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Allgemeine Chemie I (AC), HS 2011 Prof. A. Togni 1

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Allgemeine Chemie I (AC), HS 2011Prof. A. Togni

1

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Angaben des Rektorats, 15. August 2011*

8430

48

2247

Tot. 231

Anzahl Studierende

*

Beteiligte Studiengänge

Allgemeine Chemie: Bereits im ersten Semester disziplinär aufgeteilt

4

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Allgemeine Chemie I (AC)Lehrbetrieb – Thematischer Inhalt

Organisation des Lehrbetriebs

Vorlesung, Kommunikation / UnterrichtsevaluationUnterlagen (Download von pdf-Dateien via myStudies)Übungen (Betreuung in Gruppen durch Assistierende und Hilfsassistierende; Zuteilung alphabetisch)Lehrbuch (siehe unten)

Ionen-Gleichgewichte,hauptsächlich inwässriger Lösung

Inhalt

1. Einführung

– "Vorausgesetzte" Grundbegriffe und Grundkenntnisse

– Das chemische Gleichgewicht

2. Säuren und Basen

3. Redoxreaktionen

4. Komplexe

5. Fällungsreaktionen

5

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C. E. Housecroft & E. C. Constable

Chemistry: An Introduction to Organic, Inorganic and Physical Chemistry

4th Ed., Prentice Hall / Pearson, 2010ISBN-10: 0273733087 | ISBN-13: 978-0273733089

Das empfohlene Lehrbuch(auch für Allgemeine Chemie I (OC und PC))

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1. Einführung1.1. Grundbegriffe der Stöchiometrie

– Masse m, Molmasse M, Stoffmenge (Anzahl mol) n

– Avogadro-Zahl [NA (oder NL oder L) = 6.022·1023 Teilchen·mol–1]– Formulieren von Reaktionsgleichungen, Produkte/Edukte, Erhaltung der Masse,

stöchiometrische Koeffizienten, konstante und multiple Proportionen

– Lösungen, Konzentrationseinheiten für gelöste Stoffe

– Massenprozente: Gramm Substanz pro 100 g Lösung

– Molarität (1M = 1 mol⋅L–1): mol gelöster Stoff pro Liter Lösung

– Molalität: mol gelöster Stoff pro kg Lösungsmittel

– Molenbruch x: Quotient der Stoffmenge einer Komponente und der Summe der Stoffmengen aller Komponenten einer Mischung

Zur Avogadro-Zahl siehe: P. Becker, History and progress in the accurate determination of the Avogadro constant, Rep. Prog. Phys. 2001, 64, 1945.

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– Elementarteilchen (Elektron e–, Proton p, Neutron n) als Bestandteile von Atomen

– Elemente, Isotope (E Elementsymbol, A Massenzahl, Z Ordnungszahl)

– Periodensystem– Valenz, Valenzelektronen, Elektronenkonfiguration

– Ionen und Moleküle– Kovalente Bindung / ionische Bindung

– Oxidationsstufe (-zahl)

– Lewis-Formeln !

– Ideales Gasgesetz (p Druck, T absolute Temperatur, V Volumen, R = 8.314 J·K–1·mol–1, universelle Gaskonstante). Achtung! SI-Einheiten

1. Einführung1.2. Einige Grundkenntnisse

Siehe: 1) Übungsserie 1; 2) Housecroft & Constable, Chemistry, 4th Ed., Ch. 1, Some basic concepts, pp. 1-60.

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Beispiel: Schätzen Sie den CO2-Ausstoss pro Kilometer eines durchschnittlichen Autos (oder: Prüfen Sie anhand Ihres Allgemeinwissens die Angaben der Autohändler).

Aus den technischen Daten eines (beliebigen) Autos

Angaben aus: http://www.mini.ch/de/mini/one/information/index.html#cp_3

1. Einführung 1.3. Stöchiometrie: Schnelle Schätzungen sind wertvoll – Eine erste Übung

Ausführung an der Wandtafel

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1. Einführung1.4. Chemisches Gleichgewicht

Chemisches Gleichgewicht, Gleichgewichtskonstante, Aktivität

Siehe: Housecroft & Constable, Chemistry, 4th Ed., Chapter 16.1-16.3, Equilibria, pp. 539-547.Für eine detailliertere Beschreibung, siehe Allgemeine Chemie II (PC): Thermodynamik

Die Substanzen B, D, ... (Edukte) reagieren zu den Produkten G, H, ... Dabei stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht ein

(b, d, g, h,... stöchiometrische Koeffizienten) Bei konstanter Temperatur und Druck gilt die Gleichgewichtsbedingung

i: Produktej: Edukte

K ist die thermodynamische Gleichgewichtskonstante (dimensionslos) und

wobei ai die Aktivität ,γi der Aktivitätskoeffizient, mi die Molalität, ci die Molarität der Substanz i sind.mi0 = ci0 = 1 sind Standardkonzentrationen

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Die Aktivitätskoeffizienten sind von der Ionenstärke I nach der Debye-Hückel-Theorie abhängig (hier die einfachste Form der Abhängigkeit angegeben)

ci ist die molare Konzentration des Ions i mit der Ladung zi, A eine Konstante

Für verdünnte Lösungen (ci < 0.1 mol⋅L–1) sind die Aktivitätskoeffizienten γi ≈ 1Das ergibt eine entscheidende Vereinfachung:

Die Aktivitäten von reinen Stoffen – und somit auch von Lösungsmitteln von verdünnten Lösungen – sind definitionsgemäss = 1

Oder in der Notation, wo die molare Konzentration ci der Spezies i als [i] angegeben wird:

Der numerische Wert der molaren Konzentration wird für die Aktivität eingesetzt

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Für eine Tabelle mit Aktivitätskoeffizienten verschiedener Salze, siehe CRC Handbook of Chemistry and Physics

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2. Säuren und Basen Inhaltsverzeichnis

2.1. Definitionen

2.2. Wie schnell finden Protonenübertragungsreaktionen statt?

2.3. Die Eigendissoziation (Autoprotolyse) des Wassers und die Definition des pH

2.4. Strukturell charakterisierte Salze des solvatisierten Wassertoffions

2.5. Die Reaktion von schwachen Säuren und Basen in / mit Wasser – Dissoziationskonstanten

2.6. Berechnung von Gleichgewichtskonzentrationen für eine monoprotische Säure

2.7. Konjugierte Säure-Base-Paare, ihre pKa-Werte und ihre Stärke

2.8. Die pKa-Werte von H2O bzw. H3O+

2.9. Der Dissoziationsgrad α einer schwachen Säure HA ist konzentrationsabhängig

2.10. Verteilungsdiagramme ein-, zwei- und dreiprotoniger Säuren

2.11. Doppelt-logarithmische Verteilungsdiagramme (Sillén-Diagramme)

2.12. Puffer und Pufferlösungen

2.13. Titrationen und Titrationskurven

2.14. Ein ausführliches Beispiel (ehemalige Prüfungsaufgabe)

2.15. CurTiPot: Ein Excel spreadsheet für Berechnungen rund um den pH (freeware)

2.16. Faktoren, welche die Säurestärke beeinflussen / bestimmen

2.17. Lewis-Säuren

2.18. Aciditätsfunktionen und Supersäuren

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2. Säuren und Basen2.1. Definitionen

Die Brønsted-Lowry Definition:

Säure: eine Substanz, die H+-Ionen übertragen (abgeben) kann. ProtonendonatorBase: eine Substanz, die H+-Ionen aufnehmen kann. Protonenakzeptor

Säure-Base-Reaktionen sind Protonenübertragungsprozesse

Siehe: Housecroft & Constable, Chemistry, 4th Ed., Chapter 16.4-16.9, pp. 547-586.

Säure konjugierte Base

Base konjugierteSäure

HA + B A- + HB+

!

Je stärker eine Säure desto schwächer die konjugierte Base und umgekehrt.

Gleichgewicht(sbedingung):

K = [HB+]![A– ]

[HA]![B]

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2. Säuren und Basen 2.2. Wie schnell finden Protonenübertragungsreaktionen statt?

Protonenübertragungsprozesse sind sehr schnell, hauptsächlich in WasserZeitskala zur Einstellung des Gleichgewichts bei Raumtemperatur: Mikrosekunden (μs, 10–6 s), oder schneller.

Siehe: J. N. Butler, Ionic Equilibrium: Solubility and pH Calculations, Wiley, New York, 1998, pp. 5-6.Für ursprüngliche Experimente siehe: M. Eigen, Zeitschrift für Elektrochemie, 1960, 64, 115.

