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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 7- JAHRGANG Nr. 24 io. JUNI x928 0BERSICHTEN. ALLERGIE, ANAPHYLAXIE UND IDIOSYNKRASIE IN DER DERMATOLOGIE. Von Prof. BRUNO BLOCH. Aus der Dermatologisehen Universit~itsklinik Ztirich. (SchluB.) Am n/~chsten der experimentellen Anaphylaxie steht zweifellos die Serumlcrankheit beim Menschen, da hier wie dort das Antigen durch ein artfremdes Eiweii3gemisch dar- gestellt wird. DaB durch Injektion yon artfremdem Serum beim 2r mit experimenteller Sicherheit eine spezifische Sensibilisierung hervorgerufen werden kann, steht nach den Versuchen v. PIRQUETS und ScHicxs, HOOKES und ~{ACKEN- ZIES U. a. auger Zweifel und ist neuerdings wieder in systema- tischen Untersuchungen yon SCHITTENHELM und TONIETTI, BIBERSTEIN und OSCHINSKY U. a. gezeigt worden. Dabei treten auch Antik6rper im Blute auf (Pracipitine). Aber diese gewissermaBen regulare (d. h. bei jedem Menschen erzielbare) Serumtiberempfindlichkeit lagt sich, wie u. a. noch niche publizierte Untersuchungen der Klinik (Sensibilisierung mit Meerschweinchenserum) dartun, nicht durch die Prausnitz- Kiistnersche Methode auf den normalen (niche sensiblen) tibertragen, d. h. es fehlt ihr der Prausnitz-Ktistnersche Antik6rper und die Sensibilisierten geben auch in der Regel keine Sofortreaktion. Die eigentliche Serumkrankheit, wie sie sowohl uach Erst- als nach Reinjektionen beobachtet wird, kann m. E. mit dieser gesetzmal3igen Sensibilisierung niche ohne weiteres identifiziert werden. Ihr halter, im Gegensatz zu dieser, ent- schieden ein echt idiosynkrasisches Moment (in der klinischen Bedeutung des Wortes) an, das mfglicherweise nur auf quantitativen (Intensit~Lts-) Unterschieden beruht und viM- leicht durch die in diesen Fgllen vieI stgrkere Sekretion freier Antik6rper bedingt ist. Die Mfglichkeit, dab auch da im Grunde genommen nur quantitative Differenzen im Spiele sind, laBt sich allerdings nach den bisherigen Untersuchungen noch niche verneinen. Es ist nun in diesem Zusammenhang sehr interessant, dab (nach DE BESCHE, BIBERSTEIN und W. JADASSOHN) dabei Sofortreaktionen beobachtet werden und dab sich die l~berempfindlichkeit nach diesen Autoren sowie nach RAMEL (in 4 Fallen auf 16 Versuchspersonen) passiv fibertragen laBt. Wir stogen hier auf eineu sehr wichtigen Zusammenhang yon: Sofortreaktion, Vorhanden- sein des Prausnitz-Kfistnerschen Antik6rpers und passiver Ubertragbarkeit. Dieser Zusamulenhang wird uns noch weiterhin beschaftigen. Die cutanen Symptome der Serumkraukheit sind bekannt- lich der Urticaria, oft sehr nahestehend resp. mit ihr identisch. Schon aus diesem Grunde war es naheliegend, diese Dermatose in den Bereieh der Anaphylaxie zu ziehen. Das mugte um so aussichtsreicher erscheinen, als erfahrungs- gem/~B viele Urticariafalle nach GenuB yon eiweil3haltigen Nahrungsmittelu auftreten. In der Tat ist auch bei einer solchen zuerst yon BRVCK der passive Ubertragungsversuch mit Erfolg (auf das Meerschweinchen) ausgefiihrt worden. Auch hier setzt aber die entscheidende Wendung erst mit der Methode yon PRAUSNITZ-Kf3sTNER ein, die ja gerade bei einem Fall yon urticarieller Reaktion (gegen Fischfleisch) yon diesen Autoren gefunden wurde. Die Zahl der Urticaria- f~lle, in denen seither durch diese Methode spezifische Anti- k6rper und damit der Mlergische Charakter der Krankheit nachgewiesen wurde, ist recht bedeutend und mehrt sich noch immer. Damit ist endgtiltig bewiesen, dab die Idio- synkrasie, die sich in urticariellen Manifestationen dokumen- Klinische Wochenschrift,7. Jahrg. tiert und in Form einer Sofortreaktion in Erscheinung tritt, auf einer Antigen-Antik6rperreaktion beruhen kann. Den Anstol3 zu dieser wohl zuerst von WOLFF-EISNER vertretenen Auffassung gab die Voraussetzung, dab die Antigene der Urticaria gleich wie diejenigen der Anaphylaxie eiweil3artiger Natur seien. Diese Voraussetzung trifft heute aber niche mehr zu; denn, wie V~'. JADASSOHN gezeigt hat, gelingt es bei passiv fibertragbaren UrticariafMlen, interessanterweise sogar bei Eieridiosynkrasie, die urticarielle 1Reaktion (beim primiir und passiv ~berempfindlichen) auch durch das eiweiBfreie Dialysat auszul6sen. Die eigentlichen Toxikodermien (medikament6se Erup- tionen) sind mit der Urticaria dutch flieBende ~lberg/inge verbunden. Unterschiede sind vorhanden, aber weder quali- tativ noch durchgreifend. Die medikament6s-toxischen Dermatosen zeichnen sich vor der gew6hnlichen Urticaria durch eine st~trkere t3etonung des entztindlichen Momentes und daher durch eine gr613ere Intensitat und langere Per- sistenz der Efflorescenzen aus, die Reaktion greift tiefer in den Haushalt des Gewebes ein und ist niche fltichtig wie die Quaddel. Die aust6senden Noxen sind fast durchweg chemisch bekannte, einiach gebaute Stoffe -- Nichtproteine --, wah- rend bei der Urticaria eiweiBhaltige Nahrungsstoffe im Vordergrund stehen; jedoch kann sich auch die Arznei- dermatose als Quaddelausschlag aul3ern. Der Sitz der pathologischen Vorg~inge ist subepidermal, im Gefal3-Bindegewebeanteil der Haut (LEWANDOWSKY, BLOCH, J. JADASSOHN, LEHNER-RAJKA U. a.). Doch kennen wir auch Toxikodermien (Salvarsan-, Hg-, Chinin-, Jod- usw. Dermatiden), welche die Epidermis in Mitleidenschaft ziehen (vgl. hamatogene Ekzeme). Toxikodermie wie Urticaria werden yon innen her ausgel6st; das reaktionsausl6sende Agens (Antigen) wird also der Haut mit dem ]31utstrom zugeffihrt. Pathogene~isch betrachtet, sind die Toxikodermien typische Idiosynkrasien (daher synonym: Arzneimis Die Kriterien der K6rperfremdheit des Idiosynkrasiogens, der Unabhangigkeit der Reaktionserscheinungen yon der Be- schaffenheit der ausl6senden Substanz, sind dabei weit- gehend erftillt (allerdings nicht durchaus, sonst kfnnten wir niche, wie auch J. JADASSOHN betont, haufig aus der Form des Ausschlages die Art der Noxe diagnostizieren). Auch Sensibilisierung und Desensibilisierung werden h~tufig beob: achtet, die letztere sogar praktisch zur Prophylaxe ver- wendet. Ffir die Frage, ob die Toxikodermien als Antigen-Anti- k6rperreaktionen anzusehen sind, entscheidend ist auch hier der direkte Nachweis spezifischer Antik6rper. Frfihere Angaben fiber gelungene Llbertragungei~ des antik6rper- haltigen Serums auf Tiere haben sich niche als Stichhaltig erwiesen. Dagegen ist es in neuerer Zeit (vor allem t31BER- STEIN, ferner KIDNIGSTEIN-URBACH-STEINER, LEHNER-tlAJKA) gegliickt, die Existenz yon Antik6rpern durch die Prausnitz- Kfistnersche oder ihr analoge Versuchsanordnung sicher- zustellen, und zwar, soweit ich sehe, stets in Fallen, die (s0- weir sie daraufhin untersucht sind) auf das medikament6se Autigen mit einer Sofortreaktion antworten: Es dar{ aller- dings nicht verschwiegen werden, dab die Zahl der positiven Falle noch eine relativ geringe ist und dab den positiven Angaben auch negative gegentiberstehen. CocA z. t3. hatte hie ein positives Resultat; auch wir batten in einer aller- dings nictlt grol3en Reihe verschiedener Toxikodermien (Chinin, HE, Antipyrin) nut negative Resultate, wobei allerdings zu bemerken ist, dab keiner dieser Falte eine Sof0rtreaktion gab. Es erhebt sich hier die prinzipielle Frage, ob man unter solchen Umstanden berechtigt ist, nut die p0sitiven Resultate 7x

Allergie, Anaphylaxie und Idiosynkrasie in der Dermatologie

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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 7- J A H R G A N G Nr. 24 io . J U N I x928

0BERSICHTEN. ALLERGIE, ANAPHYLAXIE UND IDIOSYNKRASIE

IN DER DERMATOLOGIE.

