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(Aus der Chirurgischen Universit~tsklinik XSln [Direktor: Hofrat Prof. Dr. h. c. H. v. Haberer].) Beitrag zu den Fernergebnissen operativer Therapie I)iisartiger Tumoren der Zunge und des Halses 1. Von H. v. tIaberer, Oberstarzt, z. Z. im Felde. (Eingegangen am 23. J~di 1940.) Vor 26 Jahren habe ich ~ einen Beitrag zu den Erfolgen operativer Behandlung beim Zungen- und branchiogenen Carcinom ver6ffentlicht. Es hande]te sich um je einen :Fall der genann~en Erkrankungen, und die Mitteilung erschien mir berechtigt, well meines Erachtens ffir die damalige Zeit auffallend giinstige operative Erfolge erzielt worden waren. Da diese Mitteilung in einer sehr wenig bekanntgewordenen und auch nur sehr kurzlebigen Zeitschrift erschienen ist und aui3erdem das Schicksal der Patienten welter verfolgt wurde, m6chte ich in Schlagworten auf die beiden ]3eobachtungen zurfickkommen. Das Zungencarcinom, das wir schon deshalb als solches zun~chst nicht diagno- stiziert hatten, weil eine damals 29 Jahre alte ]~"rau davon befallen war, bestand bereits 3 Monate und wurde yon uns ftir ein traumatisches Geschwfir gehalten, zumal es angeblich durch Reiben der Zunge an eincm kari6sen Molarzahn ent- standen war. Der Zahn war extrahiert und das vermeintliche traumatische Ulcus der Zunge in fiblicher Weise lokal, vor allem mit Jodtinktur behandelt worden. Probeexcision durch einen Laryngologen habe Carcinom ergeben. Trotzdem konnte mein Chef v. Eiselsberg die Diagnose Carcinom nicht anerkennen und gab mir den Auftrag, energisch konservativ zu behandeln. Zu Weihnachten 1908 erfolgte dann Aufnahme in die Chirurgische Klinik, da das pfennigsttickgro6e Geschwiir keiner]ei Heilungstendenz zeigte, die Geschwiirsr/tnder hart geworden waren und die Zunge in etwa 11/~em Umkreis um das Gesehwiir derb infiltriert war. Driisen waren nicht vergrSBert. Im Auftrage meines Chefs babe ich im Januar 1909 in Lokalan/~sthesie die kranke Zungenpartie keilf6rmig im Gesunden exstirpiert und den Defekt durch Naht geschlossen. Die mikroskopische Untersuchung (Patho- logisch-anatomisches Institut, Prof. Stoerlc) ergab Carcinom, allseits yon gesundem Zungengewebe umgeben. Trotzdem ]connte die Operation nicht als Radilcaloperation bezei<:hnet werden, da ~a ]edwede Driisenausriiumung unterblieben war. In Anbetracht der Jugend der Patientin nml3te die Prognose sehr ernst gestellt werden. Die vorgesehlagene naehtragliehe Driisenausr~iumung lehnte die Patientin ab. Ich leitete innere Arsenkur ein und lie6 Patientin alle 4 Wochen zur Untersnchung kommen, ll Monate naeh der Operation -- die Zungennarbe war vSllig zart -- vogeleigro~e bewegliche harte Drfise unter dem linken Sternokleidomastoideus, zweifellos Metastase. Operation 13. ] 2.09. Besagte Driise liegt hart der Scheide der Carotis eommunis an. AuBerdem linden sieh nach unten zu bis in die Supra- elaviculargrube noeh drei weitere carcinomatSse Drfisen. Mikroskopiseh (Prof. Herrn Prof. Zange zum 60. Geburtstag. ~- Haberer, H. v.: Z. Mundehir. u. Grenzgeb. 1 (1914).

Beitrag zu den Fernergebnissen operativer Therapie bösartiger Tumoren der Zunge und des halses

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Page 1: Beitrag zu den Fernergebnissen operativer Therapie bösartiger Tumoren der Zunge und des halses

(Aus der Chirurgischen Universit~tsklinik XSln [Direktor: Hofrat Prof. Dr. h. c. H. v. Haberer].)

Beitrag zu den Fernergebnissen operativer Therapie I)iisartiger Tumoren der Zunge und des Halses 1.

