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Beiträge zur pathologischen Anatomie der primären Tuberkulose des Erwachsenen

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Page 1: Beiträge zur pathologischen Anatomie der primären Tuberkulose des Erwachsenen

(Aus dem pathologischea Institut [Prosektor: Dr. 0. Koch] des Tuberkulose-Krankenhauses der Stadt Berlin ,,Waldhaus Charlottenburg" in Sommedeld/0sthavelland [~rztlicher

Direktor: Dr. H. Ulrici].)

Beitr~ige zur pathologischen Anatomie der prim~iren Tuberkulose des Erwachsenen I.

Yon ltliguel ](glesias, San Jos6 (Costa Rica).

Mit 9 Abbildungen im Text.

(Eingegangen am 9. November 1937.)

Es kann keinem Zweifel unterllegen, da]] sleh seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunder ts die epidemiologischen Verh~ltnisse der Tuberkulose weitgehend verschoben haben. Es mag an sich einfach erseheinen, die Griinde fiir eine so tiefgreifende ~nderung eines Seuchenverlaufes aufzu~inden, und doch linden wit nicht nur zahlreiehe, sondern auch geradezu widerspreehende Ansiehten in der Literatur. Es ist sicher, da~ wir Ms einen der Haupt fak toren die Industriali- sierung, wie sie sei~ dieser Zeit in dem europgischen Kulturkreis einsetzte, in Reehnnng zu stellen haben. Umstr i t ten ist alIerdings die Frage, in welcher Weise sich die Vereinigung grol]er Arbeitermassen auf den TuberkuIoseverlauf aus- wirkte. Es wi~re ja bei oberflgehiicher Betraehtung ein starkes Ansteigen tuber- kulSser Infektionen und yon Tuberkulosetodesf~llen zu erwarten gewesen. Einem solehen ,,Gipfel" begegnen wir auch mit der Griindung tier groflen Industrie- zentren allerorts. Danach setzt aber eine gleichmiiBige, entseheidende Abnahme der Mortalitgtsziffern ein, die besonders in den letzten Jahrzehnten beobaehtet wird. Fiir dieses Absinken werden yon Vielen der sieh hebende Wohlstand der IndustriebevSlkerung, die Sehaifung besserer Wohnungsverh~ltnisse, die Mal~- nahmen der sozialen Versicherung und die Bekgmpfungsmal~nahmen verant- wortlich gemacht. Dem steht entgegen, dal~ gleiche Bewegungen des Seuchen- verlaufes an den versehiedensten Orten mit durchaus wechselnden Bedingungen des Gesamtlebens zu beobachten sind. Hier hat man zur Erkl~rung das An- und Absteigen der Epidemiewellen herangezogen. Die Wirkung yon ,,Industriali- sierung" und ,,Urbanisierung" ist danaeh nut eine den Kurvenver lauf modffi- zierende; die Auswirkung yon BevSlkerungsverdiehtung und Bev51kerungs- versehiebung besteht vorwiegend darin, die Epidemie in Gang zu setzen (vgl. zu diesen Fragen: Gottstein, Wol/], Gundel, Scheel, B. Lanye, Redeker und Hein- miiller). Es ist nicht Gegenstand unserer Arbeit, diese Fragen einer Krit ik zu nnter- ziehen. Die groi~en Bewegungen und Sehwankungen linden ja aueh ihren wesent- lichen Ausdrnck in den Mortalitgtsziffern. Uns interessiert hier besonders die Beobachtung, daft sieh auch der Zeitpunkt, in dem der Menseh seine Erst- iniektion empigngt, weitgehend versehoben hat. Wir zitieren, um diese Ver- h/~ltnisse kurz darzustellen, eine Tabelle yon Franz Klein (Warendolq). Aus dieser geh~ hervor, dab die ZahI der i iberhaupt tuberkul6s Infizierten in dem

1 Dissertation der medizinischen Fakult/~t der Universiti~t Berlin. Beitr~g e gur Kliaik der Tuberkulose. Bd. 90. 3{)

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Tabelle 1. V o l k s s c h u l e n .

1. Jahrgang 8. and 4. ffuhrgang 7. und 8. ffahrgang

Jahr Tuberkulinpositiv T u b e r k u l i n p o s i t J v Tnberkulinpositiv Anzahl Anzahl Anzahl

Absolut % Absolu~ % Absolut %

1928 714 131 18,3 608 169 27,7 322 104 32,3 1929 199 39 19,4 120 24 20,0 926 225 24,3 1930 417 72 17,0 410 75 18,3 539 198 36,7 1931 283 44 15,5 394 77 19,5 442 102 23,0 1932 680 378 11,4 506 62 12,2 677 136 18,6 1933 433 8,0 429 61 14,3 481 81 16,8 1934 264 34 11,4 213 26 18,7 252 48 19,0 1935 556 42 7,5 587 53 9,0 834 168 20,1

Die Tabelle (Franz Klein, Die epidemiologisctm Bewertung des l~tickganges der Tuber- kulosedurchseuchung unter den Schulkindern. Der 5ffentl. Gesundheitsdienst K. 14, S. 549) zeig~ einen starkcn ~tickgang der Durchscuchung des Schnlalters, obwohl sie nur einen kurzen Zcitraum umfallt.

erfaGten Zeitraum yon 1928--1935 enLscheidend abnimInt. So finden wir Zah- len vorL 18,3 bis 7,5 im ersten Jahrgang; 27,7 bis 9,0 im 3. und 4. Jahrgang; yon 32,3 his 20,1 im 7. und 8. Jahrgang ffir die Tuberkulinpositiven. Es kann nicht anders sein, als dab die Bek~mpfungs- und Aufklitrungsmal~nahmen, yon denen heute schon die breitesten Volksschichten effallt werden, fiir dieses Ab- sinken verantwortlich sind. Es mag hierfiir als Beweis angeffihr~ worden, dab wir beute in manchen Gegenden in der lAndlichen BevSlkerung hShere Durch- seuchungsziffern haben aIs in der st/tdtischen, w~hrend man doch im allgemeinen das Umgekehrte erwartet (Klein). Das Entscbeidende ist eben die Aussehaltung bzw. Sanierung Offentuberkul6ser, was durch die breite Aufkliirungsarbeit und vielleieht auch die bessere Krankenversorgung in der Stadt besser mSglieh ist als auf dem Lande. Gleichzeitig mit einer derartigen Versehiebung des Zeit- punktes tier Erstinfektion muB sieh abet die Frage erheben, ob dieses wfinschens- wert ist. Das hiel~e prak~isch gesproehen: wann ist es ffir den mensehlichen Organismus am besten, die Tuberkuloseinfektion, de r e r ja nach unseren heutigen Verh~iltnissen doeh nicht entgeherL kann, durehzumacheu. DMiir ist einerseits zu erwSgen, wie sich die Erstinfektionen iiberhaupt in den verschiedenen Lebens- altern auswirken und andererseits, ob der Zei tpunkt der Erstinfektion yon Be- deutung fiir das sp~tere Tuberkulosesehicksal eines Menschen ist. Es steh~ lest, datl die Erstinfektion im St~uglingsalter und auch noch bis zum Ende des 2. Le- bensjahres in einem hohen Prozentsatz ungiinstig verl~iuft. Wir wissen weiter, dab das SchulaIter im allgemeine n wenige tuberkulSse Erkrankungen aufweist und auck Infektionen gut 6berwinde~. Die danaeh fotgende Pubert&t gilt wieder als Klippe ffir den Tuberkulosegefiihrdeten. Inwieweit der Zei tpunkt der Erst- infektion bestimmend auf das sp~tere TuberkuIosesehieksal einwirkt, wissen wir noeh nicht zur Genfige. Wallgren teilt mit, dab in der friihen Kindheit Infizierte sp~ter h~ufiger an einer Tuberkulose erkranken als Nichthffizie~e, zu einem gleiehen Ergebnis kam Fr61ieh (vg]. aueh Bruno Lanffe) ;. eine Anffas- sung, die durehaus nieht iiber~ll geteilt wird. Nun kommt als neuer, unbekann- ter Faktor in unsere Anschauungen fiber den Tuberkuloseverlauf die Frage,