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2. Säuren und Basen 2.3. Die Eigendissoziation (Autoprotolyse) des Wassers und die Definition des pH

Wasser verhält sich sowohl als Brønsted-Säure wie als Brønsted-Base, es ist ein Ampholyt und hat eine konjugierte Säure (H3O+) und eine konjugierte Base (OH–)

H2O + H2O H3O+ + OH-

Kw = a(H3O+) · a(OH–) = 10-14 ≈ [H3O

+] · [OH–] (bei 25 ˚C)

Logarithmische Angabe: pKw = – log10 Kw = 14

Für reines Wasser gilt:

Definition des pH: pH = –log a(H3O+) ≈ – log [H3O

+] Der pH-Wert ist ein Mass für die Acidität der Lösung (Messung).pH = 7 neutrale LösungpH < 7 saure LösungpH > 7 basische Lösung

Akzeptierte Schreibweisen für H3O+: H+, H+

aq, H3O+, H3O+aq

pH + pOH = pKw

p ist ein "Operator":er bildet den negativen Logarithmus mit Basis 10 einer bestimmten Grösse

und:

[H3O+]= [OH– ]= Kw = 10–7M

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Der nivellierende Effekt des Wassers:H3O+ und OH– sind die stärkste Säure bzw. die stärkste Base, die in Wasser existieren können

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D. Zhang, S. J. Rettig, J. Trotter, and F. Aubke, Inorg. Chem. 1996, 35, 6113-6130.

Beispiel 2): [H3O][TiF5]

F. Cohen, H. Selig, R. Gut, J. Fluorine. Chem. 1981, 20, 349-356.

TiCl4

1) HF2) Sublimieren

TiF4 [H3O+][TiF5]HF, H2O

Vier Formen des solvatisierten Protons (Wasserstoff-Ion, H+) in Wasser sind bekannt:

H3O+, H5O2+, H7O3

+, H4O9+

Sie konnten jeweils als Salze isoliert und durch Röntgenbeugung an Einkristallen charakterisiert werden (Messung der Atomlagen).In Lösung findet sehr schneller Austausch statt (Mobilität von H+

in Wasser)

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2. Säuren und Basen 2.4. Strukturell charakterisierte Salze des solvatisierten Wassertoffions

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D. Mootz, M. Steffen, Z. Anorg. Allg. Chem. 1981, 482, 193-200.Siehe auch: D. Mootz, M. Steffen, Acta Cryst. 1981, B37, 1110-1112.

Beispiel 3): [H3O][BF4] Beispiel 4): [H5O2][BF4]

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R. Minkwitz, S. Schneider, A. Kornath, Inorg. Chem. 1998, 37, 4662-4665.

Beispiel 5): [H5O2][SbF6]

Reaction of Phosphorous Acid with HF/SbF5 and Formation of H5O2

+SbF6–.

In a 50 mL KEL-F reactor, 1.16 g (5.35 mmol) SbF5 was dissolved in 2 g of HF. The solution was frozen at –196 °C, 0.43 g (5.35 mmol) H3PO3 was added under an inert atmosphere (N2), and the mixture was warmed to –50 °C and kept for 2 h. No precipitation was observed. The excess of HF and the formed volatile materials were removed under dynamic vacuum at –78 °C. The remaining colorless solid was identified as H5O2+SbF6– by vibrational spectroscopy. It contained crystals suitable for X-ray diffraction studies. Infrared spectral data for H5O2+SbF6– (cm–1): 282 s, 666 vs,1028 s (br), 1657 s, 3420 s (br).

Beispiel 6): [H7O3][CHB11Br11]

C.-W. Tsang, Q.-C. Yang, T.C.W. Mak, Z.-W. Xie, Chin. J. Chem. 2002, 20, 1241-1248.

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Beispiel 7): [H9O4][CB11H6Br6]

Das [H9O4]+-Ion ist das so genannte Eigen-Hydroniumion und entspricht einer Trisolvatisierung von H3O+

Pyramidale O4-Einheit:O–O-Abstände sind im Bereich 2.51–2.53 Å und die O–O–O–Winkel im Bereich 103°–117°Gute Übereinstimmung mit ab-initio-BerechnungenNahezu lineare O–H–O-Wasserstoffbrücken

Z. Xie, R. Bau, C.A. Reed, Inorg. Chem. 1995, 34, 5403-5404.

Beispiel 8): [H(CH3OH)2][BF4]

Auch Methanol kann protoniert werden

D. Mootz, M. Steffen, Z. Anorg. Allg. Chem. 1981, 482, 193-200.

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Beispiel 9): Ein Salz des protonierten Diethylethers protoniert ein Trifluormethylierungsreagenz

R. Koller, K. Niedermann, A. Togni, noch unveröffentlichte Ergebnisse.

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2. Säuren und Basen 2.5. Die Reaktion von schwachen Säuren und Basen in / mit Wasser – Dissoziationskonstanten

Kb =[HB+]![OH– ]

[B]

Kb =[HB+]![OH– ]

[B][H+][H+]

= [HB+]!Kw[B]![H+]

= KwKa(HB+ )

Kw = Ka(HB+ )!Kb(B)

pKw = pKa(HB+ )

+pKb(B)

B + H2O HB+ + OH–Die Protonierung einer Base B durch Wasser

bzw. pKw = pKa(HA) +pKb(A– )

Zusammenhang zwischen der Dissoziationskonstante einer Säure und der Dissoziationskonstante der entsprechenden koniugierten Base.

Eine starke Säure HA (z.B. HCl, HNO3, HClO4) ist vollständig dissoziert: pH = –log[HA]zg

Eine starke Base B (z.B. NaOH, KOH) ist vollständig dissoziert: pH = pKw + log[B]zg

Reminder:

21

Die Dissoziation einer schwachen Säure HA

Die Ka- bzw. pKa-Werte dienen zur Charakterisierung der Säurestärke

HA + H2O A– + H3O+

oder HA A– + H+

Henderson-Hasselbalch- oder "Puffer"-Gleichung (siehe 2.12.)

Ka =[H+]![A– ]

[HA]

pKa = pH – log[A– ][HA]

pH= pKa + log[A– ][HA]

Gleichwertige Ausdrücke der Gleichgewichts-konstante einer Protonen-dissoziationsreaktion

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2. Säuren und Basen 2.6. Berechnung von Gleichgewichtskonzentrationen für eine monoprotische Säure

Definitionen, Erhaltungssätze:

[X]zg (zugegeben)

[X]tot

[X]

Anfänglich zugegebene Menge der Komponente X (bei der Zubereitung der Lösung), umgerechnet als Konzentration in der erhaltenen LösungGesamtkonzentration der Komponente X in irgendeiner Form. Die Summe aller Konzentrationen, in denen X vorkommtGleichgewichtskonzentration

Eine Säure HA wird in Wasser gelöst, ihre Konzentration sei [HA]zg

Erhaltungssätze

- für A: [HA]zg = [A]tot = [HA] + [A–]

- für H+: [H+]tot = [HA]zg – [OH–]zg

Protonenherkunfts-Gleichung:[H+] = [A–] + [OH–]

Im Gleichgewicht entspricht [H+] der Summe der Konzentrationen aller Spezies, die durch Deprotonierung entstanden sind. Subtrahiert werden Konzentrationen von Spezies, die durch Protonierung entstanden sind.

Alternativ kann eine Ladungsbilanz formuliert werden:

A verteilt sich auf zwei Formen, HA und A–

Alle zugegebenen Quellen von "sauren Protonen". OH–

zg entzieht Protonen

Beitragder Säure

Beitragdes Wassers

[Kationen]= [Anionen]!!

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Gesucht sind die Konzentrationen [HA], [A–], [H+] (und [OH–]) im Gleichgewicht.Drei Gleichungen für drei Unbekannte:

Ka =[H+]![A– ][HA]

[H+] = [A–] + [OH–] = [A–] +Kw/[H+][A]tot = [HA] + [A–]

Das würde eine kubische Gleichung in [H+] ergeben. Da das Lösen von HA einen pH im sauren Bereich ergeben wird (pH ≤ 5-6), kann der Beitrag des Wassers ([OH–]) meist vernachlässigt werden: [H+] = [A–]. Einsetzen ergibt eine quadratische Gleichung in [H+]:

ax2 + bx + c = 0

x1,2 =!b ± b2 ! 4ac

2a

Zur Erinnerung:Ka =[H+]2

[A]tot ![H+]

[H+]2 + Ka[H+] – Ka[A]tot = 0

[H+ ] =-Ka+ Ka

2 + 4 A[ ]tot !Ka2

Falls [H+] << [HA]tot vereinfacht sich die quadratische Gleichung zu:

Ka =[H+]2

[A]tot[H+ ] = A[ ]tot !Ka pH = 1

2(pKa– log[A]tot/zg )

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Beispiel: Essigsäure, CH3COOH (AcOH)gerechnet mit pKa = 4.7

Die Abweichungen zwischen den pH-Werten aus der Näherungsformel und aus der quadratischen Gleichung nehmen bei zunehmender Verdünnung zu

Die Näherungsformel ist nur im Konzentrationsbereich ca. 1> [HA]zg > 10–3 und / oder bei pKa-Werten ≥ 5 sinnvoll

Für eine Base B kann eine analoge Näherungsformel hergeleitet werden

Diese Näherungsformel kann für schwache Basen wie z. B. NH3 oder CH3COONa eingesetzt werden, mit ähnlichen Einschränkungen wie bei den Säuren

Für eine detaillierte Beschreibung einiger spezifischen Beispiele siehe: Housecroft & Constable, Chemistry, 4th Ed., pp. 548-560.

