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XVI. Beitrag zur Pathologic dos inneren Ohres. Vo~ Dr. Zeroni~ Ohrenarzt in Karlsruhe i. B. Die pathologisehe Anatomie des inneren Ohres ist zur Zeit noch ein etwas dunkles Gebiet nnserer Wissensehaft. In tier Literatur finden sieh bis jetzt nut wenige genauere Unter- suehungen, abet diese wenigen lassen bereits erkennen, dal~ die Prozesse bei den Erkrankungen des inneren Obres die ver- sehiedenartigsten Formen haben und entspreehend dem kompli- zierten Ban des Labyrinths aueh in ibrer Lokalisation die grSlite Mannigfaltigkeit zeigen. Da wit sehen, dab fast jede der sp~r- lichen einzelnen Mitteilungen etwas Neues bringt, so mnl~ all- mi~hlieh die Uberzeugung Platz greifen, dal~, his wit zu einer aueh nur einigermal~en umfassenden Kenntnis der pathologisehen Vorg~nge in der LabyrinthhShle gelaugen, noeh eine groi~e Menge yon Einzeluntersuehungen angestellt werden mtissen und dal~ unsere gegenwartigen Vorstellungen yon diesen Krankheits- prozessen wohl noeh maneher Korrektur bedtirfen. Ebenso sind unsere Ansehauungen tiber das Zustandekommen der von uns an den Kranken beobaehteten Symptome noeh vielfaeh auf bloi~en Vermutungen basiert und entbehren hinreiehender dureh genauere Untersuehungen erwiesener pathologiseh-an~tomiseher Grund- lagen. Als ersehw.erender Umstand kommt hier in Betr~cht, dal~ unser Wissen yon der Funkfion der einzelnen Labyrinth- absehnitte aoeh in vielen Punktea ein liiekenhaftes nnd wenig gefestigtes ist, nnd dal~ infolgedessen eine Erkl~trnng pathologi- ,seher Erseheinungen auf Sehwierigkeiten stSl~t, weil tiber die normale Funktion noeh keine vSlii~e Klarheit herrseht. Anderer- seits kSnnte wiedel" yon der Pathologic Aufkliirung tiber die aormale Funktion erwartet werden, es ]leiden sieh wohl dureh

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XVI.

Beitrag zur Pathologic dos inneren Ohres. Vo~

Dr. Zeroni~ Ohrenarzt in Karlsruhe i. B.

Die pathologisehe Anatomie des inneren Ohres ist zur Zeit noch ein etwas dunkles Gebiet nnserer Wissensehaft. In tier Literatur finden sieh bis jetzt nut wenige genauere Unter- suehungen, abet diese wenigen lassen bereits erkennen, dal~ die Prozesse bei den Erkrankungen des inneren Obres die ver- sehiedenartigsten Formen haben und entspreehend dem kompli- zierten Ban des Labyrinths aueh in ibrer Lokalisation die grSlite Mannigfaltigkeit zeigen. Da wit sehen, dab fast jede der sp~r- lichen einzelnen Mitteilungen etwas Neues bringt, so mnl~ all- mi~hlieh die Uberzeugung Platz greifen, dal~, his wit zu einer aueh nur einigermal~en umfassenden Kenntnis der pathologisehen Vorg~nge in der LabyrinthhShle gelaugen, noeh eine groi~e Menge yon Einzeluntersuehungen angestellt werden mtissen und dal~ unsere gegenwartigen Vorstellungen yon diesen Krankheits- prozessen wohl noeh maneher Korrektur bedtirfen. Ebenso sind unsere Ansehauungen tiber das Zustandekommen der von uns an den Kranken beobaehteten Symptome noeh vielfaeh auf bloi~en Vermutungen basiert und entbehren hinreiehender dureh genauere Untersuehungen erwiesener pathologiseh-an~tomiseher Grund- lagen. Als ersehw.erender Umstand kommt hier in Betr~cht, dal~ unser Wissen yon der Funkfion der einzelnen Labyrinth- absehnitte aoeh in vielen Punktea ein liiekenhaftes nnd wenig gefestigtes ist, nnd dal~ infolgedessen eine Erkl~trnng pathologi- ,seher Erseheinungen auf Sehwierigkeiten stSl~t, weil tiber die normale Funktion noeh keine vSlii~e Klarheit herrseht. Anderer- seits kSnnte wiedel" yon der Pathologic Aufkliirung tiber die aormale Funktion erwartet werden, es ]leiden sieh wohl dureh

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genaue Beobaehtung kranker 0rgane wiehtige und fiir die nor- male Physiologic wertvolle Sehltisse ziehea, wenn zugleich die anatomisehen Ver~tnderun~en genau festgestelit wtirden.

Es ist deshalb sehr zu bedauern, dal~ zur Kl~rung dieser verwiekelten Verhltttnisse benutzbare Untersuchungen so selten ausgeftihrt werden und ausgeftihrt werdea kSnnen. Denn einer- seits steht die Sehwierigkeit der Teehnik im Wege, die mlih- same tIerstellung yon Seriensehnitten yon dem sieh so sehwer sehneidenden Felsenbein, die zeitraubende Durchmusterung der zah]rei6hen Sehnitte. dutch das komplizierte Organ, andererseits aber ist das Material selbst aueh nieht leieht zu erlangen. Viele pathologisehe Sehliif'enbeine kommen o f t nur dureh Zufall in die H~nde der sieh dafiir interessierenden Untersueher, und die Be- funde verlieren nieht selten an Wert , da eine ohren~trztliehe Untersuehung am Lebenden nieht vorgenommen war. Noeh se!tener sind wir aber imstande, unsere eigenen klinisehen Er- fahrungen dureh pathologiseh-anatomisehe Untersuehtmgen naeh- zuprttfen, mit Ausnahme dmjenigen F~lle, in denen eine akute otogene Komp!ikation den Ted herbeifiihrt. Die anderen Fiille kommen sehr selten zur Sektion, aul~er naeh Abtauf der Er- seheinungen, und das Prliparat geht dann verloren. Gerade diese letzteren Fiille sind aber zur LSsung versehiedener noeh sehwebender Fragen wertvoll. Die Meinung, dat~ jede Einzel- untersuehung eines derartigen Falles bei dem heutigen Stand- punkte unseres Wissens von Interesse und Yon Wiehtigkeit zur Bestittignng frtiherer und kiinftiger ~hnlicher Befunde ist, ver- anlagt reich, naehstehende Untersuehungsergebnisse eines in vita genau beobaehteten Falles mitzuteilen.

Die Krankengesehichte ist folgende:

Ein 67j~hriger Tagel6hner lift seit vielen Jahren an linksseitiger stin- kender Ohreiterung, fiber deren Entstehung er nichts angeben kann. Vor 4 Wochen hatte er einen heftigen Schwindelanfall, der ihn pl6tzlich tiber- fiel. Der Anfall trat in solcher St~rke auf, dug tier Kranke zu Boden sank. Kurze Zeit darauf wurde bemerkt, da$ seine linke Gesichtshi~lfte geliihmt war. Die Erkrankung wurde infolgedessen ftir Apoplexie gehalten. In der folgenden Zeit traten noch 6fters Schwindelanf~lle auf, auch mehrma]s am Tage, doeh erreichten sic nieht mehr die Heftigkeit des ersten Antalles. ]nfolge der Facialisti~hmung und des hieraus resultierenden mangelhaften Lidschlusses entstand ein Hornhautgeschwtir, weswegen der Patient zunachst in die Behandlung des Augenarztes Herrn Dr. Gelpke kam. Letzterer war tier Ansicht, dab die L~ihmungsursache in dem erkrankten Ohre liege, und hatte die Liebenswtirdigkeit, mir den Patienten behufs Behandlung seines Ohrenleidens za fiberweisen.

Befund: Alter, schleeht genhhrter Mann, geringes Fettpolster. Links- seitige komplette Facialisl~hmung. Keine Spur yon Bewegliehkeit in den veto Facialis innervierten Muskeln; insbesondere steht das linke Auge welt

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often und kann kelne Bedeckung der Cornea erreicht werden. Auf der linken Cornea ein linsengrol~es, eitriges Geschwllr. An Lungen uud tterz sind gr~bere Veranderungen nlcht vorhanden. Puls zeitweise aussetzend. Im Urin ist Zucker nachweisbar. Temperatur normal.

Beim Drehen und Gehen mit geschlossenen Augen ist kein Sehwindel nachweisbar, doch weicht tier Patient beim Gehen mit geschlossenen Augen nach rechts ab. Auch subjektives Schwindelgefiihl l~l~t sich durch keinerlei Manipulationen hervorrufen. Nystagmus ist manchmal vorhanden, und zwar beim Sehen naeh beiden Seiten~ jedoch ist dieses Symptom nicht stets nach- welsbar.

