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Beitrage zur Pathologie und palrhOl, lnatomie des Yon Dr. Hermann Schwartze. Ohres In Folgendem erlaube ich mlr das Resultat yon 24 Ohrsectlonen vorzuleffen, um~ an dieselben anschliessend~ ausser den nSthigen epi- critischen Bemerkungen einige Notizen zur Pathologic des Geh~ror- gans beifiiffen zu k~nnen Die 24 untersuchten Geh~rorgane stammen yon zw~lf IndNiduen~ yon denen ich vier bel Lebzeiten selbst untersucht babe (Fall I~ VII!~ IX, X). Ueber die iibrigen acht Indivlduea habe ich dutch die Giite der behandelnden Aerzte genaue Naehrlchten~ den Krankheitsverlauf und den Grad der H(irst~irung betreffend, erhalten. Bei zwei Indivi- duen war die Erkrankung des Ohres mit Bestimmtheit directe und alleinige Todesursaehe (Fall I, II). I. 0torrhoe seit 43 Jahren nach Masern. Polyp der Paukenh~hle. P15tz- lich acute Erscheinungen, die den Tod in 93 Tagen herbeifiihren. Wall. nussgrosser Abscess im linken Kleinhirnlappen. Hydrocephalus internus. Frau H., 46 Jahre alt, hatCe als dreij~ihriges Kind Nlasern. Seither soll sie schwerhiSriff gewesen sein und auch seit eben dieser Zeit (43 Jahre lang) Ohrenfluss gehab~ haben. Archly f. Ohrenheilkunde. L Bd, 14:

Beiträge zur Pathologie und pathol. Anatomie des Ohres

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Beitrage zur

Pathologie und palrhOl, lnatomie des Yon

Dr. H e r m a n n S c h w a r t z e .

Ohres

In Folgendem erlaube ich mlr das Resultat yon 24 Ohrsectlonen vorzuleffen, um~ an dieselben anschliessend~ ausser den nSthigen epi- critischen Bemerkungen einige Notizen zur Pathologic des Geh~ror- gans beifiiffen zu k~nnen

Die 24 untersuchten Geh~rorgane stammen yon zw~lf IndNiduen~ yon denen ich vier bel Lebzeiten selbst untersucht babe (Fall I~ VII!~ IX, X). Ueber die iibrigen acht Indivlduea habe ich dutch die Giite der behandelnden Aerzte genaue Naehrlchten~ den Krankheitsverlauf und den Grad der H(irst~irung betreffend, erhalten. Bei zwei Indivi- duen war die Erkrankung des Ohres mit Bestimmtheit directe und alleinige Todesursaehe (Fall I, II).

I.

0torrhoe seit 43 Jahren nach Masern. Polyp der Paukenh~hle. P15tz- lich acute Erscheinungen, die den Tod in 93 Tagen herbeifiihren. Wall. nussgrosser Abscess im linken Kleinhirnlappen. Hydrocephalus internus.

Frau H . , 46 Jahre a l t , hatCe als dreij~ihriges Kind Nlasern. Seither soll sie schwerhiSri ff gewesen sein und auch seit eben dieser Zeit (43 Jahre lang) Ohrenfluss gehab~ haben.

Archly f. Ohrenheilkunde. L Bd, 14:

196 SCHWARTZE: Pathologie und pathol. Anatomie des 0hres.

Seit etwa 17 Jahren ist nach Aussage des Ehemannes im linken Ohr sin Polyp bemerkt worden. Die H. hat h~ufig an stechenden Kopfschmerzen gelitten, nament- lich bei schlechtem~ feuchteu Wetter~ w~hrend dessert aueh die Schwerhi~rigkeit stets trusser gewesen sein sell. In letzter Zeit wurden die Kopfschmerzen h~ufiger und heftlger. Am 15. Juli 186¢ trat ohne besondere ~ussere VeranIassung pI~tzlich wiederholtes Erbrechen cin~ dabel sehr heftiger Schmerz anf~nglich nur in der Iin- ken Seite des Kopfes~ sparer fiber den ganzen Kopf verbreitet. Die heftlgen Kopf- schmerzen wlederho]ten sieh in den folgenden Tagen ruekweis¢; zeitweilig liessen sie erheblich hath. Bei starkem Druek auf den Scb~del ersehien der Schmerz tier Kranken weniger hefgg~ wenigstens verlangte sis jedesmal sehr stiirmisch naeh die- ser ttfilfe. Die SchwerhSrigkeit des bis dahin m~issig schwerh6rigen rechten Ohres nahm bald naeh Eintritt der acuten Erseheinungen erheblieh zu. Am 23. wurde sis yon ihrem Mann in die Poliklinik fiir Ohrenkranke gefahren und hier Folgen- des constatir~: Klonlsehe Kr~mpfe im Bereiche des linken 1~. facialls. Keine aleut- lichen L~hmunffszust:~nde. Die Unke Augenlidspalte erscheint etwas trusser wie die rechte. Pupillen beiderseits gleieh, eng, yon t r i ter Reaction.

NackenmuskeIn s~ark gespannt, Puls langsam (60). Aus tier linkea Ohr~ffnung rag~ eln kolblger, fester Polyp hervor, neben clem sp~irliehe ser~;s% getbliehe Fliis- slgkeit aussickert. Umgebung des Ohres nh'gends bei st~rkerem Druck schmerzhaft.

Des ~ec]~te Trommelfelt zelg~ zwel grosse geheilte Perforatienen~ die (lurch elne weiss]iche Brlicke getrennt slnd, in welcher~ fast horlzontM~ yon aussen nach innen ~ertaufend, der Itammergriff liegt. Die hinters lqarbe liegt viel mehr nach innen als die vordere.

Die SchwerhSrlgkeit ist so bedeutend, dass nut bei sehr lautem Sprechen in des reehte Ohr ¥erst~ndigung mSglich ist. Diese auffallende Versehleehterung des HSrens sell nach Aussage des Mannes erst wenlgo Tags bestehen. Die Sprache ist lallend, unverstandlich. - -

Die Prognose war sehr zweifelhaft, wurde sogar glelch nach der crsten Untersuehung lethal gestellt~ indcm es bei der Verlangsamunff des Pulses~ Contractur der Nackenmuskeln~ Yerengung der Pupillen und der sonstlgen Erscheinungen mehr als wahrschelnlich war, dass bereits ein Gehirnleiden vorhanden sel.

In Fel ts dieser Annahme hielten wir es fiir gerathen~ die Ent- fernung des Polypen nieht mehr vorzunehmen. Ware bald naeh der Opera t ion de r l e tha le A u s g a n g elngetreten~ den wi r ohneh in erwar~en

muss ten , so w~re nat l i r l ich in den A u g e n der Angeht~r igen die O p e -

ra t ion Schuld an diesem Ausgange gewesen. Wir beschr~nkten uns deshalb auf sin ableltendes Verfahren und Morphium. Zu Blutent- ziehung lag kein Grund vor, well nirgends bei Druek Schmerzhaftig- keit zu linden war~ [iberdies waren sehon draussen hinter dem linken 0hr einige Blutegel gesetzt worden.

Die Kranke bekam Calomel (gr. /?) mit Opium (gr. t/4 ) 2stiindlieh, Poekensalbe in den Riicken zu reiben: zur Naoht morph, acet. gr. 1/3.

24. VII. P. 66. R. 16. tteftiger Kopfschmer~ 7 bes. rechts. Spastische Bewe- gungen im Gebiet des tinken Faeialis dauern fort.

SCHWARTZE: Pathologic und pathol. Anatomie des Ohres. 197

25. VII. P. 60. R. 18. Beginnende Ltihmung des N. facialis~ gleichzeitig heftigere Spasmen in seinem Geblet. Kopfschmerz ebenso.

26. VII. P. 60. R. 16. Vollst~indige L~ihmung des N. faeialts, Hyperaesthesie des Quintus tier gel~hmten Seite. Nackencontractur starker, heffiger Kopfschraerz.

27. VII. P. 60. R. 16. Wie gestern, mitunter Ielse Zuekungen in den Ex- tremit~ten.

28. VII. Zustand ebenso. Abends 3/3 gr. Morphium. 29. VII. Ebenso. Wegen h~ufiger diinner Entleerungen Calomel ausgesetzt. 30. VII. P. 78. R. 18. Heftige Schmerzen in den Extremit~ten, sonst un-

ver~ndert. 31. VII. 1. VIII. Keine Yer~nderung. 2. VIH. Abends 1 gr. Morphinm pro dosi. 3. VIII. Grosse ~ Sehw~iehe~ collabirtes A ussehn. 4, VIII. P. 66. R. 15. Schmerzen und Kr~mpfe gerlnger~ Sehw~ehe desto

grosset. Es zeigt sieh Appetlt. 5. VIII. 6. VIII. Zunehmende Sehw~iche~ sonst kelne Ver~inderung.

In der Naeht vom 6. zum 7. heftlge allgemelne Convulsionen~ heftige R~ieken- contraetur, f~irehterllche Sehmerzen im Kopf% Cyanose, Ted. Das Bewusstsein war bls zum Tode erhalten.

8eetlon (3"6 h. p. m.): Nach Abnahme des dieken Sch~ideldaches erseheint die Dura mater m~isslg ~en~s hyper~misch. Unter derselben die Gyri verstrichen, das Gehirn prall gespannt. Sehr ~iel Wasser in belden seitliehen Ventrikeln, deren Wandungen theilwelse weiss erweicht (cadaver,s). An tier Sch~idelbasis kein ]~iter, ausser in tier Umgebung des Porus aeustlcus int. sin. Ei terbeschhg auf der llnken Seite des Pens Varolll. Ira tinken Lappen des Ktelnhlrns ein Abscess yon der Gr~sse einer grossen Wallnuss. Belm vorsi~htigen Abheben des Gehlrns won tier Sch~lelbasis rlss die dfinne Sehicht, Gehirnsubstanz, welche die Abscessh~hle naeh aussen begrenzte, ein. Facialis undAeustleus an ihrem Austritt aus Per. aeust, int. sin. mlssfarbig, eitrig zeffallen. Dura mater tiber dem linken Fe]senbeln sitzt auf- fallend lose nnd l~isst sieh leicht abheben, am reehten Felsenbein sltzt sie erheblieh fester. Das linke Felsenbein ~st yon aussen iiberalI glatt~ ohne Caries. Sin. trans- versus ohne Thrombus gesund. Der sonstlge Seetionsbefund (a| te Adh~slonen an Lungen und Mile - - Sehnfirleber - - Uteruslnfarkt ~ grosser Sehnenfleck auf dem Herzen) stand in keinem Zusammenhang mit dem Ohrleiden.

Die genauere Untersuehung der Geh~rorgane ergab:

Lin~: Der Polyp ragt mlt seinem kolbenfSrmigen Ende auch nach dem Tode fiber das Orifieium ext. hinaus und erfiillt den Meat. extern, vollstSndly. In dem- selben findet sieh neben dem Pelypen nur wenlg k~sig elngedickter :Eiter. Veto Trommelfell ist keine Spur mehr vorhanden. Aueh die PaukenhShte, deren Decke ungew~hnlieh dick ist~ ist ausgeffitl~ durch den Po]ypen~ der mlt zwei getrennten Wurzein en~springt~ elnmal yon der Labyrinthwand tier PaukenhShle und zweitens aus der knSchernen Tuba. Was die erstere an Raum der PaukenhShle iibrig l~sst, ist erfiillt dureh eln loekeres Bindegewebspolster, alas slch aus der Sehlelmhau~ der Paukenh~hle entwiekelt zu haben scheint, und eingek~isten Eiter. Auch bel genaue- rer Preparation finder sich Nichts won Hammer und Amboss, die also im Laufe der langj~hrigen Ei t~ung ausgestossen sein mfissen; dagegen findet sich der Stelgb~igeI vor~ v~llig verhfillt in dem e r w ~ n t e n Bindegewebspolster, getrennt aus seiner Ver- bindung mlt For. ovale, mit seiner Platte vor dessert Oeffnung liegend. D~r Ein-

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198 SCHWARTZE: Pathologic und pathol. Anatomle des Ohres.

gang zur fen. rotunda ausgefiillt dutch die gewucherte Schleimhaut. Weder ira ~'Ieat. ext. noch in tier PaukenbShle cariSse Knoehenstellen, ausser einem kleinen Stiiek des Canal Fallopiae, Yorhof ~ und allo Kan~Ie mlt Eiter gefiillt.

