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Landtag Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 16/884 16. Wahlperiode 23.04.2015 Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 55. Sitzung (öffentlich) 23. April 2015 Düsseldorf Haus des Landtags 10:00 Uhr bis 13:10 Uhr Vorsitz: Margret Voßeler (CDU) Protokoll: Uwe Scheidel (TOPs 1 7 a) Gertrud Schröder-Djug (TOPs 7 b f.) Verhandlungspunkte und Ergebnisse: Vor Eintritt in die Tagesordnung 5 1 Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe- Anerkennungsgesetz SobAG) 6 Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6224 Ausschussprotokoll 16/757 Abschließende Beratung und Abstimmung Aussprache 6

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend...Aussprache 6 Landtag Nordrhein-Westfalen - 2 - APr 16/884 Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich)

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Landtag

Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 16/884 16. Wahlperiode 23.04.2015

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 55. Sitzung (öffentlich)

23. April 2015

Düsseldorf – Haus des Landtags

10:00 Uhr bis 13:10 Uhr

Vorsitz: Margret Voßeler (CDU)

Protokoll: Uwe Scheidel (TOPs 1 – 7 a)

Gertrud Schröder-Djug (TOPs 7 b f.)

Verhandlungspunkte und Ergebnisse:

Vor Eintritt in die Tagesordnung 5

1 Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe-Anerkennungsgesetz – SobAG) 6

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 16/6224

Ausschussprotokoll 16/757

– Abschließende Beratung und Abstimmung

Aussprache 6

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 2 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo

Für den Änderungsantrag der CDU-Fraktion stimmt die CDU-Fraktion. Gegen den Änderungsantrag stimmen die SPD- und die Grünen-Fraktion. Die FDP- und die Piratenfraktion enthalten sich. – Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion ist abgelehnt.

Für den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6224 stimmen die SPD- und die Grünen-Fraktion. Gegen den Gesetzentwurf stimmt die CDU-Fraktion. Die FDP- und die Piratenfraktion enthalten sich. – Der Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6224 ist angenommen.

2 Kinderschutz geht alle an – Prävention stärken, Zusammenarbeit von Jugend und Gesundheitshilfe ausbauen 9

Antrag

der Fraktion der SPD und

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/7146

Ausschussprotokoll 16/822

– Auswertung der Anhörung

Aussprache 9

3 Ehrenamtliche Jugendarbeit stärken – Kommunen, Träger sowie Sportverein und -verbände bei der Praxis der Einholung von Führungszeugnissen nach § 72a SGB VIII unterstützen 17

Antrag

der Fraktion der FDP

Drucksache 16/7781

Vorlage 16/2828

Aussprache 17

4 Nordrhein-Westfalen muss sich für eine gerechte Verteilung zum Wohl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge einsetzen 19

Antrag

der Fraktion der CDU

Drucksache 16/7542

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 3 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo

– Abschließende Beratung und Abstimmung mit Votum an den Ausschuss für Kommunalpolitik

Aussprache 19

Für den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/7542 stimmt die Fraktion der CDU. Gegen den Antrag stimmen die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und Piraten. Der Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/7542 wird mehrheitlich abgelehnt.

5 Bilingual-bikulturelle Kindertageseinrichtungen in Grenzregionen 24

Bericht der Landesregierung

Vorlage 16/2830

Aussprache 24

6 Bericht des „Effizienzteams“ – Kürzungen im Kita Bereich 25

Bericht der Landesregierung

Vorlage 16/2829

Aussprache 25

7 U3-Betreuungsquote in NRW – Bericht des Statistischen Bundesamtes i. V. m. einem Bericht der Landesregierung zu den U3-Anmeldezahlen lt. KiBiz.web 26

a) Hinzuziehung von Vertretern des Statistischen Bundesamtes und des Landesbetriebes IT.NRW 26

RD Dr. Bernd Becker (Statistisches Bundesamt) berichtet 26

RR Stefan Rübenach (Statistisches Bundesamt) berichtet 27

b) Bericht der Landesregierung 31

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS) berichtet 31

Aussprache 35

8 Verschiedenes 50

* * *

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 5 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo

Aus der Diskussion

Vor Eintritt in die Tagesordnung

begrüßt Vorsitzende Margret Voßeler alle Anwesenden, unter ihnen Ministerin Schäfer, die Ausschussmitglieder sowie Zuhörerinnen und Zuhörer.

Als neues Ausschussmitglied heißt die Vorsitzende Dr. Björn Kerbein als Nachfolger von Dr. Joachim Stamp für die FDP-Fraktion willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Sodann stellt die Vorsitzende das Einvernehmen über die mit Einladung E 16/1177 zugegangene Fassung der Tagesordnung zur heutigen Sitzung fest.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 6 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo

1 Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und So-zialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Kindheits-pädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe-Anerkennungsgesetz – SobAG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6224

Ausschussprotokoll 16/757

– Abschließende Beratung und Abstimmung

Vorsitzende Margret Voßeler führt aus, das Plenum habe den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6224 nach der ersten Lesung in seiner 65. Sitzung am 10. September 2014 einstimmig an den hiesigen Ausschuss zur federführenden Beratung sowie an zwei weitere Ausschüsse zur Mitberatung überwiesen.

Der AFKJ habe den Gesetzentwurf mehrfach – zuletzt am 22. Januar 2015 – behan-delt. In einer Obleuterunde am 5. Februar 2015 sei das weitere Verfahren abge-stimmt worden. Sie danke bei der Gelegenheit Herrn Ministerialdirigent Manfred Walhorn (FMKJKS) und Ministerialrätin Dagmar Friedrich (FMKJKS) für die fachliche Unterstützung.

Die mitberatenden Ausschüsse hätten mittlerweile ihre Beratungen abgeschlossen und würden auf die Abgabe eines Votums gegenüber dem hiesigen Ausschuss ver-zichten.

Die CDU-Fraktion habe mit E-Mail vom 21. April 2015 einen Änderungsantrag (siehe Anlage zu diesem Ausschussprotokoll) versandt.

Wolfgang Jörg (SPD) signalisiert namens der SPD-Fraktion Zustimmung zum Ge-setzentwurf der Landesregierung. Allerdings werde seine Fraktion in die Plenarbera-tung einen Änderungsantrag einbringen, der den anderen Fraktionen zur Verfügung gestellt worden sei.

Ina Scharrenbach (CDU) erinnert an den aus der Beratung im Ausschuss schon seit längerem bekannten Änderungsantrag ihrer Fraktion, der sich in wesentlichen Punk-ten sowohl vom Gesetzentwurf der Landesregierung als auch dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion unterscheide. Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion gehe weit über die Regelungen hinaus, die die SPD-Fraktion für Nordrhein-Westfalen vorsehen wolle. Dabei gehe es um die Anerkennung gleichwertiger Abschlüsse insbesondere in Bezug auf das europäische Ausland. Auf der Ebene des Bundes gebe es die ge-genseitige staatliche Anerkennung bereits. Eine Regelung hätte also sinnvollerweise in das Gesetz hineingehört.

Vorgeschlagen habe ihre Fraktion auch die Verknüpfung zwischen der theoretischen Ausbildung an den Hochschulen und der praktischen Arbeit in den Praxen, die inten-

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 7 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo siver in den Fokus zu nehmen seien. Die Hochschulen sollten stärker in die Verant-wortung bei der Auswahl der Praxisstellen und der Zusammenarbeit mit den Berufs-fachverbänden hineingenommen werden. Diese Aspekte finde sie im Änderungsan-trag der SPD-Fraktion überhaupt nicht wieder. Moderne Erkenntnisse der Wissen-schaft blieben somit unberücksichtigt.

Wie gehe man mit der staatlichen Anerkennung um, die im Zuge einer fachschuli-schen Ausbildung erworben werde? – Ihre Fraktion wolle die Anerkennung bei-spielsweise von Erzieherinnen und Erziehern, Heilpädagoginnen und Heilpädago-gen, die ihre Kenntnisse fachschulisch erworben hätten, in das Gesetz hineinneh-men. Aufgrund der entsprechenden Verknüpfung solle man die staatliche Anerken-nung nicht nur über ein abgeschlossenes Bachelorstudium erlangen können.

Der Gesetzentwurf sehe eine Art Blankoscheck für die Fachminister im Rahmen der Jugendministerkonferenz vor, indem auf zukünftige erst zu fassende Beschlüsse re-flektiert werde. Damit habe die CDU-Fraktion deshalb ein Problem, weil eine Mitbera-tungsmöglichkeit durch den Ausschuss entfiele.

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS) stellt klar, der Gesetzentwurf betreffe die Aner-kennung von Berufen, nicht aber den Versuch, in die interne Hochschulpolitik und die Entwicklung von Curricula einzugreifen. Das könne und wolle der Gesetzentwurf nicht leisten. Die Anerkennung von staatlich geprüften Erzieherinnen über Fachschu-len sei Angelegenheit des Schulministeriums. Diese eindeutige Regelung vonseiten der Kultusministerkonferenz solle man nicht in die Zuständigkeit der Jugendministe-rien hineinholen. Sie mahne eine differenziertere Betrachtung an. Unterschiedliche Zuständigkeiten ließen sich eben nicht unbedingt in einem einzigen Gesetz abbilden.

Ina Scharrenbach (CDU) erwidert, indem bestimmte Qualifikationsrahmen als grundsätzliche Ausrichtung im jeweiligen Studiengang vorgegeben würden, greife die Ministerin schon ein. Der Gesetzentwurf schreibe den Hochschulen also durchaus etwas vor. Gleichwohl verweigere sich ihre Fraktion dem Qualifikationsrahmen aber nicht.

Die Hinweise der Ministerin zum Bereich der Erzieherinnen fielen in der Tat in die Zuständigkeit des Schulministeriums. Allerdings sei auch die grundsätzliche Frage-stellung betroffen, wie werthaltig letzten Endes die Abschlüsse seien, die nur im Rahmen einer Rechtsverordnung geregelt seien, soweit es um die staatliche Aner-kennung gehe, es aber keinen Gesetzesrang gebe. Die CDU-Fraktion habe die Auf-nahme bei gleichzeitigem Verweis auf die gültigen Rechtsverordnungen anderer Häuser vorgeschlagen. Damit wären die Möglichkeiten aufgezeigt worden, die es beim Erlernen sozialer Berufe in Nordrhein-Westfalen gebe.

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo Der Ausschuss tritt in die Abstimmung ein:

Für den Änderungsantrag der CDU-Fraktion stimmt die CDU-Fraktion. Gegen den Änderungsantrag stimmen die SPD- und die Grünen-Fraktion. Die FDP- und die Piratenfraktion enthalten sich. – Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion ist abgelehnt.

Für den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6224 stimmen die SPD- und die Grünen-Fraktion. Gegen den Gesetzentwurf stimmt die CDU-Fraktion. Die FDP- und die Piratenfraktion enthalten sich. – Der Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6224 ist angenommen.

Anlage

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 9 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo

2 Kinderschutz geht alle an – Prävention stärken, Zusammenarbeit von Ju-gend und Gesundheitshilfe ausbauen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/7146

Ausschussprotokoll 16/822

– Auswertung der Anhörung

Vorsitzende Margret Voßeler führt aus, das Plenum habe den Antrag der Koaliti-onsfraktionen in seiner 71. Sitzung am 6. November 2014 nach Beratung an den hie-sigen Ausschuss zur federführenden Behandlung sowie den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zur Mitberatung überwiesen. Die abschließende Beratung solle im hiesigen Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.

Am 5. Februar 2015 habe man zum in Rede stehenden Antrag eine Anhörung durchgeführt. Das Ausschussprotokoll 16/822 liege seit dem 16. März 2015 vor. Für heute habe sich der hiesige Ausschuss die Auswertung der Anhörung vorgenom-men. Der mitberatende AGS habe die Beratung in seiner gestrigen Sitzung abge-schlossen und empfehle die Annahme des Antrags.

Andrea Asch (GRÜNE) meldet sich für die Grünen-Fraktion zu Wort: Der überwie-gende Teil der Fachleute habe sich in der Anhörung positiv zu dem sehr komplexen Antrag der Koalitionsfraktionen geäußert. Die Netzwerkbildung zur Verknüpfung der frühen Hilfen mit medizinischen Leistungen sei besonders gelobt worden. Verbesse-rungsbedarf für die kommunalen Räume sei reklamiert worden. Der Antrag habe sehr ausführlich frühe und frühzeitige Hilfen als richtigen Weg aufgezeigt, auf dem Prävention Vorrang vor mehr Intervention im Nachhinein haben müsse. Erfahrungen aus Kikids seien als sinnvoll aufzugreifen und in ein Gesetz zu überführen.

Ingrid Hack (SPD) bestätigt den Eindruck, dass der Antrag überwiegend begrüßt worden sei. Nichtsdestoweniger habe Rot-Grün auch noch „Hausaufgaben“ mit auf den Weg bekommen, wie es dem Protokoll durchaus zu entnehmen sei. Die Verbin-dung von Kinderschutz, Kinderrechten, Jugendlichenrechten und Partizipation sei gesetzlich zu befördern. „Kinderschutz“ sei wesentlich breiter angelegt, als gemein-hin angenommen. Prävention und Präventionsbegriff müssten konkretisiert werden, um so auszutarieren, ob lediglich über Daseinsfürsorge oder aber zielgruppenorien-tierte Problemlagenprävention gesprochen werde.

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo Für sie sei wichtig gewesen zu erfahren, wie sich die Netzwerke der frühen Hilfen bisher entwickelt hätten. In der Anhörung sei mitunter kritisiert worden, dass diese Hilfen mancherorts nicht so ausreichend vernetzt seien, wie es die Bedarfe erforder-ten. Eine Verbesserung dieser Situation müsse im Blick behalten werden.

Zu hinterfragen sei, ob die Zugänge zu den frühen Hilfen und Netzwerken ausfielen wie gewünscht. Dass eventuell erforderliche Verbesserungen mit Ressourcen ver-bunden seien, unterstreiche sie klar und deutlich.

Ina Scharrenbach (CDU) erinnert daran, die Koalitionsfraktionen hätten mit ihrem Antrag auf den Gesetzentwurf von CDU, FDP und Piraten zum Ausbau des Kinder-schutzes in Nordrhein-Westfalen reagiert. Konkret sei es darum gegangen, das Heil-berufegesetz zu ändern und auf dem Weg den Ärzten einen interkollegialen Aus-tausch zu ermöglichen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen fordere vieles ein, was heute schon Realität sei:

So habe Ministerin Schäfer beispielsweise schon bei der ersten Lesung des Antrags darauf hingewiesen, dass 2015 Eckpunkte für ein Landeskinderschutzgesetz veröf-fentlicht würden. Das Ministerium sei derzeit mit der Erstellung des Gesetzentwurfes befasst. Eigentlich müsse deshalb Rot-Grün vor diesem Hintergrund den eigenen Antrag als obsolet erklären.

Laut rot-grünem Antrag solle der Landtag die Landesregierung dazu auffordern, im Rahmen einer Bundesratsinitiative die Bundesregierung aufzufordern, in die Wir-kungsforschung zum Bundeskinderschutzgesetz die Prüfung miteinzubeziehen, unter welchen gesetzlichen Rahmenbedingungen ein Austausch mit Berufsgeheimnisträ-gern […] möglich sei. – Die CDU-geführte Bundesregierung, so die Abgeordnete, habe mittlerweile in Zusammenarbeit mit einer Universität aus dem Rheinland ein Projekt zur Etablierung einer S3-Leitlinie in Bezug auf Kindesmisshandlung und Kin-desvernachlässigung für den medizinischen Bereich auf den Weg gebracht. Die von Rot-Grün geforderte Bundesratsinitiative sei insofern auch nicht mehr nötig. – Es könne durchaus sinnvoll sein, die beauftragten Professoren in den hiesigen Aus-schuss zu laden, um die Koalitionsfraktionen auf den aktuellen Stand zu bringen.

Die Forderung, gemeinsam mit den fachlichen betroffenen Ressorts […] eine ver-besserte Zusammenarbeit zu entwickeln, sei insofern spannend, als schon in der ersten Lesung darauf hingewiesen worden sei, dass das MFKJKS zum Sommer letz-ten Jahres einen Bericht über sämtliche Maßnahmen veröffentlicht habe, deren För-derzeitraum bis Ende 2015 laufe. Da es sich um einen „Zwischenbericht“ handele, werde nach Ablauf des Förderzeitraums wohl auch ein Ergebnisbericht erstattet.

Rot-Grün fordere – dieser Aspekt sei unter anderem Gegenstand der letzten Anhörung gewesen – die Prüfung, ob eine Form des interkollegialen Austauschs von Kinderärzten aus datenschutzrechtichen Gesichtspunkten heraus möglich, rechtlich zulässig wäre. – Sowohl bei der letzten Anhörung wie schon den beiden vorangegangenen Anhörungen zum Sachzusammenhang hätten sämtliche Sachverständige eine Änderung als sinnvoll erachtet. Um eine „Brücke zu bauen“, habe ihre Fraktion überlegt, ob es sinnvoll sei, das Projekt „Riskid“ landesseitig

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 11 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo extern evaluieren zu lassen, um die von Rot-Grün vorgebrachten Sorgen zu nehmen. Die Sachverständigen hätten diese Überlegung befürwortet, um eine Weiterentwicklung zu fördern.

Marcel Hafke (FDP) vermittelt sich durch die Antragstellung der Koalitionsfraktionen der Eindruck, als müsse die zuständige Ministerin zum Jagen getragen werden. Eini-ges von dem, was Rot-Grün einfordere, habe Ministerin Schäfer ohnehin schon ein-gestielt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Was ist das denn für ein Parlamentsverständ-nis?)

– Rot-Grün habe mit noch nicht einmal einem einzigen inhaltlichen Argument auf den Antrag der Opposition reagiert. Der Antrag von Rot-Grün falle sehr global aus und sei lediglich beschreibend.

(Beifall von der SPD und der FDP)

Dass die Abgeordnete Asch in Bezug auf den rot-grünen Antrag sogar von einem „komplexen Antrag“ spreche, lasse er als Aussage einfach einmal im Raum stehen.

Den interkollegialen Austausch unter Kinderärzten und die damit einhergehende Än-derung des Heilberufegesetzes hätten alle Sachverständigen als sinnvoll erachtet. Nach der nunmehr dritten Anhörung zum Sachzusammenhang frage er, Hafke, wann sich Rot-Grün mit dem Thema wirklich auseinandersetzen wolle. Um – beispielswei-se – einen vernünftigen Austausch zwischen den Wohlfahrtsverbänden und den Be-troffenen herstellen zu können, bedürfe es keiner gesetzlichen Fixierung. Die FDP werde den rot-grünen Antrag ablehnen, weil er nicht zielführend sei. – Wie gedenke die Landesregierung, die relevanten Punkte umzusetzen? Wie wolle Rot-Grün den interkollegialen Austausch verbessern?

Olaf Wegner (PIRATEN) sieht sich durch die Forderung des Koalitionsantrags be-treffend die Prüfung, ob eine Form des interkollegialen Austauschs unter den Kinder-ärzten aus Datenschutzgesichtspunkten möglich, rechtlich zulässig wäre, in seiner Rolle als Parlamentarier nicht ernst genommen. Aus Sicht seiner Fraktion enthalte der Antrag wenig Substanz und sei von den Sachverständigen als unscharf kritisiert worden. Viele Sachverständige hätten darauf aufmerksam gemacht, dass es zwar Regelungsmöglichkeiten vor Ort gebe, allerdings an den entsprechenden Ressour-cen mangele.

So gut der Antrag der Koalition gemeint sei, sei er doch ohne Hinweis darauf, wie die nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt würden. Der Antrag sei nicht zustim-mungsfähig, weil er ohne Wirkung bleibe.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 12 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo Ein Gesetz zum Thema „Prävention und frühe Hilfen“, betont Andrea Asch (GRÜNE), habe Rot-Grün schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Mit dem vorliegenden Koalitionsantrag komme Rot-Grün seiner parlamentarischen Verpflichtung nach und setze die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um. Alle Sachverständigen hätten eine professioneller organisierte Netzwerkbildung und dabei Vorgaben der Landesregierung reklamiert. Vor allen Dingen die Kinderärzte hätten gefordert, besser einbezogen zu werden, und außerordentlich begrüßt, dass eine Vergütung vorgesehen sei für Kinderärzte, die sich an Netzwerken beteiligten.

Es treffe keineswegs zu, dass alle Sachverständigen das „Riskid“-Projekt als Dreh- und Angelpunkt sähen. Dazu verweise sie etwa auf Stellungnahmen der freien Wohl-fahrtspflege, der kommunalen Spitzenverbände, des Kinderschutzbundes, die in Frage stellten, ob dieses Instrument einen besseren Kinderschutz ermögliche. Es könne sogar, so sei nachzulesen, schädlich sein. In diese Richtung habe sich etwa der Landesverband der Hebammen in seiner Stellungnahme sehr deutlich geäußert, weil unter anderem der Vertrauensschutz gegenüber den Ärzten verlorengehe und die Familien mit ihren misshandelten Kindern unter Umständen überhaupt nicht mehr vorstellig würden.

Das Gesetz sollte eigentlich im Interesse der Kinder und zur Stärkung der Eltern und Familien ohne politischen Streit auf den Weg gebracht werden. Dass die Opposition ohne Kenntnis eines entsprechenden Gesetzes den rot-grünen Antrag ablehne und somit kein Konsens zustande komme, finde sie schade.

Walter Kern (CDU) findet es nicht nur „schade“, sondern „skandalös“, dass Rot-Grün dem Gesetzentwurf seiner Fraktion nicht zustimme. Eigentlich könnten die Kinder, die des Kinderschutzes bedürften, heute schon diesen Schutz erhalten. Offensicht-lich sei die Abgeordnete Asch in der Anhörung nur körperlich anwesend gewesen.

Nach Aussage des Kinder- und Jugendrates NRW könnten Kinderärzte wichtige Hinweise auf das Ausmaß einer möglichen Kindeswohlgefährdung geben, da sie manchmal die einzigen Personen seien, die solche Verdachtsmomente erkennen könnten. Diese Ärzte sollten Rechtssicherheit erhalten, wenn sie Informationen wei-tergäben. Der interkollegiale Austausch trage zur Aufklärung von Verdachtsfällen bei.

Laut dem Netzwerk der von sexueller Gewalt Betroffenen werde in Nordrhein-Westfalen über einen kleinen Hoffnungsschimmer gestritten. Ein informeller Aus-tausch unter Kinderärzten könne beim Verdacht auf Kindesmisshandlung und Kin-desmissbrauch weitere Verbrechen verhindern. Auf diese Gedanken seien Kinder-ärzte gekommen, die nicht mehr schweigend wegsehen wollten, wenn es um widerli-che und grausame Verbrechen an Kindern gehe. Politik habe hier und jetzt in Nord-rhein-Westfalen die Möglichkeit, einen bescheidenen Anfang zu machen, das Sys-tem des Täterschutzes zu untergraben. – Als ehemaliges Mitglied des Kinderschutz-bundes NRW sei er von der Einlassung des Kinderschutzbundes höchstgradig irritiert gewesen. Das habe er dem Kinderschutzbund auch mitgeteilt.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 13 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo Aus Sicht der örtlichen Träger der Jugendhilfe, die dem Wohl des Kindes in besonde-rer Weise verpflichtet seien, erscheine der interkollegiale Austausch über Fragen der Kindeswohlgefährdung in Einzelfällen sinnvoll und wünschenswert. Die derzeitige rechtliche Situation sei unbefriedigend. In die gleiche Richtung äußerten sich auch „Sicherheit und Datenschutz im Gesundheitswesen“, „Riskid“, das Akademische Lehrkrankenhaus der Universität Köln und die „Fachstelle Kinderschutz“ im Land Brandenburg. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sei durch Dr. Fisch-bach höchst kompetent vertreten und habe sich in die gleiche Richtung geäußert.

