39
[email protected] 1 Erfahrungen aus der Beraterpraxis mit dam bundesweiten Beratungstelefon der ISL e.V. durch die Zentren für selbstbestimmtes Leben Tel.: 0180 5 4747 12 14 Cent pro Minute Anforderungen an ambulante Hilfen für Menschen mit Behinderung im Gemeinwesen

Anforderungen an ambulante Hilfen für Menschen mit … · • Kosten der stationären Unterbringung steigen ungebremst • Grundsatz "ambulant vor stationär" wird in der Behindertenhilfe

  • Upload
    ngohanh

  • View
    219

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

[email protected] 1

Erfahrungen aus der Beraterpraxis mit dambundesweiten Beratungstelefon der ISL e.V.durch die Zentren für selbstbestimmtes Leben

Tel.: 0180 5 4747 1214 Cent pro Minute

Anforderungen an ambulanteHilfen für Menschen mit

Behinderung im Gemeinwesen

[email protected] 2

ein Kommentar von Uwe Frevertam 27. Februar 2015

anlässlich der Fachtagungder Universität Kassel, des FoSS und

des AHA e.V.

zur Entwicklung der Teilhabemöglichkeitenvon Menschen mit Behinderung

und Pflegebedarf durch ambulante Hilfen

[email protected] 3

Erfahrung aus der Beraterpraxis

• Projektbeirat im BMAS mit der Prognos AG mitmit einer knapp zweijährigen Forschung in2011 / 2012.

• Die Forschungsergebnisse sollen dazu dienen,die vorhandenen Regelungen zum PersönlichenBudget auf Ihre Wirksamkeit, Nutzer- undAnwenderfreundlichkeit hin zu überprüfenund bei Bedarf zielgerichtet weiter zuentwickeln.

[email protected] 4

• Projektbeirat in beratender Funktion mitVertreterInnen von Rehabilitationsträgern sowieBehindertenverbänden.

• Aufgabe: Stand der Umsetzung des Projekts zuerörtern und das BMAS sowie Prognos hinsichtlichder Optimierung und des Fortgangs derForschungsarbeiten zu unterstützen.

• Unter unterschiedlichen Perspektiven sollendie Ergebnisse bewertet und gemeinsamkommuniziert werden.

Erfahrung aus der Beraterpraxis

5

6

[email protected] 7

Warum Persönliches Budget?

• Kosten der stationären Unterbringungsteigen ungebremst

• Grundsatz "ambulant vor stationär" wird inder Behindertenhilfe nicht ernstgenommen

• Menschenrechtsverletzung in derBehindertenhilfe wurde von den VNmehrfach angemahnt

8

Eingliederungshilfe im Jahr 2009:

Verhältnis in Geldbeträgen betrachtet:

• nur 13% werden für die Teilhabe für einLeben in der Gesellschaft ausgegeben

• 87% der Mittel fließen in die stationäreAussonderung

Zum Problem derBehindertenhilfe in Deutschland

Statistisches Bundesamt, 2011

99

Teilhabe am Erwerbsleben:

• die allg. Arbeitslosenquote sank in 2011 auf6,9% -

• aber bei Schwerbehinderten steigt dieseQuote um 0,9% in 2011

• ein Anstieg wurde bereits 2010 festgestellt

Zum Problem derBehindertenhilfe in Deutschland

ARD Report Mainz vom 31.01.12

1010

Hilfe zur Pflege im Jahr 2009:

• nur 22% der öffentlichen Gelderwerden für ambulante Hilfen in dereigenen Wohnung ausgegeben

• aber mit 78% werden die "Heime"

gefördert

Zum Problem derBehindertenhilfe in Deutschland

Statistisches Bundesamt, 2011

1111

Das mehrgliedrige Schulsystem:

• nur 14% der behinderten Kinder inDeutschland können eine Regelschulebesuchen -

• im restlichen Europa sind es 80%

Zum Problem derBehindertenhilfe in Deutschland

Deutsche Schulstatistik 2008/09

1212

Das mehrgliedrige Schulsystem:

• nur ¼ der Kinder mit Sonder-Päd.-Förd.-Bedarf in Deutschland können eineRegelschule besuchen

• ¾ lernen in Sonderschulen

Zum Problem derBehindertenhilfe in Deutschland

Deutsche Schulstatistik 2011/12

[email protected] 13

Menschenrechtsverletzung durch dieBehindertenhilfe in Deutschland?