E. faclalis am Knie seines Knochenkanals blosliegend, missfarbig. Meat. audit. int. bis aaf den Boden mit Eiter gefiillt, beide Nerven in ihm eitrig zerfallen. Die grosse horizontale NebenhShle der Pauke mit missfarbigem Eiter gefiillt. Proc. mastoid. ,~511ig massiv knSchern.

Die linke Tuba Eust. entMilt ira kn~ichernen Theft neben der Polypenwurzel eingetrockneten Eiter, im knorpllgen Theit g]asigen Schlelm. VioIinsaite E t~isst sich leicht dutch die gauze Tuba hindurehsehieben.

tlechts: Das Trommelfell zeigt das sch0n hei Lebzeiten beobachtete~ eigenthfim- ]iche Bild zweier ausgedehnter Vernarbungen fr~iherer Substanzverluste, die dutch elne sehmale Briicke des weiss]iehen verdickten Trommelfe]lrestes getrennt sind. In dieser Briicke ]iegt der Itammer~ fast horizontal ~on aussen nach innen verlaufend~ dessen Proe. brevls sehr deuflich hervortrit~.

Die Tuba Eust. ist frei, ihre Schlelmhaut gesund. VloIinsalte E dringt bls in die Paukenh~Shte vor, stSsst dort aber gegen die stark eingezogene vordere Narbe. Bei dem ¥ersueh die Sonde weiter zu bringen~ dr'~ngt ihre Spitze den unteren Theil der Narbe etwas naeh aussen, ohne sie zu zerreissen. W~hrend der Luftdusche buchtet slch nur die vordere Narbe etwas vor and zwar in ihrem unteren Theile, w~hrend die hintere sieh durchaus gar nleht bewegt. Diese zeigt yon aussen ganz naeh oben und hiaten eine kleine Ausstfilpung odor ttervorragung~ die auf den Kopf des Steigbiigels zu bezlehen ist.

Bei direktem Druck auf den Hammer bewegt sieh derselbe mit der Briicke zwischen beiden Narbea etwas, bietet abet dabei einen ziemllch starken Wider- stand. Das tegmen tymp. ist ungewShnllch dick. Die Labyrlnthwand der Pauken- hShle ist mit der hintern Narbe in ihrer ganzen ~4_usdehnung und mit der vordern in ihrer oberon H~lfte verlSthet. Proe. mastoid, massiv~ wie links. Facialis und Aeusticus bei ihrem Eintrit t in den Porus acust, int. yon normalem Aussehn. - -

Die Ursache des pliitzlichen Auftretens der acuten Erscheinunffen, nachdem 43 Jahre ]ang eine Otorrhoe bestanden hat, ohne dcm In- dMduum weitere Naehtheile zu bringen als die einseitige Taubheit und die zeitweiligen Kopfschmerzen, lag unzweifelhaft in dem gehin- derten Abfluss des Eiters. Der iiussere Gehbrgang wurde vollst~indi 9 dureh den Polypen erfiillt~ die Tuba in ihrem knSehernen Theil dureh die sine Wurzel desselben hoehgradig verengt~ die Zelten des Warzen- tbrtsatzes waren dutch Knoehenmasse v~;lllg ausgefiillt. Die lang- jahrige Entziindung hatte ferner zu einer Yerdiekung der knSchernen Deeke der PaukenhShle gefiihrt, dureh welehe sieh sonst bekanntlieh am h~tuflgsten die Entziindung auf das Gehirn ausbreitet. Der Eiter land schliesslieh einen Weg in das inhere Ohr dureh das ovale Fen- ster. Das Ringband des Stelgbiigels ist wahrseheinlich durch Ulce- ration zu Grunde geffangen; aueh kann die Zerrung, die dureh das Gewieht des Polypen selbst veranlasst wurde, zur Lostrennung des Steigbiigels aus seiner Verblndung" beigetragen haben. Seinen weite-

SCHWARTZE: Pathologie und pathol. Anatomle des Ohres. 199

ren Weg in die Seh~tde]htihle nahm der Eiter dann dureh den Meat. audltorius internus. Die vorhandene Caries an der ~ussern Wand des Canal. Faltoplae~ wodurch eine kurze Streeke des N. faeialis blosge- legt war~ ist,sofern bemerkenswer~h~ als sich iibrigens in allen Thei- len des Felsenbeins keine Spur yon Caries auffinden lless. - -

Auf dem rechten Ohr hat in friiherer Zeit, wahrscheinlich aueh in der Kindheit nach Ablauf der Masern~ elne eitrlge Entziindung der Paukenh(ihle bestanden, die spontan geheilt ist unter Hinterlassunff dieser belden ausgedehnten~ zarten Narben. Beide sind in ihrer gritssten Ausdehnunff mit der Labyrinthwand der Paukenh(ihle ver- liithet~ so class dadurch eine nahezu vollstiindige Obliteration der Paukenhiihle zu Stande gekommen ist. Dieser Verengung entsprechend hat die Kette der Geh(irkn~chelchen eine hochgradige Versehlebunff und Lagerveri~nderung erlitten.

Trotz aller dieser auffal]enden Veriinde~mgen in Trommelfell und Paukenhiihte war das GehSr der Person bis zum Auftreten der acuten Krankheitserscheinunffen leidlieh gewesen.

Die pl~itzliche Zunahme der rechtseitigen Schwerh(irigkeit naeh Eintritt der cerebralen Erseheinungen dtirfte bei dem 5Iange ! eines bemerkbaren pathologisehen Befundes im innern Ohr auf den hoeh- gradigen Hydrocephalus internus zu beziehen sein. - -

Derartige grosse Narben werden, wenn sic stark naeh innen ge- sunken der Labyrinthwand anliegen~ yon wenlger Geiibten oder bei oberfl~tehlieher Untersuchung sehr leicht fiir grosse Defekte im Trom- melfell ffehalten. Ein untrtigliehes Kennzeiehen, dutch welches wir im Stande slnd, ohne weitere ~[anipulationen mit den Kranken vor- zunehmen, diesen Irrthum zu vermeiden, liegt in der Anwesenheit kleiner~ glitnzender~ nieht pulsirender Lichtreflexe auf tier zarten Narbe, die vermuthlieh dutch die Fattungen dieser i~usserst diinnen Hitute zu Stande kommen.

Fiir die Praxis kiinnen wir aus diesem Falle die Lehre ziehen: dass grosse Ohrpolypen ohne ausgebreitete Caries des Felsenbeins~ auch wenn sie lange Jahre bestanden haben, ohne ihrem Besitzer wesentliehen ~qachtheil zu bringen: pltitzlieh die Ursaehe yon aeuten Gehirnerseheinunffen werden ktinnen~ die in kurzer Zeit zum Tode fiihren. Darau.s erhellt die Nothwendigkeit der friihzeit~en Ope- ration. - -

Die H. war mit ihrem Ohrpolypen selt Jahren in einer Lebens versieherung~ hatte Jahre lang ihre Beitriige gezahlt und w~tre durch ein Attest, welches die Ursaehe des Todes wissensehaftlich ffenau auf- kli~rte: ihrer Anspriiehe yon Reehtswegen verlustiff gegan~en. Sic

~ 0 0 SCHWARTZE: Pathologic und pathol. Anatomle des Ohres.

war indessen in die ¥ersicherung aufgenommen ohne Rficksicht auf ihr bestehendes Ohrenlelden.

Die Aerz~e an Lebensversieherungen soilten slch erinnern, dass yon eitrigen Ohrentziindungen ausgehend durchaus nieht selten ein unerwartet schnelles Lebensende eintreten kann. - -

II.

TGdtlieher Ausgang einer ehronischen Otitis interna dutch Meningitis basilaris o hne Perforation des Trommelfelles und ohne Caries des 3?elsenbeins. 3?ortleitung des 3~iters durch fenestra rotunda, Porus

acusticus internus. J)

Frau von 24 Jahren hatte eine ,intensive Perimetritis, yon einem frieselartigen Ausschlage gefolgt ~ fiberstanden. Trotz des iirztliehen Verbotes machte sic einen Taufschmaus mit und verlor danach pl~tzlieh ihren seit ]gngcrer Zeit bestehenden linkseitlgen eitrigen Ohrenfluss. Naeh den Aussagen der RngehSrigen hat sle vor- her 5fters an Schwindelzufgllen gelitten~ vielfaeh Verdauungsst~rungen und einen ~ibelrieehenden Athem gehabt. Der Ohrenfluss sell keineswegs profus gewesen sein.

Tags darauf Symptome yon Basilarmeningitis, die in nicht vollen drei Tagen zum Tode fiihrte.

Section zeigte am Herzen Hypertrophie des linken Yentrikels ohneKlappenaffeetion~ Lungen ohne Tuberke]. Eitrige Meningitis an der Basis, nur linkerseits, dam Yerlaufe der Fossa Sylvii entlang, Hydrops ventriculorum. Aus dem llnken Porus aeust. int. tritt griinlicher Eiter hervor. In der Vena jugul, sinistra in der Gegenfl des Loch's ein verh~Itnissm~ssig grosses unfl derbes Bluteoagulum. Die yon mir ge- nauer untersuehte llnke Pars petrosa zeigte das Trommelfell sehr verdickt, yon gleichm~issig gelbweisser Farbe, gEnzlich undurehseheinend. ¥om Hammer kaum eine Andeutung des Proe. brevis zu erkcnnen. Die Mitre tier Membran ist gegen die PaukenhShle stark eingesunken. Die auskleidende Haut der Pauke unter teg- men tymp. sehr verdickt (reichlieh ~/~¢~J diek)~ ebenso ein Ueberzug tier GehBr- kn~che]ehen, in der Auskleidung des sinus horizontalis und der HShle des Zitzen- fortsatzes. Ueberall in diesen H~hlen eingediekter Eiter. Die Zellen des Zitzen- fortsatzes stellen einen einzigen Hohlraum dar yon der GrSsse einer sehr grossen Bohne mit ganz glatten Wandungen~ ohne alle Knoehenvorsprfinge oder kn~cherne Seheidew~nde. Dieser Hohlraum wird yon einer Knochenrinde umgeben, die fiber- all ziemlich gleich 1,5 m stark ist. Der Zitzenfortsatz communicirt dutch eine weite

1) Die Notizen fiber den Krankheitsverlauf verdanke ich Herrn Dr. Herrnann I£Sh~er in ~Vettin.

SCHWARTZE: Pathologie und l~athol. Anatomie des Ohres. 201

Oeffnung mit dem Sin. horizontalis, aber nicht mit dem kn~ehernen ~ussern GehiSr- gange, Das Lumen der knSehernen Tuba erweitert, bes. Ost. tymp., ihre Schleim- haut nieht verdiekt wie die Paukensohlei~:uhaut. Knorplige Tuba fehlt am Pr~parat. Hammer - - Ambossgelenk sehr sehwer beweglich. Dutch Zug am tensor tympani kann das Trommelfell nur ~ussers~ wenig beweg~ werden.