Von

Prof. BRUNO BLOCH. Aus der Dermatologisehen Universit~itsklinik Ztirich.

(SchluB.)

Am n/~chsten der experimentellen Anaphylaxie steht zweifellos die Serumlcrankheit beim Menschen, da hier wie dort das Antigen durch ein artfremdes Eiweii3gemisch dar- gestellt wird. DaB durch Injektion yon artfremdem Serum beim 2r mit experimenteller Sicherheit eine spezifische Sensibilisierung hervorgerufen werden kann, steht nach den Versuchen v. PIRQUETS und ScHicxs, HOOKES und ~{ACKEN- ZIES U. a. auger Zweifel und ist neuerdings wieder in systema- tischen Untersuchungen yon SCHITTENHELM und TONIETTI, BIBERSTEIN und OSCHINSKY U. a. gezeigt worden. Dabei treten auch Antik6rper im Blute auf (Pracipitine). Aber diese gewissermaBen regulare (d. h. bei jedem Menschen erzielbare) Serumtiberempfindlichkeit lagt sich, wie u. a. noch niche publizierte Untersuchungen der Klinik (Sensibilisierung mit Meerschweinchenserum) dartun, nicht durch die Prausnitz- Kiistnersche Methode auf den normalen (niche sensiblen) tibertragen, d. h. es fehlt ihr der Prausnitz-Ktistnersche Antik6rper und die Sensibilisierten geben auch in der Regel keine Sofortreaktion.

Die eigentliche Serumkrankheit, wie sie sowohl uach Erst- als nach Reinjektionen beobachtet wird, kann m. E. mit dieser gesetzmal3igen Sensibilisierung niche ohne weiteres identifiziert werden. Ihr halter, im Gegensatz zu dieser, ent- schieden ein echt idiosynkrasisches Moment (in der klinischen Bedeutung des Wortes) an , das mfglicherweise nur auf quant i ta t iven (Intensit~Lts-) Unterschieden beruht und viM- leicht durch die in diesen Fgllen vieI stgrkere Sekretion freier Antik6rper bedingt ist. Die Mfglichkeit, dab auch da im Grunde genommen nur quanti tat ive Differenzen im Spiele sind, laBt sich allerdings nach den bisherigen Untersuchungen noch niche verneinen. Es ist nun in diesem Zusammenhang sehr interessant, dab (nach DE BESCHE, BIBERSTEIN und W. JADASSOHN) dabei Sofortreaktionen beobachtet werden und dab sich die l~berempfindlichkeit nach diesen Autoren sowie nach RAMEL (in 4 Fallen auf 16 Versuchspersonen) passiv fibertragen laBt. Wir stogen hier auf eineu sehr wichtigen Zusammenhang yon: Sofortreaktion, Vorhanden- sein des Prausnitz-Kfistnerschen Antik6rpers und passiver Ubertragbarkeit. Dieser Zusamulenhang wird uns noch weiterhin beschaftigen.

Die cutanen Symptome der Serumkraukheit sind bekannt- lich der Urticaria, oft sehr nahestehend resp. mit ihr identisch.

Schon aus diesem Grunde war es naheliegend, diese Dermatose in den Bereieh der Anaphylaxie zu ziehen. Das mugte um so aussichtsreicher erscheinen, als erfahrungs- gem/~B viele Urticariafalle nach GenuB yon eiweil3haltigen Nahrungsmittelu auftreten. In der Tat ist auch bei einer solchen zuerst yon BRVCK der passive Ubertragungsversuch mit Erfolg (auf das Meerschweinchen) ausgefiihrt worden. Auch hier setzt aber die entscheidende Wendung erst mit der Methode yon PRAUSNITZ-Kf3sTNER ein, die ja gerade bei einem Fall yon urticarieller Reaktion (gegen Fischfleisch) yon diesen Autoren gefunden wurde. Die Zahl der Urticaria- f~lle, in denen seither durch diese Methode spezifische Anti- k6rper und damit der Mlergische Charakter der Krankheit nachgewiesen wurde, ist recht bedeutend und mehrt sich noch immer. Damit ist endgtiltig bewiesen, dab die Idio- synkrasie, die sich in urticariellen Manifestationen dokumen-

Klinische Wochenschrift, 7. Jahrg.

tiert und in Form einer Sofortreaktion in Erscheinung tritt, auf einer Antigen-Antik6rperreaktion beruhen kann. Den Anstol3 zu dieser wohl zuerst von WOLFF-EISNER vertretenen Auffassung gab die Voraussetzung, dab die Antigene der Urticaria gleich wie diejenigen der Anaphylaxie eiweil3artiger Natur seien. Diese Voraussetzung trifft heute aber niche mehr zu; denn, wie V~'. JADASSOHN gezeigt hat, gelingt es bei passiv fibertragbaren UrticariafMlen, interessanterweise sogar bei Eieridiosynkrasie, die urticarielle 1Reaktion (beim primiir und passiv ~berempfindlichen) auch durch das eiweiBfreie Dialysat auszul6sen.

Die eigentlichen Toxikodermien (medikament6se Erup- tionen) sind mit der Urticaria dutch flieBende ~lberg/inge verbunden. Unterschiede sind vorhanden, aber weder quali- ta t iv noch durchgreifend. Die medikament6s-toxischen Dermatosen zeichnen sich vor der gew6hnlichen Urticaria durch eine st~trkere t3etonung des entztindlichen Momentes und daher durch eine gr613ere Intensi ta t und langere Per- sistenz der Efflorescenzen aus, die Reaktion greift tiefer in den Haushalt des Gewebes ein und ist niche fltichtig wie die Quaddel. Die aust6senden Noxen sind fast durchweg chemisch bekannte, einiach gebaute Stoffe -- Nichtproteine --, wah- rend bei der Urticaria eiweiBhaltige Nahrungsstoffe im Vordergrund stehen; jedoch kann sich auch die Arznei- dermatose als Quaddelausschlag aul3ern.

Der Sitz der pathologischen Vorg~inge ist subepidermal, im Gefal3-Bindegewebeanteil der Haut (LEWANDOWSKY, BLOCH, J. JADASSOHN, LEHNER-RAJKA U. a.). Doch kennen wir auch Toxikodermien (Salvarsan-, Hg-, Chinin-, Jod- usw. Dermatiden), welche die Epidermis in Mitleidenschaft ziehen (vgl. hamatogene Ekzeme). Toxikodermie wie Urticaria werden yon innen her ausgel6st; das reaktionsausl6sende Agens (Antigen) wird also der Haut mit dem ]31utstrom zugeffihrt.

Pathogene~isch betrachtet, sind die Toxikodermien typische Idiosynkrasien (daher synonym: Arzneimis Die Kriterien der K6rperfremdheit des Idiosynkrasiogens, der Unabhangigkeit der Reaktionserscheinungen yon der Be- schaffenheit der ausl6senden Substanz, sind dabei weit- gehend erftillt (allerdings nicht durchaus, sonst k fnn ten wir niche, wie auch J. JADASSOHN betont, haufig aus der Form des Ausschlages die Art der Noxe diagnostizieren). Auch Sensibilisierung und Desensibilisierung werden h~tufig beob: achtet, die letztere sogar praktisch zur Prophylaxe ver- wendet.

Ffir die Frage, ob die Toxikodermien als Antigen-Anti- k6rperreaktionen anzusehen sind, entscheidend ist auch hier der direkte Nachweis spezifischer Antik6rper. Frfihere Angaben fiber gelungene Llbertragungei~ des antik6rper- haltigen Serums auf Tiere haben sich niche als Stichhaltig erwiesen. Dagegen ist es in neuerer Zeit (vor allem t31BER- STEIN, ferner KIDNIGSTEIN-URBACH-STEINER, LEHNER-tlAJKA) gegliickt, die Existenz yon Antik6rpern durch die Prausnitz- Kfistnersche oder ihr analoge Versuchsanordnung sicher- zustellen, und zwar, soweit ich sehe, stets in Fallen, die (s0- weir sie daraufhin untersucht sind) auf das medikament6se Autigen mit einer Sofortreaktion antworten: Es dar{ aller- dings nicht verschwiegen werden, dab die Zahl der positiven Falle noch eine relativ geringe ist und dab den positiven Angaben auch negative gegentiberstehen. CocA z. t3. hatte hie ein positives Resultat; auch wir bat ten in einer aller- dings nictlt grol3en Reihe verschiedener Toxikodermien (Chinin, HE, Antipyrin) nu t negative Resultate, wobei allerdings zu bemerken ist, dab keiner dieser Falte eine Sof0rtreaktion gab.

