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(Aus dem Ins~itut ftir Krebsforschung der Charit6 -- Direktor: Geheimrat Prof. Ferd. Blumenthal -- H/~matologische Abteilung - - Leiter: Prof. H. Hirsch/eld.) Beitrag zum Studium der Blutveriinderungen bei Ratten mit Experimental.Tumoren. Yon Dr. Franeeseo Paolo Tinozzi, Assis~ent der I. chir. Klinik, ~Neapel. Mit 1 Tafel. (Eingegangen am 7. Oktober 1925.) Die Untersuchungen fiber Blutver/~nderungen bei Individuen mit bOsartigen Tumoren, oder bei Tieren mit Experimentaltumoren sind sehr zahlreich. In den le~zten Zeiten jedoeh richte~en sich die Beobach- tungen besonders auf das Blutserum, und es wurden versehiedene sero- logische Methoden vorgesehlagen, um die Diagnose yon b6surtigen Tumoren mit Hilfe von ehemisehen und chemich-physikalischen Ver- /~nderungen im Plasma und Serum zu stellen. Neben diesen serologischen Untersuchungsmethoden, die haupts~ch- lich an Menschen erprob~ wurden, ist aber mit vielen Autoren eine grol]e Bedeutung auch den Ver~nderungen der morphologischen Elemente zuzuerkennen, sowohl hinsichtlich der Ver~nderungen des H~moglobin- gehalts, als auch hinsichtlich der qualitativen und quanbitatlven morpho- logischen Ver~nderungen der Erythrocyten und der Leukoeyten in ihrer absoluten Anzahl, in ihrem wechselseitigen Verh'~ltnis und im Misehungsverhi~ltnis der Leukocytenformel. Auf Anregung yon Herrn Geheimrat Blumenthal mSchte ich zu der wiehtigen Frage der h~mato- logisehen Ver/~nderungen bei Ratten mit experimentell erzeugten b6s- artigen Tumoren einen Beitrag liefern. Die Versuchstiere waren Ratten mit transplantublen bSsartigen Tumoren, welche mit den aus menschliehen Krebsgeschwiilsten gez.iich- teten Bakterien erhalten waren und ~ls Tumor Z und Tumor I im Berliner Ka'ebsins~itut weitergezficht@t werden.

Beitrag zum Studium der Blutveränderungen bei Ratten mit Experimental-Tumoren

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Page 1: Beitrag zum Studium der Blutveränderungen bei Ratten mit Experimental-Tumoren

(Aus dem Ins~itut ftir Krebsforschung der Charit6 - - Direktor: Geheimrat Prof. Ferd. B lumenthal - - H/~matologische Abteilung - - Leiter: Prof. H. Hirsch/eld.)

Beitrag zum Studium der Blutveriinderungen bei Ratten mit Experimental.Tumoren.

Yon

Dr. Franeeseo Paolo Tinozzi, Assis~ent der I. chir. Klinik, ~Neapel.

Mit 1 Tafel.

(Eingegangen am 7. Oktober 1925.)

Die Untersuchungen fiber Blutver/~nderungen bei Individuen mit bOsartigen Tumoren, oder bei Tieren mit Experimentaltumoren sind sehr zahlreich. In den le~zten Zeiten jedoeh richte~en sich die Beobach- tungen besonders auf das Blutserum, und es wurden versehiedene sero- logische Methoden vorgesehlagen, um die Diagnose yon b6surtigen Tumoren mit Hilfe von ehemisehen und chemich-physikalischen Ver- /~nderungen im Plasma und Serum zu stellen.