Die Muskelfaseru des tensor sind falgg degenerirt and nut an einzelnen Fibril- len l~sst slch noch Querstrelfung erkennen. Die Sehne des tensor ist in ihrem Ver- lauf durch die Pauke umgeben und elngeh~illt yon neugebildetem Bindegewebe. Aehnllehes Gewebe fixirte l=[ammerkopf und Ambosski~rper mit vielfaehen StrRngen an der i/berliegenden Knochendecke. Die Sehenkel des StMgbfigets sind elngehfiIlt in die gewucherte Auskleidung der Pauke: so dass der Raum zwischen dem Bogen vlillig ausgefiillt ist. Yon den Scheukeln aus gehen vielfache Strangbildungen nach der Paukenh~hlenwand. Am Ringbancle des Steigbfigels ist bei durehfallendem Lichte keine auffallende Yerdiekung bemerkbar. Vom ge~ffneten Vorhofe aus be~rachtet zeigt der Steigbligel bei Druek auf alas K~pfehen keine deutlieh erkennbare, bei di- rektem Druck auf die Platte nur eine sehr gerlnge Bewegliehkeit. Die beeintrKch- tigte Bewegliehkeit ~st offenbar nur dureh die abnormen bindegewebigen Pixatlonen tier Bogen veranlasst.

Im Kanal zur fenestra rotund. Eiter , die Membran derselben vSlllg versehwun- den, durch die Eiterung zerstSrt. Schneeke und Vorhof enthalten Eiter~ ebenso der innere Geh~rgang. Das gauze Os petrosum auffMlend zar~ gebaut und weniger hart wie gewghnlieh. Nirgends eine Spur yon Caries. - -

Es reiht sich dieser Fall an die bis jetzt sp~rliche Zahl yon F~I- len, wo Otitls interna zum Tode fiihrte, ohne class Perforation des Trommelfells elngetreten war. Die yon Toynbee in selnem Catalogue angefiihrten hiehergeh~rigen Ftinf F~lle hat v. Tr~ltsch mit dreien an- derer Beobachter bereits zusammenffestellt (Anatomie p. 70).

Unser Fall ist dadureh ausgezeiehnct, dass keine Caries vorhan- den war. Der in der Pauke und ihren Nebenh~hlen abgesonderte Eiter fund lange Zdt hindurch seinen gen~igenden Abfluss dureh die abnorm weite Tuba Eust. Dafiir kSnnten auch die chronisehen Di- gestionsstSrungen der Kranken und der foetor ex ore sprechen. ~qach einer erregenden Ursaehe (dem Taufschmause) hat slch die Eitermenge plStzlieh so vermehrt, dass sie auf dem gewohnten Wege keinen Aus- weg mehr fund. Das Tromme]fell hot wegen seiner hochgradigen Ver- dickung einen ungewShnlichen Widerstand dar.

Es unterllegt woM kaum einem Zweifel, dass~ wenn das Trommel- fell theilweise exeidirt und so der Eitermasse ein freier Abfluss in den GehSrgang gesehafft worden w~ire, die Ulceration der Membran des runden Fensters hKtte verh~itet und also vie]leieht das Leben der Kran- ken ~h~tte erhalten werden kSnnen. Der eitrige Ausfluss dtr Kran- ken stammte nur aus dem ~iussern Geh~rgange (sympathischer Aus- fluss - - Toynbee), wenigstens gelang es nieht~ eine Communication des

~0~ SCHWARTZE: Pathologie und pathol. Anatomic des Ohres.

]~'Ieat. ext. mlt Warzenfortsatz oder Paukenh~hle aufzufinden. Damit stimmt die Angabe der Angeh~rigen iiberein~ dass die abgesonderte Eitermenge nur sp~rl~ch gewesen sei.

I l l . IV. V.

Otitis interna purulenta infantum,

Fall I,

Ausgetragenes Kind, kam asphyetlsch zurWelt (Zange), wurde dureh kiinstliehe Respiration belebt~ ¥erdacht auf Strabismus divergens, jedoeh nicht mit Sicherheit zu eruiren.

Tod erfolgte am 3. Lebenstage an Atelectasis pulmonum. Section 48 h. p. m. Linkes Ohr. Auf dem Trommelfell der gewShnliche Beleg yon Epitelmassen.

Die Cutissehicht darunter sehr dick, graur~thlleh. Yore Hammergriff nichts er- kennbar. Innere Fl~che des Trommelfells dendritisch injlcirt. PaukenhShle voll yon gelb-grfinlichem, diekfliissigen Eiter, in dem sich viele sebr gut erhaltene Flimmerepitetlea zeigen. Nach Abspiilung des Eiters erseheiut die gauze Ausklei- dung der PaukenhShle dunke]roth, fast schwarzroth~ betriichtlich aufgeloekert. Aueh in der rudiment~ren WarzenfortsatzhiShle derselbe Eiter. Die Tubarsehleimhaut ist big zu ihrer etlgsten Stelle ebenso dunkeh'oth wie die Paukensehldmhaut. Die Ge- hSrknSohelchen sind in der gesehwellten Schleimhaut vSUig verhiillt; nach AblSsung derselben erscbeinen auf ihrer ~ Oberfi~che vlele geschl~ngelte GeF£sse. Im ia~nern Ohr iiberall Iniection. Des hi~utlge Labyrinth stark gerSthet. Auch die W~ude des ¥orhofes zeigen zierliche Gef~ssnetze.

Rechtes Ohr. Viollnsalte A lllsst sieh ohne des geringste Hindernlss dureh die Tuba bls in die Pauke schieben. Die Schleimhaut der Tuba ist blass~ nut geringe Injection aaf dem kleinen WuIst hinter der RachenSffnung. In der Pauke weniger Eiter wie links, vielteicht dadurch ~ class durch die Einfiihrung dcr Sonde ein Theil desselben entfernt wurde. Trommelfell genau wie links. Die Auskleiduag der P~uke erseheint nach dem Abspiilen mlt Wasser fast sehwarzroth (einzelne Ecchy- mosen). Diese starke R~thung sohneldet ziemtich plStztiah am Ost. tymp. ab. Inneres Ohr wie links.

Tall II .

Ausgetragenes Kind. Sofor~ naeh der Gebur~ (ohne forceps) rechtseitige Facia- lisl~hmung, und linkseit~ge Ocu]omotorius]~ihmung.

Die ~cction (Pro£ Co,berg) zeigte im Gchlrn absolut nichts Krankhaftes, als eine m~sslge veflSse Hyper~mie~ dagegen ausgebreitete Diphtheritis der Nasen- and

SCttWARTZE: Pathologie und pathol. Anatomle des Ohres. 203

Rachenschleimhaut - - Arteriitis umbilicalis -- Mastitis dextra~ ,~ersehiedene Zellge- websabscesse, darunter ein gr~serer in dem Zetlgewebe der Lumbargegend.

Rec~htes Ohr: Trommclfell mlt der gcwiShnlichen~ dicken k~slgen Epidermislage. Cutisschieht stark ficischiff verdickt. Starke Injection der Schlelmhautschicht. Ca- rum tymp. ganz roll yon grlinliehem Eiter. GehSrkni~chelchen in situ, ihr Ueber- zug wie die gauze Auskleidung der Pauke dunkelroth, sammetartig aufgelocker~, nlcht mit diphtheritisehem Iafiltrat durchsctzt. Schleimhaut der knSchernen Tuba: so Welt sie am Pr~parat vorhanden ist, ebenfalls stark ger~thet und mit Eiter be- deckt. Dos Neurilem des N. faeialis ira Canalis Fallop. crschien fiir das blosse Auge weiss~ ohne Injection~ bei 90facher Vcrgri~sserung erschienen indess ausserordentlich v ide , stark geschl~ingelte feine Gef~sse in demse'lben. Die Nervenfascrn selbst schienen unver~ndert. Im ganzen innel:a Ohr schon fiir dos unbewaffnete Ange lebhafte Injection~ am st~rksten in der Sehnccke.

Linkes Ohr: Nach Abziehen der dicken Epidermislage vom Trommelfell er- scheint die Curls sehr stark injicirt, radi~r und kranzfSrlnig. In der Pauke ist dicker, etwas cingetrockneter, ge]b]icher Eiter. Darunter die Sch]eimhaut nicht so stark aufgelockert und gerSthet wie links. GehSrkaSchelchen in situ. Nach Ab- spiiIung des Eiters f~llt an der obern-innern Wand der PaukenhShle, fiber demPro- montorium tin hirsekorngrosses: weisses, ovules Kn~tehen yon elgenthiimllchem Glanz auf, d a s d e r Schleimhaut aufsitzt, ctwas iiber dieselbe hervorragt. Bci 90- facher YergrSsserung 6rscheint dasselbe als ein abgeschlossener Sack~ begrenzt yon einer bindegewebigen tt[ille, der vSllig erfiiltt erscheint yon Fcttkrystallen (rhombi- schen Tafeln). Dcr Sack liess sich uuter dem Deokglas ziemlich schwer zerdriickcn, platzte abet doch endlich. Der Inhalt zeigte nebcn den gcnannten Tafcln grosse PIattenepitellen~ die an der Rissstc]le der Kapsel in zusammcnh~ngenden Lagen siehtbar wurden und die Innenwand derselben a uszukleiden schien~n. Beim st~rke- r en Dr~icken traten indess so viel derartige Ze]len hervor~ dass der ffanze InhaIt der Cyste aus denseiben mit den Krystallen bestehen musste. Jod - SO 3- Reaction anf Cholestearin gelang nieht.

Sehnecke vollEiter, der ebenfal]s etwas eingedickt ist~ Textur der Lain. spiral mernbr, vSllig in dem umgebenden Eiter zu G runde gegangen. Vorhof und ttalb- zirkelkanKte ohne Eiter, injlcirt. Da der Steigbiigel die Fen. ovalls schloss~ hatte die Ei terung wahrscheinlich die Membran der fen. rotunda zerstSrt, Leidcr war be i der Section nicht genau darauf geachtet worden.

Fall III.

Marastisches Ziehkind yon 3 Monat hatte l~ngere Zeit an Darmkatarrh gelittcn. Anschwellung hinter dem eincn Ohr - - sponeaner Durchbrueh ohne voraufgeffanffen¢ Otorrhoe. Tod erfolgt unter allgemeinen Convulsionen. - -

Section zeigt Gehirn gesund, Lunge atelectatiseh. In tier entsprechenden Pauken- hShle is t die Schleimhaut so stark aufgeloekert, verdickt und mit Eiter belegt, dass die GehiSrknSchelehen vSllig vcrhiillt und unsiehtbar gemaoht sind. Die genauere Preparation ergibt, class dos Lagcverh~ltniss derselben nicht gesti~rt ist. Nach Ab- spiilung~ des eitrigen Beleges zeigt sieh dunkelrothe Injection. Auch die Schlein~- hautplatte des Trommelfells ist stark aufgelockert, so dass das Trommelfell yon aus- sen erhebllch verdickt erscheint. DiG Schleimhaut der T u b ~ so welt sic am Pr~- parat vorhanden~ ist yon derselben Beschaffenheit wie die 'Paukenschleimhaut . ¥or -

204 SCHWARTZE: Pathologic und pathol. Anatomie des Ohres.

hof und knlicherne Canales semicirculares slnd in ihren Wandungen ebenfalls in- jicirt, am st~rksten ist aber die Hyper~mie in der Schnecke. Sehr zahlreiche paral- lele, senkrech~ gegen die ~Vindungen verlaufende, theilwelse geschl~ingelte GeFslsse geben der Lamina spiralis eln fast rosafarbenes Ansehen. Auch das xNeuriIem des N. acusticus ist tebhaft injiclr¢.