[HA]zgpH aus quadr.

Gleichung

10–1 2.85 2.853

10–2 3.35 3.360

10–3 3.85 3.881

10–4 4.35 4.446

10–5 4.85 5.136

pH = 12

(pKa– log[A]tot/zg )

pH = 12

(pKw + pKa(HB+ )

+ log[B]zg )

24

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Was sagen Lehrbücher dazu ? pKa(H2O) pKa(H3O+)

Oxtoby, Gillis, Nachtrieb, Principles of Modern Chemistry, 5th Ed., Thomson, 2002 14 0

Christen, Grundlagen der Allg. und Anorg. Chemie, 8. Auflage, Salle, 1985 14 0

Holleman, Wiberg, Inorganic Chemistry, Academic Press, 2001 14 0

Smith, March, Advanced Organic Chemistry, 5th Ed., Wiley, 2001 15.74 -1.74

Dickerson, Gray, Darensburg, Prinzipien der Chemie, 2. Auflage, de Gruyter, 1988 15.76 0

Anslyn, Dougherty, Modern Physical Organic Chemistry, University Science Books, 2006

15.7 -1.74

Riedel, Anorganische Chemie, de Gruyter, 1994 15.74 -1.74

Was gilt ?

H2O + H2O OH– + H3O+

H3O+ + H2O H2O + H3O+ K = 1

K = 10–14

Für einen Diskussionsbeitrag in der Literatur siehe: J.-L. Burgot, Analyst, 1998, 123, 409-410, und dort zitierte Literatur, insbesondere Artikel im J. Chem. Educ.

26

2. Säuren und Basen 2.8. Die pKa-Werte von H2O bzw. H3O+

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$"!#

$# %# &# '# (# )#

p[A]tot

Dis

sozi

atio

nsgr

ad α

der

Säu

re H

A

pKa = 2

5 4

3

7 6

2. Säuren und Basen 2.9. Der Dissoziationsgrad α einer schwachen Säure HA ist konzentrationsabhängig

Der Dissoziationsgrad auch einer schwachen Säure nimmt beim Verdünnen zu

Durch Einsetzen des [H+]-Ausdrucks aus der quadratischen Gleichung erhält man

Einsetzen und umformen

[A– ][HA]

= Ka[H+ ]

[A]tot = [HA] + [A–]

Aus folgt

[A– ][A]tot –[A

– ]= Ka[H+ ]

[A]tot

[A– ]!1= [H+ ]

Ka

1!

= [H+ ]Ka

+1 !=Ka

K a+[H+]

!=2

1+ 1+ 4[A]totKa

!=[deprot. Form]

[alle Formen]=

[A– ]

[A]tot

α ist hier ein Molenbruch

Starke Säuren (bzw. Basen) sind vollständig dissoziert. Für sie gilt:[H+] = [HA]zg bzw. [OH–] = [B]zg (siehe auch 2.5.)

Für schwache Säuren formuliert man einen Dissoziationsgrad:

Ka =[A– ][H+ ][HA]

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2. Säuren und Basen 2.10. Verteilungsdiagramme ein-, zwei- und dreiprotoniger Säuren

2.10.1. Mathematische Beziehungen für den Fall einer dreiprotoniger Säure H3A

H3A H2A– HA2– A3–

pKa1 pKa2 pKa3

Für das System:

gilt: ! 0 =[A3– ]

[A]tot

; !1 =[HA2– ][A]tot

; ! 2 =[H2A

– ]

[A]tot

; ! 3 =[H3A][A]tot

und ! 3 +! 2 +!1 +! 0 = 1

! 3 =[H3A][A]tot

= [H+]3

[H+]3 + Ka1[H+]2 + Ka1Ka2[H

+]+ Ka1Ka2Ka3

! 2 =[H2A

– ]

[A]tot= Ka1[H

+]2

[H+]3 + Ka1[H+]2 + Ka1Ka2[H

+]+ Ka1Ka2Ka3

!1 =[HA2– ][A]tot

= Ka1Ka2[H+]

[H+]3 + Ka1[H+]2 + Ka1Ka2[H

+]+ Ka1Ka2Ka3

! 0 =[A3– ]

[A]tot= Ka1Ka2Ka3[H+]3 + Ka1[H

+]2 + Ka1Ka2[H+]+ Ka1Ka2Ka3

Es kann gezeigt werden, dass:

Für eine ähnliche Behandlung einer zweiprotoniger Säure H2A siehe: Housecroft & Constable, Chemistry, 4th Ed., pp. 562-563.

28

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Verteilungsdiagramme (Englisch: speciation) ein- und zweiprotoniger Säuren als Funktion des pH-Werts

Diese Verteilungsdiagramme sind einfach-logarithmische Darstellungen der Molenbrüche α als Funktion der Dissoziationskonstante(n) Kai und von [H+] (pH)

Sie zeigen, welche Spezies bei welchem pH-Wert in relevanten Anteilen vorliegt (dominiert oder praktisch inexistent ist)

Die Kreuzpunkte zweier Kurven fallen beim entsprechenden pH = pKai-Wert

2. Säuren und Basen 2.10. Verteilungsdiagramme ein-, zwei- und dreiprotoniger Säuren

2.10.2. Graphische Darstellung

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

<— HiB B—>!

AcO–AcOH

Spezies-Verteilung für HOAc

αi pKa=4.75

pH 0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

<— HiB B—>!

HCO3–H2CO3 CO3

2–

Spezies-Verteilung für H2CO3

αi pKa1=6.35 pKa2=10.33

pH

29

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Verteilungsdiagramme dreiprotoniger Säuren als Funktion des pH-Werts

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

<— HiB B—>!

H3PO4 PO43–

HPO42–H2PO4

Spezies-Verteilung für H3PO4

αi

pKa1=2.16 pKa2=7.21 pKa3=12.32pH

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

<— HiB B—>!

HZi2– Zi3–H2Zi–H3Zi

COOHCOOH

OH

HOOCαi

Spezies-Verteilung für Zitronensäure (H3Zi)

pKa1=3.13

pKa2=4.76

pKa3=6.40pH

Die Existenzgebiete eines konjugierten (HA / A–)-Paars fallen bei H3PO4 in deutlich unterschiedlichen pH-Bereichen:

H3PO4 und H2PO4– können als

einprotonige Säuren, PO43– und HPO4

2– als einprotonige Basen behandelt werden. Nur ein Gleichgewicht ist relevant, die weiteren können vernachlässigt werden.

Bei der Zitronensäure fallen die Existenzgebiete eines konjugierten (HA / A–)-Paars in benachbarten pH-Bereichen:

H3Zi kann als einprotonige Säure und Zi3– als einprotonige Base behandelt werden (ein relevantes Gleichgewicht). Bei H2Zi– und HZi2– müssen zwei Gleichgewichte berücksichtigt werden.

30

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Verteilungsdiagramme zweiprotoniger Säuren mit stark überlappenden Puffergebieten

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

<— HiB B—>!

H2Fu HFu– Fu2–

COOH

HOOC

Spezies-Verteilung für Fumarsäure

αi

pKa1=3.02 pKa2=4.38pH

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

<— HiB B—>!

H2Tya+

HTya

Tya–

HO

NH3+

Spezies-Verteilung für Tyramin

αi

pKa2=10.52pKa2=9.74pH

Die Existenzgebiete der zwei konjugierten (HA / A–)-Paare fallen bei der Fumarsäure im sauren Bereich sehr nahe beieinander.

H2Fu kann trotzdem als einprotonige Säure und Fu2– als einprotonige Base behandelt werden, mit einem relevanten Gleichgewicht.

Lösungen von HFu–, solange nicht allzu verdünnt werden pH ≈ ½ (pKa1 + pKa2) aufweisen.