Neben diesen serologischen Untersuchungsmethoden, die haupts~ch- lich an Menschen erprob~ wurden, ist aber mit vielen Autoren eine grol]e Bedeutung auch den Ver~nderungen der morphologischen Elemente zuzuerkennen, sowohl hinsichtlich der Ver~nderungen des H~moglobin- gehalts, als auch hinsichtlich der qualitativen und quanbitatlven morpho- logischen Ver~nderungen der Erythrocyten und der Leukoeyten in ihrer absoluten Anzahl, in ihrem wechselseitigen Verh'~ltnis und im Misehungsverhi~ltnis der Leukocytenformel. Auf Anregung yon Herrn Geheimrat B l u m e n t h a l mSchte ich zu der wiehtigen Frage der h~mato- logisehen Ver/~nderungen bei Ra t ten mit experimentell erzeugten b6s- artigen Tumoren einen Beitrag liefern.

Die Versuchstiere waren Rat ten mit transplantublen bSsartigen Tumoren, welche mit den aus menschliehen Krebsgeschwiilsten gez.iich- teten Bakterien erhalten waren und ~ls Tumor Z und Tumor I im Berliner Ka'ebsins~itut weitergezficht@t werden.

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F. P. Tinozzi: Beitrag zum Studium der Blutver~nderungen bei Ratten usw. 541

Es ist Blumenthal und seinen Mitarbeitem gegliickt, aus der Um- gebung menschlicher Tumoren, die nach der Methode yon Becker mit Sonnenlicht bestrahlt wurden, aus hier herausquellenden Tropfen Ge- websflfissigkeit verschiedene St/imme yon Baeillcn zu isolieren, welehe zu jener Art gehSren, die yon Smith in Gemeinschaft mit Brown und Towsend bei Pflanzengeschwiilsten besehrieben und als ,,Bacterium tumefaciens" bezeichnet wurden.

Smith hatte schon eine ~tiologisehe ~Bedeutung dieses Bakteriums fiir die mensohliche Krebsforschung vermutet, aber der Beweis war ihm nicht gelungen. Erst Ms Blumenthal, Hans Auler und Paula Meyer dem B. tumefaciens nahe- stehende, zum Teil identische Bakterien aus menschlichen Krebsgeschwiilsten ziichteten, gewann die Frage der Gesehwulstbildung dutch diese Bakteriengruppe erneute Bedeutung. Dabei ergab sich folgendes. Die Injektion der Emulsion yon solchen Bacillen allein verursachte nur selten Tumoren, dagegen konnten einige Male transplantable Geschwiilste erhal~en werden, als man den Vcrsuehsi~ieren eine Mischung von Emulsion der geziichteten Kultur, Gewebsfliissigkeit aus 0demen Krebskranker und ein Reizmittel zur Erregung des Reizprozesses, d. h. sterilen Kieselgur, einspritzte. Mit dieser Trias gelang es, bSsartigc Tumoren zu erzielen, die durch viele Generationen transplantabel waren, welche Metastasen verursaehten, nlcerierten und schlieIMich den Ted des Tieres herbeiftihrten. Be- merkenswcrt ist die Tats.ache, dab nach der zweiten Transplantation der verimpfte Bacillus weder aufzufinden noch weiterzuztiehten war.

Es war nun yon grol~em Interesse festzustellen, ob die Ratten, bei denen es gelungen war, in der eben beschriebenen Weise mit den neo- plastischen Bacillen Tumoren zu erzeugen, die in ihrem histologischen Bau nicht wesentlich yon den bereits bekannten transplantablen l~atten- tumoren abweichen, die gleichen zutn Tell recht schweren morpho. logischen Blutver~nderungen aufweisen, wie sic bereits friiher yon Pappenheim, Hirsch/eld und Kabierske bei transplantablen Tumoren der l~atten und M~use beschrieben worden sind. Von diesem Gesichts- punkt aus sind die folgenden Untersuchungen ausgeffihrt worden.