Es erhebt sich hier die prinzipielle Frage, ob m a n unter solchen Umstanden berechtigt ist, nu t die p0sitiven Resultate

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zu berficksichtigen, d. h. aus ihnen allgemeinverbindliche Schliisse ftir die ganze Krankheitsgruppe zu ziehen. Das w~re ohne weiteres gestattet, wenn wit die Ursachen der Fehlschl~ge, z. ]3. durch M~Lngel der Methodik, klarstellen k6nnten. Solange aber das nicht zutrifft und wir bei an- scheinend analogen F~llen und mit der gleichen Versuchs- anordnung tells positive, tells negative Ergebnisse erhalten, wird man sich (was letzten Endes Temperamentsache ist) auch vorsichtiger ausdrficken k6nnen. Der abwartende Standpunkt liege sich im Beispiel der Toxikodermien etwa so ausdrficken: Der ganze Habitus und Verlauf der toxiko- dermatischen Idiosynkrasien deutet darauf hin, dab ihrer Entstehung der Mechanismus einer echten Antigen-Anti- k6rperreaktion zugrunde liegt. In einer Reihe yon Einzel- f~llen ist diese Annahme durch den direkten Nachweis der spezifischen Antik6rper als richtig erwiesen. Es mug zu- kfinftiger Forschung fiberlassen bleiben, ob die negativen Ergebnisse auf methodische M~ngel oder besondere Um- st~nde (z. B. Blutentnahme in einem ungeeigneten Zeitpunkt) zu erkl~ren sind, oder ob neben dem allergischen noch ein anderer, vorl~ufig uns vollst~ndig unbekannter Entstehungs- meehanismus vorkommt.

Das Ekzem nimmt in den monographischen Darstellungen der allergischen I~2rankheits~uBerungen und auch in den wissenschaftlichen Originalarbeiten, soweit sie nicht yon dermatologischer Seite stammen, einen sehr schmalen Platz ein. Das ist sehr merkwfirdig; denn es ist die weitaus h~ufigste und vielleicht auch typischste Form der Idiosynkrasie beim Menschen. Zum Teil mag das auch daran liegen, dab die experimentelle Erzeugung und das Studium des Ekzems auf der Tierhaut bis in die jfingste Zeit aussichtslos erschien.

Die alte Dermatologie betrachtete, unter dem EinfluB der Krasen- und Diathesenlehre, das Ekzem als eine cutane ~uBerung einer Stoffwechsel-(S~tfte-)anomalie. An dieser An- schauung halten heute noch nicht nur der gr6Bte Teil der Laienwelt, sondern viele J~rzte und ganze Dermatologen- schulen zAh lest, und das, trotzdem alle Versuche, eine solche Stoffwechselst6rung wissenschaftlich exakt zu fassen, immer wieder Schiffbruch erlitten haben. Es ist daher be- greiflich, dab sich die Anschauung, welche die Pathogenese dieser vielumstrit tenen Dermatose auf ciner ganz neuen Grundlage aufzubauen trachtet, nur langsam und unter Widerst~nden durchzusetzen vermag.

Es geht bier, kurz ausgedriickt, um die eine Frage: Ist daa Ekzem, in toto oder wenigstens teilweise, eine aUergische, au] einer Antigen-AntikSrperwechselwirkung beruhende Reaktion?

F~llt die Antwort positiv aus, so hat damit das jahr- hundertalte Suchen nach einer spezifischen Stoffwechsel- st6rung, die ffir die Entstehung des Ekzems verantwortlich w~re, jeden Sinn verloren. Es kann dann h6ehstens noch die Frage aufgeworfen werdcn, ob unter den mannigfachen Ekzemantigenen auch Substanzen vertreten sind, welche im Stoffhaushalt des K61"pers gebildet werden.

Das Problem der Ekzempathogenese muBte so lange auf dem toten Punkte verharren, als alle ekzemat6sen und ekze- matiformen Hauterscheinungen, die nachweislich dutch be- kannte, definierte, exogene Noxen verursacht werden, unter dem Druck der Krasen- und Stoffwechseltheorie, automatisch als ,,arte]izielle Dermatitiden" yon der Domhne des eigentlichen Ekzems (der,,Elczematose") ausgeschaltet wurden. Es ergab sich die eigentfimliche Situation, dab man identische Krankheits- zust~nde nach diesem Verfahren trennte und das Nicht- wissen zu einem Einteilungsprinzip erhob. Ein und die- selbe Hautver~nderung (z. t3. ein Primel-, ein Odol-, ein Pelzekzem) galt als echtes Ekzem, solange man fiber die Ursache im Dunkeln war, um in dem Augenblick, da sie erkannt wurde, in die Rubrik der artefiziellen Dermatit iden hinfiberzuwandern. Objektive, prinzipielle Unterscheidungs- merkmale zwischen dem , ,Ekzem" und der ekzematoiden, artefiziellen Dermatit is gibt es n~mlich, wie auch J. JADAS- SOHN und PINKUS anerkennen, nicht, weder in klinischer noch in pathologisch-anatomiseher Hinsicht (mit der Ein- schr~nkung vielleicht, dab -- sehr begreiflicherweise -- die Entzfindungserscheinungen bei der direkten ~iuBereu Einwir-

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kung einer ekzematogenen Noxe akuter und heftiger aus- fallen). All das, was objektiv fiir das Ekzem charak- teristisch ist, bis zur Ausbildung der chronischen Lieheni- fikation, l~Bt sich experimentell durch cutane Sensibili- sierung (z. ]3. mit Primeln) erzeugen.

Das Unhaltbare dieser Situation t ra t unl so deut!icher zutage, je mehr s Noxen in ihrer urs~chlichen Be- deutung ftir ekzemat6se Ver~nderungen erkannt wurden. Die Zahl solcher FMle w~chst nun aber zweifellos mit der zunehmenden Industrialisierung und ist auBerdem in sehr hohem MaBe abh~ngig yon der Sorgfalt, mit der man die Erforschung der exogenen Ursachen in jedem einzelnen Falle betreibt. In dem Material unserer Klinik iibertrifft sie z. ]3. die Ekzeme mit unbekannter (,,endogener") J~tiologie be- tr~ichtlich.

Der Fortschri t t setzte in dem Moment ein, da man sich der Wesensgleichheit der verschiedenen Ekzemformen be- wuBt wurde und, ohne Rficksicht auf eventuelle endogene Ekzemursachen, in das Studium des Verhiiltnisses zwischen ekzematogenem Reiz und ekzemat6ser Rcaktion sich ver- tiefte.

Mit Hilfe der yon mir in ganz systemati~cher Weise an einem groBen Ekzematiker- und Kontrollmaterial durch- geffihrten ]unktionellen Prii]ungen (die schon JADASSOHI~ vorgeschlagen hatte) stellte sich nun als erstes wichtiges Resultat heraus, dab wit im Ekzem eine typische idiosyn- krasische Reaktion zu erblicken haben, die sich yon den bereits besprochenen urticariellen und erythemat6s-entzfind- lichen Reaktionen nur durch den Sitz der Entzfindung, d. h. durch die Beteiligung der Epidermis an der Reaktion unter- scheidet. Diese Mitbeteiligung der Epidermis -- anatomisch ersichtlich an der Spongiose, Acanthose, Parakeratose, funktionell an dem refrakt~ren Verhalten der Schleimh~ute gegenfiber den ekzematogenen Noxen (vgl. J. JADASSOHN beim Jodoformekzem) -- bedingt, klinisch und histologisch, das Besondere des ekzemat6sen Krankheitsprozesses.

Die Haut der Ekzematiker unterscheidet sich nach meinen Untersuchungen yon derjenigen der Normalen durch ihre gr6Bere Empfindlichkeit, d. h. sie reagiert, wcnn sie mit einer Reihe yon Testsubstanzen (als solche werden Stoffe wie Primeln, Formol, Hg, Chinin usw. angewandt, die erfahrungsgem~B h~ufig Ekzeme ,,verursachen") in Berfihrung kommt, viel h~ufiger -- etwa 7real so h~ufig -- als die Haut Gesunder mit einer ekzemat6sen Entzfindung. W~hrend ferner die Ekzematikerhaut in etwa der H~lfte der F~lle auf mehrere ekzematogene Substanzen reagiert (Polyvalenz), tut das die normale nut in einem Viertel der (fiberhaupt) positiv reagierenden F~ille (drei Viertel sind monovalent).

