellung des Cirque Calder gesehen hat, besucht Calder den niederländischen Künstler in dessen Atelier in der Rue du Départ 26. Calder ist beeindruckt von der Helligkeit des von zwei Seiten beleuchteten Raumes und den experimentellen Möglichkeiten, die das Atelier eröffnet. An einer weissen Wand sind monochrome Rechtecke aus Pappe in den Farben Blau, Rot, Gelb, Schwarz und in verschiedenen Weisstönen angebracht, die Mondrian als Vorstudien zu seinen Gemälden dienten und in immer neuen Kombinationen angeordnet werden konnten. Calders Idee, diese Rechtecke in Schwingung zu versetzen, ist schliesslich der Auslöser dafür, dass er sich der Abstraktion zuwendet und eine Reihe von etwa zwanzig abstrakten Ölbildern malt. »Aber Draht oder etwas, das man verdrehen oder zerreissen oder verbiegen kann, ist für mich ein Medium, in das ich mich geistig leichter hineinversetzen kann«, schreibt Calder und beginnt, nichtfigurative dreidimensionale Kompositionen aus Holz und Draht zu gestalten. Am 17. Januar 1931 heiratet Calder Louisa James, die er 1929 auf der Heimreise nach New York an Bord eines Frachters kennengelernt hat. Im Mai 1931 zieht das Paar in die Rue de la Colonie 14, wo sich Calder das oberste Stockwerk des Hauses als Atelier einrichtet.

Im April 1931 präsentiert der Künstler in der Pariser Galerie Percier im Rahmen seiner Ausstellung Alexandre Calder. Volumes – vecteurs – densités, dessins – portraits, für deren Katalog Fernand Léger eine Einleitung schreibt, seine abstrakten Objekte zum ersten Mal. Pablo Picasso besucht die Ausstellung noch vor der offiziellen Eröffnung und lernt Calder bei dieser Gelegenheit persönlich kennen. Im Juni nimmt Calder die Einladung an, sich der neu gegründeten Künstlergruppe Abstraction-Création anzuschliessen, zu der neben anderen auch Hans Arp, Theo van Doesburg, Naum Gabo und Piet Mondrian gehören. In den folgenden Jahren organisiert die Gruppe gelegentlich gemeinsame Ausstellungen und veröffentlicht Publikationen. Um Bewegung in seine Kompositionen zu bringen und die Skulpturen aus ihrer Gefangenheit im Statischen zu befreien, gestaltet Calder nicht nur einige ihrer Elemente beweglich, sondern beginnt auch, sie an kleine Elektromotoren anzuschliessen. Damit wird die Choreografie – die organisierte Gestaltung und Darstellung von Bewegung – ein zentrales Thema seiner bildhauerischen Arbeit. Als Marcel Duchamp im Herbst 1931 Calder in dessen Atelier besucht, schlägt er ihm vor, diese Werke Mobiles zu nennen. »Es stand da ein aus drei Elementen bestehendes Objekt, das von einem Motor angetrieben wurde. Es war frisch angestrichen und noch nicht ganz trocken. Er fasste es an, und das Ding schien ihm zu gefallen, daher arrangierte er für mich eine Gelegenheit, es in Marie Cuttolis in der Nähe der Madeleine gelegener Galerie Vignon auszustellen. Ich fragte ihn, was für einen Namen ich diesen Objekten geben könnte, und er sagte sofort: ›Mobile‹. Das Wort bezeichnet im Französischen nicht nur etwas, das sich bewegt, sondern hat auch die Bedeutung ›Motiv‹. Duchamp schlug mir auch vor, auf meine Einladungskarte eine Zeichnung des motorgetriebenen Objekts drucken zu lassen mit dem Text: CALDER/SES MOBILES.« Als sarkastisch gemeinte Antwort auf die Bezeichnung Mobile gibt Hans Arp 1932 den zuvor in der Galerie Percier gezeigten nicht-kinetischen Skulpturen Calders den Namen Stabiles. Die Julien Levy Gallery in New York zeigt in ihrer von Mai bis Juni 1932 laufenden Ausstellung Calder. Mobiles/Abstract Sculptures eine ganze Reihe der bewegten Objekte des Künstlers. Calder entscheidet sich jedoch schon bald dafür, seine Skulpturen nicht mehr mit mechanischen Antrieben zu versehen. Stattdessen beginnt er mobile Elemente zu entwerfen, die durch menschliche Eingriffe oder Luftströme bewegt werden – was die Bewegungen unvorhersehbarer werden lässt. Calders erste frei hängende Mobiles entstehen noch im Jahr 1932. 1933–1976 Auch aufgrund des sich verändernden politischen Klimas in Europa verlassen Calder und seine Frau Louisa 1933 Paris und kehren in die Vereinigten Staaten zurück. In Roxbury, Connecticut, kaufen sie ein Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert und lassen sich dort nieder. Ihre erste Tochter, Sandra, wird 1935 geboren, ihre zweite, Mary, 1939. Calders Zusammenarbeit mit der Pierre Matisse Gallery in New York wird 1934 mit einer ersten Ausstellung eingeleitet. Der Kunstkritiker und Kurator James Johnson Sweeney, der einer der bedeutendsten Fürsprecher Calders werden sollte, schreibt in seiner Einführung im Ausstellungskatalog: »Die Entwicklung von Calders Werk versinnbildlicht die Entwicklung der plastischen Kunst im gegenwärtigen Jahrhundert. Ausgehend von einer Tradition der naturalistischen Darstellung hat sie durch Vereinfachung der Ausdrucksmittel zu einer plastischen Konzeption gefunden, welche die Formen und Gestalten der natürlichen Welt nur als Grundstock nimmt, um aus ihnen die Formelemente zu abstrahieren.« Mitte der 1930er-Jahre beginnt Calder auch für das Theater und Ballett zu arbeiten. So entstehen 1936 sechs als »visuelle Präludien« agierende Mobiles für das Ballett Horizons, choreografiert von Martha Graham, einer der produktivsten und einflussreichsten Persönlichkeiten des Modern Dance. Im Frühjahr 1937 präsentiert Calder in der Pierre Matisse Gallery im Rahmen seiner Ausstellung Calder. Stabiles & Mobiles zum ersten Mal Devil Fish und Big Bird, zwei grossformatige Stabiles aus zusammengenieteten Blechen, deren Fertigung wegen der diffizilen Kurvenlinien und exakt zu platzierenden Nietbolzen sich als technisch anspruchsvoll erweist. Diese Stabiles können als Vorläufer der monumentalen Freiluftplastiken des Künstlers gelten, an denen er in den 1960er- und 1970er-Jahren arbeitet.