78 namhafte Organisationen derBehindertenhilfe in Deutschland reichen imOktober 2013 Bericht zum ThemaMenschenrechtsverletzung beim UN-Ausschussfür die Rechte von Menschen mit Behinderung inGenf ein (Prüfung am 26./27.03.15)

1414

Sonderbeauftragter der UN mahnte 2007 dierigorose Sonderbeschulung für Menschen mitbesonderem Bedarf als Diskriminierung an.

Bundesbildungsministerin Annette Schavanund Präsident der Kultusministerkonferenz KMK,Jürgen Zöllner, unterstellten dem UN-Berichterstatter Vernor Muñoz, das deutscheSchulsystem nicht verstanden zu haben. VonAussonderung der behinderten Kinder,meinten beide, könne keine Rede sein. Manhabe in Deutschland schließlich neben denFörderschulen den gemeinsamen Unterricht.

Menschenrechtsverletzung durch dieBehindertenhilfe in Deutschland?

1515

Die BAGüS prognostiziert (im Vortrag am 21.09.10

von Herrn Finke in Weimar), dass sich an derSegregationspraxis zur BeschäftigungLeistungsberechtigter in der WfbM nurwenig ändert.

1616

nur 27%bekommen 72% die Hilfe zur Pflege

Menschenrechtsverletzung durch dieBehindertenhilfe in Deutschland?

17

1 Trägerbefragung (Bericht 416 und 433)

2 Befragung von BudgetnehmerInnen

3 Schlussfolgerungen

Befragung durch die Prognos AG:

BMAS Sozialforschung 433 vom 17.12.12

18

Ergebnis Trägerbefragung 2010

4.984

7.898

11.493910

1.486

1.849

211

333

439354

6.243

9.943

14.193

0

4.000

8.000

12.000

16.000

2008 2009 2010

Sozialhilfe GUV BA* GRV Weitere (Integrationsämter, Jugendhilfe, Land. Sozialv.)/DRV

19

Regionale Verteilung am Beispiel derSozialhilfe

11.493 Budgets in 2010

19

1.033

(93%)

1.320

(100%)

163* in Klammern: Rücklaufquote

* Stichtagszahl zum 31.12.2010

** Stichtagszahl für LVR

*** Rücklaufquote aufgrundder im Zeitraum der Datenabfrageerfolgten Strukturgebietsreformnicht genau ermittelbar.

105

(83%)

7

95

(100%)

531

(96%)

119

(67%)***

573

(93%)

987**

(98%)

4.824

(89%)

169

(83%)

500

(100%)

564

(100%)

175

(100%)

328

(100%)

BMAS Sozialforschung 433 vom 17.12.12

20

Einschätzung vonExperten der Leistungsträger

Relevanz des Budgets

• Rahmenbedingungen für Erfüllung desRechtsanspruches sind gegeben

• Besonderheit: Gesetzliche Unfallversicherung treibtdas Persönliche Budget sehr intensiv voran

• es kann individuell von hoher Bedeutung sein

• im allg. für das Leistungsgeschehen aber keinestrategische Bedeutung

BMAS Sozialforschung 433 vom 17.12.12

21

Einschätzung vonExperten der Leistungsträger

Begründung

• Persönliches Budget bringe für die Mehrzahl derLeistungsberechtigten keinen zusätzlichen Nutzen

• Gründe:

– funktionierendes Sachleistungssystem mitWunsch- und Wahlrecht

– fehlende Budget-Eignung von Leistungen

– Antragsstellende haben falsche Erwartung(zusätzliche Leistung)

– aufwändige Leistungsorganisation für die Nutzer

BMAS Sozialforschung 433 vom 17.12.12

[email protected] 22

• im stationären Bereich existiert "Rund-um-Hilfe"

• umfassende Komplexleistung imRahmenvertrag

• mit Eingliederungshilfe teilweise nur miteinem Kostenträger

• Hilfebedarfsgruppen spiegeln nicht denindividuellen Bedarf => Leichtbehindertefinanzieren Schwerbehinderte mit

Probleme mitambulant vor stationär

[email protected] 23

• Behinderte mit geringer Einschränkungkönnen stationäre Angebote eher budgetieren

• trägerübergreifende Bedarfe sind eher die Regelals die Ausnahme, z.B.:

- WfbM: Agentur, kleine Pflegestufe, plusFreizeitgestaltung über Eingliederungshilfe

- Pflege: PflegeVG, Hilfe zur Pflege,Behandlungspflege und für die FreizeitEingliederungshilfe

- Mobilität: Fahrdienste zur WfbM, Therapie,Anteilnahme am Leben der Gemeinschaft

Probleme mitambulant vor stationär

24

Schwächen der GemeinsamenService Stelen (GSS)

• keine ausreichende, umfassende und leistungsgerechte Beratung

• fehlende Bekanntheit, Sichtbarkeit der GSS

• Qualität der GSS ist abhängig von Reha-Trägern und Akteuren

• "Neutralitätshemmnis" (z.B. Kassenwettbewerb der GKV)

• Ausrichtung / Qualifikation der GSS: nicht umfassendeSozialrechtsexpertise, sondern Vernetzungskompetenz

• kaum funktionierende Vernetzungsstrukturen (Front-office / Back-office)

• fehlende Qualitätssicherung der Arbeit der GSS, fehlende Standards

• derzeitiges Aufgabenprofil nicht Erfolg versprechend (Beratung,Fallmanagement)

• keine systematische Verzahnung mit anderen regionalenBeratungsstellen der Wohlfahrts- / Behindertenverbände

BMAS Sozialforschung 416 vom 26.10.11

25

Rehabilitationsberater

wird insbesondere dann aktiv, wenn ein Geschädigternicht mehr problemlos an seinen alten Arbeitsplatz,seine Schule oder seinen Ausbildungsplatzzurückkehren kann. Er braucht medizinische Kenntnisse,aber auch sonderpädagogisches und berufskundlichesWissen. Er muss die Besonderheiten des Einzelfallsbeurteilen und Lösungen für eine beruflicheWiedereingliederung erarbeiten. Dabei spielen sowohlVorstellungen des Rehabilitanden wie auchwirtschaftliche Erwägungen eine Rolle. DerRehabilitationsberater führt Verhandlungen mitArbeitsämtern, Unternehmen, Berufsförderungswerkenund anderen Stellen, die für die schulische undberufliche Rehabilitation wichtig sein können. Er solltesich auch um die soziale Rehabilitation kümmern.

http://www.wikipedia.de

26

Qualifizierung der Reha-Berater

BMAS Sozialforschung 416 vom 26.10.11

27

Qualifizierung

• Es zeigt sich, dass die überwiegende Zahl derBeschäftigten der GSS - nämlich 76% - nebender GSS- Arbeit i. d. R. andere Aufgaben für denReha-Träger wahrnehmen. Nur 4% derMitarbeiterInnen sind ausschließlich für dieGSS tätig.

• Von der Qualifikation her sind die meistenBeschäftigten der GSSSozialversicherungsfachangestellte (37%),gefolgt von Reha-BeraterInnen (34%) undDiplom-VerwaltungswirtInnen (21%).

BMAS Sozialforschung 416 vom 26.10.11

28

• kaum trägerübergreifende PB

• begleitende Unterstützung fehlt (inSachleistung eher gegeben)

• Bedarfsfeststellung im Sinne empathischerBeratung fehlt

• ablehnende Haltung der Träger imambulanten Bereich

• Abkehr von gewohnter Mischkalkulation imstationären Bereich zu individuellerFörderung im ambulanten Bereich

Probleme mit dem TPB

29

Verbesserungsvorschlägedes BMAS mit der Prognos AG

1. Wissen und Kompetenzen fördern

2. Unsicherheiten und Vorbehalte sowieHemmnisse abbauen

3. Prozesse und Strukturen verbessern

BMAS Sozialforschung 433 vom 17.12.12, ab Seite 90

30

1. Wissen und Kompetenz fördern

- beim Empfänger: fehlendes Wissenüber Einsatzmöglichkeiten, Verwendungund fehlende Begleitung

- beim Leistungsträger: geringe Erfahrungin trägerübergreifender Zusammenarbeit

- beim Leistungserbringer: es fehlt anpersonenzentrierten Konzepten undbetriebswirtschaftlichen Abläufen

BMAS Sozialforschung 433 vom 17.12.12, ab Seite 90

31

2. Vorbehalte und Hemmnisse abbauen

- Empfänger: nehmen sich selbst nicht alsselbstbestimmte Kunden wahr

- Leistungsträger: sehen Behinderte so auch nicht;Mehraufwand für Leistungsträger mit TPB

