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AlbreehL v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 188, 43 53 (1973) by Springer-Verlag 1973 Augeninnendruck wSkrend und nach k6rperlicher Belastung Eine systematische Untersuehung unter reproduzierbaren Arbeitsbedingungen II. S/iuren-Basenhaushalt Wolf Kypke, J6rg II611ge und Brigitte Seriba Augenklinik der FU Berlin, Klinikum Westend (Direktor: Prof. Dr. reed. J. Wollensak) Eingegaalgen am 14. lVfai 1973 Intraoeular Pressure under Physical Stress A Methodical Investigation under Reproducible Conditions II. Acid-Base-Parameter Summary. Standard-load-tests on the bicycle-ergometer up to 250 Watt were performed on 50 healthy individuals of both sexes. In three experimental runs intra- ocular pressure, arterial pH, base-excess and arterial pCO2~ were measured. A high significant correlation between intraoeular pressure and metabolic acidosis during and after muscular exertion was found. Zusammen/assung. Bei 50 jugendliehen Versuehspersonen beiderlei Geschleehts wurden standardisierte Belastungsversuche bis 250 Watt auf dem Fahrradergo- meter durehgefiihrt. Wghrend und naeh k6rperlicher Arbeit wurden in drei Ver- suehsanordnungen Augeninnendruek, arterieller pit-Weft, base-excess, Standard- biearbonat und arterieller Kohlens~urepartialdruek gemessen. Es konnte ein signi- fikanter Zus~mmenhang der Augeninnendrueksenkung mit der bei der Muskelarbeit auftretenden metabolischen Acidose gefunden werden. In dem I. Tell der Untersuehung konnte eine eindeutige Augeninnen- drueksenkung w/~hrend und naeh starker k6rperlieher Belastung naeh- gewiesen werden. Ahnliche, sehon frfiher gemaehte Beobaehtungen anderer Autoren haben immer wieder die Frage naeh dem Meehanismus dieser Druek- senkung aufkommen lassen. De Jong und Wolff (1930) glaubten, naeh Nuskelkr~mpfen eine druekerniedrigende Substanz gefunden zu haben, die sie ,,Antitonon" nannten. Kfiehle und Rohrsehneider konnten dann 1957 naehweisen, dal3 diese Substanz nieht existiert und suehten naeh anderen Zusammenhangen mit dem Muskelstoffweehsel. Ihre experi- mentellen Ans~tze fiber den EinfluB yon Milch- und Brenztraubens/ture

Augeninnendruck während und nach körperlicher Belastung

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Page 1: Augeninnendruck während und nach körperlicher Belastung

AlbreehL v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 188, 43 53 (1973) �9 by Springer-Verlag 1973

Augeninnendruck wSkrend und nach k6rperlicher Belastung

Eine s y s t e m a t i s c h e U n t e r s u e h u n g u n t e r r e p r o d u z i e r b a r e n A r b e i t s b e d i n g u n g e n

I I . S / i u r e n - B a s e n h a u s h a l t

Wolf K y p k e , J6 rg II611ge und Br ig i t t e Ser iba

Augenklinik der FU Berlin, Klinikum Westend (Direktor: Prof. Dr. reed. J. Wollensak)

Eingegaalgen am 14. lVfai 1973

I n t r a o e u l a r Pressure under Phys ica l Stress

A Methodical Investigation under Reproducible Conditions II . Acid-Base-Parameter

Summary. Standard-load-tests on the bicycle-ergometer up to 250 Watt were performed on 50 healthy individuals of both sexes. In three experimental runs intra- ocular pressure, arterial pH, base-excess and arterial pCO2~ were measured. A high significant correlation between intraoeular pressure and metabolic acidosis during and after muscular exertion was found.

Zusammen/assung. Bei 50 jugendliehen Versuehspersonen beiderlei Geschleehts wurden standardisierte Belastungsversuche bis 250 Watt auf dem Fahrradergo- meter durehgefiihrt. Wghrend und naeh k6rperlicher Arbeit wurden in drei Ver- suehsanordnungen Augeninnendruek, arterieller pit-Weft, base-excess, Standard- biearbonat und arterieller Kohlens~urepartialdruek gemessen. Es konnte ein signi- fikanter Zus~mmenhang der Augeninnendrueksenkung mit der bei der Muskelarbeit auftretenden metabolischen Acidose gefunden werden.