Von H. v. tIaberer,

Oberstarzt, z. Z. im Felde.

(Eingegangen am 23. J~di 1940.)

Vor 26 J a h r e n habe ich ~ einen Bei t rag zu den Erfolgen opera t iver Behandlung beim Zungen- und branchiogenen Carcinom ver6ffentl icht . Es hande]te sich um je einen :Fall der genann~en Erkrankungen , und die Mit tei lung erschien mir berechtigt , well meines Erach tens ffir die damalige Zeit auffal lend giinstige opera t ive Erfolge erzielt worden waren. Da diese Mit tei lung in einer sehr wenig bekanntgewordenen und auch nur sehr kurzlebigen Zeitschrif t erschienen ist und aui3erdem das Schicksal der Pa t i en ten welter verfolgt wurde, m6chte ich in Schlagworten auf die beiden ]3eobachtungen zurf ickkommen.

Das Zungencarcinom, das wir schon deshalb als solches zun~chst nicht diagno- stiziert hatten, weil eine damals 29 Jahre alte ]~"rau davon befallen war, bestand bereits 3 Monate und wurde yon uns ftir ein traumatisches Geschwfir gehalten, zumal es angeblich durch Reiben der Zunge an eincm kari6sen Molarzahn ent- standen war. Der Zahn war extrahiert und das vermeintliche traumatische Ulcus der Zunge in fiblicher Weise lokal, vor allem mit Jodtinktur behandelt worden. Probeexcision durch einen Laryngologen habe Carcinom ergeben. Trotzdem konnte mein Chef v. Eiselsberg die Diagnose Carcinom nicht anerkennen und gab mir den Auftrag, energisch konservativ zu behandeln. Zu Weihnachten 1908 erfolgte dann Aufnahme in die Chirurgische Klinik, da das pfennigsttickgro6e Geschwiir keiner]ei Heilungstendenz zeigte, die Geschwiirsr/tnder hart geworden waren und die Zunge in etwa 11/~ em Umkreis um das Gesehwiir derb infiltriert war. Driisen waren nicht vergrSBert. Im Auftrage meines Chefs babe ich im Januar 1909 in Lokalan/~sthesie die kranke Zungenpartie keilf6rmig im Gesunden exstirpiert und den Defekt durch Naht geschlossen. Die mikroskopische Untersuchung (Patho- logisch-anatomisches Institut, Prof. Stoerlc) ergab Carcinom, allseits yon gesundem Zungengewebe umgeben. Trotzdem ]connte die Operation nicht als Radilcaloperation bezei<:hnet werden, da ~a ]edwede Driisenausriiumung unterblieben war. In Anbetracht der Jugend der Patientin nml3te die Prognose sehr ernst gestellt werden. Die vorgesehlagene naehtragliehe Driisenausr~iumung lehnte die Patientin ab. Ich leitete innere Arsenkur ein und lie6 Patientin alle 4 Wochen zur Untersnchung kommen, l l Monate naeh der Operation - - die Zungennarbe war vSllig zart - - vogeleigro~e bewegliche harte Drfise unter dem linken Sternokleidomastoideus, zweifellos Metastase. Operation 13. ] 2.09. Besagte Driise liegt hart der Scheide der Carotis eommunis an. AuBerdem linden sieh nach unten zu bis in die Supra- elaviculargrube noeh drei weitere carcinomatSse Drfisen. Mikroskopiseh (Prof.

Herrn Prof. Zange zum 60. Geburtstag. ~- Haberer, H. v.: Z. Mundehir. u. Grenzgeb. 1 (1914).

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Operative Therapie b6sartiger Tumorea der Zunge und des Hglses. 123

Stoerk) ergab sieh metastatisehes Carcinom. In den folgenden 2 Jahren licit ieh immer wieder Arsenkuren durehfiihren.

Es h a t sich nie mehr etwas yon Careinom bei der P a t i e n t i n gezeigt, und ich k a n n meine damMs mi tge te i l te Krankengesch ich te dah in erg~nzen, dab die P a t i e n t i n heute , fiber 31 J a h r e naeh der Opera t ion , gesund ist und sieh bes ten Befindens erfreut.

