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397 XVI. Beitr[tge zur Anatomie der ektopischen Schwangerschaften. (Aus dew Peter-Paul-tIospitaI in St. Petersburg.) Von Dr. Th. Dobbert. (Hierzu Taf. IX. Fig. 3--5.) Die pathologische Anatomie der Tubenschwangerschaft, spe- eiell der mikroskopische Theil ist durch die zahlreich veriiffent- lichten casuistischen Mittheilungen verh'~ltnissm~ssig wenig ge- fSrdert worden. Nur wenige Untersucher waren in der gliick- lichen Lage, Eier aus den friihesten Stadien zu untersuchen; dieses ist aber der einzige Weg, auf welchem wir fiber Fragen, welche die Entstehung und gntwickelung der ektopischen Schwan- gerschaften betreffen, Aufschluss erhalten kSnnen. Prof. Bidder hatte die Freundlichkeit, mir das Pr~parat einer 4, h5chstens 5 Wochen alten Tubenschwangerschaft zur Verfiigung zu stellen, welche nach erfolgter Ruptur den Tod der Pat. durch Verblutung verursacht hatte. An diesem seltenen Pr/iparate habe ich nachstehende Untersuchungen gemacht. Aus dec Anawnese war nur so ,~iel zu ermitteln, dass bei der bisher sterilen Dame die Menses einwal ausgeblieben waren. Bald naeh dew aus- gefallenen Terwin erfolgte unter stiirwischen Erscheinungen ein Collaps. Vorr dew behandelnden Collegen hinzugerufen~ fand Prof. Bidder die Pat. in extrewis ";or, und ehe noch die Vorbereitungeu zur Laparotowie beendet waren, trat, trotz Koehsalzinfusionen, der Exitus lethalis ein. Das bei der Section entfernto Pr'~parat ist gut erhalten. In unwittel- barer N~he des kauw vergrSsserten Uterus befindet sieh, dew Fundus linker- seits anliegend, ein ovaler Tumor, welcher der linken Tube angeh6rt, l)er L~ngsdurchwesser desselben ist 2,9 cm, Breite 2,3 ew, HShe 9,5 cm. An der hinteren l~'l~che der Geschwulst befindet sich die Rupturstelld, welehe 5 mm lung und 1,5 mw breit ist. Eia Austreten yon Chorionzotten durch die Oeffnung hat nicht stattgefunden. Der iibrige Theft der linken Tube, das linke Ovariuw, desgleieheu Tube und Ovariuw reehterseits sind normal ge- staltet ;, am peritoniialen Ueberzuge des Uterus und seiner Adnexe lassen sich keinerlei peritonitische Schwarten oder Verklebungen naehweisen. A.rehiv f, oathol, &nat. Bd, 127. Hft. 3. ~

Beiträge zur Anatomie der ektopischen Schwangerschaften

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XVI.

Beitr[tge zur Anatomie der ektopischen Schwangerschaften.

(Aus dew Peter-Paul-tIospitaI in St. Petersburg.)

Von Dr. T h . D o b b e r t .

(Hierzu Taf. IX. Fig. 3--5.)

Die pathologische Anatomie der Tubenschwangerschaft , spe- eiell der mikroskopische Theil ist durch die zahlreich veriiffent- lichten casuist ischen Mittheilungen verh'~ltnissm~ssig wenig ge- fSrdert worden. Nur wenige Untersucher waren in der gliick- lichen Lage, Eier aus den friihesten Stadien zu untersuchen; dieses is t aber der einzige Weg, auf welchem wir fiber Fragen, welche die Entstehung und gntwickelung der ektopischen Schwan- gerschaften betreffen, Aufschluss erhalten kSnnen.

Prof. B i d d e r hatte die Freundl ichkei t , mir das Pr~parat einer 4, h5chstens 5 Wochen alten Tubenschwangerschaft zur Verfiigung zu stellen, welche nach erfolgter Ruptur den Tod der Pat. durch Verblutung verursacht hatte. An diesem seltenen Pr/iparate habe ich nachstehende Untersuchungen gemacht.

Aus dec Anawnese war nur so ,~iel zu ermitteln, dass bei der bisher sterilen Dame die Menses einwal ausgeblieben waren. Bald naeh dew aus- gefallenen Terwin erfolgte unter stiirwischen Erscheinungen ein Collaps. Vorr dew behandelnden Collegen hinzugerufen~ fand Prof. B idder die Pat. in extrewis ";or, und ehe noch die Vorbereitungeu zur Laparotowie beendet waren, trat, trotz Koehsalzinfusionen, der Exitus lethalis ein.