I n dem I. Tell der Un te r suehung konn te eine e indeut ige Augeninnen- d rueksenkung w/~hrend und naeh s ta rker k6rper l ieher Be las tung naeh- gewiesen werden.

Ahnliche, sehon frfiher gemaehte Beobaeh tungen andere r Au to ren haben immer wieder die F rage naeh dem Meehanismus dieser Druek- senkung au fkommen lassen. De Jong und Wolff (1930) g laubten , naeh Nuske lk r~mpfen eine d ruekern iedr igende Subs tanz gefunden zu haben, die sie , ,Ant i tonon" nannten . Kfiehle und Rohrsehne ider konn ten dann 1957 naehweisen, dal3 diese Subs tanz n ieht exis t ier t und suehten naeh anderen Zusammenhangen mi t dem Muskelstoffweehsel . Ih re experi- mente l len Ans~tze fiber den EinfluB yon Milch- und Brenzt raubens / ture

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44 W. Kypke et al. :

auf den Augen innendruck wurden zule tz t yon Marcus u. Mitarb. (1970) for tgefi ihr t . Ihnen gelang der Nachweis, dab die genann ten sauren Stoff- wechse lprodukte in e inem hohen Mat3 fiir die Drucksenkung nach k6rper- l icher Arbe i t veran twor t ] ich zu machen sind.

Von einem ganz anderen Ansa tz her besch/~ftigen sich neucre Arbe i ten yon Bic t t i et al . (1972) mi t den Zusammenhgngen zwischen Acidose und Augen innendruck sowie dem Einflul3 ar ter ie l ler Gasspannungen auf den Augen innendruck (Kaufmann et a l . , 1972).

Nun ist aber seit langem bekannt , dai3 schwere kSrperl iche Arbe i t mi t einer mctabol i schen Acidose cinhergeht . Aufgabe und Zie] der Unter - suchung war es daher , die gefundene Drucksenkung mi t den Ver/inde- rungen im Sgurenbasenhausha l t zu vergleichen uud evtl . Zusammenhgnge aufzuzeigen.

Untersuchung und Methodik

Ffir die Versuchspersonen und die Versuchsanordnung gelten die im Teil I der Arbeit gemachten Angaben (Albrecht v. Graefes Arch. Klin. exp. Ophthal. 186, 91--104 (1973). Vor jedem Versuch erfolgte Blutabnahme aus dem mit FinMgon hyper~misierten Ohrl~ppchen. Das Capillarblut wurde in heparinisierte Glasr5hr- ehen gefdllt und anschliel~end untersucht. Die Bestimmung des pH-Wertes erfolgte direkt nach der Mikromethode yon Astrup. Durch ~_quilibrieren des tllutes mit bekannten C0e-Konzentrationen wurden Standardbicarbonat, art. Kohlensg~ure- partialdruck und base excess nomogrammatisch ermittelt.

In Serie 0 wurde auf dem Fahrradergometer im Liegen in Stufen yon je 50 Watt und 5 min belastet. Aufgrund ihres ~hnlichen k5rperlichen Leistungszustandes sind 15 der 25 Teilnehmer in Tabelle 1 zur Bewertung zusammengefM~t.

Die Blutentnahme erfolgte zu Beginn des Versuches, in der 3.--5. min jeder Belastungsstufe, sowie in der 3. und 10. min nach Arbeitsabbruch.

Tabelle 1. Mittelwerte mit Standardabweichungen der Serie 0 (n ~ 15)

Ruhe 50 W 100 W 150 W Max.Be- 3 rain 10 min lastung post. post.