- Leistungserbringer: sind unsicher, ob sieLeistung vergütet bekommen

BMAS Sozialforschung 433 vom 17.12.12, ab Seite 90

32

3. Prozesse und Strukturen verbessern1. Informationsvermittlung über Leistungen der

Leistungsträgern gegenüber behinderten Menschenbudgetierbaren Leistungen zur Rehabilitation

2. Verbesserung der Haltung und Einstellung beiLeistungsträgern gegenüber behinderten Menschen

3. Unabhängige Beratungsstellen für die Antragstellung

4. Schulung zur Umsetzung bei Leistungsträgern

5. Institutionalisierung der Zusammenarbeit, d.h. Netzwerkebilden und Kooperation pflegen

BMAS Sozialforschung 433 vom 17.12.12, ab Seite 90

33

6. pauschale Finanzierung der Sachleistung bedeutet ineinzelnen Fällen Mehrbedarf bei personenzentrierterHilfe

7. professionelle Budgetverwaltung

8. keine Gutscheine in der Pflegeversicherung

9. Förderung trägerübergreifender Hilfen im Sinne derTeilhabeplanung

10.Monitoring der Umsetzung von 1. bis 9. undBeschwerdemanagements

3. Prozesse und Strukturen verbessern

BMAS Sozialforschung 433 vom 17.12.12, ab Seite 90

[email protected] 34

Probleme beim PflegeVG

• Gesamtlebenszeitkosten für Pflegebedürftigkeitbei durchschnittlich 42.000 € für Männer bzw.84.000 € für Frauen

• Eigenbeteiligung liegt bei durchschnittlich 37.000€ (43% Männer / 47% Frauen)

• Anteil der Sozialhilfe (HzP) liegt nur bei 6,5% !

• steigende Tendenz zur stationären Unterbringungnach Kurzzeitpflege

Barmer Pflegereport Nov. 2012

[email protected] 35

Probleme beim PflegeVG

• Stationäre Unterbringung erfolgt i.d.R.bereits bei Pflegestufe II mitGrundpflegebedarf von 3 bis 5 Stundentäglich!

• Die meisten Menschen sterben innerhalbder ersten 6 Monate.

• Die Verweildauer im Pflegeheim beträgt nur2 bis 3 Jahre (bis zum Tod).

[email protected] 36

Vision zur Abhilfe

1. UN-BRK als Chance der Behindertenhilfe erkennen

2. Grundsatz "ambulant vor stationär" nicht länger alsBei-Schmuck behandeln, d.h.

3. keine Parallel-Gesellschaft für Behinderte i.d.R.

4. vorhandene Synergie-Substanz in der Gesellschaftnutzen

5. Anregungen zur Reform der Teilhabe (BTHG) mitEntwurf zum GST des FbJJ einbeziehen

6. Leistungen zur Teilhabe im SGB IX aufgreifen

[email protected] 37

Vision zur Abhilfe

7. Pro 1 Mil. Einwohner eine vollfinanzierte unabhängigeBeratungsstelle schaffen (mehrere Mitarbeiter)

8. begleitende Unterstützung im Sinne des "BetreutenWohnens" des SGB XII (in Sachleistung eher gegeben)

9. Bedarfsfeststellung im Sinne empathischer Beratung

10.finanzielle Vorteile für örtliche SHT schaffen, umablehnende Haltung der Träger im ambulanten Bereichabzubauen

11.Abkehr von gewohnter Mischkalkulation im stationärenBereich zu individueller Förderung wie im ambulantenBereich

[email protected] 38

1. BMAS Bericht 416http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Forschungsberichte/Forschungsberichte-Teilhabe/fb-fb416-endbericht-bmas-gss.html

2. BMAS Bericht 433http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Forschungsberichte/Forschungsberichte-Teilhabe/fb433.html

3. korrigierte UN-Behindertenrechtskonvention:http://www.netzwerk-artikel-3.de/index.php?view=article&id=93:international-schattenuebersetzung

4. Bericht von 78 Organisationen der Behindertenhilfe:http://www.brk-allianz.de

5. Entwurf zur Reform der Teilhabeleistung:http://www.teilhabegesetz.org

Literatur:

[email protected] 39

Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Phil Hubbe