U n t e r s u e h u n g des O h r e s : Am rechten Trommelfell verschiedene I%rben. Links profuse sfinkende Eiterung. An Stelle des Trommelfells liegt eine glatte Membran, in der nichts veto I4ammer zu sehen ist. l)iese Membran zeigt im ~orderen unteren Quadranten. nahe dem Zentrum eine ovale Perforation yon mh{]igem Umfang. Der hintere Rand der Membran ist verdeckt durch sehmierige Granulationen, die yon der hinteren GehC}rgangs- wand entspringen. Die Sonde weist hier einen ausgedehnten Durch- bruch naeh.

H ~rprt i fun g: Reehts werden Fttisterworte 21) cm weir gehSrt. Links hSrt Patient nur laute, direkt am Ohr gesprochene Worte. Galtonpfeife links 4,8. Weber nach links.

O p e r a t i o n am 3. Juni. Tota]aufmeil~elung links. Im Antrum fanden sich geschiehtete Cholesteatommassen. Der Knochen nach aul~en veto Antrum war eburnisiert. Der Wulst des horizontalen Bogenganges fehlte zur Hhlfte. An Stelle der vorderen zeigte sich ein ausgedehnter Defekt, aus dem sich abet kein Eiter entleerte. Unterhalb dieses Defektes und lateralwhrts davon lag der Facialis vfillig frei in der Wundhfhle. Sein Aus- sehen z'eigte keine reine wei~e Fhrbung, sondern erschien etwas trilbe und hyperamisch. Der Facialis wurde in ausgedehnter Weise durch Fortnahme des umgebenden Knechens freigelegt und die WundhShle ausgeschabt. Plastik nach Panse.

Der Verlauf nach der Operation war, abgesehen yon den ersteu beiden Tagen~ an denen leichte Temperaturerh5hungen auftraten~ fieberfrei. Die Wundh0hle reinigte sich gut und kleidete sich mit sch6nen hellroten Granu- lationen aus; die Epidermisierung maehte langsame aber stetige Fortschritte. Die Facialisthhmung schien sich in tier ersten Zeit naeh der Operation etwas zu bessern, der Schlu~ des Augenlides gelang dama]s zeitweise his auf eine ganz schmale Spaite. Die Besserung war abet nieht yon Dauer. Auch die Schwindelanfhlle traten wieder auf. Es war ebenso, wie vor der Operation, nicht jederzeit Schwindel vorhanden oder hervorzurufen~ sondern der Schwin- del trat in Anf~llen yon ~echselnder Sthrke und Dauer auf, meist nach l~n- gerem Bewegen. Es kamen Tage vor, an denen der Patient vSllig frei you Schwindet war, da~n wieder andere, an denen jedes Aufrichten aus der ruhenden Lage mit Sehwindel verbunden war. Besonders regelmal~ig trat Sehwindel auf, wenn tier Patient l~ngere Zeit gegangen war. Er wurde dann plStzlich unsicher, mul3te sieh an Gegenstitnden festhalten, sein Gang wurde breitbeinig and er tastete sich mit Miihe auf den naehsten Sitzplatz, we er li~ngere Zeit bis zur v(illigen Erholung verweilte.

I~iit Rticksicht auf das Alter und die schwachliche Constitution des Mannes sehien constante Bettruhe nich~ angezeigt, vielmnhr wurde der Patient an- gehalten, sich oft in mi~lliger Weise augerhalb des Bettes zu bewegen, in den Oarten zu gehen u~w. Die Anfalle traten nun entweder gleieh im Beginn eder am Ende seiner Promenade auf, waren abet selten yon l~ngerer Dauer, meist wahrten sin nur ca. ~/4 Stunde lang.

Unabhangig war der Schwindel veto Verbandweehsel. Aueh durch Son- dierung lieg sieh nie ein Anfall hervorrufen. Die Granulationen an dem Bogengangsdefekte waren yon guter Beschaffenheit. Die Sekretion der Wunde war sparlich and yon guter Beschaffenheit. Das Cornealulcus zeigte wenig Beilungstendenz, infotge des immer noch fehlenden Lidschlusses. Eiektrische Behandlung des Nerven hatte keinen Erfolg.

Das Allgemeinbefinden war bis zur 5. Woche nach der Operation gut

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geblieben. Dann trat unglficklicherweise Erysipel T auf, das yon der retro, aurikul~ren Wunde ausging und sich rasch auf die gauze Kopfhaut fort: setzte. Obwohl das Exanthem nach 8 Tagen bereits zurllckzugehen anfing, erla~. der Kranke dennoch einer h3p~ ostatischen Pneumonie, die .als Reaktion seines K6rpers auf die mit den hohen Fiebertemperaturen emhergehende Schw~chung, zumal er 1)iabetiker war, und wohl info|ge der unvermeidlichen ]hngeren Bettruhe sich hinzugesellt hatte.

Die Sektion ergab, da]~ das Gehirn fret yon pathologischen Ver~nde- rungen war. Das linke Schlhfenbein wurde herausgenommen. Die Wund- hShle erschien in gutem Zustand% die Epidermisierung entsprechend der Dauer der Behandlung fortgeschritten. Das Granulationspolster in der Pau- kenhShle und im Antrum war glatt und rot, ohne Fistelg~nge. Nirgends lag Knoehen fret.

Zur mikroskopischen Untersuchung wurde das Schl~fenbein in toto in Zenkerscher Flfissigkeit fixiert und nach Entkalkung, die sehr lunge Zcit iu Anspruch nahm, in Celloidin eingebettet und in Serienschnitte zerlegt. Die Schnitte wurden senkrecht auf die hchse der Pyramide geftihrt. Die F~rbung geschah mit Hi~m~toxytin-Eosin.

M i k r o s k o p i s c h e r Befund : In den dutch epidermisbedeckte Knochenpartien geffihrten Schnitten

sieht man Epidermis und Knocben durch eine ziemlich starke Lage derben fibr(isen Bindegewebes verbunden. Letzteres ist kernarm. Die Partien, die noch nicht yon Epidermis bedeckt si~d, zeigen stellenweise dasselbe Aus- sehen der deckenden Bindegewebsschicht, doch finden sich auch hin und wie- der eingestreut Fartien lockeren Gewebes, frisches junges Granulationsge- webe, mit eingelagerten Leukocytenhaufen. Die oberfli~chliche 8chicht bildet abet stets derberes Bindegewebe. Aul~erordentlich h~ufig finden sich, be- sonders in der Umgebung der Fenster und in der hinteren Bucht der Pauken- hShle mit Cylinderepithel ausgekleidete Cysten, yon derselben 13eschaffenheit wie ich ~) sis friiher beschrieben habe. Der lnhalt der Cysten wird lediglich van Zerfallsprodukten gebildet, Detritus und groI~en blassen Zellen mit klei- nero sich schwach fhrbenden Kern und gequollenem Protoplasma. Leuko- cytenhaufen, wie in den frtiher besehriebenen Cysten, ianden sich bier nicht.

Der Nervus facialis liegt~ soweit Serienschnitte tiberhaupt angefertigt wurden, in seinem peripheren Verlauf ohne jede Knochenumhtillung in das den Knochen bedeckende C~ewebe eingebettet. Auch in seinem Verlaufe dutch dis Paukenh(ihle entbehrt er jedes knSchernen Schutzes, ja keine Spur auch nur yon einer Andeumng der medialen Wand seines ehemaligeu Kanales, keine Rinnenbildung ist mehr ~'orhanden. Doch sind auch keine Zeichen noch fortdauernder KnochenzerstSrung in der Umgebung wahrzu- nehmen, es scheint vielmehr der des(rnktive Prozel~ nach Zerst0rung des kn(ichernen Kanals und nach der operativen Entfernung der kranken Partien zum Stillstand gelangt zu seln. Der Nerv selbs~ zeigt sich im Ver- lauf der ganzeu Strecke, in der er fret im Gewebe liegt, hochgradig ver- ~ndert. Man kann kei~e Abgrenzung yon ~ervensegmenten erkennen~ ja es gelingt kaum noch ab und zu, irgend eine Nervenfaser als solche zu erkennen. Der ganze Nervenstamm ist in ein sehr kernreiches, feinfaseriges Gewebe umgewandelt, das sich gegen die Umgebung dutch eine Art fibrOser Scheide, gebildet von parallelfaserigen st~rkeren Bindegewebsziigen, abhebt. In manehen Schnitten ist aber auch diese Scheide nicht mehr deutlich zu er- kennen, undes ist dann fast unmSgtch, den Nervenrest in dem umgebenden Bindegewebe tiberhaupt herauszufinden. Es gelingt das nur durch Ver- folgung in den Serienschnitten und genaue topographische Orientierung. Man finder dann, dal] eine Anh~ufung yon Zelikernen und Bindegewebs- fasern die Stelle des zu Grunde gegangenen Nerven anzeigen. Erst an Schnitten~ die weit medialwhrts yore Foramen ovule liegen~ finder man wieder einen geschtossenen Kanal, und yon dieser Stelle an beginnt der Nerv selbst,

1) Z e ron i , Beitrag zur Kenntnis der Heilungsvorghnge nach der ope- rativen Freilegung der Mittelohrrhume. Dieses Archly. Bd. XLV. ~. 171.