Die anatomlsche Thatsache der enormen Haufigkelt der eitrigen Entziindung des Mittelohrs bci kleinen Kindern, auf welche neuerdiugs v. Tr61tsch die Aufmerksamkeit der Aerztc eindring]icher ge]enkt hat, war schon du Verney bel seinen zahlrelehen Ohrseetionen bekannt ge- worden. In seinem Tractatus de organo auditus (latelnische Ueber- setzung. Niirnberg 1684) p. 36 heisst es w~rtlich: Aperui etiam com- plurium infantium aures, in quibus tympanum excrementls erat plenum, interim numquam, neque in cerebro~ neque in osse petroso~ invcnt£ ull£ pravA dispositlone.

In der That kann man reehnen, so vicl ich bisher gesehen habe7 auf 5 Leichen neugeborencr Kinder zweimal diese Eiterung zu flnden. v. Tr~ttsch land sic noeh erheblich hitufiger, ntimlich in 24 Kinder- leichen 17ma], d. h. auf 3 etwas mehr als zweimal.

Naeh Lucae's ~) Untersuchnngcn fiber den Einfluss des Respira- tionsaetes auf die Druckverh~ltnisse des Paukenhtihleninhaltes erseheint es mtiglich, dass bestehende Hindcrnisse der Respiration (Lungenate- lectase, im zweiten Fall der ausgcbreitete diphtheritische Prozess in Nase und Raehen) yon Bedeutung ffir die Pathogenese dieser hgufigen Eiterungsprozesse durch StSrung der in der Paukenhtlhle in der er- sten Lebenszelt stattfindenden umfangreichen Riickbildungsprozesse werden. Im zweiten Fall kommt ausser dem Respirationshlnderniss auch der gehinderte Schlingakt in Betraeht. - -

Bemerkenswerth ist in dem zweiten Falte die Faclalisl£hmung, die bei dem Mangel einer eerebralen Ursache nur auf die hochgra- dige Hyper'~mie und die Anh~ufung des eitrigen Secretes in der Paukenhtihlc bezogen werdcn kann. Es wird uns diese Erschelnung, wclche wir bci akuten Entzfindungen der PaukenhShle bei Erwachse- nen nicht zu selten anzutreffen gewohnt sind, wenlg iiberraschendes haben, wenn wir uns erinnern~ dass dieselbe Arterie~ welehe die Schleimhaut der Paukenh~ihle zum gr(issten Theil versorgt~ mit dem Facialis dureh den Falloplschen Kanal verl~uft und an seln Neurilem vielfache Aeste abglbt.

Die zahlreichen gesehli~ngelten Gef~sse in letzterem sprechen mit Bestimmtheit dafiir~ dass bei Lebzeiten elne vlel stiirkere BlutiiberfiiI-

~) Arch. f. Ohrenheilkunde. Heft 2. p. 105.

SCHWARTZE: Pathologie und pathol. Anatomie des Ohres. 205

lung dieser Gef'~sse und dadurch ein zurFunetionsaufhebung" des Ner- yen ausreiehender Druek auf denselben bestanden hatte.

Die Lahmung des Oculomotorius bleibt unerkl~rt. Die kleine eystische Bildung der Paukenh~hle ist offenbar aus

einem Drtisenfollikel hervorgegangen. Freilieh wissen wir bis jetzt nieht, class normal in tier Gegend dleser Follieulareyste driisige Ele- mente in der Paukenschleimhaut vorhanden sind ~), indess sind sehon andere pathologisehe Befunde in neuster Zeit bekannt geworden ~), die mehr als wahrseheinlich maehen, class viel mehr driisige Elemente in der normalen Paukenschlelmhaut existlren miissen, als wit nach den Ergebnissen der bisherigen Untersuehungen iiber diesen Punkt anzu- nehmen gewohnt sin&

Eine andere Frage ist die, ob eine solehe sehr unscheinbare Folticu- lareyste nieht unter Umst~nden eine grosse pathologisehe Wichtigkeit erlangen kann, indem bei einer grSssern AnhKufung des Inhaltes eine Verdiinnung und sehliesslieh Berstung des Saekes entsteht mit Ent- leerung seines Inhaltes in die Paukenh~hle. Unfehlbar wiirde da- dureh eine eitrige Entziindung in derselben erregt werden, die ihrer- seits wieder zum Durehbrueh des Trommelfells fiihren wiirde.

VI. VII.

Typh~se Taubheit. Einseitiger acuter Catarrh der PaukenhShle.

C h r i s t i a n e K l e f t e aus D. kam am 16. October 1863 in ~rztliche Behand- lung, uud war noch selbst in die Wohnung des Arztes gegangen. Die Diagnose ]autete anfKngllch ,rhcumatisch-nervSses Fieber znit bedeutender SchwerhSrigkeit. a Nach Aussage des ersten Arztes soll die K. schon friiher etwas schwer gehSrt ha- ben, dem widersprechcn andere Angaben der AngehSrlgen.

Am 18. October zelgte sich deutlich der typht~se Character des Fiebers; yore 19.--21. sollen Dellrien und SchwerhSrigkelt wieder gerlnger gewesen sein.

Am 22. wurde die K. in das hiesige Stadtkrankenhaus aufgenommen (Dr. Hertz. berg) und die in demselben beobachteten Symptome spraehen ebenfalls f~ir Typhus, Puls stets um 120~ sehr hohe Temperatur~ Durchflill~, Milztumor, fuligini~ser Zungem beleg. Die Ileo-Coecalgegend war nlemals sehmerzhaft; das Bewusstseln bls zum

i) Cfr. v. TrSltsch ~ Anatomie des Ohres p. 63.

~) CYr. Lucas -- Anatomiseh-physiolog. Beitr~ge zur Ohrenheilkunde. chow's Archiv Bd. 29, H, I, p. 7.

lz~r.

~06 SCHWARTZE: Pathologie and pathol. Anatomie des Ohres.

Tode vorhanden. Die Sehwerh6¢igkdt u,a~" andaue¢nd so hochq~'adig, dass nu t dutch ,,starkes Schreien ~ eine, Ye,r~tSndigung mit dcr Kranken ~n~glich war.

Section, ,~m 26, Oct., 24.. h, p. m. : Keine Darmgesehwiire. Betr.2chtlieher Milz- tumor. Lnngen in den oberen Lappen ~demat~s und emphysemat~s; in den untern hypostatlsche Pneumonle mlt ei~riger Bronchitis. ¥ ie l theerartlges, d[innflilsslges Blur im HerZen. Nieren mit ' ges~hweltter nnd welssticher Rindensubs~/an% sehr blutreich. Gehirn zeigt m~ssigetiyper~imie der pla~ auf der Schnittfl~che z~hlrelche klelne Blutpuakte; n~cht auffa]lend lest. Plex, chor. btass; in den Ventdkebt f~st gar kein Serum.

N. acustici ohne erkennbare Ver~nderang~ lfintere R achenwaad mlt ,:iusserst z~hem, braunrothen Sehleim bedeckt.

Linkes Ohm.: GehSrgang xCrel, Trommelfell um den Proc. brevis ger~thet, aueh ldnter dem Hammergriff eln tother Streif. ~chw~chere R~thuag in der Peripherle. Zartes rSthliches Timbre des ganzen Trommelfells~ veranlasst dutch des Durchsehei- nan der gerStheten Paukensehlelmhaut. Be~ der AnseuItation des Ohres ist erst nach st~rkstem Blasen mit dem Mnnde das Eindringen der Luft in die Pauke h~r- bar~ und zwar mit ganz nahen kna~terndeu Rasselger~usehen, die auch noch hSrbar blel,ben~ nachdem 5fter und l:~ingere Zeit durchgeblasen ist. W~hrend dieses Ein- blasens w~lbt sich alas Tromme]fell dentllcl~ vor in den GehSrgang, am siehtbarsten hinter und unter dem Hammergrlff. hnYergleich zum rechten Trommelfell ~st diese AuswSlbung eine gerlnge. ¥iolinsaite A driugt [5//j in die Tub~ Eust. ein~ des innere DritteI des ~ussern GehSr~anges ist dendritiseh injlcir~, die Gef[~sse gehen an der Peripherle auf des Trommelfell iiber.

Schleimhaut der knorpIigen Tuba ist bless. Die Paukeaschlelmhaut sehr zier- lieh dendrltisch injicirt, am st~rksten auf dem Prommltorium und am Ost. tymp tubae~ ~heilweise mit z~hem, sdlleimigen ~,eeret belegt. Aueh der knScherne Thell der Tuba zelgt in seiner Schtcimhaut ein feines Gef~ssuetz~ was ~n Deu~lichkelt nach dem Isthmus zu allm~lig abnimmt. In der Sehleimhautplatte des zarten und blassen Trommelfells ist se]bst mit der Loupe keine Injection der GefSsse zu erken- nen, Des yon aussen ~uffallende, oben erw~hnte rSthllehe T~mbre des Trommelfells ist also alleln bedingt dutch alas Durehscheinen de~" P~omontoriuminjeet~on, Die Bewegliehkeit dcr GehSrknSehelchen ist ilberall die normale; der Sehlelmhautiiber- zug der StelgbfigeIschenkel erseheint starker ges~hwellt als die iibrigen Parthieeu der Schleimhaut.

tnneees Oh.r: Sehneeke zeigt zahtreleh% stark geffillte Gefiisse, die senkrecht gegen die Richtung der ~Vindungen verlaufen. In den Canal. semicirc, mgssige Fiillung tier GeFgss% die in derselben Rich~ung ver]aufen wle die Kangle selbst. An der Labyrlnthfl~ehe der Membr. tymp. seeund, ist ein stark gefiilltes Getgssnetz sichtbar.

Rechtes Ohr: Geh~rgang frel, ohne Injection, Trommdfell zart, bless ; am Ende des Hammergriffes eine geringfiigige RS~hung. Bei der Auscultation normales Ansehlage- gerRnseh, keiae Spur yon den linkseitigen Rasselgergusehen. Des Trommelfell wSIb~ sieh in toto sehon bei lelsem Blasen in den Catheter nach aussen hervor~ bei wei- ~em st~rker wle des llnke. Viollnsaite A dring~ 18,5 ~ in die Tuba ein, doch i ~ dazu erforderlieh, die Saite ~5~ter zu rotiren. Die E-Salte l~sst sich bls in die Pauke Yorsehleben und wird dann die Spitze derselben yon aussen hinter dem Trommel- fell slehtbar. Die Paukenschteimhaut is~ viet w6nlger injlcirt, wi~ ]inks, nur auf dem ~ibrige~ ge]bllchen Promontorinm vertaufen einzelne stark gefiillte Gef~sse. Auch die Sehleimhaut tier Tuba ist bless.

SCHWARTZF,: Pathologic and pathol. Anatomic des Ohres. 207

Inner ca Ohr: Sehneeke bIutreicher wie normal, sowobl in den knSchernen wie hKutigen Theiten. ¥orhof and Kan~le ohne abnormeu Blutreichthum. - -

Der Contrast zwlschen FunktlonsstSrung und anatomlschem Be- funds ist sehr auffallend. Der einseitige acute Catarrh des Mittelohre%

die Hyper~mie des mitfleren und inneren 0hres ktinnen uns schwer- lich die hochgradlge SchwerhSrigkeit erki~ren.

Das Individuum war doppelseitig taub und doeh sehen wir die Zelchen der catarrhalischen Entzi~ndung nur auf ether Seite.

W i r kSnnen die Annahme einer cerebra]en Ursaehe hier vorl~ufig nicht yon der Hand weisen.