Als sich Calder und Louisa im Mai 1937 in Paris aufhalten, wird der Künstler von Josep Lluís Sert, dem Architekten des Pavillons der Spanischen Republik für die Pariser Weltausstellung von 1937, mit dem Entwurf und Bau eines Springbrunnens beauftragt. Der Brunnen soll mit dem in der Nähe der spanischen Ortschaft Almadén geförderten Quecksilber gespeist werden – als Symbol des republikanischen Widerstands gegen die faschistischen Truppen Francos. Calders Mercury Fountain von 1937 wird unmittelbar vor Picassos berühmtem Gemälde Guernica aufgestellt, unweit von Joan Mirós fünf Meter hohem Wandbild Le Faucheur (El Segador; Paysan catalan en révolte). Im Auftrag des Museum of Modern Art in New York entsteht 1939 Calders bis dahin grösstes hängendes Mobile, Lobster Trap and Fish Tail, das im neuen Museumsgebäude installiert wird. Das Werk fördert Calders internationales Ansehen und zieht selbst in der Zeit des Zweiten Weltkriegs weitere Aufträge für grosse hängende Mobiles und Kunst im öffentlichen Raum nach sich. Etwa um die gleiche Zeit schafft Calder auch graziöse stehende Mobiles aus Draht und Blech wie La Demoiselle von 1939. Aufgefächert wie ein Farn, ein Palmwedel oder ein gespreizter Pfauenschwanz vibrieren und schwanken die zarten Metallformen schon beim leisesten Luftzug. Aufgrund der Metallknappheit während des Zweiten Weltkriegs geht Calder dazu über, auch Holz und aus Abfällen geborgene und zur Wiederverwendung geeignete Materialien für seine Skulpturen zu verwenden. Im Winter 1942 entwickelt er einen neuen Skulpturentyp, dem James Johnson Sweeney und Marcel Duchamp den Titel Constellations geben. Diese abstrakten dreidimensionalen Kompositionen bestehen aus geschnitzten, mit Draht verbundenen Holzelementen, die auf dem Boden oder einem Sockel stehen oder an der Wand angebracht sind. Zusammen mit Duchamp und unterstützt durch den Schweizer Fotografen und Grafikdesigner Herbert Matter kuratiert Sweeney 1943 die umfassende Retrospektive Alexander Calder. Sculptures and Constructions im New Yorker Museum of Modern Art, die aufgrund des grossen Publikumsinteresses bis in das Jahr 1944 hinein verlängert wird. 1945 schafft Calder eine Reihe kleinformatiger Werke aus Metallstücken, die beim Zurechtschneiden von grösseren Elementen als Abfall übriggeblieben waren. Da diese leicht auseinanderzunehmen, per Luftfracht nach Europa versendet und dort wieder zusammengesetzt werden können, plant Duchamp eine Schau dieser Arbeiten in der Pariser Galerie Louis Carré, die 1946 unter dem Titel Alexander Calder. Mobiles, Stabiles, Constellations eröffnet. Neben einem Beitrag von Sweeney und Fotografien von Matter enthält der Katalog auch Jean-Paul Sartres inzwischen berühmt gewordenen Essay »Les Mobiles de Calder«. Eine von Sweeney betreute Calder-Retrospektive eröffnet im Dezember 1950 in der Charles Hayden Memorial Library im Massachusetts Institute of Technology. Und im Januar 1951 hat Herbert Matters Film Works of Calder, für den John Cage die Musik schrieb, Premiere im Museum of Modern Art in New York. 1952 repräsentiert Calder die Vereinigten Staaten von Amerika bei der XXVI Biennale di Venezia, wo ihm der Premio Speciale per la Scultura verliehen wird. Ab 1953 lebt die Familie Calder abwechselnd in Roxbury und in ihrem neu erworbenen Haus in Saché im Tal der Loire. Während der nächsten beiden Jahrzehnte stellt Calder in führenden Galerien und Museen in ganz Europa sowie Nord- und Südamerika aus. Er beteiligt sich an wichtigen Biennalen und Gruppenausstellungen, bereist den Nahen Osten und Indien und nimmt sowohl von privaten Sammlern als auch von öffentlichen Institutionen Aufträge für grossformatige Mobiles und monumentale Skulpturen für den Innen- wie Aussenraum an. Alexander Calder stirbt am 11. November 1976 in New York City im Haus seiner Tochter Mary.