Arterieller 7,423 7,417 7,394 7,351 7,333 7,298 7,339 pH 4-0,028 • ~0,028 • ~=0,039 -t-0,037 •

pCO~ 40,60 41,9 41,35 37,31 35,11 32,16 31,90 -4-3,14 d- 2,94 4- 3,29 • 3,68 d- 1,51 • 3,25 • 3,79

BE 1,55 1,86 0,99 --4,65 --6,31 9,54 --7,06 ~-0,98 ~- 1,07 4- 2,62 • 1,76 ~- 2,09 i 2,75 • 3,89

SB 25,85 26,12 24,80 20,96 19,58 17,35 18,87 d= 1,22 ~1,32 q- 1,94 ~ 1,88 ~ 1,67 i 2,15 ~= 2,82

Tens. P~A 16,06 14,60 12,60 10,60 9,20 8,61 11,86 ~- 2,84 • • d= 1,80 4-2,12 • 1,9 • 1,63

Tens. LA 16,26 14,96 13,30 10,10 9,06 8,53 11,73 :~ 2,82 • =]=2,35 -t-1,58 i l , 8 5 • •

Page 3: Augeninnendruck während und nach körperlicher Belastung

Augeninnendruck wiihrend und nach k6rperlicher Belastung 45

In Serie I wurde in gleieher Abstufung, jedoch im Sitzen belastet. Es nahmen 13 Versuehspersonen teil. Capillarblut wurde vor Versuehsbeginn, bei 50 Watt, bei Maximalbelastung und ebenfalls in der 3. und 10. min naeh Arbeitsabbruch ge- wonnen.

In Serie II erfolgte die Arbeit wieder im Sitzen, die Belastung wurde alle 2 min um 50 Watt bis zur Erseh6pfung gesteigert. Blutentnahme erfolgte vor Beginn des Versuehs, in der 3. und 10. Erholungsminute, sowie alle folgenden 10 min his 50 min nach Arbeitsabbrueh.

Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen

I. Arterieller pH-Weft

Serie 0 - - 2

Der Ausgangswert yon pH 7,42 in der Serie 0 blieb bis zu 50 W a t t Belas tung prakt isch unver&ndert und sank bei schwerer Arbei t yon 150 W a t t an s ignif ikant ab. Die Tiefstwerte wurden mit pH 7,29 in der 3. min nach Arbei t sabbruch gemessen. Bis zur 10. Erho lungsminu te er- folgte ein Wiederanst ieg auf einen p i t - W e f t yon 7,34 (vgl. Tabelle 1).

Der Abfall des pH-Wer tes in der Serie 1 w&hrend der Belas tung mi t nachfolgendem Wiederanst ieg in der Erholungsphase unterschieden sich bis auf geringe Differenzen der Absolutwerte nicht yon der Serie 0 (vgl. Tabelle 2). Auch in der Serie 2 (vgl. Abb. l , Mitre) sank der pH - W e r t am Anfang der Ergometerarbei t erst ]angsam, mi t zunehmender Belas tung d a n n sehneller ab und erreichte seinen Tiefs tand yon 7,26 in der 3. min nach Arbei tsabbrueh. Naeh 30 min war sehon wieder ein pH-Wer t yon 7,39 erreieht und naeh 50 min wurden die Ausgangswerte yon p H 7,44

gemessen.

Tabelle 2. ~ittelwerte mit Standardabweichungen der Serie 1 (n = 13)

Ruhe 50 W 100 W 150 W Max. Be- 3 min. 10 rain. lastung post. post.

Arterieller 7,396 7,383 - - - - 7,296 7,271 7,331 pI-I 4-0,017 4-0,026 4- 0,046 4-0,048 ~_ 0,061

pC02~ 36,91 3,69 - - - - 31,31 28,92 27,05 4- 3,69 4- 4,53 @ 5,34 ~ 4,92 4-6,40

BE --1,85 --3,16 - - - - 10,15 @10,16 --10,38 4-1,56 4-1,86 4-2,95 4-8,07 4-t-4,87

SB 22,89 21,61 - - - - 17,01 15,60 17,00 4-1,16 4-1,34 4-1,76 4-2,26 4-3,08

Tens. RA 15,73 14,85 13,77 12,15 9,27 9,13 12,62 • ~=2,42 4-1,88 ~-2,45 ~-3,26 • 4-3,33

Tens. LA 15,31 14,50 13,39 11,96 9,35 9,08 12,50 4-2,11 • ~ 2,04 4-2,09 • 4-3,15 4-3,23

Page 4: Augeninnendruck während und nach körperlicher Belastung

46 W. Kypke et a l . :

mmH( 20

16

o =

8

7,4

{73

I I n = 1 2

: I i LA : :