Die Existenzgebiete der zwei konjugierten (HA / A–)-Paare fallen bei Tyramin im basischen Bereich sehr nahe beieinander.

H2Tya kann trotzdem als einprotonige Säure und Tya2– als einprotonige Base behandelt werden, mit einem relevanten Gleichgewicht.

Lösungen von HTya, solange nicht allzu verdünnt werden pH ≈ ½ (pKa1 + pKa2) aufweisen.

31

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-14

-13

-12

-11

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Bei pH < 3 dominiert AcOH

Bei pH > 6 dominiert AcO–

Bei pH ≈ 1.7 ist [AcOH] / [AcO–] = 1000

Bei pH ≈ 8.7 ist [AcOH] / [AcO–] = 0.0001

pKa = 4.75

H+OH– pKa

AcOH

AcO–

Verteilung der Spezies für 1M CH3COOH

log

[Spe

zies

]

pH

Puff

erge

biet

2. Säuren und Basen 2.11. Doppelt-logarithmische Verteilungsdiagramme (Sillén-Diagramme) – a) CH3COOH

32

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Bei pH < 5.5 dominiert H2CO3

Bei 7.5 < pH < 9.5 dominiert HCO3–

Bei pH > 11.5 dominiert CO32–

Die H2CO3- und HCO3–-Kurve

kreuzen sich bei pH = pKa1 = 6.35

Die HCO3–- und CO3

2–-Kurve kreuzen sich bei pH = pKa2 = 10.33

Die H2CO3- und CO32–-Kurve

kreuzen sich bei pH = ½(pKa1+ pKa2) = 8.34

Bei diesem pH erreicht [HCO3–] ein

Maximum

pKai = 6.35; 10.33Getrennte PuffergebietepH = pKai ± 1(siehe 2.12.)

2.11. Doppelt-logarithmische Verteilungsdiagramme (Sillén-Diagramme) – b) H2CO3

-14

-13

-12

-11

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

H+OH– pKa1 pKa2

HCO3– H2CO3CO3

2–

Verteilung der Spezies für 1M H2CO3

log

[Spe

zies

]

pH

Puff

erge

biet

Puff

erge

biet

33

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Bei pH < 1 dominiert H3PO4

Bei 3 < pH < 6 dominiert H2PO4–

Bei 8 < pH < 11 dominiert HPO42–

Bei pH > 13 dominiert PO43–

Die H3PO4- und H2PO4–-Kurve

kreuzen sich bei pH = pKa1 = 2.15

Die H2PO4–- und HPO4

2–-Kurve kreuzen sich bei pH = pKa2 = 7.20

Die HPO42–- und PO4

3–-Kurve kreuzen sich bei pH = pKa3 = 12.35

Die H3PO4- und HPO42–-Kurve

kreuzen sich bei pH = ½(pKa1+ pKa2) = 4.68

Die H2PO4–- und PO4

3–-Kurve kreuzen sich bei pH = ½(pKa2+ pKa3) = 9.78

pKai = 2.16; 7.21; 12.32Getrennte PuffergebietepH = pKai ± 1

2.11. Doppelt-logarithmische Verteilungsdiagramme (Sillén-Diagramme) – c) H3PO4

-14

-13

-12

-11

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

H3PO4

H2PO4–

PO43–

HPO42–

pKa1

pKa2

pKa3

H+OH–

Verteilung der Spezies für 1M H3PO4

log

[Spe

zies

]

pH

Puff

erge

biet

Puff

erge

biet

Puff

erge

biet

34

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pKai = 3.13; 4.76; 6.40Überlappende PuffergebietepH = pKai ± 1

Bei pH < 1.5 dominiert H3Zi

Bei pH > 8 dominiert Zi3–

Bei pKa1 < pH < pKa3 kann keine der vier Spezies H3Zi, H2Zi–, HZi2–, Zi3– vernachlässigt werden

2.11. Doppelt-logarithmische Verteilungsdiagramme (Sillén-Diagramme) – d) Zitronensäure

-14

-13

-12

-11

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

pKa1 pKa2 pKa3

HZi2–

Zi3–

H2Zi–

H3ZiH+

OH–

Verteilung der Spezies für 1M Zitronensäure (H3Zi)

log

[Spe

zies

]

pH

Puffergebiete

35

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-14

-13

-12

-11

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

[HiCO3]tot

HCO3– H2CO3CO3

2–

H+OH–

pH

Der Punkt zeigt die Kreuzung der [H+]- mit der [HCO3

–]-Kurve, d.h. er fällt bei einem pH-Wert, wo [H+] = [HCO3

–]

Dies entspricht der Lösung des Problems der Ermittlung des pH-Werts einer H2CO3-Lösung

Die Vernachlässigung der zweiten Deprotonierung wird auch graphisch legitimiert:

[CO32–]<< [HCO3

–], d.h [CO3

2–] ist vernachlässigbar und somit die zweite Deprotonierung

2.11. Sillén-Diagramme für beliebige Konzentrationen e) Die Möglichkeit der graphischen Ermittlung des pH-Werts einer Lösung

36

log

[Spe

zies

]

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-14

-13

-12

-11

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

HCOOH

H+OH–

pH

HCOO– NH4+

NH3

2.11. Sillén-Diagramme für beliebige Konzentrationen f) Beispiel: Die Ermittlung des pH-Werts einer 0.01M Lösung Ammoniumformiat [NH4][HCOO]

NH4+ NH3 + H+

HCOOH HCOO– + H+

Beim Lösen von Ammoniumformiat in Wasser stellen sich zwei Gleichgewichte ein:

pKa=3.75

pKa=9.24

Erhaltungssatz:

[NH4+] + [NH3] = [HCOO–] + [HCOOH]

und [NH4+] = [HCOO–]

bzw. [NH3] = [HCOOH] (siehe )

Das Lot vom roten Punkt auf die pH-Achse ergibt pH = 6.5

log

[Spe

zies

]37

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Wenn die Zugabe einer kleinen Menge Säure oder Base zu keiner (oder nur geringen) pH-Änderung führt, dann ist die entsprechende Lösung gepuffert.

Pufferlösungen enthalten ein konjugiertes Säure-Base-Paar.

Für solche Lösungen, die durch Zugabe von HA und A– hergestellt wurden, gilt:

pH= pKa + log[A– ][HA]

! pKa + log[A– ]zg

[HA]zg

und bei [HA]zg = [A–]zg pH ≈ pKa

Für die Berechnung bzw. Herstellung von Pufferlösungen siehe Übungen bzw. Praktikum

Henderson-Hasselbalch- oder "Puffer"-Gleichung

Pufferwirkung: Der Eintrag von H+ wird durch A– und der Eintrag von OH– durch HA neutralisiert, ohne dass das Verhältnis [A–]/[HA] wesentlich verändert wird. Bedingung [OH–]zg, [H+]zg < [A–], [HA]

Puffergebiet: Der pH-Bereich pH = pKa ± 1 (0.1< [A–]/[HA] <10) wird als Puffergebiet eines konjugierten Säure-Base-Paars bezeichnet.

2. Säuren und Basen 2.12. Puffer und Pufferlösungen

38

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0.00

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05

0.06

0.07

0.08

0.09

0.10

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

β

pH

Puffergebiet

Die Pufferkapazität β wird definiert als

cA und cB stellen die Einträge an starker Säure HCl bzw. starker Base NaOH dar in einer Pufferlösung bestehend aus dem Säure-Base-Paar HA / A–

Für ein solches System gilt der allgemeine Ladungserhaltungssatz[H+] + [Na+] = [A–] + [OH–] + [Cl–] mit cA = [Cl–] und cB = [Na+]Daraus und aus den Gleichgewichtsbedingungen Ka und Kw ergibt sich:

! = !cB!pH

= ! "cA!pH

Für eine ausführliche Behandlung siehe: E.T. Urbansky, M.R. Schock, J. Chem. Educ. 2000, 77, 1640.

