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Ursula Wyss oder Alec von Graf- fenried – wer eignet sich besser als Stadtoberhaupt? Wir massen uns nicht an, darauf eine Ant- wort geben zu können. Doch wir wollen in einem sechsteiligen Stapi-Check die beiden Kandida- ten auf die wichtigsten Kriterien zur Befähigung fürs Stadtpräsi- dium durchleuchten. Heute Teil 2: Führungsstärke Die Gesundheits- und Fürsor- gedirektion (GEF) gibt im Be- hindertenbereich jährlich rund 300 Millionen Franken aus. Steuerung und Kontrolle lassen jedoch seit Jahren zu wünschen übrig. Das Behindertenamt stand deswegen sogar unter verschärfter Aufsicht der Fi- nanzkontrolle. Mit dem Wech- sel von der Objekt- zur Subjekt- finanzierung will der Kanton diese Missstände beheben und das schweizerische Behinder- tengleichstellungsgesetz um- setzen. Zudem sollen auch Vorgaben der UNO-Behinder- tenrechtskonvention erfüllt werden. Der Systemwechsel wurde 2007 vom Grossen Rat beschlossen. Das Ziel dabei ist klar: Menschen mit einer Be- hinderung sollen eine freie Wahl der Lebensform haben. Künftig erhalten die An- spruchsberechtigten ein indivi- duelles Budget zugesprochen. Im Gegensatz dazu finanziert der Kanton heute die Heime und Werkstätten mit Pauschal- beträgen – unabhängig vom Grad der Behinderung. Grosses Interesse Um das Budget zu berechnen, hat der Kanton das System Vi- bel entwickelt. Eine solche Ab- klärung dauert eine bis zwei Stunden und kostet rund 850 Franken. Vor Ort wird der Be- treuungsbedarf in den Berei- chen Kommunikation, Woh- nen, Freizeit und gesellschaft- liche Teilhabe, Arbeit sowie Kindererziehung ermittelt. Die Menschen mit Behinderung werden in die Abklärung mit- einbezogen und erhalten eine Kostengutsprache. Sie oder ihre Beistände können selber entscheiden, wie sie leben und arbeiten wollen: ob in einem Heim, einer Wohngruppe oder allein mit externer Betreuung. Um die Auswirkungen der neuen Finanzierung zu testen, wurde Anfang Jahr ein Pilot- projekt gestartet. Daran beteili- gen sich 15 Personen, die selbstständig wohnen, sowie 65 Personen aus zwei Heimen in Uetendorf und Oberhofen. An- fang 2017 startet der Kanton den zweiten Pilotversuch mit weiteren 500 Personen, 2018 folgt Versuch Nummer 3 mit 1000 Personen. Alle Plätze der Pilotversuche seien bereits aus- gebucht, sagt Claus Detreköy, Leiter Abteilung erwachsene Behinderte bei der GEF. Vo- raussichtlich 2020 erfolgen dann die flächendeckende Um- setzung und die Verankerung des neuen Systems im Sozial- hilfegesetz. Die meisten warten ab Mit dem Wechsel zur Subjektfi- nanzierung gehört der Kanton Bern zu den Ausnahmen in der Schweiz. Nur die beiden Basel und der Kanton Zug wollen die Finanzierung ebenfalls umstel- len. In den anderen Kantonen wird vorerst abgewartet. Der Grund liegt beim Bund. Das Eidgenössische Departement des Inneren hat für Anfang 2017 einen Bericht zur Umset- zung der UNO-Behinderten- rechtskonvention angekündigt. Gestützt auf diesen Bericht wollen die Kantone analysie- ren, wo Handlungsbedarf be- steht und ob ein Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinan- zierung verlangt wird. In den beiden Basel steht dieser Schritt auf den 1. Januar 2017 an. Ursprünglich wollte Basel die Subjektfinanzierung zusammen mit Bern umsetzen und hat sich an der Entwick- lung von Vibel beteiligt. Die beiden Basel stiegen Anfang 2013 jedoch aus dem Projekt aus – weil sie die Kosten und den Aufwand fürchteten. Mitt- lerweile haben sie sich für ein anderes Abklärungssystem ent- schieden, das bereits in Deutschland zur Anwendung kommt. Für Aussenstehende seien die Systeme aber ver- gleichbar, sagt Christoph Fen- ner, Leiter der Abteilung Be- hindertenhilfe Basel-Stadt. Das Basler Modell sei jedoch weni- ger detailliert als Vibel. Im Kanton Zug ist man weni- ger weit. Die Regierung hat erst kürzlich beschlossen, innert drei Jahren einen Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinan- zierung zu erarbeiten. Für wel- ches System sich Zug entschei- den wird, ist noch offen. mab Der Kanton Bern gehört zu den wenigen Kantonen, die von der Objekt- zur Subjektfinan- zierung wechseln. Nur so kön- ne die Wahlfreiheit für Men- schen mit Behinderung er- möglicht werden, heisst es. Somalier in Genf verhaftet Gemeinsame Vorgeschichte TÖTUNG Der Verdacht scheint sich zu erhärten. Beim Verhaf- teten im Fall der Tötung beim Henkerbrünnli in Bern handelt es sich um einen Somalier. Er flüchtete bis nach Genf. BEHINDERTENPOLITIK KANTON BERN Korrekturbedarf vorhanden Von einem Stadtoberhaupt ist Führung mit Gefühl gefragt Beide mit Führungserfahrung Politische Führung ist anders Ein gutes Gespür ist wichtig Der «Raumfüllungsgrad» Reiseleiter Tschäppät STADT BERN Der BZ-Stapi-Check, Teil 2: Wie führungsstark muss das Stadtoberhaupt von Bern sein? Als Stapi führe man nicht im klassischen Sinn, sagt Führungscoach Hubert Bienz. «Man muss als Leader vorangehen können und gleichzeitig eine Integrationsfigur sein.» 15. Januar 2017 Mehrkosten befürchtet Überfordert mit neuer Rolle Chance für Oliana Ly Die neu gewonnene Freiheit hat eine Kehrseite Als erster Kanton in der Schweiz verteilt Bern seit An- fang Jahr in einem Pilotprojekt kein Geld mehr an die Heime für Menschen mit Behinde- rung, sondern an die Personen selbst. Eine erste Bilanz zeigt, dass noch Korrekturbedarf besteht. Nur vier Kantone wollen Behinderte direkt finanzieren Oliana und Daniel Ly sind beide gehörlos und verständigen sich über die Gebärdensprache. Urs Baumann Alec von Graffenried Urs Baumann Ursula Wyss Urs Baumann Mehr Zeit notwendig Es begann vor einem Jahr Dritte Vernehmlassung? KANTON BERN Die Revision des Sozialhilfegesetzes ver- zögert sich ein drittes Mal. Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) will die Vorlage «grundlegend überarbeiten». Pierre Alain Schnegg (SVP) Samstag, 10. Dezember 2016 Bern 3