: . il

Watt oc~ ooc . ou~c~

I I I Belastung

Ruhe 7,5

Watt o ol o o o ~ 1

10 20 30 410 min 510 &bbruch Erholung

n =11

r i Belastung 3 10 2'0 30 10 min 5'0

Ruhe ~,bbruch Erh01ung

m,~,q / ~ n=11

-4 I

m - 8

Belastun m ' ' 'g ' 3 1; 2; 3i0 4'0 min 5'0 Ruhe Abbruch Erholung

Abb. 1. Serie 2: Vita-maxima-Belastung auf dem Fahrradergometer. Ordinaten: Tension (getrennt fiir reehtes und linkes Auge), pH-Wert , base-excess. Abszissen:

Belastungsstufen (in Wat t ) und Naehbeobaehtungszeit

Zu dem Verhalten des Augeninnendruckes wghrend und nach Ergo- meterarbeit konnte eine sehr enge Beziehung festgestellt werden, wie auch aus Abb. 1 oben und Mitre hervorgeht. Beide Kurven verlaufen

Page 5: Augeninnendruck während und nach körperlicher Belastung

Augeninnendruek wS~hrend und nach k6rperlieher Belastung 47

m ~,q / 28

24

l e o

o 20 " r

I I n =11

16 Watt oo c

o v ,

12 -Nr-f~ I i i i i

~ Beiastung 3 l0 20 310 A0 min 5r0 Ixune ~,bbruch Erh01ung

40 I mmi-I n=ll

36 I <= 1 I \TI

28b worts ~

Abbruch Erholung

Abb. 2. Serie 2: Vita-m~xima-Belastung auf dem Fahrradergometer. Ordinaten: Standardbiearbonat und arterieller Kohlens/iurepartialdruek. Abszissen: Bela-

stungsstufen (in Watt) und Nachbeobaehtungszeit

ann~herungsweise paral lel . S ta t i s t i seh k o m m t dies fli t die Serie 0 in e inem Korre la t ionskoef f iz ien ten zwischen p H und Tension yon r - 0,89 (a - - 0,1% ) zum Ausdruek. Die ]~egressionsgleiehung l au te t : p H = 7,2 0 ,0 i5 Tension (syx ~ 0,026). Der Korre la t ionskoef f iz ien t ffir die Serie 2 be t r s r = 0,63 (~ = 0,1%), die Regress ionsgerade l au te t : p H - - 7,17 -~ 0,01 Tension (ram Hg). (Vgl. Abb. 3 oben).

II. Base-excess (BE) Serie 0 - - 2

Wie aus Tabel le 1 hervorgeht , ve r~nder t sich der Ausgangswer t yon 1,55 mval/1 bis zur 100 W a t t s t u f e nur ganz geringffigig. Es k o m m t erst

ab 150 W a t t zu e inem deut l iehen Abfall . Die Tiefs twer te werden mi t - - 9 , 5 mval/1 in der 3. R u h e m i n u t e erreieht . Wie bei dem ar ter ie l len pH- W e f t erfolgt in der 10. min nach Arbe i t s abb rueh sehon ein deut l icher Wiederans t ieg .

F i i r die Serie 1 gil t das un te r I) Gesagte : Bis auf geringe Differenzen der Abso]u twer te f inden sich keine Untersch iede zur Serie 0 (vgl. Ta- belle 2). Die Verh~ltnisse ffir die Serie 2 s ind in Abb. 1 un ten darges te l l t :

Page 6: Augeninnendruck während und nach körperlicher Belastung

48

o k t p H 7`45-

z4-

7,3-

7.2-

W. Kypke et al . :

�9 �9

Regression ek tpH Tension RA

r = 0,63 cc < 0,1% akt pH = 7,17 +0,01 'Tension

mmHg

, Appl. 19 20 mmHg

BE . l . - mEq/[

2-

0-

- 2 -

4-

6-

8-

10-

12-

14-

16-

= �9 @

O

O

@

�9 Q

@

@

@

O O

Regression BE Tension IRA)

r = 0,57 o~ --< 0,1% BE= -18,49.1,09 "Tension

mmHg

@

�9 �9

1 3 5 ? 8 111 13 15 117 19 Applangtion mmHg

Abb. 3. Serie 2: Regressionsgerade und Korrelationskoeffizienten, oben ffir die Beziehung zwischen pH-Wert und Augeninnendruck, unten ffir base-excess und

Augeninnendruck

Von e inem Ausgangswer t von =- 2,0 mval/1 erfolgt erst langsamer , dann stei ler Abfal l bis anf - -11 mval/1 in der 3. Erho lungsminu te . I m Gegen- satz zum Verha l t en des ar ter ie l len pH-Wer t e s , is t naeh 50 min die Aus- gangslage noeh n ieht ganz erreieht .