Archly f Ohrenheilkunde. LXIIL Bd. 12

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je weiter man ihn centralwarts verfolgt~ allmiihlich wieder mehr nermales Aussehen zu bekommen. Zu allererst zeigen sich in dem kernreichen Faserconglomerat Andeutungen einer Abgrenzung in Segmente~ gobitdet yon dfinnen Bindegewebszfigen~ die im Anfang nur vereinzelt auftreten nnd sich nieht welt verfolgen lassen, dann deutliche starkfaserige Bindegewebs- partien, die mit einander in Verbindung treten und einzelne Abschnitte vollsthndig umzirken. Zugleich lassen sicb in den so abgegrenzten Partien auch wieder Nervenfasern erkennen~ anfangs nur vereinzelte mit undeut- lichen Konturen und yon verwaschenem Aussehen~ je welter man aber centralw~rts gelangt~ desto zahlreicher und deutlicher treten die Nerven- fasern auf~ die vorher den grSi]ten Tell des Bildes einnehmenden Zellkerne werden sparlicher, bis endlich, etwa in der Umbiegungsstelle zum Ganglion genicull, die Nervendurchschnitte normale Bilder zeigen.

Ich gehe nun fiber zur Betrachtung des Defektes im horizontalen Bogengang, der bei der Operation schon entdeckt worden war. Der Defekt stellt sich in tier Rekonstruktion dar als eine l~ngliehe Rinne~ die die Stelle der vorderen Kanalhhlfte einnimmt. Der Kanal ist in gro~er Aus- dehnung erSffnet und zwar vornehmlich durch ZerstSrung seiner lateralen und unteren Wand, wi~hrend ein Teil der oberen noch vorhanden ist Es ist demnaeh der nahezu gesammte kompakte Teil des im Aditus und in der PaukenhShle gelegenen prominierenden Kanalabschnittes in gleicher Weise wie der benachbarte Facialiskanal zu Grunde gegangen. Nur der Umfang tier ZerstSrang ist bier ein geringerer, indem die mediale und obere Rinnen- hfdfte und damit die Konfiguration des Kanals erhalten blieb, sodal] letzterer selbst resp. sein Inhalt in allen Schnitten erkennbar ist. Auch bier sehen wir~ wie in der Faeialisgegend~ keine Zeiehen elnes noch bestehenden Zer- stSrungsprozesses, ja an den Grenzen des Defektes gegen den erhaltenen Knoehen zu finder man bier Stellen~ die vielmehr auf eine Neubildung yon Knochen und beginnende Ausgleichung des Defektes hindeuten. Die I~:nochenrhnder bestehen hier aus spongiSsem Knochengewebe, das sich besonders durch lebhafte Rotf~rbung mit Eosin scharf yon den anderea Knochenpartien abhebt. Der Reiehtum an grossen Knochenkiirperchen~ die Unregelmhssigkeit deren Anordnung, das Fehlen jeder Lamellenbildung tragen dazu bei, den Unterschied yon dem atten Knochen noch auf- fallender zu machen. Besonders am unteren Rande des erSffneten Bogen- ganges fiber dem ovaten Fenster sieht man sehr gut die seharfe gezackte Grenzlinie des ursprfingllch spitz zalaufenden Knochenrandes, dem ein schmaler Saum neugebildeten Gewebes i:aafsitzt, ihn gleichsam abrundend. Auch an tier inneren Wand des Kanals ist an einigen Stellen ein soleher sehmaler roter Saum zu sehen. Osteoblasten sind an einigen Stellen nach- zaweisen. Das neugebildete Knochengewebe nimmt am oberen Rande des Defektes eineu grS~eren Umfang ein and biidet hier ein spongiSses Gefiige mit grol]en zellreichen Markrtiumen, engt medialw~,rts die Kommunikation des Bogengangsinnern mit der Wundh0hle ein und bildet schlieI~lich einen vollstandigen Abschlut~. In den ersten 5chnitten~ in denen der Kanai wieder eine allseitig geschlossene RShre darstellt~ ist die gegen die PaukenhShle gerichtete Wand yon einer Platte des spongiiisen Gewebes gebildet. Uberall ist dieses spongiSse Knochengewebe von dem ~lteren scharf abgegrenzt. Diese Neubildung ~on Knochengewebe ist jedoch lediglich auf den Defekt des horizontalen Bogenganges beschr~nkt. In der Umgebung des Nervus facialis ist nichts yon einem ahnlichen Vorgang zu bemerken.

Der Inhalt des ge(ifiheten Kanals stellt sich im wesentlichen als Granu- lationsgewebe dar, das offenbar yon aulSen in den Defekt hineingewuchert ist In dem Defekt selber und in seiner nhchsten Umgebung hat das Granu- lationsgewebe die gleiche Besnhaffenheit wie dasjenige, das sich in der PaukenhShle finder; es zeigt sich stark yon derberen Fasern nntermiscbt. wtihrend man je welter v o n d e r Einbruchsstelle entfernt, desto jilngeres Gewebe finder, in dem Rundzelten vorherrschen und dazwischen nur feine unregelmAltig netzartig angeordnete Fasern erkennbar sind. Wie immer in jtingerem Granulationsgewebe sehen wit auch bier grofie diinnwandige Gei'fiJ]e in ziemlicher Anzahl, Veto h~,utigen Bogengang selbst ist an der Einbruchs-

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stelle nichts mehr vorhanden. Gegen die Einmiindungsstelle in die Ampulle dagegen zeigt sich im vorderen Bogengangsschenkel zunii.chst ein scbmales spalt- f0rmiges, unregelm~l~ig gefaltetes Lumen~ begrenzt yon einer dtinnen binde- gewebigen Membran. Das Lumen erweitert sich medialwarts bald, die Membran erh~lt Epithelauskleidung und geht zuletzt in den unversehrten medialen Rest des hhutigen Bogenganges und dann in die AmpuUe tiber. die ebenfatls vollsthndig erbalten erscheint. Anders verh~lt sich der hintere Abschnitt desselben Bogenganges. Auch im hinteren Sehenkel des Kanals li~l~t sich an medial gelegenen Schnitten ein ~berrest des hautigen Rohres erkennen, doch zeigt sich derselbe hier nicht komprimiert, wie tier vordere, sondern in seiner normalen Lage. Dagegen ist die Wandung hier stark verdickt, wie aufgequollen, die Epithelbekleidung fehlt vollsti~ndig und das Lumen ist mit Granulationsgewebe ebenso ausgefiillt wie der ~u~ere Raum zwischen hhutiger und kn6cherner Wand. Nahe tier Einmiindung des hinteren Bogengangsschenkels in den Utriculus schwindet aber auch dieser .geringe Uberrest des hhutigen .Tei]es wieder, und wir finden da tedlglich junges Granulationsgewebe. Ahnliche Verhi~ltnisse finden wir auch am hinteren Bogongang. Auch hier ist die h~iutige Wand stellenweise gequollen, des Epithels beraubt, yon Granulationsgewebe angefiillt, gegen die Ampulle zu treten indessen auch hier wieder normale Bilder auf, die Epithelbedeekung D.l~t sich zuerst nur teilweise nachweisen, das Epithel der Crista erscheint schliel~lieh aber in unversehrtem Zustande.

Wo' das Lumen der Bogeng~nge frei yon Granulationsgewebe ist: ent- halt es mehr odor weniger Massen yon roten Blutk6rperchen, deren gut er- haltene Form und F~rbbarkeit sie als aus frischen Blutaustritten stammend erkennen lassen. Die Blutk6rperehen liegen tells in dfinner Sehicht den Wandungen an, tells fttllen sie das ganze Lumen vollst~udig aus. Solche Blutaustritte finden sich also in sAmtlichen Ampullem sie nehmen au~erdem fast den ganzen frontalen oberon Bogengang ein und'die angrenzenden Teile des Utriculus. Obwohl sich in der Gegend der Crista ampullarum und der Ma- cula utricnli sehr reiehliche Blutk6rperchenansammlungen vorfinden, ist das Epithel gerade dieser Stellen vorzfiglich erhalten, ja besser als an anderen Orten. lm medialem Tell des Utriculus sind Ansammlungen roter Blut- k6rperchen n-ur noch vereinzelt und in geringem Um/ange anzutreffen, da- gegen ist der Anfaugsteil des Sacculus wieder fast volikommen davon an- gefiillt.

