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0303-8408/95/040230-04 $1.50 + 0.20/0 1995 BirkhauserVerlag Basel Horst J. Koch UIm Aspekte der Pharmakotherapie w ihrend der Wirbels iulenoperation nach Harrington den mit einem standardisierten Datenbogen erfasst, anonymisiert und deskriptiv (Mittelwert, Stan- dardabweichung) mit dem SPSS- Programmpaket analysiert 4. Die Spondylodese nach Harring- ton stabilisiert die WirbeMiule durch innere Fixierung mit Metall- st~iben und verhindert die Progres- sion der Skoliose. Die Neurolept- analgesie hat sich als Narkosever- fahren der Wahl bew~ihrt, wobei die ausgepr~igten psychischen und physischen Belastungen, insbe- sondere der intraoperativen Auf- wachtest, beracksichtigt werden massen 1,2 In dieser Arbeit soil primer die Pharmakotherapie w~ihrend der Harringtonoperation deskriptiv dargestellt und ihre Bedeutung unter Beachtung der psychophy- sischen Belastungen bewertet wer- den. Patienten und Methode In einer retrospektiven Studie wur- den die Akten von 85 Skoliosepa- tienten (m:22; f:63), die sich zwi- schen 1973 und 1986 einer Spondy- lodese nach Harrington unterzo- gen, ausgewertet 3. Das Durch- schnittsalter betrug 21,6 + 12,9 Jah- re (8-61). 52,9% der Skoliosen waren dem idiopathischen For- menkreis zuzuordnen. 30 Personen wiesen eine S-f/Srmige und 25 eine C-f/Srmige thorakale Skoliose auf. In 7 Ffillen handelte es sich um Kyphosen. 34 Patienten wurden zuvor mit einer Haloextension und 15 mit einer ventralen Spondylo- dese versorgt. Die Rohdaten wur- Ergebnisse In gewohnter Weise wurde mit einem Benzodiazepin, einem Neu- roleptikum und einem zentralen Analgetikum pr~imediziert. Als bevorzugte Prfiparate wurden dabei Diazepam (28,2%), Trifluo- promazin (28 %) respektive Pethi- din (61,1%) eingesetzt. Die mittle- re Dauer der Operation (161,6 min __+_ 54,4) und der An~isthesie (211,3min+82,7) waren vonder Zahl der involvierten Wirbelsfiu- lensegmente (9,5 _+ 3,2) abh~ingig. Im Mittel ft~hrte man die Narkose mit 0,0034 (SD=0,002) mg/min Fentanyl, 0,041 (SD=0,022) rag/ rain und 0,121 (SA = 0,048) mg/min Alcuronium bezogen auf die Anfisthesiedauer durch. Der Blutverlust wurde im Mittel pro Patient zu 1754 ml (SD = 1336) errechnet. Bezogen auf die Zahl der versteiften Segmente wurden im Schnitt 243 ml ermittelt. Intra- operativ wurden 1039ml (SD= 1077) und postoperativ nochmals 794 ml (SD = 562) substituiert. Da- zu infundierte man parallel 578 ml 230

Aspekte der Pharmakotherapie während der Wirbelsäulenoperation nach Harrington

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Page 1: Aspekte der Pharmakotherapie während der Wirbelsäulenoperation nach Harrington

0303-8408/95/040230-04 $1.50 + 0.20/0 �9 1995 Birkhauser Verlag Basel

Horst J. Koch

UIm

Aspekte der Pharmakotherapie w ihrend der Wirbels iulenoperation nach Harrington

den mit einem standardisierten Datenbogen erfasst, anonymisiert und deskriptiv (Mittelwert, Stan- dardabweichung) mit dem SPSS- Programmpaket analysiert 4.