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Dokument:/Production/BZ/BZ/Pages/ST-StadtBern/2016-12-10/ST-002-Bern-unecht.pgl BZ/ST ... 10.12.2016Autor:marius.aschwanden Datum:12.12.2016 09:32:00

Ursula Wyss oder Alec von Graf-fenried – wer eignet sich besser als Stadtoberhaupt? Wir massen uns nicht an, darauf eine Ant-wort geben zu können. Doch wir wollen in einem sechsteiligen Stapi-Check die beiden Kandida-ten auf die wichtigsten Kriterien zur Befähigung fürs Stadtpräsi-dium durchleuchten. Heute Teil 2: Führungsstärke

Die Gesundheits- und Fürsor-gedirektion (GEF) gibt im Be-hindertenbereich jährlich rund 300 Millionen Franken aus. Steuerung und Kontrolle lassen jedoch seit Jahren zu wünschen übrig. Das Behindertenamt stand deswegen sogar unter verschärfter Aufsicht der Fi-nanzkontrolle. Mit dem Wech-sel von der Objekt- zur Subjekt-finanzierung will der Kanton diese Missstände beheben und das schweizerische Behinder-tengleichstellungsgesetz um-setzen. Zudem sollen auch Vorgaben der UNO-Behinder-tenrechtskonvention erfüllt werden. Der Systemwechsel wurde 2007 vom Grossen Rat beschlossen. Das Ziel dabei ist klar: Menschen mit einer Be-hinderung sollen eine freie Wahl der Lebensform haben. Künftig erhalten die An-spruchsberechtigten ein indivi-

duelles Budget zugesprochen. Im Gegensatz dazu finanziert der Kanton heute die Heime und Werkstätten mit Pauschal-beträgen – unabhängig vom Grad der Behinderung.

Grosses InteresseUm das Budget zu berechnen, hat der Kanton das System Vi-bel entwickelt. Eine solche Ab-klärung dauert eine bis zwei Stunden und kostet rund 850 Franken. Vor Ort wird der Be-treuungsbedarf in den Berei-chen Kommunikation, Woh-nen, Freizeit und gesellschaft -liche Teilhabe, Arbeit sowie Kindererziehung ermittelt. Die Menschen mit Behinderung werden in die Abklärung mit-einbezogen und erhalten eine Kostengutsprache. Sie oder ihre Beistände können selber entscheiden, wie sie leben und arbeiten wollen: ob in einem Heim, einer Wohngruppe oder allein mit externer Betreuung.

