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Arsen in der Dermatologie des praktischen Arztes. Von Dr. Edmund Saalfeld (Berlin). Trotzdem die Bedeutung der Dermatologie fiir die ge- samte Medizin in immer weiteren ~rtzlichen Kreisen anerkannt wird, so bilden auch heute noeh bei einer, leider zu grol3en, Anzahl yon .~rzten Hautkrankheiten und A r s e n Komplement~r- griffe. Das Arsen soll ein Allheilmittel in der Dermatologie sein. Diese Anschauung kSnnte eine gewisse Berechtigung haben nach dem, was fiber das Heilmittel Arseuik, allerdings nieht in dermatologisehen Lehrbiichern, geschrieben wird. Es soll yon Nutzen sein bei den verschiedensten Dermatosen, yon A--Z, yon der Akne bis zum Zoster. Wie falsch eine solche Annahme ist, das soll bier in kurzen Ziigen auseinandergesetzt werden, aa einer Stelle, die nicht nur Dermatologen, vielmehr auch den praktischen •rzten zuggnglich sein soll, die einem Manne wie C e s a r B o e c k zu grol~em Danke verpfliehtet sin& Bewegt sich doeh gerade ein Teil seiner Arbeiten aufGebieten, die nicht nur fiir den Dermatologen yon Fach wertvoll sind. Aueh die praktisehen Arzte sind ihm erkenntlich fiir die vielen Anregungen, die er ihnen gegeben, Anregungen, die dazu ben getragen, dermatologische Behandlungsmethoden in einfachster und doch wirkungsvoller Form aueh dem nicht faehm~innisch

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Arsen in der Dermatologie des praktischen Arztes.

Von

Dr. E d m u n d Saalfe ld (Berlin).

Trotzdem die Bedeutung der Dermatologie fiir die ge- samte Medizin in immer weiteren ~rtzlichen Kreisen anerkannt wird, so bilden auch heute noeh bei einer, leider zu grol3en, Anzahl yon .~rzten Hautkrankheiten und A r s e n Komplement~r- griffe. Das Arsen soll ein Allheilmittel in der Dermatologie sein. Diese Anschauung kSnnte eine gewisse Berechtigung haben nach dem, was fiber das Heilmittel Arseuik, allerdings nieht in dermatologisehen Lehrbiichern, geschrieben wird. Es soll yon Nutzen sein bei den verschiedensten Dermatosen, yon A--Z, yon der Akne bis zum Zoster. Wie falsch eine solche Annahme ist, das soll bier in kurzen Ziigen auseinandergesetzt werden, aa einer Stelle, die nicht nur Dermatologen, vielmehr auch den praktischen •rzten zuggnglich sein soll, die einem Manne wie C e s a r B o e c k zu grol~em Danke verpfliehtet sin& Bewegt sich doeh gerade ein Teil seiner Arbeiten aufGebieten, die nicht nur fiir den Dermatologen yon Fach wertvoll sind. Aueh die praktisehen Arzte sind ihm erkenntlich fiir die vielen Anregungen, die er ihnen gegeben, Anregungen, die dazu ben getragen, dermatologische Behandlungsmethoden in einfachster und doch wirkungsvoller Form aueh dem nicht faehm~innisch

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gebildeten Artzte zum gro~en Nutzen fiir die leidende Mensch- heit zugiinglich zu machen.

