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Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Veredelung von Hohlglas Fachinformationsblatt Stand: März 2010 In der Nachbearbeitung und Veredelung von Hohlglas sind vor allem die Hohlglas- schleifer und Graveure besonderen Belas- tungen, Gesundheitsgefahren und Verlet- zungsrisiken am Arbeitsplatz ausgesetzt. Im Folgenden wird ein Überblick über Schwerpunkte der arbeitsbedingten Ge- sundheitsgefahren, Berufskrankheiten sowie über mögliche Präventivmaßnah- men gegeben. Drucklähmung der (Arm-)Nerven Durch Arbeiten mit wiederholtem und län- gerfristigem Aufstützen der Ellbogen oder durch Druck von Werkzeugen gegen die Hohlhand beim Gravieren, Schleifen, Glasschneiden, Rändern kann es zu Rei- zungen bis hin zu Lähmungen der relativ oberflächlich verlaufenden Nerven kom- men. Symptome: Missempfindungen (Parästhesien), wie zum Beispiel „taube beziehungsweise einschlafende Finger“ „Ameisenlaufen“, starkes Ermüdungsgefühl, bleierne Schwere, mangelndes Feingefühl und Koordinationsfähigkeit, fehlende Kraſt bis hin zur Lähmung Präventivmaßnahmen: Armauflagepolster als Ringpolster oder Schaumstoffauflage, Belastungswechsel, Bewegungsübungen Chronische Schleimbeu- telerkrankung (Bursitis) durch ständigen Druck Eine häufige Druckbelastung der Schleim- beutel am Ellbogengelenk durch Aufstüt- zen der Ellbogen beim Gravieren, Schlei- fen, Rändern kann zu Entzündungen der Schleimbeutel und Folgeerscheinungen führen. Symptome: Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerz und Bewegungseinschränkung als akute Entzündungszeichen, Bildung eines Ergusses, Schwielenbildung Präventivmaßnahmen: Armauflagepolster, Belastungswechsel Gelenkbeschwerden Der ständige Kontakt der Hände und Unterarme mit dem Schleifwasser beson- ders beim Glasschleifen kann Gelenkbe- schwerden verursachen beziehungsweise verschlimmern. Präventivmaßnahmen: Temperiertes Schleifwasser, Unterarm- manschetten, Armauflagepolster aus wasserabweisendem Material

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Arbeits- und Gesundheitsschutzbei der Veredelung von Hohlglas

Fachinformationsblatt

Stand: März 2010

In der Nachbearbeitung und Veredelung von Hohlglas sind vor allem die Hohlglas-schleifer und Graveure besonderen Belas-tungen, Gesundheitsgefahren und Verlet-zungsrisiken am Arbeitsplatz ausgesetzt. Im Folgenden wird ein Überblick über Schwerpunkte der arbeitsbedingten Ge-sundheitsgefahren, Berufskrankheiten sowie über mögliche Präventivmaßnah-men gegeben.

Drucklähmung der (Arm-)Nerven

Durch Arbeiten mit wiederholtem und län-gerfristigem Aufstützen der Ellbogen oder durch Druck von Werkzeugen gegen die Hohlhand beim Gravieren, Schleifen, Glasschneiden, Rändern kann es zu Rei-zungen bis hin zu Lähmungen der relativ oberflächlich verlaufenden Nerven kom-men.

Symptome:Missempfindungen (Parästhesien), wie zum Beispiel „taube beziehungsweise einschlafende Finger“ „Ameisenlaufen“, starkes Ermüdungsgefühl, bleierne Schwere, mangelndes Feingefühl und Koordinationsfähigkeit, fehlende Kraft bis hin zur Lähmung

Präventivmaßnahmen:Armauflagepolster als Ringpolster oder Schaumstoffauflage, Belastungswechsel, Bewegungsübungen

Chronische Schleimbeu-telerkrankung (Bursitis) durch ständigen Druck

Eine häufige Druckbelastung der Schleim-beutel am Ellbogengelenk durch Aufstüt-zen der Ellbogen beim Gravieren, Schlei-fen, Rändern kann zu Entzündungen der Schleimbeutel und Folgeerscheinungen führen.