Zu der Augen innendrucksenkung bes~ehen enge Beziehungen. Der Korre la t ionskoef f iz ien t zwisehen BE und Tension fiir die Serie 0 betr/~gt : r = 0,79 (~ = 0,1%), die dazugehSrige Regress ionsgerade l au t e t : B E = - - 19,0 @ 1,3 Tension (mm I-Ig). Die en tspreehenden W e r t e fiir die Serie 2 l au ten : r = 0,57 (~ - - 0,1%), B E = - - 18,5 @ 1,09 Tension (ram Hg) vgl. Abb. 3 unten) .

Page 7: Augeninnendruck während und nach körperlicher Belastung

Augeninnendruck wghrend und n~ch kSrperlicher Belustung 49

HC03 m E q / I

p C O 2 a z,2. m m H g

/.0-

38-

36-

34-

32.

3o.

2g 1 27

25

23.

21.

lg'

17,

15

13

e g �9 �9

@ �9 �9 �9 �9 �9 . . . �9

|

t �9

i =

Regression HCO 3 Tension RA

r - 0,58 OL ~ 0,1% HCO 3 : 10,53.0,81 Tension

mmHg

2'0 Applonation mmHg

@

i

I i

2 .

Regress ion : pCO2a

�9 Tension r = 0,/.5 d =<0,1

= �9 poC02 = 26;2z:,+0,52.Tension

@

o

28.

mmHg

Abb. 4. Serie 2: Regressionsgeraden und Korrelationskoeffizienten, oben fiir die Beziehung zwischen Standard-Bicarbonab und Augeninnendruck, un~en ffir ~rte-

riellen Kohlens~urepurtiMdruck und Augeninnendruck

III. Standard-Bicarbonat (SB)

Serie 0 - -2

In Tabelle 1 sind die MeSwerte des Standardbicarbonat fiir die Serie 0 festgehalten. Die Ausgangswerte liegen bei 25,8 mvM/1.

Auch hier finden sich bis zu tO0 Wat t Belastung kefile his ganz geringf/igige Ver&nderungen. Bei schwerer Arbeit sinkt dann die Bicar- bonatreserve und erreicht ihren TiefstsTand yon 17 mvM/1 in der 3. Er- holungsminute. In der 10. rain nach Arbeitsende ist schon wieder ein Anstieg zu registrieren. Xhnliche Ergebnisse fanden sich in der Serie 1 (vgl. Tabelle 2). Fiir die Serie 2 sind die Verhgltnisse in Abb. 2 oben dar- gestellt. Entsprechend der h6heren Belastung kommt es zu einem stgr- keren Bicarbonatabfa]l bis auf 15 mvM/l in der 3. min nach Arbeits~b- bruch. Der Wiederanstieg erfolgt in den ersten 30 Ruheminu~en relativ

4 Albrecht v. Graefes Arch. kiln. exp. Ophthal. , Bd. i88

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50 W. Kypke et al. :

schnell, dann langsamer. Der Ausgangswert yon 25,5 mval/1 ist 50 min nach Beendigung der Arbeit noch nicht ganz erreicht.

Die Beziehungen zur Tensionssenkung stellen sich wie folg~ dar: Der Korrelationskoeffizient zwischen SB und Tension ffir die Serie 0 betr/~gt r = 0 , 8 2 ( ~ 0 , 1 % ) , die entsprechenden RegTessionsgerade wird rait SB~9,19-[-1 ,1 Tension (mm H g ) ( s y x = l , 8 3 ) beschrieben. Fiir die Serie 2 lauten die entsprechenden Werte : r = 0,57 (g ~ 0,1%), SB = 10,63 ~- 0,81 Tension (mm Hg). Vgl. Abb. 4 oben.