Das bei der Section entfernto Pr'~parat ist gut erhalten. In unwittel- barer N~he des kauw vergrSsserten Uterus befindet sieh, dew Fundus linker- seits anliegend, ein ovaler Tumor, welcher der linken Tube angeh6rt, l)er L~ngsdurchwesser desselben ist 2,9 cm, Breite 2,3 ew, HShe 9,5 cm. An der hinteren l~'l~che der Geschwulst befindet sich die Rupturstelld, welehe 5 mm lung und 1,5 mw breit ist. Eia Austreten yon Chorionzotten durch die Oeffnung hat nicht stattgefunden. Der iibrige Theft der linken Tube, das linke Ovariuw, desgleieheu Tube und Ovariuw reehterseits sind normal ge- staltet ;, am peritoniialen Ueberzuge des Uterus und seiner Adnexe lassen sich keinerlei peritonitische Schwarten oder Verklebungen naehweisen.

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Das Prilparat wurde dutch einen quer zu der L~ngsaxe der Geschwu|st, bezw. Tube gef/ihrten Schnitt halbirt~ der abdominale Theil zur Untersuchung gewiiblt und nach gen~igender H~rtung in Alkohol in Photoxylin eingebettet. Es zeigte sich bald~ dass das Pr~iparat za gross war~ um mit dem mir zu Gebote stehenden Mikrotom Serienschnitte yon gewfinschter Dfinne zu er- halten~ daher sah ich reich genSthigt, das Pr~parat nochmals zu ha[biren (der L~ingsaxe des Tumors entsprechend) und yon jeder It~lfte einzeln Schnitte anzufertigen; dieselben wurden anf~nglich 0,01 mm~ sp~ter 0,02 mm dick geschnitten und jeder 5. Schnitt zur Untersuchung gew~hlt. Fi~rbung mit Alauncarmin und Pikrins~ure.

Bei Durchmusterung der dem Anfange der Serie entnommenen Schnitte konnt% bei noch erhaltenem Lumen der Tub% die Bildung eines zweiten tfohlraumes, welcher der EihShle entspricht, beobachtet werden. Es handelt sich ohne Frage um den schon yon G. K l e i n ~) constatirten Befund einer excentrischen Dilatation des Tubenlumens in Fo]ge yon Einnisten des Eies in einem Randtheile des Eileiters. In der Wand der Tube konnte ich ferner an einer Stelle das Vorhandensein eines Divertikels der Schleimhaut fest- stellen~ welches~ in der Muscularis der Tube, n~iher zur Serosa hin gelegen, in mchreren Schnitten der Serie verfolfft werden konnte und alle Charaktere der Tubenschleimhaut aufwies. Ob dieser Zustand als Fo]ge entzfindlicher Vorg~inge, oder nach L a n d a u und R h e i n s t e i n ~) ,als aus der ursprfing- lichen Anlage hervorgegangene Anomalie" aufzufassen ist~ lasse ich dahin- gestellt.

Die Tubenwand wird bald sehr dfinn, an manchen Stellen ist sie nur yon einigen Bindegewebszfigen und Muskelfasern gebildet. Von einer tty- pertrophie der Mnscnlaris kann nor in den Abschnitten~ welche dem Eipo] entsprechen~ die Rede sein; weiterhin ist sie atrophirt. E i n schon zum Theil organisirtes Blutgerinnsel 15st in einiger Entfernung yon dem Pole der Geschwulst die Decidua "con der Muscularis theilweise los t an anderen Stellen dr~ngt es dagegen nut die Chorionzotten ,con der Decidua ab. Ausser dieser~ ' fast an der ganzen Eiperipherie zu constatirenden Ver'~nderung fin- den sich kleinere BlutergSsse in der Muscu]atur~ zuweilen der Oberfi~che so nahe gelegen, dass nur wenige Faserzfige dieselben yon dem freien Rande des Schnittes trennen. Ieh kann mir diesen Befund nur so erkl~iren~ dass schon kurze Zeit vet der letzten Blutunff weniger bedeutende H~imor- rhagien im geschw~ingerten Theile der Tube stattgefunden haben~ welche die Decidua an manchen Stellen "con dem tieferliegenden Gewebe abhoben~ an anderen dagegen die Eih~iute yon der Decidua abdr~ngten.

Ffir.das Stndium der Decidua sind diese Schnitte nicht ganz geeignet~ da leicht Irrthiimer obwalten kSnnen; ich babe reich deshalb nor an die Sehnitte gehalten~ welche dem polaren Theil, in welchem noeh keine Ver~n- derungen durch H~morrhaffien hervorgerufen waren, angehSrten.