Die Nischen der Labyrinthfenster sind yon derberem fibr0sen Gewebe mit eingelagerten Schleimcysten angeftlllt, besonders die Niscbe des runden Fensters. Die Steigbtlgelschenkel sind nur rudiment~r erha[ten, die Platte sehr verdtinnt, aber vollst~ndig. Die Membran des runden Fensters ist intakt.

Die Schnecke zeigt hochgradi~e, offenbar postmortale Verfi, nderungen, Zerrei~nngen, Verschiebungen aUer Art, so dal~ sie aus der Zahl der patho- logisch verwertbareu Befunde ausgeschieden werden mul~. In der Schnecken- spindel sind die Ganglienzellen des Aeustieus gut erkennbar. Ebenso zeigt aueh der Stamm der Nerven normale Verh~ltnisse.

Bei B e t r a e h i u n g der E rgebn i s s e de r m ik roskop i s chen Unter -

suehung sehen w i r zun~chs t , daft de r Erfolg de r Ope ra t ion nur

t i n r e l a t i ve r war. K r a n k e r Knoehen ist zwar nicht zur i ickge- b l i e b e n , abe r die Granu la t ionen in der PaukenhSh le s ind yon v ie l en Seh le imhau t r e s t en durehselzt , d ie de r vo l l s t~ndigen Ep ide r - mi s i e rung woh l noeh S e h w i e r i g k e i t e n be re i t e t h~tten. F e r n e r is t

es dureh die Opera t ion aueh nieht g e l u n g e n , die F u n k t i o n des Ne rvus fae ia l i s wiederherzus te l l en , a n d es ist aus den m i k r o s k o - p isehen Bi lde rn zu e r sehen , dal~ die pa tho logisehe Seh i td igung des Nerven e ine zu h o e h g r a d i g e und ausgedehn te gewesen

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ist. Es muff aaeh dem nun vorliegenden Befunde zweifelhaft bleiben, weleher Art die pathologisehen Einwirkungen gewesen sind, die den Nerven getroffen, die Nervensubstanz zu vSlligem Verschwinden gebracht und an ihrer Stelle ein neues Gewebe entstehen lieBen. Es kSnnte wohl der Fall gewesen sein, dal~ schon dutch den Druek der Granulationsmassen aufden weithin freiliegenden Nervenstamm eine sehwere Seh~tdigung der Nerven- fasern resultierte, die allm~thlich zu ihrem vollst~tndigen Sehwund ftihrte, anderseits ist kS aber aueh sehr naheliegend anzunehmen, dab eine Eatztindung der Nerven vorhergegangen ist. Ftir letz- tere Annahme sprieht das Fehlen des Perineuriums an einigea Stellen, and die Beobachtung, dag alas Perineurium, deft we es vorhanden ist, eine erhebliehe Diekenzunahme zeigt; denn wir mtissen woht die besehriebenen, den Nervenrest umgebenden Bindgewebsztlge als Reste des Perineuriums auffassen, das yea dem Prozesse in seiner Umgebung mitergriffen, im Entztindungs- zustand proliferierte, und naehdem der Prozel~ zum Stillstand ge- kommen~ in hypertrophisehem Zustand verharrte.

Als unmittelbare Ursaehe dieser Seh~digung des Nerven, sei es nun dais dieselbe dutch Druek der Granulationen, sei es dal3 sie dm'eh direkt fortsehreiteade Eatziindung veranlal3t wurde, oder dal3 beide Faktoren gemeinsam daraa beteiligt waren, ist jedenfalls die ausgedehnte ZerstSrung der knSehernen Kanal- w~tnde a:azusehen. Wit sehen aas den mikroskopisehen Bildern, dal~ nieht nur die ganze gegen die PaukenhShle zu gelegene Wand des Kanals der ZerstSrung anheimgefallen ist, sondera dal~ aueh die n~tehste Umgebunff dureh destruierende Karies zu Grunde ge~angen ist, denn es l~Bt sieh nieht die geringste Andeutung der Form des einstigen Kanals mehr erkennen. Indessen ist in den vorliegenden Pr~paraten an keiner Stelle zu sehen, daft der destruierende Prozef~ noeh im Fortsehreiten begriffen ist~ vielmehr litf3t sieh erkennen~ daft derselbe voll- st~tndig znm Stillstande gekommen ist; dean wir fiaden keine Osteoklasten, noeh H o w sh i p'sehe Laeunen vor ~ soadern im Gegenteil, die R~nder and Beg.renzungen tier Defekte sind nieht einmal zaekig oder uneben 7 wie man es naeh eiaem kiirzlieh abgelaufenen Einsehmelzungsprozel3 erwarten sollte, sondern eher gteiehm~iNg abgerundet. Die blof~gelegte KnoehenoberflStehe hat sieh offenbar geebnet, entweder dutch naehtr~gliehes Sehwinden der vorstehenden Zacken, oder dutch Knoehenapposition. Far keine yon beiden MSglichkeiten kann man aber an dieser Stelle

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Anhaltspunkte fiaden. Dagegen zeigt der Defekt am horizout~- lea Bogengang interessante RegenerationsvorgaDge am Knoehen. Hier ist die ZerstSrung keine so ausgedehnte wie am Faeial- kanal. Es ist hier lediglieh zum Sehwund des dem kariSsen Herd am meisten benachbarten und gegen die PaukenhShle am weitesten prominierenden Tells des knSehernen Bogenganges gekommen and zwar derart, daf~ eine ErSffnung des Kanals zu stande kam. Im Gegensatz zu dem reaktionlosen Aussehen der Raader des Defektes am Canalis faeialis sehen wir hier aber eine Iebhafle Knoehenneubildung yon den Resten der Kanalwan- dung ihrea Ausgang nehmen. Die Bilder kSnnen nieht wohl anders gedeutet werden~ sowohl naeh Bauart, Fitrbbarkeit, als auch besonders dureh die regellose Anordnung der KnoehenkSr- perchen dokumentiert sieh das Gewebe als neugebildetes oste- oides and kann keinesfalls atwa als Vorstufe der Einsehmelzung" aufgefal~t werden. Dazu kommt, daft wir den neugebildetan Knoehen an einigen Stellen weir fiber die Grenze des Normalen hinausreiehen sehen, dari er also aueh dadureh sieh als ~eu- bildung dokumentiert, indem er, wie es so h/iufig bei neugebil- detam Gewebe anzutreffen ist, einmal im Waehstum begriffen, die normalen Sehranken nieht innehMt, sondern in tiberfltlssige hypartrophische Wueherung" verf~llt. Bamerkenswert ist aber, dab dieser neugebildete Knoehen sieh doeh im wesentliehen so anordnet, daI~ er das deutliche Bestreben zeigt~ den erSffneten Kanal wieder zu sahliel~en, den entstaudenen Defekt wieder zu erganzen. Wit erbliaken in diesem Vorgange einen bedeutsamen Beweis for die Regenerationskraft der Labyrinthkapsel, eine wichtige Eigensehaft, die den dauernden Erfolg unserer Opera- tionen in gfinsfigster Weise untersttitzen kSnnte. Er ist also unter UmstKnden trotz teilweiser ZerstSrung der Labyrinthkapsel eine Restitutio ad- integrum nieht unmSglieh, and das zarte, h~u- tire Labyrinth kann den knSehernen Sehutz seiner Umhtiltung wieder erlangen, so dal~ das Organ, falls es selbst yon Sehiidi- gungen bewahrt geblieben ist, aueh vor sp~teren Insulten ge- schtitzt w~ire. In unserem Falle ist dies nun allerdings nicht mSglich gee%sen, da aueh der htiutige Teil des Bogenganges in ausgedehntem Marie der ZerstSrung anheimgafallen ist. Naeh dam mikroskopisehen Bafunde kSnnte man nun hier annehmen, dal~ die ZerstSrung ~eniger dureh eiaen lebhaffen Entzilndungs- prozcss veranlaBt ware, der den Bogengang sclbst ergl:iffen hatte, als vielmehr dureh einfaehes Hineinwuehern der Granulationen