Die Angaben der verschiedenen Autoren fiber die morphologische Zusammensetzung des normalen Rattenblutes sehwanken etwas. Hirsch- ]eld gibt ffir die Rat te einen Hi~moglobinwert schwankend yon 80--100 an, w~hrend Klieneberger und Carl ihn mit etwa 105 annehmen. Die Anzahl der Erythrocyten beli~uft sich nach Hirsch/eld auf etwa 5 600 000 bis 8 800 000, nach Klieneberger und Carl etwas hSher: 9 300 000. Die Angaben fiber die Anzahl der Leukocyten schwanken aber noch mehr: 9300--25000 (Hirseh/eld), 15200 Durchschnitt (Klieneberger). Die Leukoeytenformel des Rattenblutes ist vorwiegend lymphoeytiir; der Durschschnittswert ist folgender: groSe Lymphocyten 24,5%, kleine Lymphoeyten 53,5%, polymorphkernige Neutrophile 16%, Eosinophile 3,5%, Monocyten 0,5%, Ubergangsformen 2% (Klieneberger).

Bei 6 I~atten yon mittlerem Alter und gutem Ernahrungszustand habe ich folgende Werte gefunden:

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542 F. P. Tin~zzi: Beitrag zum S~udium der Blu~vcr~nderange~

TabelIe I.

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2 6 1 2 2 3 l 7 2 3 2 2

Beziiglich der roten Blutkbrperchen habB ich manchmal eine leichte Aniso- cytose, stets abet Polychromatophilie, niema]s abet lqormoblusten noch Erythro- cyten mit Nuclearriickstanden gefundea. Diese ]eichten anamischen Veranderungen zeigen alle Laboratoriumstiere. Von den polymorphkernigen Elementen fallen besonders die Formen mit ringfSrmigem Kerne auf, die ziemlich ha]dig vorkommen und aus denen dureh die Zerstiiekelung des Kerns die mehrkernigen Elemellte hervorgehen. Der Cysticercus, der sich manchmal in der Leber der scheinbar ge- sunden Ratte finder, scheint mir auf die Blutver/~nderungen keinen Einflul~ zu haben.

Nach diesen Blutbestimmungen normaler Rat ten unternahm ich nun weitere Untersuchungen an l%attea mit Tumoren verschiedener Or0s mit und ohne UIcera~on, die mit verschiedenen Bakterienst~mmen erzielt worden waren (Tumor I, Tumor Z, ebenso mit Tumoren veto Typus Flexner-Jobling). Aul~erdem habe ich reihenweise Untersuchun- gen an _einem and demselben Tier vorgenommen, zu verschiedenen Zeiten, also in versehiedenen Entwicklungsstadien des Tumors, und in verschiedenen Abst~nden yon der Impfzeit, um die entstandenen Blut- ver~nderungen in ihrer Wechselbeziehung zur verschiedenen GrSBe und zu verschiedenen Zustiinden des neoplastisehen Gewebes festzustellen. Die Zahl der untersuchten Tiere belief sich auf 48 (20 Tumor I, 18 Tumor y und 10 Tmnor Flexner). Es fandett insgesamt 90 Beobachtungen sta~. Aus dem Pro~okoll hebe ich nur die Ergebnisse Yon einigen FMien hcrvor {Tab. 2).

Ass der Gesamtheit aller Untersuehungen geht hervor, dab die Blut- vergnderungen mit der Entwicklung des Tumors fast gleiehen Sehritt halten und sich meistens in den FMlen vorfinden, we betr~chtliche Metastase und Ulceration des Tumors stattgefunden hat; aueh bei den Serienuntersuehungen zeigt sigh die Parallele zwisehen der Tumor- entwicklung und den Ver~nderungen des Blutbestandes. In einigen FMlen, we die Impfung miBlang, war such keine Blutver~nderung fest- zustellen. Hinsiehtlieh des H~moglobingehaltes ergab sieh eine Ver- minderung, die in einigen F~tlen eirLe' tiefe, aber nieh~ zu ~iefe Grenz-