1) Zur Anatomie der schwangeren Tube. Zeitschr. f. Geb. u. Gyn. Bd, 20. :) Beitr~ge zur pathologischen Anatomie der Tube. Arch. f. Gyn. Bd. 39.

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Decidua der Tube.

Die ver~nderte Sch|eimhaut des Eileiters vorliegenden Pr~- parates besteht aus grossen, epitheli~hnlichen Zellen mit grob- kSrnigem Protoplasma, bl~schenfSrmigem Kern und Kernk6rper- chen, ~hnlich wie sie in der Schleimhaut des Uterus w~ihrend der Schwangerschaft gefunden werden. Die Dicke der Schicht solcher Deeiduazellen ist in unserem Falle eine sehr wechselnde, bedingt theils dutch h'~ufige Bildung yon Falten, theils durch lebhafteres Wuchern begrenzter Partien, wodurch die der EihShle zugekehrte Fl~che der Schleimhaut eine unebene wird.

Zur Museularis hin besteht keine scharfe Grenze der De- ciduaschieht; es sind hier Deciduazellen, Muskelbiindel und Bindegewebe mit einander vermischt. Diese flit die schwangere Tube charakteristische Schicht der Mucosa wird yon Klein a. a. O. als Submucosa bezeichnet und ihre Entstehung zutreffend durch den Bau des Eileiters erkl~rt.

In der N'~he des freien Randes der Decidua finden sich fast regelm~issig zwischen den Deciduazellen Gebilde, welche Riesen- zellen i~usserst ~hnlich sind und als solehe auch yon den meisten Autoren beschrieben werden; wit werden sp~ter sehen, dass sic in ihrem Verhalten nieht unwesentlich von demjenigen der Rie- senzellen abweichen, mithin aller Wahrscheinlichkeit auch nicht als solche aufzufassen siud.

Ein Oberfi~ichenepithel konnte ieh nirgends nachweisen; des- gleichen suehte ich vergebens naeh einem die Oberfl~che der Decidua bedeckenden und in die Capillaren fibergehenden Endo- thel [Abel~)].

Der Oberfl'~che der Decidua anliegend, zum Theil auch mit derselben in innigem Zusammenhang stehend, finden wir Cho- rionzotten und ,Riesenzellen"; beide lassen sieh bis in die tief- sten Buchten der Decidua verfo]gen. Eine Reflexa habe ieh nieht zu beobachten Gelegenheit gehabt.

Bis jetzt noeh unentschieden ist die Genese der Decidua- zellen. Naeh einigen Autoren [Overlae, Fremmel~)] entstehen

1) Zur Anatomie der Eileiterschwangerschaft nebst Bemerkungen zur Ent- wickelung der menschl. Placenta. Arch. f. Gym Bd. 39.

3) Citirt nach Klein, a. a. O. 27*

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sie aus dem Epithel der Schleimhaut, nach H e n n i g i) und Er- co lan i~) , welchen sich auch Abel anschliesst, aus den in die Mucosa eingewanderten weissen BlutkSrperchen ; nach Wal d eyer 3) sollen sie aus perivasculi~ren Zellen der Schleimhautgefiisse her- vorgehen.

Mein Pr~iparat schien mir geeignet zu sein, dieser Frage n~iher zu treten. In Schnitten aus dem Uebergangstheil der normalen Tube in die geschw~ingerte mussten sich ohne Frage Stellen finden lassen, wo die Decidua eben in Bildung begriffen war; und in der That, in solchen Sehnitten finden wir neben noch erhaltenen Schleimhautfalten gruppenweise beginnende Ent-. wickelung yon Deeiduazellen. In der Umgebung solcher Grup- pen yon Deeiduazellen sind die Bindegewebsfibrillen der Mueosa gequollen, die Bindegewebszellen meist in reichlicherer An- zahl vorhanden, sthrker geschwollen und granulirt. Einige dieser Zellen nehmen an GrSsse bedeutend zu, verlieren allm/ihlieh ihre Spindelgestalt und gehen in Zellen fiber, weiche bald rundlich, bald oval sind, einen grossen Kern und grobkSrniges Protoplasma besitzen. Die verschiedenartigsten Uebergangsstufen sind vorhanden.