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in den entstandenen Knochendefekt. Zu dieser Annahme be- reehtigt uns die Tatsaehe, daft gegenw~irtig keine Zeiehen ~Ton Entzilndung mehr vorhanden sind, da6 wir mit Ausnahme we- niger Stellen keine Zellanhaufungen antreffen, ferner dal~ die Besehaffenheit des die Bogengange anftillendea Bindegewebes keine einheitliehe ist, wie wir es nach eiuer abgelaufenen Ent- ziindung erwarten sollten, sondern dal~ das Gewebe stufenweise Veritndernngen zeigt und zwar derartige, dal~ wir das jiingste Stadium am entferntesten yon der Eintrittspforte fiuden, dag'e- gen an dieser selbst und in ihrer naehsten Umgebung mehr fibrSse Strange, also altere Stadien antreffen. Endlieh sprieht gegen eine vorhergegangene, entztindliehe Erkrankung der hi~utigea Bogeng~inge aueh die geringe Ausdehnung und die fehtende Abgrenzung der ZerstSrung. Ein entztindlieher ProzeB ware wohl kaum auf einen so verhaltnismaf~ig kleinen Raum be- sehrankt geblieben, und selbst angenommen, da6 dies m5glieh gewesen ware, so mtiiite eine Abkapselung zu stande gekommen sein, eine starkere Wueherung hatte den Prozefi am Weiter- sehreiten hinderu mtissen, und davon ist in den Sehnitten niehts zu entdeeken. Ein derartiger entztindlieher Prozet/ h~ttte aber aueh dann wahrseheinlieh dureh die begleitende starkere Cireu- lationsstSrung die n~ehste Umgebung mehr in Mitleidensehaft gezogen, und es ware sehr zu verwundern, da6 wir in den vor- handenen Resten der Bogengange und in ihren Ampullen, selbst in den an die zerst5rten Partien direkt angrenzenden Stellen dam Epithel noch in gut erhaltenen Zustaude vorfinden. Ieh mSehte deshalb der Auffassung zuneigen, dab das vorrUekende Granu- lationsgewebe die hautigen Bogengangc, soweit sie in den Bereieh der Wueherung kamen, zum Sehwinden braehte, ohne da$ ent- ztindliehe Vorgange dabei eine besondere Rolle spielten. An einigen Stellen ist das Gewebe des hautigen Bogenganges in dem Granulationsgewebe noeh erkennbar~ und zwar finden wir ersteres meist in einem eigentiimliehen Zustand, der uns im mikroskopisehen Bilde dutch Verdickung tier Wandung, offenbar dureh Quellung der bindgewebi~en Faserung: Fehlen des Epi- thels und Anfiillung des Lumens mit Granulationsgewebe auf- fallt. Es seheint, als ob dieser Befund, der sieh aueh mit der yon M a n a s s e ~) in einem ~hnliehen Falle gegebenen Beschrei~

1) M a n a s s e , Zur Pathologie des innerea Ohres und des ttOrnerven. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XLIV. S. 60.

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bung deekt, ein Vorstadium des vollsti~ndigen Uutergangs dar- stellt.

Es ertibrigt noeh, auf dis Blutk5rperehenansammlungen auf- merksam zu macben, die sieh in den fieferen, erhaltenen Teilen des hi~utigeu Labyriuthes vorfinden. Wie bei der Besehreibung oben sehon erwitbnt ist, handelt es sieh um in ihrer Form gut erhaltene Erythroeyten, yon guter Fiirbbarkeit, die tells dem Epithel der Cristae und Maeula utrieuli aufliegen, tells das Lumen der Ampullen, des obereu Bogenganges uud einzelner Teile des Utrieulus und Saeculus mehr oder weniger ausfttllen. Wit mtissen daher annehmen, dab diese Blutaustritte entweder naeh oder kurze Zeit vor dem Tode stattgefhnden haben, und bestfitigt wird diese Auffassung aueh dadureh, dug das Epithel tier Ma- eulae und Cristae, dem sie aufliegen, dadureh nicht gelitten haben. Bei dem immerhin groBen Umfang der Btutaustritte ist nicht wohl anzunehmen, daS sic aus den LabyrinthgefN~en allein stammen, es liegt vielmebr nahe, an eine Beteiligung der grofien diinnwandigeu Gefitfie des im horizoutalen und hintereu Bogeu- gauge wuchernden Granulationsgewebes zu denken. Die in der Agonie auftretenden ZirkulationsstSrungen mSgen wohl hier zum Blutaustritt aus den neugebildeten Gefageu geftihrt haben, und die Blutmeuge strSmte naturgem~g naeh der Stelle des geringsten Gegendruekes, also naeh den erSffneten und direkt an die btut- fiihrenden Gewebe angrenzenden Labyrinthraumeu. Leider lassen sieh die Befunde in der Sehnecke, der ausgedehnten offenbar postmortalen ZerstSrung halber nieht mehr zur Deutung normaler oder pathologiseher Verhaltnisse verwerten. Sehuld an den Lasionen mSehte ieh der Entkalkung zusehreiben, die langere Zeit als gewSbnlieh in Ansprueh nahm, weshalb ieh reich zuletzt verleiten lieS, den Sauregehalt der Entkalkungsfltissigkeit etwas zu verst~rken. Aueh hierdureh war es noeh nieht gelungen das Praparat vor dem Einbetten vollst~ndig yon Kalksalzen zu befreien, und ieh mufite noeb zweimal die Arbeit des Sehneidens unterbreehen, da ieb auf unentkalkte Stellen kam und mugte das eingebettete Pr@arat yon neuem der S~urebehandlung un- terwerfen. Die zarten hKutigen Gebilde der Sehneeke wurdeu dadureh naturgem~f~ empfindlieh gesehadigt und teitweise ganz zerstSrt, mit einiger Sieherheit kann man aber trotzdem aus den Sehnitten sehliefien, daft ausgedehnte entztindliehe Veranderungen jedenfalls nieht vorhauden gewesen sind.

Wenn wit das Ergebnis der pathologischen Untersuehung

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und den klinisehen Verlauf des Falles zusammea einer Belraeh- tung unterziehen, so richter sich dam Hauptinteresse natur- gemitf zuniiehst auf die Frage des Zustandekommens der Schwin- delerseheinungen. Diese standen im Vordergrund des klinisehen Bildes, sie bildeten die l:Iauptbesehwerden des Patienten und sie waren in Formen aufgetreten, die den zuerst eonsultierten Arzt sogar zu einer falsehen Diagnose, zur Annahme einer Apoplexie veranlaften. Naeh dem Krankheitsberiehte erfolgte der erste Sehwindelanfall in so stiirmiseher and heftiger Weise, dal) die Verweehslung mit einem apoplektisehen Insul~ nahe lag, zumal

..gleieh darauf eine Faeialisl~thmung festgestellt wurde. Naeh- :dem nun die Sektion in betreff des Vorhandenseins yon Resi, duen apoplektiseher Herde ein negatives Resultat ergeben hat, finden wir unsere in vita gestellte Diagnose, dal~ die Sehwindel- anf~tlle eine Folge der Bogengangsearies gewesen sind, bestatigt. Aueh das plStzliehe Einsetzen und die sehweren Erseheinungen des ersten beobaehteten Anfalles wfi.reu gut zu erkl~tl"en, wenn wit annehmen, daft gerade zu diesem Zeitpankt die fortsehrei- tende Einsehmelzung des Knoehens zu einer ErSffnung des Ka- nals gefllhrt babe. Weniger einfaeh w~tre das angeblieh gleieh- zeitige Auftreten der Faeialisllihmung zu deuten; gerade das scheinbare Zusammentreffen der Symptome ist far die Diagnose Apoplexie wohl aussehlaggebend gewesen. Es mtil~te abet ein eigentUmliehes Spiel des Zufalles gewaltet haben, wenn die Li~h- raung" des Nerven genau zur gleieher Zeit erfolgt sein sollte~ als tier erste Sehwindelanfall auftrat, zumal die Bedingungen zum Zustandekommen der Lahmung jedenfalls sehon lange vorher bestanden, ehe die Einsehmelzung des Halbzirkelkanals eine solehe Ausdehnung annehmen konnte, dal~ es zu einer ErSffnung desselben kam. Viel nigher liegt es daher anzunehmen, dal~ die L~hmung sehon langere Zeit bestanden hat, ohne dal~ sie yon dem Patienten und seinen AngehSrigen bemerkt worden war, und dat~ erst der infolge des Sehwindelanfalles hinzugezogene Arzt darauf aufmerksam maehte, der, da er yon friiheren Lithmungs- erscheinungen niehts erfuhr, naturgemal~ eine pl5tzlieh aufgetre- tene Lithmung annehmen und aus der Verbindung mit den an- deren sttirmisehen Symptomen auf einen apoplektisehen Insult sehtiefien mul~te. Es ware aueh nieht ausgesehlossen, daft viel- leicht in den darauf folgenden Tagen noeh eine Yersehlimme- rung der Parese hinzukam ; sehen wir doeh h~ufig', dab derar- tige exaeerbierende Eiterungen und kariSse Einsehmelzungen