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wie sich Erstinfektionen in noch sp/~teren Lebensaltern auswirken, n~im]ich im jugendlichen und Erw~chsenenalter. Es liegen fiber diese Abl~tufe yon Erst- infektionen bisher nur wenige Untersuchungen vor. Die eingehendsten und sorg- f/iltigsten Berichte stammen aus den skandinavischen Ls So h~t Helm- beck am UllevhI Hospital in Stockholm die Tuberkuloseabl~ufe bei Schwestern- schfilerinnen der TuberkuIoseabteilung verfolgt. Von den neu eintretenden Krankenschwestern im Alter zwischen 2~ und 24 J~hren sind in den einzelnen Jahrgitngen etwa die H~lfte big 2/3 beim Eintr i t t tuberkulinneg~tiv. N~ch 3j~hriger Dienstzeit sind alle positiv. Dnmit war ein groi3es Beobachtungs- material gegeben. Kurz zusammengefal~t 1/il3t sich sagen, d~f$ im allgemeinen die Erstansteekung gut~rtig verliiuft. Als Erscheinungsformen der Erstinfek- tion werden yon skandinavischen Autoren besonders die Pleuritis sicca und exsudativa, die Hs das Ery thema nodosum, Erythem~ mu}tiforme, Lungeninffltrationen, die durchweg Neigung zur t~fickbildung haben, gowie wechselnd starke Allgemeinsymptome genannt; ~ber auch die Meningitis wird erw/ihnt (Heimbeclc, Uw.tedt, Haahtl, Arborelius, Hec]cscher). Kristenson eharak- terisiert den Verl~uf der Erstansteekung beim Erwaehsenen uls symptomlos. Er finder bei exponierten Krankenpflegerinnen keine wesenttichen Untergchiede des Krankheitsverlaufes, wenn sie an Tuberkulose erkranken, gleichgiiltig, ob sie vor dem Eintr i t t in das Krankenh,~us tuberkulinpositiv oder -negativ waren. Nice beschreibt aus Frankreich 4 Fiille yon l~'im/~rinfektion bei jugendliehen Erwaehgenen yon 18--26 Jahren. Das RSntgenbild zeigte einen Prim/trkomplex mit starker Beteiligung der Hiluslymphknoten, wie man es v o n d e r Primer- infiltration der Kinder her kennt. Klinisch lassen sieh die 4 ]?/ille unter dem- selben Bild zus~mmenfassen: einleJtende Fieberperiode, der eine Remissions- periode vor einigen Tagen big 3 Woehen folgt; dann gleieht das Krankheitgbild 10--I5 Tage einer gutartigen Typhob~eilIose mit Erythem~ nodosum. Die be- schriebenen Be.ob~chtungen endeten mit klinischer tteilung und liei~en eine deut- liehe Riickbildung der Prozesse der Lungen und der ttilusdriisen rSntgenolo- gisch erkennen. In Chile fanden Casta~on, H. Grebe, G. Corbolan, A .L . Bravo und R. Garcla in 4 F/illen tuberkul6se Primifrinfektionen bei jugendliehen Pa- tienten zwischen 14 mad 24 Jahren. W~hrend die Tuberkulinreaktion anfi~nglich neg~tiv war, re~gierten alle 4 Patienten im Laufe der Krankenhausbehandlung positiv. Das R6ntgenbild zeigte, wie die Beobaehtungen yon Nice, einen ganglio- pulmonalen Prim/~rkomplex mit bipolarer Versch~ttung. In 2 yon den F/illen war die Temperatur subfebril. 2 Patienten hatten h6here Temper~turen, die nach 2--3 Woehen lytisch abfielen und das ldiniscbe Bild einer benignen Thypo- bacillose annehmen lieI~en. Die Gewichts- und Temper~turkurven erlaubten, im weiteren Verlauf eine gutartige Entwicklung a nzunehmen (keine R6ntgen- ~ufn~hmen der spi~teren Stadien). Im allgemeinen gilt wohl nach diesen Be- obachtungen die Erstansteckung des Erwachsenen ~ls gutartig. In Deutschland kennt man bis heute das klinische Bild der Erstinfektion und der prim/~ren Tuberku]ose des Erwachsenen noeh nicht.

Mit den friihesten Untersuehungen fiber die Infektionsh/iufigkeit und der F~rkenntnis der einsetzenden Verschiebung des Erstinfektionsalters in ~orwegen (Harbitz, Bugge) wurde ~uch bereits auf die Bedeutung des

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Erstin_{ektionszeitpunktes fiir die Erwaehsenentuberkulose hingewiesen. Es ist j~ selbstverst~ndlich, dab sich die Auffassungen fiber die Pathogenese der Erwachsenenphthise /~ndern mfissen, wenn, wie in Norwegen, heute fund 50% der Stadt- Ms such LandbevSlkerung im Aiter yon 2 0 ~ 1 Jahren noeh tuberkulinnegativ sind. Im allgemeinen wird ja bis heute die tuberkulCJse Er- krankung des Erwachsenen auf Herde der Erstirffektionsperiode oder der Frfih- streuungen zurfickgeffihrt. Diese Anschauung wird sicher in Zukunf~ zunehmend einer l%evision zu unterziehen seien. So betonte i908 bereits Andvord, duf3 20 bis 30% der Tuberkulosen bei Erwachsenen ~ls ,,prim/ire Imfektion von verh/~ltais- mfil3ig kurzer Dauer" zu betrachten sein. tlo/bauer-Flatzek sehreibt 1934, dal] wir den Erstansteekungsformen der Tuberkulose beim Erwachsenen Beachtung scheicken sollen, da sie sieh in Zukunft h~ufen miissen. Auch am hiesigen Kranken- haus machte uns Ulrici ~uf vielleicht oder ~ueh wahrscheinlich in diesen Kreis gehSrende Kr~nkheitsbilder aufmerksam (vgl. ~uch Ulrici und Koch). Ver- anlassung zu vorliegender Arbeit gaben einige ]3eobachtungen des pathologischen InsLiLuLes des Waldhauses, die die Krankheitsbilder einzelner Todesf~lle als prim~re Tuberkulosen charakterisieren konnten. Die Darstelhmg tSdlicher Er- kr~nkungsformen, ~ufgetreten im Anschlul~ ~n die Erstinfektion yon Jugendliehen und Erwachsenen, ist Gegenstund dieser Arbeit.

Anatomische Untersuchungen fiber die Erscheinungsformen der prim/iren Tu- berkulose beim Erwaehsenen liegen nur sehr wenige, in Deutschland unseres Wis- sens fiberh~ul?t keine vor. In Norwegen haben sich Frimann-Dahl und Waaler mit der pathologischen Anatomie des tuberkulSsen Prim/irkomplexes, dubei auch beim Erw~chsenen beschMtigt. Die Verff. best~tigen die griindlichen Untersuchungen Schiirmanns, dM~ der Primiirkomplex mit Prim/~rinfektionsherd und Lymphknoten- herd Ms p~thognomiseh ffir die Erstansteckung zu gelten hat, auch beim ]~rwach- senen. Die siehere unatomisehe Unterseheidung eines Ersta.nsteekungsherdes und eines postprim~ren Herdes ist nicht immer mSglieh. Die Verff. betonen auch, daft dus Schwergewieht auf den Gesumtaspekt des Krankheitsbildes und nicht so sehr auf die feine ttistologie zu legen ist. Unter den Beob~chtungen Frimann. Dahls und Waalers linden sieh auch 5 Elwcachsene, die un Tuberkulose gestorben slnd und deren ~5dIiche tuberkulSse Erkrankung mlt Wuhrseheinllchkeit im An- schlul~ an die Erstansteckung in Gang gekommen ist. Es starben Patienten im Alter yon 22, 25 und 42 Jahren an Lungentuberkulose, P~tienten im Alter yon 40 bzw. 19 Jahren an einer Miliartuberkulose. Die VerfL beschr~inken slch vorwiegend auf die Analyse der Prim~rkomplexherde, ohne die sonstigen Er- scheinungsformen besonders zu betraehten. Huebschmann erw/~hnt eine E~'st- infektion bei einer 69j~hrigen Frau: Prim~rin~ekt der Tonsillen, m~chtige ne- krotlsierende, verk~sende Tuberkulose der region/~ren und ~nderen Lymphknoten, Tod un ~llgemeiner h~mutogener Miliartuberkulose. D~ die Beob~chtung unter dem Gesichtspunkt Miliartuberkulose und Gef~$herd ausgewertet ist, wird auf die iibrigen Erseheinungsformen nicht n~her eingeg~ngen. JedelffMls eine Erst- ansteckung mit schnell ansehliellender, tSdlieher allgemeiner Blutwegaussaat. Die Beobachtungen an weitgehend tuberkulosefreien BevSlkerungen beim 1. Kontak t mit TuberkulSsen (WestenhS]]er) k0nnen hier nicht herangezogen wer- den, d~ die epidemiologischen wie such rassisehen Grundl~gen derart verschleden

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BeitI's zur pathologischen Anatomie der primiiren Tuberkulose des Erwachsenen. 561

sind, dai~ ein Vergleich unfruehtbar sein mulk Bei in Deutschland als Mitglieder der Rheinbesabzungsarmee an Tuberkulose gestorbenen SenegMnegern, bei denen wit in einem erhebliehen Prozentsatz sieher auch mit primiiren Tuberkulosen zu reehnen haben, hebt Gruber besonders die nl/~chtige BeVeiligung der Lymph- knoten Ms groBe verk/~ste Pakete hervor.