}tier k a n n also wohl yon der Rad ika lhe i l ung eines an sieh sehr bSs- a r t igen Carcinoms berecht igterweise gesprochen werden, obwohl der erste Eingriff als ungeni igend bezeiehnet werden muB, wie die schon inner- ha lb des e rs ten Jah res dan~ch aufge t re tenen Drf i senmetas tasen zur Genfige beweisen. Der Fa l l zeigt aber aueh, dab m~n solche Metas t a sen noeh erfolgreieh ope ra t iv entfernen kann. Allerdings mSehte ich glauben, dab die sys temat i seh durehgef i ihr ten Arsenkuren ffir den Erfolg n ieht belanglos waren. I eh mSehte betonen, dab zu keiner Zei t bei der P a t i e n t i n eine Bes t rah lungsbehand lung eingelei te t worden ist.

Der zweite Fall, einen 65]ghrigen Herru betreffend, zeigte an der linken Hals- seite einen apfelgrogen, harten, h6ekerigen, unversehieblieh in der Tiefe sitzenden, mit Sternokleidomastoideus verwaehsenen Tumor. Am hinteren tlande des Sterno- kleidonmstoideus eine harte versehiebliche Drt~se. Am vorderen Rande der Ge- sehwulst in der Tiefe die Carotis tastbar. Tmnor yon Sehilddrtise abgrenzbar. Diagnose: Branehiogenes Careinom. Operation 31.10. 11. Radikaloperation nur unter Mitnahme des ganzen Sternokleidomastoideus und der kleinen Naeken- muskeln mSglieh. C~rotis mit dent Tumor verwaehsen, li~gt sieh abet 16sen, Jugularis mug vom Kieferwinkel bis in das Jugulum reseziert werden. Careino- mat6se Driisen hinter dem Sternokleidomastoideus und in der Fossa supraelavi- eularis k6nnen entfernt werden. Tumor sitzt lest am Proe. styloideus, wird unter Abkneifen der Spitze dieses Fortsatzes entfernt. Mikroskopisehe Untersuehung (Path. Institut Innsbruek, Prof. Pommer) ergibt: Branehiogenes Careinom. Mi~rz 1912 metastatisehe Driise hart ant Kehlkopf, Exstirpation dieser Driise. Arsen wnrde yon dem Patienten nieht vertragen, R6ntgenbestrahlung nieht durehgefiihrt. Patient lebte noeh 4 Jahre und soll dann an einer Pneumonie gestorben sein. Da keine Obduktion bei dem in seiner Heimat (Pustertal) Verstorbenen ausgefiihrt wurde, kann niehts dariiber ausgesagt werden, ob his zum Tode Rezidivfreiheit bzw. Metastasenfreiheit bestanden hat.

I eh habe diese be iden Fgl le , wie gesagt , wegen des besonders gi inst igen Ergebnisses der ope ra t iven Eingriffe, das nament l i eh im Fa l l e des Zungen- eareinoms einer jungen F r a u besonders un te r s t r i ehen zu werden ver- dient , noehmals kurz skizziert . Die Bereeht igung dazu le i te te ieh aus dem U m s t a n d ab, dab seit der e rs ten Mit te i lung 26 J a h r e verf lossen sind, das Sehieksal der P a t i e n t e n wei ter verfolgt wurde, wodureh sieh bei der einen P a t i e n t i n eine nunmehr auf 31 J a h r e zur i iekreiehende Dauerhei lung, bei dent anderen P a t i e n t e n eine 4ji~hrige He i lung ergab. Fre i l ieh muB im le tz te ren FMle unentseh ieden bleiben, ob er wirMieh metas tasenf re i an einer in t e rkur ren ten Pneumonie ges torben ist. Beide FiiIle wurden, wie gesagt, keinerlei Rdntgentherapie zuge]iihrt, der eine mit Arsen nachbehandelt, bei dem anderen mu[3te die Arsentherapie wegen Unvertriiglichkeit 'unterbleiben.

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124 H . v . Haberer: Beitrag zu den Ergebnissen

N u n bin ich in der Lage , fiber e inen w e i t e r e n F a l l v o n b r a n c h i o g e n e m C a r c i n o m zu be r i ch ten , dessen b i sher iger Ver lau f a l le unsere E r w a r t u n g e n f ibe r t ro f fen ha t .