Beispiel: Essigsäure / Acetat-Puffer[A]tot = 0.1M, pKa = 4.75

Die maximale Pufferkapazität wird bei pH = pKa erreicht

39

cB =[A]totKa[H+]+ Ka

+ Kw[H+]

![H+]+ cA

!cB![H+]

= ! [A]tot Ka([H+]+ Ka )

2 !Kw

[H+]2!1

pH = ! log[H+]= ! ln[H+]

ln10 ;

dpH = ! 1ln10

! d[H+]

[H+] ; d[H+]dpH

= ! ln10 ![H+]

! = !cB!pH

= !cB![H+]

! d[H+]

dpH= ! ln10 ![H+]

dcBd[H+]

! = ln10 ! [A]tot Ka[H+]

([H+]+ Ka )2 ! Kw

[H+]![H+]

!"#

$%&

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Titration: Analytisches Verfahren zur Bestimmung des Säure-, Base-, ... Gehalts einer Lösung

Beispiel: Titration einer starken Säure (HCl) mit einer starken Base, NaOH (Lauge):– Anfangsvolumen der Säure V0 (10 mL)– vorgelegte Säure [HA]zg (0.1M, 0.01M oder 0.001M)– Konzentration der Lauge [OH–]Vorrat (0.1M, 0.01M

oder 0.001M)– zugefügtes Volumen Lauge ∆V

pH = 7 beim Äquivalenzpunkt gilt nur für eine starke Säure !

0  

1  

2  

3  

4  

5  

6  

7  

8  

9  

10  

11  

12  

13  

14  

0   1   2   3   4   5   6   7   8   9   10   11   12   13   14   15   16  

0.1M HCl titriert mit 0.1M NaOH

0.01M HCl titriert mit 0.01M NaOH

0.001M HCl titriert mit 0.001M NaOH

Äquivalenzpunkt

pH

ΔV (mL)

Titrationen von 10 mL 0.1 M, 0.01M und 0.001M HCl mit 0.1M, 0.01M, 0.001M NaOH

2. Säuren und Basen 2.13. Titrationen und Titrationskurven – a) Starke Säure mit starker Base

40

[OH– ]zg =!V

!V +V0[OH– ]Vorrat

Neutralisationsgrad a =n(OH– )zg

n(HA)zg

=[OH– ]zg

[HA]zg

a = 1 beim Äquivalenzpunkt

für a <1: [H+ ]= [HA]zg "[OH– ]zg

für a = 1: [H+ ]= 10–7M

für a >1: [OH– ]= [OH– ]zg "[HA]zg

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2.13. Titrationen und Titrationskurven – b) Schwache Säure (AcOH) mit starker Base

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

pH

ΔV (mL)

0.1M AcOH titriert mit 0.1M NaOH

0.001M AcOH titriert mit 0.001M NaOH

0.01M AcOH titriert mit 0.01M NaOH

Titrationen von 10 mL 0.1 M, 0.01M und 0.001M AcOH mit 0.1M, 0.01M, 0.001M NaOH

Puffergebiet

Feststellungen:

die drei Kurven sind im Puffergebiet weit-gehend überlappend: pH ≈ pKa bei a = 0.5

sie weisen aber unterschiedliche pH-Werte beim jeweiligen Äquivalenzpunkt auf

die Situation am Äquivalenzpunkt entspricht einer Lösung von A–

[A]tot = n(A)zg / (V0 + ΔV(a=1))

pH am Äquivalenzpunkt:

8.66

8.20

7.73

41

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Titration von 10 mL 0.1 M Säure mit 0.1 M NaOH

Titration von 10 mL 0.1 M konjugierte Base mit 0.1 M HCl

mL 0.1 NaOH

pH

mL 0.1 HCl

pH

2.13. c) Titrationskurven verschiedener Säuren bzw. konjugierter Basen mit starker Base bzw. starker Säure

Zuordnung der Kurven: In beiden Titrationsserien nimmt der pKa-Wert von unten nach oben zu

OH

SCH3OH

CNOH

CHO

NH

CH3

CH3

NH

HN

HO

COOH

HOCOOH

OHCOOH

FCOOH

F

F

FpKa=0.52

pKa=2.59

pKa=3.52

pKa=4.51

pKa=5.53

pKa=6.58

pKa=7.61

pKa=8.61

pKa=9.53

42

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2.13. d) Titrationskurven zweiprotoniger Säuren.

Titration von 10 mL 0.1 M H2SeO3 mit 0.1 M NaOH

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14

0 5 10 15 20 25 mL 0.1 M NaOH

pH

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14

0 5 10 15 20 25

Titration von 10 mL 0.1 M Fumarsäure mit 0.1 M NaOH

mL 0.1 M NaOH

pH

Feststellungen:

Bei H2SeO3 sind deutlich zwei “pH-Sprünge” zu erkennen, bei a=1 (pH = 5.34) und a=2 (pH = 10.21).

Die zwei pKa-Werte (2.64 und 8.28) liegen genügend weit auseinander, dass die Puffergebiete nicht überlappen

Bei der Fumarsäure erkennt man einen einzigen pH-Sprung bei a=2, pH = 8.32

Die zwei pKa-Werte (3.02 und 4.38) liegen zu nahe beieinander und die zwei Puffergebiete gehen somit ineinander über

COOH

HOOC

43

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2.13. e) Titrationskurven dreiprotoniger Säuren.Titration von 10 mL 0.1 M H3PO4 mit 0.1 M NaOH

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14

0 5 10 15 20 25 30 35 mL 0.1 M NaOH

pH

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14

0 5 10 15 20 25 30 35

Titration von 10 mL 0.1 M Zitronensäure mit 0.1 M NaOH

mL 0.1 M NaOH

pH

Feststellungen:

Bei H3PO4 sind deutlich zwei “pH-Sprünge” zu erkennen, bei a=1 (pH = 4.58) und a=2 (pH = 9.34).

Die Werte von pKa1 und pKa2 (2.02 und 6.94) liegen genügend weit auseinander, dass die Puffergebiete nicht überlappen

pKa3 = 11.96 ist zu hoch, um noch einen Sprung ergeben zu können

Bei der Zitronensäure erkennt man einen einzigen pH-Sprung bei a=3, pH = 9.06

Die drei pKa-Werte (2.91, 4.32, 5.73) liegen zu nahe beieinander und die drei Puffergebiete gehen somit ineinander über

44

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0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

0 5 10 15 20 25 30

pH

a=0.5 a=1 a=1.5 a=2 a=2.5

pH=pKa1

pH=pKa2

pH=pKa3

pH=½(pKa1+pKa2)

pH=½(pKa2+pKa3)

log[Spezies]

2.13. f) Titrationskurve und Sillén-Diagramm – 1M H3PO4 titriert mit 1M NaOH45

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2.13. f) pH-Indikatoren

pH-Indikatoren sind konjugierte Säure-Base-Paare, die sich in ihrer Farbe unterscheiden.

O

O

HO

OH

O

COO–

HO

+ H2O H3O+

Beispiel:Phenolphthalein

farblos pink

Siehe: Housecroft & Constable, Chemistry, 4th Ed., p. 579.Für eine Zusammenstellung von pH-Indikatoren siehe: CRC Handbook of Chemistry and Physics

HIn + H2O In– + H3O+

Ka( In) =[In– ][H+]

[HIn] ; pKa( In) = pH ! log [In– ]

[HIn]Umschlagsbereich:

0.1" [In– ][HIn]

"10 ; pH # pKa( In) ±1

46

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2. Säuren und Basen 2.14. Ein ausführliches Beispiel (ehemalige Prüfungsaufgabe)

Berechnungen für eine zweiprotonige Säure und graphische Interpretation

Captopril ist ein Medikament gegen hohen Blutdruck. Die Struktur ist hier gezeigt. Für diese Verbindung werden in der Literatur zwei pKa-Werte angegeben: pKa1 = 3.7 und pKa2 = 9.8. Es handelt sich also um eine diprotische Säure. Eine Patientin nimmt eine Tablette von 50 mg Captopril ein. Nehmen Sie an, dass der Wirkstoff vollständig im Blut der Patientin (ca. 5 Liter, pH = 7.4) aufgenommen wird.

N

O SHCH3

COOH

Captopril (M = 217.29 g·mol–1)A) Ordnen Sie die zwei pKa-Werte den entsprechenden sauren

funktionellen Gruppen zu.

B) Berechnen Sie die Konzentrationen von Captopril (H2A) und seiner einfach- bzw. zweifach deprotonierten Form (HA– bzw. A2–) im Blut der Patientin.

Mit einer weiteren Tablette (ebenfalls 50 mg) Captopril stellen Sie eine wässrige Lösung von 100 mL her. Diese Lösung titrieren Sie mit 0.01 M NaOH. Dabei erhalten Sie die abgebildete Titrationskurve.

C) Warum zeigt die Titrationskurve einen einzigen „pH-Sprung“? Wie müsste man vorgehen, um den „fehlenden“ Sprung auch noch beobachten zu können? Geben Sie eine kurze Erläuterung.

D) Berechnen Sie den pH-Wert beim Equivalenzpunkt

Hinweis: Nehmen Sie zuerst eine Schätzung vor und treffen Sie sinnvolle Annahmen.