Etwas abweichend yon dem gewShnlichen Gang, mSchte ich hier zuniichst die negativen Erfolge der Arsenanwendung in der Dermaiologie besprechen. Vom praktischen Standpunkt aus mfissen hier zwei Kategorien yon Hautleiden unterschieden werden, erstens solche Hautaffektionen, in welchen das Arsen keinen Nutzen bringt, zweitens, solche in denen es direkt schiidlich wirkt. Beginnen wir mit diesen, so sind vor allem bei innerem Arsengebrauch - - die Derma tosen zu nennen, deren Ursazhe auf StSrungen im Magen- und Darmkanal zurfickzuffihren ist. Dazu sind manche Ekzeme zu rechnen und besonders die in das Gebiet des Erythema ex indigestione gehSrigen Dermatosen. Wird Arsen yon einzelnen Menschen, die einen gesunden aber empfindlichen Magen haben, oft schon nicht gut vertragen, um wieviel weniger yon einem akut oder chronisch erkranktea Magen. Es braucht bier aber nicht ein Nahrungmittel oder ein Fehler in der Ern~ihrung zu sein, die die Gastroenteritis und zugleich das Erythem - - in der einfachsten Erscheinungsform die Urticaria - - verursachen. Auch Arznei- mittel kSnnen dieselben Erscheinungen hervorrufen, die als Arzneiexantheme bezeichnet werden. Dem Praktiker am ge- liiufigsten ist das Antipyrinexanthem, das nicht nur auf der ~ul]eren Haut Veriinderungen hervorruft, sondern bisweilen auch auI der Schleimhaut des Mundes sichtbare Entziindungs- erscheinungen bedingt, die sich his zur Bildung grSl]erer Bla- sen steigern kSnnen. Die Annahme ist wohl gestattet, dal] die Schleimhautentz~indung in manchen Fiillen nicht nur auf dieses Gebiet beschriinkt bleibt, dal] vielmehr auch der Magendarm- kanal mit in die Erkrankung hineingezogen wird. Da] in der- artigen nnd zahlreichen anderen analogen Fiillen die innere Verabreichung yon Arsen sch~dlich wirken wird, geht aus dem Gesagten ohne weiteres hervor. Die zweite Kategorie yon Haut- erkrankungen, bei denen Arsenik zwar nicht sch~idigend wirkt, aber ohne Nutzen ist, rekrutiert sich in erster Reihe aus den- jenigen Dermatosen, deren Ursache in einer ~ul]eren Noxe - - im weitesten Sinne des Wortes - - zu suchen ist. Dazu gehSrea die dutch Dermatozoen und Epizoen veranlal]ten Ver~nderungen

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(Pediculosis capitis, pubis, vestimentorum, Skabies und einige seltene Erkrankungen), ferner die Pilzerkrankungen der Haut (Trichophytie, Favus, Pityriasis versicolor, Erythrasma).

blach diesen mehr negativen Ausfiihrungen mSchte ich reich zu den Hauterkrankungen wenden, in denen die u yon Arsenik tatsiiehlieh yon Nutzen ist. Auch hier empfiehlt es sich zwei Kategorien zu unterscheiden und zwar zuerst jene F~lle, in welchen Ar sena l s ein Spezifikum zu betrachten ist. In zweiter Reihe stehen dann diejenigen F~ille, in welehen wir das Mittel als Adjuvans anzusehen gewohnt sin&

Die Zahl der Dermatosen, in welchen Arsen spezifisch w i r k t - analog der Beeinflussung der Lues dutch Quecksil- ber - - ist nicht gerade umfangreich; grSl~er dagegen, sobald wir auch einige seltenere~ fiir den Praktiker weniger wichtige Krankheiten beriicksichtigen. In erster Reihe steht der L i c h e n r u b e r p l a n u s , in dem das Arsen nut selten versagt. Allerdings sind wit bisweilen gezwungen, die Arsentherapie wegen unan- genehmer Nebenerscheinungen tempor~r auszusetzen; trotzdem ist das Arsen nicht nur hier als Hauptmittel, sondern a]s Spezifikum zu betrachten. Bei dell auflerordentlich seltenen, wirklich schweren F~illen yon stark ausgepr~gtem, fast den ganzen KSrper einnehmenden L i c h e n r u b e r a c u m i n a t u s kann yon einem prompten Erfolg nieht die Rede sein, wenngleich nicht zu leugnen ist, da~ sich auch bier das Arsen als wirksames Mittel erwiesen hat. Es muff mit grSl]eren Unterbrechungen genommen, dazu dienen, das liistige, auflerordentlich starke Jucken etwas zu mindern, wobei gleichzeitig eine objektive B e s s e r u n g - leider nur sehr selten eine vSllige Heilung erzielt wird. Bei den Hauterkrankungen, welche eine gewisse _~hnlichkeit mit dem Lichen planus haben und die als L i c h e n c h r o n i c u s s i m p l e x V i d a l bezeichnet werden, sol1 in jedem Fal le-- wenn nicht ganz besondere Kontraindikationen vor- liegen -- Arsen gegeben werden; ein giinstiger Einflul] wird wohl immer beobachtet, wenngleich hier die RSntgenbehandlung so gute Resultate gezeigt ha l dal] das Arsen bei diesem Leiden ebenso wie bei dem Lichen planus selbst, etwas in den Hinter- grund gedr~ngt worden ist.