C. R., 35 Jahre alt, an meine Klinik aufgenommen am 8.5.34, bemerkte vor 2 J ahren ein kleines hartes Kn6tehen an der rechten Halsseite. Im Laufe der Zeit Anwachsen und H~rterwerden dieses Knotens. Suehte deshalb Januar 1934 einen Chirurgen auf, der Probeexcision machte, die bei mikroskopiseher Unter- suchung Carcinom ergab. Daraufhin wurde R6ntgenbestrahlung eingeleitet. Im ganzen wurden 3000 Einheiten verabfolgt. Die Geschwulst nahm aber trotzdem an GrOf3e zu, weswegen Patient mir zugeffihrt wurde. Groger, gut aussehender Mann, innere Organe o .B . Patient ist leider fiber die Art seiner Erkrankung orientiert. An rcchter H~lsseite, eber der Clavicula, sehr~ge, 3 cm 1,~nge Operations- narbe, unter der einige bohnengroBe harte Driisen zu fasten sind. Oberhalb dieser Narbe, die ganze rechte Halsseite einnehmend, eine kleinfaustgroSe, harte, hSckerige Geschwulst, die den Sternokleidomatoideus durchsetzt, sich weder nach hinten noch gegen die tieferen Halsgef~i3e abgrenzen l~Bt, also infiltratives Waehstum zeigt. Die Geschwulst ist unverschieblieh, reieht nach oben hinter den Unter- kiefer, woselbst ebe~ffalls eine Abgrenzung unm6glieh ist. Senkungsgeschwindig- keit 18 mm in 70 Minuten.

Operation 9.5. 34 in Avertinnarkose, unterstiitzt durch Xther, mittels eines bogenf6rmigen Lappenschnittes, der am Proc. mastoideus beginnt, I/~ngs des vorderen Randes des Sternokleidomastoideus bis knapp oberhalb der Clavicula nach unten verl~uft, bier nach hinten umbiegt und bis gegen den Trapezius ver- l~ngert wird. Der Hautlappen wird abpr/tpariert, unmittelbar unter ibm liegt die den Sternokleidomastoideus durchsetzende Geschwulst mit ihren Driisen- met~stasen. Carotis und Nervus vagus, die mit der Gesehwulst verwachsen sind, lassen sieh abl6sen. Die Jugularis l~ftt sich nicht ablOsen, sie mug reseziert werden. Unter Mitnahme des Sternokleidomastoideus lgl3t sich der Tumor samt den sicht- baren carcinomatSsen Driisen der Supraelaviculargrube und des Nackens schlie$- lich entfernen. Drainage des sehr ausgedehnten Wundbettes, Naht des Haut- lappcns. Das gewonnene Prgparat ist faustgro$. Die mikroskopisehe Diagnose ergibt Carcinonl (Leupoht). Wegen der anzunehmenden Aussichtslosigkeit des Falles werden w/~hrend des ungest6rten Heilverlaufes der Wunde einige Fichera- Injektionen ausgefiihrt, obwohl wir bisher noch in keinem Fall yon diesen Injek- tionen einen Erfolg gesehen hatten, iNach der Spitalentlassung wurde Patient yon demselben R6ntgenologen, der ihn schon vor der Operation bestrahlt hatte (Dr. Wirtz) nachbestrahlt.

2 Monate sp/~ter stellt sieh Patien~ wieder bei nfir vor, weil er yore R,Sntgeno- togen dazu aufgefordert worden w~r. Wghrend die reehte Halsseite des Patienten, der sich sehr wohl ffihlt, eine reaktionsIose Operationsnarbe aufweist und hier nirgendwo Driisen tastbar sind, linden sich jetzt links am Vorderrande des Sterno- kleidomastoideus zwei isolierte harte indolente Drfisen, eine dritte~ gleiehbeschaffene in der linken Supraclaviculargrube.