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60

pH

Vol. 0.01 M NaOH

47

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48

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49

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0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60

Vol. 0.01 M NaOH

pH Titrationskurve bei 10-facher Konzentration und 0.1 M NaOH

Ursprüngliche Titrationskurve mit 0.01 M NaOH

50

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-14

-13

-12

-11

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

H+OH– pKa1 pKa2

H2Capt HCapt– Capt2–

Verteilung der Spezies für Captopril

log

[Spe

zies

]

pH

Lösung der Captopril-Aufgabe mittels Sillén-Diagramm, Teil b)

log[Capt]tot

Da der pH-Wert bei 7.4 fixiert ist (Puffer), können die Konzentrationen aller Spezies als Kreuzpunkte der jeweiligen Kurve mit der roten vertikalen Linie bei pH = 7.4 abgelesen werden:

[H2Capt] = 10–8.15 = 7.1·10–9

[Capt2–] = 10–6.7 = 2.0·10–7

[HCapt–] = [Capt]tot = 4.6·10-5

51

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Lösung der Captopril-Aufgabe mittels Sillén-Diagramm, Teil d)

Beim pH-Wert des ersten Äquivalenzpunkts liegt Captopril hauptsächlich als HCapt– vor. Der entsprechende pH-Wert ist deshalb

pH = ½ (pKa1 + pKa2) = 6.75

[H2Capt] = [Capt2–] = 10–5.75

= 1.8·10–6

[HCapt–] = [Capt]tot = 1.87·10–3

≈ 10-2.75

-14

-13

-12

-11

-10

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

H+OH– pKa1 pKa2

H2Capt HCapt– Capt2–

Verteilung der Spezies für Captopril

log

[Spe

zies

]

pH

log[Capt]tot

52

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http://www2.iq.usp.br/docente/gutz/Curtipot_.html

2. Säuren und Basen 2.15. CurTiPot: Ein Excel spreadsheet für Berechnungen rund um den pH (freeware)

53

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2. Säuren und Basen 2.16. (Qualitative) Faktoren, welche die Säurestärke beeinflussen / bestimmen

Allgemein: Faktoren, die die Stabilität der konjugierten Base erhöhen, bewirken eine Erhöhung der Säurestärke

1. Die Oxidationsstufe des Zentralatoms bei Hydroxido(oxido)säuren (Oxosäuren) erhöht die Polarisierung der OH-Bindung und die höhere Anzahl O-Atomen stabilisiert die konjugierte Base durch Delokalisierung der negativen Ladung

Die empirische Bell’sche Regel zur – groben – Abschätzung des (ersten) pKa-Werts für eine Säure der allgemeinen Zusammensetzung EOn(OH)m: pKa ≈ 8 - 5n

Die Abnahme der pKa-Werte innerhalb einer Gruppe bei gleich bleibenden n und m (z. B. HClO4, HBrO4, HIO4) kann auf die abnehmende Elektronegativität des Zentralatoms zurückgeführt werden

Siehe: C. E. Housecroft & A. G. Sharpe, Anorganische Chemie, 2. Auflage, Pearson, 2006, S. 185

54

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Siehe: C. E. Housecroft & A. G. Sharpe, Anorganische Chemie, 2. Auflage, Pearson, 2006, S. 185

2. Die abnehmende E-H Bindungsstärke bei zunehmender Ordnungszahl erklärt den abnehmenden pKa1-Wert in der Serie:

H2S (pKa1 =7.04); H2Se (pKa1 =3.9); H2Te (pKa1 =2.6)

(hier kann nicht mit Elektronegativität argumentiert werden)

3. In der Serie der Wasserstoffhalogenide HF, HCl, HBr, HI nimmt die Säurestärke zu und HF ist deutlich die schwächste Säure: pKa

(HF) =3.2, pKa(HCl, HBr, IH) < 0 (hier kann ebenfalls nicht mit Elektronegativität argumentiert werden)Der Effekt ist thermodynamischer Natur (siehe Tabelle).

Zusätzlich bildet HF sehr starke Wasserstoffbrücken: Schwächung der Säure Die Polarisierbarkeit der Halogenidionen (Mass für die Deformierbarkeit der Elektronenhülle) nimmt mit dem Ionenradius zu: Stabilisierung der konjugierten Base

55

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Siehe Organische Chemie

4. Die Bildung von intramolekularen Wasserstoffbrücken kann bei Carbonsäuren relevante pKa-Verschiebungen hervorrufen. Beispiel: Fumar- und Maleinsäure

COOH

HOOC

COO–

HOOC

COO–

–OOC

pKa1=3.02 pKa2=4.38

COOHHOOC COO––OOCpKa1=1.92 pKa2=6.23

O O

O OH

Fumarsäure

Maleinsäure

5. Der negative induktive Effekt (-I, Elektronenzug durch σ-Bindungen) erhöht die Stärke einer Carbonsäure. Der Elektronenzug, hervorgerufen durch elektronegativen Substituenten, vermindert die Elektronendichte am Sauerstoffatom und stabilisiert die konjugierte Base.

COOH COOH COOH COOH

Br

Br

Br

Br

pKa=2.97 pKa=4.01 pKa=4.59 pKa=4.71

Brompentansäuren

pKa=4.75

H3C–COOH

pKa=2.87

H2ClC–COOH

pKa=1.35

HCl2C–COOH

pKa=0.66

Cl3C–COOHChloroessigsäuren

56

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Siehe Organische Chemie

6. Die Elektronendelokalisation (Resonanz / Mesomerie) kann die konjugierte Base stabilisieren und erhöht somit die Säurestärke. Dies ist der Fall beispielsweise bei Derivaten der Benzoesäure oder des Phenols mit Nitro-Substituenten.

pKa=4.20

COOH COOH

NO2

pKa=3.43

COOH

NO2

pKa=1.43

NO2

COOH

NO2

pKa=0.65

NO2O2N

pKa=9.99

OH OH

NO2

pKa=7.15

OH

NO2

pKa=4.07

NO2

OH

NO2

pKa=0.42

NO2O2N

Nitrobenzoesäuren

Nitrophenole

Benzoesäure

Phenol

Pikrinsäure

57

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2. Säuren und Basen 2.17. Lewis-Säuren

58

Nach dem Säure-Base-Begriff von Brønsted-Lowry (1923) müssen Säuren Wasserstoff-verbindungen sein (Abgabe eines H+-Ions), während Basen ein freies Elektronenpaar besitzen müssen (zur Aufnahme eines H+-Ions)

Eine Erweiterung / Verallgemeinerung des Säure-Base-Begriffs geht auf Lewis zurück (ebenfalls 1923):

Eine Lewis-Säure ist ein Teilchen – neutrales Molekül oder Ion – mit einer unvollständig besetzten äusseren Elektronenschale (Valenzschale), das von einem anderen Teilchen ein Elektronenpaar aufnehmen kann, wobei eine neue (Kovalenz)Bindung entsteht.

Eine Lewis-Säure ist ein Elektronenpaar-Akzeptor

Entsprechend ist eine Lewis-Base ein Elektronenpaar-Donor.

(da zur Aufnahme eines H+-Ions eine Brønsted-Base ein freies Elektronenpaar besitzen muss, ist eine Unterscheidung zwischen Brønsted- und Lewis-Basen hinfällig)

F

BF F

+H

NHH B N

FF

F

H

HH

Beispiel:

Lewis-Säure Base

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2.17.1. "Hard and Soft Acids and Bases" (HSAB-Principle)

59

Das HSAB-Prinzip ist eine nützliche Klassifizierung von Lewis-Säuren (hier nur erwähnt)

Siehe: 1) R. G. Pearson, Chemical Hardness, Wiley-VCH, 1997.2) R. G. Pearson, J. Chem. Educ. 1968, 45, 581-587. 3) R. G. Pearson, ibid. 1968, 45, 643-648.

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pH = − log(aH+ ) =µH+0 − µH+

2.3 ⋅ RT≈ − log[H+ ]

μ bezeichnet das chemische Potential, siehe Thermodynamik

*

*

602. Säuren und Basen

2.18. Aciditätsfunktionen und Supersäuren

Grundsätzliche Bemerkungen

Die Aktivität des Protons aH+ ist die physikalische Grösse, mit der die Acidität eines

Mediums angegeben werden kann. aH+ wird beispielsweise elektrochemisch bestimmt

Der pH ist nur für verdünnte (wässrige) Lösungen (ca. < 0.1 M) ein sinnvolles Mass, um die Acidität zu charakterisieren.

Bei höheren Konzentrationen und/oder hohen Ionenstärken bzw. in nicht-wässrigen Medien sind die Aktivitätskoeffizienten der gelösten Spezies nicht mehr ca. ≈ 1 und der Solvatationszustand des Protons ist unterschiedlich.