Es sind iihnliche Bilder, wie sie yon W a l k e r yon Solo- thurn 4) und zum Theil auch yon mirS) bei Untersuchungen des Peritonfiums bei Abdominalschwangerschaft gefunden worden sind. Wie sehon erwKhnt, habe ich in der Umgebung der Zellengrup- pen stets verKndertes Bindegewebe beobachten k6nnen:

In neuester Zeit hat sich auch Kle in 6) ffir die Entstehung der Deciduazellen aus Bindegewebszellen ausgesprochen. W~h-

1) Die Krankh. der Eileiter u. die Tubenschwangerschaft. Stuttgart 1876. -') Della struttura anatomica della caduca uterina nei casi di gravidanza

extrauterina. Bologna 1874. 3) Archly f. mikroskop. Anatomie. Bd. XI. 4) Der Bau der Eih/iute bei Graviditas abdominalis. Dieses Archiv Bd. 107. 5) BeitrSge zur Anatomie der ektopischen Schwangerschafteu. Dieses

Archi~ Bd. 123. 6) Bericht fiber die Verhandlungerr der 4. Versammlung der deutschen

Gesellschaft f. Gyniikologie zu Bonn. Centralbl. f. Gym I891. No. 22, und Zeitschr. f. Geb. u. Gyn~kologie Bd. XXII. If. 2; letztere Arbeit ist erst nach Abschluss vorliegender Abhandlung erschienen und hat daher nicht mehr berScksichtigt werden kSnnen.

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rend jedoch Klein die Umwandlung in Deciduazellen haupts~ch- lich an runden Bindegewebszellen beobachtete, habe ich in mei- nem Falle an denselben keiue weseutliehe Vedinderung consta- tiren kSnnen; vorherrschend sind die spindelfSrmigen Binde- gewebszellen, - - an letzteren habe ieh die geschilderten Ver- iinderungen verfolgen kSnnen 1).

Bei schon ausgebildeter Decidua, wenn sie als continuirliche Lage dim Muscularis bedeekt, l~isst sich ein solcher Uebergang nicht mehr feststellen; es sind eben nut Befunde an den Partien, wo sieh die Decidua zu bilden beginnt. ~Naeh meinen Sehnitten zu urtheilen, ist die Ansicht, dass die Deciduazellen aus dem Epithel der Schleimhaut hervorgehen, cine irrige. Das Epithel der Tubenschleimhaut befindet sich, wie auch sehon yon Ande- ren constatirt, im Stadium der Sehwellung; es ist abgeplattet, aus einem hohen cyliudrisehen ein eubisehes geworden und ver- fiillt in der Folge der Abstossung und regressiven Metamorphose.

Chorion.

Die Angaben verschiedener Forscher fiber den regelm~ssigen Bau der Chorionzotten, spec. des Zottenepithels weisen bedeu- tende Differenzen auf. Zum grSssten Theil mSgen diese Mei- nungsverschiedenheiten dadureh entstanden sein, dass das Unter- suehungsmaterial seinem Charakter nach die verschiedenartigsten Ver~inderungen, je nach dem Altar der Eier uud der Frische des Pr~parates, aufweist. Diese Umst~inde erkl~ren es vielleicht aueh, dass meine, an einem Ei aus einem frfihen Stadium au- gestellten Untersuehungen wesentlich yon den bis jetzt ver5ffent- lichten abweichen.

Auf den der Mitte und dem Ende der Serie angehSrenden Schnitten meines Pr~parates sind schSn ausgebildete Chorion- zotten zu sehen. Nut an sehr wenigen solcher ~ilteren Zotten ist es mir gelungen, Andeutungen yon Gefiissen nachzuweisen; fast ausschliesslieh habe ich gefs Chorionzotten zu Gesiehte bekommen. Reichliehe Sprossenbildung und zahlreiche, in der Umgebung der ~lteren Zotten vorhandene jfingere beweisen, dass das Chorion sich im Zustande der Wueherung befindet. In

1) Ich habe diese u schon im Jahre 1853 beschrieben (vgl. Ge- sammelte Abhaudl. zur wiss. Medicin, 1856, S. 78~. R. u

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den Schnitten~ welche dem Eipol entsprechen, sind fast nur junge Zotten vorhanden und li~sst sich an solchen das Zottenwachs- thum in allen seinen Abstufungen auf's Ausffihrlichste verfolgen.