Zitate Alexander Calder Es bewege sich – über bewegliche Skulpturen Die verschiedenen Objekte des Universums mögen zeitweise konstant sein, aber ihre wechselseitigen Beziehungen sind ständigen Veränderungen unterworfen. Es gibt Umgebungen, die festgefügt erscheinen, während sich innerhalb von ihnen kleine Ereignisse in grosser Geschwindigkeit abspielen. Doch dieser Anschein entsteht nur, weil ausser der Beweglichkeit der kleinen Ereignisse nichts anderes wahrnehmbar wird. Wir bemerken, dass sich Autos und Menschen auf der Strasse bewegen, aber wir bemerken nicht, dass sich die Erde dreht. Wir glauben, dass Autos mit grosser Geschwindigkeit auf festem Grund dahinfahren, dabei beträgt die Geschwindigkeit der Erdumdrehung am Äquator 40000 Kilometer in 24 Stunden. Da alle wirklich ernst gemeinte Kunst den grossen Weltgesetzen folgen muss und nicht nur den äusseren Erscheinungen, versuche ich in meinen beweglichen Skulpturen alle Elemente in Bewegung zu versetzen. Es geht darum, diese Bewegungen zu harmonisieren und so eine neue Schönheit zu ermöglichen. Alexander Calder, »Que ça bouge – à propos des sculptures mobiles«, Manuskript, 8. März 1932, Archiv der Calder Foundation, New York Wie entsteht Kunst? Aus Masse, Richtung und begrenztem Raum als Teil des durch das Universum gebildeten Gesamtraums. Aus unterschiedlicher Masse, leichter, schwerer oder mittelschwerer, mit einem variablen Index für Grösse und Farbe, aus Richtungen mit Vektoren für Geschwindigkeit, Tempo, Beschleunigung, Kraft und dergleichen, wobei diese Richtungen zueinander in Winkeln mit eigener Bedeutung und Richtung stehen und eine Gesamtresultante bilden oder mehrere einzelne Resultanten. Aus Raum und Volumen, für deren Wirkung die geringsten Mittel eingesetzt werden müssen – ganz im Gegensatz zur Masse – und deren Gefüge von Vektoren durchdrungen und Geschwindigkeiten durchkreuzt sind. Nichts davon ist fix. Jedes Element kann sich im Verhältnis zu den anderen Elementen seines Universums frei bewegen, sich regen, schwingen und kommen und gehen. Es darf sich aber nicht nur um flüchtige Momente, es muss sich um eine physikalische Gesetzmässigkeit zwischen den wechselnden Ereignissen des Lebens handeln. Keine Extrakte. Vielmehr Abstraktes. Abstraktionen, die mit Ausnahme der Art, in der sie aufeinander reagieren, keinerlei Ähnlichkeit mit irgendetwas haben, das im Leben zu finden ist. Alexander Calder, »Comment réaliser l’art? …«, in: Abstraction, création, art non figuratif, Nr.1, 1932, S.6