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Dal] die sehr se]teae typische P i t y r i a s i s r u b r ~ p i 1 a r i s D e v e r g i e, die nach meiner persSnlichen Ansehauung mit dem Lichen ruber acuminatus nieht identiseh ist, dem Arsen weicht, konnte ieh in einem FMle beobachten. Bei den nicht gerade h~iufigen Fiillen yon A k n e n e c r o t i s a n s bewirkt die Arsendarreichung meist einen guten Erfolg. Allerdings ist alas Arsen nicht im Sta_~Lde, die Patienten vor Rezidiven zu bewahren. Auch bei den V e r r u c a e p l a n a e j u v e n i l e s kSnnen wir die Arsenwirkung als eine fast spezifische ansehen; nur wenige F~lle zeigen sich refraktiir. Ebenso verh~lt es sich mit der P i t y r i ~ s i s r o s e n . Schon auf dem Lissaboner internationalen medizinischen Kongrel] 1906 konnte ich darauf hinweisen, dal] es gelingt, dieses Leiden durch interne Arsen- behandlung zum Schwinden zu bringen. Seit jener Mitteilung babe ich mehr als hundert F~ille yon Pityriasis rosen in dieser Weise behandelt und k~nn nur wiederholen, dM3 in der grSl]ten Anzahl der F~lle unter internem Arsengebrauch die Krankheit sich vSllig zuriickgebildet hat; bisweilen w~ren schon nach aeht Tagen die Effloreszenzen der~rtig giinstig ver~ndert, dab es kaum noch mSglieh war, die Diagnose zu stellen. In den seltenen F~llen, in denen ich neben dem Arsen ~ullere Mittel zur Hilfe nehmen mul]te, waren es neurasthenisehe Patienten, denen ich zu ihrer psychischen Beeinflussung ein ~ul]eres, juck- stillendes Mittel verordnete.

Die grol]e Gruppe der P e m p hi g u s-Erkrankungen und der dieser verwandten D e r m a t i t i s h e r p e t i f o r m i s wird durch Arsen giinstig beeinflul]t, so dal] man bisweilen von einer geradezu spezifischen Wirkung sprechen kann. Leider l~l]t diese bei Pemphigus nicht selten im Stieh und aueh bei der Derma- titis herpetiformis kSnnen wir nieht immer mit Sicherheit einen vollen Erfolg vorhersagen. Ich mSchte es ~ber doch ftir einen Fehler halten, bei diesen Erkrankungen sich auf eine rein externe Therapie zu verlassen; ich wfirde es ferner fiir falsch halten, sich durch einen anfiinglichen Mil]erfolg der Arsenbe- handlung beeinflussen zu lassen. Diese Krankheiten sind der- artig hartnfickig,~ Schwankungen in ihrem Verlaufe so aul]er- ordentlich unterworfen, wie es ja bei vielen ehronischen Krank-

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heiten der Fall ist, dab niemals auf die kousequente Anwen- dung des Arsensgebrauchs verzichtet werden darf.

Eine zwar nur geringe, aber doch spezifische Einwirknng des Arsen tritt zu Tage bei denjenigen Hautkrankheiten, welche mit einer Ver~nderung des Blutes resp. der blutbildenden Org~ne einhergehen, der L e u k ~ m i e und P s e u d o 1 e u k ~ m i e, ferner den H a u t s a r k o m e n und der M y c o s i s f u n g o i d e s , welchen letzteren beiden eiae gew]Be Beziehung zu den er~ten zugesprocben wlrd. KSnnen wir bei Beginn der Erkrankungen namentlieh der Mycosis fungoides in ihrem ersten Stadium, tier sogenannten P r ~i m y k o s e, die oft viele Jahre dauert, auf einen gewissen giinstigen EinfluB auf die Erkankung mit Sicherheit rechnen, so geht derselbe leider fast niemals so welt, dab tier schlechte Ausgang schlieBlich dadurch gehindert werden kSnnte. Immerhin ist dutch konsequente Arsentberapie eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufes zu konstatieren, eine Besserung, die in den letzten Jahren in hSherem Grade in die Erscheinung trat, wenn mit der Arsendarreichung auch die in vielen F~illen wirksame RSntgenbehandlung kombiniert wurde.