Rot-Grün habe das Vorhaben nur deshalb abgelehnt, weil es den falschen Absender gehabt habe.

Ina Scharrenbach (CDU) erwidert auf einen entsprechenden Hinweis der Abgeord-neten Asch, die CDU-Fraktion habe in der Vergangenheit mehrfach nach der Umset-zung des Landeskinderschutzgesetzes gefragt. Die Ableitung, dass die CDU-Fraktion kein Landeskinderschutzgesetz wolle, sei fehlerhaft.

Mit dem Präventionsgesetz schüre Rot-Grün sehr hohe Erwartungen auf finanzielle Leistungen des Landes. Zweifel seien berechtigt, ob es Rot-Grün gelingen werde, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Es bedürfe – wie schon der Abgeordnete Hafke angedeutet habe – aber keines Landesgesetzes, das lediglich Normaliter for-muliere. Schließlich gebe es schon Regelungen des Bundes, die sich unter anderem mit der Netzwerkbildung für frühe Hilfen befassten. Das funktioniere und werde in Nordrhein-Westfalen umgesetzt. Der Aufforderung des Bundes aus dem Bundeskin-derschutzgesetz komme die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen mit ihrem Projekt „Kein Kind zurücklassen“ nach. Vor Ort seien Präventionsketten im Aufbau und würden ständig überprüft.

Vorsitzende Margret Voßeler stellt bei der Gelegenheit klar, in der heutigen Sitzung sei lediglich die Auswertung der Anhörung vorgesehen. Die Abstimmung stehe nicht auf der Tagesordnung.

Ingrid Hack (SPD) zeigt sich über das positive Feedback zu „Riskid“ erfreut, das die Abgeordnete Scharrenbach formuliert habe. Ebenso freue sie sich, wenn es Opposi-tion und Koalition gemeinsam gelingen werde, viele finanzielle Ressourcen für das Präventionsgesetz bereitzustellen. Auf die diesbezüglichen Haushaltsberatungen sei sie gespannt.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 14 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo Der Anhörung sei zu entnehmen gewesen, dass manche Angebote aufgrund von Ressourcenknappheit nicht mehr aufrechterhalten werden konnten. Unbeschadet der unterschiedlichen Auffassungen, die im Ausschuss zum wiederholten Male aufeinan-dergetroffen seien, habe sie doch deutlich herausgearbeitet, dass eben einige Sach-verständige so und andere so beraten hätten. Zum interkollegialen Austausch sei beispielsweise vonseiten des ISA ausgeführt worden:

Wenn ich unter „Riskid“ den Aufbau einer wenn auch kleinen Datenbank ohne Beteiligung der Personensorgeberechtigten, der Eltern, verstehe, dann widerspricht dieser Aufbau wesentlichen grundlegenden Prinzipien des Kinderschutzes, wie sie in vorangegangenen Stellungnahmen darge-stellt worden sind. Der wichtigste Begriff ist der der Transparenz.

Es gebe insofern also Befürworter und auch Gegner der von der Opposition einge-forderten Regelung. Aus Sicht der SPD-Fraktion sei man noch nicht hinreichend lö-sungsorientiert auf die Belange aller Beteiligten eingegangen.

Marcel Hafke (FDP) äußert zur Kritik der Koalition im Zusammenhang mit dem inter-kollegialen Austausch, dass datenschutzrechtliche Belange schon jetzt geregelt wür-den. Im Übrigen laufe das aktuell in der Bundesregierung vorbereitete Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung sämtlichen Prinzipien des Datenschutzes zuwider. Auf Landesebene mache die Koalition aber „ein riesiges Fass“ auf, obwohl es lediglich um den Aspekt des Kindeswohls gehe, den die Experten für regelungsfähig gehalten hätten. Wenn es so wäre, dass im Falle einer gesetzlichen Grundlage Eltern mit ih-ren Kindern nicht mehr zum Arzt gingen, müsse man das zum Beispiel im Vergleich zwischen Duisburg-Marxloh und anderen Städten messen können. Man könne – weil es nicht im Koalitionsvertrag stehe – doch die Landesregierung heute aus dem Aus-schuss heraus darum bitten, „Riskid“ zu evaluieren.

Da die Koalition das Präventionsgesetz als Aufgabe in ihren Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2010 hineingeschrieben habe, interessiere ihn, Hafke, weshalb es nach nunmehr fünf Jahren immer noch nicht möglich gewesen sei, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Was sei auf der Zeitschiene der beiden nächsten Jahre geplant? Welcher finanzielle Umfang sei vorgesehen? Welche konkreten Vor-stellungen hege die Landesregierung? Wenn die Landesregierung keine Auskunft geben könne, so vielleicht zumindest die regierungstragenden Fraktionen. Nach sei-nem bisherigen Eindruck sei der Antrag der Koalition lediglich ein Ablenkungsver-such vom Gesetz gewesen, das CDU, FDP und Piraten eingebracht hätten. Auf die diesem Gesetzentwurf vorangegangenen Versuche, SPD und Grüne einzubinden, sei die Koalition nicht eingegangen.

Wolfgang Jörg (SPD) bestätigt die Verabredung aus dem Koalitionsvertrag. Es tref-fe aber nicht zu, dass Rot-Grün während der letzten fünf Jahre untätig gewesen sei. „Kein Kind zurücklassen“ sei insbesondere mit dem Namen von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bundesweit verbunden. Er empfehle, zunächst den Gesetzentwurf der Landesregierung abzuwarten. Möglicherweise eröffneten sich Brücken, über die alle Fraktionen gehen könnten. Die Anhörung habe deutlich belegt, dass „Riskid“ zu

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 15 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo kurz gesprungen sei. Der Gesetzentwurf der Koalition werde deutlich höhere Wir-kung als das entfalten, was die Opposition zu „Riskid“ vorgelegt habe. Das Thema sei es wert, solange zu streiten, bis das beste Ergebnis erreicht worden sei.

Olaf Wegner (PIRATEN) führt aus, sobald die Landesregierung per Antrag dazu aufgefordert werde, die benötigten Ressourcen zur Verfügung zu stellen, könnte er über die restlichen Mängel des Antrags hinwegsehen.

Die letzte Anhörung zu dem in Rede stehenden Thema habe im Ausschuss für Ar-beit, Gesundheit und Soziales stattgefunden. Dort hätten die Experten ihre Meinun-gen untereinander ausgetauscht, statt nur ihre Statements vorzutragen. Die freie Wohlfahrtspflege als größter Skeptiker habe dargelegt, sie könne zustimmen, falls die Ärzte dadurch eine größere Rechtssicherheit weitergehende Handlungsmöglich-keiten erhielten.

Das, was die Koalition als Reaktion auf „Riskid“ mit ihrem Antrag präsentiert habe, sei lediglich die Aufforderung zu einem Luftsprung.

Walter Kern (CDU) plädiert analog zum Verfahren in anderen Ausschüssen – wie zum Beispiel im AGS – dafür, sich um gemeinsam getragene Qualitäten zu bemü-hen. Er rege ein weiteres Gespräch der Obleute an. Vielleicht könne man zumindest zu einem gemeinsam getragenen Gesetzentwurf kommen. Immerhin arbeite man ja auch bei anderen Themen vertrauensvoll zusammen.

Dass Experten sicherlich unterschiedliche Positionen vertreten könnten, sei wohl klar. Nichtsdestoweniger müsse man gegenüber den Experten wieder etwas mehr Respekt entwickeln, statt sie lediglich in den Ausschuss einzuladen und hinterher sich doch nicht an ihre Empfehlungen zu halten.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen, geht Ina Scharrenbach (CDU) auf den Wortbei-trag des Abgeordneten Wegner ein, sei kein Luftsprung, sondern vielmehr eine Luft-nummer. – Sowohl bei der Beratung zum vorgelegten Antrag als auch bei der Be-handlung zweier vorangegangener parlamentarischer Initiativen habe ihre Fraktion deutlich gemacht, dass „Riskid“ ein Baustein sei, und man darauf warte, dass Minis-terin Schäfer ihre Ankündigung in die Tat umsetze, ein Landeskinderschutzgesetz vorzulegen. In ihrer Reaktion auf die Anfrage aus dem Jahre 2012 nach dem Lan-deskinderschutzgesetz habe die Ministerin darauf hingewiesen, dass nach dem Koa-litionsvertrag der vorbeugende Aspekt des Modellvorhabens „Kein Kind zurücklasen“ sowie kommunale Präventionsketten mit den Zielen und Fördermöglichkeiten des neuen Bundeskinderschutzgesetzes verknüpft und unter Berücksichtigung der Erfah-rungen so eine gesetzliche Grundlage erhalten sollten. – Über diesen Stand werde heute noch diskutiert, weil auf zahlreiche Anfragen ihrer Fraktion keine aktualisierten Informationen gekommen seien. Lediglich sei darauf hingewiesen worden, dass die Eckpunkte in diesem Jahr veröffentlicht würden. Deshalb habe sich die CDU-Fraktion auf „Riskid“ kapriziert.

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo Während die Koalition jetzt erst einen Prüfauftrag erteile, ob und inwieweit ein inter-kollegialerer Datenaustausch möglich sei, habe dies die CDU-Fraktion schon früher vorgehabt. Sie, Scharrenbach, könne nicht nachvollziehen, dass sich die Koalition erneut der Auffassung der großen Mehrheit der Sachverständigen entziehe. Sie wer-be nachdrücklich dafür, „Riskid“ extern evaluieren zu lassen, um so den von der Koa-lition geäußerten Befürchtungen zu begegnen.

Habe sie den Wortbeitrag des Abgeordneten Jörg richtig verstanden, dass der Koali-tionsantrag so lange ruhe, bis die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt habe?

Marcel Hafke (FDP) erinnert an seine Aufforderung an die Landesregierung betref-fend die Evaluation von „Riskid“ sowie Maßnahmen in Richtung eines Präventions-gesetzes, das unabhängig vom Antrag in mehreren Koalitionsverträgen festgehalten worden sei. Wie sei der Stand der Dinge in Bezug auf die Zeitschiene und finanzielle Ressourcen?

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS) geht auf die Wortmeldungen ein: Die Landesre-gierung freue sich sehr über die unterstützende und kollegiale Zusammenarbeit mit den regierungstragenden Fraktionen. Bekanntlich sei das Bundeskinderschutzgesetz zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten. Die Landesregierung habe das Bundesgesetz zum Anlass genommen, in den kommunalen Jugendämtern die frühen Hilfen aufzu-bauen. Das sei im Übrigen nach dem Bundeskinderschutzgesetz auch so vorgese-hen.

Man wolle noch die derzeit laufende Evaluierung abwarten, um alles, was bisher er-arbeitet worden sei, in die Eckpunkte und ein zukünftiges Gesetz einfließen zu las-sen.

Der Aspekt der „Berufsgeheimnisträger“ wird bei der Evaluation des Bundeskinder-schutzgesetzes eine entscheidende Rolle spielen. Die Frage bezüglich einer Evalua-tion von „Riskid“ werde sie mitnehmen, müsse sie allerdings an das MGEPA weiter-leiten, weil ihr Haus in dieser Angelegenheit nicht zuständig sei.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 17 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo

3 Ehrenamtliche Jugendarbeit stärken – Kommunen, Träger sowie Sport-verein und -verbände bei der Praxis der Einholung von Führungszeugnis-sen nach § 72a SGB VIII unterstützen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/7781

Vorlage 16/2828

Vorsitzende Margret Voßeler führt aus, das Plenum habe den Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/7781 in seiner 77. Sitzung am 28. Januar 2015 nach Bera-tung einstimmig an den hiesigen Ausschuss zur federführenden Beratung sowie den Sportausschuss zur Mitberatung überwiesen. Aussprache und Abstimmung sollten nach Vorlage der Beschlussempfehlung AFKJ erfolgen.

Der AFKJ habe den Antrag in seiner Sitzung am 26. Februar 2015 erstmals beraten. Die Fraktion der FDP habe zunächst die Durchführung einer Anhörung beantragt, diesen Antrag aber zurückgestellt, da die Landesregierung zugesagt habe, ihre Stel-lungnahme an die Bundesregierung in dieser Sache dem Ausschuss zuzuleiten. Der entsprechende Bericht sei als Vorlage 16/2828 verteilt worden.

Marcel Hafke (FDP) weist darauf hin, auf Bundesebene bahne sich im thematischen Zusammenhang eine Regelung an. Er wolle von der Landesregierung wissen, ob es vonseiten der Verbände Zustimmung gebe. Sofern die Betroffenen von einem gang-baren Weg sprächen, bedürfe es keiner Anhörung. Seine Fraktion habe bisher kein weiteres Feedback bekommen. Er bitte die Landesregierung über ihre schriftliche Stellungnahme hinaus um Erläuterung.

Die Anhörung auf Bundesebene habe gezeigt, äußert Walter Kern (CDU), dass es eine unbürokratischere Vorgehensweise in Form der vereinfachten bereichsspezifi-schen Auskunft des Bundeszentralregisters gebe. Vor diesem Hintergrund wolle er zunächst abwarten, scheine es sich doch um eine allen Beteiligten zu helfende Lö-sung zu handeln.

Es gebe vonseiten der Verbände durchaus positive Reaktionen, bestätigt Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS), die in die Beratungen einbezogen würden.

(Marcel Hafke [FDP]: Zeitplan! Bis wann soll das Bundesgesetz be-schlossen werden?)

– Diese Frage zu beantworten, reagiert Ministerialdirigent Manfred Walhorn (MFKJKS) auf den Zwischenruf von Marcel Hafke, sei deshalb schwierig, weil es sich um eine Angelegenheit auf Bundesebene handele, die der Bund in enger Kom-munikation mit den Ländern verfolge. Die Evaluation sollte bis Ende des Jahres ab-geschlossen sein. Es gebe Berichtspflichten an den Bundestag. Die Landesregierung

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo hoffe, dass es zu einem zügigen und gleichzeitig schnellen Verfahren komme. Eine verbindliche Aussage könne er nicht hinreichend sicher machen. Ende des Jahres könne der Diskussionsprozess so weit gediehen sein, dass der Bund Eckpunkte oder Bestandteile konkreter Gesetzesformulierungsvorschläge vorlege.

Mit dem, was bisher an Ergebnissen vorliege, so Andrea Asch (GRÜNE), habe sich zum Beispiel der Vorschlag auf Einrichtung eines Runden Tisches erübrigt, da alle Jugend- und Sozialverbände Stellung bezogen hätten. Es werde eine neue Regelung geben, auf die sich alle Beteiligten verständigen würden.

Vor diesem Hintergrund könne die FDP-Fraktion ihren Antrag entweder zurückziehen oder heute abstimmen lassen.

Marcel Hafke (FDP) hält es für problematisch, den Antrag zurückzuziehen, weil sich der Beratungsprozess auf Bundesebene doch sehr lange hinziehen könne. Möglich-erweise könnten bis zur Vorlage durch den Bund Lösungen auf Landesebene ge-plant werden. Bis es zu einer Umsetzung in Gesetzesform komme, werde es immer-hin noch gut ein Jahr dauern. Deshalb schlage er vor, das Thema in der nächsten Sitzung erneut auf die Tagesordnung zu nehmen und mit den Trägern und Verbän-den in Nordrhein-Westfalen zu sprechen.

(Allgemeine Zustimmung)

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 19 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo

4 Nordrhein-Westfalen muss sich für eine gerechte Verteilung zum Wohl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge einsetzen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/7542

– Abschließende Beratung und Abstimmung mit Votum an den Ausschuss für Kommunalpolitik

Vorsitzende Margret Voßeler erinnert daran, das Plenum habe den Antrag nach Beratung in seiner 75. Sitzung am 17. Dezember 2014 einstimmig an den Ausschuss für Kommunalpolitik – federführend – und den hiesigen Ausschuss zur Mitberatung überwiesen. Die abschließende Abstimmung solle im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.

Der AFKJ habe den Antrag am 22. Januar 2015 erstmals beraten. Der federführende Ausschuss für Kommunalpolitik beabsichtige, seine Beratungen am 24. April 2015 abzuschließen. Deshalb stehe für heute im hiesigen Ausschuss die abschließende Beratung mit einem Votum an den federführenden Ausschuss an.

Der Antrag seiner Fraktion habe, betont Jens Kamieth (CDU), das Kindeswohl min-derjähriger unbegleiteter Flüchtlinge und eine gerechtere finanzielle Ausstat-tung/Belastung der Kommunen im Fokus, die mit diesen Kindern und Jugendlichen zu tun hätten. Er lade den Ausschuss zu einem positiven Votum gegenüber dem fe-derführenden Ausschuss ein.

Die Verteilung der großen Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge auf zahlrei-che Städte stelle die Kommunen vor große Herausforderungen, wolle man den Ju-gendlichen wirklich die Fürsorge zukommen lassen, die sie benötigten. Es wäre not-wendig, für eine gerechtere Verteilung zu sorgen. Mehrere Jugendämter müssten sich der Kinder und Jugendlichen annehmen dürfen. Nach derzeitiger Rechtslage würden die Kinder und Jugendlichen dort aufgenommen, wo sie zuerst ankämen. Als Maßstab für die Verteilung solle der Königsteiner Schlüssel zugrunde gelegt werden. Eine landes- und bundesweite Verteilung, wie sie bei Erwachsenen schon passiere, müsse möglich sein.

Zumindest die SPD-Fraktion müsste dem Antrag seiner Fraktion folgen können. Im-merhin gebe es gleichlautende Forderungen zum Beispiel des Sozialministers in Hamburg für die Situation dort. Auch die Bundesfamilienministerin habe einen ent-sprechenden Vorstoß für eine deutschlandweite Verteilung auf Betreuungseinrich-tungen auf den Weg gebracht.

Der Antrag solle mit breiter Mehrheit abgelehnt werden, fordert Wolfgang Jörg (SPD). Die CDU-Fraktion widerspreche sich mit diesem Antrag nämlich in einer Sit-zung selber. Noch unter einem anderen Tagesordnungspunkt zuvor habe die Abge-

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo ordnete Scharrenbach geäußert, man wolle keine politischen Anträge stellen, wenn sich das Thema politisch schon auf dem Weg befinde. Soweit es um die aktuelle Thematik gehe, befänden sich entsprechende Initiativen auf Bundesebene allerdings schon auf dem Weg.

Auf den Inhalt des Referentenentwurfs auf Bundesebene sei er schon gespannt. Das, was die CDU-Fraktion mit ihrem Antrag einfordere, werde größtenteils berück-sichtigt.

Für die Piratenfraktion möchte Olaf Wegner (PIRATEN) die Ablehnung rein inhaltlich begründen: Sicherlich bedürften einige besonders belastete Kommunen einer Entlas-tung. Allerdings sehe man eine Regelung zur Verteilung der Jugendlichen bei dem gleichzeitigen Versuch, das Kindeswohl zu wahren bzw. dem besten Kindesinteresse gerecht zu werden, als problematisch an.

Stelle man nämlich den Königsteiner Schlüssel in den Vordergrund, bestehe das beste Interesse des Kindes in einer Vetomöglichkeit. Werde demgegenüber aus Sicht des besten Kindesinteresses ausgegangen, sei es zunächst relativ irrelevant, welche Kommune das Kind aufnehme. Vielmehr suche man die Kommunen nach dem besten Interesse für das Kind aus und könne keinen Schlüssel mehr ansetzen. Es wäre angebracht, die am meisten belasteten Kommunen zu unterstützen, statt die Kinder hin- und herzuschieben. Immerhin könne es sinnvoll sein, bestimmte Kinder-gruppen, die gemeinsam nach Deutschland gekommen seien, nicht zu trennen. Er spreche sich nachhaltig dafür aus, in jedem Fall aus Sicht des Kindes zu argumentie-ren. Diese Sichtweise lasse der Antrag der CDU-Fraktion vermissen und sei zu sehr aus Sicht der Kommunen verfasst.

Andrea Asch (GRÜNE) moniert, der Antrag der CDU-Fraktion konzentriere sich al-lein auf die Verteilungsquoten und sei insofern rein technischer Natur. Es gehe nicht um den Aspekt, der Mittelpunkt dieses Ausschusses sein sollte, nämlich das Kin-deswohl in den Fokus zu rücken. Dass insbesondere die grenznahen Kommunen ei-nem erheblichen Druck ausgesetzt seien, erkenne man. Eine Regelung auf Bundes-ebene solle Abhilfe schaffen. Dabei orientiere man sich nicht an dem bayerischen Vorschlag, schlichtweg zahlenmäßig zu einer Neuverteilung zu kommen, sondern unter Wahrung des Kindeswohls. Die Interessen der Kinder und Jugendlichen müss-ten im Mittelpunkt stehen.

Eine Rolle spiele zum Beispiel die Altersgrenze: Bis zu einem Alter von 18 Jahren sollten die Kinder und Jugendlichen nach dem SGB VIII behandelt werden, statt – wie derzeit jetzt schon in Bayern – bereits ab einem Alter von 16 Jahren gemäß Asylgesetz in normale Aufnahmeeinrichtungen überführt zu werden. Das fördere nicht das Kindeswohl.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 21 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo Eigentlich müsste die CDU-Fraktion wissen, dass es auf Bundesebene Ende April einen Gesetzentwurf geben werde, an dem Nordrhein-Westfalen intensiv mitgearbei-tet habe, um eine kommunalfreundliche Lösung zu finden, die insbesondere das Kin-deswohl in den Mittelpunkt stelle.

Der Antrag seiner Fraktion datiere auf den 9. Dezember 2014, unterstreicht Jens Kamieth (CDU). Im April 2015 solle – wie von SPD und Grünen ausgeführt worden sei – ein Referentenentwurf herkommen. Als seine Fraktion ihren Antrag vorgelegt habe, sei von diesem Entwurf noch keine Rede gewesen. Im Übrigen wisse er von keiner rot-grünen Initiative, Flüchtlingen in dem in Rede stehenden sensiblen Bereich zu helfen.

(Lebhafter Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Die Koalition wolle insbesondere der Forderung des CDU-Antrags nicht zustimmen, in dem es um ein Mehr an Mitteln für die Kommunen gehe. – Piraten und Grüne be-mängelten, dass es sich um einen rein technischen Verteilungsantrag handele. Aber die Kommunen, in denen es viele Kinder und jugendliche Flüchtlinge gebe, könnten das hohe Antragsaufkommen nicht bearbeiten. Die Jugendämter seien alleine schon mit der Beantwortung der Frage überlastet, welche Jugendlichen aus einer Region kämen oder dieselben Eltern hätten, zusammenbleiben müssten. Es mache Sinn, Jugendliche, die möglicherweise zusammengehörten, frühzeitig gemeinsam in Ge-meinden zu schicken, damit sie dort alters- und belastungsgerecht betreut werden könnten. Das entspreche sehr wohl dem Kindeswohl. Der Antrag sei gut und richtig und habe auf Bundesebene Anklang gefunden.