Welehe Beweise kSnnen t iberhaupt fiir das Vorliegen einer Erstansteckung oder mi$ der Erstansteekung unmi~telbar im Zusammenhang stehenden Tuber- kulose = prim~re Tuberkulose erbraeht werden ? Der einzig siehere Beweis ist die Kenntnis der spezifischen Allergielage des Organismus vor der in Frage stehen- den Infektions- oder Krankheitsphase. Wenn wir wissen, dab ein Menseh tuber- kulinnegativ war und mit, wiihrend oder nach dem Auftreten yon Ver/~nderungen im Sinne einer Tuberkulose eine positive Tuberkulinreaktion zeigt, so miissen die Ver/inderungen als mit der Erstansteckung im Zusammenhang stehend be- zeichne~ werden. Die Tatsaehe, dab bei best immten Erkrankungen die Tuber- kulinreaktion voriibergehend negativ wird - - z .B. die anergisehe Periode bei Masern - - , muB bertieksiehtigt werden. Fiir derartige Beobachtungen sind in Deutschland bisher die Bedingungen noeh nieht gegeben. Sie k6nnten nut dutch einen Tuberkulinkataster verwirklieht werden. Der pathologische Anatom mul3 sich bei der Charakterisierung einer tuberkul6sen Erkrankung an das pathogno- monische MerkmM Iiir die ErsCansteckung, den Prim/~rkomplex, halten. Es is~ heute als bewiesen anzusehen, insbesondere durch die sehr sorgfaltigen Unter- suehnngen yon Ghon, dab der gewebliche Ausdruek der Erstansteckung der l~ ims is~. Daneben miissen alte tuberkulSse Veri~nderungen, Kalk- herde und Narben, mit allen zur Verffigung stehenden Methoden ausgeschlossen werden. Wir haben bei jeder Beobaehtung nieht nur die Lungen und das Mesen- ter ium sorgf/~ltig zer]egt und durchtas~et, sondern auch R6ntgenaufnahmen angefertigt. Es liegt in der N~tur der Saehe, dab wir bei sehweren Zerst6rungen der Lungen den Prim/~rinfektionsherd nicht oder nicht sicher nachweisen k6nnen, denn er kann in frisehe Ver/s unauffindbar eingeschlossen sein oder bei grol3en Einschmehungen der Nekrose und L6sung mit anheimgefallen sein. In solchen Fallen bleibt ftir den Anatomen fiihrend der Naellweis der lympho- glandul~ren Komponente und das Fehlen alterer tuberkulSser Ver/tnderungen.

Unsere Beobaeh~ungen: die klinisehen Daten werden nut kurz skizziert wet- den ~. Wie mir mitgeteilt wurde, wird das kiinische Bild der Erstansteekung des Erwaehsenen aus dem Waldhaus eine besondere Bearbeitung erfahren.

Fail1. 25jiihriger A.N.9735/5407. 1933 bei einer Reihenuntersuehung rSntgeno- Iogiseh keine Tuberkulose fcstgestellt. Dezcmber 1935 sehleiehender :Beginn mit Hnsten, geringem Auswurf und A~embeschwerden. JuIi 1936 langsara zunehmende Sehmerzen in der linken Ges~13halfte; kurz danaeh Sehtittelfrost, hohes ~Fieber bis 39 ~ 5. X. 1936 ergab die Durchleuehbung eine fasb gleichmi~Bige feinfleekige Verschar tiber beiden Lungen. felderm 19. XI. 1936 Temperaturansteigerung his 39,5 ~ Durchleueh%ung zeigt keine siehere Einsehmelzung, abet eine Verdichtung der Seha~oten in beiden Lungen. 28. XII. 1936 tritt der [rod unter zunehmender I-Ierz- und Kreislaufsctlw/iehe ein. Klinische SehluB- diagnose: Subakute Miiiartuberkulose mit fraglicher Einsehmelzung im rechten 0berlap10en. Urogenitaltuberkulese. Darmtuberkulose.

1 ]-Ierrn )~rz~l. Direktor Dr. Utrici und Herrn Dirig. Arz~ Dr. Dieht danke ich ftir die ~berlassung der Xrankengesehiehten.

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Auszug aus der pathologiseh-anatomischen Diagnose: S..iN~r 91/36, Sekant Dr. Koch . . . . . Oeneralisationstuberkulose in verschiedenen Sehiiben im AnschluB an die Primarinfek- tion: grol~er verk~ister, bindegewebig gekapselter Primgrkomplex des medialen rechten Unter- feldes und einea Bifurkationslymphknoten~, frische verkgsende Tuberkulose der gesamten Lymphknoten, des Lungenlymphabflusses; groBherdige verk~sende, ~ltere tuberkul6se Herde mit bindegewebiger Kalaselung in Lungen, Mflz, Leber und Nieren, inffltrierende Tuber- kulose des 2. Lendenwirbels, cariSse Zerst6rung des rechtsseitigen /)rittels des 5. Lenden- wirbels mit Bildung eines wetzsteingroBen Psous-Iliacalabscesses, beiderseitige verkgsende Tuberkulose des Ileosacra]gelenkes, intiltrierende Tuberkulose der angrenzenden Tefle des Kreuz- und Darmbeines mi~ linksseitigem Iliac~labsce~ und Isehio-Rectal~bsceB; mfliare Aussaat verschiedenen Alters in Lungen, Milz, Leber und Nieren, groi]herdige verkS~ende Konglomerattuberkutose der linken Nebenniere, groi3e verl~Asende tuberkulSse Herde der

Prostata. Knotige und platten- fSrmige Aussaat iiber beide Zwerchfellunterflgchen, fibri- n6se Perisplenigis und Perihepa- titis. Akute allgemeine hgma- togene, vorwiegend exsudative Aussaat (wahrscheinlich hi~ma- togene); Tuberkulose des Diinn- und I ) i ckdarmes . . . "

Die E r k r a n k u n g wgre den e r s t en Beschwerden nach e twa 1 J a h r al t . W i r m6ch ten jedoch annehmen , dab die Ans t eckung und E r s the rd se t zung f r i iher er- fo]gt ist, da im a l lgemeinen eine Tuberku lose ers t nach einiger Zei t ihres ]3estehens das Al lgemeinbef inden be- einfluBt oder kl inische Sym- p t o m e m a c h t (Abb. 1).

Der Prim~rin#ktionsherd des rechten Unterlappens war etwa kirschgroB, makrosko-

Abb. 1. 8.-Nr91/36. $. 25 Jahre. Sekt, ionsprS.parat der Lunge. p iseh g le ichm~$ig ve rkgs t , a - Primiirinfektionsherd. deutlich yon einer schmalen

Kapsel umgeben, die sich 8chaff gegen das umgebende Gewebe absetzte. Bei mikroskopischer Untersuchung (Abb. 2) erweist er sich ebenfalls als v611ig verki~st; in den Kasemassen zeichnet sich die Lungenstlmktur noeh ab. Entweder sind es Reste der elastischen Elernente des Lungengewebes oder in ihrem Verlauf liegende Kerntriimmer, die die ehemalige Lappchenstruktur noch erkennen lassen. Nach aullen hin zunehmend erscheinen die K/i~emassen fleckig fiberstAubt mit hgmatoxilinf/irbbaren Ker~ltriimmern. In der Nghe der Kapsel, in den ~ul~ersten Zonen des Verk~sungsbezirkes, findet man vereinzelte Zellen. Tuberkul6se Granulome sind spgrlich: in den innersten Bindegewebslagen der Kapsel entzfindliche Infiltrate mit kleinen Resten yon Epitheloidzellen, in den untersuchten Schnitten auch eine einzige Riesenzelle; zum gr613ten Tell grenzt das nekrotisch verk~te Material unmittelb~r an die bindegewebige Kapsel. Diese besteht in ihren innersten Lagen aus Iockerem, faserigem, teflweise retikuliertem Bindegewebe, in dem reiehlich Lymphocyten, grol3e Frel3zellen und wenig Leukocyten eingeschlossen sind. Unter Abnahme des Zellreichtums wird das ]~indegewebe nach aui~en bin allmi~hlich derbfaserig, schliel~lich fist es grobhyalines Bindegewebe. Im unmittelbar