Ob die innere Arsenbehandlung auf ein typisches K a n k r o i d einen so welt gehenden spezifischen EinfluB hat, dab es hie- durch zum Schwinden gebracht wird, wie vor einiger Zeit behauptet wurde, entzieht sieh meiner Beurteilung, da ich nicht fiber eine dahingehende Erfabrung verfiige. Jedenfalls sind bier einige Bedenken berechtigt und zwar um so mehr, als durch die lange fortgesetzte Arsenbehandlung die Zeit flit anderes sicher wirkendes Eingreifen vorloren gehen mu~.

Bei einer Reihe yon Dermatosen ist der Arsengebrauch yon schwankender Wirkung und zwar l~ann man nur in gewissen Stadien auf einen Erfolg rechnen. In erster Reihe ist bier tier P s o r i a s i s v u l g a r i s zu gedenken. Uber den EinfluB des Mittels auf dieses Leiden herrscht bei den Autoren keines- wegs volle Ubereinstimmung. Diejenigen Autoren, welche die Psoriasis vulgaris fiir eine parasit~re Erkrankung halten eine Annahme, fiir welche bisher der Beweis noch aussteht - - sprechen der Arsentherapie jeden Nutzen bei diesem Leiden ab. Andere Autoren wollen es nur im Anfang geben und eine weitere Gruppe yon Dermatologen glaubt nur beim Abklingen

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des Leidens Vorteil yon der hrsendarreichung gesehen zu haben. Wie so oft diirfte wohl auch hier beziiglich der beiden letzten Anschauungen die Wahrheit in der Mitre liegen. Ich persSnlich habe den grSl]ten Vorteil yon der hrsendarreichung beim Anfang eines frischen Psoriasisausbruehes gesehen und kann reich der Anschauung derjenigen Autoren nieht anschiel]en, welche hrsen fiir kontraindiziert halten, wenn bei einer ffischen Psoriasis die einzelnen Plaques noch sehr blutreich sind; nach hnalogie des Vorganges im Darm soll das Arsen bier die Hyper~mie steigern und dadurch sch~dlich wirken. Die wohl mehr durch Theorie als durch praktische Erfahrung gestiitze Annahme habe ich nicht best~itigt geiunden. Niemals babe ich eine Verschlimmerung des Leidens beobaehtet und oft genug habe ieh, wenn das Mittel gut vertragen wurde, durch ausschliel]lich interne Verabfo]gung yon hrsen das Leiden abheilen sehen, wobei gleichzeitig das nicht selten so l~istige Jucken sehr bald naehlieI]. Bei einem frischen husbruch der Psoriasis halte ich eine energische ~i u l]e r e Behandlung flit kontraindiziert, da durch die hierbei zu Tage tretende Reizung der Haut oit genug - - nach Analogie des bekannten Ritzexperimentes neue Effloreszenzen auftreten. Auf der anderen Seite ist aber bisweilen der Nutzen des Arsens auch in einem welter vor- geschrittenen Stadium der Schuppenflechte nicht zu leugnen. Jedenfalls mul] bei der inneren Behandlung der Psoriasis unser Bestreben darauf gerichtet sein, die ganze Konstitution des P a t i e n t e n - im weitesten S i n n e - - u n d so auch das Haut- organ zu beeinflussen. Bei fettleibigen Patienten werden wir yon Arsen Abstand nehmen und die Beeinflussung der Konsti- tution durch eine auf Gewichtsabnahme gerichtete -- speziell vegetarische - - Dii~t erzielen~ w~hrend wir bei Patienten, bei denen eine Hebung des Allgemeinzustandes geboten erscheint, hrsen geben.

Eine Anderung der Gesamtkonstitution durch Arsen soll bei der h~ufig,~ten Dermatose, dem E kzem, auch in den F~llen herbeigefiihrt werden, in denen die Annahme gestattet ist, daft ein konstitutionelles Leiden vorliegt, das sich unter anderem auch in der ekzematSsen Erkankung manifestiert. Es sind das F~lle yon schwer zu beeinitussendem, zum Tell mit Lichenifikation

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einhergehenden Ekzem, das grSflere Partien des KSrpers bef~illt, Erkrankungen die oft schon in friihester Kindheit beginnen, in anderen F~llen aber erst im spKteren Leben auftreten. Gelingt es hier nieht einen bestimmten iiuBeren Anlal~ festzustellen, spricht vielmehr alles dafiir i dab das Ekzem in den obea gemeinten Sinne aufzuiassen ist, so verdanken wir dann dem Arsen und zwar der konsequenten, lange Zeit durchgefiihrten Anwendung oft recht gute Erfolge. Bei der S e b o r r h o e des Gesichtes und der damit einhergehenden Akne , sowie bei der Seborrhoe des Kopfes und dora hierbei oft auftretendem vorzeitigen Haarausfall erweist sich das Arsen yon Vorteil, wenn diese Affektionen durch chlorotische ZustKnde bedingt sind. Wird durch Arsendarreichung eine Besserung der Chlorose sowie eine Hebung des Allgemeinbefindens bewirkt, so werden auch die FolgezustKnde gebessert.

