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XII. Aus der Kgl. Universit~ts-Ohrenpoliklinik in ~Itinehen (Prof. Dr. H a u g). Beitriige znr Kasuistik and patholog, Anatomic der Neu. bildungen des iusseren Ohres. Von Rud. Haug in ~Iiinchen. Im Ansehlusse an meine frtiheren teils im Arehiv fiir Ohren- heilkunde~ tells in Zieglers Beitr/igen zur pathologisehen Ana- tomie erschienenen grSlSeren Arbeiten mSchte ieh bier kurz fiber einige yon mir im Laufe der letzten Zeit beobaehtete F/~lle be- riehten. I. Angio-myxom des Meatus. Ein 36jg~hriger Harm stellt sich vor mit der Angabe, er fiihle seit ca. einem halbert Jahre bei dem Versuche der Reinigung des Ohres linkerseits einen vorher nicht dagewesenen Widerstand; die Beriihrung sei zwar nicht ~ erade sehmerzhaft, doch immerhin unangenehm. Hie und da blute auch as Ohr leicht, allerdings nur vortibergehend und meistens bei mechanischer Reinigung. Auch sei das 2[t6ren gegen frtiher etwas beeintrgtchtigt. Erst sei blos ein kleines Kn6pfchen gewesen ; im letzten Monate sei das ,,Pinkerl '~ schnell gewachsen; so dal~ es seinem Inhaber Unruhe verursachte. Ohren- krank sei er vorher niemals gewesen. Die Untersuchung ergibt den linken Geh~Srgang nahezu v611ig ausgeffillt am Eingange mit einer wall gespannten, stark succutenten, gl~nzenden, rosaroten, mN~ig derben, eonslstenten, an keiner Stelle Fluctuation aufweisenden Geschwulst. Sie sitzt offenbar an der untern und hintem Wand auf and lN~t sich an der vorderen and oberen Wand mit tier Sonde wegdriicken; ihre Basis ist keine gestielte, sondern elne mehr breite. Bcsondere Empfindllchkeit weist sie nicht auf. Die Form ist ungef~ihr die einer Bohne. Die functionetle Priifuno" ergab eine sehr leichte llerabsetzung der HSrf/ihigkeit, bemhend auf einer Affectlol~ des Schalle~tungsapparates. Die Geschwulst "~ird mit der kalten Schlinge nach An~isthesierung des GehSrganges durch Injection mit Novocain-Suprarenln abgetragen und es gelingt, sle in intoto herauszubekommen. Die Btutung ist eine verh~ittnis- m~ig recht erhebliche und erfordert eine allerdings nur kurze Zeit dauernde Tamponade. Nach Sistierung derselben kann die Urspmngsstelle genau besiehtigt werden; es ist nun die ganze Hautlage des knorpeligen Heatus an der hinteren und unteren Wand bis anf den Knorpel hinein abgesehnitten.

Beiträge zur Kasuistik und patholog, Anatomie der Neubildungen des äusseren Ohres

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Page 1: Beiträge zur Kasuistik und patholog, Anatomie der Neubildungen des äusseren Ohres

X I I .

Aus der Kgl . Univers i t~ ts -Ohrenpol ik l in ik in ~Itinehen

(Prof. Dr. H a u g).

Beitriige znr Kasuistik and patholog, Anatomic der Neu. bildungen des iusseren Ohres.

Von

Rud. Haug in ~Iiinchen.

Im Ansehlusse an meine fr t iheren teils im Arehiv fiir Ohren-

heilkunde~ tells in Z i e g l e r s Beitr / igen zur pa thologisehen Ana-

tomie erschienenen grSlSeren Arbei ten mSchte ieh b ier kurz fiber e inige yon mir im Laufe der letzten Zeit beobaehtete F/~lle be-

riehten.