Bei der am 16. 7.34 in Avertinnarkose ausgefiihrten Operation linden sich, hinter den linken Sternokleidomastoideus hineinreichend, zwei carcinomat6se Drfisen, die lose einer carcinomatSsen, in die Jugularis eingebrochenen Platte aufsitzen, so dab die Vene vom Kieferwinkel bis ins Jugulum reseziert werden muir. Auch die kleine Halsmuskulatur muB, weil sie vom Carcinom durchwaehsen ist, exstirpiert werden. Auch im Jugulum finden sich careinomatSse Drfisen. Nachdem endlich der ganze careinomat6se Herd exstirpiert ist, finder sich hinten an tier Wirbels~ule noch ein careinomat6ser Strang mit eingelagerten Driisen, der sich bis hinter die Vena subelavia verfolgen l~13t und exstirpiert wird. Es mul3 angenommen werden, d ~ aueh ins Mediastinum bereits Metastasen vorhanden sind. Nach exakter Blutstilhmg Wundnaht. Der Fall erscheint nunmehr wohl

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als aussichtslos. Mikroskopische Untersuchung: Der maligne Tumor zeigt in manchen Bezirken Cylindromcharakter, an anderen Stellen jedoch gleicht er einem Carcinom. Es ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich um einen endothelialen oder epithelialen Tumor handelt (Leupold). Nach Abschlu• der st6rungslosen Wundheilung wird der Kranke dem R6ntgenologen zur ~ach- bestrahlung wieder zugewiesen.

3s/2 Jahre nach der letzten Operation wurde der Patient heiser und gleich- zeitig beobachtete er links am Halse ober dens Schlfisselbein ebm harte Anschwel- lung. Der RSntgenologe stellte jetzt mittels Aufnahme eine Verziehung des" Trachea fest, keine auf Tumor verdi~chtige Vergnderung ins Mediastinum. Ein zugezogener Laryngologe (Dr. Boersch) fand linksseitige l~ecurrensparalyse, die er auf den Tumor in der linken Supraclaviculargrube bezog. Deshalb wurde mir der Patient abermals zugeschickt. Da er einen g~sten Allgemeinzustand zeigte, kein krankhafter Befund an der Lunge nachweisbar war, entschlol~ ich reich, den etwa kastaniengroi~en harten Tumor im linken unteren Halsdreieck, obwohl es sich ja wieder um eine Metastase handeln mu6te, durch neuerliche Operation zu entfernen.

Mit bogenfSrmigem Sehnitt, knapp vor dem Sternum, konnte ich am 16. 12.39 zun/~chst am hinteren Rande des Restes des linken Sternokleidomastoideus drei mit dem unteren Stumpf der Jugularis verwaehsene Driisen freilegen und ent- fernen, deren sofortige mikroskopische Untersuchung careinomatSse Einlagerungen ergab (Leupold). Inzwisehen wurde aueh die kastaniengro$e tiefe Halsdrfise, die mit der LuftrOhre und ebenfalls mit den groBen Halsgef/~$en verwachsen war, in sehr mfihsamer Preparation entfernt. Sic erwies sich ebenfalls als carcinomatSs. Nach der Operation war die Stimme des Patienten entsehieden klarer, ein Hornvr- scher Symptomenkomplex links aber unverkennbar, es war also bestimmt auch der Halssympathieus dem Messer zum Opfer gefallen. Noeh w/ihrend der Wund- heilung zeigte sich unter dem linken Unterkieferwinkel eine vogeleigroBe Driise, die ich am 2. 3.39 in Avertinnarkose operativ entfernte. Sic war mittels eines Zapfens mit dens Zungenbein verwaehsen. Ihre mikroskopisehe Untersuchung ergab Carcinom (Leupohl).

Nach reaktionsloser Wundheilung konnte der Patient am 18.3.39 entlassen und dem ROntgenologen (Dr. Wirtz) abermals zur Nachbestrahlung tiberwiesen werden. W~hrend des letzten Spitalaufenthaltes konnten wir bei dem Patienten einen Diabetes feststellen, 6% Harnzucker, 140 mg Blutzucker, so dab sich der Kranke einer Kur unterziehen mul~te. Aneh zurzeit weilt der Patient seines Diabetes wegen in Bad Mergentheim. Carcinommetastasen haben sieh bisher nieht mehr gezeigt. Seit der letzten Operation ist mehr als I Jahr verflossen 1.