In analogem Sinne diirfte auch wohl die giinstige Beein= flussung der in das Gebiet der T u b e r k u l i d e gehSrenden Erkrankungen zu beurteilen sein. So wird die Heilung des L i c h e n s e r o p h u l o s o r u m bei Arsenbehandlung wesentlich beschleunigt und auch bei der F o l l i k l i s konnte ich eine schnellere Abheilung des Leidens beobachten, als wenn man die Fiille sich selbst iiberlie].

Dal~ man bei einem so rebellischen Leiden, wie es die P r u r i g o darstellt, auch zum Arsen seine Zuflueht nimmt, ist begreiflich; und in der Tat sehen wir bei tier Prurigo bei gleichseitigen zweckentsprechenden ~uBeren Mafinahmen durch Arsen Besserung eintreten ; ja in leichteren F~illen kSnnen wir aueh einmal die Freude einer vSlligen Heilung erleben. Allerdings soll Arsen erst bei der ausgesprochenen Prurigo gegeben werden, nicht aber in ihrem Anfangsstadium, bei der die Urtikaria in die Erscheinung tritt. Hier schadet Arsen im allgemeinen, da der Urtikariausbruch oft durch Verdauungs- stSrungen hervorgerufen wird.

Ich mSchte diese Betrachtung fiber Arsen nicht schlieBen, ohne noch mit einigen Worten auf die in der letzten Zeit aktuell gewordene Frage der Arsenbehandlung der S yp h i l i S einzugehen. Schon seit langer Zeit hat man Arsen bei ge- schwKchten Syphilitikern gegeben, tells yon vornherein, damit

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die Patienten die Quecksilberkur besser ~ertriigen, tells dann, wenn die Kranken in ihrem Allgemeinbefinden durch die Quecksilberkur gelitten batten. Hier kann man fast stets einen guten Erfolg konstatieren.

Die Einfilhrung der neueren Arsenpr~iparate als Spezifika gegen Syphilis, die an Stelle des altbewiihrten Queeksibers and Jods treten sollten, haben leider nicht das gehalten, was man yon ihnen erwartete. Anders verhiilt es sich mit dem neuesten yon E h r 1 i e h endeekten Arsenpriiparat 606, dem Oxydiamido- Arsenobenzol, S a l v a r s a n, das als eine hochbedeutende Bereicherung des Arzneischatzes angesehen werden mull, das vielleicht sp~ter nach weitererer Vereinfachung seiner Appli- kationsart auch in der Hand des praktisehen Arztes fiir den Kranken yon Nutzen sein wird.

Ganz kurz mSchte ich noeh auf die fiir den Praktiker so wichtigen N e b e n w i r k u n g e n des Ar sens hinweisen, die ein Aussetzen des Mittels notwendig erscheinen lassen. Die Arsen- melanosen, Arsenhyperkeratosen sowie den Arsenzoster wird der praktische Arzt nur ~iul]erst selten zu sehen Gelegenheit haben. H~ufiger kommen dagegen bei innerem Arsengebrauch StSrungen im Magendarmkanal vor, die sich als K~tarrhe (Durchfall) iiu~ern. Auf der Zunge besteht ~uweilen das Gefiihl, als ob sic fettig w~re, im Halse stellt sieh Trockenheit ein, ferner zeigt sich Reizung der Konjunktiva~ die den Patienten ein Gefiihl verursscht, als ob sie Sand im Auge haben. Von Seiten des Nervensystems zeigen sich Kopfschmerzen, allgemeine Mattigkeit nnd Unruhegefiihl.