Symptome:Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerz und Bewegungseinschränkung als akute Entzündungszeichen, Bildung eines Ergusses, Schwielenbildung

Präventivmaßnahmen:Armauflagepolster, Belastungswechsel

Gelenkbeschwerden

Der ständige Kontakt der Hände und Unterarme mit dem Schleifwasser beson-ders beim Glasschleifen kann Gelenkbe-schwerden verursachen beziehungsweise verschlimmern.

Präventivmaßnahmen:Temperiertes Schleifwasser, Unterarm-manschetten, Armauflagepolster aus wasserabweisendem Material

Fachinformationsblatt: Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Veredelung von Hohlglas

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wasserkreislauf, Überprüfung von Kon-zentration, pH-Wert, Keimzahl und Nit-ritgehalt

• Vermeiden des Eintragens von Fremd-verunreinigungen in das Wasserbe-cken; Tragen von Handschutz bei Rei-nigungsarbeiten und beim Umgang mit dem Kühlschmierstoff/-konzentrat

• Erstellen eines Hautschutzplanes und konsequente Umsetzung (siehe Mus-terschutzplan unten)

Atemwegserkrankungen

Direkte Staubbelastungen treten beim Gravieren von Glasartikeln mit der biegsa-men Welle auf. Glaspartikel- und schleif-mittelhaltige Stäube und Nebel können in die Lunge gelangen. Beim Glasstaub han-delt es sich um amorphe Kieselsäure. Wird hingegen ein quarzhaltiges Schleif-mittel, wie zum Beispiel Bimsmehl, „Tri-pel“ beim Scheibenschleifen oder Quarz-sand zum Strahlen, eingesetzt, handelt es sich um kristallines Siliziumdioxid (SiO2), welches eine Staublunge im Sinne einer Silikose erzeugen kann.

Präventivmaßnahmen:• Absaugung, möglichst direkt an der

Entstehungsstelle; Abschirmung zur Verringerung der Aerosolbelastung am Schleifplatz

• Kapselung/geschlossene Anlage bei Strahlarbeiten

• Einsatz von nicht silikogenen Strahl-mitteln – zum Beispiel Elektrokorund, Siliziumcarbid, Schlacke

• Schleif- und Strahlmittel mit einem Ge-halt von > 1 Gew.-% kristallinem SiO2 dürfen nicht verwendet werden

• Einsatz einer Atemschutzmaske

Firma: Vorbild Hautschutz vor der Arbeit Hautreinigung Hautpflege nach der Arbeit

Werkstattbereich A Hautschutzcreme XProduktname

Hautreiniger YProduktname

Hautpflegecreme ZProduktname

Werkstattbereich B Hautschutzcreme YProduktname

Hautreiniger ZProduktname

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HAUTSCHUTzPlAN (MUSTer)

Hauterkrankungen

Aufgrund des ständigen Arbeitens der Glasschleifer und Graveure im feuchten Milieu besteht eine Hautgefährdung. Dies betrifft insbesondere Arbeitsplätze, an denen Schleifwasser im Kreislauf geführt und/oder Kühlschmierstoff-Zubereitun-gen zugesetzt werden.

Symptome: gerötete schuppige Haut, teils nässend und mit Bläschenbildung und Rissbil-dung, Juckreiz und Schwellung, nach Sen-sibilisierung auf einen Arbeitsstoff Mög-lichkeit der Ausbildung eines allergischen Kontaktekzems

Präventivmaßnahmen:• Sorgfältige Berufswahl und Eignungs-

untersuchung insbesondere bei Perso-nen mit anlagebedingten Hauterkran-kungen wie Neurodermitis oder Schuppenflechte

• Im Kreislauf geführtes Schleifwasser regelmäßig und in kurzen Zeitabstän-den wechseln, da der Glasabrieb zu einem Anstieg des pH-Wertes über 10 (stark alkalisch) führen kann; regelmä-ßige Reinigung, Wartung und Kontrolle von kühlschmierstoffhaltigem Schleif-

Gefährdung durch Blei

Bleihaltige Dämpfe und Nebel werden bei der Bearbeitung von bleihaltigen Kristall-gläsern freigesetzt. Neben der Aufnahme über die Atemwege ist die Aufnahme über den Mund/ Verdauungsapparat bei man-gelhafter Arbeitshygiene zu beachten.Bleiverbindungen, auch wenn die Partikel als glasummantelt gelten, schädigen bei entsprechender Exposition das Blut und das blutbildende System und können Stö-rungen im Bereich der Verdauungsorgane, der Nierenfunktion sowie des peripheren und zentralen Nervensystems erzeugen. Hinzu kommt die fruchtschädigende Wir-kung und die Beeinträchtigung der Fort-pflanzungsfähigkeit.