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS) stellt klar, das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen und ihr Haus hätten für die betroffenen Kinder und Jugendlichen hervorra-gende Arbeit geleistet und sehr frühzeitig Kommunen eine Handreichung zukommen lassen, wie mit auftretenden Problemen umgegangen werden könne. Dieser Vorstoß sei beim ersten Flüchtlingsgipfel hoch gelobt worden. Innenministerium und MFKJKS hätten gemeinsam in der NRW-Vertretung in Berlin eine interministerielle Arbeits-gruppe eingerichtet, um Lösungen zu finden, wie man sich zum Wohle der Kinder und Jugendlichen verhalten solle, die Schutz und Zuflucht suchten. Die Ministerprä-sidenten hätten auf ihrer Konferenz im Dezember den gemeinschaftlich getragenen Beschluss gefasst, im SGB VIII die entsprechenden Änderungen vorzunehmen. Die Bundesfamilienministerin sei stets eingebunden worden. Den Referentenentwurf, der jetzt vorgelegt werde, werde Nordrhein-Westfalen begleiten, um im Kontext keine Zeit zu verlieren.

Inhaltlich gehe es unter anderem um das Primat der Jugendhilfe, das Kindeswohl als Maßstab aller gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen im Hinblick auf Unter-bringung, Versorgung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, den Königsteiner Schlüssel, die Kindeswohlprüfung im Zuge des Verteilungsverfahrens

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo und die Verteilungsentscheidung, die relativ zügig vorgenommen werden solle, damit Kinder und Jugendliche relativ schnell in eine stabile Umgebung kämen. Nicht un-wichtig sei auch die Kostenerstattungspflicht der Länder, die im Moment sehr unbe-friedigend geregelt sei und zu unglaublichen Verwerfungen in den Haushalten der Länder führen könne.

Nordrhein-Westfalen habe aufgrund des Bahnstreiks einen für gestern vorgesehenen Gesprächstermin mit den Kommunen, den Kirchen, der Wohlfahrtspflege und der Flüchtlingshilfe absagen müssen. Eine gemeinschaftlich getragene Begleitung in Nordrhein-Westfalen solle für die Flüchtlinge gefunden werden.

Das Land übernehme im Übrigen die Kosten für die Unterbringung und Gesundheits-versorgung jedes einzelnen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings. Nach gegen-wärtigem Beratungsstand und auf der Grundlage des Königsteiner Schlüssels könn-ten noch bis zu 1.000 junge Menschen mehr nach Nordrhein-Westfalen kommen. Nordrhein-Westfalen unternehme alles in seinen Kräften und Möglichkeiten Stehen-de, um Hilfe zu leisten. Das Land und die Kommunen begleiteten die oftmals trauma-tisierten Kinder und Jugendlichen so gut wie möglich. So habe man sich auch schon beim letzten Flüchtlingsgipfel eingelassen.

Olaf Wegner (PIRATEN) vermag den Antrag der CDU-Fraktion nach dem letzten Wortbeitrag des Abgeordneten Kamieth besser zu verstehen und insofern seine vor-herige Kritik etwas zurückzunehmen. Trotzdem bleibe er dabei, dass es auf die Rich-tung ankomme, aus der man das Thema betrachte.

Dass Jugendämter überlastet und überarbeitet seien, sei ihm wohl bekannt. Eine Umverteilung vor diesem Hintergrund im besten Sinne des Kindes verstehe er des-halb. Allerdings bedeute es keine Lösung, weil man ja von Anfang an auch das beste Interesse direkt aus Sicht des Kindes zugrunde legen könne. Erst wenn es zu Eng-pässen komme, müsse man für einen Ausgleich sorgen. Dabei gehe es nicht um ei-nen finanziellen Ausgleich für Kosten im Zusammenhang mit Unterbringung und Verpflegung, sondern die Personalkosten für die örtlichen Jugendämter. Die Piraten favorisierten eine Aufstockung des Personals, um dem Problem zu begegnen.

Ministerialdirigent Manfred Walhorn (MFKJKS) stellt mit Blick auf die Wortmel-dung des Abgeordneten Wegner und den Antrag der CDU-Fraktion klar, dass die Überlegungen schon vom Kindeswohl ausgingen. Es gehe um eine dramatische Si-tuation, die sich mittlerweile ergeben habe und mit dem Kindeswohl nicht mehr in Einklang zu bringen sei: Die Regelung nämlich, dass die Kinder und Jugendlichen in dem Jugendamtsbezirk blieben, in dem sie angekommen seien, sei zu einem Zeit-punkt gefasst worden, als man es mit lediglich 600 Kindern und Jugendlichen zu tun gehabt habe. Aber alleine im letzten Jahr habe die entsprechende Zahl 18.000 be-tragen, die sich auf bundesweit wenige Jugendämter konzentriere. In München bei-spielsweise gehe es um mehrere tausend Kinder/Jugendliche im Jahr. In Aachen seien es 600. Es stellten sich Fragen der schulischen Integration und der jugendhil-fegerechten Unterbringung. Selbst wenn man der massiven Konzentration mit einer sehr hohen Personalkostenförderung begegnete, bliebe die jugendhilfegerechte Un-

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 23 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo terbringung, der Brückenbau zur Integration in Schule und Ausbildung schwer zu lö-sen. Die Personalsituation habe nicht zu den in Rede stehenden gesetzgeberischen Überlegungen geführt.

Der Ausschuss stimmt über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/7542 ab:

Für den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/7542 stimmt die Fraktion der CDU. Gegen den Antrag stimmen die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und Piraten. Der Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/7542 wird mehrheitlich abgelehnt.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 24 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-jo

5 Bilingual-bikulturelle Kindertageseinrichtungen in Grenzregionen

Bericht der Landesregierung

Vorlage 16/2830

Vorsitzende Margret Voßeler weist auf den Bericht der Landesregierung (Vorlage 16/2830) hin, den die CDU-Fraktion mit Ihrem Schreiben vom 16. März 2015 (siehe Anlage zu diesem Ausschussprotokoll) beantragt habe.

Ina Scharrenbach (CDU) möchte wissen, ob es sich eher um einzelne Initiativen der jeweiligen Einrichtungen oder Träger handele bzw. es konkrete Projekte gebe, die die Zusammenarbeit in den Grenzregionen fördern sollten.

Bernhard Tenhumberg (CDU) überrascht, dass es in den Grenzregionen keine wei-teren Einrichtungen gebe, die nach dem erwähnten Prinzip unterrichteten bzw. bilde-ten. Gebe es neben den von den Landesjugendämtern gefördert Kitas weitere Kitas, die ohne öffentliche Förderung, wohl aber mit einer Betriebserlaubnis der Kreisju-gendämter arbeiteten? Ihm sei eine solche Kita, die in der Aufstellung nicht aufge-führt sei, bekannt. Er vermute, dass diese Kita ohne Landesmittel, wohl aber mit ei-ner Betriebserlaubnis des Kreisjugendamtes Borken arbeite.

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS) bestätigt, dass es sich eigentlich um Initiativen der jeweilige Träger handele und sie davon ausgegangen sei, dass die Auflistung auch die privat-gewerblichen Träger erwähne, die ohne finanzielle Unterstützung des Landes arbeiteten. Ihr Haus werde prüfen, weshalb die vom Abgeordneten Tenhum-berg erwähnte Einrichtung nicht aufgeführt worden sei.

Bei Durchsicht der Unterlagen sei aufgefallen, bemerkt Walter Kern (CDU), dass Französisch eigentlich keine Rolle spiele. Treffe diese Beobachtung zu? – Das kön-ne durchaus sein, entgegnet Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS).

Anlage

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 25 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-la 6 Bericht des „Effizienzteams“ – Kürzungen im Kita Bereich

Bericht der Landesregierung

Vorlage 16/2829

Vorsitzende Margret Voßeler teilt mit, den Bericht der Landesregierung zu diesem Tagesordnungspunkt (Vorlage 16/2829) habe die CDU-Fraktion mit Schreiben vom 16. März 2015 erbeten (siehe Anlage zu diesem Ausschussprotokoll).

Bernhard Tenhumberg (CDU) erinnert daran, dass die Einsparpotenziale die das Effizienzteam seit mehreren Jahren entwickelt habe, auch den Zuständigkeitsbereich des hiesigen Ausschusses beträfen. Zwischen 2011 und 2014 seien Kürzungen vor-genommen worden.

Für ihn interessant gewesen sei, dass das Effizienzteam Vergleiche mit anderen Bundesländern anstelle. In der Aufstellung des Effizienzteams werde zusammenfas-send auf die „Frühkindliche Bildung“ im Vergleich mit den Flächenländern abgestellt.

Habe das Effizienzteam auch Kennziffern entwickelt, die Unterthemen der „Frühkind-lichen Bildung“ berücksichtigten. Dabei denke er zum Beispiel an den U3-Bereich, die Pro-Kopf-Finanzierung im Kita-Bereich, die Sprachförderung. Eine solche verfei-nerte Kostenanalyse solle gegebenenfalls zur Verfügung gestellt werden.

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS) erwidert, ihr sei dies gegenwärtig nicht bekannt. Sie werde dem Anliegen nachgehen und die gewünschte Information gerne nach-reichen.

Anlage

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 26 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-la 7 U3-Betreuungsquote in NRW – Bericht des Statistischen Bundesamtes

i. V. m. einem Bericht der Landesregierung zu den U3-Anmeldezahlen lt. KiBiz.web

Vorsitzende Margret Voßeler: Heute haben wir Vertreter des Statistischen Bundes-amtes zu und des Landesbetriebes IT.NRW zu Gast und wir haben einen Bericht der Landesregierung.

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 16. März 2015 die genannte Hinzuzie-hung und den Bericht beantragt (siehe Anlage zu diesem Ausschussprotokoll). Mit Schreiben vom 18. März 2015 hatte ich den Präsidenten des Statistischen Bundes-amtes und den Präsidenten des „Landesbetriebes Information und Technik“ gebeten, Vertreter in die heutige Sitzung zu entsenden. Ich begrüße recht herzlich Herrn Re-gierungsdirektor Dr. Bernd Becker und Herrn Regierungsrat Stefan Rübenach vom Statistischen Bundesamt sowie vom „Landesbetrieb Information und Technik“ Herrn Präsidenten Hans-Josef Fischer und Frau Oberregierungsrätin Therese Korbmacher. – Herzlich willkommen.

Anlage

Nun rufe ich auf:

a) Hinzuziehung von Vertretern des Statistischen Bundesamtes und des Landesbetriebes IT.NRW

Vorsitzende Margret Voßeler: Zu diesem Unterpunkt erteile ich den Vertretern des Statistischen Bundesamtes das Wort.

RD Dr. Bernd Becker (Statistisches Bundesamt): Vielen Dank Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Wir haben für uns heute die Möglichkeit gesehen, dass wir unsere Berechnung für die Ü3-Betreuungszahlen ausführlicher darstellen können. „Wir“ heißt: Ich fange an, danach fährt Herr Rübenach fort.

Ich muss etwas weiter ausholen: Der Ausbau der Kindertagesbetreuung steht schon seit Jahren im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Zunächst hat man sich auf die Betreuung von Kindern ab drei Jahren konzentriert. Auf dem Krippengipfel – so nen-nen wir das – wurde vereinbart, dass zu Beginn des Kindergartenjahres 2013/2014 bundesweit für 35 % der Kinder unter drei Jahren ein Angebot zur Kindertagesbe-treuung in einer Einrichtung oder durch eine Tagesmutter bzw. einen Tagesvater zu schaffen. Unabhängig davon wurde im Rahmen des KiföG ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab Vollendung des ersten Lebensjahres vereinbart.

Unter diesen Bedingungen ist uns natürlich klar, dass besonderes Augenmerk auf unsere Daten gelegt wird. So ist es auch gekommen. Ich möchte, wenn ich näher zur Statistik komme, sagen, dass wir natürlich immer neutral sind, dass wir uns, egal wie

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 27 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-la brisant die Daten gesehen werden, immer neutral verhalten, dass wir immer relevan-te, exakte und vergleichbare Daten liefern wollen und das auch tun.

Das Statistische Bundesamt stellt in regelmäßigen Publikationen die aktuellen Er-gebnisse zur Betreuungssituation von Kindern dar. Grundlage unserer Ergebnisse sind grundsätzlich zwei amtliche Statistiken, einmal die „Statistik der Kinder und Täti-ge Personen in Kindertageseinrichtungen“ – wir nennen das „Teil III.1“ –, zum ande-ren die „Statistik der Kinder und tätigen Personen in öffentlich geförderter Kinderta-gespflege“ – intern nennt man das bei uns „Teil III.3“. Beide Statistiken sind Stich-tagserhebungen und werden zum Stichtag 1. März jeden Jahres bundesweit erho-ben. Der Fokus liegt auf der echten nachfrageorientierten Versorgung statt ange-botsorientierten Platz-Kind-Relationen. Die Erhebungen stellen zusammen die Grunddaten für die Planung von Kindertagesbetreuung auf örtlicher und überörtlicher Ebene bereit.

Was wird konkret erhoben? – Die Statistiken der Kindertagesbetreuung sind Totaler-hebungen. Für Sie vielleicht besser verständlich: Vollerhebungen. Diese werden als dezentrale Statistiken erhoben. Was heißt „dezentral“? – Wir vom Statistischen Bun-desamt werden die Erhebungsunterlagen und Aufbereitungsprogramme vorbereiten und das Bundesergebnis darstellen. Unsere Kollegen von den statistischen Ämtern der Länder führen die Erhebung durch. Sie bereiten Daten auf und veröffentlichen länderbezogene Ergebnisse.

Ich gebe das Wort jetzt für weitere Details an Herrn Rübenach weiter.

RR Stefan Rübenach (Statistisches Bundesamt): Vielen Dank Herr Dr. Becker! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz darüber informieren, was in den beiden von Herrn Becker eben genannten Statisti-ken erhoben wird. Gesetzlich geregelt ist das im SGB XIII §§ 98 bis 103. Grundle-gende inhaltliche Änderungen an der Fachstatistik wurden bereits Ende der 90-er Jahre, im Speziellen nach der Bundestagswahl 1998, auf den Weg gebracht. Hierzu zählt die Erfassung der in Kindertageseinrichtungen in öffentlich geförderter Kinder-tagespflege betreuten Kinder. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall. Man hat das zu dem Zeitpunkt als Mangel angesehen und das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“ – kurz „KICK“ – im Jahr 2005 verabschiedet. Die Rege-lungen der Merkmale befinden sich im § 99 SGB XIII.

Wie wird erhoben? – Die Statistik Teil III.1, die Erhebung über Kinder und tätige Per-sonen in Tageseinrichtungen, ist als Individualerhebung angelegt. Das heißt: Ent-sprechende Angaben werden für jedes Kind einzeln erfasst und erfragt. Auskunfts-pflichtig sind die örtlichen und überörtlichen Träger der Jugendhilfe, die obersten Landesjugendbehörden, die kreisangehörigen Gemeinden und Gemeindeverbände – soweit sie Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen –, die Träger der freien Jugendhil-fe sowie die Leitungen von Einrichtungen, Behörden und Geschäftsstellen in der Ju-gendhilfe. Die Erhebung erstreckt sich auf alle Kindertageseinrichtungen. „Kinderta-geseinrichtungen“ sind in dem Zusammenhang definiert als „Einrichtungen, in denen

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-la Kinder ganztägig oder für einen Teil des Tages aufgenommen sowie pflegerisch und erzieherisch regelmäßig betreut werden, die über haupt- oder nebenberufliches Per-sonal verfügen und für die eine Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII oder eine ver-gleichbare Genehmigung vorliegt.“

Im Vergleich dazu erfolgt die Statistik über die Kindertagespflege und dort betreuten Kinder bei den Jugendämtern der Kreise und bei denjenigen Gemeinden, die Aufga-ben der Kinder- und Jugendhilfe eigenständig wahrnehmen.

In getrennten Fragebögen werden Angaben zu den mit öffentlichen Mitteln geförder-ten Kindern in Kindertagespflege sowie über die Personen, die diese Kindertages-pflege durchführen, erhoben. Auskunftspflichtig sind die örtlichen Träger der Jugend-hilfe sowie die kreisangehörigen Gemeinden und Gemeindeverbände, soweit sie Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen.

In NRW melden für den Teil III.3 die Jugendämter bzw. Kreisjugendämter. Insgesamt sind das 186 Berichtsstellen.

Noch kurz erwähnen möchte ich zur Komplettierung dieses amtlichen Statistikbe-reichs die Tatsache, dass es auch noch eine Statistik zu Großtagespflegestellen gibt, die bei uns unter der Betitelung „Teil III.5“ firmiert. Erhebungsmerkmale hier sind die Zahl der Tagespflegepersonen und die Zahl der von diesen betreuten Kindern, je-weils gegliedert nach Pflegestellen. Ein Hinweis: Diese Erhebung dient lediglich da-zu, einen Überblick über die Anzahl der Großtagespflegestellen zu erhalten. Die nä-heren Angaben zu den Tagespflegepersonen und betreuten Kindern selbst finden sich bereits in der Statistik zum Teil III. Um Doppelzählungen zu vermeiden, fließen die Daten aus der Erhebung „Teil III.5“ nicht in die weiteren Berechnungen mit ein.

Ein Blick auf den Erhebungsprozess, im Speziellen für das Land Nordrhein-Westfalen: Seit Inkrafttreten des § 11a Bundestatistikgesetz sind standardisierte elektronische Verfahren für die Übermittlung der Daten zu nutzen. Die Erhebung im Jahr 2014 wurde daher erstmals mit IDEV durchgeführt. „IDEV“ bedeutet in diesem Zusammenhang „Internetdatenerhebung im Verbund“. Die auskunftspflichtigen Trä-ger erhielten im Februar 2014 ein Einschreiben von IT.NRW mit der Aufforderung, die benötigten Daten zu übermitteln, und erhielten gleichzeitig auch die IDEV-Zugangskennung hierzu. Die Adressen der Träger werden IT.NRW von den beiden Landesjugendämtern – zum einen im Landschaftsverband Westfalen-Lippe und zum anderen im Landschaftsverband Rheinland – zur Verfügung gestellt. Der Großteil der Tageseinrichtungen meldet direkt an IT.NRW.

In Nordrhein-Westfalen gibt es zudem drei überörtliche Träger, die auskunftspflichtig sind. Das ist zum einen das Bundesministerium der Verteidigung, das Bundesminis-terium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie das Bundesamt für Finanz-dienstleistungsaufsicht – kurz „BaFin“ – in Bonn.

Die Daten aus dem IDEV-Erhebungsbogen werden in einem Plausibilisierungspro-gramm aufbereitet. Etwaige unstimmige Angaben der Auskunftspflichtigen werden so erkannt und können korrigiert werden.

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sl-la Für die Erhebung 2014 hat IT.NRW am 11. Oktober 2014 eine Pressemitteilung zu den endgültigen Zahlen der Kindertagesbetreuung veröffentlicht, inklusive der U3-Betreuungsquoten. Die relativ späte Veröffentlichung – Liefertermin für die end-gültigen Daten an das Statistische Bundesamt war der 15. August – hatte den Grund, dass vorher die der Bevölkerungsquotenberechnung zugrundeliegenden Bevölke-rungszahlen nicht zur Verfügung standen. Die entsprechende Bevölkerungszahl ist jeweils die zum 31.12. des Vorjahres fortgeschriebene Bevölkerungszahl, die – bis einschließlich des Berichtsjahres 2014 – auf der Fortschreibung der Volkszählung 1987 für die westdeutschen Länder bzw. für das Zentrale Einwohnerregister der DDR zum Stand Oktober 1990 fortgeschrieben wurde.

IT.NRW hat die U3-Betreuungsquote auf genau dieser Basis – Fortschreibung Volkszählung 1987 – berechnet. Das geschah in Absprache mit allen 16 statistischen Landesämtern und dem Statistischen Bundesamt, um eine Einheitlichkeit der Dar-stellung und Interpretation der Daten zu gewährleisten.

Zu dem betreffenden Zeitpunkt standen aber auch bereits vorläufige Bevölkerungs-zahlen auf Basis der Fortschreibung des Zensus 2011 zur Verfügung, das aber nur in Teilen der statistischen Landesämter und nicht einheitlich bei allen. Konsens war die Nutzung eines einheitlichen Berechnungsmaßstabes. Nichtsdestotrotz: Eine Ver-gleichsberechnung bei IT.NRW mit den Bevölkerungszahlen auf Basis dieser soge-nannten Zensus-Fortschreibung hat nur eine leichte Abweichung der Betreuungsquo-te ergeben. Die letztlich veröffentlichte Quote von 23,8 % erhöht sich leicht auf 24,0 %, wenn man zensusbasierte Fortschreibungsdaten nutzt.

Zum Liefertermin 30. Juni! Dieser Liefertermin ist der gesetzliche Liefertermin zur Übermittlung der Daten von den Landesämtern zum Statistischen Bundesamt und wird seit 2013 jährlich genutzt. Die Übermittlung der vorläufigen Daten geschieht deshalb, weil zu diesem Zeitpunkt – ich habe es eben schon kurz erwähnt – grund-sätzlich noch keine fortgeschriebenen Bevölkerungsdaten der Bevölkerungsstatistik vorliegen. Diese liegen den Ländern und letztlich auch uns als Bundesamt grund-sätzlich erst etwa im Juli/August jeden Jahres vor.

Nach Eingang der Daten aller Bundesländer beim Statistischen Bundesamt wird das Bundesergebnis aufaggregiert und spätestens im September/Oktober jeden Jahres veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt haben wir dann auch die Möglichkeit, Betreu-ungsquoten zu veröffentlichen. Zum ersten Liefertermin – 30.06.! – haben wir diese Möglichkeit noch nicht. Aus dem Grund haben wir in den vergangenen beiden Jahren jeweils Mitte Juli lediglich die Absolut-Zahlen der Kindertagesbetreuung zum 1. März des Jahres veröffentlicht.

Jetzt ein Blick auf die Daten: Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 660.750 Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen oder in öffentlich geförderter Kinderta-gespflege betreut. Dies entspricht einer Quote von 32,3 % bundesweit, ein Anstieg um 3,0 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. 85 % dieser Kinder werden in Kinder-tageseinrichtungen, 15 % bei einer Tagespflegemutter oder einem Tagespflegevater

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro betreut. Im Vergleich zu 2013 stieg die Zahl der betreuten Kinder unter drei Jahren um knapp 64.500 bzw. 10,8 %. Damit ging der Betreuungsausbau schneller voran als in den Vorjahren. Zwischen 2011 und 2012 konnte ein Anstieg um 44.000 Kinder, zwischen 2012 und 2013 um etwa 38.000 Kinder verzeichnet werden.

In den Bundesländern gibt es große Unterschiede beim Ausbaustand. Noch immer ist die Betreuungsquote der Kinder im Alter von unter drei Jahren in Ostdeutschland inklusive Berlin weit höher als in Westdeutschland. Die westdeutschen Bundesländer haben seit 2007 aber stark aufgeholt. Die Betreuungsquote konnte hier im Zeitraum 2007 bis 2014 fast verdreifacht werden. Ausgehend von einem hohen Ausgangsni-veau, nämlich 40,7 %, stieg die Quote in diesem Zeitraum in Ostdeutschland um 11,3 Prozentpunkte auf 52,0 %. Die höchste Betreuungsquote am 1. März 2014 wies Sachsen-Anhalt mit 58,3 % auf, gefolgt von Brandenburg (57,8 %) und Mecklenburg-Vorpommern (56,1 %). Die geringsten Betreuungsquoten hatten 2014 Nordrhein-Westfalen mit 23,8 %, Bremen mit 26,9 % sowie das Saarland mit 27 %, knapp ge-folgt von Bayern (27,1 %).