Die ausgebildete Zotte besteht aus einer Grundsubstanz und einem sie umgebenden Epithelmantel. Die Grundsubstanz ist dem Schleimgewebe sehr ~ihnlich; in derselben sind zahlreiche, durch feine Ausliiufer mit einander in Verbindung stehende, junge Bindegewebszellen eingelagert. Das diese Grundsubstanz umgebende Epithel besteht aus einem Saum yon Plasma mit doppelter Lage von Kernen, welche meist in ziemlich gleichen Abst~inden nahe bei einander liegen. Zwischen den Kernen sind keine Zellgrenzen nachzuweisen. An manchen Stellen ist das Protoplasma etwas verdickt und weniger deutlich contourirt; die Kerne sind an solchen Partien in lebhafterer Kerntheilung be- griffen und in grSsserer Anzahl vorhanden (Fig. 3 a). Es sind dieses die ersten Anlagen zur Bildung neuer ZSttchen. In der Folge wachsen diese Ausliiufer mehr in die L~iuge und bilden die verschiedenartigsten Formem Auf Querschnitten solcher ZSttcheu ]~sst sich die Entwickelung derselben am besten verfolgen.

Anfiinglich sind die Kerne sehr unregelm~ssig angeordnet, liegen aber meist im Centrum und sind nach aussen von Proto- plasma umgeben. Allmiihlich kommt es zu unregelm~ssigerer Anordnung der Kerne, so dass auf dem Querschnitt ein Zellen- kreis entsteht (as) , w~hrend an der Peripherie und im Centrum sich Plasma befindet. Ein weiteres Stadium ist die Bildung eines Hohlraumes im Centrum; auf dem Querschnitt sehen wir eiuen Plasmaring mit einer Lage von Kernen (Fig. 3 b, bl, b~; Fig. 4 b). Nicht immer ist der Vorgang ein so r%elm'~ssiger: die Bildung des Hohlraumes findet nicht gerade im Centrum, sondern mehr zur Peripherie hin statt (Fig. 3b,) ; dem ent- sprechend ist die u der Kerne gleichfalls eine un- regelmgssigere. Zuweilen sieht man auch nur einen Plasma- klumpen oder Ring fast ohne Kerne. An den Kernen macht sich in vorgeschritteneren Wachsthumsperioden deutliche Kern- theilung bemerkbar (Fig. 3 b~), wodurch eine doppelte Lage yon Kernen zu Stande kommt.

In die Hohlri~ume schiebt sich von oben her das junge Bindegewebe allm~hlich hinein; anfangs den ganzen Itohlraum

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noch nicht vollst~ndig ausfiillend (Fig. 3 c), in vorgeschritteneren Stadien aber dem Plasmamantel eng anliegend.

Auf Querschnitten sehen die ersten Anlagen von Zotten Riesenzellen zum Verwechseln .~hnlich, sie sind yon sehr ver- schiedener Form, bald rund, bald oval, bald vier-oder dreieckig. An den in der N'~he der Decidu~ sich befindenden ZSttchen macht sich eine Ver~nderung im Verhalten des Plasma und tier Kerne bemerkbar, yon welcher in der Folge die Rede sein wird.

V e r b i n d u n g des Chor ion mi t der Decidua.

Je n~her die Zottenausl~ufer in ihrem Verhalten de r De- cidua kommen, um so lebhafter geht die Bildung yon Sprossen vor sich. Endlich berfihren die meist kolbig angeschwollenen Ausl~iufer der Zotten die Decidua und werden yon derselben umwuchert, scheinen aber zum Theil auch activ bei der Ein- bettung betheiligt zu sein. Nicht an allen Zotten l~sst sich das eben geschilderte Verhalten verfolgen; der bei weitem grSsste Theil derselben beriihrt die Decidua nut stellenweis% oder zieht sich als bandartiger Streifen l~ings der freien Oberfii~che derselben hin, so dass an solchen Partien die ver~nderte Schleimhaut wie von einem Saume von Zottenepithel begrenzt erscheint. Ein ~hn- liches Verhalten, nut, wie es scheint, in geringerem Maasse, ist schon yon G o t t s c h a l k ~) beobachtet worden.

Fast alle AutorerJ erw~hnen der Riesenzellen, welche bei der Verschmelzung des Chorion mit der Decidua eine nicht un- wesentliche Rolle spielen sollen. Auch ich habe h~ufig Gebilde gesehen, welche Riesenzellen ~usserst ~hnlich sind. Es fiel mir abet auf, dass viele derselben mit dem umgebenden Gewebe nicht fest verbunden, sondern in Gewebslficken eingelagert sind und dass sie sich selten vereinzelt, h~ufiger in Gruppen yon 2 - - 6 Elementen vorfinden. In den folgenden Schnitten der Serie konnte ich an den Stellen der ,Riesenzellen" mehr oder weniger vorgeschrittene Stadien des Zottenwachsthums verfolgen. Bei sorgf~ltigerer Durchmusterung der Schnitte fand ich ferner, dass bei vielen solcher ,Riesenzellen" die Kerne randst~ndig sind, w~ihrend sich im Centrum ein oder mehrere Hohlr~iume zu bilden beginnen. Die GrSsse der Hohlr~ume ist sehr verschie-