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544 F.P. Tinozzi: Beitrag zum Studium der Blutver~nderangen

linie erreichte, wenn man bedenkt, dab selbst bei Tieren mit groBen ulGerierenden Tumoren der Tiefwert niemals unter 40~o gesunken ist. Bei den Erythrocyten linden sieh h~ufig Pessafformen, eine leiehte Anisocytose, infolge der Anwesenheit yon Mikrocyten, niemals aber yon Makrocyten; merkwiirdig jedoch ist das seltene Vorkommen yon Erythro- cyten mit Kernen oder Kernriickstanden, angesichts der riesigen Menge yon polyGhromatophilen Elementen, die in einigen F~llen das Verhgltnis yon 1 : l0 erreiehten. Da und dort finden sieh Eryghroeyten mit baso- philen K6rnchGn, niemals aber Poikilocyten. Die absolute Anzahl der roten Blutk6rperehen ~ndert sich wenig bei den kleinen Tumoren, sinkt ziemlieh ~ief bei groBen Tumoren. Die tiefste beobachtete Erythro- Gytenzaht betr~gt 2 300 000, der tiefste H~moglobinwert 400/0 . Die st~rksten Ver~nderungen aber zeigen sieh in Hinsieht auf die weigen Blutelemente, sowohl in der absoluten Anzahl der Zellen, Me aueh in der Leukoeytenformel. Vor allem ist hier zu bemerken, welchen geringen EinfluB die kleinen nieht uleerierenden Tumoren auf Leukoeyten aus- iiben; in solehem Falle erreiehen die weil3en Blutk6rperehen selten die Zahl yon 20 000; bei Ratten mit stark entwiekelten Tumoren (Haselnul3-, Hiihnerei-, ApfelgrSge) ergeben sieh leicht Zahlen von 70 000--80 000; bei 2 P~atten hingegen mi~ groI3en ulcerierenden Tumoren und Aehsel- metas~ase fanden sieh sehr hohe Zahlen, 112000 und 107 000 Leuko- cyben. Die Leukoeytenformel (May-Grfinwald-Giemsa-F~rbung) zeigt sich bedeutend ver~ndert, und diese Ver~tnderung h~lt sozusagen gleiehen Sehritt mit der Entwieklung des Tumors; sie steigt allm~ihlieh an yon de r lymphocyt~ren Formel, die, wig gesagt, bei der Ratte normal ist, zu einer Formel mit Wertgleiehheit zwisehen mono- und polymorph- kernigen Zellen, oder sogar mit Oberwiegen dieser letzteren. Es kommt also zu einer neutrophilen Leukoeytose. Die eosinophilen Elemente sind bei den Tumorratten fast stets vermindert, und einige Male bei Itatten mit sehr groBen uleerierenden Tumoren (Tumor I, Tumor y) war es iiberhaupt night m6glich, selbst naeh aufmerksamster langer Unter- suehung des Prt~parats, noeh eine solche Zelle zu entdeeken. An der Vermehrung der neutrophilen Zellen nehmen sowohl die ringkernigen wie die segmentkernigen tell. Im allgemeinen sind aueh die Monoeyten vermehrt, und zwar in einigen F~llen bis zu 10--12%. Von unreifen Formen habe ieh Myeloblasten, MyeloGyten und noch h~ufiger Meta- myelocyten gefunden. Beim Vergleich tier verschiedenen Ergebnisse der versehiedehen Tumorarten scheint es mir, dab keine wechselseitigen Verschiedenheiten vorliegen; nur beim Tumor Flexner-Jobling habe ieh fast nie eine Verminderung der Eosinophilen, die sonst oft fehlen, Iest- gestellt, im Gegenteil, bei einer Ratte mit 2 starkentwickelten Tumoren erreichten sie die Anzahl von 8~ . Fast in allen F~llen land ich eine geringe Pl~ttchenvermehrung.

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hei Ratten mit Experimental-Tumoren. 545