Die unangenehmen Nebenerscheinungen yon Seiten tier Verdauungsorgane lassen sieh oft heben, wenn start tier vielfaeh gebrauehten Soluti0 Fowleri das Acidum arsenieosum gegeben wird. Auch hierbei beobachtete ich bisweilen Magenbeschwerden, die sehwanden, wenn statt der Pilulae asiatieae Pillen gegebea warden, in denen der Pfeffer fortgelassen war oder wenn diese dureh Granules ex acido arsenieoso ersetzt wurden. Dann ist noch darauf hinzuweisen, dM] in manchen F~illen die Pillen wegen unzureiehender Resorption keine geniigende Wirkung zeigen. Eine solche tritt alsbald ein, wenn anstatt der Pillen oder Granules eine LSsung yon Acidum arsenicosum gegeben

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wird. Ich verordne seit mehr als 20 Jahren Sol. Acid. arsenicos. 0"05 : 200"0, yon der ein jeder TeelSffel (zu 4 c c m Wasser gerechnet) 1 Milligramm Acid. arsenicos, enth~lt. u dieser LSsung lasse ich bei Erwachsenen mit dreimal t~iglich einem Teel5ffel beginnen und allm~ihlich steigern eventuelI bis zur Maximaldosis, die 20 TeelSffeln pro Tag entspricht. Bei Kindern wird je nach dem Alter die LSsung entsprechend schw~icher gegeben.

Daft alle Arsenpr~parate nach dem Essen gegeben werden sollen, mag der Vollst~indigkeit halber erw~hnt werden; ob die alte Vorschrift, bei innerem hrsengebrauch saure Speisen und saure Getr~nke, sowie besonders rohes Obst zu vermeiden~ stets zu Recht besteht, mSchte ich dahingestellt sein lassen. Es heiflt auch bier, wie in vielen F~llen: ,Probieren geht fiber studieren. ~

Wird Arsen yore Magen und Darm nicht vertragen oder soll eine schnellere Wirkung erzielt werden, so empfiehlt sich die subkutane resp. intramuskul~ire Injektion. Hierzu dient das ~atrium arsenicosum in 1% LSsung in der Formel: Rp.: �9 Natrii arsenicosi 0'1, Aqu. sterilisat, ad 10'0, M. D. in vitro amplo. S. zur subkutanen Injektion. Von dieser LSsung injiziert man bei Beginn der Behandlung eine drittel bis eine halbe Prawz-Spritze, um allm~ihlich auf eine ganze Spritze oder noch hSher zu steigen. Die anfangs jeden zweiten Tag gemachten Injektionen werden sparer tKglich vorgenommen. Da die LSsung nicht steril gehalten werden kann, empfiehlt es sich, um eine Abzel~bildung zu vermeiden, das zu injizierende Quantum jedes Mal vorher in einem Reagenzglas aufzukochen und die kalte LSsung einzuspritzen oder aber der LSsung 1~ Karbols~iure hinzuzusetzen.

Als gut brauchbares ArsenprKparat habe ich auch das kakodylsaure Natron befunden, das in 5% iger sterilisierter LSsung gegeben wird. Zweckm~[~ig und fiir den Praktiker be- quem wird das Pr~iparat unter dem }/amen Arsykodile in Form sterilisierter Ampullen ordiniert. Ein jedes Glg~schen enth~ilt 0"05 }/atr. cacodylic. Von einer solchen Ampulle wird ebenso wie yon der vorher erw~ihnten }/atr. cacodyl.-LSsung anfangs 2--3 Zentigr. }/atr. cacodyl., jeden zweiten Tag injiziert. Man steigt alsbald mit der Dosis auf 5 Zentigr. und gibt dieselbe

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schliel]lich bei guter Toleranz t~iglich eventuell, kann diese Dosis auch noch gesteigert werden.

Ich babe versucht, in kurzen Ziigen die Injektionen und Kontraindikationen fiir die Arsenbehandlung in der Dermato- logie fiir den praktisehen Arzt auseinanderzusetzen, in welchen Fallen seine Anwendung yon Nutzen, in welchen sie yon Schaden ist. Ich hofie gezeigt zu haben, dal] die Auschauung, Arsen sei ein Allheilmittel in der Dermatologie, falsch und yon dem praktisehen Arzt aufzugeben ist. Auf der anderen Seite glaube ich aber in geniigendem Mal]e dargetan zu haben, dab Arsen vom praktischen Arzt oft mit Nutzen verordn~t wird~ wenn die Indikationen streng abgegrenzt werden, wenn nicht blol] die Diagnose des ttautleidens beriicksichtigt wird, wenn vielmehr auch das Stadium, in welchem sich dasselbe befindet und, last not least, neben der Krankheit auch die Individualit~t der Menschen, die yon der Krankheit befallen sind, nicht unberiick- sichtigt bleibt.