I V . A rterieller Kohlens5urepart ialdruck (pC02~)

Serie 0- -2

Der pCO2a w/~hrend kSrperlicher Belastung gibt Aufschlul~ fiber die respiratorischen Kompensationsmechanismen. Wie aus Tabelle 1 ersicht- lich ist, korarat es zun/~chst bis zur 100-Wattstufe zu einem geringen, wenn auch nicht signifikanten Anstieg. Von 150 Wat t an folgt ein rasches Absinken des Kohlens/~urepartialdruekes, dieser Abfall h/s bis zur 10. Ruherainute an. Von einem Ausgangswert yon 40,5 m m Hg ist der pCO~a bis auf 32 m m Hg abgefallen.

In Abb. 2 unten sind die entsprechenden Ver/~nderungen Ifir die Serie 2 dargestellt. Der Tiefstwert wird erst 10 rain nach Arbeitsende erreicht, in der 50. min ist die Ausgangs]age noch nicht roll wiederher- gestellt.

Der Korrelationskoeffizient zwischen pCO~a und Tension betr/~gt r = 0,67 (~ = 0,1% ), die l~egressionsgerade lautet: pCO2a ---- 23,5 d- 1,1 Tension (ram Hg). Die enr Wer~e ffir die Serie 2: r =0 ,45 (a = 0,1% ), pCO~a ~ 26,2 ~ 0,52 ~ Tension (mm Hg).

Zusaramenfassend 1/~l~t sich folgendes festhalten :

1. Es besteht ein signifikanter Zusamraenhang zwischen metabo- lischer Acidose und Augeninnendrucksenkung w/~hrend und nach kSrper- licher Arbeit.

2. Die Korrelation ist enger, wenn man sic nur bis zur 10. rain nach Arbeitsabbruch berechnet, sic bleibt aber his zum Erreichen der Aus- gangslage signifikant.

3. Die Anfangswerte werden sowohl bei der Tension als auch bei den Parame~ern des S/~urenbasenhaushaltes nach einer Stunde ann/ihernd wieder erreicht.

4. Eine Aufschltisselung der einzelnen Parameter naeh ihren ursKeh- lichen Zusammenh/ingen mit der i.o. Drucksenkung ist nieht raSglieh. Die engste Korrelation bes~eht zura pH-Wert , dann folgen Standardbi- earbonat und base excess und an letzter Stelle der arterielle Kohlensi~ure- partialdruek.

Page 9: Augeninnendruck während und nach körperlicher Belastung

Augeninnendruck w/~hrend und nach k6rperlicher Belastung 51

Diskussion

Um die Ver/~nderungen zu verstehen, die der Augeninnendruck w~hrend und nach dynamischer Musketarbeit bis zur ErschSpfung durch- lauft, ist es notwendig, die zu gleicher Zeit herrschenden Stoffwechsel- verh/~ltnisse zu kennen. Derartige Zusammenh/~nge lassen sieh am besten bei Ergometerbelastung untersuchen, da diese quantitativ erfaBt und gut reproduziert werden kann (Astrand, 1952 ; Mellerowiez, 1962).

Beim gesunden Jugendlichen f~hrt die steady-state-Belastung bis zu 50 ~u zwar zu einem Anstieg von Pulsfrequenz und Blutdruck, an den Parametern des S/~urenbasenhaushaltes finden sich jedoch noch keine signifikanten Ver/~nderungen. Die Erkl/~rung hierftir licgt im Muskelstoff- wechsel selbst. Erst bei st/~rkerer Belastung kommt es zu zunehmend anaerober Energiebereitstellung aus der Muskelzelle. Die Abbauprodukte, der Glykose, vorwiegend Milchs/s und Brenztraubens/~ure, werden in den Kreislauf ausgeschwemmt und beanspruchen die Pufferkapazit~t des Blutes: Bei maximaler Arbeit erfolgt zusgtzliehe Energiebereitstellung aus dem Fettstoffweehsel (Keul, Doll, Keppler, 1966), so dab welter saure Metaboliten in Form yon Aceton,/~-Hydroxybutters/~ure und Acet- essigs/iure in das venSse Blur abgegeben werden. Dieser l~berschuB an organischen S/s bewirkt einerseits ein Absinken des pH-Wertes, Ab- nahme yon base-excess und Standardbicarbonat, andererseits eine Zu- nahme dcr Serumosmolaritat (Marcus et al., 1970; Stewart et al., 1970). Ein kompensatorischer Ausgleich der entstandenen metabolischen Aei- dose wird erreicht durch die schnellere und vertiefte Atmung, wobei ver- mehrt CO 2 abgegeben wird, entsprechend sinkt der arterielle Kohlen- ss Auf die Messung der Osmolarit/it in den eigenen Ver- suchen wurde verzichtet, da Stewart u. Mitarb. (1970) Vergleiche yon Augeninnendrucksenkung nach Muskelarbeit und Glycerininfusion an Menschen durchgeffihrt haben. Sie konnten nachweisen, dab die Tensions- senkung nach kSrperlicher Belastung fast um das Doppelte hSher ist, als allein aufgrund der Osmolarit~tszunahme zu erwarten gewesen w/~re.