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Beitrlige zur pathologischen Anatomie der primaren Tuberkulose des Erwachsenen. 563

angrenzenden Lungengewebe kleine, interstitieUe Infiltrate neben verzweigten kleinen Narben, die spezifische Herdreste einschliellen. Im Zentrum solcher Narben auch Restc kleiner Bronchien und Gef/ille. Das Lungengewebe in diesen Bezirken ist zu ~oTobblasig, ein Tell der Septen zerst6rt: es hat sich also in den Narbenbereichen ein entsprechendes Emphysem cntwickelg. Der Primarinfektionsherd zeigt damit v61Iig den Aufbau, wie wir ihn sorrst yore frischen tuberkulOsen Erstinfekt her gewohnt sind. Der dttrchwcg verk~ste Herd zeigt in seinen Randteilen noch Reste tells spezifischer, tei]s unspezifischer Infiltrate und ist yon einer schmalea Kapsel umsehlossen. Aueh der Aufbau dieser Kapsel stimmt ganz mit den Kriterien fiberein, wie sie Puhl und Ascho H fiir Erst- und Reinfekte heraus- gearbeitet haben. In der Urngebung des Herdes die Reste kleiner appositioneller Herdbildun- gen. Die Vernarbungen in der Umgebung kleiner Bronchien und Gef~$e deuten auf eine Ausbreitung im Verlauf der begleitenden Lymphbahnen hin.

Abb. ,2. S.-Nr 91136. d'. 25 Jahre. Wandausschnit, t des Primilrinicktionshcrdes. a = zcntrale K.~semasse; b -- KapscI; C = j l lngercr g rauul ic ronder Tl tberkel .

Ein Lymphknoten der Bi]ur'kation erweisb sich bei der histologischen Kontrolle an- ni~hernd in seiner ganzen Ausdehnung verk~ist. Nut am Rande findet sich ein schmaler Saum erhMtenen lympha~ischen Gewebes. In den Verkiisungsbezirken lassen sich deutlieh 2 Teile unterscheiden. Ein groller massiv verk~ter Bezirk iat dutch eine schmale Bindegewebs- k~psel, die ihrem Attfb~u nach durchaus der des Prim~rinfektionsherdes entsprieht, ab- gegrenzt. Von der bindegewebigen Kapsel aus dringen jungc Bindegewebs- und Fibro- blastenzfige org~nisiel~nd in die Kiiaemasaen ein. In diesen finden sich wechselnd dicht Zonen mit kleinen nicht definierbaren Kerntrfimmern. Kalkablagerungen sind nieht zu linden. In angrenzenden Lymphknoten des gleiehen Gebietes sowie in dcr Umgebung des eben besehriebenen Lymphknotenbezirkes ausgedehnte frische, verkiisende t u b e r k u l ~ Prozesse.

I m Gebiet der Bffurkationsdrfisen also die entsprechend alte und entspre- chend aufgebaute lymphoglandul / i re K o m p o n e n t e des Prim~irkomplexes, da- neben eine grol~herdige verks frische Tuberkulose.

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Imngenobergeschofl (Abb. 3): In den Oberlappenbezirken mit den dichtest stehenden, ineinander iiberflieI~enden Herden sh~d diese auch histologisch kaum noeh als Einzelkn6tchen voneinander abgegrenzt; man erkennt aus kn6tchengro~en, unscharf voneinander ah- gegrenzten, kiisig-nekrotischen Herden aufgebaute Bezirke, in denen keine oder auch nur wenige Strukturreste erha]ten sind. In der Peripherie dieser jungen Herde ein breiter Zell- saum, in dem Leukocyten vorherrsehen. Die an einen solchen gr6Beren Herd angrenzenden Lungenteile zeigen eine teilweise Erfiillung der Alveolen mit Leukocyten neben weniger gro~en, hellen, polygonalen Elementen, die wohl als mobflisierte Alveolarzellen aufzufassen sind. SchlieBlich erreicht man Bezirke, we die Alveolen nut mit den groBen mobilisierten Alveolarwandzellen effiillt sind und die Leukoeyten ganz zuriiektrcten. TuberkulSse Granu-

lome sind in diesen frisehen Herden kaum ~ ~ ausgebildet; nur vereinzelt am Rande yon

K~scherdensehieflendie ersten Epitheloid- zells~ume auf. Neben diesen gro~en frischen Herden findet man kleine Narben,

- die zum Teil kleine K~ereste oder auch einmalrein granulierende I~erde, besonders Epitheloidzelltuberke| bindegewebig um- schlieJ~en.

In den baaa~eu Lungentei/en stehen die Herde, wie wires bei den hamatoge- hen Disseminationen gewohnt sind, we- niger dieht, so dab hier die Kn6tchen gewShnlich einzeln stehend erscheinen. Der Aufbau der Herde unterscheidet sich in niehts yon dem der Oberlappen.

Insgesam~ also in tier Lunge an den geweblichen Ver i inderungen nachweisbar wenigstens 2 Schiibe, yon denen der erste rein v e r n a r b t ist bzw. dessert Herde sich im produk- r iven S tad ium der tuberkulSsen En t - z i indung in Organisa t ion befinden. Der 2. Sehub manifes t ier t sich als mil iar disseminierter , schnell k&sig- nekrot is ierender ProzeB.

In der Leber wiederholen sieh grund- s~tzlieh die Prozesse, wie sie eben ffir die Lunge geschildert wurden, d. h. es treten deutlich die Ma~nifes~a~ionen zweier tuber-

kul6ser Sehiibe hervor. Vereinzelt, am meisten nahe der Kapsel, finden sich grebe, verkaste Knoten mit v6llig strukturloser zentraler Kfisemasse, nmgeben yon elner sieh scharf gegen sie und das angrenzende Lebergewebe absetzenden kernarmen, hyalin-fibrOsen ]~apscl. Von der Kapsel aus dringen einzelne Fibroblastenzfige in das verkaste Material vor. Zellige Elementc sind im ganzen Iterd so ~ t wie nieht mehr anzutreffen. Danebcn in ~llen Le berteile~ vemtreut miliare und wenig gr6flere Kerde versehiedenen Alters. Am sp~rlichsten trifft man typiseh aufgebaute TuberkeI mit breiter Granulomzone. H~ufiger sind die im produktiven Stadium befindlichen miliaren Herde in bindegewebiger Organis~s aufzufinden. Die frischen tuberkulSsen Nekrosen ohne spezifisehe Granulome, wie sie in der Lunge ange~rotfen wurden, sind hier in den untersuehten Schnitten nicht aufzuzeigen.

Die Leber weist danaeh die Herde eines /ilteren Schubes in Fo rm der ge- kapsel ten groben Ki~seherde auf. Diese Fo rm der h/~matogenen Absiedelung

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Beitrgge zur pathologisehen Anatomic der prim~iren Tuberkulose des Erwaehsenen. 565

treffen wir als typiseh bei den friihgeneralisierenden dGs Kindesalters an. Bei der Erwachsenentuberkulose sind sie nicht gel/~ufig. Die miliaren Herde, often- bar verschiedenen Alters, gleiohen in ihrem Aufbau durchaus den Befunden, wie sie sonst bei der allgemeinen h~matogenen Miliartuberkulose anzutreffen sind.

Die Beschreibung der tuberkul6sen Milzverdnderungen kann im einzelnen erspaxt bleiben, da sie vSllig denen der Leber gIeichen : grebe verk~ste, gekapselte iiltere t terde und miliare Granulome verschiedenen Alters. Daneben jedoch sind in der Milz auch einzelne k~sig-nekrotisehe Herde anzutreffen, in denen man vorwiegend einen seholligen Gewebszerfall erkennt. An ihrem Rande bzw. in ihrer unmit telbaren Umgebung ein Zellmantel, der sigh vorwiegend aus Lymphoeyten neben weniger Leukocyten zusammensetzt . Die Follikel sind in gewShnlicher Zahl vorhanden, die Keimzentren klein. Die Sinus nur wenlg ge- ftillt, ihre Endothelien zum Toil geschwollen, wenige der Endothelzellen such in Mobilisation. Zahlreiehe Reticuium- und endotheliale Zellen mit feinkSrnigem H~imosiderin beladen. In der Milz die Manifestationen yon drei tuberkul6sen Schtiben. Die Horde des letzten akuten Schubes sp/irlich. Die tuberkulOsen Herde der Niere gleichen sowohl in ibrer Ausdehnung als in ihrem Aufbau ganz denen der Leber. Manifestationen des letzten Sohubes sind bier nieht anzutreffen.