I. A n g i o - m y x o m d e s M e a t u s .

Ein 36jg~hriger Harm stellt sich vor mit der Angabe, er fiihle seit ca. einem halbert Jahre bei dem Versuche der Reinigung des Ohres linkerseits einen vorher nicht dagewesenen Widerstand; die Beriihrung sei zwar nicht

~ erade sehmerzhaft, doch immerhin unangenehm. Hie und da blute auch as Ohr leicht, allerdings nur vortibergehend und meistens bei mechanischer

Reinigung. Auch sei das 2[t6ren gegen frtiher etwas beeintrgtchtigt. Erst sei blos ein kleines Kn6pfchen gewesen ; im letzten Monate sei das ,,Pinkerl '~ schnell gewachsen; so dal~ es seinem Inhaber Unruhe verursachte. Ohren- krank sei er vorher niemals gewesen.

Die Untersuchung ergibt den linken Geh~Srgang nahezu v611ig ausgeffillt am Eingange mit einer wall gespannten, stark succutenten, gl~nzenden, rosaroten, mN~ig derben, eonslstenten, an keiner Stelle Fluctuation aufweisenden Geschwulst. Sie sitzt offenbar an der untern und hintem Wand auf and lN~t sich an der vorderen and oberen Wand mit tier Sonde wegdriicken; ihre Basis ist keine gestielte, sondern elne mehr breite. Bcsondere Empfindllchkeit weist sie nicht auf. Die Form ist ungef~ihr die einer Bohne. Die functionetle Priifuno" ergab eine sehr leichte llerabsetzung der HSrf/ihigkeit, bemhend auf einer Affectlol~ des Schalle~tungsapparates.

Die Geschwulst "~ird mit der kalten Schlinge nach An~isthesierung des GehSrganges durch Injection mit Novocain-Suprarenln abgetragen und es gelingt, sle in intoto herauszubekommen. Die Btutung ist eine verh~ittnis- m ~ i g recht erhebliche und erfordert eine allerdings nur kurze Zeit dauernde Tamponade.

Nach Sistierung derselben kann die Urspmngsstelle genau besiehtigt werden; es ist nun die ganze Hautlage des knorpeligen Heatus an der hinteren und unteren Wand bis anf den Knorpel hinein abgesehnitten.

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Beitr~ige zur Kasuistik u. patholog. Anatomie d. Neubildung. d. 5ufi. Ohres. 75

Auf einfache trockene Gazeeinlage heilt der Defekt innerhalb 10 Tagen vSllig tadellos aus, so d~ an Stelle der Geschwnlst nurmehr ein leicht roter frischer Narbenfleck zu bemerken ist.

Das nun gut zu iibersehende Trommelfell ist normal. Die damaligen teichten 8t6rungen sind total verschwunden.

M a k r o s k o p i s c h e r B e f u n d :

Der kleine Tumor yon der Gr51~e und Form einer gut mittel- grol]en Bohne weist auf seiner ganzen Oberflfi~che eine /~u~erst verdiinnte zart~ 0berhaut auf, ~hnlich der~ wie sie sieh bei den Exostosen findet. Er fiihlt sich m~l~ig welch an. Auf dem Durchschnitt ist er lebhaft rot~ mit gelblich rStlichen oder wei~- lichen Stellen untermischt; er schneider sich mittelweich und gibt auf der Schnitffl/iche relativ viel sero-sanguinolente Fltissig- keit ab.

M i k r o s k o p i s c h e r B e f u n d :

(Fixierung und H~rtung in Formol; F/trbung mit It/imato- xylincarmin.)

Die Geschwulst erweist sich zunEchst allenthalben yon eider dfinnen ttautlage iiberzogen~ in der man noch die Reste atro- phisch gewordener Ceruminaldriisen stellenweise finden kann. Die Papillarlage weist keiuertei dendritisehe Verzweigungen auf.

An sie schliel~t sich dann ein ausgedehntes Hohlraumsystem, :das zum grS~ten Tcil aus ziemlich diinnwandigen neuen Gef/~en besteht; sie sind zum Tell stark erweitert. Zwischen diese Ge- f/~partien ziehen bindegewebige Seheidew~tnd% tails schmal, teils breiter.

Imm grol~eu und ganzen ist dieses Septumgewebe nichts underes als einfache gewShnliche Bindesubstanz.