E i n Ekzem entsteht immer dann, wenn eine -- ekzematogene -- Substanz mi t einer au] sie idiosynlcrasisch cingestellten, d. h. ]iir sie emp]indlich.en Haut in Kontalct kommt.

In der weitaus gr6Bten Zahl der Fhlle finder der Kontakt yon auBen auf die Haut start. Es kann aber, wie ich zuerst experimentell gezeigt habe, auch die endogene Zufuhr eines Idiosynkrasiogens (Chinin, Jcd usw.) ein in diesem Falle also hdmatogenes Ekzem ausl6sen. Das letztere ist im Hin- blick auf die vielfach angenommene Entstehung yon Ek- zemen dutch resorbierte N~hrstoffe, Stoffwechsel- und hor- monale Produkte wichtig. Es ist klar, dab eine Haut, die eine Idiosynkrasie ffir viele, weitverbreitete, exogene, oder gar ftir endogene, im K6rperhaushalt gebildete Stoffe besitzt, viel leichter und h~ufiger ekzemat6s erkrankt und viel eher Rezidiven unterworfen ist als eine ffir ein einziges, viel]eicht noch dazu selten vorkommendes Agens (monovalent) sensible. Doch k6nnen auch in letzterem Falle immer wieder rezi- divierende, hartn~ckige Ekzeme entstehen, wenn, zuf~llig oder beruflich (z. ]3. Primelekzem beim G~irtner, Ipecacuanha beim Apotheker, Formol beim Anatomen), immer wieder ein Kontakt erfolgt.

Die Zahl der Substanzen, die ekzematogen wirken k6nnen, ist, in Analogie zu den anderen Arten der Idiosynkrasie, un- beschr~nkt grog, ihre Konsti tution fiir die Form der Reaktion ohne Bedeutung. Es handelt sich, wie bei den Arzneiderma-

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rosen, fast ausschlieBlich mn Nichtproteine. Wie abet ge- wisse Arzneimittel kaum je, andere mehr oder minder selten, wieder andere relativ hliufig Toxikodermien verursachen, so liil3t sich aueh bei den ekzemausl6senden Stoffen eine Skala von nie oder ilur ganz ausnahmsweise bis zu sehr hi~ufig ekzematogen wirkenden Substanzen aufstellen.

Ffir die Frage, ob eine Substanz ekzematogen oder toxiko- dermatogen wirkt, ist vor allem ihre Beschaffenheit, dann aber auch die Art der Zufuhr yon 13edeutung. Es gibt Stoffe, die nut Ekzeme, andere, die nur Toxikodermien oder urti- carielle Reaktionen erzeugen. Auf der 13asis der Allergielehre e rk l i r t sich das so, dab sic zu versctfiedenen Zellelementen der Haut Affinit~it besitzen, d. h. in ihnen spezifische Anti- k6rper zu erzeugen verm6gen. Andere Stoffe rufen beim einen Menschen ein Ekzem, beim anderen eine Toxikodermie, eine Urticaria, ein Asthma, selten zugleich bei ein und dem- selben Individuum mehrere verschiedene klinische Reak- tionsformen hervor.

Zweifellos ist aber auch die Form der Applikation (der Zufuhrweg) yon Bedeutung. Ekzemat6se Reaktionen sind in der Regel Folgen cutaner, erythemat6s-exsudative (und urticarielle) Folgen transcutaner (mit Umgehung der Haut gesetzter) Applikationen (stomachal, Injektion usw.). Wie es abet auf der einen Seite Stoffe gibt, welche (z. B. Ascariden- extrakt) ganz auBerordentlich h~iufig urticarielle (Sofort-) und bronchiale (asthmaoide) Reaktionen, nie (auch nicht bei cutaner Applikation) Ekzerne erzeugen, so kennen wir auf der anderen Seite Substanzen, welche nut ekzematogene F~ihigkeiten besitzen, und zwischen ihnen stehen solche mit dem Verm6gen, beim gleichen Individuum oder bei ver- schiedenen Personen, bald die, bald jene idiosynkrasische 1Reaktion oder auch mehrere zugleich ins Leben zu rufen (Ipeca- cuanha, Chinin, Salvarsan, Schuppen, Haare, Ursol, Pollen U. a. In.).

Alle diese Tatsachen und noch manche andere (z. 13. die Tatsache, dab gewisse Individuen oder Sippen eine besondere Neigung haben, auf alle m6glichen Substanzen und mit allen m6glichen Idiosynkrasieformen zu reagieren) lassen sich zweifellos auf dem 13oden der Allergielehre -- und soviel ich sehe, einstweilen nur auf diesem -- einfach und zwanglos deuten. Die Frage ist nur die, ob wir tats~tchtich berechtigt sind, diese hiufigste Idiosynkrasie, das Ekzem, als eine wahre allergische Reaktion anzusehen.

DaB manches in der Klinik des Ekzems -- Sensibilisations- und Desensibilisationserscheinungen, Herdreaktionen, Spezifi- t~it der Reaktionen, Unabh~ingigkeit des manifesten Krank- heitsprozesses vom ausl6senden Agens usw. -- daffir, die aproteine Natur der Ekzematogene zum mindesten nicht da- gegen spricht, braucht nicht nochmals hervorgehoben zu werden.

Wie steht es abet mit dem direkte~ Naehwei8 yon An t i - k frpern beim Ekzem ?

Es lag natfirlich nahe, auch bier die Prausnitz-Kfistnersche Versuchsanordnung anzuwenden. Die Ergebnisse sind aber bis je tz t recht sp~rlich. Es linden sich wohl positive An- gaben (BIBERSTIglN, PERUTZ, URBACH-STEINER, LEHNER- RAJKA, KONIGSTEIN), aber es ist zum mindesten nicht aus- zuschlieBen, dab (wenigstens in einem Tell der positiven Fille) neben der ekzemat6sen eine urticariell-exsudative l~-ber- empfindlichkeit (ira Sinne einer urticariellen Sofortreaktion) vorlag, und dementsprechend ist auch die durch das Antigen beim Serumempfinger ausgel6ste Reaktion in der Regel eine urticarielle, nicht, wie man das ffir eine solche 13eweis- ffihrung (Obertragung der ffir die ekzemat6se Reaktion verantwortl ichen Antik6rper) verlangen muB, eine ekzemat6se Verinderung. Wir selber haben bei einer ganzen Anzahl yon Versuchen, Ekzeme nach der Prausnitz-Kfistnerschen Methode zu ,,fibertragen", nur Versager gehabt. Das ist auch ganz plausibel. Diese Methode scheint nur geeignet zur I~bertragung der Anfik6rper bei Sofortreaktionen ; das Ekzem ist aber keine urticarielle Sofortreaktion.

Damit ist selbstverstindlich noch durchaus nicht gesagt, dab das Ekzem nieht auf einer Antigen-Antik6rperreaktion beruht. Es w~ire m6glich, dab diese Antik6rper (die ja ganz

sicher in einer anderen Zellart der Haut gebildet werden mfissen als die Antik6rper urticariell-exsudativer Reaktionen) fest an die Zellen gebunden sind und nie oder nut ausnahms- weise frei werden, wodurch die M6glichkeit ihrer l~bertragung und der passiven Sensibilisierung wegfiele. Es w~ire auch m6glich, dab der Versuch mit einer anderen, neuen Technik ge- lingen wfirde. Auf letzterem Gedanken fuBen die Methoden von KONIGSTEIN-URBACH (Verwendung des Inhalts kfinst- lich erzeugter Hautblasen start Blutserum) und LEI-INER- RAJKA (Verwendung yon Kaninchenohren stat t Menschen- haut als Testorgan), mit welchen eine Anzahl positiver Er-

.folge bei ekzemat6sen Idiosynkrasien von den Entdeckern erzielt worden sind. Eigene, allerdings sp~irliche Nach- prfifungen ergaben, mit Ausnahme eines Falles yon Jodoform- , idiosynkrasie, bisher keine verwertbaren Resultate. Die Ent- scheidung mug yon weiteren Untersuehungen erwartet werden.