Die Hyper~tmie des inneren O h r e s TyphSser ist bereits yore ~tl-

teren Marcus !) (1813) beschrieben worden. , I r a Vorhof waren das runde und elliptische Blasehen so mit Wasser angeftillt, dass sie den

ganzen Voi'hof ausftillten. Die W~nde zeigten sehr viele kleine Ge-

fiisse, der Nerv in der Schnecke war ganz gertithet, auch an den W~tnden der Schnecke waren lebhafte feine GefassverS, stelungen."

Typh~se Taubheit, Im Geh~rorgan kein weiterer Befund als germger Catarrh der PaukenhShlen,

24j~hriger Mann kam mit Typhus soporSs und fast ganz taub in die reed. Kli- nlk~ so dass aur bet starkem Sehreien direkt ins Ohr eine Antwort wie ,Ja n oder ,Neln" herauszubringen war. Der soporSse Zustand glnff naeh wenigen Tagen in den Tod fiber.

Nur das rechte Geh~rorgan wurde genauer untersucht~ 60 h. p. m. Das Trom- melfell zeigte Injection in der Umgebung des Proe. bre~,is. Die PaukenhShlenausklei- dung war dendritisch injiclrt~ besonders deutlieh in dem Ueberzuge des Hammer- kopfes und des AmbosskSrpers. Die Paukenh~hle enthielt mehr Serum und Schleim als im normalen Zustand (kelne Eiterzellen). Beim Lufteinblasen dureh die Tuba w~lb~ sich das TrommelfelI teicht vor und es sind die Contouren einzelner Sehleim- blasen yon aussen durch alas TrommelfeI1 hlndurch zu erkennen, be~onders nach unten am Boden der PaukenhShleo Im innern Ohr niehts Krankhaftes zu sehen~ auch keine abnorme Injection. - -

Unzweife]haft ist auch in diesem Fa]le der pathologlsche Befund des Mittelohres nur ein nebens~chlicher, der selbst doppelseitig vor- handea nlmmermehr ausreichend gewesen w~re~ di6 hochgradlgc Schwer- hSrigkeit zu erkl~tren. W i t mtissen a uch bier eine central bedingte

1) Beleuehtung der Einw[irfe gegen meine Ansicht fiber den Typhus. Bamberg. S..47.

208 SCHWARTZE : Pathologle und pathol. Anatomic des Ohres.

Taubheit annehmen~ die bel dem vorhandenen Sopor vlelleicht in der giftlg'en Einwlrkung des typhiisen B!utes auf das Gehirn gesucht wet- den darL

VHI.

Einseitige SchwerhSrigkeit, angeblich dutch einen in unmittelbarer N~he des Ohres abgefeuerten Schuss veranlasst. I)

50j~ihrlger Mann erz~ihlte, dass e rvor einer Reihe yon Jahren (etwa 20 J.) auf der linken Seite pl6tzllch dadurch schwerh~irig geworden sei, dass ihm etn Schuss in unmittelbarer N~ihe des Ohres abgefeuert sei. Ob nach dem Schuss Blatung oder sp~ter Eiterung aus dem Ohr stattgefunden hat, wusste er slch nieht mehr zu ent- slnnen. Seine Taschenuhr (Cylinder) hatte er seitdem nioht mehr beim Andriicken an das Ohr gehSrt. Mit dem reehten Ohr soU bls zum Tode gut geh~irt worden sein. Ob 8ausen auf dem linken Oln" bestanden hat, war nicht gefragt worden, jedenfalls hat der Kr. niemals ungefragt dariiber geklagt. Tod erfo]gte an Tuber- culosis pulm.

Scct$onsbefund: Chronischer Pharynxcatarrh mit cystischer Erweiterung der Fol- likel; Schleimhaut des Nasenrachenraums verdiekt, mit ~usserst z~hem~ schlefer- grauen Secret bedeckt. Der linke Tubenwulst ist grSsser und st~irker in das Cavum prominirend wle der rechte. Dutch das st~rkere Vorspringen desselben erscheint die linke H~lfte des Car. pharyng, nas. erhebllch klelner wle die reehte, so (lass elne sehr augenf~ilIige Asymmetric des Cavums entgegentrltt. Auf dem senkrechten Duxchschnltt der ~erdiekten Schielmhaut der hintern Rachenwand ersohelnen ein- zelne erbsengrossc Hohlraume, d~e mtt einer gelbllohen, dickfltlssigen Masse eri~dllt slnd. Der gr~sste derartlge Hohlraum, in der HBhe der reehten Rosenmiil~er'sohen Grube, etwas naeh rechts yon der Mittellinie, promlnirt sogar etwas in der Raehen- htihle. Der gelbliche, zShe Inhalt zeigt hauptsi~chlleh rundliohe Kerne mig Kern- kSrperehen, daneben grSssel'e, fettig entartete Zellen (P]attenepitelien)~ an denen naoh A-Zusatz sehr deutliehe Kerne hervortreten.

GehSrg~nge beiderselts gleich in Lumen und Secret. Das rech~e Trommelfdt ist gleiehm~sslg weisslieh, ohne Lichtkegel, zeigt den Hammergriff nicht so seharf wle gewiihnlich durehsohelnend. Bei der Luftdusche w~51bt sich das Trommelfell in toto hervor~ am st~rks~en hlnten fiber dem Hammergriff. Auch der Hammergriff setbst bewegt sich deutlich dabei. Die Auskleidung der Paukenhllhle ist nur weuig dicker wle normal und der Steigbiigel noch vSll~g beweglich. Die gfelchm~sslg weissliehe Entf~rbung des Trommelfells ist Folge der geringen Verdlckung der Schleim- hautplatte.

t) Durch die Giite des Dr. Sander in Naamburg mir zug~ngig gemaoht.

SCHWARTZE: Pathologic und pathol. Anatomic des Ohres. 209

Das linke Trommelfelt ist noeh viel weniger durehsehelnend als das reehte, be- sonders in seiner hinteren Hiilfte. Proc. brevls sprlngt stark hervor, Hammergriff erseheint verkiirzt. Centrum der Membran erseheint auffallead stark nseh innen ge- zogen. Sichelfiirmige Rsnd~erdlekung, am st~rksten naeh hinten und unten (fiber 1 "j breit). In der Gegend wo sonst der Licbtkegel erscheint, an seiner vordern Grenze, ist eine llnsenfiSrmlge Stelle, die diinner wle die Umgebung aussieht and den Eindruek elner geheilten Perforation macht. Sic stellt eln unregelm~ssiges Oval dar, im grossen Durehmesser 1t/4 +", im kleinen 1 j++. Besonders bel durehfallendem Lichte erseheint diese Stelle sehr diinn gegen ihre Umgebung; naeh vorn und un- ten ist sie dutch einen seharfen Rmxd verdiehteten Gewebes begrenzt. Die ~ussere und inhere Epitellage zeigen an dieser Stclle kelne Unterbrechung. Bei der Luft- dusche w~Ibt sich das Trommelfell nut spurenweise am Rande vor, wEhrend Mitre und Hammergrlff vSlllg unbeweg]ich bleiben. Nsch Wegnahme des Daches der lln- ken PsukenhShle erscheint der Kopf des Hammers durch mehrfache fadenfi~rmige Adh~sionen mit der Umgebung fixirt; such vom KSrper des Ambosses gehen ein- zelne Strange zum Hammerkopf~ die nach Trennung der Gelenkverblndung barren.

Der kurze Fortsatz des Ambosses haftet auffallend fest in seiner Verbindung. Die Auskleidung der Pauke hat ein weisses hnsehn und ist fiberall hochgrsdig ver- dickt; es gelingt~ dieselbe mit elner feinen Pinzette yon dem Knoeben abzuheben und in gr'6sseren Fetzen abzuzlehen. Diese ~¢~erdlekung der Schleimhant schneldet nicht am Ost. tymp. tubae ab~ sondern erstreekt sich bis in die knSeherne Tuba hlnein. M. tensor tymp. durchaus normal~ seine Fasern zeigen sehr deutliehe Quer- streifung. Der Steigbiigel ist vSllig eingehiillt in feine bandfSrmlge Adh~isionen, die sieh nach allen Ricbtungen yon ihm zu der Umgebung binzlehen, sehr schwer bewegtich bei direkter Beriihrung~ gar nicbt bei Zug an selner Sehne; vom Vorhof aus ist nur mit der Loupe eine geringe Bewegliehkeit des Fusstr[ttes erkennbar. Die in die linke Tuba gefiihrte Violinsaite A wird mit ihrer Spltze am vordern obern Rande des Trommelfells vor dem Hammergriff sichtbar~ jedoch nur~ wenn sic bewegt wird.

Im innern Ohr normale Endotymphe; nut Spuren yon Pigment in der Schnecke, wie es sich such normal finder; kein Zeichen clues friiher etwa.stattgehabten Blut- ergusses.

Zwischen den Fasern des HSrnerven selbst ist mieroscopisch abso]ut keln Unter- schied wahrzunebmen. Corpora amylaeea beiderseits nich[ gefunden.

ETicrise. W e n n der Angabe des Kranken i iber die pliltzliche

En t s tehung seiner l inksei t lgen Sehwerh~r igke i t Glauben zu schenken

ist~ so haben wl r uns den Hergang ' so zu denken , dass in Folffe des

pl~itzlichen~ s tarken Luf tdruekes eine Rup tu r des Trommelfe l l s mit

Bluterguss in die Paukenhi iMe oder such letz~erer allein ohne Ruptu r des Trommelfel ls erfolgt ist. Das Blutcoagulum in der Pauke hat

eine ei t r ige Entz i indung der Paukenhi ih lenschle lmhaut erregt~ die

einerseits zmn uleeratlven Durchbruch des Tromme]fe]les Veranlassung

gegeben hat (davon s tammt dis vernarbte Perforat ion des Trommel -

fells), andrersei ts dureh Wucherunff des Bindegewebes eine blelbende

Yerdlekunff der auskleidenden Schle lmhaut bedlngt~ und der En t - s tehung bandf '6rmiger Adh~sionen Vorschub ffeleistet ha t , als deren

2 1 0 SCHWARTZE: Pathologie und pa¢hol. Anatemie des Ohres.

gemeinsame Folge die Stiirung der normaIen Lelstungsf~higkelt des Schallteitungsapparates der Paukenhilhle~ und besonders die gehinderte Bewegllehkeit des Steigbiigels im ovalen Fenster aufzufassen ist.

Es kSnnte auffallen, class dem Kranken nicht erinnerlieh ist, je- reals Blut oder Eiter aus dem Ohr vertoren zu haben, doch wenw wir wissen, mi¢ welcher Sorglosigkeit und Indifferenz setbst schwere Ohrenleiden in den niederen Classen sehr gewiihnlleh betrachtet wet- den, so wird der angebliche Mangel dieses Symptoms uns nicht ab- halten, bei unserer Annahme stehen zu bleiben.

Eine gewiihnhche Annahme ist, dass in Folge starken und plStz- lichen Luftdruckes nicht bless das Trommelfell zerreisst, sondern dass sich der Druek auch auf das innere Ohr fortpfianzt durch pl~itz]iches Hineindriicken der Basis stapedis in den Vorhof, entweder Gin Bluter- guss ira Labyrinth erzeugt wird oder dutch Commotion eine Liihmung des l~erven-Endapparates Grfolgt. Ein Bluterguss im Labyrinth hat in unserm Fa]le nicht stattgefunden, wlr hiitten sonst wahrsehelnllch die Spuren desselben in abnormen Pigmentirungen aufgefunden. - -

Dutch dig Secti0n sind Blutergiisse in das Labyrinth iiberhaupt iiusserst sp~rlich nachgewlesen worden. Ich finde bei Toynbee nur zwei Fi~lte, Catalogue %f museum Nr. 752 bei einem Matrosen, der durch Fall auf den Kopf pl~itzlich taub wurde, und Nr. 738 ,.cochlea containing coagulated blood" ohne weitere Angabe.