Rekonstruiert man nach diesen Befunden den Gesamtverlauf der tuber- kuIOsen Erkrankung, so ergibt sigh folgendes Bild: In der friihesten Periode, zur Zeit der Ents tehung des Prim/irkomplexes, kam eine erste hgmatogeue Streuung zustande. Sic zeigt sich als gro0e, knotige gekapselte K~sehorde in den groBen Parenchymen, in der Lunge als fein disseminierte miliare Tuberkulose. In die gleiehe Periode diirfte wohl die Entstehung der Skeletherde, der Prostata- tuberkulose sowie der Nebennierentuberku]ose fallen. Danaeh erfo|gten Blut- wegaussaaten, die sich als miliare Herde in den grogen Parenchymen, weniger in der Lunge, abzeichnen. Der letzte Sehub ist dutch die kitsig-nekrotisierenden, vorwiegend in der Lunge anzutreffenden Herde eharakterisiert. Es hat sigh in diesem Fall also an die Erstinfektion ein Krankheitsbild angeschlossen, das im Sinne yon Schi~rmann als protrahierte Durchseuchung anzusprechen ist.

Fall2. 17j~hrige 9 A.N. 9441/3461. Familienanamnese: Vater 1935 an Tuberkulose gestorben, Mutter Diabetes. September 1935 begann die Erkrankung schleichend mit Mattigkeit, Gewiehtsabnahme, Husten, NachtschweilL Oktober 1935 ,,Lungeuspitzen- katarrh". Januar 1936 Tuberkulose r6ntgenologiseh festgestellt. Tuberkelbacillen + . Kon- servative Behandlung. Lungenbefund: Streuungstuberku]ose in der reehten Lunge und im linken Unterlappen, Einsehmelzungen belderseits. Sep~mber 1936 ]i~/~ sich durch Rfntgenaufnahme eine Progredienz feststellen, die sich in zunehmendem Verfall und Mattig- keit guflert. Exitus letalis am 6. X. 1936. Klinisehe Schluildiagnose : Exsudativc Streuungs- tuberkulose in beiden Lungen. Larynxtuberkuloae. Darmtubcrkulose. Tod an Herz- muskelschwaehe.

Auszug aus der pathologisch-anatemischen Diagnose (S.-Nr {i4/36, Sekant Dr. Koch), . . . . . Akute exsudative Tuberkulose beider Lungen mit zahlreichen frisehen Einsehmelzungen in allen Lungenteilen, in den 0bergeschossen mehr als in den Untergeschossen, diehteste gro6herdige exsudative Exspirationsaussaat in allen Lungenteilen; verkiisende Tuberkulose der Lymphknoten des Lungenlymphabflusses bis zu den oberen paratraehealen und den cervieaIen Lymphknoten, geringgradige, infiltrierende und uleer6se Tuberkulose des Kehl- kopfes, wenig ausgedehnte gesehwiirige Darmtuberkulose, vereinzelte Tuberkel in der Leher; reehtsseitige grollfliiehige Pleuraverwaehsungen, Verwaehsungen iiber der linken Spitze, ZwerchfeUhoehstand reehts (naeh reehtsseitiger Phrenieusquetsehung) . . . "

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566 M. Yglesias:

In dieser zweiten Beobachtung wird der ersten eine sich grunds/itzlich anders verhaltende Verlaufsform gegeniibergestellt. Wie aus der ~natomisehen Unter- suchung ersichtlieh, ist der Gesamtbefund der einer Phthise, d .h . der tuber- kul6se Prozel3 hat sich innerhalb der Lunge wohl vorwiegend auf den Kana[- wegen ausgebreitet (vgl. Abb. 4 u. 5). Es ist selbstverst~ndlieh ffir den Einzelherd nieht entseheidbar, auf welchem Wege er entstanden ist, So zeiehnen sieh gerade in dem l~bersichtssehnitt Einzelherde ab, die aIs miliare Kn6tchen durchaus auf dem Blutweg entstanden sein k5nnen (Abb. 5). Die grollen Parenehyme sind, wie die mikroskopische Untersuchung Iehrt, in diesem Falle frei yon tuberkul6sen Herden. Es fehlt also der Ausdruck einer Generalisation. Nur in der Leber fan- den wit einzelne miliare TuberkeI. Solehe sind jedoch bei jeder Phthise mit Darm- tuberkulose, die zur Sektion kommt, anzutreffen. In der Lunge zeiehnet sieh ein

schwankenderVerlauf zwi- sehen Organismus und Erreger ab. Einerseits finder man, wie sie auch auf dem ~bersiehtssehnitt zu erkennen sind, etwas Mtere gro~e Kaseherde mit junger KapseI. Sie kSnnten dem l~'im~rinfekt entsprechen, entweder die- sen selbst darstellen oder mit ihm entstanden sein. Wie sehon die F/~rbung der verschiedenen Herde des ~bersiehtssehnittes zeigt, sind die fibrigen Herde ver- sehiedenen Charakters.

Ak*b. 4. S.-Nr 64/36. 9. 17 Jahre. Sektionspr~parat dcr Lunge. Man erkennt histologiseh grobe tuberkulSse Herde

mit grol3er zentraler Verk/~sungszone mit einem Saum tuberkul6sen Gra- nuloms mit Epitheloidzellen. Riesenzellen und Lymphocyten; daneben groBe Verk/~sungszonen, die nur in ihrem Rand geringe zellige Reaktionen erkennen lassen. SehlieBlich Bezirke, wo eine Lungenstruktur nooh deutlich zu er- kennen ist, ~ber das ganze Gewebe dieht von En tz t indungsze l l en - vorwiegend Leukoeyten - - iibers/~t ist. Einzelne dieser Bezirke mR fleekigen beginnenden Verkasungen oder kleinen Nekrosen, denen man den spezifisehen Charakter nieht ansieht. In den Bifurkationslymphknoten ausgedehnte massive Verk/~sungen mit nur sehr gering ansgepr/~g~en granul/~ren Reaktionen in ihren Randgebieten.

Der ganze Prozel] spiegelt einen kurzen, in wechselvollen Phasen verlaufen- den Kampf wieder. Zeitweise ist es mi~ der Formierung yon Widers~andskr/fften des Organismus zu produktiven Reaktionen gekommen, zeRweise i~uBert sieh das UnterIiegen des K6rpers in den groSen, weitgehend reaktionslosen verk/~sten bzw, nekrotisierenden Prozessen. Im Verlaufe dieser Auseinandersetzung ist es zu grol3en Einsehmelzungen gekommen, die das Gewebe wabenartig durchsetzen.

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Beitr~ge zur pathologisehen Anatomie der prim~ren Tuberkulose des Erwaehsenen. 567

Es ist selbstverst/tndlieh, dal] in einem solchen FaUe kein Einzelherd als Prim~r- infektionsherd herausgestellt werden kann. Es ist sieher mSglich, mehrere als Erstherd zu bezeichnen, keiner jedoch zu identifizieren. An keiner Stelle in der Lunge konnten wir ~lgere Prozesse auffinden. Mit dieser retrospektiven Konstrukbion des Krankheitsverlaufes stimmen auch Angaben /iberein, die wir anamnestiseh erheben konnten. Der Krankheitsbeginn ffillt anniiherntl mit dem Ted des Vaters zusammen. Es ist mit groBer Wahrscbeinlichkeit anzu- nehmen, dab es in den Endstadien der tuberkulSsen Erkrankung des Vaters zu sr Bacillenausstreuung kam und die Patientin dabei ihre I~ffektion er- worben hat. Somit deeken sich aueh diese Befunde mit der Annahme einer Erstinfektion.

Fall 3. 24js 9. A.N. 9934/3643. Herbst 1933 Husten; im Dezember desselben Jahres eine rechtsseitige ttx)ckene Pleuritis. Januar 1935 offene Lungen$uberkulosc. Frtihj~hr 1936 Verschlechterung des Be- lindens mit Fieber; im Mai 1936 Pleuritis exsudativa reehts, im Auswurf Tuberkel- bacillen. Patientin klagt fiber Auswurf, Huste~, Heiserkei~. Am 29. I. 1937 Ted unter den Zeichen der Herz- und Kreislauf- schwfi, che. Kllnische SehluBdiagnose: Ks- veraSse Phthise des reehten Obcrlappens und rechten Untcrlappens und im linken Oberlappen; uleerierende Kehlkopftuber- kulose, Darmtuberkulose. Ted an Herz- und Kreislaufschw~,ehe.