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dureh sprungweises Fortsehreiten in kurzer Zeit bedeutende lo- cale Fortsehritte maehen kSnnen. Immerhin wtirde ein gleieh- zeitiges Auftreten beider Symp~ome ein wunderbares Zusammen- treffen gewesen sein. Es zeigt uns dieser Fall deshalb, wie sehwierig die Erkennung der Aetiologie soleher Erseheinnngen dureh seheinbares Zusammentreffen mehrerer tibereinsfimmender Symptome werden kann, zumal dann, wenn wie bier der erste Sehwindelanfall dutch seine tteftigkeit und sein plStzliehes Auf- *reten tiber seine Natur selbst irreft~hrend in Erseheinung trill; denn derartige plStzliehe hoehgradige Sehwindelanf~lle, die bis zum Umfallen des Patienten fi~hren, sind als Folge kariSser ZerstSrung'en keine allt~gliehe Beobaehtung und mufiten leieht den Verdacht hervorrufen, dab es sieh um eine eerebrale Affek- lion handle.

Ist nun naeh den Untersuehungsergebnissen in unserem Falle die Ursaehe des Schwindels tediglieh in der Lasion der Bogen- gange zu erblieken, so ist es doeh nStig darauf einzugehen: in weleher Weise wit uns das Zustandekommen der Anfglle zu erkl~ren haben. Bemerkenswert ist ja besonders die Beobaeh- tung, da$ der Sehwindel bier stets in Anfallen auftrat, dab er nieht zu jeder Zeit: aueh nieht durch darauf hinzielende Mani- pulationen hervorzurufen war, andererseits aber wieder auf ge- ringfligige Yeranlassung, beim Aufriehten, naeh langerem Gehen sieh einstellte. Aueh Nystagmus war nieht immer vorhanden. Die lange bezweifelte statisehe Funktion des Bogengangsappa- rates ist in neuerer Zeit dutch vielfaehe, besonders experimen- tetle Untersuehungen und pathologisehe Beobaehtungen hinrei- ehend festgestellt. Wir wissen nun zur Gentige, dab L~tsionen der Halbzirkelkanale haufig mit Sehwindelerseheinungen verbun- den sind, doch tiber die innere, meehanisehe Ursaehe ist noeh keineswegs vSllige Klarheit vorhanden. DaB die ErSffnung eines Bogenganges an und far sieh nieht notwendigerweise Sehwin- delerseheinungen im Gefolge hat, mtissen wir bereits als fest- stehend betraehten. Jeder operatir t~tige Ohrenarzt wird sehon gelegentlieh bei Totalaufmeil3elungen Defekte an einem Bogen- gang, besonders am horizontalen bemerkt haben, die sieh weder vor noeh naeh der Operation dureh Sehwindelsymptome mani- festierten. Mehrere Autoren haben aueh an einer grSI3eren Un- tersuehungsreihe die Inkonstanz dieses Symptoms bewiesen, selbst in solehen Fallen, in denen zweifellos die Erkrankung auf

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das h~utige Labyrinth fortgesebritten war. [4 a b e rm a n n 1) beo- baehtete unter 18 Fallen yon akuter Labyrinthentztindung' nut Smal Sehwilldel. Aueh Lue a e 2) fand in 50 FalIen kariSser und traumatiseher Labyrinthlasionen, die zum gr~lSten Tell Defekte der Bogengange aufwiesen, nut in 60 Proz. Sehwindel. J a n s e n 3) velmil~te den Sehwindel haufig und besehrieb einen Fall yon isolierter Erkrankung des horizontalen Bogenganges: der ohne Sehwindel verlief. Einen ahnliehen Fall beobaehtete Il i n s b e r g ~). Da wit nun auch bei ausgedehnten ZerstSrungen Sehwindel kei- neswegs als regelm~ifiiges Symptom antreffen, so ist zunaehst daran festzuhalten, daf~ Sehwindelsymptome sehr selten als Aus- fallserseheinung'en betraebtet werden kSnnen, sondern in der weitans grSl~ten Zabl der FKlle wohl Reizungssymptome darstel- len. Diese Anschauung finder aueh darin ihre Bestatigung, dal~ andererseits traumatisehe, also plStzliehe BogengangserSffnungen fast regelmaf~ig yon Sehwindelerseheinung'en beg'leitet sind. Es ist deshalb wohl anzunehmen, daft nieht die ErSffnung des Ka- rials als solehe, sondern vielmehr die dadureh bedingte Reizung der Nervenendigungen in den Ampulten, sei es direkt, sei es dutch anormale Bewegnng der perilymphatisehen Fltissigkeit den Sehwindel hervorruft. Der Annahme L u e a e s 5), dal~ das rasehe Abfliegen tier LabyrintbflUssigkeit die Itauptursaehe dieses Ver- haltens sei, ist die grSt~te Wahrseheinliehkeit beizumessen, und man kann an der Iland dieser Auffassung aueh ungezwungen die in den der Lasion folgenden Tagen gewShnlieh fortdauernden Besehwerden erklaren, wena man bedenkt, dal~, solange der De- fekt nieht v5tlig zugranuliert und jeder weitere Austritt yon Laby- rinthflassigkeit unmSglieh ist, stets ein anormaler Druek und anor- male StrSmungen in dem erSffneten Rohre eintreten kSnnen.

Naeh nnserer jetzigen Kenntnis yon tier Funktion des Bo-

1) H a b e r m a n n , Ueber Erkrankungen des Felsenbeins und des 0hr- labyrinths infolge der akuten eitrigen Mittelohrentztindung. Dieses Archly. Bd. XLII. S. 128.

2) L u c a e , Uber cari6se und traumatische Labyrinthliisionen mit be- sonderer Berticksichtigung der Schwindelerscheinungen und des Ausfalls des W ebe r schen Yersuches nebst einigen technischen Bemerkungea zur sog. Radikaloperation. Dieses Archly. Bd. XLYII. S. 85.

3) J a n sen , Ubcr eine h~ufige Art der Beteitigung des Labyrinthes bet den Mittelohreiterungen. Dieses Archly. Bd. XLV. S. 193.

4) H i n s b e r g , Uber Labyrintheiterungen. Zeitschr. f. Ohrenheilkunde Bd. XL. S. 131.

5) L u c a e , 1. c. S. 92.

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Beitrag zur Pathologic des inneren Ohres. 187

gengangapparates kommen wit' immer mehr zur Auffassung, dais derselbe im wesentliehen ein feines Tastorgan darstellt, welches auf durch Lageveranderung bedingte Reize rea~iert und mit dan anderen die KSrperlage in gleieher Weise regulierendeu Orga- hen dureh zahlreiehe Reflexbahnen verbunden ist. Weleher Art aber diese Reize sind, die bei erSffnetem Bogengang, bei ebro- niseher Eiterung, bei Entztindung seines Inhaltes, bei Zerst6- rungen einzelner Teile auf die l'~er~'enendigungen wirken, ist bis jetzt noah niche genau bekannt. Es ist wohl naheliegend anzunebmen,'daf~ die Endorffane auf jede Art yon Reizung rea- gieren und hierdureh hervorgerufene falsehe Lagevorstellungen die eigentliehe Ursaehe des Sehwindelg'efiihls sind. Damit ist aber die Frage noeh nieht gelSst, wie es kommt, da6 manehe ZerstSrung'spr0zesse yon Anfang bis zu Ende ohne Sehwindet verlaufen. H insbe rg 1) nahm an, daft ein Zerst6rung'sprozefi, der entweder sehr tangsam oder sehr sehnell vor sieh gehe, ohne spezifisehen Reiz auf den Vestibularapparat verlaufe. Wenn mir aueh letzterer Fall, die rasehe ZerstSrung, einige Wahr- scheinliehkeit zu haben seheint, so hege ieh in Bezug' auf die vSllige Reizlosigkeit langsam vor sieh gehender destruktiver Prozesse, insofern sic Nervenendigungen von so hoher Erregbar- keit betreffen, gelinde Zweifel..Vielmehr erscheint mir hier die Lokalisation, der Angriffspunkt der ZerstSrung resp. der Entziin- dung eine aussehtaggebende Rolle zu spielen, und ieh mSehte annehmen, daft in den F~ttlen, in denen eine ZerstSrung- des Labyrinthes ohne Sehwindelel'seheinungen vor sieh ging, die Vestibnlarnerven in ihrem Verlaufe zuerst yon dem ZerstSrungs- prozefi ergriffen wurden und bereits stark in ihrer Leitungsfa- higkeit gesehadigt waren, ehe der empfindliehe Endapparat selbst ergriffen wurde. Es ist bekannt, dab Reize, die einen sensi- blen Nerven treffen, wohl der spezifisehen Leitungsenergie des- selben entspreehende zentrale Empfindungen hervorruf'eu kgnnen, wir wissen abet aueh, dafi die auf diese Weise hervorgerufenen Gefahlseindrtieke an Starke weit hinter den dutch Reizung der Endapparate setbst erzeugten zmtiekbleiben. Wir wissen, um als n~ehstliegendes Beispiel ein anderes Sinnesorgan heranzuziehen, dug subjektive Liehtempfindungen bei Erkrankung des Stammes des Nervus optieus wohl vorkommen, aber durehaus nieht zu den regelm~il~igen Erseheinungen gehSren, wahrend bei Reizung

1) H i n s b e r g , 1. c. S. 143.