IX.

P18tzliehe SehwerhSrigkeit naeh Uebergiessen des Kopfes mit kaItem Wasser. Anf~nglieh heftige Schmerzen und qu~lendes Sausen, sparer nur sehr merkbarer Weehsel der HSrkraft. Massige Hypertrol~hie der

Paukensehleimhaut.

Der ~0jEhrige Schuhmacher J a c o i lag mit Tuberculosis pulm. im st~idtlschen Hospital zu bTaumburg (Dr. Sande*~ und erzghlte uns am 18. Dec. 1863, dass er imJahre 18¢1 plStzlich schwcrh~irig geworden sei und zwar durch das Ueberglessen eines Eimers kal~en Wassers fiber den Kept'. Bis zu d|esera Ereignlss habe er ein stets glciehes, feines GehSr gehabt. Bald danach habe er heftige Sehmerzen in belden Ohren, aber keine~t Ausfluss bekommen. Das anf~nglieh sehr quiilende Sausen solI alim~ihlig sehw~ehcr geworden und sieh schliesslieh wieder ganz verlo- ten haben,

SCttWARTZE: Patholvgie and pathol. Anatomic des Ohres. 9][1

Die Sehwerh~rigkeit blieb slcl~ nicht immer glelch, smldern solt sehr wechselnden Grades gewesen sein~ insbesondere sich jedesmal bei heller~ guter Witterung erm~s- sigt haben. Die anf~nglieh vorhandenen Sehmerzen haben sich sp[tter nie wie- derholt.

Der Kr. h~rt mittellaute Spraehe in der N~he sehr gut, seinen Bettnaehbar ~ersteht er nicht mehr, ohne dass dieser seine Stimme laut erhebt. Eine gewShn- llche Ankeruhr hSrt er weder veto Ohr noah ~on den Kopfknochen aus, dagegen eine sehr laut sehlagende, grosse Spindeluhr veto linken Ohr ~/~'~: veto rechten I 'j.

Das linke Trommelfell ist weniger durchscheinend~ weisser und glanzloser wle das reehte. Der Hammer tritt beiderseits deutlich hervor; auffallende Ft~ehenver- ~nderungen sind beiderseits nieht zu bemerken. Die Rachenschleimhaut zeigte sieh blass und zart. Der Catheter wurde nieht angelegt wegen des sehlechten Allge- meinzustandes.

Am 26. Februar 186&, kaum I0 Woehen naeh der Untersuehung' erlag der P. seinem Lungenleiden und bot sich dureh die ganz besondere Gi~ite des Dr. Sander

in Naumburg die Gelegenhei 4 die HSrorgane genau zu antersuehen.

Aeussere Geh~rg~nge beiderseits mit normaler Secretion. Das T,rommelfell zelgt vechts bei der Betrachtung yon anssen eine zarte, weisse Randsiehel nach hlnten, den Lic~htkegel nut an der Spitze vorhanden. Links : eine breitere und weissere Randsichet naeh hinten als reehts. Liehtkegel ist ganz verschwunden, an seiner Stelle nur eln ganz matter Reflex bemerkbar.

Das linke Trommetfell zeigt bei sehr starker Luftdusche (mit der Compressions- pumpe) nur eine ganz leise Spur yon Bewegung an der hintern, obem Perlpherle. Dabei drlngt ¥iollnsaite A dutch die Tuba mlt Leichtlgkeit bis in die Pm~_ken- hShle; ihre Spitze scheint nieht dutch und kann nttr hinter dem TrommeIfell be- merkt werden~ wenn sic bewegt wird.

Die Sehlelmhaut des Nasenrachenramns ist blass und zart. In der MittetHnie der hintern Raehenwand eine hase]nussgrosse Cyste (eystiseh erweiterter Fe]Iikel) mit f~rblosem, z~hfliisslgem Inhalt, glatten Wandlmgen.

Die Auskleidung der linken Pauke ist blass, nut weuig dicker wie *lormal, ebenso die Schleimhaut der Tuba. Feine, stark vaseularisirte 2kdhgsionen fixire~l del~ ltam- merkopf am ~egmen tympani. Bel leiser Berlihrung des Hammergriffes bewegt sich deutlieh das Gelenk zwischen Os Sylvii and lantern AmbosssehenkeI~ der Steigbfigel selbst hingegen fiir das unbewaffnete Auge nlcht bemerkbar.

Vom Vorhof aus (yon innen gegffnet) l isst sich mit der Loupe elne nut ~usserst geringe Beweglichkeit der Stapesplatte im ovalen Fenster erkennen.

Die Knoehenzellen des Prec. mast. siud sehr stark entwickelt~ welt. lm innern Ohr und an den ItSrnerven, aueh bei mikroskopischer Untersuehung der ilhutigen tIalbzirkelkan~le and einzelner Theile der Lamina spiral membr, der Sehneeke nlehts Krankhaftes bemerkbar.

Ira eechten Mitteloh.r finder sleh das est. I)haryng. tubae vbllig verstupft durch gusserst zEhen~ glasigen Sehleim, w~ihrend der Nasem'adhenraum durchans gar nicht mit solchem Secret bedeekt war. :Die Paukensehleimhaut ist nut mlbedeutend dicker wie normal; die Bewegliehkeit des Stelgbiigels erheblieh grbsser wie links.

Wir sehen in dlesem Falle, dass ein bisher gesundes G eh~iror- gan unmittelbar naeh Ueberglcssen des Kopfcs mit kaltem Wasser

Archiv f. Ohrenheilkunde. L Bd. l 5

212 SCHVeAR.TZE: PathoIogle und puthoL Ana~omie des Ohres,

unter entzilndlichen Erscheinungen (aeuter Catarrh der P~ukenhShlen?) erkrank*~ nach deren Ablauf betr~ehtllche Schwerh6rigkeit zuriick- bleibt, ~ls deren anatomische Ursache sich Hyper*rophie der Pauken- sehleimhaut mit Beeintr~ehtlgung der Beweglichkeit des Stapes im ovalen Fenster herausstellt. Der wechsdnde Grad der Schwerh6rig- keit I~sst sich ans der abnorm gesteigerten Secretion im Raehentheil der rechten Tuba Eust. erk]~ren. Mit dem anatomlschen Befunde des sehlechteren linken Ohres ist elne solehe wechselnde Hbrkraft nicht wohl vereinbar.

Erw~hnenswer~h ist~ dass P. nur anf~nglieh und eine Zeit lang naeh Ablauf der entziindllehen Erscheinnngen Ohrensausen gehabt hat; sp~iter hat er hie mehr davon etwas gespiirt~ tro*zdem die Sec- tion gezeigt hat, dass besonders links doch durch die erschwerte Be- wegliehkeit des Steigbtigc]s eine ziemlieh bedeutende Druekstelgerung im Labyrinthlnhalt bestehen musste. Wir d[irfen hlernach in F~llen yon Hypertrophic der Paukensehleimhaut die Ursaehe der subjeetiven Hbrempfindungen ~dcht allein im gestelgerten intraauricuI~ren Drueke suehen~ oder mtissen andrerselts annehmen, dass slch der L~byrinth- inhalt an eine gewisse Drucksteigerung a]lm~hlig gewbhnen kSnn% ohne dass zur Entstehung subjectiver HSrempfindungen Veranlassung gegeben wird. ---

PlStzliehe Einwirkung yon K~lte auf den Kopf und die Ohren wird iibereinstlmmead yon allen Autoren als eins der fruehtbarsten und wiehtigsten i~tiologischen Momente fiir die Entstehung" yon ent- ziindliehen und nervbsen Ohrerkrankungen anerkannt, hn Besondern werden indess nieht allein kalte Begiessungen, sondern aueh kdte Wasehungen des Kopfes, kalte Dusehe, kalter Lnftzug auf die ge- sehwitzte KopfMut, Seeb~der so vielfaeh als erste Geleg.enheitsursaehe prognostiseh sehr ungiinstiger Formen yon ganz sehleiehend einge- tretenen Hypertrophien der Paukenschleimhaut bezeiehnet~ dass nieht eindringlieh genug vor Kaltwasserkuren gewarnt werden ksnn, wozu ich um so mehr Veranlassung findc: ads in neuster Zelt ein franzSsi- seher Autor ~) als Lobredner der Hydrotherapie ftir nervbse und ka- tarrhalisehe Taubheiten aufgetreten i s t . . -

In diagnostiseher Beziehung mbchte die ~usserst geringc Beweg- liehkeit des linken Trommelfelles und die nur leise angedeutete Aug-

l) Delstauche. Lettres sat Potologie. Journ. de Brux. 1862. 34 p. 227; 35 p. 44l.

SC, HWARTZE: Pathologle und pathot. Anatomle des Ohres. 2 [ 3

wSlbung desselben an seiner hintern, obern Peripherie wghrend und trotz sehr starker Luftdusehe als der Hypertrophie der Paukensehleim- haut eigenthiimlieh erwiihnenswerth sein.

X.

Senile Hyl~ertrol?hie der Paukenschleimhaut. Hyper~mie derselben. Sl~itze I~xostose in der rechten Paukenh5hle.

63j~hriger Pflegllng aus elner 5ffent~iehen Anstalt~ starb an chronischer Menin- gitis mit Atrophie de~ Hirnwindungen; sell frfiher an einem Nasenpolypen gelitten haben, der ihm ausgerissen worden ist. Auffa]lende SchwerhSrigkei~ wurde nicht an ibm bemerkt.

Reehtes Ohr: Trommetfeli gIeichm~ssig weisslieh getr~ibt, am st~rksten nach tier hintern Peripherie zu. Lichtkegel fehIt., Centrum abnorm concav. Die Cutlssehi~ht ist zlemllch stark, abet sehr feln injicirt an der ganzen Peripherie und am ttammer- griff. Yon ersterer ]aufen felne Gef~sse in r~di~rer Richtung dem Hammer- griffe zu.

Paukenschleimhaut etwas verdick% ~berall rein deudritiseh injieir~ besonders stark fiber dem Promontorium.

Die Sehne des tensor tympani in ihrer quer dutch die Pauke ver]aufenden Parthie ist begleitet yon einer straff gespannten~ diinnen~ aber breiten, fal~enartigen Pseudomembran, die sieh ziemlich schwer mlt der Pinzette zerrelsst.

Der Steigbiigel ist bei Zug an selner Setme beweglleh, auch sleht mau an der Membran tier fenestra rotunda, bei telsem Druck auf sein KSpfehen, die Labyrinth- fliissigkelt sich bewegen. Am obern Rande des Einganges zum Kanal der fenes~ra rotunda ~itzt eine spitze Exostose, reichlieh 1 m lung, die frei in des Cavum tymp. hineinragt.

Linkes Oh.r: TrommeIfelI noch mehr weiss wie reehts, verdickt. Prec. brevis springt sehr auffallend hervor, Hammergriff liegt fast horizontal. Die I-Iammerge- f~sse sind injic~rt, namentlich am Prec. brevis and am Ende des H~mmergriffes. Unter Ietzterem lieg~ ein rundtichcr, des Lieht auff'~lle~d st~rk refleetirender Fleck, der sich nicht wie ein normaler Liohtkegel gegen die Peripherie bin verbreitet. Paukenschlelmhaut nicht bemerkenswerth verdlckt, jedenfalls diinner wie rechts ; fiberMl dendritiseh injicirt, am st~rksten an tier Labyrinthwand. ttammer-Amboss- gelenk und Steigbfigel leicht beweg]ich. Veto oberen R~nde des tginganges zur fen. rotunda geht quer durch des Cavum nach der hintern Wand der Pauke eine diinne Knochenbrtleke, die etwa I Mm. dick ist.