Dagegen ist gerade im Gebiete des Ekzems auf andere Weise eine Ann~iherung an den allergischen Komplex zu- stande gebracht worden. Es ist gelungen, wenigstens in einem bestimmten Fall -- dem der Primelidiosynkrasie -- die Sensibilisierung im Experiment ganz nach 13elieben zu erzeugen.

V~'ie bereits hervorgehoben, schwankt die F~ihigkeit verschiedener Substanzen, idiosynkrasiogen, im speziellen Falle ekzematogen zu wirken, in sehr weiten Grenzen, mit anderen Worten die Disposition der menschlichen Hant, auf die Berfihrung mit einer Substanz, prim~ir oder nach mehr- maliger Einwirkung, ekzemat6s zu reagieren, ist -- auf die Gesamtheit der H~iute bezogen -- je nach der Natur des ekzematogenen Stories sehr verschieden groB. Von dem Giftsumach (Rhus toxic0dendron) z. t3. wissen wir, dab er bei sehr vielen Menschen Hautentzfindungen hervorruft ; die intensive und langdauernde 13eschgftigung mit Nickelsalzen 16st nach SCHITTENIIELM bei alien Beteiligten eine ekzem- artige Hautkrankhei t aus, und diese ~u l~iBt sich sogar, nach WALTHARD, bei manchen (nicht allen) Meerschweinchen demonstrieren. 13esonders klar und eindrficklich sind abet die yon mir angeffihrten Primelexperimente.

Die Primelkranlcheit ist, klinisch betrachtet, eine absolut tvpisehe Id iosgnk , aaie, an der nut die Haut (sehr selten a u c h die Schleimhaut), und zwar in Form einer ekzemat6sen Ent- zfindung, beteiligt ist. Nur eine relat iv kleine Zahl yon Individnen erkrankt, sei es bei der ersten (?) oder (was h~tufiger beobachtet wird) bei wiederholter 13erfihrung mit der Pflanze, dann aber racist sehr heftig, an einer sog. Primeldermatitis. V~Teitaus der gr613te Teil kann jahrelang oder zeitlebens un- gestraft mit Primeln hanfieren. ~Tenn dem nicht so w~ire, so mfiBten, bei der aul3erordentlichen Verbreitung der Pflanze, sozusagen alle G~irtner und die meisten Primelbesitzer Fkze- matiker sein. H~iufig finder sich die Empfindlichkeit gegen Primeln bei mehreren Gliedern derselben Familie (z. B. in einer eigenen 13eobachtung 5Iutter, 2 T6chter, 2 Enkel), die Anlage dazu kann offenbar vererbt werden. Die einmal vorhandene Empfindlichkeit bleibt zeitlebens bestehen. Kurz, wir haben es hier mit einem klassischen Fall eines anscheinend streng individnell gebundenen 1Reaktionstypus, mit einer echten Idiosynkrasie, zu tun.

Aber wenn man nun die Haut normaler Menschen start mit einem 131att mit einem ans der Pflanze hergestellten konzentrierten ~itherischen Ext rak t behandelt, so entsteht in alle~ FAllen an der Applikationsstelle eine -- 6fters sehr starke, blasige -- Reaktion, und nach dem Ablaufen dieser (oder eventuell einer zweiten und dritten) Reaktion erweist sich nun die ganze, mit dem Ext rak t nicht in 13erfihrung ge- kommene Hautdecke als empfindlich gegen die 13erfihrung mit Primeln. Diese ktinstlich erzeugte Empfindlichkeit unterscheidet sich in keiner Weise yon der spontanen Idio- synkrasie; sic kann sehr hochgradig sein nnd versehwindet; einmal entstanden, soweit die Erfahrung reicht, nicht mehr. Mit KARRER zusammen ist es mir weiterhin gelungen zu zeigen, dab der ffir die Idiosynkrasie verantwortliche Stoff -- das P r i m i n -- eine relat iv einfach gebante, von KARRZR in reinen Krystallen dargestellte organische Snbstanz (wahr-

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scheinlich ein Lacton) darstellt, das der Formel C~4H1803 oder C14H~003 entspricht und schon in sehr kleinen Mengen

- - x/50 mg -- beim experimentell Sensibilisierten sehr aus- gedehnte heftige Reaktionen auslLst. Neuerdings ist es uns ferner gelungen, mit dem Ext rak t auch Tiere zu sensibilisierei~ resp. bei ihnen ekzemat6se Ver~nderungen hervorzurufen.

Prinzipiell wichtig an diesen Versuchen ist nun folgendes: Es hat sich in einem speziellen Fall von Idiosynkrasie, der Idlosynlcrasie gegen Primeln, das Besondere, Charakteristische, das die Idiosynlcrasie vonder Allergie-Anaphylaxie auszeichnet und unterscheidet, experimentell ausschalten lassen. Die in- dividuell gebundene (,,qualitative") Realction ist zu einer ge- nerellen, quantitativen geworden, indem es gelungen ist, ~t~it einem sicher nicht eiweiflartigen Antigen, das man bis dahin als ein typisches Idiosynkrasiogen ansehen muflte, die Haut sgmtlicher Versuchspersonen ebenso sicher spezi]isch zu sen- sibilisieren, wie das im klassiseh anaphylaktischen Versuch beim Meerschweinchen oder bei der Tuberlculin- oder Vaccine- allergie der Fall ist.

Der ganze Vorgang -- die streng spezifische bleibende Sensibilisierung der Gesamthaut durch ein- oder mehrmalige Vorbehandlung eines kleinen, umschriebenen Hautbezirkes (,,Prim~raffekt") -- l~tBt kaum eine andere Deutung als die einer Antigen-AntikLrperreaktion zu.

Ftir den Sonderfall der Primelidiosynkrasie scheint damit, obwohl sich bis jetzt keine freien Antik6rper haben nach- weisen lassen (alle meine Versuche, solche direkt in vitro oder durch l~bertragung zu demonstrieren, waren negativ, w/~tlrend allerdings LEHNER-RAJKA ein positives Resultat -- bei l~bertragung auf Kaninchen -- angeben), das Problem gel6st: auch bei dieser typischen, sieher nicht dutch Eiweifi ausgeliisten ekzematLsen Idiosynkrasie ist der Mechanismus der Reaktion i~hnlich (vielleieht identiseh) dem allergischen, beruhend au] der Einwirlcung des Antigens au] den spezifisehen zellstdindigen AntilcLrper. Aber auch hier erhebt sich sofort die Frage, inwieweit wir b~rechtigt sind, einen solchen SchluB zu verallgemeinern und auf alle spezifischen mono- oder poly- valenten Ekzeme anzuwenden.

Im Verlaufe der bisherigen Untersuchungen war mehrfach die Rede von Asthma- und Heu]ieber. Obschon es sich bei diesen ZustAnden nicht um Erkrankungen der Haut handelt, ist es unm6glich, yon allergischen Dermatosen abzuhandetn, ohne sie zu berfihren.

Die Beriihrungspunkte sind tells klinischer Natur, indem, wie seit jeher bekannt und neuerdings immer wieder (so z. 13. durch die Untersuchungen yon RosT und KELLER) hervor- gehoben, Urticaria, Ekzem, Heufieber und Asthma, etwas weniger die Toxikodermien, auffallend h~ufig durch die gleichen Noxen hervorgerufen werden und beim gleichen Individuum zu gleieher Zeit oder in verschiedenen Perioden, zum Ausbruch kommen. Substanzen, welche derartige kombinierte Wirkungen haben k6nnen, gibt es in grol3er Zahl; ich nenne nur Chinin, Salvarsan, Ursol, Ipecacuanha, Pollen (und andere pflanzliche Produkte), ektodermale Be- standteile (Haare und Schuppen verschiedener Tiere), die sog. Klimaallergene (STORM VAN LEEUXVEN), EiereiweiB und andere Nahrungsbestandteile und manches andere.

In ihrer Pathogenese stellen Asthma und Heufieber, wie Ekzem, Urticaria usw., ganz typische Idiosynkrasien dar, welche alle Anforderungen, die wir an diesen Begriff stellen, restlos erfiillen. Noch viel deutlicher und vor allem viel regelm/igiger als bei den genannten Dermatosen t r i t t abet bei diesen Idiosynkrasieformen der allergische, auf Antigen-Antik6rperreaktion beruhende Charakter des Reak- tionsprozesses zutage. Diese bereits ~ltere Erkenntnis (WOLFF- EISNER, DUNBAR, PRAUSNITZ) ist auch in neuerer Zeit, in besonderem MaBe durch die Prausnitz-Ktistnersche Methode, bestiitigt und gef6rdert worden, ffir das Heufieber durch die Untersuchungen yon CocA und seiner Schule und W. JADAS- SOHN, Ii[ir das Asthma durch STORM VAN" LEEUWEN. Die l~ber- tragbarkeit und damit der sichere Nachweis des Antik6rpers ist beim Heufieber ganz regelmABig zu erbringen, obschon auch das Pollenantigen dialysabel und durch Eiweil3fermente

nicht zerst6rbar ist (Coc:t, \V. JADASSOmJ). Das gleiche (U'bertragbarkeit) ist nach den Untersuchungen yon STORM VAN LEEUW*EN und KREMER beim Asthma -- zum mindesten bei den yon ihnen untersuchten Asthmaallergenen -- der Fall.