An zwei brciteren~ ziemlich m~ichtigen und auch an etliehen kleineu Bindcgewebestreifen jedoch 1/i[~t sich eine myxomatSse Degeneration nachweisen. Es ist nicht altein die Bindesubstanz gequollen, sondern wir sehen auch eine ziemliche Anzahl grofier schgner~ vielfach verzweigter, zum Tell mit peitschen/ihnlichen .Forts/~tzen versehener Zellen.

Wir werden also yon diesem histologischen Bilde anzunehmen haben~ dab es sich um ein A n g i o m im wesenttichen handelt mit partieller m y x o m a t S s e r Ver~nderung des interstitielten Bindegewebes.

II. P a p i l l o m a d e n d r i t i c u m m e a t u s . Ein 22j~hriges M~dchen stellt sich vor mit tier Angabe. sie empfinde

seit etwa einem Jahre etwas hartes im GehSrgange, dassie oft zum Kratzen und Jucken veranlasse, worauf dann leichtes Bluten und hinterher Schmerzen,

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76 XlI. HAUG.

wenn anch nieht hoehgradig, anftr~iten. Friiher sei 0hreiterung vorhanden gewesen, seit 3[4 Jahren sei nichts mehr bemerkt worden. " Die objektive Untersuehung ergibt:

Der ~Ieatus des linken 0hres ist zum grogen Teil verlegt dutch ein eigentiimliehes graur~tliehes Gebilde, das sieh, einer kleinen Koralte ~ihntieh, in dem knorpeligen Absehnitt befindet und in seiner ttauptsaehe gestielt aufsitzend auf zwei St~immen, yon der untern Wand auszugehen seheint. Die Berfihrung ist kaum empfindlieh, jedoeh blutet das Gebilde leleht. In die Tiefe 1Nit sieh z. Z. noeh nieht deutlieh vorbiieken, jedoeh kann man alten eingedickten vertroekneten Eiter wahrnehmen.

Die HSrfunktion ist wesentlieh vel~nindert, indem die Fliisterspraehe blol~ auf 10 em vernommen wird. Die Stimmgabelpriifungen ergeben ein reines Sehalleitungshindernis. Beim Politzern ein breites Perforationsger~iuseh, aber troeken, ohne Seeretbeiklang.

Da Patientin dringend um Erleiehterung ihres Zustandes, der ihr sehr unangenehm zu sein seheint, bitter, wird sofort die Abtragung der kleinen Neubildung mittels der kalten Sehlinge vorgenommen. Es gelingt zun~chst teieht den einen grSgeren Tell abzusehniiren; jedoeh ist die Biutung darauf eine relativ reeht bedeutende, so dab erst naeh einer Viertelstunde, wiihrend tamponiert und mit Snprarenin vorgegangen worden war, wieder an das zweite Stfiek herangegangen werden kann. Dies hat sieh nun aber dutch die Tamponade etwas verlagert und kann nut mit ziemlieher Mfihe naeh versehiedenen Versuehen schlingengereeht fest gelegt und extrahiert werden. Die Blutung ist hier eine geringere. Vorl~iufig wird bIog anf 24 Stunden tamponirt, naeh dem man sieh fiberzeugt hatte, dag alles Kranke tatsfiehtieh entfernt worden war. Bei der :rags naeh dem Eingriff vorgenommenen Untersnehung konnten zungehst am Trommelfell die Residuen einer abge- laufenen ehronisehen ~'Iittelohreiterung naehgewiesen werden, in dem in der vorderen unteren Pattie eine ca. halblinsengrol~e rundliehe, mit verdiekten P~ndern versehene, troekene Perforation konstatiert wurde; aul3erdem waren noeh Kalkfleeke welter oben zu sehen.

Des weiteren liel~en sieh z. T. die Ansatzstellen der Gesehwiilste deutlieh entdecken; es sind zwei kleine, rundliche ca. 3 - 4 m m i m Durehmesser habende, noch leieht fiber das Niveau heransragende, bei Berriihrung wieder blutende Stellen. Sie werden sofort einer gri~dliehen ~ oriitzung mit Tri- ehloressigsgure unterzogen.