Exostosen der PaukenhShle ~uf der Promontoriumwand scheinen nicht h~ufig vorzukommen. Wenigstens finde ich weder bei Toynbee noch bei andern zuverl~tssigen Autoren Beispiele beschrieben, Toy~zbee

15,,~

214 SCttWARTZE: Pathologic and pathol, =(nagomle des Ohres.

f[ihrt in selnem Lehrbueh unter den pathologisch-anatomlschen Befun- den der Paukenh8hle nut eine Exostose am Hammergriff auf, im Ca- talog seines anatomisehen Museums Mr. 628 unter Diseases of the malleus: sA small exostosls from the inner surface of the neck of the malleu% which is adherent to the ~nternal wall of the tympanum."

Von den iibrigen zuverliissigen Autoren bemerkt nur Wilde ~) sehr lakonisch: ,,Auch hat man mehrere Beispiele yon Exostosen in der Paukenhbhle."

Dis llnkseitlge Knochenbr[ieke zwisehen oberm Rande der fenestra rotunda und hinterer Wand der Paukenhiihle verdankt sehr wahr- s&einlich einer ithnlichen Exostose~ wie reehts, ihre Entstehung, indem dieselbe bei zunehmender Verl~ngerung sehtiesslich mit der gegen- tiberliegenden Knoehenwand versehmotzen ist. - -

XI.

Langj~hrige einseitige Schwerh5rigkeit nach Masern. Triehterfdrmige ~inziehung tier hinteren Parthie des Trommelfells umt ausgedehnte ~rerlSthung derselben mit tier l.abyrinthwand. Partielle Obliteration der PaukenhShle. ]?ehlen des langen Ambosssehenkels. Verstopfung

des ost. tympanicum tubae dutch Bindegewebswueherungen,

Ein etwa 30jghriger Mann starb auf der medieinisehea Klinik des Prof. Th.

Webe.r an Typhus mit doppelseitiger eitriger Paroti~is, linkseitiger Faeialis- und Oeulomotoriusl~ihmung. Er hagge erz~hlt~ dass er seit vielen Jahren auf dem tin- ken Ohr schwerhSrig gewesen sei, angeblieh in Folge der Masern. Ob Eiterung aus dem Ohr bestanden h a l ist unbekann~. Genauere HSrprfifung und Untersu- ~hung des Ohres bei Lebzeiten hatte nich~ ~tattgefunden. Mar da~ linke ]~'etsen- bein wurde genauer untersueht.

Der Meat. ext. ist erfiillt durch eluen Sack roll dunkelbraunem Cerumen~ der bis an das Trommelfell reicht. Der Sack selbst besteht aus dem ganzcn Epidermis- tiberzug des Ohrganges.

Das Trommelfell ist in seiner hlnteren IcI~Ifte (hinter dem Hammergriff) beson- ders nach oben trichterfbrmig nach innen gezogen and mit der gegeniiberliegesden PaukenhShlenwand ~-erliithe~. Proe. brevls nicI~t za erkennen. Die ,~ordere I-I~lf~e ist bei Beriihruug mit der Sonde elastlsch~ naehgieblg~ gelbHel b stark verdickt.

An der obern Peripherie nach ~'orn und oben vom oberen Hammerende ist eine stecknadelkopfgrosse~ rundliche Oeffnung, die in eJnen kurzen Kanal fiihrt 7 der

l) Uebersetzung p. 243.

SCHWARTZE: Pathologle mid pathol. Anatomie des Ohres. 215

im Grunde nur yon der hypertrophischen Sch]eimhaut der Pauke geschlos- sen ist.

Nach Abhebung der knBchernen Decke der PaukenhBh]e fiel auf der uuter]ie- genden ver~llckten Schleimhaut ein sehr stark enfiwlckeltes Gef~ssnetz in die Augen. Beim Druck'auf den Hammerkopf bewegt sich der Hammergl"iff noch deutlich, doch blelbt die hintere Parthie des Trommelfells dabel g~nzlleh unbeweglich. Der Ham- merkopf ist yon breiten, bandartigen Bindegewebsmt/ssen nach'allen Rich(ungen um- geben, die elnen grossen Theft des CavnlTt ~ymp. einnehmen und den Eing~ng in die kni~eherne Tuba v~llig verstopfen. Was an Lumen der Paukenh~h]e iibrig bleibt, ist angef'fi]lt mi~ einem hellgelbliche~, z~hfliissige~ I~halt~ der mlcroseoplsoh ausser nadelfSrmigen Fettkrystallen keine morphologisehen Elemente zeigt. Die- seIbe Flfissigkelt erfiillt den Sinus bor~zon(aJis. DiG Auskleidung der PaukenhShle, aus der oblge Bindegewebswucherungen hervorgegangen slnd~ ist iibera]l so ver- dick t, dass sie angesehnitten, mi~ der Pinzette gefasst und st~iekweise abgelSst wer- den kann. Sic zelgt microscoplseh ein nngemein reichtiehes und stark gefiilltes Capillarnetz neben einer Unrnasse yon rundlichen Biudegewebskernen. Der knorp- lige Theil tier Tuba Eustaehii ist frel, ihre Schleimhaut ohne Veri~nderung.

JDer lunge Schenkel des Arnbosses fehl! zum grgssten Theil, so (lass die Yerbin- dung mit dem Steigbilgel gctrennt ist. Ebenso fehlt das Os Sylvll. Der noeh ~or- hartdene Rest des langen Ambossscbenkels ist mlt dem hintern obern Theft des trlchterf~rmig eingezogenen Trommelfellabsehn~ttes verwachsen. Ebenso der in situ befindliche Steigb[igel, der ausserdem noeh dutch ihn umgebende Bindegewebswuehe- rungen schwer beweglleh geworden ist. --

Das innere Obr nicht untersucht, um des Prgparat zu sebonen.

Es handelt sich hier um die Folgezust~nde einer ehronischen

Entz~indung der PaukenhShlensehleimhaut. Die ~¢-erwaehsung des hin- tern Trommelfelltheiles mit der Labyr in thwand der Pauke , mi~ dem rudimentgren langen Ambossschenkel und mit dem Steigbiigel ist sehr

wahrsehelnlich begiinstigt worden durch den Druck~ den der Cerumen- pfropf a uf die Aussenseite des Trommelfells ausgeiibt hat, wenigstens fiillte derselbe die trichterfSrmige Einsfiilpung des Trommelfe]ls auf

das Genaueste aus. Der theihvelse Verlust des langen Ambosssehenkels macht sehr

wahrscheinlieh, dass es sich vor gahren um eine eitrige Entziindung der Paukenschlelmhaut gehandel t hat, nach deren Ablauf sich die be-

standene Pe r fo ra t ion des Tromme]felles dnrch Narbengewebe geschlos- sen und an die Labyr in thwand der PaukenhShle angelegt hat.

216 SCHWARTZE: Pathologie und pathoL Anatomic des Ohres.

XII.

Fiinfzigi~hrige BlSdsinnige seit langen 5ahren schwerh~rig. Sclerose des Gehirns. R e e h t e s 0hr: Sehr grosser Defekt im Trommelfell - - Blosliegen des Hammergriffes unit des langen Jmbossschenkels ~ An- ¢hylose ties Hammer-Ambossgelenkes - - $trangfSrmige A4hasion zwi- schen Trommelfeltrest un¢l Steigbiigel. L i n k e s 0hr: Yerkalkung des

Trommelfells. Bindegewebsneubildung in tier Paukenh~hle,

Die Kranke hatte an Manie mlt folgendem BISdslnn gelitten und sollte seit Iangen Jal~en sehr sehwerhgriff, indessen keineswegs absolut taub gewesen sein.

Genauere IISrprtifung war selbstverst~indlg wegen .ihres Bl~dsinns nieht m~g- lioh. Die zu~erI~sslge W:~rterln hatte nle beraerkt~ dass eln copii~ser eitrlger Aus- tluss aus den Ohren bestanden h~tte. Wiederholt s[nd Othaematome an ihr beob- achtet worden: die zu einer heerdweisen Neubildung yon Bindegewebe innerhalb des Ohrknorpels Veranlassung gegeben haben.

Die Section ergab: Haematoma durae matrls ~- erhebliehe Ansammtunff yon Wasser unter tier Araohnoidea - - exquisite Sc]erose des Gehirns mlt hoehgradiger Atrophle - - Frische Tuberkeln in beiden Lungen zerstreut -- Uterusfibro~de etc.

Linkes Ohr: Trommelfe][ zeigt nach hinten vora Hammergriff elne grosse Ver- kalkung 5 die iiber die H~;~]fte tier Membran eiunimmt. Die Epitelsehlcht tier ~iussern F]~ohe des TrommelfelIs ist n~cht dureh d~e verkMkte PartMe unterbroehen, sondern ist fflatt and ffl~nzend. Dagegen rafft die Verkalkung naeh der PaukenhShle zu sehr betr~ichtlleh (mehr als 0,5 Mm.) fiber die Sohleimhautplatte vet u n d i s t letztere an der betreffenden Stelle in der Yerkalkung untergegangen. Mi~ der Nadel flihlt sieh dem entsprechend die verkalkteParthie aueh nut an der PaukenhiShlenseite des Trommelfells rauh und hart wie Knoehen, an tier GehSrgangssei~e dageffen vollkom- men glaft an. Bel durohfallendem Liehte treten die unregelmlissiffen Contouren der Verkalkung am besten hervor. Bei microscoplseher Untersuehunff dleser Parthie er- gibt sieh ~ dass es slch um eine Einlageruug yon mnorphen KMkkSrnehen in die Fasern der lzamina pr.opria und zwlsehen dieselben handelt, dass ausserdem diese Fasern viele Fettkbmehen ze~gen. Nirgends eine Spur yon Knoehenkgrperehen.

Die Auskleidung der Pauke Jst zu elner gelblieh-weissen Sohwarte verdiekt, die sich mit einem Hgkehen in grosser Ausdehnung abheben l~sst. Amboss and Ham- merkopf sind gKnzlich einffehii]lt in ein neugebildetes~ loekeres Gewebe, das naeh AblSsung des tegmen tymp. jede Einsieht in die PaukenhiShle yon oben verhindert. Das Gewebe besteht aus lockerem Bindeffewebe~ durchzogen yon zahlrelehen weiten Capillaren und durehsetzt mlt zablreiehen Fettkugeln und feink~rnigem Fett. Nach AufhelInng durch A erseheinen iiberall Unmasseu yon rundliehen Kernen mit Kern- k8rperehen. Einerselts also die NeJgunff zu fettlgem ZerfM1, andrerseits diese Ieb- hafte Kernwueherung.

Dasselbe Gewebe erffillt die grosse horlzontale Nebenh~hle der Paake. Der Steigbfigel ist total eingehfillt in ~.hnliehe Bindegewebsmassen, so class nur seln K~pfchen zu erkennen ~st. Der Eingang zur fenestra rotunda ist ebenfalls durch Bindegewebsmasse verstopft. Tuba East. welt, ihre Schleimhaut ~iberall verdlekt,

SCHWARTZE: Pathologie and pathol. Anatomic des Ohres, 217

mit sehr z~them, farblosen SehIeim bedeckt, der im Isthmus am reiehllchs~en vor- handen ist und hler das Lumea auf eine Streeke verstopft. Mic~oseopis~h zeigt diese zghe Masse kelne anderen morphologisehen Bestandthdle als wohIerha]tene Fllmmerepitelien.