1) Beitrag zur Entwickelung der menschl Placonta. Arch, f. Gym Bd.37~

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den. In den Anfangsstadien ist die kleine Vacuole noch mit nicht genau differenzirbaren Massen angeffillt, in welter ausge- bildeten Stadien jedoeh sind dieselben fast inhaltslos und haben durch Confiuenz bedeutend an Dimensionen zugenommen (Fig. 5). Schliesslich sind die ,Riesenzellen" in einen Plasmaring mit einer Lage yon Kernen umgewandelt. Solche Gebilde unter- seheiden sich vou denjenigen bei der Sprossenbildung der Zotten beschriebenen nur dadurch, dass das Protoplasma etwas weniger grobkSrnig ist, die Kerne grSsser sind und deutliche KernkSrper- chen und Kerntheilung aufweisen. Der Unterschied ist jedoch nut ein seheinbarer, denn die Mehrzahl tier Zottensprossen in n~ichster N~he der Decidua zeigt ein gleiches Verhatten des Plasma und tier Kerne, welche Eigenschaften dutch energisches Wachsthum an den peripherischen Theilen, oder nach Gott- scha lk durch Aufnahme yon Erniihrungsmaterial aus dem mfit- terlichen Gewebe zu erkliiren sind.

Bei dem gleichen Verhalten der Riesenzellen und Chorion- zotten liegt es nahe, eine Identit~it beider anzunehmen, d.h. die ,Riesenzellen" der Uterusschleimhaut in den ersten Monaten der Schwangerschaft nut als ~usserste, in die Decidua eingebettete Ausli4ufer der Zotten aufzufassen.

Stcllenweise erreicht die Proliferation von Zottenausl~ufern in der NiChe der Decidua bedeutende Grade: wir sehen an sol- chen Partien der Decidua eug anliegend eine Protoplasmamasse, welche die Contouren der einzelnen AusI~ufer nut noeh sehwer unterscheiden l~isst und welche zahlreiche, in Kerntheilung be- griffene, grosse Kerne enth~ilt. Zuweilen wird durch Vacuolen- bildung ein vollstiindiges Maschenwerk gebildet. Ein soleher Prozess geringeren Grades ist in Fig. 4 abgebildet.

hmerhalb solcher Plasmamassen finden sich h~ufig Nester von Deciduagewebe, deren Zellen in theilweisem Zerfall begrif- fen sin& Es ist mir daher wahrscheinlich, class ein Theil der Deeidua beim Wachsen der Zotten zu Grunde geht.

An der freien Oberfi~che der Decidna und in ni~chster Um- gebung der Zottenendigungen und ,Riesenzellen" finden sich nur selten grobkSrnige Plasmamassen, welche als Kittsubstanz angesprochen werden k~innten.

Wenn ich nun zum Vergleiche meiner Resultate mit den-

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jenigen anderer Autoren schreite, so kann ich nicht unerwKhnt lassen, dass die meisten Untersuchungen an Eiern, welche dem Uterus entstammten, gemacht worden sind, doeh glaube ich, dass, was die Entwicke]ung des Chorion und das Verhalten des- selben zur Decidua anbetrifft, der Sitz des Eies, ob im Uterus oder im Eileiter, yon nebens'Xehlicher Bedeutung ist.

Das Epithel der Chorionzotten ist schon h~ufig Gegenstand eiugehender Untersuehungen gewesen. Es lassen sich, wie aus der fibersichtlichen Zusammenstellung der verschiedenen Unter- suehungsbefunde hervorgeht, welche sieh bei Abel 1) findet, die Ansichten der Autoren in 10 Gruppen vertheilen. Eine Wider- leguag derselben ist hier nicht am Orte; ich kann meine Resultate den schon verSffentlichten nur anreihen. Eine Kl~rung dieser Frage wird erst dann mSglich sein, wenn noch zahlreichere Unter- suchungen an Eiern aus verschiedenen Entwickelungsphasen vor- liegen. Nut diejenigen Untersuchungsbefunde m~ichte ich hier erw~hnen, welehe mit den meinigen in manchen Punkten iiber- einstimmen, ohne sich jedoch vollst~indig damit zu decken.