Auszug aus der pathologiseh-anatomi- sehen Diagnose (S.-Nr 9/37, Sekant Dr. Koch), . . . . . Schwerste exaudative und produktive Tuberkulose der rechten Lunge mit viel- tachgebuehteter Kaveme, den grSBtenTeildes Ober-, des Mittel- und kleine Teile des Unter- lappens eirmehmend, m~Sig diehte Streuung in den l inken Mittel- und Untergesehossen, Abb. 5. s.-l(r 64/36. ~. 17 Jahre. Mikroskoplscher vo rwiegend inFormae inSs -nodS~erKnStehen- Ohersichtsschldtt des rcchtcl~ Oberlappcns. gruppen, vereinzelt in den Mittelgeschossen als griibere verkgste knotige I-Ierde ; sehwerste zerstSrende Kehlkopf~ubcrkulose, gesehwiirige Tuberkulose des Dfinn- und Dickdarmes bei in Kapselung begriffenem, grobem eingedicktem Kiiseherd einer Bifurkationsdrtise; frische serofibrinSs h~,morrhagische linksseitige Pleuritis (60 ecru), konfluierende Herdpneumonien des linken Unterlappens..." (Abb. 6 u. 7, S. 568/569).

Die 3. Beobaehtung reiht sich der aIs Fall 2 beschriebenen an. Der Ver- Iauf isr wahrseheinlich etwas ls Als Antei! des Prim/~rkomplexes weist sieh hier besonders der groile eingediekte K~tseherd einer Bifurkationsdriise aus. Wenn wir in der Diagnose in den Mittelgeschossen grSbere knotige verk/iste Herde hervorgehoben haben, so kann auch hier keiner als eigentlieher Prim/irinfekt identifiziert werden. Die gesamten Herdbildungen des Lungengewebes selbst iiberlagern sieh so weitgehend, da6 eine solehe Entseheidung unmSglich ist. Die Sehwere und Ausdehnung des Prozesses geht am besten aus den beigegebenen

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568 M. Yglesias:

Abb i ldungen hervor . Es sei h ier ve rmerk t , dab sich die b ier angef t ihr ten wie auch die bei den i ibr igen Beobaeh tungen gefundenen D a r m t u b e r k u l o s e n in n ichts yon denen unterseheiden, wie wir sie aueh sonst im Verlaufe sehwerer Lungen tube r - kulose zu sehen gewohnt sind. Bei der e rs ten Beobaeh tung wurde eine h/tma- togene Da rmtube rku lo se erwiihnt . Die ana tomischen Befunde fordern diese Auf- fassung, doeh soll auf die Ana lyse ih re r E n t s t e h u n g ve rz ieh te t werden, da die F rage der h i imatogenen E n t s t e h u n g der Da rmtube rku lo se n ich t beil~ufig ab- gehande l t werden kann .

Abb. 6. S.-Er 9/37. o. 24 Jahre. Sektionspr~parat der Lunge. Der rechtc Oberlappen ann/ihernd ganz yon Kavernon eingcnommen, a = al~ ~bersichtsschnitt in Abb. 7 dargestcllt.

Fall 4. 21jfi~hrige ~. A.N. 138/3709. Familienanamnese: Mutter Lungentuberkulose, angeblich geschlossen, ein Bruder mit gesehlossener Tuberkulose. 1935 Lungenentzfindung. Februar 1936 begann die jetzige Erkrankung mit Fieber und Hasten, Temperatur his 38 c. Juli 1936 Verschleehterung, Fieber bis 38 ~ Lungentuberkulose rSntgenologisch festgesteltt, AuswurI Tuberkelbaeillen 4 - Lungenbefund: Exsudative Tuberkulose des linken Ober- lappens und im reehten Oberlappen, Einschmelzung links. Konservative Behandlung, starke Gewichtsabnahme. 7. VI. 1937 pl6tzlieher Tod. Klinisehe SchluBdiagnose: Ex- sudative Tuberkulose des linken Oberlappens und im rechten Oberi~ppen, EinsehmeIzungen beiderseits. Verdaeht auf Kehlkopf- und Darmtuberkulose. Kachexie. An~mie. Tod an akutem Herzversagen.

Auszug aus der p~thologisch-anutomischen Diagnose (S.-Nr 55/37, Sekan$ Dr. Koch), . . . . . Wahrscheinlich primiire, h/imatogen metastasierende Tuberkulose: schwere kavern6se exsudative und produktive Tuberkulose des linken Oberlappens mit Streuung in allen Lungen- teilen, seharfrandige Kaverne des rechten Oberlappens, verkasende Tuberkulose rechts- seitiger oberer broncho-pulmonaler, unterer und oberer traeheo-bronehlaler und p~ra- traehealer Lymphknoten; schwere gesehwfirige Tuberkulose des Zungengrundes, der Ton- sillen, des Kehlkopfes und der Trachea; k/s Tuberkulose der cerviealen Lymphknoten; k~sige Tuberkulose mesenterialer Lymphknoten, insbesondere des Ileoeoeealstranges, tuber- kulSse beiderseitige Salpingitis, wenig ausgedehnte tuberkulSse Endometritis des Corpus uteri; l~sige Tuberkulose der inguinalen and paraaortalen Lymphknoten; umschriebene

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BeitrgLge zur pathologisehen Anatomie der primiiren Tuberkulose des Erwaehsenen. 569

se,-o-fibringse Peritonitis des Ileocoeealgebietes (220 ecru); ~ro-fibrin~i.'~" links~,itige Plcur- iris (250 ecru) mit leiehten Verwaehsungen fiber dem Oberlappen, Obliteration des rechten Pleuraraumes . . ."

Diese Beobach~ung b ic tc t berei ts besondere lerscheinungsformen: Wir wissen aus den Arbei ten yon Nchiirmann und Diehl i iber die pro~rabier t dm'chseuehen<ten Prozesse, dab in ihrem Verlauf besonderc Loka l i sa t ionen mM Erscheimmgs- formen der Tuberkulose auf t re ten . W i t erw/thnen in unserem Fal[e die gesehwiir ige Mundseh le imhau t tube rku lose , die Tons i l l en tuberkulose sowie die schar f randige K a v e r n e der Lunge (Lochkaverne) . Diese Beobach tung s te i l t d a m i t einen Crenz- fal l un<t 13bergang zu den eigen~- l ichen Genera l i sa t ions tuberku- losen dar . En t sche idend fiir uns ist , daf~ wir einerseil,s die mass iv verk/s Tuberku lose der Lungen lymphabf tu gbah n l inden und andererse i t s /i l tere tuber- kul6se Prozesse fehlen. D a m i t fo rder t sieh die Annahme , dal3 hier in l angsamer En twickIung im AnsehluB an die Ers t in fek t ion eine p ro t r ah i e r t e durehseuehende Tuberku lose zus tande kam. Dar- fiber h inaus is t es mSglieh, dab eine entera le Prim/~rinfekt ion vor- i iegt. Die mass iv verki isenden L y m p h k n o t e n p r o z e s s e des Bauch- r aumes k6nneu als zum Prim/ir- komplex gehSrig aufgefagt wer- den. Andererse i t s kennen wi t a b e t die , ,Kartof fe ldri isen" als Ersehe inungsform der Tuber - kulose bei de r p ro t r ah i e r t en I )urchseuchung. Man kann also die L y m p h k n o t e n h e r d e als Teil- e r sehe inung der general is ierenden Tuberkulose wie aueh als Ante i l des Primi~r. komplexes auffassen. Die Entsehei ( lungen sind bei den manifes ten ausgedehn ten Tuberkulosen , wie wi t es schon erw/ihnten, nieht mSglieh.

_Fall 5. 56j~thriger d. A .N. 9422/5256. Frtihere Krankheiten: Lues, Malaria. Februar 1936 klagg tier Patient iiber Mattigkeit und Husten. April 1936 l/ippenfell- entziindung links, Atemnot. Mai 1936 im Krankenhaus Tuberkulose festgestellt, Tuberkel- baeillen-4:. Lungenbefund: zirrhotiseh-produktive Tuberknlose iln linken ()berlappen, gering im reehten Oberlappen, abgesacktes Exsudat links. Juli 1936: das schleehte All- gemembefinden und die erhOhte Temperatm' stehen nieht im richtigen Verh~tltnls zum Lungenbefund. 21. Januar 1937 VerschIechterung, RSntgenaufnahme zeigt eine deutliehe Progredienz. 7. Februar 1937 Tod. Klinische Sehlulldiagnose: Produktiw, Tuberkuiose tier linken Lunge mit Einschmelzungen und abgesacktem Pleuraexsudat, Verdaeht auf Rectum-Ca, Aszites.