Ein interessanter Befund, den ieh nur bei 2 Rat ten mit groBen ulcerierenden Gesehwfilsten und starker Kachexie (Tumor ?) einige Tage vor ihrem Eingehen machte, bestand im Vorkommen von Ein- schliissen in Monocyten, im Aussehen ziemlieh ~hnlieh jenen, die bei Meersehweinehen unter der Bezeiehnung ,,Kurloff-K6rperchen" erw~hnt werden, ein Vorkommnis,. das meines Wissens bei Rat ten bisher nur ganz vereinzelt festgestellt worden int. Bei einem der Tiere habe ich nur einige soleher Formationen gefunden 'trotz Untersuchung vieler Blut- ausstriche, bei einem anderen Tiere waren sie reichlich vertreten (1 in jedcm der 4--5 mikroskopischen Felder). In manehen Zellen sieht man nur eine Vakuole, in ~nderen Zellen bef inde t sich in derselben wenig blaugef~rbte Substanz, die im zentralen Teil zusammengezogcn sitzt oder l~ngs des Randes in Form yon kleinen KOrnehen oder St~bchen vereinigt ist; allm~hlich finden sich Substanzen yon netzf6rmigem Aus- sehen, oder aus kleinen K6rnchen oder Stabehen gebildet, die die ganze Vakuole ausfiillen und ringsum ein farbloses Hellfeld freilassen. Ihr Umfang ~ndert sich manchmal bin zur Gr6Be des Zellkerns oder noch mehr, so dab die Bildung den Kern zusammenpreBt, ohne jedoeh dessen Struktur zu verniehten. Ieh habe nie derartige Formationen in anderen ZeUen als in Monocyten angetroffen. Bei keiner Rat te ergab die Unter- suehung der Milz, Leber und des Knoehenmarks etwas auff~lliges, ab- gesehen yon den gew6hnliehen Ergebnissen bei Rat ten mit Tumoren, yon denen noeh die Rede sein wird. Welches mag die Bedeutung dieser Gebilde sein ? Ich erinnere nur an die Diskussionen und die versehiedenen Ansichten fiber die Entstehung der ,,Kurloff-KSrperchen", die yon einigen fiir Parasiten gehalten wurden, oder ftir leukocyt~re Ver~nde- rungen infolge yon Parasiten (Spiroeh~ten yon Ross und Chlamydozoen yon Ledingham, Flu), yon anderen wieder ffir Zellprodukte ohne Parasitennatur, oder auch wieder fiir Vakuolen mit homogenem Sekret, zu denen noch Strukturen oder Pseudostrukturen sieh gesellen, die ihren Ursprung einer Misehung des Sekrets unter Einflu2 yon 15slichen Farb- stoffen, den Lipoiden, verdanken (Pappenheim-SchulhoH) und die sich selbst~ndig entwiekeln k6nnen (Miyazi). Das letzte Wort hier~ber ist nooh nicht gesprochen, und die Autoren sind sieh noch gar nicht einig, welche Bedeutung ihnen beizulegen sei. In unserem Fallo kann bei der geringen H~ufigkeit des Befundes kein genaues Urteil fiber die Genesis und Wiehtigkeit dieses Faktums formuliert werden, ich bin aber der Ansieht, dab diese Formationen start als Degenerationsvorg~nge des Zellprotoplasmas eher als protoplasmatische Einschltisse aufzufassen sind, die einer Phagocytose entstammen und von Aufl6sungselementen der Tumorcn abzuleiten sind. Naeh meiner Ansieht ist das Vakuol~r- stadium das Ende, nicht der Anfang des Vorganges, um so mehr als in F~llen, we die Farbsubstanz auf ein Minimum zuriickgegangen ist,

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546 F.P. Tinozzi: Beitrag zum Studium der Blutveri~ndemngen

Spuren von ihr gleichm~Big bis zum Zenbrum oder der Peripherie zurfickbleiben, ganz mit den Merkmalen einer Riickstandsmasse. Merk- wiirdig ist die Tatsache, dab tro$z der zahlreichen Untersuehungen yon Ra t ten mit groIlen ulcerierenden Tumoren dieser Befund, wie sehon erwihnt, ganz selten i~t, so dab es mix nfitzlieh sehien, eine Tafel mit versehiedenen dieser Formen anfertigen zu lassen, unter denen die Ver- inderungen auftreten k6nnen.