Zusammenfassend geht aus der eben mi tge te i l t en Kr 'ankengeschichte hervor, dal3 ein damals 33 J a h r e al ter Mann 1932 selbst den Beginn einer Carcinomentwicklung in seiner reeh ten Halssei te beobachtete , erst 2 J a h r e sp/~ter wegen Anwachsen des Carcinoms einen Chirurgen auf- suchte, der eine Probeexcision ausfiihrte, die das Ergebnis eines Carcinoms erbrachte. Ob der Chirurg den Tumor damals schon als inoperabel ansah oder nur wegen der schlechten Prognose dieser Tumoren nicht operieren wol l te , entzieht sich meiner Beur te i lung; jedenfalls iiberwies er den Pa t i en ten dem RSntgenologen zur Best rahlungstherapie . Le tz te re ha t t e keinen Erfolg, der Tumor n a h m an GrSl~e weiter zu. Am 9 . 5 . 3 4

1 Patient war w/~hrend der Drucklegung dieser Arbeit, am 26. 11.40, wieder bei mir. Es finden sich keinerlei Metastasen. Seit der letzten Operation sind nunmehr fast 2 Jahre verflossen.

Archiv f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfheilkunde. Bd. 148. 9a

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nahm ich die erste Operation vor, die trotz atler Ausdehnung das uubefriedigende Geffihl eines nicht mehr radikalen Eingriffes hinter- lassen mugte. Der Carcinomcharakter der Geschwulst war histologisch festgestellt worden. Nachbestrahlung wu~de ausgeffihrt.

2 Monate sparer muBte ich am 16.7 .34 wegen Metastasen der linken, also anderen Halsseite wieder einen sehr grol]en Eingriff ausfiihren. Diesmal schwankte der Pathologe, ob er den Tumor den endothelialen oder epithelialen Gesehwtilsten zuz~hlen sollte. Wieder Nachbestrahlung.

31/~ Jahre ging es nun gut, dann zwangen ausgedehnte Drfisen- metastasen links zu einem di'itten am 16.2.39 und einem vierten am 2 .3 .39 ausgeffihrten Eingriff. Seit diesem letzten ist fiber 1 Jahr ver- flossen, es hat sieh seither nichts mehr von Metastasen gezeigt, wohl macht dem Patienten sein Diabetes zu sehaffen. Wichtig ist, dag seit dem vermutlichen Beginn eines dem ganzen Verlauf nach doch sicher sehr bSsartigen Carcinoms bei einem jungen Mann 8 Jahre, seit dem ersten Eingriff 6 Jahre verflossen sind und der Kranke bisher am Leben erhalten werden konnte, arbeitsfi~hig geblieben ist und sich bis auf die Besehwerden yon seiten des Diabetes wohl ffihlt. Wichtig ist ferner, dab auch dieser Krankheitsfall zeigt, wieviel man doch erreiehen kann, wenn man auftretende Metastasen, solange sie dem Messer zuggngig sind, immer wieder operativ entfernt.

Mit Reeht kann man einwenden, es habe sieh dabei nieht nur um operative Behandlung, sondern um eine kombinierte operative und Strahlenbehandlung gehandelt. Es darf aber dabei doeh nicht iiber- sehen werden, dag der Prim/~rtumor desbalb dem Chirurgen fiberant- wortet wurde, weft d ie zuerst eingeleitete Strahlenbehandlung keinen Erfolg hatte, sondern der Tumor trotz derselben an Gr613e und Aus- dehnung zunahm. Und obwohl naeh jedem operativen Eingriff immer ~,-ieder intensiv naehbestrablt wurde, konnte doeh das Auftreten yon Metastasen auf beiden HMsseiten nieht verhindert werden. Es seheint sich also doeh dieses Careinom den R6ntgenstrahlen gegenfiber refrakt/~r verhalten zu haben.

Zusammenfassung. Der gericht fiber den postoperativen Verlauf eines Zungencarcinoms

bei einer jungen Frau und von zwei welt fortgeschrittenen branchiogenen Carcinomen, yon denen ebenfalls in dem einen Falle ein junger Mann betroffen war, zeigt, dag bis zur Stunde die Entfernung bSsartiger Geschwfilste mit dem Messer die sicherste Methode bleibt. Es zeigt sieh weiter, dal~ auch nach der operativen Entfernung einer bSsartigen Geschwulst auftretende Metastasen erfolgreich operativ beseitigt werden k6nnen, ja dab sogar danach Dauerheilung (Fall yon Zungencareinom) beobachtet werden kann.