Die Spondylodese nach Harring- ton stabilisiert die WirbeMiule durch innere Fixierung mit Metall- st~iben und verhindert die Progres- sion der Skoliose. Die Neurolept- analgesie hat sich als Narkosever- fahren der Wahl bew~ihrt, wobei die ausgepr~igten psychischen und physischen Belastungen, insbe- sondere der intraoperativen Auf- wachtest, beracksichtigt werden m a s s e n 1,2 In dieser Arbeit soil primer die Pharmakotherapie w~ihrend der Harringtonoperation deskriptiv dargestellt und ihre Bedeutung unter Beachtung der psychophy- sischen Belastungen bewertet wer- den.

Patienten und Methode

In einer retrospektiven Studie wur- den die Akten von 85 Skoliosepa- tienten (m:22; f:63), die sich zwi- schen 1973 und 1986 einer Spondy- lodese nach Harrington unterzo- gen, ausgewertet 3. Das Durch- schnittsalter betrug 21,6 + 12,9 Jah- re (8-61). 52,9% der Skoliosen waren dem idiopathischen For- menkreis zuzuordnen. 30 Personen wiesen eine S-f/Srmige und 25 eine C-f/Srmige thorakale Skoliose auf. In 7 Ffillen handelte es sich um Kyphosen. 34 Patienten wurden zuvor mit einer Haloextension und 15 mit einer ventralen Spondylo- dese versorgt. Die Rohdaten wur-

Ergebnisse

In gewohnter Weise wurde mit einem Benzodiazepin, einem Neu- roleptikum und einem zentralen Analgetikum pr~imediziert. Als bevorzugte Prfiparate wurden dabei Diazepam (28,2%), Trifluo- promazin (28 %) respektive Pethi- din (61,1%) eingesetzt. Die mittle- re Dauer der Operation (161,6 min __+_ 54,4) und der An~isthesie (211,3min+82,7) waren v o n d e r Zahl der involvierten Wirbelsfiu- lensegmente (9,5 _+ 3,2) abh~ingig. Im Mittel ft~hrte man die Narkose mit 0,0034 (SD=0,002) mg/min Fentanyl, 0,041 (SD=0,022) rag/ rain und 0,121 (SA = 0,048) mg/min Alcuronium bezogen auf die Anfisthesiedauer durch. Der Blutverlust wurde im Mittel pro Patient zu 1754 ml (SD = 1336) errechnet. Bezogen auf die Zahl der versteiften Segmente wurden im Schnitt 243 ml ermittelt. Intra- operativ wurden 1039ml (SD= 1077) und postoperativ nochmals 794 ml (SD = 562) substituiert. Da- zu infundierte man parallel 578 ml

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(SD = 355) respektive 721 ml (SD = 924) Plasmaprodukte. An kristal- linen L6sungen erhielten die Pa- tienten w/ihrend des Eingriffs durchschnittlich 1540 ml (SD = 724) und am ersten postoperativen Tag 1966ml (SD=746). Die kolloida- len Plasmaersatzmittel beliefen sich intraoperativ auf 862 ml (SD = 387) und bis einschliesslich zum ersten postoperativen Tag auf 384ml (SD =261). In diesem Zeit- raum erhielten die Patienten im Durchschnitt 640 ml (SD = 427) Fltissigkeit per os und schieden 1562 ml (SD = 772) aus. In diesem Masse wie die orale Fltissigkeitszu- fuhr, die am vierten postoperativen Tag die 1 L-Marke tiberschritt, ge- steigert wurde, konnte die paren-

terale Gabe reduziert werden, so dass am vierten Tag nach dem Ein- griff nur noch 24 Patienten kristal- line respektive 2 Patienten kolloi- dale L6sungen per infusionem er- hielten. Pethidin (37,6 % ), Piritramid (40 %), Pentazocin (43,5 %) und Buprenophin (23,5 %) waren post- operativ die meist verordneten zentralen Analgetika. Von den peripheren Analgetika bevorzugte man propyphenazonhaltige Kom- binationen sowie Parazetamol. Eine wichtige Rolle spielte die sedative Therapie nach der Opera- tion. Bei 25 Patienten kam Diaze- pam und bei 20 Patienten wurden perioperativ mit Flucloxacillin antibiotisch abgedeckt, wobei das