Nach Beobaehtungen yon Heinz'~ KSl l ike r 3) u. A. wer- den die Zotten yon einem einsehiehtigen Epithelmantel beklei- det, weleher yon einem feinkSrnigen Protoplasma gebildet wird. Zwischen den Kernen hat Heinz bei den verschiedenartigsten Behandlungsweisen der Pr~parate keine Zellgrenzen nachweisen kSnnen. Aueh mir ist es nicht gelungen, zwisehen den Kernen irgend welehe Grenzen nachzuweisen, doch land ich nicht nut Zotten mR einer Lage yon Kernen, sondern auch solehe, und zwar in der Mehrzahl, mit einer doppelten Kernlage. In diesem Punkte stimmen meine Befunde nicht mit den oben angeffihrten iiberein, finden abet andererseits durch Untersuchungen yon G o t t s c h a l k ~) eine Best:~itigung, welcher gleiehfalls eine dop- pelte Kernlage des Epithels beschreibt, doch sind nach ihm nicht selten ~,besonders an der unteren, dem Zottenstroma an- liegenden Kernlage, die Kerne yon Zellleibern umgeben; an der

J) a. a. O. S. 428. ~) Untersuchungen fiber den Bau und die Entwickelung der menschlichen

Placenta. Archi'r f. Gym Bd. 33. 3) Grundriss der Entwickelung des Menschen und der hSheren Siiugethiere. *) a.a.O.S. 275.

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~iusseren Kernlage ist dagegen eine Zellenbildung nieht zu er- kennen", - - e i n Befand, welchen ich an meinem Pr~parate nicht habe constatiren kSnnen. In der Arbeit yon G u n s s e r 1) ist gleiehfalls, sowohl von einer einfachen, als auch yon einer dop- pelten Lage von Epithelzellen tier Zotten die Rede, nur sell da, we letztere besteht, die inhere Sehicht aus Chorionepithel, die ~iussere aus ver~ndertem Tubenepithel entstanden sein. Die Entstehung der doppelten Lage yon Kernen aus der einfaehen dutch Kerntheilung habe ieh so schSn verfolgen kSnnen (Fig. 3 und 4), dass ein Irrthum darfiber nieht obwalten kann. Unter dem Einfiuss der yon mir gesehenen Bilder stehend, sehe ich in denjenigen Theorien, welehe eine theilweise Betheiligung der miitterliehen Gewebe bei Bildung der Chorionzotten anneh- m e n , etwas Gezwungenes. Kann schon, wie es scheint, alas Stroma der Zotte der rapiden Proliferation des epithelialen Ge- webes nicht immer folgen, um wie viel weniger ist es von dem mfitterliehen Gewebe zu erwarten? Wir diirfen nieht vergessen, dass w i r e s mit jungem, ~iusserst bildungsf~higem Gewebe zu thun haben; aus der anfangs formlosen~ keine Zellengrenzen er- kennen lassenden Plasmamasse k5nnen ja in spi4teren Stadien tier Entwiekelung die schSnsten Zellen gebildet werden. Dieser Weg wi~re der natfirlichere und am wenigsten complieirte. Dass die schon fertigo Zotte sp~iterhin yon einem, aus den miitter- lichen Gefiissen stammenden Endothel ( W a l d e y e r ) f i b e r z o g e n wird, liesse sich mit diesem theoretisehen Calcul noeh in Ein- klang bringen; bevor abet unzweideutige Beweise an Pri4paraten vorliegen, muss ieh die Betheil]gung mfitterlichen Bindegewebes oder der Decidua, bezw. "veri~nderten Tubenepithels an der Bil- dung von Chorionzotten als h5chst unwahrscheinlich bezeiehnen.

Was das Stroma der Zotte anbetrifft, so wird die ~iltere, haupts~chlieh yon O r t h ~) vertretene Ansieht, dass in, auf physio- 10gisehe Weise sich bildende Hohlr~ume innerhalb des Epithels yon oben her das Bindegewebe mit den Gefs hineinwi~ehst,

i) Ueber einen Fall yon Tubenschwangerschaft u. s.w. Centralblatt f. allgem. Pathologie und patholog. Anatomie. No. 6. 1891, referirt im Centralbl. f. Gyn. No. 19. 1891.

:) Zeitschrift f. Geburtshfilfe und Gyn. Bd. 3, siehe auch Gottschalk~ a. a. O. S. 273.