CocA (und Mitarbeiter) sowie die letztgenannten Autoren haben ferner die wichtige Feststellung gemacht, dab bei der Mischung des Antigens mit dem dazugeh6rigen Antik6rper im Reagensglas sich die beiden K6rper nicht passiv ver- halten. Nach COCA (und W'. JAOASSOttN) biil3t dabei der Pollenantik6rper die F/ihigkeit zu tibertragen ein, nach STORM VAN LEEUWEN verliert das Asthmaallergen dadurch seine charakteristische Antigeneigenschaft, d. h. die Affinit~t zur antik6rperbesetzten Zelle, indem die Mischung beim aktiv Allergischen keine manifeste Reaktion mehr auszul6sen vermag.

Diese Verh/iltnisse sind nun auf meiner Klinik bei einer speziellen Idiosynkrasieform, der Asearidenidiosynlcrasie, yon Vq. JADASSOHN eingehend untersucht worden und haben zu Resultaten geftihrt, die mir ftir die Erkenntnis des allergischen Reaktionsmechanismus so wichtig erscheinen, dab ich einiges hier erw/ihnen will.

Es ist schon lange vor allem den Zoologen (GOLDSCHMIDT U. a.) bekannt, dab eine 1/ingerdauernde Besch/~ftigung mit Ascariden zum Teil sehr heftige idiosynkrasische Erschei- nungen, meist vom Heufieber- und Asthmatypus, zur Folge haben kann, des ferneren, dab solche Idiosynkrasiker auf Cutanimpfungen eines Ascarisantigens lokal reagieren und dab sich beim Meerschweinchen, das init dem Serum iiber- empfindlicher Menschen vorbehandelt wurde, Shockerschei- nungen ausl6sen lassen.

Aus unseren Untersuchungen geht einmal hervor, dab auch dieses Idiosynkrasiogen kein EiweiB, sondern dialysabel ist. Der Prozentsatz von (erwachsenen) Menschen, der sich bei der Cutanprtifung als sensibel erwies, ist ein auBerordent- lich hoher (zwischen dem 2. und 4 o. Lebensjahr ca. 8o% nach den Untersuchungen von HEGGLIN), SO dab wir auch bier, wenn wir auf das Zahlenverhi~ltnis als Kriterium ab- stellen, kaum mehr das Reeht haben, yon einer,,Idiosynkrasie" zu reden. Auffallend h~tufig und in ganz auffXlliger Intensit~t kam es, schon bei erstmaligem Kontakt oder nach wieder- holter Exposition, zu schwersten asthmaartigen Zust~nden, so dab schlieglich die weitere Bearbeitung des Materials vollst~ndig aufgegeben werden mul3te. Dabei sind schon kleinste Antigenmengen aul3erordentlich wirksam (z. t3. lang- anhaltendes Asthma nach Betreten eines Raumes, in dem frfiher Ascaridenmaterial gelegen hatte, universelle Urticaria nach der ersten Pirquetprobe mit dem Antigen usw.). Nie kam es zu ekzemat6sen Reaktionen; der idiosynkrasische Symptomenkomplex beschr~nkt sich auf urtiearielle, diffus entztindliche, heufieber- und asthmaartige Eruptionen.

Entsprechend der Ausl6sbarkeit einer Sofortreaktion bei dieser Asearidenidiosynkrasie l~tl3t sich nun bier mit der Prausnitz-Ktistnerschen Versuchsanordnung die Anwesen- heit spezifischer Antik6rper im Serum sicher und elegant demonstrieren. Genaue quant i ta t ive Untersuchungen yon Dialysat- (aus AscarisleibeshLhlenfKissigkeit) Serum (also Antigen-Antik6rper-) Gemischen in vitro haben nun ergeben, dab dabei eine Verbindung zwisehen Antigen und Anti- kLrper zustande kommt, bei der beide ihre charakteristische Funktion einbi~flen. Mit dem Gemisch 1Agt sich weder eine Reaktion bei dem (passiv oder prim~tr) Allergischen ausl6sen noch die F~higkeit, auf das Antigen zu reagieren, mehr passiv iibertragen. Damit ist zwischen den Befunden von COCA und STORM VAN" LEEUWEN eine Brficke geschla- gen. Es finder hier tatsAchlich, wie das schon EHRLICI~ ftir die Toxin-Anti toxinreaktion in so genialer ~Veise gezeigt hat, eine nur auf chemischem V~Tege vorstellbare spezifische Bindung (Neutralisation) zwischen Antigen und Antik6rper start, bei der das Antigen seine reaktionsausl6sende, der Antik6rper seine fibertragende FAhigkeit verliert. Das ist theoretisch -- und in seiner weiteren Auswirkung vielleicht auch praktisch -- gewiB yon hohem Interesse und ein weiteres Glied in der Analogiekette idiosynkrasischer und immunbiologisch -allergischer Reaktionen.

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Nach all diesen speziellen Ausfiihrungen komme ich nun wieder zurfick zu dem allgemeinen Ausgangspunkt fiir die vorliegenden Betrachtungen, der sich in die eine Frage fassen l~gt: Liegt dem biologischen Mechanismus der sog. idiosynkrasischen Dermatosen, Ekzem, Urticaria, ToxiIeodermie und nahverwandter Zustdnde wie Serumlcrankheit, Asthma und Heu]ieber eine echte Antigen-Antik6rperreaktion zugrunde? ~l i t anderer~ Worte~z, sind alle diese Krankheitsmani]estationen nichts anderes als Ausdruck und Folge der Realction eines Antigens mit seinem spezifischen, zellst(~ndige~ AntikSrper?

Ich glaube nun, die Zeit ist noch nicht gekommen, um auf diese Frage eine endgfiltige bejahende Antwort zu geben und a11e diese klinisch so verschiedenen Manifestationen in ihrer Pathogenese ohne weiteres zu identifizieren. Es sind, um nur einige der n~chstliegenden t3edenken anzuffihren, auch heute noch nur gewisse Gruppen und 13eispiele von Idiosynkrasien, deren Pathogenese als allergische Reaktion durch den direkten AntikSrpernachweis absolut sicher fest- gestellt ist. Bei vielen anderen ist eine solche Entstehungs- weise mehr oder minder, manchmal sogar sehr wahrscheinlich gemacht, aber noch nicht fiber jeden Zweifel erhaben, bei wieder anderen -- ihre Zahl und Bedeutung ist nicht gering -- mtissen wir einstweilen noch mit Analogieschlfissen fechten.

Die allergische Theorie sagt uns ferner an sieh nichts aus fiber die Ursachen und das \Vesen der individuellen Differenzen, den konstitutionellen Faktor, der aus dem Bild der Idiosynkrasien nicht weggedacht werden kann. Sie 1ABt uns fiber die Rolle des vegetativen Nervensystems, das in das Getriebe des idiosynkrasisch-allergischen Reaktions- komplexes oft so augenfMlig eingrelft [man denke nur an das Asthma oder die Urticaria!), vorl~ufig im Dunkeln (vgl. dazu die Untersuchungen von SCHITTENHELM und Mit- arbeitern sowie yon PERVTZ).

Die grol3en Unterschiede in der Lokalisation und im klinischen Verlauf zwischen den einzelnen allergisch-idio- synkrasischen Manifestationen, die uns eben deswegen am Krankenbett als ebenso viele streng geschiedene Krank- heitseinheiten imponieren, sind nach dieser Theorie be- dingt durch die Unterschiede der Sensibilisierbarkeit, die, je nach dem Individuum, dem Organ und dem Antigen wechselt, wobei der individuelle Faktor unter ganz be- sonders giinstigen, experimentellen Bedingungen (Primel, Nickel, Ascariden) ganz oder in hohem MaBe ausgeschaltet werden kann. Den eigentlichen Grund ffir diese im klinischen Bilde so sinnf~lligen Unterschiede vermag sie uns freilich nicht zu geben. Weshalb die einen Menschen auf ein Antigen mit Ekzem, andere mit einerToxikodermie, mit einer Urticaria, mit einem Asthma reagieren, weshalb das eine Antigen nur Asthma, Urticaria oder Rhinitis und Conjunctivitis, ein anderes nur Ekzeme, manche verschiedene oder alle Reak- tionstypen hervorzurufen verm6gen, bleibt uns verborgen. Denn die Aussage, der Grund liege darin, dab einmal die, das andere Mal jene Zellterritorien resp. Gewebe zur Anti- kSrperbildung auf ein spezielles Antigen bef~higt seien, ist mehr eine Umschreibung und n~here PrAzisierung der Tatsache als eine wirkliche Erkl~rung.