/%Lactam-Antibiotikum in etwa 50% der Ffille mit Gentamicin kombiniert wurde. Uber 1/3 der Frischoperierten ben6tigten post- operativ peristaltikf6rdernde Kom- binationen, wie zB. Carbachol oder Dexapanthenol. Weiterhin ben6- tigten wenigstens 19 Personen kurzfristig antiemetische Medika- mente. Furosemid wurde bei 10 Patienten appliziert. 32,9% der Operierten erhielten in der post- operativen Phase Dihydroergo- toxin enthaltende Pr~iparate. Der postoperative Medikamentenbe- darf ist in der Tabelle 1 zusammen- gefasst.

Tabelle I. Medikamentenverbrauch (Wirkstoff, Wirkstoffkombinationen) in der perioperativen Phase der Spondy- Iodese nach Harrington (relative H#ufigkeit [%]). Vereinzelt eingesetzte Pharmaka sind nicht aufgefOhrL

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Diskussion

Die Operation nach Harrington bedeutet far den Patienten einer- seits die Hoffnung, die Progredienz des Leidens zu verhindern, ande- rerseits eine grosse psychische und physische Belastung. Die Pharma- kotherapie kann einen Beitrag dazu leisten, die vortibergehenden, extremen Belastungen der Opera- tion zu erleichtern. Neben der not- wendigen Bilanzierung der Fltissig- keitsverluste spielen besonders die sedative, die peripher- bzw. zen- tralwirksame analgetische Pharma- kotherapie eine wichtige Rolle. Diese Massnahmen k6nnen die akute, situationsbedingte Angst (state anxiety) deutlich mindern 5. Durch die operationsimmanente Distraktion der Wirbels~ule k6n- nen postoperative vermehrte Dar- matonien, im Extremfall als Cast- Syndrom, auftreten 2. Hier kann ein peristaltikf6rderndes Medikament giinstig wirken. Daneben kommt der periperativen antibiotischen Prophylaxe und dem Einsatz kar- diovaskulfir wirkender Substanzen im Rahmen der tiblichen chirur- gisch-anfisthesiologischen Behand- lung eine wichtige Bedeutung zu. Die vorliegenden deskriptiv eva- luierten pharmakoepidemiologi- schen Daten lassen zusammen- fassend vermuten, dass die Pharma- kotherapie, insbesondere die seda- tive und analgetische Behandlung, eine Sfiule der perioperativen Be- treuung der Harringtonoperation darstellen.

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Literaturverzeichnis

1 Schofield NN. Anesthesia for spinal disorders. In: Loach A, ed. An- esthesia for orthopedic patients Cur- rent topics in anesthesia. London: Edward Arnold 1983 : 79 pp.

2 Hack T, Schraudebach T, Rommel- stein K, et al. Spezielle An/isthesie- probleme bei der operativen Sko- liosebehandlung nach Harrington. Prakt An/~sth 1975; 11:81-91.

3 Koch HJ. Anaesthesiologische Pro- bleme in der perioperativen Phase

der Skolioseoperation nach Har- rington [Dissertation]. Mannheim: Universit~it Heidelberg, 1988. Beutel P, SchubO W. SPSS 9 - Stati- stikprogrammsystem ftir die Sozial- wissenschaften. 4. Aufl. Stuttgart: Gustav Fischer, 1983. Tolksdorf W, Gawol I, Grund R, et aL Untersuchungen zur pr~iopera- tiven Angst. In: An~isthesiologie und Intensivmedizin Bd. 139. Zentral- europ~iischer An~isthesiekongress; Haid B, Mitterschiffthaler G, Hrsg. Heidelberg: Springer, 1981.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Horst J. Koch Lautengasse 19 D-89073 Ulm

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