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der Retina selbst, auah nur dutch geringftigige Erkrankungen dieses Symptom immer auftritt, l~bertragen wir diese Erfahrung" auf das GehSrorgan, so kSnnen wit in gleieher Weise annehmen, dall irgend ein pathologiseher Reiz, der bet intakten Nervcn die Endorgane des Ramus vestiMlaris trifft, wahrseheinlieh stats Sehwindel hervorrufen wird, dag dagegen der gleiehe Prozel~ reaktionslos verlaufan kann, wenn er zunaehst die Nerven in ihrem Vel'laufe ergreift and ihr LeitungsvermSgen derart herab- setzt, dal~ sp~teres Ubergreifen anf die Endapparate ohne StS- rungen verli~uft. Mikroskopiseh ist dies allerding-s bis jetzt noeh nieht naehgewiesen worden, aber das kann nieht gegen die er. wiihnte Ansieht angeflihrt werden. Genauere pathologisehe Un- tersuehungen soleher FNle liegen, wie Eingangs erwi~hnt, tiber- haupt nur in sehr geringer Anzahl yes und ferner haftet unseren Untersuehungsmethoden noah eine ziemliahe Unsieherheit an, sodal~ aueh tatsiiehliehe Befunde, die anseheinead normale Ver- h~ltnisse ergeben, nieht immer als beweisend angesehen werden kSnnen. Hat uns doeh in letzter Zeit W i t t m a a k 1) gezeig% wie man mittels feinerer Pr~tparationsmethoden pathologisohe Var- i~nderungen in den Nerven und besonders in den Ganglienzellen naehweisen kann in F~tllen, in denen der Sitz der Erkmnkung lange Zeit an anderen Stellen vermutet wurde und man die Ner~ren mikroskopiseh stets ftir intakt erkl~rte. Wit miissen des- halb im Aug'e behalten, dais auch in unseren bisherigen Unter- suchungen vielleieht manches bisher fiir normal gehalten wurde, das als pathologiseh naehzuweisen erst dureh neuere Untersu- ehungsmethoden gelingen dtirfte.

Kehren wir nun zu unserem Falle zurtiet~, so wiire das Auf- treten der Sehwindelersoheinungen ja aus dem pathologischen Befunde wohl zu erklitren. Wit finden den horizontalen und hinteren h~tutigen Bogengang zum grSBten Teile zerstSrt, die Kanitle mit Granulationsgewebe ausgefiillt bis nahe an die Am- pttllen, wit finden andererseits den funkti0nell wiehtigsten Teil, die Nerven und Epitheliea der Ampullen und Cristae g'ut erhat- ten, in anscheinend normalem Zustand. KSnnten wit uns die Sehwindelerscheinungen als Folgen yon Reizungen der Ampul- larepithelien unset~wer deuten~ so maeht es dooh einige Sehwie

1) W i t ' t m a a k : Beltrag aur Kenntnis der Wirkung des Chinins unf d~s GehOrorgan. Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiolog[e. Bd. XCV. S. 103. -~- Die toxische Neuritis und die Beteiligung der zugehSrigen G-angtien. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XLVI. S. 1.

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Boitrag zur Pathologie des inneren 011res. 189

rigkeit, ein e Erkl/trung dafiir zu finden, weshalb dieses Symptom sich so unregelm/tl~ig einstellte, in seiner St/trke so variierte, manehmal ganz ausblieb. Daft das Auftreten des Bogengangs- schwindels yon Lagever/tnderungcn vornehmlich abh/tngt, ist eine bekannte Tatsaehc. Die anormalen StrSmungen der Labyrinth- fltissigkeit waren hier als der in Frage kommende Reiz zu be- trachten, und es ist klar, dab solehe Reize durch Bewegungea leicht ausgelSst werden. In unserem Falle war abet aueh die- ses Eintreten des Schwinde]s bei Lagever~nderungen kein kon- stantes, ja zeitweise war nicht einmal durch den Drehversuch, noch durch andere Experimente Schwindel auszuliisen, Wir stehen also dem Faktum gegeniiber, dab Reizung des Bogengangsap- parates das eine real eintrat das andere real nicht, und so bleibt uns die Aufgabe, aus dem pathologischen Befunde die Ursache dieses wechselnden Verhaltens womtiglich klarzustellen. Es mtis- sen also Verh~tltnisse vorgelegen habe~, die zu gewissea Zeiten und unter gewisscn Umst/inden verschiedene Einwirkung auf den Vcstibularapparat austiben konnten. Wir fandcn nun, dab die knSchernen Bogeng/inge mit Granulationsgewebe angeftlllt waren, das dutch d e n Defekt des horizontalen Bogenganges hinein- gewuchert war. Eine Einwirkung yon auBen, dutch Vermittlung" des Defektes mtissen wir als ausgesehlossen betrachten. Das Gewebe haite hier eine ziemliche Dichfigkeit erlangt, und man: konnte such beim Verbandwechsel durch Sondierung der offe- hen Stelle hie Schwindel hervorrufen, wie es im anderen Falle mit Sicherheit h/ttte g'eschehen mUssen. Es ist also die Ursache der Reizung lediglich im Innern der Kan~tle zu suehen. Man kSnnte nun daran denken, daft das Auftreten der Reizung yon Wachstumsvorg/ingen des Granulationsgewebes abh/tngig sei, daft also vielleicht st/trkere Wucherung des letzteren tem- por~re Schwindelanf/tlle hervorgerufcn hiitte. Diese Annahme ist im Prinzip nicht vonder Hand zu weisen, doch in unse- rein speziellen Falle nieht sehr wahrscheinlich; denn tats/ich- lich kniipften sich die Anf/ilte doch wesentlich an /tul~ere ¥org~nge, besondere Anstreng'ungen, 1/tngeres Gehen u. s. f. allerdings auch hier ihre Unregelmal~igkeit stets beibehaltend, Ich mSchte deshalb vielmehr der Ansicht zuneigen, dais momen- tane Ver/~nderungen des Gewebcs bier die zu Grunde liegende Ursache gewesen sind, und ieh kann mir derartige Verande- rungen nur als dutch Schwa nkungen in tier Blufftille bedingt vorstellen. Das neugebilde/e Gewebc in den Bogeng/tngen zeigt:

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besonders in den .jiingeren 8chichten einen groBen Gefiifireichtum und die neugebiIdeten Gef~t~e sin/[, wie man das meistens finder, sehr welt und dtinnwandig. Wir kSrmen ja aueh wghrend der Naehbehandlung nach Operationen nieht selten Wechsel in der Blutftille der Granulationen beobachten, Schwellungszunahme und Abnahme, kleine Blutungen. Ebenso denke ich mir, daI$ auch das Gewebe in den Bogeng~tngen Ver~tndcrungen durehgemacht hat, die zu tempor~tren Volumenszunahmen 'f•hrten, welch letztere, da die starren Wandungen keine MSglichkeit zum Ausweichen zuliet~en, gegea die Ampullen und den Vorhof hia sieh riehten mul~tea und Verschiebungen der Labyrinthfltissigkeit zur Fotge batten. Ferner kSnnte uns der Befund zahlreieher ausgetretener roter BlutkSrperchen im Vorhof und in den Ampullea auf den Gedanken bringen, ob nieht auch in vita ~hnliche Blutaustritte eing'etreten scin kSnnten, die dann nattirlich ebenfalls cinch star- ken Reiz auf' den Ampullaraerveaapparat h~tte ausUbea mtissen. Daft ich die vorgefundenen Blutaustritte ftir postmortale hatte, habe ich oben sehon betont and geniigend begriindet, und ieh will durehaus nicht yon dieser Anschauung ahgehen. Abel- diese postmortalcn Blutaustritte sind doch eia Beweis fiir abnorme Durchl~issig'keit der Gefi~l~e, u n d e s erseheint deshalb die MSg- lichkeit nieht ausgesehlossen, dal~ aueh w~hrend des Lebens unter gewissen Umst~nden ab uad zu Blutungea aus dem neu- gebildetea Gewebe gegen den Vorhof zu erfolgt siad. Auf jeden Fall w~re bei Annahme einerjeden dieser beiden MSglichkeiten alas anfallsweise Auftreten des Sehwindels gui zu erkt~ren, be- sonders such das Eintreten des Schwindels nach KSrperanstren- gungen, l~tngerem Gehen, in der Voraussetzung dab hierbei bei dem sehw~tehlichen Manne Blutaadra.ng naeh dem Kopfe ein- trat und in der geschilderten Weise Einfiu$ auf die Ampullar- ,herren ausUbte.