Biographie Fischli/Weiss Peter Fischli David Weiss 1952 Zürich 1946 Zürich–2012 Zürich Peter Fischli (geb. 1952) und David Weiss (1946-2012) haben dem Thema der labilen Balance in ihrem gemeinsamen Schaffen ab 1979 eine ikonische Form ganz anderer Art gegeben. Mit der gleichen lustvollen Unermüdlichkeit entwickelten sie – in Filmen und Skulpturen, mit Sprache, Fotografie und Malerei – ein unwiderstehliches Wechselspiel von Balance, Klarheit und Übersicht, in dem allerdings Unwägbarkeiten und Stolpersteine gegenüber der Eleganz und dem Selbstverständnis der grossen Geste der Moderne – wie sie das Mobile verkörpert – oft die Oberhand gewinnen.

Fischli/Weiss: Garten, 1997/2016 Ein temporärer Garten als Kunstprojekt, zu »70% Bauerngarten, 30% Schrebergarten«. Für ihren zweiten Beitrag zur alle zehn Jahre stattfindenden Grossausstellung im öffentlichen Raum Skulptur Projekte Münster 1997 entwerfen Peter Fischli und David Weiss eine künstlerische Arbeit, die aufgrund der oben zitierten Bezeichnung als solche von vielen Besucherinnen und Besuchern gar nicht erkannt wird. Der Garten besteht aus mehreren Beeten und einem Kompost. Er beherbergt einen Unterstand samt Sitzgelegenheit sowie einen Schuppen für Geräte und Gartenwerkzeug. Wie in einem gewöhnlichen Bauerngarten werden ortsübliches Obst und Gemüse, Kräuter und Blumen angepflanzt; die Prachtentfaltung ist angesiedelt in grösstmöglicher Gewöhnlichkeit. Die Anordnung und Bepflanzung richtet sich nach ökologischen Ordnungsbegriffen und untersteht ästhetischen Gesichtspunkten. Somit bestimmt den Garten eine fragile Balance von Anmut und Ertrag, Nützlichem und Schönem, Wachsen und Gewährenlassen, Ordnung und Unordnung, Künstlichem und Natürlichem. Üblicherweise ist der Bauerngarten ein privater Ort, hier darf er betreten und erlebt werden. Seinen Kunstbezug jedoch legt dieser temporäre Mikrokosmos nicht offen. Für die Ausstellung Alexander Calder & Fischli/Weiss wird der Garten 2016 auf einem benachbarten Stück Land in angepasster Form für einen Sommer lang neu angebaut. Die Arbeiten begannen im Februar 2016 und dauerten bis Ende Mai 2016, dem Anfang der Ausstellung. Der Garten wurde grosszügig unterstützt durch Simone und Peter Forcart-Staehelin. Die Ausstellung „Alexander Calder & Fischli/Weiss“ wird unterstützt von: Beyeler-Stiftung Hansjörg Wyss, Wyss Foundation Art Mentor Foundation Lucerne Ernst Göhner Stiftung L. + Th. La Roche Stiftung Simone und Peter Forcart-Staehelin Swisslos-Fonds Basel-Landschaft Terra Foundation for American Art The Broad Art Foundation Walter A. Bechtler Stiftung Walter Haefner Stiftung

Veranstaltungen zur Ausstellung „Alexander Calder & Fischli/Weiss“ 29. Mai – 4. September 2016 Alexander Calder & Fischli/Weiss. Fokus Experten aus so unterschiedlichen Bereichen wie Literatur, Tanz, Ökologie und Physik legen den Fokus auf einzelne Werke der Ausstellung und sprechen über das Thema des labilen Gleichgewichts.

• Mittwoch, 22. Juni 2016, 18.30 Uhr Simone Lappert, Autorin („Wurfschatten“, 2014), widmet sich den erzählerischen Elementen in den Werken von Calder und Fischli/Weiss und stellt ihnen Lyrik- und Prosapassagen gegenüber.