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in neuerer Zeit angezweifelt. Nach Go t t scha lk z. B. sell, ,noch ehe eine bindegewebige Grundentstehung in der Zotte zu erkennen ist, yon dem zuni~chstliegenden Capillargef/iss der Stammzotte aus eine Vascularisation der epithelialen Sprosse eintreten% Das Studium seiner Schnitte hat Got t seha lk fest davon fiberzeugt, ,,dass die bindegewebige Grundsubstanz an Ort und Stelle aus der epithelialen Sprosse selbst hervorgeht und dass deren Zellen dutch Abweichungen innerhalb der epi- thelialen Gebilde zu Stande kommen%

Meine Pr/i.parate haben reich gerade vom Gegentheil fiber- zeugt. In jedem Schnitt babe ich an jungen Zotten Hohlr~ume beobachten, habo auch den Vorgang der Vacuolenbildung so deutlich sehen kSnnen, dass ich mit Orth denselben als phy- siologischen bezeichnen muss. Wenn Langhans Vacuolenbil- dung gesehen hat, welche selten den Durchmesser tier Epithelial- kerne erreichte, so zeigen meine Pr~parate solche yon bedeutend grSsseren Dimensionen. Fast regelm~ssig habe ieh ferner sehen kSnnen, dass in den jiingeren Zotten das Bindegewebe die Hohl- riiume in den Zotten nicht vollst~ndig ausffillt; es wird dutch diese Regelm~issigkeit die Voraussetzung, dass der Epithelmantel sich bei Behandlung der Schnitte losgelSst babe, widerlegt und die Annahme eines allm'~hlichen Hineinwachsens das Stroma in die pr/iformirten Hohlr'Xume best/s - -

Die Frage von dem Verhalten der Gefiisse im geschw/inger- ten Theile der Tube bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten.

[m Bindegewebe der Serosa des Ligamentum latum ist es mir, in Uebereinstimmung mit einem schon frfiher veriiffentlieh- ten Befunde, auch an diesem PrKparate gelungen, Wucherungen epithelialer Zellen, welche ihren Ausgang von den Lymphspalten der Serosa nehmen, nachzuweisen.

Resum6.

1) Durch excentrische Einnistung des Eies kommt es zu eider ungleichm/~ssigen Dilatation des Tubonlumens. In der Wand der geschw~ngerten Tube lassen sich Divertikel naehweisen.

2) Das Epithel der Sehleimhaut der schwangeren Tube wird in ein cubisches umgewandelt; im Bereieh des Eisitzes verf/~llt es der regressiven Metamorphose.

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3) Die Decidua der Tube ist derjenigen des sehwangeren Uterus i~hnlich, hat abet zur Muscularis hin keiue scharfe Grenze, sondern es ist einc Submucosa tubae (Klein) vorhanden.

4) Die Deciduazellen sind bindegewebigen Ursprunges. 5) Eine Refiexa ist in unserem Falle nicht vorhanden. 6) Das Epithel der Chorionzotten ist f5talen Ursprunges und

besteht in der 4. bis 5. Woche der Schwangerschaft aus einem einfachen Plasmastreifen mit einer einfachen oder doppelten Lage yon Kernen, zwischen welchen keine Zellgrenzen naehweisbar sind.

7) Das Stroma der Zotte w~ichst in, auf physiologisehe Weise sich bildende ttohlriiume innerhalb des Zottenepithels hinein.

8) Die Chorionzotte tritt mit der Deeidua direct in Ver- binduug, indem ihre Endausliiufer in die veranderte Sehleimhaut hineindringen, w~ihrend letztere an ihnen emporwuchert.

9) In der Decidua der schwangeren Tube finden sieh Rie- senzellen ~ihnliche Gebilde, welche als Endausl~iufer der Chorion- zotten und nicht als eigens zum Zwecke der Verbindung zwischen Chorion und Decidua aus dem Lymphgef~isssystem gebildete Elemente aufzufassen sind.

Fig. 3.

Fig. 4.

Fig. 5.

Erkllirung der Abbildungen. (Hierzu Taf. IX. Fig. 3 - -5 . )

Chorionzotten verschiedenev Entwickelungsstadien. VergrSsserung Hartnack Ob. 4, Oc. 3 a . T . a erste Aniage der jungen Zotte. al a~ a 3 Querschnitte der Sprossen. b bl Bildung ~on ttohlr~umen in den Zottenausliiufern. c Stroma der Zotte, den Hohlraum der- selben noch aicht vollst~indig ausffillend, d Zotte ohne Str'oma. Zottenausl~mfer in der N~he der Decidua. VergrSsserung Hartnaek Oh. 4, Oc. 2 a. T. Zeichenapparat Zeiss. b d Hohlr~ume in den Sprossen mit Blur geffiltt. Decidua der schwangeren Tube. VergrSsserung Hartnack Ob. 7, Oc. 3 a .T . a Riesenzellen iihnliche Gebilde, in Deciduagewebe ein- gelagert, b Vacuolenbildung in denselben.

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Page 13: Beiträge zur Anatomie der ektopischen Schwangerschaften

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