Um die Auswirkungen der neuen Finanzierung zu testen, wurde Anfang Jahr ein Pilot-projekt gestartet. Daran beteili-gen sich 15 Personen, die selbstständig wohnen, sowie 65

Personen aus zwei Heimen in Uetendorf und Oberhofen. An-fang 2017 startet der Kanton den zweiten Pilotversuch mit weiteren 500 Personen, 2018 folgt Versuch Nummer 3 mit 1000 Personen. Alle Plätze der Pilotversuche seien bereits aus-gebucht, sagt Claus Detreköy, Leiter Abteilung erwachsene Behinderte bei der GEF. Vo-raussichtlich 2020 erfolgen dann die flächendeckende Um-setzung und die Verankerung des neuen Systems im Sozial-hilfegesetz.

Die meisten warten abMit dem Wechsel zur Subjektfi-nanzierung gehört der Kanton Bern zu den Ausnahmen in der Schweiz. Nur die beiden Basel und der Kanton Zug wollen die Finanzierung ebenfalls umstel-len. In den anderen Kantonen wird vorerst abgewartet. Der Grund liegt beim Bund. Das Eidgenössische Departement des Inneren hat für Anfang 2017 einen Bericht zur Umset-zung der UNO-Behinderten-rechtskonvention angekündigt. Gestützt auf diesen Bericht wollen die Kantone analysie-

ren, wo Handlungsbedarf be-steht und ob ein Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinan-zierung verlangt wird.

In den beiden Basel steht dieser Schritt auf den 1. Januar 2017 an. Ursprünglich wollte Basel die Subjektfinanzierung zusammen mit Bern umsetzen und hat sich an der Entwick-lung von Vibel beteiligt. Die beiden Basel stiegen Anfang 2013 jedoch aus dem Projekt aus – weil sie die Kosten und den Aufwand fürchteten. Mitt-lerweile haben sie sich für ein anderes Abklärungssystem ent-schieden, das bereits in Deutschland zur Anwendung kommt. Für Aussenstehende seien die Systeme aber ver-gleichbar, sagt Christoph Fen-ner, Leiter der Abteilung Be-hindertenhilfe Basel-Stadt. Das Basler Modell sei jedoch weni-ger detailliert als Vibel.

Im Kanton Zug ist man weni-ger weit. Die Regierung hat erst kürzlich beschlossen, innert drei Jahren einen Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinan-zierung zu erarbeiten. Für wel-ches System sich Zug entschei-den wird, ist noch offen. mab

Der Kanton Bern gehört zu den wenigen Kantonen, die von der Objekt- zur Subjektfinan-zierung wechseln. Nur so kön-ne die Wahlfreiheit für Men-schen mit Behinderung er-möglicht werden, heisst es.

Somalierin Genfverhaftet

Gemeinsame Vorgeschichte

TÖTUNG Der Verdacht scheint sich zu erhärten. Beim Verhaf-teten im Fall der Tötung beim Henkerbrünnli in Bern handelt es sich um einen Somalier. Er flüchtete bis nach Genf.

BEHINDERTENPOLITIK KANTON BERN

Korrekturbedarf vorhanden

Von einem Stadtoberhaupt ist Führung mit Gefühl gefragt

Beide mit Führungserfahrung

Politische Führung ist anders

Ein gutes Gespür ist wichtig

Der «Raumfüllungsgrad»

Reiseleiter Tschäppät

STADT BERN Der BZ-Stapi-Check, Teil 2: Wie führungsstark muss das Stadtoberhaupt von Bern sein? Als Stapi führe man nicht im klassischen Sinn, sagt Führungscoach Hubert Bienz. «Man muss als Leader vorangehen können und gleichzeitig eine Integrationsfigur sein.»

15. Januar 2017

Mehrkosten befürchtet

Überfordert mit neuer Rolle

Chance für Oliana Ly

Die neu gewonnene Freiheit hat eine KehrseiteAls erster Kanton in der Schweiz verteilt Bern seit An-fang Jahr in einem Pilotprojekt kein Geld mehr an die Heime für Menschen mit Behinde-rung, sondern an die Personen selbst. Eine erste Bilanz zeigt, dass noch Korrekturbedarf besteht.

Nur vier Kantone wollen Behinderte direkt finanzieren

Oliana und Daniel Ly sind beide gehörlos und verständigen sich über die Gebärdensprache. Urs Baumann

Alec von Graffenried Urs Baumann Ursula Wyss Urs Baumann

Mehr Zeit notwendig

Es begann vor einem Jahr

Dritte Vernehmlassung?

KANTON BERN Die Revision des Sozialhilfegesetzes ver -zögert sich ein drittes Mal. Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) will die Vorlage «grundlegend überarbeiten».

Pierre Alain Schnegg (SVP)

Samstag, 10. Dezember 2016 Bern 3