Zu /~hnlichen Ergebnissen kamen Marcus u. Mitarb. (1970), sowohl beim Menschen als auch im Tierversuch. An Kaninchen prfiften sie auBer- dem durch Infusion yon isoosmotischer Salzs/~ure den EinfluB der Acidose. Sie fanden einen signifikanten Zusammenhang, die Augeninnendruck- senkung aufgrund der Aeidose allein erreichte jedoch ebenfalls nicht das nach kSrperlicher Belastung gefundene Ausmal~, hielt aueh nieht so- lange an.

Inwieweit bei kSrperlicher Arbeit das Absinken des arteriellen Kohlen- s'~urepartialdruckes eine Rolle spielt, l~Bt sich aus der gew/~hlten Ver- suchsanordnung nicht sehlieBen. Wenn man yon den Untersuchungen Kaufmann's (1971) ausgeht, der bei Hyperventilation eine signifikante

4*

Page 10: Augeninnendruck während und nach körperlicher Belastung

52 W. Kypke et al . :

Korrelation zwisehen Tensionssenkung und pCO2a gefunden hat, mu~ man den Abfall der arteriellen Kohless w~hrend und naeh sehwerer Belastung als weiteren drucksenkenden Faktor mit in Erw~gung ziehen, auch wenn die Hyperventflat ion bei den eJgenen Unter- suchungen eine respiratorische Kompensat ion der metabolischen Aeidose darstellt.

Zusammenfassend kann aufgrund der Ergebnisse anderer Autoren und aufgrund der eigenen Versuchsreihen folgende Vorstellung ent- wiekelt werden :

W~hrend dynamischer Muskelarbeit finder h~ufig schon bei Puls- frequenzen bis zu ]00/min eine leiehte Augeninnendrueksenkung start. Diese steht nicht Lu Zusammenhang mJt Ver~nderungen der Serumosmo- larit~t, oder des S~urenbasenhaushaltes, sondern ist wahrseheinlieh durch Verbesserung der StrSmungsverh'~ltnisse, insbesondere durch vertiefte Atmung mit verbessertem venSsen Einstrom in den rechten Vorhof zu erkl~ren (Leighton, 1970). Bei zunehmender Belastung bis zur ErsehSp- lung sinkt der Augeninnendruck welter bis 40 % unter sehlen Ausgangs- wert und dieses Absinken erfolgt gleiehzeitig mit ErhShung der Serum- osmolarit~t (Marcus, 1970), sowie zunehmender metabolischer Acidose. Ebenso gleiehzeitig erfolgt der gemeinsame Anstieg der Parameter, bis etwa eine Stunde naeh der Belastung die Ausgangswerte wieder an- n~hernd erreieht sind.

Damit erseheint experimentell gesichert, dai~ das Zusammenwirken yon metabolischer Aeidose und Zunahme der Serumosmolarits die wesentlichen Faktoren sind, die zur Augeninnendrueksenkung w~,hrend und nach kSrperlicher Belastung ffihren.

Literatur Astrand, P.-O.: Experimental studies of working capacity in relation to sex and ago.

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Dr. W. Kypke Augenklinik der Freien Universitgt im Klinikum Westend D-1000 Berlin 19 Spandauer Datum 130