Diese Bedenken nnd M~ngel treten abet zurfick, gemessen an dem prinzipiellen Fortschritt , den nns die moderne Allergie- lehre ffir die Erkenntnis der idiosynkrasischen Ph~nomene ge- bracht hat. Sozusagen alle Untersuchungen der letzten Jahre konvergieren in der von keinem wie DOERR SO eindring- lich und zielbewuBt verfochtenen Richtung, in der idiosyn- krasischen Manifestation, mag sie sich klinisch wie i m m e r AuBern, dem Wesen nach eine an der Zelle sich abspielende Antigen-Antik6rperreaktion zu sehen. Die Beweise ffir eine solche Anschauung haben sich so gemehrt, dab es heute nicht meltr zu gewagt erscheint, yon einem in nicht zu ferner Zu- kunft liegenden Sieg dieser Richtung zu sprechen.

Ganz besonders klar und eindeutig liegen heute schon die Verh~ltnisse in all den FMlen, in denen durch die Praus- nitz-Kiistnersche Methode der direkte Nachweis spezifischer AntikSrper erbracht ist. Es ist d~s, wie wit gesehen haben, vor all~m diejenige Gruppe yon Idiosynkrasien, die sich --

bei der cutanen Impfung mit dem Antigen -- durch eine So]ortreaktion auszeichnet.

Es l~ge nahe, diese in ihrem Ctlarakter als reine Antigen- AntikSrperreaktion heute weitaus am besten gekl~irte Gruppe der ,,Prausnitz-Ki~stnerschen Idiosynkrasien", zu der Heu- fieher, Asthma, idiosynkrasische Serumkrankheit, die As- caridenidiosynkrasie, v ide Nahrungsidiosynkrasien (Fisch, Eier, Sellerie, Kamillen, Honig usw.) und auch manche Toxiko- dermien gehSren, als eine besondere Klasse aus dem groflen Heer der gesamten Idiosynkrasien herauszunehmen. Daft der Mecha- nismus dieser Idiosynkrasiegruppe ein allergischer, au] einer spezi]ischen Antigen-AntikSrperreaktion beruhender ist, kann auch der grSflte Skeptizismus nicht mehr bezweiJeln. Ffir das groBe Heer der fibrigen Idiosynkrasien ist das, wie ich in den vorhergehenden Darlegungen glaube gezeigt zu haben, heute noch nicht mit solcher Sicherheit zu behaupten, obschon die ganze bisherige Entwicklung in diese Richtung weist. Der Einzelforschung liegt hier noch ein groBes und wichtiges Feld brach.

Es soll aber damit nicht behauptet werden -- und ich halte es auch nach wie vor nicht ffir wahrscheinlich --, dab allen idiosynkrasischen Manifestationen auch im einzelnen ein v611ig gleicher Mechanismus zugrunde liege oder dab etwa gar die idiosynkrasische Reaktion identisch sei mit der Vaccine-Tuberkulin- und Trichophytinallergie sowie mit der antitoxischen Immunit~t. Gegen eine solche Unifizierung sprechen sowohl die klinischen wie die experimentellen Differenzen.

Es kann, um nur einige Beispiele anzuffihren, kein Zu- fall sein, dab die groBe Mehrzahl der ekzematogenen Antigene nur Ekzeme, aber ke ine Toxikodermien, Heufieber oder Asthma verursachen, dab Heufieberkranke nur selten an Pollenekzemen leiden, dab mit einem so eminent urticario- genen und asthmaogenen Stoff wie dem Ascaridenantigen sich kein Ekzem auslSsen 1ABt, dal3 in dem Bild der Serum- kranldleit das Ekzem fehlt usw. W'~hrend bei einem in unserer Klinik beobachteten Fall yon idiosynkrasischem Kamillenekzem sowohl die Sofortreaktion wie die 13ber- tragung nach PRAUSNITz-KOSTNER vollst~ndig negativ war, fielen in einem zweiten Fall der Klinik, der auf dasselbe Antigen mit einem urticariell-asthmoiden (d. h. vascul~ren) Symptomenkomplex reagierte, beide Proben positiv aus. Ebenso lieB sich zwar eine urticarielle Sofortreaktion auf Ipecacuanha nach PRAUSNITZ-Kf)sTNER fibcrtragen, nicht aber eine ekzematSse. Soleher Differenzen lieBe sich innerhalb der Idiosynkrasiegruppe sowohl im Klinischen als iln Ex= perimentellen noch eine Reihe aufz~ihlen. Sie mfissen letzten Endes auch auf Unterschieden in der Pathogenese beruhen und uns, unbeschadet des allgemeinen Prinzipes, davor be- wahren, die Erkl~rung aller Erscheinungen und Differenzen nur aus diesem einen Prinzip herauszulesen.

Es ist auch nicht etwa durch die Ein]i~hrung des allergischen Prinzipes das, was zur Au]stellung des Begri]]es Idioaynkrasie ge]i~hrt hat, aus der Welt gescha]]t.

Die Motive und Tatsachen, die -- nach rein klinischen Gesichtspunkten -- der Konzeption dieses Begriffcs zugrunde liegen, wfirden bestehenbleiben, selbst wenn sich alle Unter- schiede zwischen Normalen und Idiosynkrasischen, wie im Beispiel der Primeln und Ascariden, auf bloB quant i ta t ive Differenzen einer gemeinsamen Fundalnentalreaktion redu- zieren lieBen. Die individuellen und famililiren Unterschiede der Allergisierbarkeit, d. h. die vitale Funktion der Anti- k6rperproduktion, sind gegenfiber den natfirlich vorkommen- den (nicht experimentell variierten) Antigenkonzentrationen tats~ichlieh so weitgehend verschieden, dab uns ihr Resultat, die idiosynkrasische Reaktion, bei der vergleichenden Be- trachtung verschiedener Individuen, immer als etwas-,,quali- tativ" Verschiedenes erscheinen wird. Daran muB die kliniscb_e Pathologie festhalten. Und des ferneren daran, dab die F~ihigkeit, besonders leicht oder in besonderer Breite allergisch zu reagieren, eine individuell weitgehend verschicdene, kon- stitutionell bedingte und oft vererbte Eigenschaft darstellt. In diesem Sinne -- nicht aber in bezug auf den Mechanismus

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der Reak t ion -- h a t die yon CocA ver t re tene Zusammen- fassung mancher idiosynkrasischer Reak t ionen Ms , ,a topische" ihre Berecht igung.

Wicht iger Ms das Trennende ist aber zun~chst das Ge- meinsame. Entscheidend ist letzten Endes doeh der Nachweis, daft der Mechanismus so vieler und klinisch so diJJerenter Krankheitsprozesse, die wit als idiosynlcrasisehe bezeichnen, in dem Sinne zur Allergie resp. zur Immunbiologie geh6rt, als er eine ganz spezielle, dureh die chemische Reaktion zell]remder S~bstanzen (Antigene) mit den zugeh6rigen Antil~6rpern hervor- geruJene RealctionsJorm lebender Zellen darstellt. Diese eigen- artige, gewissen Organen des 5Ienschen in besonderem MaBe

zukommende Reak t ions fo rm ist es, welche die allergisch- idiosynkrasischen KranM~ei tsmanifes ta t ionen yon so vielen anderen pathologischen Prozessen unterscheidet ,

Ft i r die Dermatosen, die wir als idiosynkrasisch auffassen miissen, bedeu te t das zweifellos eine Bere icherung und Ver- t iefung der Erkenntnis , die n ich t hoch genug angeschlagen werden kann. Es wird dadurch Il icht nu r die Pathogenese einer Reihe yon H a u t k r a n k h e i t e n klarer und durchsichtiger , sondern die Beziehungen, welche die Haute rsche inungen mi t dem Ganzen verkniipfen, wieder viel enger, ohne dab man zu den rein spekula t iven Ideen der a l ten Krasen~ und Dia thesentheor ien zurt ickzukehren braucht .