In Nordrhein-Westfalen wurden in Kindertageseinrichtungen und in öffentlich geför-derter Kindertagespflege zum 1. März 2014 knapp 104.800 Kinder unter drei Jahren betreut. Das sind rund 73.000 oder 230 % mehr betreute Kinder als im März 2007. Bei Fokussierung auf den prozentualen Anstieg der Betreuungszahlen hat Nordrhein-Westfalen damit nach Niedersachsen und Schleswig-Holstein den höchsten prozen-tualen Anstieg bei den betreuten Kindern unter drei Jahren seit 2007 zu verzeichnen.

Unter Zugrundelegung der bereits erörterten vergleichbaren Maßstäbe – das heißt der einheitlichen Verwendung der Bevölkerungsdaten – entspricht dies einer Betreu-ungsquote von 23,8 % in Nordrhein-Westfalen. Lag die Betreuungsquote der hier be-trachteten Kinder unter drei Jahren im Jahr 2007 noch bei 6,9 %, stieg sie um 16,9 Prozentpunkte bis zum Jahr 2014. Das ist eine Verdreifachung seit 2007. 70,6 % der Kinder hier wurden in Kindertageseinrichtungen betreut, 29,4 % in öffentlich geför-derter Kindertagespflege. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Betreuungsquote in Nordrhein-Westfalen um 3,9 Prozentpunkte, während der Anstieg im Bundesdurch-schnitt lediglich 3,0 Prozentpunkte betrug. Die Entwicklung zum Vorjahr war damit in Nordrhein-Westfalen nach Hamburg mit 4,6 Prozentpunkten, Brandenburg mit 4,2 Prozentpunkten und Schleswig-Holstein mit einem Plus von 4,0 Prozentpunkten am stärksten ausgeprägt. Die Betreuungsquoten wurden auf der Basis der Fortschrei-bung Volkszählung 1987 errechnet. Ich hatte es eben schon erwähnt.

Auch für das Bundesergebnis haben wir Vergleichsrechnungen durchgeführt. Unter-schied alte Fortschreibung – Volkszählung 1987 – im Vergleich zur zensusbasierten Fortschreibung. Auch hier ist eine Abweichung um 0,2 Prozentpunkte feststellbar.

Ich möchte Ihnen abschließend noch einen kurzen Ausblick auf das Jahr Berichtsjahr 2015 geben. Die in unserem jährlichen Treffen der Fachreferentinnen und Fachrefe-renten zwischen Bund und Ländern getroffene Vereinbarung besagt, dass wir für das Berichtsjahr 2015 erstmalig einheitlich die Bevölkerungsdaten der zensusbasierten Fortschreibung zum Stichtag 31.12.2014 einheitlich zugrunde legen sollen. Diese Daten liegen – wie eben bereits kurz erwähnt – im Juli/August 2015 vor. Zu diesem Zeitpunkt können die statistischen Landesämter die entsprechenden Daten in ihre

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Aufbereitungsroutine und Tabellierungsprogramme einbinden und uns diese nach aktuellen Planungen zum Liefertermin 15. August 2015 übermitteln. Kurz danach ha-ben auch wir als Statistisches Bundesamt die Möglichkeit, die bundesweite Betreu-ungsquote zu berechnen bzw. zu veröffentlichen.

Zum gesetzlichen Liefertermin 30. Juni 2015 erwarten wir absolute Eckzahlen zur Kindertagesbetreuung der Länder. Wir planen hierzu Mitte Juli – wie in den vergan-genen beiden Jahren auch – diese ersten absoluten Eckzahlen in einer Pressemittei-lung zu veröffentlichen. Betreuungsquoten können von uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlich werden. Ich wiederholte mich hier: Zu diesem Zeitpunkt liegen uns noch keine Bevölkerungsdaten vor.

Anschließend werden wir nach und nach – wie in den vergangenen Jahren auch – weitere Veröffentlichungen vorbereiten. Hierzu zählen die Sonderauswertungen zur Personalschlüsselberechnung, zum Migrationshintergrund bzw. auch die Regional-veröffentlichung/Bund-Länder-Veröffentlichung Kita regional. – Vielen Dank!

b) Bericht der Landesregierung

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS) berichtet:

Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Den Gästen sage ich vielen Dank. Den Vortrag, den ich halte, halte ich vor allen Dingen für das Statistische Bundesamt, denn das, was ich vortrage, habe ich im Ausschuss schon mehrfach erzählt. Aber für Sie ist es mit Sicherheit eine spannende Sache herauszufinden, warum wir uns hier immer wegen der Daten austauschen. Deswegen sind Sie heute eingeladen worden.

Eine Vorbemerkung: Nachdem der 1. August 2013 verstrichen ist, hat das Schau-en auf die tatsächlichen Zahlen etwas abgenommen, die Aufmerksamkeit ist auch etwas zurückgegangen. Der Streit hat etwas abgenommen. Seitdem gibt es den Rechtsanspruch. Jedes Kind in Nordrhein-Westfalen, das älter ist als ein Lebens-jahr, hat einen Rechtsanspruch. Wir in Nordrhein-Westfalen finanzieren jeden Platz, der uns vom Jugendamt für ein solches Kind angemeldet wird. Wir haben in Nordrhein-Westfalen, anders als es in der Vergangenheit war, keine Deckelung in unserem Finanzierungssystem.

Jetzt erkläre ich das Instrument KiBiz.web das allen anderen schon sehr gut be-kannt ist, und die Funktion. KiBiz.web ist ein Online-Verwaltungsverfahren. Dieses Verwaltungsverfahren dient dem Vollzug und der jährlichen Umsetzung unseres Kinderbildungsgesetzes. Mit diesem Instrument werden die erforderlichen Anträ-ge, die erforderlichen Daten, die Leistungsbescheide und die Verwendungsnach-weise abgewickelt bzw. auch erfasst. Das Verwaltungsverfahren KiBiz.web beruht auf den rechtlichen Vorgaben unseres Kinderbildungsgesetzes. Auf dieser Grund-lage kommunizieren die Akteure – das sind die Einrichtungen, die Träger, die Ju-gendämter und die Landesjugendämter – in KiBiz.web.de. Da kommen sie alle miteinander zusammen.

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Eine ganz entscheidende Rolle – diese wurde mit dem KiBiz.web noch einmal ge-stärkt – kommt dabei der örtlichen Jugendhilfeplanung zu. Das Ministerium trifft auf der Basis der im KiBiz.web abgebildeten Entscheidungen der örtlichen Ju-gendhilfeplanung die Verwaltungsentscheidungen, die in Zuständigkeit und Ver-antwortung des Ministeriums liegen.

Das Ministerium hat – das ist für Sie jetzt auch wichtig –, was diese Daten der Ju-gendhilfeplanung angeht, nur eine Leseberechtigung, wahrscheinlich wie Sie auch, wenn Sie die Daten bekommen. Sie können an den Daten ja auch nichts ändern, wir auch nicht. Diese Leseberechtigung bezieht sich auf die Ebene der Jugendämter und auf die Ebene der aggregierten Daten. Diese Rolle des Landes wurde auch von der Rechtsprechung so bestätigt.

Ausgangspunkt dieses jährlichen Verfahrens in Nordrhein-Westfalen ist also die Jugendhilfeplanung in den Kommunen, die in einem mehrschrittigen Prozess der Jugendämter mit den Trägern und Einrichtungen vorbereitet wird. Im Verlauf die-ses Prozesses melden und beantragen die Träger die Plätze bei uns im Land. Die Höhe der jeweiligen Zuschüsse in Nordrhein-Westfalen richtet sich dabei nach Gruppenformen – da haben wir unterschiedliche, nämlich drei – und Betreuungs-zeiten. Da haben wir auch drei im Angebot. Das sind die Dinge, die beantragt werden und die die Träger im folgenden Kindergartenjahr zur Verfügung stellen wollen.

Im Ergebnis legen also die Jugendämter fest, welche Plätze sie im folgenden Kita-Jahr finanzieren und beantragen. Spätestens zum 15. März eines Jahres müssen sie die beantragen und bekommen dann für jeden beantragten Platz die Landes-zuschüsse. Dabei werden die Ergebnisse der Jugendhilfeplanung – auch das ist wichtig, das ist auch keine Willkür der Jugendämter – im Jugendhilfeausschuss beraten und beschlossen. Es ist also keine verwaltungsinterne Angelegenheit der einzelnen Kommune oder des einzelnen Jugendamtes.

Diese Beschlussfassung eines Jugendhilfeausschusses ist Voraussetzung für die Bewilligung der Landesförderung. Die landesweite Auswertung der Anträge der Jugendämter zum 15. März umfasst also die Zuschüsse und auch die entspre-chenden Plätze für das kommende Kindergartenjahr, die im kommenden Kinder-gartenjahr zur Verfügung gestellt werden. Wenn ein Platz zeitlich nur für einen Teil des Kita-Jahres zur Verfügung steht, kann er auch nur anteilig gemeldet werden. Auch das lässt dieses Verfahren zu. Wichtig ist aber: Die Entscheidung der örtli-chen Jugendhilfeplanung ist für das Land Nordrhein-Westfalen verbindlich. Was im KiBiz.web erfasst wird, welche Merkmale und Kategorien dort gebildet werden, leitet sich unmittelbar und mittelbar aus dem KiBiz, also aus dem Gesetz, ab. Die-ses gilt auch für den Stichtag 1. November.

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro

Es ist Ihnen schon zu Ohren gekommen, dass wir einen anderen Stichtag haben, was die U3-Kinder angeht, als Sie mit Ihrer Bundesstatistik. Wir haben den Stich-tag 1. November. Die Kindpauschalen unterscheiden sich nämlich in Nordrhein-Westfalen für U3-Kinder und Ü3-Kinder in ihrer Höhe ganz erheblich. Das will ich Ihnen an einem Beispiel sagen. Die Kindpauschale in der Gruppenform 2 für ein U3-Kind bei 45 angemeldeten Stunden Betreuungszeit beträgt rund 16.600 €, für ein Ü3-Kind mit 45 Stunden in einer Gruppenform 3 rund 7.400 €.

Der 1. November markiert bei uns in Nordrhein-Westfalen die Grenze, für welches Kind die mehr als doppelt so hohe U3-Pauschale gezahlt wird und für welches Kind die Ü3-Pauschale bezahlt wird. Mit dem 1. November ist bei uns definiert, dass für Kinder, die im I. Quartal eines Kindergartenjahres noch nicht das dritte Lebensjahr vollendet haben, die höhere Pauschale für das gesamte Kindergarten-jahr zum Tragen kommt. Entsprechend werden für diese Kinder die sogenannten U3-Plätze eingerichtet und vom Land und Kommunen, aber auch von Trägern entsprechend finanziell und personell ausgestattet.

Eine Verlegung dieses Stichtages für die Definition der Altersgruppenzugehörig-keit zum Beispiel auf den 1. März, wenn wir das jetzt verändern würden entspre-chend Ihrer KJH-Statistik, hätte grundlegende finanzielle und strukturelle Auswir-kungen. Das würde dazu führen, dass diese Plätze für einen Zeitraum sehr viel schlechter ausgestattet wären und die Qualität der Betreuung entsprechend her-abgesetzt würde. Dies würde den berechtigten Forderungen, dass beim quantitati-ven Ausbau die Qualität nicht auf der Strecke bleiben darf, diametral entgegenlau-fen.

KiBiz.web und die KJH-Statistik erfüllen unterschiedliche Funktionen. Das führt un-ter anderem dazu, dass die Kinder, die zwischen dem 1. November und dem 28. Februar ihren dritten Geburtstag haben, in der KJH-Statistik von Ihnen dann als Über-Dreijährige gezählt werden, während sie nach unserem KiBiz-Gesetz sozu-sagen noch als U3-Plätze finanziert und gezählt werden. Den Eltern in Nordrhein-Westfalen ist das übrigens herzlich egal. Es kommt ihnen vor allem darauf an, wie ihr Kind in einer Kita untergebracht ist und nicht, wie es statistisch eingruppiert wird. Es ist wichtig, dass die Kinder ihren Platz auch altersgerecht ausgestattet bekommen.

Ein Kind, das gerade drei Jahre alt geworden ist, hat natürlich noch einmal andere Anforderungen als ein Kind am Ende eines dritten Lebensjahres. Mit jedem Monat verändert sich das in der Kita.

Die neuen Antragszahlen vom 15. März zeigen in diesem Jahr, dass wir wieder einen großen Schritt nach vorne gekommen sind, dass die Kommunen in Nord-rhein-Westfalen ihr Betreuungsangebot für Über-Dreijährige sogar noch aus-bauen. Bei uns haben die Jugendämter für das neue Kita-Jahr jetzt 161.000 Be-treuungsplätze für unter dreijährige Kinder gemeldet. Das sind rund 117.700 in Tageseinrichtungen und 43.800 in der Tagespflege. Wir haben rund 458.600 Be-treuungsplätze für über dreijährige Kinder, davon 454.300 in Kitas und 4.300 in der Kindertagespflege.

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro

Unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung, die Sie eben auch schon erwähnt haben, entspricht das einer Versorgungsquote von rund 36,9 % für Unter- Dreijährige, bezogen auf die ein- und zweijährigen Kinder, für die nur der Rechts-anspruch gilt, beträgt die Versorgungsquote dann sogar 54,9 %. Das heißt also, bei den von den Jugendämtern angemeldeten Plätzen, die wir finanzieren, steht für jedes zweite Kind mit einem U3-Rechtsanspruch ein Platz in unserem Land zur Verfügung.

Im Vergleich zum Kindergartenjahr 2010/2011 gibt es rund 72.800 Plätze mehr für Kinder unter drei Jahren. Das ist sogar eine Steigerung von 82 %. Wir haben die-ses Jahr das zweite Mal in Folge eine Mehranmeldung bei den Ü3-Plätzen. Da haben wir rund 3.200 zusätzliche Plätze im Vergleich zum vergangenen Jahr. Das ist eine deutliche Steigerung. So haben wir wieder zwei Ziele erreicht. Beim U3-Ausbau haben wir mehr Quantität und beim Ü3-Ausbau bekommen wir auch mehr Quantität. Das lassen wir aber mit qualitativen Weiterentwicklungen einherlaufen.

Für Sie auch noch einmal interessant: Das Personal bei uns in den Kindertages-stätten zählen Sie – glaube ich – auch, haben Sie eben gesagt. Da haben wir Steigerungsraten sowohl im Bereich der Beschäftigten als auch im Bereich der Ausbildung zu verzeichnen. Nach der KJH-Statistik arbeiten jetzt bei uns 98.700 Beschäftigte in den Kitas. Das sind 21.400 mehr als im Jahr 2008. Unsere Fach-schulen sind voll.

Es gibt eine große Nachfrage nach diesem Berufsbild. Wir haben 23.300 ange-hende Erzieherinnen und Erziehe im laufenden Schuljahr 2014/2015. Ich glaube, vor dem Hintergrund dieser Zahlen kann man sagen – das ist eine Gemein-schaftsaufgabe, die wir mit den Trägern, mit den Gemeinden, mit den Städten und den Kreisen gemeistert haben –, dass wir in Nordrhein-Westfalen wirklich etwas bewegt haben. Sie haben gesagt, dass wir die größten Steigerungsraten zu ver-zeichnen haben. Wir haben mit unglaublicher Kraft und Dynamik mit allen Beteilig-ten gearbeitet und haben seit dem Regierungswechsel von 2010 bis 2015 rund 1,19 Milliarden € für den U3-Ausbau zur Verfügung gestellt, davon 440 Millionen € allein im investiven Bereich und 750 Millionen € im Bereich des Belastungsaus-gleichsgesetzes.

Wir freuen uns, dass der Bund für die Investitionen noch einmal rund 120 Millio-nen € demnächst zur Verfügung stellt. Denn dieses System wird dynamisch blei-ben. Es wird sich viel weiterentwickeln. Ein gutes Angebot schafft weitere Nach-frage. Das spüren wir ganz deutlich.

Was gar nicht eingetreten ist, was viele prognostiziert haben: Wir haben keine Klagewelle in Nordrhein-Westfalen. Das hat man nirgendwo nachlesen können. Alle Kommunen, alle Träger und das Land sind sehr bemüht, junge Familien bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen.

(Beifall)

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Marcel Hafke (FDP): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Ich bitte, über diese Debatte, die gleich noch folgt, ein Wortprotokoll anzufertigen. Ich habe insbe-sondere an das Bundesamt für Statistik ein paar Fragen. Mir ist aufgefallen, in der Formulierung, was Sie vorgetragen haben und was die Ministerin vorgetragen hat, gibt es einen feinen Unterschied, und zwar sprechen Sie, wenn Sie Ihre Statistik vor-stellen, von tatsächlich betreuten Kindern. Die Ministerin redet immer von angebote-nen Plätzen, also nicht von tatsächlich betreuten Kindern. Das ist genau der Konflikt, über den wir uns streiten.

Die Ministerin suggeriert – wir nehmen jetzt mal ein Kalenderjahr –, dass 144.000 Kinder betreut werden. Das ist in der Form so nicht richtig, weil Sie selber auch noch einmal betont hat, dass es eben nicht betreute Kinder sind, sondern nur angebotene Plätze.

Sie wiederum haben für das Jahr 144.000 angemeldete Plätze ermittelt. Sie haben errechnet 104.000 tatsächlich betreute Kinder. Jetzt gibt es zwei verschiedene Stich-tage, an denen das Ganze erhoben wird, 01.11., Kinderbildungsgesetz, und 01.03. nach Ihren Daten. Die Ministerin hat vollkommen korrekt ausgeführt, dass es da un-terschiedliche Zeiträume gibt, in denen die Altersjahrgänge von Ü3 auf U3 wechseln. Meine einfache Frage an Sie – Sie sind ja Mathematiker und Statistiker –: Ist es möglich, diese Alterskohorte von diesen vier Monaten so zu berechnen, dass ich klar weiß, wie viele Kinder in Nordrhein-Westfalen in einem Kindergartenjahr tatsächlich betreut wurden?

Nach meiner Auffassung, nach dem, was wir berechnet haben, muss es mathema-tisch möglich sein zu berechnen, wie viele Kinder in einem Kinderjahr tatsächlich auf diesen Kindergartenplätzen betreut wurden. Wir haben es mit unseren rudimentären Mitteln probiert auszurechnen. Da kamen wir auf die Größenordnung, dass im Kin-dergartenjahr 2009/2010 84 % aller U3-Plätze belegt waren, im Kinderjahr 2013/2014 72 %. Es sind für die Politik relevante Daten, wenn fast 30 % aller Kinder-gartenplätze, die angeboten und von der örtlichen Jugendhilfe angemeldet werden, gar nicht belegt werden. Da müssen wir als Politik überlegen: Was läuft da richtig, was läuft da nicht richtig? Diese Debatte ist schon relativ wichtig, weil diese Zahlen regelmäßig auseinandergehen.

Die Ministerin hat bislang immer gesagt: Ihre Daten wären veraltet. Wenn das der Fall ist – das sind unterschiedliche Jahre, auf die sich das bezieht –, muss es mög-lich sein, das auf ein Jahr runterzurechnen und anzugleichen. Ich habe es in der Schule, im Studium gelernt, dass das in der Mathematik möglich ist. Da Sie das jetzt nicht vorbereiten konnten, wollte ich zumindest die Frage einmal stellen, ob das ma-thematisch möglich ist, ob Sie/das Ministerium das für die Zukunft auch leisten könn-ten, damit man Klarheit in diese Debatte bekommt.

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS): Bevor gleich das Bundesamt noch einmal ant-wortet: Wir zählen die Kinder nicht am 1. November. Der 1. November ist für uns im Kinderbildungsgesetz ein Tag, zu dem wir sagen: Danach finanzieren wir, aber wir zählen die Kinder nicht. Wenn Sie sich an das Jahr 2007 zurückerinnern, da hat die damals schwarz-gelbe Landesregierung 144.000 Plätze mit der Bundesregierung

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro beim Krippengipfel verabredet. Da hat man die Plätze auch schon gezählt. Die Lan-desregierung kann nichts anderes tun, als die Plätze, die angemeldet werden, zu fi-nanzieren. Dann stellen die Jugendämter den Eltern diese Plätze zur Verfügung, damit dort Kinder reinkommen.

Wenn Sie vier Monate im Jahr nehmen, die zwischen dem 1. November und dem 1. März liegen, dann haben in einer solchen Zeit Kinder zum Beispiel Geburtstag, und es kann dann durchaus sein, dass es Differenzen bei den Zahlen gibt. Zwischen November und März haben Kinder tatsächlich Geburtstag.

Bernhard Tenhumberg (CDU): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Herzli-chen Dank an die Statistischen Ämter für die Zurverfügungstellung der Unterlagen und für Ihre Arbeit, die – das ist meine Erkenntnis daraus, mit dem Thema habe ich mich wochenlang beschäftigt – des Öfteren auch Entscheidungsgrundlage für unser politisches Handeln sein sollten, weil Sie – Sie haben es dargelegt – nüchtern, neut-ral exakte Zahlen ermitteln, die nach bestimmten Methoden erfasst werden, die bun-desweit abgestimmt sind und das auch mit anderen Bundesländern. Es kommt mir darauf an festzuhalten: klare Methodik, abgestimmt bundesweit, allgemein aner-kannt, vergleichbar. Das ist mir wichtig festzuhalten.

Auf der anderen Seite haben wir eine Vereinbarung auf Bundesebene, der sich die Landesregierung auch angeschlossen hat, insgesamt die Gesellschaft auch, wonach 2007/2008 gesagt wurde: Wir wollen zum 01.08.2013 bundesweit 750.000 Plätze für die U3-Betreuung zur Verfügung stellen.

Das Bundesamt hat uns mitgeteilt: Diese Zielmarke wurde zum 01.08.2013 nicht er-füllt, nämlich im Ist sind nur 661.000 erbracht worden. Die Defizite sind unterschied-lich auf die Bundesländer verteilt worden. Ich lege Wert darauf, dass festgehalten wurde, dass sich der Rechtsanspruch darauf bezieht, dass wir eine Angebotsquote haben. Das heißt, Nordrhein-Westfalen hat sich verpflichtet – das ist bundesweit ver-abredet –, eine Versorgungsquote von 32 % zu gewährleisten, die, in Zahlen ausge-drückt, 144.000 Plätze in der Angebotsstruktur vorhalten soll. Das sind auch klare Verabredungen.

Es geht nicht darum, Wünsche, Erwartungen, Planungen, die sich teilweise über mehrjährige Zeiträume hinziehen, im Stillen umzurechnen und sie als Visionen oder Wunschvorstellungen zu artikulieren und zu unterstellen, das seien jetzt die Zahlen, die man gemeldet bekommen hat. Das ist nicht der Maßstab. Auf Bundesebene war etwas anderes verabredet. Das hört man auch aus allen anderen Bundesländern, auch von der Bundesregierung, auch von der jetzigen. Es wurde gesagt: 750.000 Plätze müssen zum 01.08.2013 als Angebotspalette zur Verfügung stehen. Das be-deutet für Nordrhein-Westfalen 144.000.