Präventivmaßnahmen:• Absaugung unter Vermeidung von Zug-

lufterscheinungen für das Hand-Arm-System

• Verwendung von Sprudeldüsen (Ein-speisung von Luft in das Schleifwasser vor dessen Austritt)

• Abschirmungen zwecks Verringerung der Nebelbildung

• konsequente ArbeitshygieneAbbildung 1: Mögliche Symptome eines Hautekzems

Abbildung 2: FFP-Atemschutzmaske

Fachinformationsblatt: Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Veredelung von Hohlglas

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Gefährdung des Gehörs

Beim Glasschleifen/Kuglerarbeitsplatz werden Tages-Lärmexpositionspegel von über 90 dB(A) erreicht. Gleiches gilt für das Gravieren mit der biegsamen Welle, wo ein extrem hochfrequenter Lärm ent-steht. Arbeiten, wie zum Beispiel Band- und Scheibenschleifen, Sägen, Bohren, Absprengen, sind mit Tages-Lärmexpositi-onspegeln um oder über 85 dB(A) verbun-den. In den vorgenannten Fällen handelt es sich um kennzeichnungspflichtige Lärmbereiche mit Tragepflicht für Gehör-schutz.

Beim Gravieren und Sandstrahlen werden erfahrungsgemäß Tages-Lärmexpositions-pegel ab 80 dB(A) erreicht. Auch hier han-delt es sich bereits um Lärm mit gehör-schädigendem Potential. Gehör schutz - mittel sind anzubieten und sollten getragen werden.

Gefährdung der Augen

Augenverletzungsrisiken bestehen unter anderem beim Anrauen/Vorreißen der Schleifscheibe, so dass eine geeignete Schutzbrille zu tragen ist.

liTerATUr:

• Verordnung zur arbeitsmedizini-schen Vorsorge (ArbMedVV)

• Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutz-verordnung (LärmVibrations-ArbSchV)

• TRGS 505 „Blei“

• TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“

• TRGS 903 „Biologische Grenzwerte“

• BGV A1 „Grundsätze der Prävention“

• BGR 194 „Benutzung von Gehör-schutz“

• BGI 504 „Handlungsanleitung für die arbeitsmedizinische Vorsorge“

• Fachinformationsblatt „Sicherer Um-gang mit Kühlschmierstoffen in der keramischen und Glas-Industrie“

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist in einer speziellen Verordnung rechtlich ge-regelt (Verordnung zur arbeitsmedizini-schen Vorsorge – ArbMedVV). • Bei Belastungen des Muskel-und Ske-

lettsystems einschließlich Vibrationen ist in Abhängigkeit von der Gefähr-dungsanalyse eine arbeitsmedizini-sche Vorsorgeuntersuchung nach dem DGUV-Grundsatz G 46 in Erwägung zu ziehen.

• Bei Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als 4 Stunden pro Tag ist eine ver-pflichtende arbeitsmedizinische Vor-sorgeuntersuchung nach dem DGUV-Grundsatz G 24 durch zuführen. Bei Feuchtarbeit von regel mäßig mehr als 2 Stunden pro Tag ist eine Vorsorgeun-tersuchung anzubieten.

• Bei möglicher Exposition gegenüber silikogenen Stäuben ist in Abhängig-keit von der Gefährdungsanalyse eine verpflichtende arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung nach dem DGUV-Grundsatz G 1.1 zu prüfen und gegebenenfalls durchzuführen.

• Bei möglicher Exposition gegenüber Blei ist in Abhängigkeit von der Gefähr-dungsanalyse eine verpflichtende ar-beitsmedizinische Vorsorgeuntersu-chung nach dem DGUV-Grundsatz G 2 zu prüfen und gegebenenfalls durchzu-führen.