Für konzentrierte und nicht-wässrige Medien soll nicht mehr aH+ als Mass verfügbarer

Protonen die Acidität darstellen, sondern eher die Fähigkeit, etwas zu protonieren.

Mögliche Fragen

Wie wird die Acidität einer reinen oder hoch konzentrierten Säure (z.B. H2SO4) charakterisiert ?

Wie verändert sich die Acidität einer Säure in Abhängigkeit vom Lösungsmittel ?

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AH A– + H+Ka

BH+ B + H+KHB+

pKa = log[HA][A–]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟+ log γ HA

γ A–

⎝⎜

⎠⎟ + pH

pKHB+ = log[HB+][B]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟+ log

γ HB+

γ B

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟+ pH

Ka =[A– ][HA]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

γ A–

γ HA

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟aH+

KHB+ =[B][HB+]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

γ B

γ HB+

⎝⎜

⎠⎟ aH+

Zur Erinnerungai : Aktivität der Spezies iγ i : Aktivitätskoeffizient der Spezies iDebye-Hückel-Gl: logγ i = −A ⋅ zi

2 I

Ionenstärke: I = 12

cizi2

i∑ (ci ist die molare Konz. des Ions i mit der Ladung zi )

61

2.18.1. Zwei Deprotonierungsgleichgewichte

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Die erste experimentell etablierte Aciditätsfunktion ist H0 und ist auf einer Serie von substituierten Anilinium-Ionen basiert.

H0 ≡ logγ HB+

γ B

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟+ pH bzw. pKBH+ = log [HB+]

[B]⎛⎝⎜

⎞⎠⎟+ H0

H– ≡ log γ HA

γ A–

⎝⎜

⎠⎟ + pH bzw. pKa = log [HA]

[A– ]⎛⎝⎜

⎞⎠⎟+ H–

Definitionen

Siehe: a) L. P. Hammett, A.J. Deyrup, J. Am. Chem. Soc. 1932, 54, 2721-2739. b) L.P. Hammett, Chem. Rev. 1935, 16, 67-79. Für eine neueste Diskussion siehe: R.M. Pagni, Found. Chem. 2009, 11, 43-50.

62

2.18.2. Die zwei meist verwendeten Aciditätsfunktionen

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pKHB1+ − pKHB2+ = log[HB1

+][B1]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟− log [HB2

+][B2]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟+ log

γ HB1+

γ B1

⎝⎜

⎠⎟ − log

γ HB2+

γ B2

⎝⎜

⎠⎟

pKHB1+ − pKHB2+ = log[HB1

+][B1]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟− log [HB2

+][B2]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

NH3

NO2

NH3

NO2

2

1

63

2.18.3. Die Methode der überlappenden Indikatoren

Die ursprüngliche Methode von Hammett und Deyrup zur H0-Bestimmung

Die pKHB+-Werte für beispielsweise m-Nitroanilinium (1; 2.45) und p-Nitroanilinium (2, 1.11) lassen sich in verdünnter wässriger Lösung bestimmen. Für acidere Aniliniumionen ist dies allerdings nicht mehr möglich.

[HB+]/[B]=10 lässt sich photometrisch für p-Nitroanilinium in 5% H2SO4 bestimmen, sodass, anhand des bekannten pKHB+-Werts, ein H0 von 0 für diese Lösung ermittelt wird.

Ferner gilt:

Unter der (kritischen) Annahme, dass die Verhältnisse der Aktivitätskoeffizienten gleich bzw. unabhängig vom Medium sind, gilt:

Somit lässt sich der pKHB+-Wert eines noch acideren Aniliniumions bestimmen, womit dann die Aciditätsfunktion H0 für konzentriertere Säurelösungen zugänglich wird.

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Die Säure-Base-Paare werden so gewählt, dass der Quotient [BH+]/[B] im messbaren Bereich von ca. 100:1 bis ca. 1:100 liegt, je nach H2SO4-Gehalt. So lassen sich sukzessive, in H2O nicht messbare, negative pKBH+-Werte ermitteln und somit die H0-Werte der entsprechenden Lösung.

Aus: L. P. Hammett, Physical Organic Chemistry, McGraw-Hill, New York,1940

pKHB+-Werte in H2SO4/H2O in Klammern angegeben

12

34

5

6

7

8

9

1011

12

13

14

15

NH2

NO2

NH2NO2

NH2NO2

Cl

NHO2N2

NH2NO2Cl

Cl

N

NO2

NPh

NH2NO2O2N

CH3

NH2NO2O2N

N(CH3)2NO2O2N

NO2

Ph Ph

O

Ph

O

Ph

OPh

NH2BrO2N

NO2

NH2NO2O2N

NO2

O

O

1 (1.11)2 (–0.13)

3 (–0.85)4 (–2.38)

5 (–3.22) 6 (–3.35) 7 (–4.32)8 (–4.38)

9 (–4.69)

10 (–5.61)

11 (–5.92)12 (–6.19)

13 (–6.59) 14 (–8.15) 15 (–9.29)

64

Zur Illustration der Methode der überlappenden Indikatoren

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Siehe: R.A. Cox, K. Yates, Can. J. Chem. 1983, 61, 2225.

100% H2SO4 hat einen H0-Wert von –12

Konzentrierte Hydroxidlösungen wirken basischer als der vermeintliche pH-Wert >14 angeben würde.

65

2.18.4. Beispiele von ermittelten Aciditätsfunktionen

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Zum Begriff “Excess acidity” siehe: R.A. Cox, Adv. Phys. Org. Chem. 2000, 35, 1-66.

X kann als Beitrag der von eins abweichenden Aktivitätskoeffizienten zur “Gesamtacidität” interpretiert werden

Excessacidity

-H0

Aus der Definition von H0:

H0 = pKBH+ − log [HB+ ][B]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟

= − log[H+ ] − logγ Bγ H+

γ HB+

⎝⎜

⎠⎟

oder

log [HB+ ][B]

⎛⎝⎜

⎞⎠⎟− log[H+ ] = log

γ Bγ H+

γ HB+

⎝⎜

⎠⎟ + pKBH+

wo logγ Bγ H+

γ HB+

⎝⎜

⎠⎟ = X

X (oder MC ) wird als "Excess acidity" definiert

66

2.18.5. “Aciditätsüberschuss” (Excess acidity)

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Lösungsmittel, HS pKHS

H2SO4 3.3-3.6

HCOOH 6.2-6.8

HSO3F 7.4

HF 13.7 (0°C)

CH3COOH 15.0

CH3OH 16.6

HCONH2 16.8

EtOH 18.8

i-PrOH 20.7

CH3COOEt 22.8

2-Butanon 26.0

DMF 29.4

NH3 32.5 (-33°C)

DMSO 33.3

2 HS H2S+ + S–

KHS = a(H2S+)a(S–)≈ [H2S+][S–]pKHS = –logKHS

B. Trémillon, D. Inman, Reactions in Solution, An Applied Analytical Approach, Wiley, 1997, pp. 227-300.

672.18.6. Die Autoprotolyse verschiedener Lösungsmittel

und die Länge der jeweiligen pH-Skala

Für amphiprotische Lösungsmittel HS kann ein Autoprotolyse-Gleichgewicht formuliert werden:

Die Länge der gültigen (sinvollen) pH-Skala entspricht pKHS (in pH-Einheiten).

pH-Skalen in verschiedenen Lösungsmitteln haben a priori keine direkte Korrelation zueinander

Lösungsmittel mit einer längeren pH-Skala sind geeignet, um ein breiteres Spektrum von sehr schwachen bis sehr starken Säuren miteinander zu vergleichen.

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Säure pKa(H2O) pKa(DMSO) pKa(DMF) pKa(MeOH) pKa(MeCN)

F3CSO3H –14* 0.3HBr –9* 0.9HCl –8* 1.8 3.4 1.2 8.1HF 3.2 15

Pikrinsäure 0.4 0.0 1.4 3.8 11PhNH3

+ 4.6 3.6 6.0Essigsäure 4.75 12.3 13.4 9.7

Phenol 10 18.0 18 14Methanol 15.5 29.0

H2O 14 32HCN 9.1 12.9

CH2(CN)2 11 11

Brønsted-Säure-Base-Reaktionen erfordern, dass unabhängige Ionen existieren können, d.h. Ionenpaarung oder die Bildung von Aggregaten soll unterdrückt werden.Aus diesem Grund sind prinzipiell nur Lösungsmittel geeignet, welche eine Dielektrizitätskonstante ε ≥ 30 aufweisenFormamid (ε=111), H2O (ε=78), DMSO (ε=47), DMF (ε=37), MeCN (ε=36), MeOH (ε=33)

F.G. Bordwell, Acc. Chem. Res. 1988, 21, 456-463. (http://www.chem.wisc.edu/areas/reich/pkatable/index.htm)

*Geschätzt anhand der H0-Aciditätsfunktion

68

pKa-Werte einiger Säuren in H2O, DMSO und anderen Lösungsmitteln

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HA + HB H2A+ + B–

2 HA + L H2A+ + LA–

1) N.F. Hall, J.B. Conant, J. Am. Chem. Soc. 1927, 49, 3047-3061. 2) R.J. Gillespie, T.E. Peel, J. Am. Chem. Soc. 1973, 95, 5173-5178.Siehe auch: G. A. Olah, G. K. S. Prakash, Á. Molnár, J. Sommer, Superacid Chemistry, 2nd Ed., Wiley, 2009.