Jetzt kommen wir dazu, wie das artikuliert worden ist. Das Bundesamt sagt: Am 01.03.2014 waren in der Kita – ich lasse die Kindertagespflege außen vor, ich könnte das auch mitmachen, das verkompliziert die Sache – 74.449 Plätze in Nordrhein-Westfalen vorhanden, so das Statistische Bundesamt.

(Widerspruch von der SPD)

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 37 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Ich kann es Ihnen vorlesen. Ich habe Zeit. Das Bundesamt kann gleich widerspre-chen, also 74.449 am 01.03.2014. Die Landesregierung hat uns sieben Monate vor-her, am 01.08.2013, mitgeteilt – sie überbietet diese Zahl –, nämlich 106.515. Das ist eine Differenz von 32.066. Jetzt anknüpfend an die Fragen von Herrn Hafke kann es in einer bestimmten Größenordnung daran liegen, dass es wegen der Geburtsdaten zu Abweichungen zwischen den Statistiken kommt. Aber, meine Damen und Herren, nicht in einer Größenordnung, die in eine fünfstellige Zahl passt. Das ist nicht ma-thematisch nachzuvollziehen. Dazu kann das Statistische Bundesamt – wir werden noch mehrere Nachfragen, auch schriftlich dazu haben – uns wunderbare Zahlen lie-fern. Fakt ist, dass wir eine Differenz von 32.000 Plätzen haben.

Jetzt zur Begrifflichkeit: Ich zitiere mehrere Schriftstücke, auch der Ministerin und des Ministeriums, in denen dem Parlament gesagt worden ist: Es sind 144.833. Ich könn-te das ein Jahr zurückschieben, da waren die anderen Zahlen da, aber ich nehme die letzten Verlautbarungen auf der Homepage des Ministeriums. Da wird wortwört-lich gesagt: 144.883 Betreuungsplätze stehen zur Verfügung, da steht nicht: Die sind gemeldet worden. Da steht „stehen zur Verfügung“. Das Statistische Bundesamt sagt etwas anderes; auf der Homepage ebenfalls.

In der Plenarsitzung haben Sie dann gesagt, Frau Ministerin: Damit stehen insge-samt in Nordrhein-Westfalen ab dem 1. August 2013 144.883 Plätze für unter drei-jährige Kinder zur Verfügung. Das wiederholt sich auch in Antworten auf Kleine An-fragen, in mehreren Protokollen. Dann sagen Sie – das ist auch wieder so ein Knackpunkt –: Am 1. August 2013 – Ausschusssitzung am 26.02. dieses Jahres – sind 144.800 Plätze vorhanden. Sie werden auch finanziert, sagen Sie jetzt. Das Sta-tistische Bundesamt sagt mir aber: Es sind doch wesentlich weniger Kinder da. Ich bitte um Aufklärung von beiden Seiten. Es kann ja nicht sein, dass das Ministerium sagt, 144.000 Plätze sind vorhanden, während das Statistische Bundesamt, das die Zahlen Ende September/Oktober dieses Jahres vorlegen wird, sagt: Es sind aber nur 105.000 Kinder in den Kitas. Dann haben Sie 144.800 finanziert, wunderbar. Da re-den wir über ein gesamtes Kostenvolumen von etwa 330 Millionen €. Um diese Auf-klärung möchte ich bitten.

Bevor ich meine zweite Runde einläute: Frau Ministerin, Sie haben gesagt, die Zah-len des Bundesamtes seien überholt. Wie ist das zu verstehen? Hier habe ich Zahlen des Statistischen Bundesamtes vorliegen: 74.449. Darauf habe ich mich bezogen. Und Sie schreiben: Herr Tenhumberg nimmt eine veraltete Bundesstatistik. Sie be-ziehen sich – das ist auch interessant, indirekt bestätigen Sie das wieder – nämlich auf den 1. März 2014. Was ist denn jetzt wahr? Stimmen die Zahlen? Weil Sie in Ih-rer Pressemitteilung vom 04.09.2014 sagen: Sie beziehen sich auf den 1. März 2014? Also stimmen die doch oder was? Wenn das stimmt, können Sie doch nicht argumentieren: 74.000 zu 105.000. Da passt etwas nicht.

Ich kann Ihnen wiederholt darlegen, wie Sie einerseits bestätigen, die Zahlen stim-men, dann sagen Sie: Sie seien veraltet. Sie stimmen nicht deckungsgleich mit Ihren Zahlen überein. Deshalb stimmt die Versorgungsquote auch nicht. Dazu will ich gleich noch nachfragen.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 38 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Stefan Zimkeit (SPD): Im Kern werfen Herr Hafke und Herr Tenhumberg den Kom-munen vor, falsche Zahlen zu melden. Das ist der Vorwurf, der dahintersteckt, dass die Kommunen dem Land Zahlen melden würden, um Geld dafür zu bekommen, wo-bei sie nicht entsprechende Kinder auf die Stellen tun. Das ist der Kernvorwurf, der hinter diesen ganzen Zahlenspielereien, die hier betrieben werden, steht. Ich würde es so definieren, dass den Kommunen Betrug gegenüber dem Land vorgeworfen wird. Ich würde die Landesregierung gerne fragen, ob dieser Vorwurf in irgendeiner Weise Grundlagen hat.

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS): Ich möchte gerne etwas aufklären. Wir zweifeln überhaupt keine Zahlen des Statistischen Bundesamtes an. Aber wenn die Zahlen zum Beispiel Oktober rauskommen, dann kennen wir schon längst die Anmeldezah-len für das neue Kindergartenjahr. Insofern sagen wir immer: Die Zahlen sind nicht mehr aktuell. Wir haben schon die Zahlen für das nächste Jahr. Das liegt in der Natur der Sache.

Herr Tenhumberg, jetzt erkläre ich es Ihnen noch einmal. Wir nehmen jetzt mal den Tim. Er ist am 28. Februar 2014 zwei Jahre alt geworden. Den melden jetzt die Eltern beim Jugendamt an, dass er einen Kita-Platz für U3 bekommt. Der bekommt ihn auch zum 1. August 2014. Er wird also am 28. Februar 2014 zwei Jahre alt, kommt dann im August in die Kita rein. Dann wird er am 28. Februar 2015 drei Jahre alt. Das lassen Sie jetzt einmal ein bisschen sacken, denn das Statistische Bundesamt kommt erst am 1. März und zählt. Dann zählen die den lieben Tim nicht mehr mit. So wie der liebe Tim nicht mehr mitgezählt wird, werden auch ganz viele andere Kinder, quasi ein Drittel eines Jahrgangs, wenn man hochrechnet, nicht mitgezählt. Deswe-gen kommen diese unterschiedlichen Zahlen zustande. Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen noch erklären soll. Ich sage das einmal ganz deutlich: Mir erscheint diese De-batte so etwas an obsolet. Das ist nicht der Kern des Problems.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Problem ist, ob die Eltern einen Platz für ihr Kind bekommen. Wir als Land Nord-rhein-Westfalen finanzieren den Platz mit der großzügigen Regelung – die die schwarz-gelbe Landesregierung vorgenommen hat, indem sie nämlich den 1. No-vember als Tag für die Berechnung genommen hat –, und zwar deutlich mehr für die Kinder, wenn sie im Laufe eines Kindergartenjahres älter als zwei Jahre werden, also wenn sie das dritte Lebensjahr erreichen, als das der Fall wäre, wenn wir jetzt den 1. März als Stichtag nehmen würden. Das ist für die Kommunen eine sehr komfortab-le Situation, die ich als zuständige Ministerin nicht verschlechtern möchte.

Wenn Sie aber weiter diese Debatte nach vorne bringen, dann passen Sie einmal auf, was an der Stelle auch passieren kann.

Präsident Hans-Josef Fischer (IT.NRW): Ich möchte versuchen, auf die Frage zu antworten, ob es eine Möglichkeit gibt, die Zahlen miteinander zu vergleichen. Wir sehen diese Möglichkeit nicht.

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Frau Ministerin hat schon an dem Beispiel gerade deutlich gemacht, dass die Defini-tion U3 nach dem KiBiz.web-Verfahren nicht vergleichbar ist mit der Definition U3 nach dem Sozialgesetzbuch VIII. Das ergibt bereits Unterschiede. Man kann versu-chen, die herauszurechnen, aber man wird nie ein exaktes Ergebnis haben.

Der große Unterschied – die Kollegen können versuchen, das ein Stück weit fachlich zu untermauern, ich bin kein Berufsstatistiker, aber ich versuche, es Ihnen möglichst allgemein verständlich zu erläutern –, den ich noch zwischen den Verwaltungszahlen des KiBiz.web und den Kinder- und Jugendhilfestatistikzahlen sehe, liegt darin, dass es sich bei der Bundesstatistik um eine Stichtagserhebung handelt, die genau den Tag 1. März abbildet. Das heißt, die Zahl ist am 28. Februar eine andere und am 2. März wiederum eine andere.

Deswegen wird es Ihnen nicht gelingen, eine exakte Vergleichbarkeit der beiden Er-hebungszahlen zu erzielen. Ich glaube, beide Statistiken zeigen eine eindeutige Tendenz. Und das spricht dafür, dass beide Statistiken im Kern richtig sind. Ich muss auch sagen – dafür bin ich mittlerweile auch Statistiker genug –: Auch unsere Zahlen sind nicht exakt auf die letzte Stelle hinterm Komma. Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir diesen Qualitätsanspruch nicht erheben können.

Marcel Hafke (FDP): Ich möchte noch einmal darauf eingehen. Wir haben nicht ge-sagt, dass wir bis auf die letzte Nachkommastelle korrekte Berechnungen haben wol-len. Aber das, was die Ministerin – deshalb ist es politisch schon so brisant – jedes Mal bei jeder Meldung, in jeder öffentlichen Verlautbarung unterstellt, ist, dass diese Zahlen miteinander vergleichbar wären. Sobald wir im Ausschuss sind, hört sich das immer wieder anders an.

Wir haben gesagt, diese vier Monate Differenz kann man natürlich mathematisch rausrechnen. Es gibt viele Anhaltspunkte, dass die Aussagen, die die Ministerin ge-rade getätigt hat, in dieser Form nicht stimmen. Ich möchte Ihnen einmal zwei, drei davon nennen.

Wir haben bis heute keine Erklärung dafür, warum das Ganze im Haushalt … Wenn es so ist, dass wir 144.000 Plätze haben, die fast alle belegt werden, dann müsste es so sein, dass die Kindpauschalen, die im Haushalt angesetzt sind, doch alle veraus-gabt werden. Das stimmt aber nicht. Im Haushaltsjahr 2012/2013 sind 76 Millionen € zurückgeflossen, im Jahre 2011/2012 40 Millionen €, 2010/2011 23 Millionen €, 2009/2010 28 Millionen € – jedes Mal ansteigend die Größe der Rückflüsse.

Wenn man sich das Ganze dann anschaut, die Betreuungsquoten gemäß KiBiz.web und die Bundesstatistik, dann kann man sehen, im Jahre 2008/2009 – KiBiz.web.de 12,7 %, Bundesstatistik 11,5 %. Dann geht die Spreizung auch dort jedes Jahr aus-einander bis ins Jahr 2013/2014, KiBiz.web 33 %, dann 10-%-Punkte Unterschied an tatsächlich betreuten Kindern. Das Ganze kann man dann sogar noch mit tatsächli-chen absoluten Zahlen aufmachen – ich habe es eben vorgetragen –, 144.000 an-gemeldete Plätzen bei den örtlichen Jugendämtern und 104.000 tatsächlich nachge-wiesene besetzte Plätzen.

(Ministerin Ute Schäfer [MFKJKS]: 1. März!)

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Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Dieses Delta, Frau Ministerin, ist in den letzten fünf Jahren auseinandergegangen, größer geworden. Es ist nicht logisch. Wenn davon ausgegangen wird, dass diese Plätze im Großen und Ganzen alle belegt werden und man dieses Delta rausrechnet – diese vier Monate –, dann kann es nicht sein, dass 40.000 betreute Kinder in ei-nem Jahr, in diesen vier Monaten geboren sind. Das passt mathematisch überhaupt nicht. Deswegen würde allein eine Annäherung von dem, was Sie gerade geschildert haben … Wir haben mit den rudimentären Zahlen, die wir haben, eine Annäherung hinbekommen. Die Ministerin veröffentlicht bislang nicht die Zahlen der tatsächlichen Kindpauschalen, um das nachzuvollziehen. Mit denen könnte man das tatsächlich berechnen.

Da muss es doch möglich sein zu sagen: Wie viele Kindergartenplätze wurden in Nordrhein-Westfalen in einem Kindergartenjahr angemeldet, und wie viele Plätze wurden tatsächlich belegt? Es kann doch nicht so sonderlich schwierig sein, diese Frage zu beantworten. Wir haben in den ganzen Jahren, seitdem ich im Parlament bin, keine Aussage von der Regierung bekommen, wie viele Kinder in Nordrhein-Westfalen tatsächlich betreut wurden. Es ist gar nicht so schwierig, das mathema-tisch aufzuzeigen. Das muss entweder das Landesamt für Statistik, das Bundesamt für Statistik oder die Landesregierung machen. Wenn es alle drei nicht können, soll-ten sich alle drei einmal zusammensetzen und diese Aussage mit auf den Weg ge-ben.

Es wird natürlich in Nordrhein-Westfalen im Moment bei jeder Meldung suggeriert, dass 144.000 Kinder betreut werden würden. Und das stimmt ja nicht. Das ist nach-gewiesenermaßen nicht der Fall. Sonst würden sie nicht 104.000 Kinder veröffentli-chen. Selbst wenn ich diese vier Monate rausrechne, kann das nach unserer Auffas-sung nicht passen. Wir haben das einmal überschlagen. Nach unserer Berechnung sind es ungefähr 20.000 Plätze in ganz Nordrhein-Westfalen, die nicht belegt wur-den. Dazu muss es eine politische Aussage geben. Wir erleben jedes Mal ein ent-sprechendes Verwirrspiel.

Meine Bitte an alle drei betroffenen Institutionen, das einmal entsprechend aufzuar-beiten, dass man tatsächlich vergleichbare Zahlen bekommt und diesen Missstand zwischen KiBiz.web und Bundesstatistik herausrechnet. Das müsste nach unserer Auffassung möglich sein.

Ich hätte gerne die Antwort der Bundesstatistiker und bitte, dass die Mathematiker, die wissen, wie man so etwas dann berechnet, uns das sagen.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 41 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Stefan Zimkeit (SPD): Erst einmal möchte ich darum bitten, meine Frage zu beant-worten. Der Vorwurf ist von Herrn Hafke wiederholt worden, dass sich die Kommu-nen Geld dafür bezahlen lassen, dass sie Plätze nicht besetzen.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

– Herr Hafke, Sie beschweren sich darüber, dass andere bei Ihnen dazwischenrufen. Ich habe nichts gegen Zwischenrufe. Das ist vollkommen in Ordnung, das können Sie machen. Wogegen ich etwas habe, sind Leute, die sich beschweren, wenn es Zwischenrufe bei ihnen gibt, die dann selbst welche machen. Das ist unglaubwürdig. Lassen Sie das bitte! Lassen Sie entweder Zwischenrufe zu oder machen Sie selber keine!

Zweiter Punkt: Herr Hafke hat den Vorwurf erhoben, dass hier Plätze abgerechnet werden, die nicht belegt sind. Da will ich nachfragen, ob es dafür Hinweise gibt.

Natürlich ist es logisch, Herr Hafke. Sie haben gerade selbst festgestellt, dass ein Prozentsatz von Plätzen wegen der Stichtagsregelung nicht darunterfällt. Wenn dann die Plätze steigen, geht diese Schere logischerweise auseinander. Das ist schlicht und einfach so. Wenn Sie so viel mit Mathematik zu tun hatten, wie Sie es sagen, dann hätten Sie das eigentlich verstehen müssen. Insofern verstehe ich auch diesen Vorwurf nicht. Ich habe das Gefühl – hier ist von Verwirrspiel die Rede –, dass hier versucht wird, weil man den politischen Erfolg der Landesregierung, der Kommunen herunterreden will, ein solches Verwirrspiel zu inszenieren. Das ist der einzige Punkt dieser Debatte hier.

Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS): Noch einmal die Vorbemerkung: Die Zielmarke von 144.000 Plätzen hat Herr Laschet mit Frau Schröder ausverhandelt. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist: Ich möchte noch einmal auf das eingehen, was Sie an soge-nannten Rückflüssen hier in den Raum gestellt haben. Wenn die Jugendämter mel-den, dann melden sie für ein Kindergartenjahr an. Ein Kindergartenjahr erstreckt sich über zwei Haushaltsjahre, Herr Hafke, sodass wir relativ präzise wissen, was von Januar bis August von den Jugendämtern, also bis Ende Juli, angemeldet wird, dass sie aber schätzen müssen, was wir an Mitteln für das nächste Kindergartenjahr brau-chen, sodass diese Zahl, die wir in den Haushalt einsetzen, aus der Anmeldung der Plätze und der Prognose, die wir für den zweiten Bereich noch nicht gut genug ab-schätzen können, erfolgt. Da liegen manchmal bei der Prognose Ungenauigkeiten drin. Ich freue mich, wenn wir vom Finanzminister anmelden können, sodass wir kei-ne Sorge haben, dass wir mit dem Geld nicht auskommen.

In gleicher Weise kann man sagen, dass die Jugendämter abrechnen müssen. Die Debatte hatten wir auch schon mehrfach, dass noch nicht alle abgerechnet haben, weil es im Kinderbildungsgesetz keine Maßgabe gab, Restriktionen umzusetzen. Das haben wir auch geändert. Das können wir jetzt, das machen wir auch. Das heißt, wer nicht ordentlich abrechnet, kriegt keine neuen Gelder, sodass wir da jetzt à jour sind.

Page 42: Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend...Aussprache 6 Landtag Nordrhein-Westfalen - 2 - APr 16/884 Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich)

Landtag Nordrhein-Westfalen - 42 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Wenn sie dann am Ende eines Jahres endabrechnen, dann fließen natürlich auch noch einmal Mittel zurück, weil Eltern anders als in der Schule keine Verpflichtung haben, ihre Kinder genauso in die Kita zu bringen, wie sie sie vielleicht vorsorglich den Platz angemeldet haben, sondern sie wechseln zwischen 35, 45 Stunden oder entscheiden, das Kind kommt vielleicht erst ein halbes Jahr später. Dann gibt es auch noch einmal Rückflüsse aus dem Bereich.

Herr Zimkeit hat Ihnen eindeutig klargemacht: Wenn die Kinderzahlen steigen, dann steigt auch das Geld, die Summe, die man dann nicht ganz so genau prognostizieren kann. Wenn ich Ihnen jetzt noch einmal sage: Das ist nicht ungewöhnlich bei einem Volumen von 1,5 Milliarden € Landesanteil, dass man da ein Delta hat, das noch einmal in den Kontext zurückfließen kann. Das sind 5 %. Das wird jetzt wieder weni-ger. Man kann sehen, dass es wieder eine Senkung gibt. Das ist der Sache geschul-det, die ich Ihnen eben gerade beschrieben habe. Das kann man nicht auf 100 % be-rechnen, weil diese Unwägbarkeiten an der einen oder anderen Stelle drin sind. Es ist besser, wir können jetzt dem Finanzminister etwas zurückgeben, als wenn wir ir-gendwann sagen müssen: Wir können keinen Platz mehr finanzieren, der aber ange-fragt worden ist. Das ist eine sehr komfortable Situation für Nordrhein-Westfalen. Deswegen verstehe ich nicht, was Sie ständig mit dieser Debatte bewirken wollen.

Ich weise mit aller Deutlichkeit zurück – das finde ich eine Frechheit –, dass Sie sa-gen, wir würden ein Verwirrspiel betreiben, denn ich glaube, wir haben immer offen und transparent alle Daten niedergelegt, die das Parlament von uns erfragt hat. Wir werden das auch weiterhin tun. Wir haben ja gar nichts zu verbergen. Wir machen hier eine sehr erfolgreiche Kindergarten- und Familienpolitik, worauf ich sehr stolz bin, weil es mit dem Team, das mir zur Seite steht, das in den Kommunen da ist, das uns in den Fraktionen begleitet, unglaublich viel Rückenwind gegeben hat. Sonst hät-ten wir das in Nordrhein-Westfalen gar nicht schaffen können, denn wir hatten eine relativ desolate Situation vorgefunden, als wir die Aufgabe 2010 übernommen haben.

(Zuruf von Walter Kern [CDU])

– 2005, lieber Herr Kern, gab es überhaupt noch keinen Rechtsanspruch für U3. Da war man mit Ü3, 2002, noch reichlich beschäftigt. Das weiß ich noch aus eigener Er-fahrung. Machen Sie sich jetzt da mal nicht einen schlanken Fuß! Lieber Walter Kern, es gab keinerlei finanzielle Vorsorge für den investiven U3-Ausbau, den die schwarz-gelbe Landesregierung vorgenommen hat. 5 Millionen € haben Sie aus ei-nem Titel genommen, der eigentlich für Reinvestitionen in Kitas gedacht war – 5 Mil-lionen € plus Umsatzsteuer + 12. Wir haben 440 Millionen € auf die Strecke ge-bracht. Da wäre ich an Ihrer Stelle etwas ruhiger.

Page 43: Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend...Aussprache 6 Landtag Nordrhein-Westfalen - 2 - APr 16/884 Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich)

Landtag Nordrhein-Westfalen - 43 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro RD Dr. Bernd Becker (Statistisches Bundesamt): Jetzt ist es schwierig, in dieser emotionalen Situation die Worte zu finden. Ich versuche es einmal wie folgt: Ich habe vorhin gesagt, wir Statistiker – das betrifft nicht nur uns vier – haben gewisse Grundsätze, wie wir arbeiten. Wir sind zuallererst neutral und versuchen dann, exak-te, relevante Zahlen und schnelle Daten zu produzieren. Wir sind sehr schnell. Ich habe vorhin auch gesagt: Es ist eine sogenannte Vollerhebung. Mit vier oder fünf Monaten sind wir sehr schnell. Normalerweise benötigen wir bei solchen Statistiken in solchen Größenordnungen doppelt so lange. Das ist eine sehr große Statistik.

Wir Herr Fischer schon sagte: Wir dürfen nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Das Wort Kind kommt vor, unter drei Jahre kommen vor, Betreuung kommt vor, aber es wird verschieden gemessen. Wir machen es nach Methode A, hier wird es nach Me-thode B gemacht. Dass dabei Unterschiede herauskommen, dürfte jedem klar sein. Dass die Methode B höhere Zahlen liefert, ist auch vom Ansatz her klar.