• Mittwoch, 6. Juli 2016, 18.30 Uhr

Prof. Dr. Christina Thurner, Professorin für Tanzwissenschaft an der Universität Bern, beleuchtet Aspekte von Bewegung und Choreografie im Hinblick auf die Werke von Calder und Fischli/Weiss.

• Mittwoch, 17. August 2016, 18.30 Uhr Markus Ritter, erster grüner Grossratspräsident in Basel und Ökologe der Life Science AG, widmet sich dem „Garten“ von Fischli/Weiss.

• Mittwoch, 31. August 2016, 18.30 Uhr Dr. Martin Bammerlin, Physiker und jetzt Product Director bei DePuy Synthes J & J, bespricht die physikalischen Gesetze hinter den statischen und dynamischen Werken. CHF 7.- zuzüglich zum Museumseintritt Limitierte Platzzahl. Ticketvorverkauf online.

Martin Zimmermann – „Der Besucher“ Freitag, 1. Juli 2016, 18.30 Uhr Samstag, 2. Juli 2016, 16.00 Uhr Sonntag, 3. Juli 2016, 16.00 Uhr Als merkwürdiger Besucher erkundet der Clown, Regisseur und Performancekünstler Martin Zimmermann die Ausstellung „Alexander Calder & Fischli/Weiss“ auf die ihm ganz eigene Weise. Er lässt live vor Ihren Augen einen Stummfilm und eine Performance entstehen, welche der Pianist Colin Vallon live vertont. In Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro Riehen. Preis: CHF 35.-, Art Club / Freunde: CHF 10.-, Museumseintritt im Preis inbegriffen. Talk mit Peter Fischli & Alexander S. C. Rower Samstag, 20. August 2016, 17.00 Uhr Anlässlich der Ausstellung in der Fondation Beyeler unterhält sich die Kuratorin Theodora Vischer mit dem Künstler Peter Fischli und Alexander S. C. Rower, Präsident der Calder Foundation. Das Gespräch findet in englischer Sprache statt. Veranstaltung im Museumseintritt inbegriffen. Kunst am Mittag Jeweils Mittwoch, 12.30-13.00 Uhr Werkbetrachtung 1. Juni 2016 Alexander Calder – Small Sphere and Heavy Shere (1932) 22. Juni 2016 Peter Fischli/David Weiss – Equilibres (1984) 6. Juli 2016 Programm noch offen

20. Juli 2016 Programm noch offen 3. August 2016 Programm noch offen 17. August 2016 Programm noch offen 31. August 2016 Programm noch offen Preis: Eintritt + CHF 7.- Montagsführung Jeweils Montag, 14.00-15.00 Uhr 6. Juni 2016 Calder & Fischli/Weiss – Bewegung und fragiles Gleichgewicht 27. Juni 2016 Calder & Fischli/Weiss – Werke und ihre szenische Präsentation („Vorführung“) 11. Juli 2016 Programm noch offen 25. Juli 2016 Programm noch offen 8. August 2016 Programm noch offen 22. August 2016 Programm noch offen Preis: Eintritt + CHF 7.- Public Guided Tour in English Jeweils Sonntag, 15.00-16.00 Uhr 12. Juni 2016 24. Juli 2016 21. August 2016 Preis: Eintritt + CHF 7.- Visite guidée publique en français Jeweils Sonntag, 15.00-16.00 Uhr 19. Juni 2016 31. Juli 2016 28. August 2016 Preis: Eintritt + CHF 7.- Visita guidata pubblica in italiano Sonntag, 14. August 2016, 14.00-15.00 Uhr Preis: Eintritt + CHF 7.- Kuratorenführung Jeweils Mittwoch, 18.30-20.00 Uhr 29. Juni 2016 20. Juli 2016 24. August 2016 Preis: CHF 35.00 / Art Club, Freunde: CHF 10.- Familienführung Jeweils Sonntag, 11.00-12.00 Uhr 5. Juni 2016 10. Juli 2016 7. August 2016 Workshop für Erwachsene Mittwoch, 29. Juni 2016, 18.00-20.30 Uhr Mittwoch, 10. August 2016, 18.00-20.30 Uhr Führung durch die aktuelle Ausstellung mit anschliessender praktischer Umsetzung im Atelier. Preis: Eintritt + CHF 20.-

Sommerfest Samstag, 13. August 2016, 10.00-22.00 Uhr Gratiskonzert im Berower Park sowie Workshops und Kurzführungen in verschiedenen Sprachen in den aktuellen Ausstellungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Preis: CHF 10.- inkl. Museumseintritt. In Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro Riehen.