Inneres Ohr nicht untersucht. Rechtes GshSro~gan: Die inner~ Hglfte des ~ussern GehSrganges zelgt anf ihren

Wgnden elnen Beleg yon sehmutzig grau-gelbem Eiter. Das Tro~nmelfell fehlt total bis auf einen schmalen Saum nach oben und vorn~ der den Hammer trggt. Der Prec. brevis desselben ist in diesem Rests als weisslicher Knopf~ umgeben yon elnem Gef~sskranz~ deutlich erkennbar, Der Hammergriff ragt frei naeh hinten uncl unten~ nahezu horizontal in das Cavum hlneln; sein nnteres Ende ist dutch Necrose zu Grunde gegangen. Dcr Rest des Trommet£eIls besteht aus zwei Bogen~ die am ttammergriff zusammens~ossen und zeigt an selnem ganzen Santo elnen sehr zier- lichen Gef~sskranz. Der lunge Ambosssehenkel ist durch den Defek~ des TrommeI- fells sichtbar und zwar in ann~hernd normaler Lage. Er ist nicht mi~ dem Trom- melfellrest verwaehsen. Dagegen geht yon dem hintern Bogen des letzteren ein Bindegewel~sstrang zum Kopf des Steigbiigels hiniiber.

Manubr. mallei und langer Ambossschenkel sind Y5]llg nnbeweglieh ; bei Beriih- rung mit elner feinen Pinzette kann sin zlemlich starker Druek ausgeiib~ werden, ohne dass dlese vgllige Unbeweglichkeit aufgehoben wlrd. Es ha~delt sich also urn sins vollstgndigs Anchylose des Ha~ms~,-Ambossgslenkes.

Die ganze Labyrinthwan~l lieg~t de m Auge durch den Defekt des Tromme]fells hlndurch bless; ihr Schle~mhanttiberzug ist wen~g ,zerdlckt und mit spgrlichem gelb- lieh6m Eiter bedeekt. Ost, tymp, tubae sehr weir, Sehlelmhaut hier nicht aufge- lockert. Aueh die 5brige Tubars~hleimhaut ist normal, ohne Eiterbeleg.

Beim Abheben der Tegmen tymp. wurde der Amboss luxirt und se~n langer Schenkel aus seiner Gelenkverblndung mit Os Sylvii gelgst. Der Stelgbligel zelgte sich danach bei Beriihrung mit elner l~Iadel und bei Zug an der wohlerhaltenen Sehne des M, Stapedius beweglieh.

Unter dem tegmen tymp. erseheint die Auskleidung der Pauke stark verdickt und adhgrirt mit vielfachen~ zottigen Auswlichsen am Ambesskgrper und an der Hammer- Ambossverbindung.

Zellcn des Pros, mast. auffallend klein~ ohne Eiter. Veto innern Ohr nut der Aeusticus bis zu selner Theilung verfolgt~ und die

Sehneeke aufgebrochen. Ueberall fiir das blosse Auge keine bemerkbare Anomali e, Der iibrige Theil des inneren Ohres nieht untersucht~ um das PrKparat zu

schonen. Nervenfasern des Aeustieus zelgten mieroscoplseh beiderseits kelne mir bemerk-

bare D i f f e r e n z . - -

Der anatomlsehe Befund in beiden Paukenh~hlen ist ausreichend z u r E r k | ~ r u n g e iner s ch r be t r~ch t ] i chen F u n c t i o n s s t ~ r u n ~ ; man sol l te

bei den seh r augenf~t l l igen H i n d e r n l s s e n de r Schal l~or tpf lanzung s o g a r

vermuthen, dass die H;Srf~thigkeit nahezu vollst~tndig aufgehoben ge- wesen ist. Ein sieheres Urtheil fiber dieselbe war wegen der Geistes- stt~runff nieht zu gewinnen.

Die Section zeigte nur im rechten 0hr eine Anchylosis des Hammer-Ambossgelenkes bei beweffllehem Steigbtigel. Dieselbe ist

21~ )k:HWAgTZE: Pathologic und pathol. Ana~omie des Ohres.

ein keineswegs seltener Befimd, wenn sehon in der Regel elne Spur yon Bcweg}iehkelt im Gelenk zurtiekbleibt. Bel Lebzeiten h~tten wit !a~er dureh Bertihrung des ganz fi'eiliegenden Hammergriffes dlese .~nehylose erkennen kgnnen. Bei der vorhandenen Bewegliehkeit des Seeigbtigels ~st wahrsehelnlieh, dass SehalIwellen, welche dureh den Defekt des Trommelfells hindureh direct den Fusstritt desselben ge- troffen haben, zur Wahrnehmung gekommen sind, um so eher~ als die Schldmhaut der Pauke auf dieser Seite nut unbedeutend verdiekt und die abgesonderte Eitermenge offenbar eine ~usserst geringe war.

Der Knoehenbrand am I:[ammergriff in selnem unteren Ende kommt wie an jedem a.ndern Knochen dadureh su Stande, dass die den Knoehen ern~hrenden Get'~sse bel dem Versehw~rungsprozess des umliegenden Trommelf?ltgewebes zu (:Irunde gehen, und dadureh die Circu!atlon in ihm unterbroehen wird.

Die ausgedehnte Kalkablagerung im t i n / s e n Trommelfell ist yon ~bllig unregelm~ssiger Gestalt, wifllrend iiberw]egend h~ufig die Ver- kalkungcn des Trommelfells in IIalbmondform getroffen werden. Nur die ~ussere~ oberflitehliche Lage des Trommelfells ist noah erhalten, die anderen Selfiehten sind durehsetzt dutch Kalkmasse. Ausser die- ser ~Terkalkung im TrommelfelI finder siell keine weitere Kalkablage- rung in der PankenhNfle, sondern nur eine sehr massenhafte Neubil- dung am Bindegewebe, welehe die drel Geh~rkngehelchen vgll~g ver- hiillt und gldehsam mit einem Pi]z umgibt. Dabei die Eustaehisehe Ohrtrompete im Zustande des ehronisehen Catarrhs; ihre Seeretlon vermehrt~ ihre Schleimhaut verdiekt, ihr Lumen e~ '~ve i t o ' t . - -

Wenn es erlaubt ist, an das Thats~tehllehe ankniipfend fiber mgg- ]iche und wahrseheinliche Erfolge elner Ther~pie zu spreehen, so liegt auf der Hand, dass fiir das reehte Ohr eine Behandlung nur in so- fern yon Nutzen hi~tte sein kbnnen, als dutch Anwendung sehwaeher adstringirender L~sungen auf die Paukensehleimhant die gerlnge Eite- rung atlm~lig h~tte besei6gt werden k~nnen. Eine Besserung tier HSrkraft war weder hiervon~ noeh yon Anwendung des ktinstliehen Trommelfells bel dem Vorhandenseln der ~knehylose des H~mmer- :kmbossgelenks zu erwarten gewesen. Dagegen iS* nieht unwahr- sehelnlieh, dass Nr das linke Ohr dureh Behandlung" des ehronisehen Tubaeatarrhs mit Luftdusehe und Einspritznngen dureh den Catheter ~.on Solut. Zincl sulf. gr. v ad ~j oder Arg. nitr. gr. i--ij ad ~j elne geringe Besserung des HgrvermSgens hgtte erzMt werden kSnnen, vorausgesetzt, dass das nieht untersuchte innere Ohr gesund war.

Die ExeMon der Verka.lkung des Trommelfells w~re ohne Nutzen Nr die Hbrkraft geblieben, weil die anderwei*igen, wesentlleheren

SCHWARTZE: Pathologie und paNol. Anatomie des Ohres. 219

Schallfortpflanzungshindernisse in der PaukenhShle dadurch nleht besei- tigt women w~tran. Diese massenhafta Bindegewebswucherung, die tibri- hens in dieser Form kelneswegs selten in der Leiehe angetroffen wlrd~ kSnnte nur dadureh nnschadlieh gemacht warden: wenn es ge- l~tnge, dleselbe geradezu aufzulSsen~ denn an eine Reso@tlon tines solchen Gewebes durch innerliehen Gebraueh der kr~tftigsten Resol- vantia, Ableitungen altar Art auf die Haut u. s. w. wird Niemand ernstlich glauben. Von der Essigs~ture wissen wir, class sie das Ge- webe gallertartig aufschwellen macht, so dass die Fasern unter dem 5ficroseop unsiehtbar werden und unz~hlige rundli&e Kerne deutlich harvortraten. Eine wlrkliehe Aufliisung, wle bai fortgesetztem Kochan findet abet nleht statt. Wenn es also aueh m~glieh wi~re, Essigs~ture in der nbthigen Concentration und Menge dutch den Catheter in die Paukenhghle hlneinzubringen, so wtirda, selbst bai h?tufiger Wieder- holung dieser Operation, nut der Effekt erzielt werden kbnnen; dass eine Lockerung, Aufweiehung des Gewebes zu Stande kommt. Unter Umst?tnden, abgesehen yon unserm speziellen Fall~ kSnnte daraus allerdings eine merkbare II[irverbesserung resultlran~ wenn eine straff gespannte Adlf~sion dadur& naehgiebiger wird, wenn das rigid ge- wordene Ringband des Steigbtigels an seiner Starrheit verllert. Wahr- haft aufgelbst wird das Bindagewabe bekanntlieh nur dutch die eau- stisehen Alealian und zwar quellen danach zun~ehst die Bindegewebs- fasern ~thnlieh wie naeh Essigs~ture auf~ um dann erst auf noehmall- hen Zusatz yon Wasser wirklleh sieh aufzulSsen.

Dieses mieraehemisehe Verhalten k5nnte uns ermuthigen, Var- suche mit Einspritzungen in die PaukenhShle yon Liq. Kali eaust, in passender Vardiinnung mit naehfolgender Einsprltzung yon destillir- tern Wasser zu versuehen. Der unverdiinnte Liq. Kali eaust, wtirde allerdings nieht anwendbar sein, well er unvermeidlich die Sehleim- haut der Tuba Eust. zerstgren w~irde und durch Ae~zung in dar Paukenht~hle eine heftige Entztindung herheiftihren k5nnte, deren Ausgang nieht zu bareehnan ist. Uebrlgens ist diaser Vorsehlag keineswegs neu, sondern es haben bereits Pal)2enhelm t) und Marc d'Es2ine bei ehronisehen Entztindungen und Aufwulstung der Sehlelm- haut diesen Einspritzungen das ~¥ort gesproehen. Paploenheim wandte allerdings zu schwaehe Lgsungen an, ngmlich 1 Theil Liq. Kali eaust auf 4 0 0 ~ i00 Theile Wasser, d'Espine dagegen brauehte stiirkere

i) Journ. yon v, Wagthe,r und v. Ammon 1844, Bd. I I I , St, I~ p, 47. Micros- coplsche Befunde bei SchwerhSrigen yon Pappenheira in He~le's und 2 f e ~ e r % Ztsehr. He£~ III.

220 SCHWARTZE: Pathologle uuct patliol. Ana~omie des Ohres.

Liisungen 1 : 30 - - 20, also gtt. x -- xij ad g/~ an. Auch W. Kra- met ~) empfahl bel elner gewissen Form des Mittelohrcatarrhs das Einblasen einiger Troiofen yon verdiinnter Aetzkaliltisung (gtt. iij ad ~fl) in der Paukenh~ih!e. Bestimmte Erfahrungen fiber die giinstlge Wirkung der Einspritzungen yon Liq. Kali eaust, in iihnliehen Fi~llen habe ich selbst blsher nlcht aufzuwelsen~ erfuhr jedoeh vor Kurzem yon v. Tr61tsch~ dass er dieselben in neuestex Zelt mehrfach und mit Erfolg benutzt habe.

5) Deutsche Klinik 1858. Der diagnostlsohe Schtauch und die Krankhelten des mittleren Ohres,