Ich muss zu meiner Biografie etwas sagen. Ich bin weder Statistiker noch Jurist noch Mathematiker. Ich bin Volkswirt. Und Volkswirte lieben solche Zahlen. Ich bin jahre-lang in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gewesen. Da ist der Grundsatz: Am liebsten hat man es, wenn überhaupt nur eine statistische Quelle da ist oder überhaupt keine, dann kann man nämlich schätzen. Bei einer Quelle gibt es keine sich widersprechenden Zahlen. Zwei Quellen sind sehr schwierig. Da muss man ent-scheiden, wie man das vergleicht. Das ist hier der Fall. Ich habe damit einen locke-ren Umgang, weil beide Statistiken etwas aussagen. Zu dem Niveau habe ich schon etwas gesagt. Sie sind verschieden. Das ist auch erklärbar.

Was ich besonders wichtig fand – das wurde auch schon gesagt –, ist: Die Tendenz stimmt. Wir kriegen eine klare Tendenz für die Bundesländer speziell für sie heraus, Sie auch. Da freue ich mich als volkswirtschaftlicher Gesamtrechner. Man könnte versuchen, das zu vergleichen, unterjährlich zu rechnen. Das wäre möglich, wäre aber ein Aufwand, der sich gar nicht lohnt. Wir würden das ungern machen. Mir reicht das, was ich habe.

ORR Therese Korbmacher (IT.NRW): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass immer mehr Kinder unter-jährig aufgenommen werden. Das heißt, der Rechtsanspruch besteht dann, wenn das Kind tatsächlich 1 Jahr alt wird. Wenn es im April ein Jahr alt wird, kommt es erst im April in die Kita, taucht bei uns nicht auf, bei Ihnen aber. Das macht es noch schwieriger, die Zahlen miteinander zu vergleichen.

Page 44: Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend...Aussprache 6 Landtag Nordrhein-Westfalen - 2 - APr 16/884 Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich)

Landtag Nordrhein-Westfalen - 44 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Bernhard Tenhumberg (CDU): Weil es kompliziert ist, sollten wir vielleicht ein Se-minar machen bei einem kleinen Jugendamt. Dann lassen wir uns die Zahlen vorle-gen und lassen uns auch die Abrechnung einmal vorlegen Dann wird einiges sicher-lich deutlicher. Wir haben es aus volkswirtschaftlicher Sicht, aus größter Sicht als Land Nordrhein-Westfalen zu betrachten. Erst einmal meinen Respekt, dass Sie die-se Zahlen so schnell liefern in der Unterschiedlichkeit, in der Differenziertheit. Das hat mich schon tief beeindruckt, weil ich mich dieser Thematik verstärkt zugewandt habe. Da haben Sie voll meinen Respekt. Und ich zweifle die Zahlen auch in keiner Weise an.

Frau Ministerin, es geht nicht, wenn Sie Herrn Hafke, meinem Kollegen, etwas unter-stellen, was Sie selber 2011 in die Welt gesetzt haben. In der Pressemitteilung vom 7. November 2011 haben Sie gesagt – ich zitiere –:

„Dem Zahlenwirrwarr, der aufgrund der unterschiedlichen Statistik zum Ausbau der U3-Betreuung entstanden ist, ein Ende zu bereiten … Das heißt im Klartext, die Bundesstatistik zählt vor allem die Kinder unter drei Jahren usw. Dieses Zahlenchaos ist weder politischen Entscheidungen noch der breiten Öffentlichkeit gegenüber vermittelbar. Bund und Länder brauchen eine gemeinsame nachvollziehbare Zählweise. Deshalb werde ich ab diesem Kindergartenjahr die Zahlen nach der Systematik der bun-desweiten Statistik erfassen lassen.“

Ich habe gerade in Ihren Ausführungen gehört, dass Sie sich von diesem Ziel jetzt verabschiedet haben. Ich frage Sie: Warum haben Sie sich davon abschiedet?

Ich möchte das Statistische Bundesamt fragen: Ist Ihnen bekannt, Herr Dr. Becker, ob in anderen Bundesländern ebenfalls dieses – ich zitiere die Frau Ministerin – Zah-lenwirrwarr vorherrscht? Ist Ihnen das bekannt oder geläufig? Oder ist nur Nordrhein-Westfalen so ein kompliziertes Bundesland, das kritische Nachfragen hat?

Meine abschließende Frage ist: Sie sagen, in dem Jahr 2013/2014, vom 01.03.2013 zum 01.03.2014, zählen Sie zusätzliche Kinder, und zwar 13.375. Das ist der Kita-Aufbau nur bei unter Dreijährigen. Von der Regierung ist uns immer suggeriert wor-den: 27.000 sind notwendig. Da gibt es eine Pressemitteilung von verschiedenen Fraktionen, die gesagt haben: Wir müssen noch 27.000 Plätze zusätzlich haben. Ich darf annehmen, dass diese 13.375 tatsächlich die Kinder sind, die in dem Jahr vom 01.03.2013 bis zum 01.03.2014 dazugekommen sind?

Marcel Hafke (FDP): Ich möchte auf zwei Punkte eingehen. Herr Zimkeit, Sie haben mir unterstellt, ich hätte von Mathematik keine Ahnung. Ich möchte es Ihnen einmal mit einem einfachen Beispiel darlegen. Wenn die absoluten Zahlen – da hat die Mi-nisterin Recht – auseinandergehen, dann müssten die prozentualen Zahlen nur dann auseinandergehen, wenn das prozentuale Verhältnis auch auseinandergeht. Das heißt, wenn wir in den Jahren 2008/2009 1 % Prozent an Delta haben und hinterher 2013, 2014 10 %-Punkte an einem Delta haben, dann ist das ein Auseinanderklaffen der Situation. Das hat nichts mit mehr Kindern zu tun. Das wäre nur dann der Fall, wenn ich die absoluten Zahlen vergleiche. Aber da ich sie prozentual nebeneinander-

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 45 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro legen kann, ist tatsächlich ein Delta innerhalb der letzten sechs, sieben Jahre ent-standen, das in dieser Form die Ministerin und keiner hier im Raum erklärt hat, auch nicht die Damen und Herren, wenn ich das freundlich sagen darf, des Landesamtes für Statistik und auch nicht des Statistischen Bundesamtes.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Die haben es gerade erklärt!)

– Nein, das haben sie nicht.

Ich möchte dann bei meinem nächsten Punkt an das anschließen, was Herr Ten-humberg gesagt hat. Frau Ministerin, Sie haben es gerade so vehement abgestritten. Es ist so, dass Sie den Eindruck vermitteln, dass die Daten des Bundesamtes und Ihre von KiBiz.web miteinander vergleichbar wären. Sie schreiben in einer Pressemit-teilung am 04.03.:

„Die Zahlen der Bundesstatistik sind bereits überholt, sie beziehen sich nämlich auf den 1. März 2014 und damit auf das Kindergartenjahr 2013/2014. Wir kennen bereits die Zahlen, die uns die Landesjugendäm-ter für das laufende Kindergartenjahr, das am 1. August 2014 begonnen hat, für unter Dreijährige gemeldet haben. Demnach wird rund jedes zwei-te Kind über ein Jahr in einer Kita oder in einer Kindestagespflege be-treut.“

Mit so einer Pressemitteilung suggerieren Sie, dass diese beiden Zahlen miteinander vergleichbar wären. Wenn Sie sagen – das haben Ihre Kollegen ja jetzt auch noch einmal gesagt –, dass die Zahlen in dieser Form nicht miteinander vergleichbar sind, dann müssten Sie als Ministerin eigentlich zugeben, dass in dem Jahr 2013/2014 die tatsächlich betreuten Kinder bei den Zahlen des Bundesamtes für Statistik, bei 23 %, liegen würden, und nicht bei denen, die Sie jedes Mal verkünden. Das ist genau das Verwirrspiel, das Sie dort machen.

Wenn Sie sagen, es sind unterschiedliche Bemessungsgrößen, okay, kann man sa-gen. Aber Sie vergleichen jedes Mal – Sie haben es in dem politischen Betrieb mit eingebracht. Wenn Sie sagen, es sind veraltete Zahlen, dann gelten die Zahlen ja wohl ein Jahr im Voraus. Das heißt, Sie haben 23 % betreute Kinder hier in Nord-rhein-Westfalen. Das ist der Punkt, über den wir diskutieren, über den ich mich so ärgere, weil Sie nach außen darstellen: Die angemeldeten Plätze wären auch tat-sächlich betreute Kinder. Das passt nicht überein. Sie haben bis heute nicht darge-legt, wie viele Kinder tatsächlich in Nordrhein-Westfalen in einem Kindergartenjahr betreut werden. Und das ist das Dilemma, das wir haben. Deswegen ist diese In-transparenz auch da.

Ich bitte Sie noch einmal, das klar deutlich zu machen. Das Bundesamt für Statistik sagt: In einem Jahr werden 23 % aller Kinder betreut. Sie sagen, diese Zahl sei ver-altet. Das heißt, nächstes Jahr müsste das Bundesamt für Statistik doch Ihre Zahl betätigen. Das ist in keinem einzigen Jahr bestätigt worden, selbst wenn ich die Ko-horten ausrechne. Das heißt, Frau Ministerin, ich bitte Sie, endlich Transparenz zu schaffen. Ich bin Herrn Tenhumberg dankbar, dass Sie das vor vier Jahren schon angekündigt haben, da einmal Klarheit zu schaffen. Wir haben seit vier Jahren die-ses Verwirrspiel. Das ist für den politischen Alltag absolut entscheidend.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 46 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Ich glaube, über die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Ergebnisse brauchen wir gar nicht zu diskutieren, weil die Lage in den Kommunen höchst unterschiedlich ist. Wenn ich in den Kreis Kleve gehe, der fast eine 100%-Auslastung hat, während in anderen Kommunen das nicht der Fall ist, dann läuft da in einigen Kommunen etwas sehr gut, in anderen eher etwas schlechter. Wenn Sie vermitteln, es wäre alles super und wunderbar, und das Bundesamt für Statistik sagt, Nordrhein-Westfalen wäre Schlusslicht, und Sie wollen das widerlegen, dann passt das alles nicht zusammen. Da sind wir nicht in der Verantwortung, das aufzuklären, sondern Sie. Sie sind Regie-rung. Sie müssen den Menschen transparent sagen, wie die Zahlen tatsächlich in Nordrhein-Westfalen aussehen.

Olaf Wegner (PIRATEN): Es dürfte bekannt sein, dass wir uns an diesen ganzen Statistik- und Zahlenspielereien bis jetzt hier nicht beteiligt haben. Ich bekomme im-mer mehr den Eindruck, dass Sie sich gegen eine Zahl wehren, sie zu ermitteln oder bekannt zu geben. Mir ist es egal, ob es die erste Zahl oder die zweite Zahl ist. Sie sagen 144.000 Plätze sind geschaffen worden. Sie existieren. Das war Ihre Richt-größe. Das mussten Sie machen.

Es ist natürlich klar, dass Sie nicht wissen können, wie viele Leute irgendwann ein-mal darauf kommen. Sie können sich erst einmal nur eine Größe geben. Die Größe haben Sie erreicht, wunderbar. Jetzt möchten aber gerne die Politiker wissen, und auch ich würde gerne wissen: Wie viele von diesen 144.000 Plätzen sind belegt? Die andere Statistik ist mir egal. Ich will wissen, wie viele am 1. November von diesen Plätzen belegt sind. Es ist auch egal, ob welche dazukommen oder ob wieder welche weggehen. Nein, ich möchte vom 1. November einfach eine klare Zahl haben.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Sie sagen: Die Zahl ist für mich nicht zu ermitteln, der Aufwand wäre zu groß. Dann müssten Sie sie klar darlegen. Aber warum ist die Zahl nicht zu ermitteln, wie viele Kinder am 1. November in einer Kita bzw. in der Kindertagespflege betreut werden? Die ganzen anderen Sachen kann ich verstehen. Natürlich wächst dieses Delta. Natürlich gibt es dieses Delta dadurch, dass Kinder in diesen vier Monaten älter werden. Aber das sind alles nicht die Kernfragen. Langsam habe ich das Gefühl, dass Sie durch diese ganzen statistischen Zählereien von der Frage ablenken.

Die Frage ist: Wie viele Kinder sind am 1. November faktisch in den Kitas bzw. in der Kindestagespflege betreut? Die Plätze wissen wir. Da haben Sie Ihre eigene Zielvor-gabe erreicht, gut. Jetzt wollen wir gerne wissen: Wie viele Kinder werden betreut?

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 47 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Walter Kern (CDU): Frau Ministerin hat mich wegen der damaligen Finanzierung der Mittel in dem Haushalt angesprochen. Ich will daran erinnern, dass seinerzeit der Bund für alle Bundesländer sehr viel Geld zur Verfügung gestellt hat. Dann haben die meisten Bundesländer bis auf eine Ausnahme zunächst einmal die Bundesmittel verwendet und keine Landesmittel zur Verfügung gestellt, was auch im Sinne des Fi-nanzministers ein ganz logischer Vorgang ist. Das weiß auch die Ministerialbürokra-tie. Deswegen sollte man nicht unterstellen, dass wir als damalige schwarz-gelbe Koalition nicht bevorratet hätten. Wir haben jederzeit die Gelder zur Verfügung ge-stellt.

(Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

– Du warst damals noch nicht im Landtag. Ich war sogar in diesem Ausschuss. Ich will deutlich sagen, dass wir jedes Mal nachfinanziert haben, wenn der Bedarf da war. Das hat Herr Linssen, der Finanzminister immer zur Verfügung gestellt. Ich bitte um mehr Sachlichkeit. Ich bin gerne bereit, dass wir das noch einmal außerhalb der Tagesordnung – – Sie können ja Herrn Schäfer fragen. Ihr ehemaliger Staatssekretär hat es in erheblicher Weise beeinflusst. Es ist ganz sicher so, dass es zunächst mit den Bundesmitteln in den meisten Bundesländern bis auf Rheinland-Pfalz, wenn ich mich richtig erinnere, so gelaufen ist.

Bernhard Tenhumberg (CDU): Eine Anmerkung, eine Frage. Zu der Äußerung, Frau Ministerin, dass es normal sei, dass in den Haushalt etwas zurückfließt. Da bin ich bei Ihnen. Es wäre schade, wenn Sie zu wenig eingestellt hätten. Dann hätten Sie uns den Vorwurf gemacht, wir hätten das nicht richtig eingeschätzt. Da ist es mir schon lieber, dass Sie ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt haben.

Die andere Frage, Frau Ministerin – da würde ich gerne das Finanzministerium ein-mal hören –, ist, ob man bei der Haushaltseinbringung die richtige Höhe des Haus-haltsansatzes in Kenntnis dessen, dass die Zahlen gar nicht erreicht werden, wovon wir ausgehen, eingestellt hat. Das ist eine ganz andere Frage. Als Haushälter habe ich da viele Möglichkeiten, Einfluss darauf zu nehmen, so oder so. Das ist eine An-merkung. Das war keine Frage.

Meine Frage: Das Statistische Bundesamt und das Landesamt bewerten den Perso-nalschlüssel und veröffentlichen ihn. Sie nehmen in einer umfangreichen Publikation dazu Stellung. Ich stelle mit Erstaunen fest, dass die Betreuerschlüssel sowohl bei U3 wie im Ü3-Bereich bei der Landesregierung und dem Statistischen Bundesamt in etwa übereinstimmen. Das kann nur die Ursache haben, dass sie von den tatsächli-chen Kindern, die in den Kitas sind, ausgehen und denen die Erzieherinnenzahlen gegenüberstellen. In diesem Fall gehen Sie von den Zahlen des Statistischen Lan-desamtes aus, wenn Sie sich äußern zum Kind-Betreuerschlüssel. Denn die stimmen ja mit dem Statistischen Bundesamt überein.

Ich frage mich: Warum nutzen Sie auf der einen Seite – wenn Sie sagen Betreuer-schlüssel – die Zahlen des Statistischen Bundesamtes? Und wenn wir die Frage stel-len, wie viele Kinder in den Kitas in Nordrhein-Westfalen sind, gehen Sie von KiBiz.web aus und schieben das Statistische Bundesamt einfach an die Seite.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 48 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro Ministerin Ute Schäfer (MFKJKS): Ich fange bei Herrn Tenhumberg an. Die Erzie-her-Kind-Relationen sind die Zahlen, die wir von der Bundesstatistik übernehmen. Wir erheben keine eigenen Zahlen dazu, sondern wir übernehmen die ihrer Statistik. Warum sollen wir dazu extra eine Erhebung machen? Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt: Herr Wegner, wie viele Kinder betreut werden, wollen Sie jetzt für den 1. November ganz konkret wissen. Sollen wir auch so eine Vollerhebung ma-chen wie das Statistische Bundesamt zum 1. November, um zu wissen, dass am 2. November die Zahl schon wieder ganz anders sein kann, weil wieder ein Kind in den Kindergarten gekommen ist und am 3. November schon wieder eine ganz andere Zahl gegeben sein kann, am 12. Dezember schon wieder eine ganz andere Zahl da sein kann? Was ist das für eine Zahlenhuberei, die uns im Land überhaupt nicht wei-terhilft? Unsere Aufgabe ist es, die Kommunen in der Durchsetzung des Rechtsan-spruchs für die Familien zu unterstützen. Nichts anderes machen wir.

Noch einmal: Verwechseln Sie bitte nicht Plätze mit tatsächlichen Kindern! Wir kön-nen nur die Plätze finanzieren, die uns angemeldet werden.

Herr Hafke, im Übrigen haben Sie auch ein paar Kleine Anfragen gestellt. Ich hatte schon angekündigt, dass wir, sobald klar ist, wie die Endabrechnungen mit den ein-zelnen Jugendämtern sind, auch solche Zahlen liefern können. Die bekommen Sie auch. Ich halte damit gar nicht hinterm Berg. Warum sollte ich auch? Wir haben nichts in Nordrhein-Westfalen zu verbergen – im Gegenteil. Wir sind richtig stolz auf das, was wir geschafft haben. Ich finde diese Debatte, mit Verlaub, ganz überflüssig, weil sie niemandem im Land Nordrhein-Westfalen hilft.

Sie haben eben noch einmal gehört, dafür bedanke ich mich: Man kann diese Stich-tagsstatistik nicht mit der Bereitstellung von Plätzen vergleichen, die wir für ein Jahr vorhalten müssen. Das ist die Prognose, die die Jugendämter machen, die Jugend-hilfeplanung, auf die wir als Land qua Gesetz auch reagieren müssen.

Zum Haushalt, lieber Walter Kern: Wir haben eine mittelfristige Finanzplanung, aus der man absehen kann, wie sich bestimmte Dinge entwickeln. Ich schätze den ehe-maligen Kollegen Linssen sehr. Aber das hatte er in seiner mittelfristigen Finanzpla-nung nicht berücksichtigt. Das ist ein Punkt, den man haushälterisch im Blick behal-ten muss: Welche Anstrengungen macht man in welchem Bereich? Das bildet sich dann auch ab.

Die Frage, wie das mit den Rückflüssen, der Prognose, der Schätzung ist, das ist na-türlich der Inhalt des jährlichen Aushandelns mit dem Finanzminister. Das heißt, al-les, was wir machen, ist mit dem Finanzministerium eng abgestimmt und abgespro-chen. Das kann auch vom Verfahren her nicht anders sein. Das gibt einen ganz ge-ordneten Prozess. Dass diese Debatte nicht ganz neu ist, die wir jetzt führen, darauf will ich hinweisen. Als Herr Laschet noch in Funktion war und diese Position beklei-det hat, hat er auch gesagt: Statistiken muss man lesen können. Brutto ist nicht gleich netto, März ist nicht gleich November. Ich zitiere noch einmal diese Pressemit-teilung.

Die Debatte ist ziemlich alt. Sie hilft niemandem im Land Nordrhein-Westfalen, son-dern die Eltern wollen Plätze für ihre Kinder. Die stellen wir bereit.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 49 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro RR Stefan Rübenach (Statistisches Bundesamt): Ich habe versucht, mir ein paar Punkte mitzuschreiben, die zum wiederholten Male an uns herangetragen wurden. In Teilen möchte ich das explizit unterstreichen, was Frau Ministerin Schäfer gerade gesagt hat. Wir haben den gesetzlichen Auftrag, explizit eine Stichtagserhebung zum 1. März vorzunehmen. Die vorgegebenen Merkmale ermöglichen nicht den Rückblick auf die Unterjährigkeit in so einer eindeutigen Art und Weise, wie Sie sie unter Um-ständen gerne hätten. Das ist uns mathematisch so nicht möglich. Als amtlicher Sta-tistiker annäherungsweise etwas zu bestimmen, damit tue ich mich schwer – wir im Allgemeinen. Das ist grundsätzlich nicht möglich.

Herr Tenhumberg hat eben die Bedarfe, die Spreizung zu den Bedarfen angespro-chen. Das sind Zahlen, die nicht von uns sind. Wir in unserer Stichtagserhebung zum 1. März erheben seit Jahren zuverlässig, ländereinheitlich, und zwar für alle 16 Bun-desländer, methodisch einheitlich und auch in den Veröffentlichungen einheitlich und vergleichbar die Daten zum 1. März. Die dazu veröffentlichten Daten zu Bedarfen rühren aus anderen Quellen her, zu denen wir – in dem Falle das Deutsche Jugend-institut München – nichts sagen können. Da müsste man sich mit den Kollegen dort in Verbindung setzen. Eine unterjährige Betrachtung und Dezidierung dieses The-mas ist uns grundsätzlich nicht möglich.

Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass die hier diskutierten Unterschiede tat-sächlich vorhanden sind, auch diese Formulierung: Man vergleicht Birnen mit Äpfeln. Das ist definitiv so. Zur Presse – das ist meine persönliche Meinung, die ich auch einmal kundtun möchte: Teilweise ging es in der Presse wie Kraut und Rüben durch-einander. Dadurch wurde vielleicht auch das eine oder andere Missverständnis her-vorgerufen. Wir hoffen, dass wir mit dieser Veranstaltung noch einmal durch Unter-streichen der Unterschiede dazu beitragen konnten, dass man das aktuell als auch zukünftig differenzierter betrachten sollte.

Marcel Hafke (FDP): Eine kleine Anmerkung: Das gilt dann auch, um es in aller Deutlichkeit zu sagen, für das Ministerium. Wenn in solchen Pressemitteilungen, die ich gerade zitiert habe, gesagt wird, dass die Zahlen veraltet wären, wird unterstellt, das wäre vergleichbar. Genau das passiert nach außen. Dann heißt es nämlich: Die 23 %, die Sie ermittelt haben – das sagt die Frau Ministerin –, wären veraltet und sagt damit: Die eine Statistik ist mit der anderen vergleichbar. Das geht dann nicht. Dann bleiben Sie, Frau Ministerin, bei Ihrem Zahlenwerk und lassen Sie die Bundes-statistiker bei ihrem Zahlenwerk bleiben! Dann geht es. In dieser Form suggerieren Sie, dass das, was der Bund dort macht, alles falsch wäre, und Sie wären super und klasse.

(Zuruf von Ministerin Ute Schäfer [MFKJKS])

Dann stimmt die Betreuungsquote von 23 %. Das geben Sie damit zu. Das möchte ich einmal festhalten.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 50 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro

8 Verschiedenes

Vorsitzende Margret Voßeler verweist auf Vorlage 16/2832, mit der die Frage des Abgeordneten Tenhumberg aus der Sitzung vom 26. Februar 2015 zum Thema „Zu-zahlungsverbot in der Kindertagespflege“ beantwortet werde. Darüber hinaus liege ein Bericht zum Thema „Bilanz des Kinder- und Jugendförderplans 2014 und Ver-gleich der Bilanzen 2012-2014“ vor – vgl. Vorlage 16/2831.