Ieh habe noeh andere Untersuohungen vorgenommen, urn zu er- mitteln, welehe Blutverinderungen naeh der v611igen Entfernung des Tumors vor sieh gehen, und ieh habe feststellen k6nnen (wie sehon Hirsch/eld beim Rattensarkom gefunden hatte), dab die Blutverinde- rungen ziemlich rasch zuriiekgehen, und dab in weniger als 3 Tagen der Zustand wieder normal wird.

Bei anderen Ra$ten mit Tumoren, denen die l~ebenniere entfernt wurde zum Zweeke der Feststellung, welche Wirkung dieser Eingriff auf alas Wachstum des Tumors habe (Auler), war es mir nieht m6glich (15, 20 Tage naehher), irgendwelche Verinderungen in der Blutformel festzustellen, die auf die Operation zurfiekzuffihren wiren, sondern die Ver~inderungen zeigten sieh immer abh~ngig yon der Entwicklung und dem Zustande der neoplastisehen Masse und gingen zuriick, wenn diese zuriiekgegangen waren. H~mokulturen mit Rat tenblut auf verschiedenen N~hrb6den haben nie beaehtenswerte Entwieklung yon Mikroorganismen gezeigt. Beim Vergleich racine r Ergebnisse mit denen anderer Forscher ist vor allem zu bemerken, dab das h/~matologisehe Bild sehr dem Bilde der Impftumoren bei Rat ten und M~usen gleicht (Hirsch/eld, Kabierske) und dem Bilde der Teertumoren (Balbi). Es feh]t aber die Lympho- eytose, die sich in den ersten Entwicklungsstadien des durch Teer er- zeugten Miusetumors zeigt.

Von den Autoren, die sich mit Blutverinderungen bei Rat ten mit Tumoren befaf]ten, will ich nur die Untersuehungen yon Hirsch/eld und Pappenheim erwahnen. Wahrend letzterer nur ziemlich spir- liche VerKnderungen land, und nur bei starken Tum0ren , ferner fiber eine Animie yon m~Bigem Grade berichtete ohne kernhMtige Rote, doeh mit gewaltiger Polyehromatophilie, land Hirsch/eld bedeutende Veri~nderungen mit Verminderung des Himoglobiugehal~s bis zu 20%, mit einer geringen Anzahl yon roten BlutkOrperehen, bis 2 235 000, und Leukoeytose mit vorwiegend neutrophilem Typus, die in einem Falle so intensiv war, dab sie die Zahl yon 191 000 erreiehte. Zu be- merken ist ferner das Fehlen yon Eosinophilen und das Vorkommen yon unreifeu Elementen.

Die Ergebnisse meiner Untersuehungen fiber die Tumoren yon Blumenthal nihern sieh besonders denen, die Prof. Hirsch]eld erzielte, wenn es mir auch nieht gelungen ist, seine Grenzwerte zu finden, weder

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bei Ratten mit Experimental-Tumoren. 547

in der Verminderung des H~moglobins und der Erythrocyten, noch in der Vermehrung der weiBen BlutkSrperchen. Bemerkenswert ist noch die Jkhnlichkeit, die besteht zwischen den Blutveranderungen bei ]~atten- tumoren und menschlichem Krebs (Hirsch/eld, Kabiemke, Naegeli, Schilling), sowohl die Ver~nderungen yon Form, Volumen, F~rbung der Erythrocyten, als auch der Leukocyten. Wenn auch alle Autoren nicht einig sind fiber die genaueren Ver~nderungen der Leukoeytenformel bei mensehlichem Sarkom und Carcinom, so ist bei unseren Tieren das h~matologische Bild doch sehr hhnlich jenem, das Baradulin ffir das menschliche Sarkom der weichen Teile ohne Knochenmetastasen zeiehnet, wo eine Hyperleukocytose ein st~ndiges Symptom ist mit einer Vermehnmg der vielkernigen Formen auf Kosten der Lympho- cyten. Aueh die Verminderung der Eosinophilen und die Vermehrung der Monoeyten werden beim menschlichen Krebs als Symptome an- gegeben.

Bei einigen Rat ten babe ieh auch noch die Blutbildungsorgane untersucht.