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Auszug aus der pathologisch-anatomischen Diagnose (S.-Nr 12/37, Sekant Dr. Koch), . . . . . Produktive Tuberkulose mit wenigen fibrSsen Vernarbungen der linken Lunge, mehrere groSe, seharf begrenzte K/tseherde des linken Mittelgeschosses, verkiiscnde Tuberkulose broncho-puimonaler und traeheo-bronchialer, regioniirer Lymphknoten; Reste linksseitiger k/isiger Pleuritis mit Pleuravcrsehwartung; vereinzeltes flaches Geschw/ir der obcrsten Trachea und der Kchldeckelhin~rfl/~che; knotige Aussaat in die Milz; vereinzelte tuber- ku15se Gesehwiim des oberen Ileums mit Verk/isung region~rer Lymphknoten, ged..ckte Pet-rotation eines dieser Darmgeschwiirc : diffuse, serofibrinSs-eitrige (3000 ccm) Peritonitis mit ausgedehrtten Verklebungcn des ganzen Bauehraumes, besonders stark des rechten Un~erbauehes (ira Bereich der Darrugesehwfire) mit stenosierenden Kniekungen des Diinn- darmes, beginnender Ileus des oberen Ilemns uitd g~nzen Jejunums. Gestielter Schleimhaut- polyp des oberen Rectums, starke Kontraktioa der Darmwand in seinem /3el~_.ich, Hyper- trophie der Wand des Sigmoids und absteigenden Dickdarmes . . . Mesaortitis syphilitiea . . Fettcirrhose der L e b e r . . . " (Abb. 8).

Der K r a n k h e i t s v e r l a u f bei d iesem 56j/ ihr igen Manne e r s t reck t sich ge rade fiber 1 Jahr . Der in Abb. 9 wiedergegcbene l~bers ichtsschni t t l~l~t e indrueksvo l l die ganze Schwere des Prozesses erkennen. Bei his tologischer Kon t ro l l e erweisen sich die Veranderungen yon e inem Charak te r , wie wi t sie bei Fa l l 2 - - e inem 17j~thrigen M a d c h e n - - b e s c h r i e b e n haben. Es wechselu H e r d e in verseh iedencm S t a d i u m tier En t z i i ndung und GrOfte ab. Neben grol]en, annghe rnd s t ruk tu r - losen, ve rkas ten Bezirken KnStchenherde mi t granul/~ren Prozessen; sehliefllich aueh kleine fr isehere Vernarbungen . Die Lymphk~lo ten der LungenwurzeI zeigen mass ive , gewShnlieh his zur Kapse l re ichende Verk/~sungen, nu r vere inze l t s teh t noch eine kleine g a n d z o n e l ympha t i s chen Gewebes. Beuxerkenswert s ind bei dieser Beobach tung zwei im oberen I l eum gefundene Darmgesehwii re . Ein- m,~l en t sp r i eh t ihr Sitz du rchaus n ich t den gewohnten Befunden. Das Pr~di - lek t ionsgebie t der die Lungenph th i se beglei tenden Da rmtube rku lo se is t d a s

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Ileocoecalgebiet. I)er Rand der Gesehwiire, die bandartig etwa a]4 des Darm- umfanges umgeben, wird als breiter, um die Gesehwiire liegender ringartiger Wall besehrieben, der nieht den gewShnliehen Rand zeigt, sondern mehr einer breiten Mauer gleieht. In dem zugehSrigen LymphabfluBgebiet verk~ste Lymphknoten. Unmittelbar unter den beiden besonders gestalteten Gesehwiiren zwei kleine, gewShnliche tuberkulSse Darmgesehwiire, ein weiteres wenig oberhalb des Anus. ttistologiseh zeigen die beiden Geschwiire in ihren Grunde breite Infiltrate, (lie an den tiefsten Stellen, wo fiberhaupt nur noch ein schmaler Rest der Darmwand erhalten ist, his zum Peritonealtiberzug reichen. In den innersten Schichten ne- krotisehes Material ohne Besonder- heiten. Darunter eine breite Zone, die yon tuberkuISsen Granula- tionen durchsetzt ist. Neben typi- schen Tuberkeln Epitheloidzell- nester sowie auch junge Fibro- blastenziige. Wechselnd in diesen Grannlationen Verk~sungen. Dem Peritoneum liegen Fibrinklumpen, durchsetzt mit Leukoeyten sowie amorphes undefinierbares Material reiehlich auf. (Peritonitis !) Die breiten wallartigen R/inder, die wir oben erw~hnten und die als derber Ring die Gesehwtire um- sehlieflen, erweisen sieh histologisch als breit infiltrierte Wandanteile. Ihre Sehleimhaut enth~lt typische Tuberkeln mit kleinen Verks zonen, vor allem aber reiehliche Epitheloidzellgranulationen. Alle fibrigen I)armabsehnitte bis zum Peritonealiiberzug entziindlich durchsetzt. Neben Lymphocyten Abb. 9. S.-Nr 12/37. 4', 56 Jalme, M.ikroskopischer?Jbcr-

s tcht~schnit t dcs l inken Oberlappens, a : verk~s tc Dr i i sen; linden wir in allen Teilen zahlreiehe # = rein verkapseJ~e gro~e ~seherde dcr Lu1~ge. groBe histiocyt/~re Elemente, wech- selnd, jedoch meist oval bis rund geformt, mit groflen hellen Kernen. Vereinzelt liegen sie aueh als Epitbeloidzellen in kleinen H~ufchen zusammen. In allen Schichten auch feine bindegewebige Durchsetzungen; neben Fibroblasten feine Ztige yon Bindegewebsfasern, die wohl ffir die wallartige Verdlckung und Ver- festigung der Wand verantwortlich sind.

Naeh den Prozessen in der Umgebung sind diese Geschwiire zweifellos ~lter. Sie befinden sich jedoch durehaus noch nieht in Heilung, sondern sie sind, wie die Prozesse in ihrem Grunde anzeigen, noeh fortsehreitend. Die beschriebenen verk&sten Lymphknoten des zugeh6rigen Mesenterialgebietes zeigen ganz ent- spreehende Ver/~nderungen. Eine zentral sitzende Verk~sung reicht ann~hernd bis zur Kapsel. Nahe dieser wird die Verk/~sung al[seitig noch yon einem Rest

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lymphatischen Gewebes umgeben. In diesem neben tuberkuI6sen Granulomen mi~ reieh]ich Riesen- und Epitheloidzellen jung anfsehiel3ende Granulationen, die in breiten Ztigen in die Kiisemasse vordringen. Am Rande bereits eine schmale Bindegewebskapsel angedeutet.

Damit wi~re auch im D~rmgebiet das Bild eines Prim/irkomplexes verwirk- licht. Die beiden beschriebenen Gesehwfire ents tammen sicher einer anderen Phase des Krankheitsver]aufes als die erwiihnten iibrigen, die als durchaus jiinger anzusehen sind. Es kann jedoch keinesfatls entschieden werdcn, ob w i r e s hier oder in der Lunge mit den Erstansteekungsherden zu tun haben und welche P r o - zesse als abh~ingig yon den anderen zu betrachten sind.

Hervorzuheben sind weiterhin die kno~igen Herde der Milz, die sich makro- skopisch als his erbsengrol~e feste, k/isig.gelbe Herde darstellen. Sie erweisen sich histologisch ~ls verk/~ste Bezirke, in denen sich eben noch die Milzstruktur schwach abzeichnet. In ihren R~ndbezirken findet sich eine diehte zellige In- filtration, die in etwa gleichen Teilen aus Leukocyten und Lymphocyten be- steht~. Tuberkul6se Granulatlonen treten vSllig in den tI intergrund; man er- kennt nur kleine Bezirke, in denel~ sich eine Epitheloidzell-Granulation aus- breitet. Die Herde lassen noeh keine gleicbm/~Bige Kapselung erkennen. Nur streckenweise ist eine Abgrenzung durch noch kernreiches, feinfaseriges Binde- gewebe darsteIlbar. Die Herde elltsprechen aIso dem, was man bei tier knotigea Frfihgeneralisar besonders des Kindesalters, linden kann.