69

2.18.7. Was sind Supersäuren ?

Der Begriff “Supersäure” taucht in der Literatur schon 1927 auf.1

Die Studien von Olah in den sechziger Jahren haben erst das Interesse für sehr acide Medien geweckt.

Vorschlag von Gillespie 1973: Jede Säure, die stärker ist als 100% H2SO4 (H0 = –12) ist eine Supersäure.2

Aciditäten im Bereich H0 < ca. –10 werden durch Mischungen von starken Brønsted-Säuren oder durch die Addition von Lewis- zu Brønsted-Säuren erreicht

Typische Brønsted- und konjugierte Brønsted-Lewis-Supersäuren:

HClO4, ClSO3H, HSO3F, CF3SO3H, usw.

H2SO4, HSO3F, CF3SO3H und RfSO3H kombiniert mit Lewis-Säuren, wie SO3, SbF5, AsF3, TaF5

HF kombiniert mit fluorierten Lewis-Säuren, wie SbF5, BF3, TaF5, NbF5

Friedel-Crafts-Säuren: HBr–AlBr3, HCl–AlCl3 usw.

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Aciditätsbereiche verschiedener Supersäuren

Aus: G. A. Olah, G. K. S. Prakash, Á. Molnár, J. Sommer, Superacid Chemistry, 2nd Ed., Wiley, 2009, S. 9.

70

2.18.8. Supersäuren und ihre Acidität

Die Aciditätsbereiche verschiedener Supersäuren erstrecken sich über bis zu mehr als 10 H-Einheiten.

90% SbF5 in HSO3F erreicht einen H0-Wert von –27.

Da die meisten H0-Werte nicht mit Hammett-Indikatoren bestimmt wurden, sind die Aciditäten auf der H0-Skala mit Vorsicht zu geniessen.

Für das “nackte” Proton – nicht existent in Lösung – wird ein H0-Wert zwischen –50 und –60 geschätzt.

–H0

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HH

H

– H2

O COOEtEtOH

O

H+

H+

EtOOC

CO

CO

EtOHDie Supersäure ist HF-SbF5

Relative Basizität von σ-Bindungen in Alkanen:tert-C–H > C–C > sec-C–H >> prim-C–HMethan kann auch protoniert werden

J. Sommer, M. Hashoumy, J.-C. Culmann, J. Bukala, New J. Chem. 1997, 21, 939-944.

712.18.9. Anwendungen von Supersäuren

a) Die Aktivierung von Alkanen durch Protonierung mit Supersäuren

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Im supersauren HF–SbF5-Medium liegt AuF3 als solvatisiertes Au3+-Ion vor ([Au(HF)4]3+). Dies ist ein viel stärkeres Oxidationsmittel als AuF3

b) [AuXe4][Sb2F11]2 und die Oxidation von Xenon in HF/SbF

S. Seidel, K. Seppelt, Science 2000, 290, 117. Siehe auch: T. Drews, K. Seppelt, Angew. Chem. Int. Ed.1997, 36, 273.

AuF3 + 6 Xe + 3 H+

[AuXe4]2+ + [Xe2]+ + 3 HF

HF/SbF5

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N2F2 + AsF5 [N2F][AsF6]

[N2F][AsF6] + HN3 [N5][AsF6] + HF

c) Zwei weitere Beispiele von Reaktionen/Synthesen, die nur in Supersäuren möglich sind

2) K.O. Christe, W.W. Wilson, J.A. Sheehy, J.A. Boatz, Angew. Chem. Int. Ed. 1999, 38, 2004-2009.1) P. J. F. de Rege, J. A. Gladysz, I. T. Horváth, Science 1997, 276, 776-770.

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Die Protonierung von CO und die Bildung des Formylkations HCO+ 1)

Synthese von hochenergetischen stickstoffhaltigen Verbindungen: Ein Salz von N5+ 2)

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Ar

I

Ar

EFn–

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e) Bildung von Supersäuren als Katalysatoren in der kationischen Polymerisierung bei photolitogaphischen Prozessen

Die Photolitographie spielt eine entscheidende Rolle bei der Herstellung von Chips

Die wesentlichen Schritte:

Aufbringen eines Resist (photopolymerisierbare Schicht) auf das Substrat (z.B. Cu-Schicht auf Silizium-Wafer)

Belichtung mit Hilfe einer Maske (das “Schreiben” von Mikrostrukturen)

Entwicklung des Resist (der eigentliche Photopolymerisierungsschritt)

Bearbeiten der nicht maskierten Stellen durch a) Entfernen von Substrat durch chemisches Ätzen oder b) Trockenätzen mittels Teilchenstrahl, c) Aufbringen einer neuen Schicht durch Galvanische Abscheidung eines Elektrolyten

Entfernen des Resist

Die wichtigsten Photoinitiatoren sind Iodoniumsalze

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Siehe z.B.: J.V. Crivello, J. Polym. Sci. A, Polym. Chem. 1999, 37, 4241-4254.

Kationischer Photoinitiator

+ hν

O

S

OR

N

O

OO

R

O O

O

OR

R

CH CH2 O

Rn

CH2 CH2 S n

CH CH2

ORnCH CH2

Rn

–CH2OCH2OCH2O–n

(CH2)5 O CO

n(CH2)4 O

n

N CH2 CH2 nR O

Eine Vielfalt von Monomeren kann kationisch photopolymerisiert werden

Aryliodoniumsalze spalten unter Einwirkung von Licht homolytischDie gebildeten, hochreaktiven Radikale und Radikalkationen reagieren mit der Monomermatrix unter Abspaltung von ProtonenDie Protonen ergeben mit den sehr schwach basischen Anionen EFn

– SupersäurenDie Supersäuren sind die eigentlichen Polymerisationskatalysatoren

ArI

Ar

EFn–

evt. mit"Sensitizer"

[Ar–I] + EFn– + Ar

R–H

HEFn (Supersäure)

E = B (n=4), P, As, Sb (n=6)

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f) Wie funktionieren “Onium”-Photoinitiatoren und was kann damit polymerisiert werden

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2.18.10. Die Quantifizierung der Lewis-Säurestärke – Lewis Supersäuren

Fluorid-Ionenaffinität: [1] T.E. Mallouk, G.I. Rosenthal, G. Müller, R. Brusasco, N. Bartlett, Inorg. Chem. 1984, 23, 3167. [2] L.O. Müller, D. Himmel, J. Stauffer, G. Steinfeld, J. Slattery, G. Santiso-Quiñones, V. Brecht, I. Krossing, Angew. Chem. 2008, 120, 7772.NMR-Chemische Verschiebungen von ungesättigten Ketonen und Nitrilen, koordiniert an Lewis-Säuren: [3] R.F. Childs, D.L. Mulholland, A. Nixon, Can. J. Chem. 1982, 60, 801.NMR-Methoden und MO-Berechnungen: [4] P. Laszlo, M. Teston, J. Am. Chem. Soc. 1990, 112, 8750.

Die Quantifizierung der Lewis Säurestärke ist experimentell ein schwieriges Problem

Die Affinität zu einer bestimmten Base soll gemessen werden, aber welche Base?

Neben ungesättigten Ketonen und Nitrilen (Substrate bei Lewis-Säure-katalysierten Reaktionen) hat sich die Fluoridionenaffinität (FIA) als Hauptkriterium etabliert

"Molekulare Lewis-Säuren, die stärker als monomeres SbF5 in der Gasphase sind, sind Lewis-Supersäuren" [2]

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L.O. Müller, D. Himmel, J. Stauffer, G. Steinfeld, J. Slattery, G. Santiso-Quiñones, V. Brecht, I. Krossing, Angew. Chem. 2008, 120, 7772.

Lewis-Säurestärke anhand der FIA

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