Die nächste Sitzung finde am 13. Mai 2015 statt.

Marcel Hafke (FDP) gibt zu Protokoll, dass er den Respekt von SPD und Grünen gegenüber dem Ausschuss für enorm groß halte, da sie die Ausschusssitzung ver-lassen hätten, bevor sie beendet sei.

Die Ministerin habe am 16. April die Unterlagen zum Kinder- und Jugendförderplan zugeschickt. Ihm seien zwei, drei Sachen aufgefallen. Mehrere Positionen seien mit Zahlen gar nicht ausgefüllt, etwa bei dem Punkt 8.1 Forschungspartnerschaften und 8.4 Kooperation Praxis, Politik und Wissenschaft. Da stünden keine Ist-Ergebnisse, das sei leer. Ihn würde das für die Bewertung interessieren.

Er halte fest, viele Gelder seien ausgegeben worden, bis auf 2 Millionen €. Bei zwei, drei Positionen fände er es schön, wenn man sich an den Ansatz, den man im Lan-desjugendplan festgelegt habe, auch halten würde. Das sei untereinander deckungs-fähig. Es wäre richtig, wenn man sich politisch darauf verständigt habe, dass das Geld auch ausgegeben werde, beispielsweise für die Qualifizierung der Jugendfrei-willigendienste durch Bildungsarbeit, um ein Stichwort zu nennen. Er bitte, schriftlich oder mündlich zu sagen, was der Grund dafür sei, dass bei diesen Positionen gar nichts stehe.

MDgt Manfred Walhorn (MFKJKS) hält fest, bei den Positionen 8.1 und 8.4 sei das Ergebnis jeweils eine Null.

Walter Kern (CDU) hat eine Frage, die sich aus einer Vorlage von Minister Schnei-der aus dem MAIS ergeben habe. Es sei um den Wegfall der Stützlehrerförderung gegangen. Vielleicht könne das nachträglich beantwortet werden. Es werde ein Hin-weis auf die Jugendwerkstätten gegeben. 9 Millionen € würden haushälterisch aus dem Kinder- und Jugendplan zur Verfügung gestellt. Er wüsste gerne, ob das auslau-fe und wer die Dinge bekomme.

Wenn die Stützlehrerförderung wegfalle, sei das für die Institutionen von erheblicher Bedeutung. Das seien immer nur stundenmäßig beschäftigte Leute. Man sollte wis-sen, ob man politisch in einzelnen Fällen Unterstützung geben müsste. Das betreffe auch Übergangsfristen. Eine Auskunft könne auch postalisch erfolgen.

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Landtag Nordrhein-Westfalen - 51 - APr 16/884

Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend 23.04.2015 55. Sitzung (öffentlich) sd-ro

MDgt Manfred Walhorn (MFKJKS) antwortet, mittlerweile gebe es 60 Jugendwerk-stätten. Sie würden zur Hälfte vom Land und den Kommunen gefördert. Da gingen zwischen 8 und 9 Millionen € rein. Etwa 30 hätten bisher ESF-Mittel über Jahrzehnte bekommen für die Stützlehrer, die anderen nicht. Die Liste der Jugendwerkstätten werde er im Nachgang dem Ausschuss zuschicken.

gez. Margret Voßeler Vorsitzende

2 Anlagen

09.06.2014/11.06.2015

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode

Drucksache 16/

15.04.2015

Datum des Originals: .2015/Ausgegeben:.2015

Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de

Änderungsantrag der Fraktion der CDU

zum Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädago-gen sowie Kindheitspädagoginnen und Kindheitspädagogen (Sozialberufe-Anerkennungsgesetz - SobAG)“ Drucksache 16/6224 I. Der Gesetzentwurf der Landesregierung wird wie folgt geändert:

1. Die Überschrift wird wie folgt neu gefasst: „Gesetz über die staatliche Anerkennung sozialpädagogischer und sozialpflegeri-scher Berufe im Land Nordrhein-Westfalen (Sozialberufe-Anerkennungsgesetz – SobAG)“

2. Eine Inhaltsübersicht wird in folgender Fassung eingefügt:

„Erster Abschnitt

Staatliche Anerkennung und Berufsbezeichnung

§ 1 Berufe mit Hochschulausbildung

§ 2 Berufsrechtliche Anerkennung von Studiengängen

§ 3 Berufsrechtliche Eignung eines Studienganges der Sozialen Arbeit

§ 4 Berufsrechtliche Eignung eines Studienganges der Kindheitspädagogik

§ 5 Berufsrechtliche Eignung eines Studienganges der Heilpädagogik

§ 6 Praxisphase und Praxisstellen

§ 7 Einbeziehung der Berufspraxis

§ 8 Berufe mit Fachschulausbildung

§ 9 Gleichstellung staatlicher Anerkennung

§ 10 Im Ausland erworbene Ausbildungs- und Befähigungsnachweise

Landtag Nordrhein-Westfalen - 53 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 1

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/

2

Zweiter Abschnitt

Weitere Bestimmungen

§ 11 Persönliche Eignung, Versagen, Rücknahme und Widerruf der

staatlichen Anerkennung

§ 12 Zuständige Behörde

§ 13 Übergangs- und Schlussvorschriften

§ 14 Verordnungsermächtigung

§ 15 Inkrafttreten“

3. § 1 wird wie folgt neu gefasst:

„§ 1 Berufe mit Hochschulausbildung (1) Wer einen Abschluss „Bachelor“ an einer staatlichen oder staatlich anerkann-

ten Hochschule im Land Nordrhein-Westfalen mit dem inhaltlichen Gegen-stand Soziale Arbeit erworben hat, erlangt damit die Berechtigung, die Berufs-bezeichnung „Staatlich anerkennte Sozialpädagogin“ oder „Staatlich aner-kannter Sozialpädagoge“, „Staatlich anerkannte Sozialarbeiterin“ oder „Staat-lich anerkannter Sozialarbeiter“ zu führen (staatliche Anerkennung). Beide Be-zeichnungen können auch gemeinsam verliehen werden.

(2) Wer einen Abschluss „Bachelor“ an einer staatlichen oder staatlich anerkann-

ten Hochschule im Land Nordrhein-Westfalen mit dem inhaltlichen Gegen-stand Kindheitspädagogik erworben hat, erlangt damit die Berechtigung, die Berufsbezeichnung „Staatlich anerkennte Kindheitspädagogin“ oder „Staatlich anerkannter Kindheitspädagoge“ zu führen (staatliche Anerkennung).

(3) Wer einen Abschluss „Bachelor“ an einer staatlichen oder staatlich anerkann-

ten Hochschule im Land Nordrhein-Westfalen mit dem inhaltlichen Gegen-stand Heilpädagogik erworben hat, erlangt damit die Berechtigung, die Be-rufsbezeichnung „Staatlich anerkennte Heilpädagogin“ oder „Staatlich aner-kannter Heilpädagoge“ zu führen (staatliche Anerkennung).

(4) Die staatliche Anerkennung wird von einer Hochschule mit einer eigenen Ur-

kunde ausgesprochen und berechtigt zum Führen der jeweiligen Berufsbe-zeichnung.“

4. § 2 wird wie folgt neu gefasst:

„§ 2 Berufsrechtliche Anerkennung von Studiengängen (1) Bachelor-Studiengänge werden in einem – eng mit der von der Akkreditie-

rungsagentur organisierten Begutachtung verbundenem - Zusatzverfahren geprüft, ob der Studiengang hinsichtlich seiner Qualität die Voraussetzungen dafür bietet, dass die Studierenden die fachlichen Anforderungen für die jewei-lige Praxis erfüllen. Mit dem Abschluss des Zusatzverfahrens erfolgt binnen drei Monate eine Feststellung über die berufsrechtliche Eignung des Studien-

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ganges. Die berufsrechtliche Eignung kann auf Antrag der Hochschule und für die Dauer von sieben Jahren festgestellt werden. Frühestens ein Jahr vor Ab-lauf der Frist nach Satz 3 kann eine Verlängerung für weitere sieben Jahre beantragt werden.

(1a) Die Verbindung der Verfahren setzt einen Antrag der jeweiligen Hochschule

voraus. (2) Grundlage für die Prüfung der berufsrechtlichen Anerkennung von Studien-

gängen im Zusatzverfahren zum Akkreditierungsverfahren nach § 7 Abs. 1 des Hochschulzukunftsgesetzes Nordrhein-Westfalen (HZG NRW) vom 16. September 2014 (GV.NRW.S. 543 ff.) ist

a) der Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit (QR SAR) in der jeweils gülti-

gen Fassung des Fachbereichstags Soziale Arbeit für Studiengänge der Sozialen Arbeit;

b) der Orientierungsrahmen Bildung und Erziehung in der Kindheit in der

jeweils gültigen Fassung der Jugend- und Familienministerkonferenz für Studiengänge der Kindheitspädagogik;

c) der Fachqualifikationsrahmen Heilpädagogik (FQR HP) in der jeweils

gültigen Fassung des Fachbereichstages Heilpädagogik für Studien-gänge der Heilpädagogik.

(3) Im Rahmen des Zusatzverfahrens ist ein von der fachlich zuständigen obers-

ten Landesbehörde benannter Vertreter der beruflichen Praxis für die jeweilige Fachrichtung durch die Akkreditierungsagenturen einzubeziehen.

(4) Das Zusatzverfahren zum Akkreditierungsverfahren muss zu dem Ergebnis

führen, dass das jeweilige Studienangebot die Entwicklung der erforderlichen Kernkompetenzen fördert und eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis gemäß § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 zum Gegenstand hat. Die Ent-scheidung über die berufsrechtliche Eignung erfolgt durch gesonderten Be-scheid des jeweils zuständigen Ministeriums gegenüber der Hochschule. Die-se Entscheidung berührt die von den Akkreditierungsagenturen zu treffende Entscheidung über die Akkreditierung eines Studienganges nicht.“

5. § 3 wird wie folgt neu gefasst:

㤠3 Berufsrechtliche Eignung eines Studienganges der Sozialen Arbeit (1) Die staatliche Anerkennung wird aufgrund eines Hochschulabschlusses in ei-

nem Studiengang der Sozialen Arbeit und der Absolvierung einer Praxisphase durch die Hochschule erteilt, soweit im Rahmen des Zusatzverfahrens zum Akkreditierungsverfahren gemäß § 2 festgestellt worden ist, dass der Studien-gang in Verbindung mit der Praxisphase eine vertiefte Eignung und Befähi-gung im Sinne des Abs. 2 zu eigenverantwortlicher Arbeit im Bereich der So-zialen Arbeit und der Sozialverwaltung vermittelt.

(2) Voraussetzung für die berufsrechtliche Eignung im Sinne des Abs. 1 ist es,

Landtag Nordrhein-Westfalen - 55 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 3

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a) dass eine Praxisphase, die studienintegriert oder postgradual im An-schluss an das Studium abgeleistet werden kann, mindestens 100 Ar-beitstage (oder 30 ECTS-Punkte) mit Erfolgsnachweis in einer aner-kannten Praxisstelle vorsieht;

b) das ausgewiesene Kenntnisse der relevanten deutschen Rechtsgebie-

te mit exemplarischer Vertiefung auf Landesebene vermittelt sowie der Erwerb administrativer Kompetenzen gefördert wird;

c) dass eine kritische Reflexion erworbenen Fachwissens unter den Be-

dingungen angeleiteter Praxis ermöglicht wird.“

6. § 4 wird wie folgt neu gefasst: „§ 4 Berufsrechtliche Eignung eines Studienganges der Kindheitspädagogik (1) Die staatliche Anerkennung wird aufgrund eines Hochschulabschlusses in ei-

nem Studiengang der Kindheitspädagogik und der Absolvierung einer Praxis-phase durch die Hochschule erteilt, soweit im Rahmen des Zusatzverfahrens zum Akkreditierungsverfahren gemäß § 2 festgestellt worden ist, dass der Studiengang in Verbindung mit der Praxisphase eine vertiefte Eignung und Befähigung im Sinne des Abs. 2 zu eigenverantwortlicher Arbeit im Bereich der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern bis zu 14 Jahren sowie der Begleitung und Unterstützung ihrer Familien vermittelt.

(2) Voraussetzung für die berufsrechtliche Eignung im Sinne des Abs. 1 ist es, a) dass eine Praxisphase, die studienintegriert oder postgradual im An-

schluss an das Studium abgeleistet werden kann, mindestens 100 Ar-beitstage (oder 30 ECTS-Punkte) mit Erfolgsnachweis in einer aner-kannten Praxisstelle vorsieht;

b) dass der Studiengang die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kin-

dern bis zu 14 Jahren zum Gegenstand hat und einen Schwerpunkt auf Kinder bis zum Alter von sechs Jahren setzt;

c) das ausgewiesene Kenntnisse der relevanten deutschen Rechtsgebie-

te mit exemplarischer Vertiefung auf Landesebene vermittelt sowie der Erwerb administrativer Kompetenzen gefördert wird;

d) dass eine kritische Reflexion erworbenen Fachwissens unter den Be-

dingungen angeleiteter Praxis ermöglicht wird.“

7. § 5 wird wie folgt neu gefasst: „§ 5 Berufsrechtliche Eignung eines Studienganges der Heilpädagogik (1) Die staatliche Anerkennung wird aufgrund eines Hochschulabschlusses in ei-

nem Studiengang der Heilpädagogik und der Absolvierung einer Praxisphase durch die Hochschule erteilt, soweit im Rahmen des Zusatzverfahrens zum Akkreditierungsverfahren gemäß § 2 festgestellt worden ist, dass der Studien-gang in Verbindung mit der Praxisphase eine vertiefte Eignung und Befähi-gung im Sinne des Abs. 2 zu eigenverantwortlicher Arbeit im Bereich der Heil-pädagogik zu vermitteln.

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(2) Voraussetzung für die berufsrechtliche Eignung im Sinne des Abs. 1 ist es,

a) dass eine Praxisphase, die studienintegriert oder postgradual im An-

schluss an das Studium abgeleistet werden kann, mindestens 100 Ar-beitstage (oder 30 ECTS-Punkte) mit Erfolgsnachweis in einer aner-kannten Praxisstelle vorsieht;

b) das ausgewiesene Kenntnisse der relevanten deutschen Rechtsgebie-

te mit exemplarischer Vertiefung auf Landesebene vermittelt sowie der Erwerb administrativer Kompetenzen gefördert wird;

c) dass eine kritische Reflexion erworbenen Fachwissens unter den Be-

dingungen angeleiteter Praxis ermöglicht wird.“

8. § 6 wird wie folgt neu gefasst: „§ 6 Praxisphase und Praxisstellen (1) Die Entscheidung über die Praxisphase als studienintegrierter oder als post-

gradualer Praxisanteil im Anschluss an das Studium trifft die Hochschule in ei-gener Verantwortung.

(2) Über die Eignung der Praxisstellen entscheidet die Hochschule. (2a) Voraussetzung für eine Anerkennung ist, dass in den Praxisstellen in ausrei-

chendem Umfang a) Tätigkeiten auf dem Gebiet der Sozialen Arbeit durchgeführt werden

und die fachliche Anleitung durch Personen mit einer staatlichen Aner-kennung nach § 1 Abs. 1 gesichert ist;

b) Tätigkeiten auf dem Gebiet der Jugendhilfe oder der Schule im Bereich

der pädagogischen Arbeit mit Kindern von bis zu 14 Jahren und ihren Familien stattfindet und die fachliche Anleitung durch Personen mit ei-ner staatlichen Anerkennung nach § 1 Abs. 2 gesichert ist;

c) Tätigkeiten auf dem Gebiet der Heilpädagogik stattfinden und die fach-

liche Anleitung durch Personen mit einer staatlichen Anerkennung nach § 1 Abs. 3 gesichert ist.

Es ist sicherzustellen, dass eine Freistellung der in der Praxisphase befindli-chen Personen für die Begleitveranstaltungen an der Hochschule erfolgt.

(3) In begründeten Ausnahmefällen können abweichend von Abs. 2a Satz 1 lit.

a - c auch sonstige vergleichbar qualifizierte Fachkräfte mit mindestens drei-jähriger einschlägiger Berufserfahrung von den Hochschulen für die Anleitung zugelassen werden.

(4) Die Hochschulen regeln das Nähere zur Durchführung der Praxisphase, zur

Anerkennung von Praxisstellen, zu Art, Inhalt und Umfang des Erfolgsnach-weises sowie zur Einbeziehung der Berufspraxis im Rahmen einer Anlage zur Hochschulprüfungsordnung.“

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9. § 7 wird wie folgt neu gefasst: „§ 7 Einbeziehung der Berufspraxis

Die Hochschulen stellen unter Einbeziehung von Vertreterinnen und Vertretern der Berufspraxis sicher,

1. dass Grundsatzfragen der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Be-

rufspraxis behandelt werden und

2. Anregungen zur Verbesserung der Praxisphase gegeben werden können.“

10. § 8 wird wie folgt neu gefasst: „§ 8 Berufe mit Fachschulausbildung (1) Wer den Ausbildungsgang Erzieherin oder Erzieher, Familienpfleger oder Fa-

milienpflegerin, Heilerziehungspflegerin oder Heilerziehungspfleger, Heilpäda-gogin oder Heilpädagoge an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Fachschule in Nordrhein-Westfalen erfolgreich abgeschlossen hat, erhält mit dem Abschlusszeugnis die Berechtigung, die Berufsbezeichnung „Staatlich anerkannte Erzieherin“ oder „Staatlich anerkannter Erzieher“, „Staatlich aner-kannte Familienpflegerin“ oder „Staatlich anerkannter Familienpfleger“, „Staat-lich anerkannte Heilerziehungspflegerin“ oder „Staatlich anerkannter Heiler-ziehungspfleger“, „Staatlich anerkannte Heilpädagogin“ oder „Staatlich aner-kannter Heilpädagoge“ zu führen.

(2) Voraussetzung für die staatliche Anerkennung ist, dass mit der Ausbildung ein

Berufspraktikum an einer geeigneten Praktikumsstelle nach den Vorgaben der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung in den Bildungsgängen des Be-rufskollegs des Landes Nordrhein-Westfalen in der jeweils geltenden Fassung abgeleistet wird.“

11. § 9 wird wie folgt neu gefasst:

„§ 9 Gleichstellung staatlicher Anerkennung Die in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland nach ähnlichen Vorausset-zungen staatlich anerkannten Berufsträger sind den nach diesem Gesetz staatlich anerkannten Berufsträgern gleichgestellt.“

12. Ein neuer § 10 wird in folgender Fassung eingefügt:

„§ 10 Im Ausland erworbene Ausbildungs- und Befähigungsnachweise (1) Für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen gilt das Anerken-

nungsgesetz Nordrhein-Westfalen in der jeweils geltenden Fassung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4.

(2) Die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung nach § 1 Abs. 1 bis 3

oder nach § 8 Abs. 1 und zum Ausüben eines nach diesem Gesetz staatlich reglementierten Berufes wird erteilt, wenn die ausländische Berufsqualifikation gemäß Teil 2, Kapitel 2 des Anerkennungsgesetzes Nordrhein-Westfalen ent-sprechend anerkannt ist. Bachelor-Absolventen von Hochschulen im europäi-

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schen Ausland können die staatliche Anerkennung erhalten, wenn sie von ih-rer Hochschule einen Nachweis erbringen, der bescheinigt, dass die inhaltli-chen Voraussetzungen des jeweiligen Studienganges gemäß § 2 Absatz 2 dieses Gesetzes erfüllt sind. Die Feststellung der Gleichwertigkeit erfolgt im Verfahren zur Erteilung der staatlichen Anerkennung.

(3) Die antragstellende Person hat zum Nachweis ihrer persönlichen Eignung im

Sinne des § 11 Abs. 1 und 2 eine von der zuständigen Behörde des Her-kunftsstaates ausgestellte Bescheinigung oder einen von einer solchen Be-hörde ausgestellten Strafregisterauszug, oder wenn ein solcher nicht beige-bracht werden kann, einen gleichwertigen Nachweis vorzulegen. Wurde der Beruf im Herkunftsstaat bereits ausgeübt, so kann die gemäß Anerkennungs-gesetz Nordrhein-Westfalen zuständige Behörde bei der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates Auskünfte über etwa verhängte Strafen oder sonstige berufs- oder strafrechtliche Maßnahmen wegen schwerwiegenden standes-widrigen Verhaltens oder strafbarer Handlungen, die die Ausübung des Beru-fes betreffen, einholen.

(4) Wer auf den in diesem Gesetz genannten Gebieten einen reglementierten Be-

ruf ausübt, muss über die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen.“

13. Ein neuer § 11 wird in folgender Fassung eingefügt:

„§ 11 Persönliche Eignung, Versagen, Rücknahme und Widerruf der

staatlichen Anerkennung (1) Persönlich geeignet ist, wer für die eine Tätigkeit in dem reglementierten Beruf

nach diesem Gesetz die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt und sich nicht ei-nes Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes ergibt.

(2) Bei fehlender persönlicher Eignung im Sinne des § 72a des Achten Sozialge-

setzbuches – Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2002 (BGBl. S. 2022), das zuletzt durch Artikel 1 des Ge-setzes vom 29. August 2013 (BGBl. S. 3464) geändert worden ist, ist die staatliche Anerkennung zu versagen.

(3) Zum Zeitpunkt des Abschlusses ist der Hochschule bzw. der Fachschule ein

polizeiliches Führungszeugnis gemäß § 72a des Achten Sozialgesetzbuches – Kinder- und Jugendhilfe - in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Sep-tember 2002 (BGBl. S. 2022), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. August 2013 (BGBl. S. 3464) geändert worden ist, vorzulegen. Die Hoch-schule bzw. die Fachschule versagt die staatliche Anerkennung, wenn das po-lizeiliche Führungszeugnis nicht vorgelegt wird oder Verurteilungen wegen Straftaten im Sinne des Abs. 2 eingetragen sind.

(4) Die staatliche Anerkennung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt

wird, dass die fachlichen und/oder persönlichen Voraussetzungen bei der An-erkennung nicht vorgelegen haben oder ein Versagensgrund nach Abs. 2 vor-gelegen hat. Die Rücknahme tritt auch dann ein, wenn der Abschluss, auf-grund dessen die staatliche Anerkennung erteilt wurde, aberkannt wird.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 59 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 7

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/

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(5) Die staatliche Anerkennung ist zu widerrufen, wenn sich die Inhaberin bzw. der Inhaber durch ihr bzw. sein späteres Verhalten der Führung der Berufsbe-zeichnung wegen einer rechtskräftigen Verurteilung aufgrund von Straftaten im Sinne des Abs. 2 für die Wahrnehmung von Aufgaben im Sinne dieses Ge-setzes als unwürdig erwiesen hat.