Die Milz, die schon makroskopisch im Volumen vergrSBert erseheint und bei stark ulcerierenden Tumoren 4real st/irker ist als ihr Normalumfang, zeigt unter dem Mikroskop im fortgeschrittenen Stadium eine starke Verminderung der Zahl und des Umfangs der ]~'ollikel und auch eine Umbildung der Pulpa splenica in myeloides Gewebe.

In der Leber zeigt sich t~undzelleninfiltration, sowohl mitten im Leber-paren- chym als auch in den interaeinSsen und perivasalen l~i~umen. Da und dort zelgt sich ein grSBeres Element, auch yon Rundform und dem Aussehen yon Myelo- blasten (Hirsch/ehl). Vorkommen von ausgedehnteren myeloiden Herden, wie Hirsch/eld und Balbi erw/~hnen, konnte ieh nicht auffinden.

Das Knochenmark zeigte keine bemerkenswerten morphologischen Ver- /~nderungen auBer Hyperplasie. Nie habe ich im Knochenmark eine Tumormeta- stase gefunden.

Zusammenfassend l~Bt sich sagen, dab die Ver~nderungen des Blutes und der Blutbildungsorgane sowohl bei Impftumoren wie bei experimentell durch die Baeillen erzeugten Ra~entumoren als sekund~re An~imic mit neutrophiler Leukoeytose aufzufassen sind. Diese Ver~nderungen stehen in direkter Verbindung mit der Ent- wicklung des Iqeoplasma, dessen Toxine sie erzeugen. Je grSBer die Tumoren, desto starker der sch~digende EinfluI~ auf das Blut. Bei Nekrose und Eiterung, wo noch mehr Toxine gebildet werden, sind die Blutveranderungen am starksten ausgepragt.

Literatur. 1) Auler, Zeitschr. f. Krebsforsch. 22. 1925. - - ~) Balbi, Pathologica 1925, S. 401.

__ a) Baradulin, Folia haematol. 9. 1910. - - 4) Blumenthal, F., H. Auler und Paula Meyer, Zeitschr. f. Krebsforsch. 21, H. 5. 1924. - - a) Hirsch#M, Fortschr. d. Med.

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5 4 8 F . P . Tinozzi: Bei t rag zum Studium der Blutveranderungen usw.

4, 29. 1901; Folia haematoh 9; in Kraus u. Brugsch, Bd. V I I I ; Zeitschr. f. Krebs- forsch. 16. 1917. - - 6} Kabierske, Folia haematol . 20. 1916. - - ~) Klieneberger und Carl, Leipzig 1912. - - s) Miyazi, Zentralbl. f. Bakteriol., Parasi tenk. u. Infektions- krankh. ~0, 189. - - 0} Naeffeli, Spezielle Pathologie und Therapie innercr Krank- hei ten v. Kraus u. Brugsch. Bd. VIIL - - i0} Pappenheim, Sitzg. d. Berlin. hamatol . Ges. v. 10. I. 1911. - - 11) Pappenheim, Folia hamatol . 17. 1 9 1 3 . - 12) Schilling, Das Blutbild. J ena 1924. - - la) Schulho/, Folia haematol. I~'. 1914.

Ta/elerkldrung. Verschiedene Entwicklungsstadicn yon KurloffkSrperchen in Monocyten der

Rat te .

Abb. 1. Leere Vakuole. Abb. 2--18. Verschiedene Entwieklungss tadien der KurloffkSrper. Abb. 19 22. ZerfaUstadien der KurloffkSrper. Abb. 23. Freie Kurloffl~Srper. Abb. 24. Zweikerniger Monoeyt mi t Aus t r i t t (oder Anhaf ten?) yon KurloffkSrper

und einem darankl~benden basophil~ Erythroeyten.

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Zeitsehr. f. Krebsfovschung. Bd. 22. Tafel IL

Tinozzi, Beitrag zum Studium tier Blutver~nderungen Verlag yon Julius Springer in Berlin. bei Rat ien ~ i t Experimental-Tumorvn.