• Ab einem Tages-Lärmexpositionspegel von größer 85 dB(A) ist eine verpflich-tende arbeitsmedizinische Vorsorge-untersuchung nach dem DGUV-Grund-satz G 20 durchzuführen. Bei einem Tages-Lärmexpositionspegel von grö-ßer 80 dB(A) ist die Untersuchung an-zubieten.

iNFOrMATiONeN

Dieses und andere Fachinformations-blätter stehen zum Downloaden unter www.vbg.de/glaskeramik kostenlos zur Verfügung.

Abbildung 3: Lärmbereich

ihre regional zuständigen Bezirksverwaltungen für Fragen und Mitteilungen zur Prävention einschließlich Seminarinformationen, rehabilitation, Versicherungsschutz (freiwillige Versicherung und Aus- landsunfallversicherung) sowie Veranlagung und Veränderung von Unternehmen:

Wir sind für Sie da!Sie erreichen uns montags bis donnerstags von 8.00–17.00 Uhr, freitags von 8.00–15.00 Uhr

Servicenummer für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz: 0180 5 8247728 0,14 €/Min. aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 €/Min.

Bezirksverwaltung Bergisch GladbachKölner Straße 2051429 Bergisch GladbachTel.: 02204 407-0Fax: 02204 1639E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung BerlinMarkgrafenstraße 18, 10969 BerlinTel.: 030 77003-0Fax: 030 7741319E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung BielefeldNikolaus-Dürkopp-Straße 833602 BielefeldTel.: 0521 5801-0Fax: 0521 61284E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung DresdenWiener Platz 6, 01069 DresdenTel.: 0351 8145-0Fax: 0351 8145-109E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung DuisburgWintgensstraße 27, 47058 DuisburgTel.: 0203 3487-0Fax: 0203 2809005E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung erfurtKoenbergkstraße 1, 99084 ErfurtTel.: 0361 2236-0Fax: 0361 2253466E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung HamburgFriesenstraße 22, 20097 HamburgFontenay 1a, 20354 HamburgTel.: 040 23656-0Fax: 040 2369439E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung ludwigsburgMartin-Luther-Straße 7971636 LudwigsburgTel.: 07141 919-0Fax: 07141 902319E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung MainzIsaac-Fulda-Allee 3, 55124 MainzTel.: 06131 389-0Fax: 06131 371044E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung MünchenRidlerstraße 37, 80339 MünchenTel.: 089 50095-0Fax: 089 5024877E-Mail: [email protected]

Bezirksverwaltung WürzburgRiemenschneiderstraße 297072 WürzburgTel.: 0931 7943-0Fax: 0931 7842200E-Mail: [email protected]

ihre Akademien für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz:Seminarinformationen erhalten Sievon Ihrer regional zuständigen Bezirks-verwaltung oder unterwww.vbg.de/seminare

Akademie DresdenKönigsbrücker Landstraße 4c01109 DresdenTel.: 0351 88923-0Fax: 0351 88349-34E-Mail: [email protected].: 0351 457-3000

Akademie GevelinghausenSchlossstraße 1, 59939 OlsbergTel.: 02904 9716-0Fax: 02904 9716-30E-Mail: [email protected].: 02904 803-0

Akademie lautrachSchlossstraße 1, 87763 LautrachTel.: 08394 92613Fax: 08394 1689E-Mail: [email protected].: 08394 910-0

Akademie StorkauIm Park, 39590 StorkauTel.: 039321 531-0Fax: 039321 531-23E-Mail: [email protected].: 039321 521-0

Bei Beitragsfragen:Tel.: 040 5146-2940Fax: 040 5146-2771, -2772E-Mail: [email protected]

VBG – ihre gesetzliche UnfallversicherungDeelbögenkamp 4, 22297 HamburgTel.: 040 5146-0Fax: 040 5146-2146E-Mail: [email protected]

Klinik für BerufskrankheitenMünchner Allee 1083435 Bad ReichenhallTel.: 08651 601-0Fax: 08651 601-1021E-Mail: [email protected]

Prüfung und zertifizierungvon Arbeitsmitteln derBranchen Glas und Keramik:Fachausschuss Glas/KeramikTel.: 0931 7943-321Fax: 0931 7943-803E-Mail: [email protected]

www.vbg.deArtikelnummer: 46-13-0003-2Version 1.0/2010-09Gedruckt: 2010-09/Auflage: 600