Kunstvermittlung Öffentliche Führungen und Veranstaltungen Tägliches Programm auf www.fondationbeyeler.ch/informationen/agenda Private Führungen für Gruppen Information und Anmeldung: Tel. +41 (0)61 645 97 20, [email protected] Angebot für Schulen Information und Anmeldung auf www.fondationbeyeler.ch/Ausstellungen/Kunstvermittlung/Schulen Online–Ticketing für Eintritte und Veranstaltungen unter www.fondationbeyeler.ch Oder Vorverkauf direkt an der Museumskasse

Service Öffnungszeiten: Täglich 10.00–18.00 Uhr, mittwochs bis 20.00 Uhr Während Art Basel: täglich 9.00-19.00 Uhr (11.-19. Juni 2016) Eintrittspreise Ausstellung: Erwachsene CHF 25.- Gruppen ab 20 Personen (mit Voranmeldung) und IV mit Ausweis CHF 20.- Studenten bis 30 Jahre CHF 12.- Familienpass (2 Erwachsene mit mind. 1 Kind bis 19 Jahre) CHF 50.- Jugendliche 11 bis 19 Jahre CHF 6.- Kinder bis 10 Jahre, Art Club Mitglieder freier Eintritt Weitere Auskünfte: Elena DelCarlo, M.A. Head of Communications Telefon + 41 (0)61 645 97 21, [email protected], www.fondationbeyeler.ch Fondation Beyeler, Beyeler Museum AG, Baselstrasse 77, CH-4125 Riehen Öffnungszeiten der Fondation Beyeler: täglich 10.00–18.00 Uhr, mittwochs bis 20.00 Uhr Öffnungszeiten während Art Basel: täglich 9.00-19.00 Uhr (11.-19. Juni 2016)

Verkauf: Daniel Engels 0049 30 34 64 67 808 [email protected] Presse / Press : Sara Buschmann 0049 30 34 64 67 808 [email protected] Weitere Informationen unter www.hatjecantz.de

ALEXANDER CALDER

& FISCHLI / WEISS

Hrsg. Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Texte von Theodora Vischer u. a., Gestaltung von Teo Schifferli 272 S., 301 Abb. 24,50 x 30,50 cm Leinen, CHF 62,50, € 58,00 ISBN 978-3-7757-4126-2 (Deutsch) ISBN 978-3-7757-4127-9 (Englisch) In exemplarischer Weise haben der US-amerikanische Künstler Alexander Calder (1898–1976) und die Schweizer Künstler Peter Fischli (*1952) und David Weiss (1946–2012) Formulierungen gefunden, einen Moment des fragilen Gleichgewichts – einen zugleich prekären und verheißungsvollen temporären Zustand – in ihrer Kunst darzustellen. Mit Calders bahnbrechender Erfindung des Mobiles in den frühen 1930er-Jahren und mit Fischli/Weiss’ kreativer Zusammenarbeit, die 1979 begann, verliehen die Künstler dem Thema der fragilen Balance eine ikonische Form auf eine jeweils ganz andere Weise. Auf den ersten Blick scheinen ihre Werke völlig unterschiedlich zu sein, doch bei näherer Betrachtung erweisen sie sich als zwei Seiten einer Medaille, als Ergebnis unterschiedlicher Perspektiven auf das gleiche Thema zu verschiedenen Zeiten. Dieser aufwendig gestaltete, reich bebilderte Katalog gewährt mit seinen begleitenden Essays einen umfassenden Einblick in beide Œuvres.

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AMERICAN FRIENDS OF FOUNDATION BEYELERART MENTOR FOUNDATION LUCERNEAVC CHARITY FOUNDATIONAVINA STIFTUNGDR. CHRISTOPH M. UND SIBYLLA M. MÜLLER ERNST GÖHNER STIFTUNGFONDATION COROMANDELFREUNDE DER FONDATION BEYELERL. + TH. LA ROCHE STIFTUNGMAX KOHLER STIFTUNGSIMONE UND PETER FORCART-STAEHELINTERRA FOUNDATION FOR AMERICAN ARTTHE BROAD ART FOUNDATIONWALTER A. BECHTLER STIFTUNGWALTER HAEFNER STIFTUNG