Das Gesamtbild der Tnberkulose des 5. FaIles is~ jedenfalIs durchaus nicht das, was man am hiiufigstea in diesem Alter sehen kann: die ,,Altersl0hthise" oder , ,Greisentuberkulose". Rein naeh den gewebliehen Ver/inderungen ohne Xenntnis des Kranken wfirde man yon einer Pnbert~tsphthise spreehen k6nnen. Fiir diese Erkrankungsform - - yon der UIrici und Koch sehreiben, d~l~ sich wahr- scheinlich unter dem klinischen Bild ein Tell pr imarer Tuberkulosen verbergen - - mfissen wir anatomisch aber eine Stadienvermengung verlangen, d .h . bei bestehenden tuberkul6sen Altherden, Entwicklungen, wie sie sonst in die 1)rim/~r- komplexperiode (Drfisenverk/~sungen) oder zu den Generalis~tionsformea ge- reehnet werden (Metastasen des groflen Kreislaufes, miliare Aussaat) und sehlieB- lich MarSfestationen, die in den Kreis tier organisolierten Phthise (bronchogene Aussaat, Kehlkopf- und Darmtuberkulose) geh6re~L Diese Forderungen sind verwirIdicht, nur dab alte Suberkul6se Ver~nderungen fehlen und wir uns somit bereehtigt sehen, die Beobaehtung als prim/ire Tuberkulose zu diskutieren. Often bleib~ bei dieser Annahme, ob es iiberhaup~ der erste tuberkul6se Iiffekt dleses Menschen is~ oder nach v6/liger biologischer Heilung einer frfiheren Erstansteckung jetzt in einem im biologisehen Sinne der Tuberkulose gegenfiber wieder jung- fr~uliehen Organismus Ver/s als prim/~re Tnberkulose zustande kamen.

Die 5 besehriebenen Beobaehtungen, yon denen wir auf Grund der Befunde, die wir direkt in Zusammenhang mi t den einzelnen ]3eobaehtungen besproehen haben, glauben annehmen zu diirfen, daft sie sich im Anschlul] an die tuberkul6se Erstansteckung en~wickelt haben, geh6ren verschiedenen Formenkreisen des Tu- berkuloseablaufes an. Zwei der Beobachtungen sind den GeneraIis~tionsformen zuzurechnen (1 und 4). Der Ablauf ist ein protrahierter und in beiden F~l~en erkennen wit charakteristisebe Zeichen dieses Tuberkulosesblaufes (miliare Aus-

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Beitrage zur pathologischen Anatomie der primiiren Tuberkulose des Erwaehsenen. 573

saaten, Metastasen des groBen Kreislaufes, Lochkavernen der Lunge). Dabei liegt im Fall 4 eine enterale Erstansteckung vor; dann hgtten die metastat ischen Lungenherde die fortschreitende Erkrankung der Lunge eingeleitet, die nun organ- beschr/illkt blieb. Die 2. und 3. Beobachtung verwirkliehen einen rein organ- isolierten Tuberkuloseablauf naeh Prim/iriiffektion. Die 5. Beobachtung erw/ihnen wir gesondert, wegen des Alters des Patienten. Wenn wir wissen, dab in einer Menschengruppe, die sich bunt gemischt aus GroBsbadt-, Kleinstadt- und Land- bewohnern zusammensetzt im Alter yon 18--22 Jahren noch zwisehen 20 und 23% tuberkulinnegativ sind (unverSffentlichte Untersuehungen yon Koch), so kSnnen wir wohl erwarten, dab aueh im 5. Jahrzebnt noch einzelne Mensehen tuberkulosefrei sind; es sind jedoch sieher SeItenheiten. Wir erw/~hnten bereits andere Erkl/irungsm6glichkeiten.

Nehmen wit die Beobaehtungen yon Frimann-Dahl und Waaler und yon Huebschman~ hinzu, so erkennen wir, dab im AnschluB an die Erstansteekung, bei noch ffischen, dem Prim/~rkomplex zuzurechnenden Herden, alle uns bekann- ten Tuberkuloseablgufe verwirklieht werden k6nnen: ngmlich die aku~e, t6d- liehe Generalisation mi t Miliartuberkulose und Meningitis (Frirr~nn-Dakl und Waaler, Huebschmann), die protrahierte Durchseuehung und sehlieBlieh die organisolierte Phthise. Zur Entwieklung des besonderen allergischen Zustandes, der die eine oder andere Ablaufsform best immt, ist also nicht eine l~ngere Periode (Kindheitsinfek~ion~Erwaehsenentuberkulose) notwendig, sondern die reaktive Einstellung des Organismus kann aueh schnell erfolgen.

Die geweblichen Ver~nderungen, die wit antreffen konnten, geben keine neuen; pabhognomonisehen Befunde. Die Prozesse gleichen durchaus denen, die man aueh bei den , ,gewbhnliehen" Tuberkuloseabl/~ufen finder. Wesentlieh ist jedoeh und unterstfitzt die Annahme, dab w i r e s mit Prozessen zu tun haben, die bald nach der Erstansteckung in Gang gekommen sind, dab wir Ver/~nderun- gen beieinander antreffen, die wir sonst nur getrennt in den groBen Ablaufsformen der Tuberkulose finden. Wir meinen hier besonders die knotigen Friihstreuungs- herde, wie sic z. B. in den Parenehymen bei dem als Fail I beschriebenen 21j/~hri- gen wie aueh in der MiIz des 56j/Chrigen (Fall 5) aufgezeigt wurden. Daneben dann gewebliche Ver~nderungen, wie wir sie bei den ehronisehen Generalisa~ionen (1) oder der akut verlaufenden LungentuberkuIose (5) antreffen. Es m/issen sieh also bei den Erwachsenen die steuernden allergischen Bedingungen in kurzer Zeit entwickelt haben. Wir m6chten hierzu Tierexperimente yon Zeyland und Piasecka-Zeyland anfiihren. Diese Autoren iafizierten ganz junge und ausge- waehsene alte Meersehweinchen mit dem gleichen Erreger und den gleichen Mengen. Sie konnten fests~eUen, dab die Ver/inderungen bei den jungen Tieren entscheidend schwerer waren und sich mehr im akut entzfindliehen Stadium manifestier~en als bei den/f l teren Tieren, wo sic weniger ausgedehnb waren und mehr grannlierende Gewebsreaktionen erkennen lieflen. Wir weisen hierzu auch auf die Arbeiten yon Blumenberg hin, der die Erscheinungsform der Tuberkulose im wesentlichen vom Aiter des Erkrankten abhgngig betrachteL Es ist eben- fails zu diskutieren, inwieweit im Verlauf des Lebens stattfindende nichttuber- kul6se Infektionen heteroallergiseh die Entwieklung yon Antik/~rpern sowie die Form der Gewebsreaktion mitbestimmen. 1Vukade und Rya fanden z. B., dab

Beitr~ge zur ]~linik der Tuberkulose. Bd, 90, 40

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574 hi. Yglesias.

massive tuberkulSse In fek t ionen bei Meerschweinchen gtinstiger vertaufen, wenn den Tieren vorher parentera l Gonokokken- oder Typhusvaee ine zugefiihrt wurden. Die hochgradige I-Iinf/iUigkeit des S/iuglings gegeniiber der tuberkul6sen Infek- t ion ist vielleieht such zum TeiI auf derart ige W i r kunge n zuriiekzuffihren, w e n n wh" n icht ammhmen, dab sich bier eine Auslese besonders widerstandsloser Ind i - v iduen anzeig%

Wir legen besonders Wer t darauf zu betonen, dal3 wir in Zukun f t der pr im/iren Tuberkulose erh6hte Aufmerksamkei~ zuzuWenden haben. Ihre Erscheinungs- formen ]assen sicher naeh dem R 5 n t g e n b i l d u n d ldinisehen Verlauf ke inen SchluB auf ihre E n t s t e h u n g im Ansehlu/] an die Pr im/ir infekt ion zu. Ffir die Ausb i ldung ehroniseher Tuberkulosen ist nieht , wie wit wohl al lgemein bisher a nne hme n , ein l/s Abs t and zur Ers tans teckungsper iode notwendig, u n d dami t die Tuber - kulose der Erwachsenen n ieh t immer eine Strophe des Liedes, dessen erste St rophen in der K indhe i t gesungen wurden, sondern die Ers t ans teckung des Erwachsenen is$ aim wesentl icher par Fak to r ffir die Tuberkulose im Erwaehsenena l te r zu betrachten.

Zusammen]assung.

Es werden die pathologisch-anatomischen Befunde yon 5 an Tuberkulose ges torbenen Erwaehsenen beschrieben. Es wird angenommen, und diese Auf- iassung wird begri indet , dal~ es sieh u m primi~re Tuberkulosen handel t . Auf die Bedeu tung der Ers tans teckung im Erwachsenena l te r als pathogenet iseher F a k t o r fiir die Tuberkulose des Erwaehsenen wird hingewiesen.

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