Der weitere Verlauf war tin vSllig glatter, indem sieh naeh Abstol3ung des Schorfes am 10. Tage alles sehSn vernarbt zeigte. Patientin war yon dem Erfolge sehr befriedigt, da sie nunmehr keinerlei Unannehmliehkeiten hatte.

Die m a k r o s k o p i s c h e U n t e r s u c h u n g der zwei ent- fernten kleinen Tum ore n liel~ sie als graur6tliche~ g~nz eigenartig wie Korallen oder Baumzweige sich ver~stigende~ sich mitgig derb anzufiihlende, an der Oberflitche leicht dms ig gerauht anzusehende

Exkreszenzen erkennen. Bei dem Durchsehnit t ergibt sich eine ziemlich derbe Resi-

stenz; Gewebefliissigkeit gering. An der Peripherie ist die Farbe d n e dunklere, graurStliche bis graue~ in den mittleren Parfien

wdlSrStlieh.

M i k r o s k o p i s c h e U n t e r s u c h u n g .

(Fixierung in Alkohol mit Eisessig; t I i i r tung in Alkohol~ F~rbung mit H~matoxy l inca rmin ; Lithioncarmin mit Pikrin-

alkohol2

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Beitr~ige zur K~suistik u. patholog. Anatomie c!. Neubildung. d. ~iuB. Ohres. 77

Zun~ehst finden wir an der Peripherie eine starke Ent- wiekelung des Oberhautlagers~ indem sieh die Papillen als sehr lange und tiefe, dabei aber zumeist nicht breite Zapfenstreifen in die Tiefe senken: setten einfaeh verlaufend~ sondern zumeist viel- faeh oder mehrfach verzweigt, dendritiseh. Dadureh entsteht nicht selten eine Art eines tieflappigen Baues.

Die dunkleren Partien ergeben sieh als starke pigmentierte Retezellen, die fast regelm~fiig laufend: einen ganzen Saum bilden.

Zwisehen den Papillen schieben sieh vsrh/iltnism/~l~ig zahl- reiehe und groile Oef/~f~e durch und das Bindegewebe ergibt sich als sine gr~l~tsnteils fibrill/~re, m/~l~ig zahlreiche Bindesubstanz obne irgendwelche Besonderheit.

Diesem mikroskopisehen Befund gemgl~ werdsn wir bereeh- tigt sein, die vorliegende Neubildung" als sin P a p i l l o m a den- d r i t i c u m des Meatus anzuspreehen, das vorl/~ufig noeh nieht die Tendenz der MalignitKt tr/igt, immerhin aber, bei l~ngerem Bestande, mSglieherweise eine Metapasie ins CareinomatSse h/itte erreichen kSnnen. Eigentiimlieh ist auch die an diesem Orte nieht gewShnliche Pigmenteinlagerung.

Beztig'lieh des Eutstehens des kleinen Nsoplasmas diirfte die eiterige ehronisehe Mittetohreiterung dureh den seinerzeitigen per- manenten Reiz tier GehSrgangswandung ~tiologiseh wirksam gs- wesen sein. Vielleieht w~tre aueh denkbar, da[}, yon der Patientin bisher unbeaehtet, ein klsiner naevus~hnlieher Fleck an der Wand sail, yon dem aus dutch dis Reizung die Bildung ihren Anstofl nahm; am ehesten wiirde sieh dadureh zwanglos aueh das Vor- handensein der pigmentierten Zellen erkl~ren lassen. Anam- nestiseh war aber, wie gesagt, nichts in dieser Beziehung zu eruieren.

Daft trotz der relativen Dicke der ttauflager so leieht Blutungen auftraten bei meehanischer L/~sion, hat mSglieher- weise seinen Grund darin, daft die einzelnen kleinen Sprossen leieht abgerissen oder wenigstens eingerissen werden konnten und so zu den Gef~l~en den Zutritt gaben.