ORIGINALIEN. 0 B E R B I L D U N G V 0 N A N T I R N C H I T I S C H E M VITA-

MIN U N T E R LICHTABSCHLUSS. Yon

A. SCHITTENHELM u n d B. EISLER. Aus der Medizinischen Klinik in Kiel.

Die Unte r suchungen yon HEss, ROSENHEIM, ~VINDAUS und POHL klfirten bzw. brachten die Fragen nach dell chemi- schen Eigenschaf ten des ant i rachi t i schen Vi tamins der L6sung nahe. Wir wissen nun, dab das Init u l t rav io le t ten Strahlen bes t rah l te Ergos ter in ant i rachi t i sch wirksam ist. Zugleich mi t dieser E n t d e c k u n g erhob sich die Frage, ob das Ergoster in mi t dem Vi tamin D ident isch ist oder ob es in der Na tu r noch andere Subs tanzen gibt, welche die Eigenschaf t haben, un te r be s t immten Bedingungen eine ant i rachi t i sche Wi rkung zu entfa l ten. Diese Frage ist heute zweifellos eine der Kardinal - f ragen der Vi taminforschung. Man kann wohl fragen, wodurch diese Frages te l lung bedingt oder berecht ig t sei. Wir glauben, dab nicht der Zweifel an der Ech the i t der Windaus-Pohlschen E n t d e c k u n g (tie Frage veranlal3t. Es sind abet wichtige An- zeichen da, die die These, dab nur das bes t rahl te Ergos ter in an t i rachi t i sch wirksaln sei, n icht ohne V~iderspruch lassen.

]3ekanntl ich lassen sich verschiedene Pf lanzen bzw. Pflan- zenbes tandte i le (BlOtter, Keime, Samen), verschiedenste Stoffe, die an und ftir sich ant i rachi t i sch unwirksam sind, du tch Bes t rah lung mi t u l t r av io le t t em Lichte, d. h. mi t St rahlen yon gewisser Wel lenlange akt iv ieren.

Falls die obengenannte These yon der alleinigen Wirksam- kei t des bes t rahl ten Ergosteri i ls zu Rech t besttinde, mi ig te man folgern, dab das Ergos ter in ei l tweder ubiquit t t r ist oder dab es auger dem Ergos ter in noch andere Subs tanzen gibt, die, m i t S t rahlen yon einer be s t immten \Vellenlgnge behandel t , ant i- rachi t isch wi rksam werden. Le tz te re SchluBfolgerung ist nnseres Erach tens n/iherliegend, denn es zeigen zahlreiche Be- funde, dab K6rper, die dem Ergos ter in nicht gleich sind, beztig- lich der ant i rachi t i schen W' i rksamkei t die gleiche Eigenschaf t haben, z. B. Digital igenin, Acetyldigi ta l igenin.

Die obige These enth~l t noch. den Begriff der Notwendig- kei t der E inwi rkung yon Strahlen einer gewissen Wellenl~nge bei dem En t s t ehen des ant i rachi t i schen K6rpers. Dieser Be- griff der Notwendigke i t der S t rah lene inwirkung geht in der L i t e ra tu r so weit, dab man fast al lgemein behaupte t , dab ohne die E inwi rkung yon u l t rav io le t ten St rahlen kein ant i rachi t i sch wi rksamer K6rper ents teht , m i t anderen Worten , dab die ant i rachi t i sche Wi rksamke i t gewissermal3en Ausdruck der t r ans formier ten Strahlenenergie sei. Diese Schlul3folgerungen wurden aus folgenden Beobach tungen gezogen : Nur bes t rahl te KSrper wirken ant irachi t isch, die Bes t rah lung atlein gentigt, um die Rachi t i s zu heilen, inak t ive K6rper werden durch Be- s t rah lung mi t u l t r av io l e t t em Lichte ant i rachi t i sch wirksanl.

Die Strahlen des sichtbaren Spektrums aktivieren bekanntlich das Ergosterin bzw. die inaktiven K6rper nicht. Sie ver~ndern aber das Ergosterin, wenn man zu Ausnutzung der Strahlenenergie Sensibilisatoren anwendet. WINDAUS, BRUCKEN, BI~RGI~AUID fanden n~tmlich, dab sich das Ergosterin im sichtbaren Spektrum in Gegenwart yon bestimmten Farbstoffen je nachdem, ob atmo- sphArischer Sauerstoff anwesend ist oder nicht, in Ergosterin- peroxyd oder Ergopinakon umwandelt.

F ragen wir uns nun, ob diese Beweise gentigen oder anders, ist die Strahlenenergie ftir die E n t s t e h u n g des Vi tamin D un- bedingt n6tig ?

Wir beschAftigten uns in Zusammenhang mi t anderen Unte r suchungen such mi t dem Vi tamingeha l t der Wurzel- keime yon Gerste (A. SCHITTENHELM und 13. EISLER 1928) und erhoben dabei den theoret isch und prakt i sch gleich wicht igen Befund, dab diese Keime neben dell Vi taminen A, B und E auch das Vi tamin D in nachweisbarer Menge enthal ten. Dieser Befund ist bei der Annahme, dab ftir die En t s t ehung des Vi tamin D Lichtenergie notwendig, ferner, dab das Ergoster in gleich denl Vi tamin D sei, schwer zu verstehen.

W'ir k6nnen heute dem, was wir bereits in unserer oben zi t ier ten Ver6ffent l ichung gesagt haben, noch hinzufiigen, dab in den VVurzelkeimen keine durch Lichtenergie ak t iv ie rbare Vorstufe (sog. Provi tamin) des ant i rachi t isch wirksamen K6rpers vo rhanden ist.

Unsere Versuche, die wir unter den verschiedensten Bedingungen in bezug auf die Lichtintensitat der Wirkungsdauer usw. anstellten, hatten das Ergebnis, dab die Bestrahlung nlit ultraviolettem Lichte keine Zunahme des antirachitisch wirksamen K6rpers bewirkt, dab im Gegenteil in bestimmten FMlen, namentlich wenn die t3elichtungs- dauer oder die LichtintensitXt zu groB war, eine Abnahme der \VirkungsstXrke, d. h. des Gehaltes an antirachitisch wirksamem K6rper der Wurzelkeime festzustellen ist.

Die Ke imung der Gerste geschah bei nnseren Untersuchun- gen im dunklen Ramne . Das Hinzu t r e t en von Licht wurde da- bei gewoll t gemieden. Von einer Wi rkung des Lichtes, be- sonders in e inem bes t immten Spektralbereich, kann un te r den gegebenen Bedingungen also nicht die Rede sein. Ergos ter in haben wit in den Wurze lke imen bis heute nicht finden k6nnen. Aus der Gerste, die zur Ke imung benu tz t wurde, ko lmten wir keinen ant i rachi t i sch wirksamen t (6rper darstellen. Da die Gerste, aus der unsere Keime gewonnen wurden, unwirksam ist, und die Lichtwirkung, besonders die Wirkung ul t ravio- le t ter Strahlen, ausgeschlossen ist, bleibt nur eine m6gliche Schlugfolgerung: das Vitamin D entsteht bei der Keim~ng.

Die wicht igen Unte r suchungen yon VOL'rz beweisen auch, dab das Vi t amin D ohne Mi twirkung der Lichtenergie ent- s tehen kann.

V6LTZ untersuchte die autirachitische \Virkung yon unter Aus- schlnB yon ultravioletten Strahlen bzw. Licht gewachsenem Gras (Lolium perenne) und land, dab das unter den obigen Bedingungen gewaehsene Gras antirachitisch wirksam ist. Die Samenk6rner yon Loliunl perenne sind nach eigener Beobachtung unbestrahlt voll- kommen unwirksanl. Der antirachitisch wirkende K6rper muff folglich wtihrend des VCachstums entstanden sein.

Das Ergebnis unserer Versuche und der Versuche yon V6LTZ er laubt die Schlugfolgerung zu ziehen, dab Jgr die Ent- stehung des antirachitischen K6rpers die Lichtenergie nicht un- bedingt notwendig ist. Ob nun der ant i rachi t i sch wirkei lde KSrper aus Ergos ter in en ts teh t oder, wie man es beim Digi- tMigenin v e r m u t e n kann, dem Ergos te r in s t ruk turchemisch nahesteht , l~igt sich heu te noch nicht entscheiden.

Es ble ibt wei teren Forschungen vorbehal ten , das P rob lem der E n t s t e h u n g des ant i rachi t i sch wirksamen K6rpers bei der Ke imung bzw. beim lichtlosen V~'achstum (V6LTZ) ZU 16sen.