(5) Die Urkunde über die staatliche Anerkennung ist in den Fällen des Abs. 4 und

5 durch die ausstellende Stelle einzuziehen. (6) Die Vorschriften über die Rücknahme oder den Widerruf nach dem Verwal-

tungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999 (GV. NRW. S. 602) in der jeweili-gen Fassung bleiben unberührt.“

14. Ein neuer § 12 wird in folgender Fassung eingefügt:

„§ 12 Zuständige Behörde Zuständige Behörde für die Durchführung dieses Gesetzes ist die für die in diesem Gesetz genannten Berufe jeweils zuständige oberste Landesbehörde.“

15. Ein neuer § 13 wird in folgender Fassung eingefügt:

„§ 13 Übergangs- und Schlussvorschriften (1) In Studiengängen mit dem inhaltlichen Gegenstand der Sozialen Arbeit behal-

ten Hochschulen, die bislang nach hochschuleigenen Ordnungen eine staatli-che Anerkennung ausgesprochen haben, dieses Recht für diejenigen Studi-engänge, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes akkreditiert sind, bis zum Ablauf der Akkreditierungsfrist; die berufsrechtliche Eignung dieser Studiengänge gilt für diesen Zeitraum als festgestellt.

(2) In Studiengängen mit dem inhaltlichen Gegenstand der Kindheitspädagogik

erhalten alle Absolventinnen und Absolventen der nach diesem Gesetz aner-kannten Studiengänge und der im Wesentlichen inhaltsgleichen vorangegan-genen Studiengänge im Rahmen der Gleichstellung ein Recht auf Feststellung der staatlichen Anerkennung gegenüber ihrer ehemaligen Hochschule. Das für Kinder und Jugend zuständige Ministerium stellt auf Antrag der Hochschule, sonst auf Antrag der Absolventinnen und Absolventen, die hiervon betroffenen Studiengänge gemäß § 2 fest.

(3) In Studiengängen mit dem inhaltlichen Gegenstand der Heilpädagogik erhal-

ten alle Absolventinnen und Absolventen der nach diesem Gesetz anerkann-ten Studiengänge und der im Wesentlichen inhaltsgleichen vorangegangenen Studiengänge im Rahmen der Gleichstellung ein Recht auf Feststellung der staatlichen Anerkennung gegenüber ihrer ehemaligen Hochschule. Das für Kinder und Jugend zuständige Ministerium stellt auf Antrag der Hochschule, sonst auf Antrag der Absolventinnen und Absolventen, die hiervon betroffenen Studiengänge gemäß § 2 fest.

(4) Staatliche Anerkennungen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in Nord-

rhein-Westfalen erteilt worden sind, stehen den Anerkennungen nach diesem Gesetz gleich.“

Landtag Nordrhein-Westfalen - 60 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 8

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/

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16. Ein neuer § 14 wird in folgender Fassung eingefügt:

„§ 14 Verordnungsermächtigung Das für Kinder und Jugend zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsver-ordnung im Einvernehmen mit dem Landtag die Prüfung eines Studienganges auf seine berufsrechtliche Eignung einschließlich der Zulassung von Zusatzqualifikatio-nen im Bereich der Sozialen Arbeit, der Kindheitspädagogik und der Heilpädagogik gemäß der §§ 1 bis 5 zu regeln.“

17. Ein neuer § 15 wird in folgender Fassung eingefügt:

„§ 15 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündigung in Kraft. (2) Die Landesregierung berichtet dem Landtag erstmalig bis zum 31. Dezember

2024 und danach alle zehn Jahre über die Erfahrungen mit diesem Gesetz.“

Landtag Nordrhein-Westfalen - 61 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 9

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II. Begründung A. Allgemein Es soll eine einheitliche Rechtsgrundlage für die staatliche Anerkennung von reglementierten Berufen im Bereich der sozialpädagogischen und der sozialpflegerischen Berufe in Nord-rhein-Westfalen geschaffen werden. Die Änderungen zum Gesetzentwurf greifen die unter-schiedlichen Ausbildungswege in unserem Land auf und führen zu einem einheitlich an-wendbaren Rechtsrahmen. Die Beschlüsse der Jugend- und Familienministerkonferenz aus früheren Jahren sowie der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2008 zur Beteiligung Dritter an Ak-kreditierungsverfahren werden mit den Änderungen zum Gesetzentwurf umgesetzt. Ferner werden die unterschiedlichen Anforderungen Dritter an einem ungehinderten Berufs-zugang und -ausübung in Nordrhein-Westfalen berücksichtigt. Während einerseits ein ein-heitlicher Rechtsrahmen für das Land zu schaffen ist, ist gleichermaßen sicherzustellen, dass vergleichbare Qualifikationen, die in anderen Ländern außerhalb Nordrhein-Westfalens erworben wurden, zur Anerkennung gelangen. Eine dritte Ebene betrifft erworbene Qualifika-tionen in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, deren Voraussetzungen für eine Gleich-stellung der Abschlüsse und damit den Berufszugang in Nordrhein-Westfalen. B. Zu den Vorschriften im Einzelnen zu § 1 § 1 regelt grundsätzlich die staatliche Anerkennung von Berufen mit Hochschulausbildung in den Studiengängen der Sozialen Arbeit, der Kindheitspädagogik und der Heilpädagogik für Absolventen eines Bachelor-Studienganges. Ein erfolgreich beendetes Studium in diesen Bereichen führt zugleich zur staatlichen Anerkennung als Berufsträgerin bzw. Berufsträger durch die jeweilige Hochschule, sofern der jeweilige Studiengang über eine berufsrechtliche Anerkennung gemäß § 2 verfügt. zu § 2 zu Absatz 1 und Absatz 1a § 2 Absatz 1 sieht eine organisatorische Verbindung eines Akkreditierungsverfahrens mit ei-nem Verfahren über die berufszulassungsrechtliche Eignung eines Studienganges im Rah-men eines Zusatzverfahrens vor. Gemäß Beschlussfassung der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2008 („Beteiligung Dritter an Akkreditierungsverfahren“) handelt es sich bei dem Akkreditierungsverfahren und der Feststellung der berufsrechtlichen Eignung eines Studienganges um rechtlich getrennte Entscheidungen. Ferner wird – im Sinne der Rechtssicherheit für die Hochschulen – geregelt, dass über die berufsrechtliche Zulassung eines Studienganges binnen drei Monaten nach Abschluss des Verfahrens zu entscheiden ist. Die berufsrechtliche Eignung des Studienganges kann für die Dauer von sieben Jahren festgestellt werden. Darüber hinaus enthält § 2 Absatz 1 eine Re-gelung über die Verlängerung der Feststellung der berufsrechtlichen Eignung eines Studien-ganges.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 62 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 10

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§ 2 Absatz 1a sieht vor, dass das in § 2 Absatz 1 genannte Akkreditierungsverfahren und das Verfahren über die Feststellung der berufsrechtlichen Eignung des Studienganges auf Antrag durch die Hochschule organisatorisch verbunden werden kann. Hierdurch wird dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2008 („Beteiligung Dritter an Akkre-ditierungsverfahren“) Rechnung getragen. zu Absatz 2 § 2 Absatz 2 regelt, dass für die Prüfung der berufsrechtlichen Eignung eines Studienganges im Zusatzverfahren bestimmte Qualitätsanforderungen grundsätzlich zu erfüllen sind. § 2 Absatz 2 lit a. berücksichtigt dabei die Beschlussfassung der Jugend- und Familienminis-terkonferenz vom 29./30. Mai 2008: Für einen Studiengang der Sozialen Arbeit wird damit der Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit (QR SAR) als geeignete Grundlage für die Prüfung der Vorlage der qualitativen Voraussetzungen im Sinne der berufsrechtlichen Eignung ange-sehen (Ziff. 3 des genannten Beschlusses). § 2 Absatz 2 lit b. bestimmt, dass der Orientierungsrahmen Bildung und Erziehung gemäß Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz vom 26./27. Mai 2011 eine geeignete Grundlage für die Gestaltung des Berufszuganges in Studiengängen der Kindheitspädagogik darstellt (Ziff. 3 des genannten Beschlusses). § 2 Absatz 2 lit. c sieht vor, dass der in der Zwischenzeit verabschiedete Fachqualifikations-rahmen Heilpädagogik (FGQ HP) die Prüfungsgrundlage für die berufsrechtliche Eignung ei-nes Studienganges der Heilpädagogik bildet. Berufsqualifikationen reglementierter Berufe müssen im Hinblick auf ihren Ausbildungsstand - bezogen auf Niveau, Struktur und Inhalt - festgelegten Mindeststandards genügen, wenn der Zugang zum Beruf gewährt werden soll. Durch die Bestimmung der genannten fachli-chen Rahmen wird sichergestellt, dass die jeweiligen Studiengänge eine qualitativ hochwer-tige Ausbildung für die künftigen Berufsträgerinnen und Berufsträger gewährleisten. zu Absatz 3 § 2 Absatz 3 sieht eine Beteiligung von Vertretern der jeweiligen beruflichen Praxis im Rah-men des Zusatzverfahrens vor. Damit wird dem Beschluss des Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2008 („Beteiligung Dritter an Akkreditierungsverfahren“) Rechnung getragen. zu Absatz 4 Gemäß Ziffer 3 d des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2008 er-folgt die Entscheidung über die berufsrechtliche Eignung eines Studienganges durch geson-derten Bescheid der jeweils zuständigen Stelle gegenüber der Hochschule. § 2 Absatz 4 nimmt diese Beschlussfassung auf und überführt diese in nordrhein-westfälisches Recht. Der letzte Satz stellt klar, dass die Entscheidung über die berufsrechtliche Eignung eines Studienganges rechtlich getrennt von der Entscheidung der Akkreditierungsagentur im Ak-kreditierungsverfahren zu betrachten ist.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 63 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 11

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zu § 3 § 3 regelt die staatliche Anerkennung für ein erfolgreiches beendetes Studium in einem Stu-diengang der Sozialen Arbeit unter Berücksichtigung des Absolvierens einer Praxisphase. Die in § 3 enthaltenen Ausführungen nehmen die Beschlussfassung der Jugend- und Famili-enministerkonferenz vom 29./30. Mai 2008 inhaltlich auf. Die Praxisphase kann entweder studienintegriert oder postgradual im Anschluss an das Studium abgeleistet werden und muss mindestens 100 Arbeitstage (oder 30 ECTS-Punkte) umfassen. Über die Ausgestal-tung der Praxisphase entscheidet die Hochschule selbständig (vgl. Ausführungen zu § 6 des Gesetzentwurfes). Grundsätzlich gilt, dass die Hochschule einen geringeren zeitlichen Umfang des Praxisan-teils unter Berücksichtigung von beruflichen Vorerfahrungen des Studierenden auf Basis des geltenden Rechts festsetzen kann. zu § 4 § 4 regelt die staatliche Anerkennung für ein erfolgreiches beendetes Studium in einem Stu-diengang der Kindheitspädagogik unter Berücksichtigung des Absolvierens einer Praxispha-se. Die in § 4 enthaltenen Ausführungen nehmen die Beschlussfassung der Jugend- und Familienministerkonferenz vom 26./27. Mai 2011 inhaltlich auf. Die Praxisphase kann entwe-der studienintegriert oder postgradual im Anschluss an das Studium abgeleistet werden und muss mindestens 100 Arbeitstage (oder 30 ECTS-Punkte) umfassen. Über die Ausgestal-tung der Praxisphase entscheidet die Hochschule selbständig (vgl. Ausführungen zu § 6 des Gesetzentwurfes). Die Ausführungen in § 4 Absatz 1 sowie Absatz 2b berücksichtigen die besonderen Anforde-rungen an die Absolventen eines Studienganges in der Kindheitspädagogik. Grundsätzlich gilt, dass die Hochschule einen geringeren zeitlichen Umfang des Praxisanteils unter Be-rücksichtigung von beruflichen Vorerfahrungen des Studierenden auf Basis des geltenden Rechts festsetzen kann. zu § 5 § 5 regelt die staatliche Anerkennung für ein erfolgreiches beendetes Studium in einem Stu-diengang der Heilpädagogik unter Berücksichtigung des Absolvierens einer Praxisphase. Die in § 5 enthaltenen Ausführungen stellen eine Weiterentwicklung der bisherigen Beschluss-fassungen der Jugend- und Familienministerkonferenzen aus den Jahren 2008 und 2011 dar. Die Praxisphase kann entweder studienintegriert oder postgradual im Anschluss an das Studium abgeleistet werden und muss mindestens 100 Arbeitstage (oder 30 ECTS-Punkte) umfassen. Über die Ausgestaltung der Praxisphase entscheidet die Hochschule selbständig (vgl. Ausführungen zu § 6 des Gesetzentwurfes). Grundsätzlich gilt, dass die Hochschule einen geringeren zeitlichen Umfang des Praxisan-teils unter Berücksichtigung von beruflichen Vorerfahrungen des Studierenden auf Basis des geltenden Rechts festsetzen kann. zu § 6 Ob eine Hochschule die geforderte Praxisphase studienintegriert oder postgradual im An-schluss an das Studium den Studierenden ermöglicht, liegt im Ermessen der jeweiligen Hochschule. (§ 6 Absatz 1). Sie hat im Rahmen ihrer jeweiligen Hochschulprüfungsordnung Näheres zur Durchführung der Praxisphase und anderes zu bestimmen (§ 6 Absatz 4).

Landtag Nordrhein-Westfalen - 64 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 12

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/

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Diese hat ferner über die Eignung der jeweiligen Praxisstelle zu entscheiden (§ 6 Absatz 2). Voraussetzung für eine Anerkennung einer Praxisstelle ist es, dass die fachliche Anleitung durch Personen erfolgt, die selbst Berufsträger in dem jeweiligen Fachgebiet sind. Hierdurch soll eine qualitativ hochwertige praktische Ausbildung im Rahmen des Studiums gewährleis-tet werden (§ 6 Absatz 2a). Studierende, die sich in einer Praxisphase befinden, sind von Begleitveranstaltungen an der Hochschule freizustellen. Sofern keine geeigneten Berufsträger für die Anleitung im Rahmen von Praxisphasen zur Verfügung stehen, können in begründeten Ausnahmefällen vergleichbar qualifizierte Fach-kräfte die Anleitung übernehmen. Dieser Ausnahmetatbestand berücksichtigt regionale Un-terschiede bei der Ist-Besetzung von Praxisstellen und stellt – im Falle nicht vorhandener Be-rufsträger in den jeweiligen einzelnen Fachrichtungen – sicher, dass der Praxisanteil den-noch auf einem qualitativ hochwertigen Niveau stattfinden kann. zu § 7 Im Zusammenhang mit der Gestaltung der Praxisphase und der Weiterentwicklung der Lehre haben Hochschulen für die Studiengänge der Sozialen Arbeit, der Kindheitspädagogik und der Heilpädagogik sicherzustellen, dass Vertreter der Berufspraxis einbezogen werden und im Sinne der Studierenden eine Zusammenarbeit erfolgt. Die Ausgestaltung liegt in der Ver-antwortung der jeweiligen Hochschule. An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass die Hochschulen selbst ein hohes Interesse an der Zusammenarbeit mit der Berufspraxis haben, so dass von Detailvorgaben in Bezug auf den Einbeziehungsprozess bzw. Vorgaben zur Zusammenarbeit verzichtet wird. zu § 8 Die in § 8 genannten Berufe mit fachschulischer Ausbildung führen ebenfalls zu einer staatli-chen Anerkennung als Berufsträger. Um die Bedeutung der fachschulischen Ausbildung in den genannten reglementierten Berufen nicht hinter den Berufen mit hochschulischer Ausbil-dung zurücktreten zu lassen, werden die genannten Berufe und deren Ausbildungsanforde-rungen unter Verweis auf die einschlägigen Vorschriften mit in den Gesetzentwurf „Sozialbe-rufe-Anerkennungsgesetz“ aufgenommen. Damit erhält Nordrhein-Westfalen ein modernes Sozialberufe-Anerkennungsgesetz, welches umfassend die staatliche Anerkennung von sozialpädagogischen und sozialpflegerischen Berufen in unserem Land regelt. Grundsätzlich gilt, dass die Hochschule unter Berücksichtigung von beruflichen Vorerfahrun-gen – zum Beispiel über das erfolgreiche Beenden einer fachschulischen Ausbildung im Sin-ne des § 8 – im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Studienganges der Sozialen Arbeit, der Kindheitspädagogik oder der Heilpädagogik einen geringeren zeitlichen Umfang des Praxisanteils auf Basis des geltenden Rechts festsetzen kann. zu § 9 § 9 stellt sicher, dass die in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland staatlich an-erkannten Berufsträger im Sinne dieses Gesetzes auch in Nordrhein-Westfalen ungehindert den Zugang zum jeweiligen Beruf haben und somit gleichgestellt sind.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 65 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 13

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/

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zu § 10 Die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sieht vor, dass Personen, die ihre Berufsqualifikation in einem Mitgliedstaat erworben haben, Garantien hinsichtlich des Zu-gangs zu demselben Beruf und seiner Ausübung in einem anderen Mitgliedstaat unter den-selben Voraussetzungen wie Inländer haben. Innerhalb der Richtlinie werden Vorschriften festgelegt, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft, erworbene Berufsqualifikationen eines anderen Mitgliedstaates anzuerkennen hat. Da innerhalb der Bundesrepublik Deutschland die Länder für die Anerkennung bestimmter reglementierter Berufe zuständig sind, ist innerhalb des Gesetzentwurfes dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Person mit einschlägigen Berufsqualifikationen im Sinne die-ses Gesetzes, Berufsträger in Nordrhein-Westfalen werden kann. Vom Grundsatz her gilt das Anerkennungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in seiner jeweils gültigen Fassung (§ 10 Absatz 1 und Absatz 2). § 10 Absatz 2 legt fest, dass Ba-chelor-Absolventen von Hochschulen im europäischen Ausland die staatliche Anerkennung erhalten können, wenn sie von ihrer Hochschule einen Nachweis erbringen, der bescheinigt, dass die inhaltlichen Voraussetzungen des jeweiligen Studienganges gemäß § 2 Absatz 2 dieses Gesetzes erfüllt sind: Mithin also die jeweiligen Studiengänge grundsätzlich den An-forderungen des QR SAR oder des Orientierungsrahmens Bildung und Erziehung oder des FQR HP genügen. Um die persönliche Eignung der antragstellenden Person sicherstellen zu können, sieht § 10 Absatz 3 die Vorlage bestimmter Nachweise bzw. Auskunftsrechte der zuständigen Behörde gegenüber der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates vor. Hierdurch wird eine rechtli-che Gleichbehandlung von In- und Ausländern im Rahmen des Berufszuganges zu einem reglementierten Beruf im Sinne dieses Gesetzes hergestellt. zu § 11 Für die genannten sozialpädagogischen und sozialpflegerischen Berufe erfolgt die Regle-mentierung über die Erteilung der staatlichen Anerkennung nach erfolgreich absolvierter Fachschul- bzw. Hochschulausbildung. Sie gilt seit jeher als Ausdruck für fachliche Eignung und Professionalität und gibt den Anstellungsträgern die formale Sicherheit, dass die für die Ausübung des Berufs erforderliche Qualifikation erworben worden sind. Im Rahmen des Akkreditierungs- und des Zusatzverfahrens werden die formalen Eignungen eines Studienganges geprüft. Über die persönliche Eignung eines künftigen Berufsträgers sagt dies jedoch nichts aus. § 11 regelt daher die Inhalte der persönlichen Eignung, ver-knüpft Inhalte des SGB VIII mit dem Landesrecht und bestimmt unter welchen Vorausset-zungen die staatliche Anerkennung zu versagen, zurückzunehmen oder zu widerrufen ist. zu § 12 Für die Durchführung dieses Gesetzes ist das für Kinder und Jugend zuständige Ministerium oberste Landesbehörde.

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/

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zu § 13 § 13 Absatz 1 legt fest, dass die Hochschulen, die bisher staatliche Anerkennungen in Studi-engängen der Sozialen Arbeit ausgesprochen haben, dieses Recht für die akkreditierten Studiengänge bis zum Ablauf der Akkreditierungsfrist beibehalten. Die berufsrechtliche Eig-nung dieser Studiengänge gilt für diesen Zeitraum als festgestellt. § 13 Absatz 2 und Absatz 3 regeln, dass Absolventen der Studiengänge der Kindheitspäda-gogik und der Heilpädagogik ein Recht auf Feststellung der staatlichen Anerkennung gegen-über ihrer ehemaligen Hochschule erhalten. Das für Kinder und Jugend zuständige Ministe-rium stellt die hiervon betroffenen Studiengänge im Sinne von § 2 fest. Staatliche Anerkennungen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgesprochen wor-den sind, behalten ihre Gültigkeit und sind damit Anerkennungen nach diesem Gesetz gleichgestellt. zu § 14 Um eine Rechtssicherheit für die Hochschulen im Rahmen des Zusatzverfahrens zur Erlan-gung der berufsrechtlichen Eignung eines Studienganges zu erreichen, wird die zuständige oberste Landesbehörde ermächtigt, eine Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Land-tag zur Ausgestaltung der §§ 1 bis 5 dieses Gesetzes auf den Weg zu bringen. zu § 15 § 15 regelt das Inkrafttreten und die Berichtspflichten gegenüber dem Landtag.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 67 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 15

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LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/

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_____________________ Armin Laschet _________________________ Lutz Lienenkämper _________________________ Christina Schulze Föcking _________________________ Bernhard Tenhumberg _________________________ Ina Scharrenbach und Fraktion

Landtag Nordrhein-Westfalen - 68 - APr 16/884Anlage zu TOP 1, Seite 16

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Bernhard Tenhumberg MdL Sprecher des Arbeitskreises Familie, Kinder und Jugend 16. März 2015

An die Vorsitzende des Ausschusses Familie, Kinder und Jugend Frau Margret Voßeler MdL - per E-Mail - nachrichtlich Herrn Ausschussassistenten Symalla

Beantragung von Tagesordnungspunkten

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, im Namen der CDU-Landtagsfraktion beantrage ich für die nächste Sitzung des Ausschusses Familie, Kinder und Jugend am 23. April 2015 folgende Tagesordnungspunkte:

Bilingual-bikulturelle Kindertageseinrichtungen in Grenzregionen Wir bitten die Landesregierung schriftlich zu berichten, ob und welche konkreten Konzepte bzw. Möglichkeiten grenzüberschreitender Zusammenarbeit im Rahmen der Kindertages-betreuung existent sind.

Bericht des „Effizienzteams“ – Kürzungen im Kitabereich Im Bericht ist u.a. von Einsparungen bzw. Kürzungen für Kitas (8,7 Mio. Euro) sowie bei der Mittagsverpflegung von Kindern (2,5 Mio. Euro) die Rede. Wir bitten die Landesregierung um schriftlichen Bericht hierzu.

U3-Betreuungsquote in NRW – Bericht des Statistischen Bundesamtes i.V.m. einem Bericht der Landesregierung zu den U3-Anmeldezahlen lt. KiBiz.web Die Statistiker haben Nordrhein-Westfalen mit einer U 3-Betreuungsquote von 23,8 Prozent erneut als Schlusslicht eingeordnet. Wir bitten um Hinzuziehung/Einladung eines Vertreters des Statistischen Bundesamtes in den Ausschuss, um über die Entwicklung der U3-Betreuungsquoten (insb. in NRW) sowie die Erhebungsmethodik und die bundesweite Vergleichbarkeit der statistisch dargelegten Werte zu berichten. In Verbindung damit bitten wir die Landesregierung über die landesseitig gemeldeten U3-Quoten zu berichten und von den Werten der Bundesstatistik abzugrenzen.

Mit freundlichen Grüßen

Bernhard Tenhumberg

Landtag Nordrhein-Westfalen - 69 - APr 16/884Anlage zu TOP 5, 6 + 7