Von Bedeutung ist die Prognose soleher Sehwindelanfiille, resp. die Aussichten der Behandlung. In unserem Falte ist wohl anzunehmen, daft mit der Zeit die Wueherung zum Stillstand gekommen w~re, das Granulationsgewebe sieh gefestigt h~ttte, und daft damit die Momente zur Reizung der Ampullarorgane in Fortfall gekommen w~ren. Als wesentliehe Bedingung zum Zu- :standekommen einer Riickbildung mug aber das Fernbleiben entztindlichcr Reize angesehen wcrden, und deshalb ist wohl ~das erste Erfordernis die operative Freilegung und Sehaffung guten Sekretabflusses, in zweiter Linie die Wegnahme des kran-

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ken Knoehens soweit als irgend mSglieh. Die Postulate lassen sieh dureh zweekentspreehende Operation erftillen, und hierdureh erklaren sieh die oftmals guten Erfolge der Totalaufmeigelung aueh in Bezug auf StSrungen des Gleiehgewiehtes. Wir sehen abet aueh, daft ein allzu energisehes Vorgehen, ein ausgedehntes operatives Angreifen der Labyrinthkapsel und der Labyrinth- hShle in Fallen wie der besehriebene durehaus nieht imstande sein wird, die Resultate zu verbessern, ja sogar m@licherweise sine Versehlimmerung herbeiftihren kann, dureh Zerst5rung der bereits fest gewordenen Granulationen, dureh die Gefahr der ~euinfektion und des weiteren Fortsehreitens auf das Labyrinth. Gegen letzteres stellt die Granulationssehieht immerhin einen Sehutzwall dar, der im Beginn seines Entstehens Wohl destruie- rende Eigensehaften hat und nur eine sehwaehe Abwehr gegen die Infektion der tieferen Teile ausaben kann, der jedoeh mit der Zeit stetig fester und zuverlassiger wird und naeh vollen- deter Rtiekbildung" des Gewebes einen wirksamen Sehutz gegen ~iufiere Sehadlichkeiten bietet, b~oeh sieherer wird allerdings dieser Sehutz, wenn der knSeherne Defekt sieh ebenfalls wieder sehlief~t, und daft das m@lieh ist, beweisen ebenfalls unsere Be- funde. Wir haben bier im Anfangsstadium vor uns, was Jan - sen 1) sehon am Lebenden beobaehtet hat, n,~tmlieh den Versehluf~ tines Bogengangsdefektes dureh Knoehenwuet~erung. Es ist nun bemerkenswert, dail diese Knoehenwueherung groi3e Ahnliehkeit mit den Befunden zeigt': die bei Spongiosierung der Labyrinth- kapsel, resp. Ankylose des Steig'btig'e!s gemaeht worden sind. Hier wie dort haben wit umfangreiehe spongiSse Knoehenneu- bildung mit grof~en zellreiehen Markraumen, und aueh bier nimmt das neugebildete Gewebe hypertrophisehe Form an, es tiber sehreitet die ursprtingliehen Grenzen des Gewebes, dessen Stelle es einnimmt. Atiologiseh kSnnen wit nun beide Prozesse nieht ohne weiteres einander gleieh setzen, hSehstens bei den naeh abgelaufenen Mittelohreiterungen auftretenden Knoehenwuehe- rungen, wie sie yon H a b e r m a n n : ) und S e h e i b e 3) mitgeteilt worden sind, kSnnte man an einen gleiehen Entstehungsmodus

l) J a n s e n , Uber eine h~ufige Art der Beteiligung des Labyrlnthes bei den Mittelohreiterungen. Dieses Arch. Bd. XLV. S. 222. Fall 99.

2) H a b e r m a n n , Zur Pathologie der sogenannten O tosklerose. Dieses Archiv. Bd. LX. S. 84.

3) S ch e ibe , Zur Ostitis der LabyrinthkapseL Verb. d. otol. Gesellsch. 1901. S. 175.

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dcnken. Aber die anatomische _~hnliehkeit des infolge irgend eines Reizes wuehcrnden Knochengewebes ist sehr auffallend, und der Unterschied besteht nur darin~ dal3 wir bei kariSsen Pro- zessen den Reiz kennen, er liegt in der regenerativen Reaktion des Gewebes auf die vorhergegangene ZerstSrung, bei den rein sklerotisehen F~llen kennen wit ihn nicht.

Die Reg'enerationsfahigkeit des Knoehens, speziell des Sehl~fenbeins ist, wie mir seheint, bisher untersehatzt worden. Im allgemeinen nahm man an, dais eine Knoehenneubildung bei patholog'isehen und operativen Defekten tiberhanpt nieht, oder nur in ganz vereinzelten Fallen eintrete. Der oben erwiihnte, yon J a n s e n publizierte Fall stellt ein Unieum dar. IehJ) habe z~ar in einer fr0heren Arbeit Befunde mitgeteilt~ die reich auf dan Gedanken braehten, dal~ das straffe, die Knoehennarbe bildende Bindegewebe vielleieht die Funktion des Periostes austibe und imstande sei, die Gestaltung der Aufmeil~elungshShle dm'eh Appo- sition zu verandern. Diese Vermutungen hatten in mir mikro- skopisehe Bilder erweekt~ die indes nieht vollkommen beweis- kraftig ersebienen. Nachdem nun abet in dem besehriebeneu Falle eine Knoehenwueherung in zweifelloser Darstellung sich naehweisen liel~, mSehte ieh es doeh ftir mSglich halten, dal~ naeh Operationen in spaterer Zeit noeh Knoehenregener~tionen ein- treten kSnnen, und aueh andere Beobaehtung'en haben reich in- zwischen in dieser Ansicht bestarkt. Ieh habe fl-tiher sehon bei Besiehtigung ausgeheilter Totalaufmeigelungen, die yon anderer Seite ausgeftihrt waren, ab und zu Knoehenvorsprtinge bemerkt, yon denen ieh mir nieht reeht erklaren konnte, warum sie der betreffende Operatenr hatte stehen lassen. Ieh habe ~ber in der letzten Zeit bei genauerer Beobaehtung aueh bei meinen eigenen Operationen 5fters die Erfahrung gemaeht, da~) die WundhShle einige Zeit naeh der vollendeten I:Ieilung nieht mehr die Kon- figuration zeigte wie vorher, obwohl die Epidermis dem Knochen iiberall fest auflag. Ieh war frtiher oft geneigt, reich eines Ver- s~tumnisses bei der Operation anzuklagen, falls ieh nachtraglieh Knoehenwtilste entdeekte, die die l~bersichfliehkeit tier Opera- tionshShle, obwohl sie ausgeheilt war, an manehen Stellen er- sehwerten. Ieh habe aber seither genauer darauf geaehtet, mir die Operationsresultate lest im Gedaehtnis eingepragt und dureh

1) Z er on i, Beitrag zur Kenntnis der Heilungsvorgrmge nach der ope- rativen Freilegung der Mittelohrr~ume. Dieses Archiv. Bd. XLV. S. 178.

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Vergleieh mit den spateren Beobaehtungen die Uberzeugung ge- wonnen, duff tatsachlieh in spateren Stadien der Heilung', d. h. einig'e Zeit naeh der vollkommenen Uberhautung der Operations- hShle sieh manehmal Knoeben naehweisen 1filet, wo er sieher bei der Operation entfernt war, und dag bisweilen eine bemerkbare Anderung in der Konfiguration der OperationshShle eintreten kann. Es existiert also eine Regenerationsfahigkeit des Sehlafen- beinknoehens, die sieh nieht immer und nut in beseheidenem Umfange bemerkbar maeht, die unter Umstandeu dureh Deekung yon Defekten in den Umhtillungen zarter Organe wiehtige Dienste tun, allerdings aueh einmal dureh Auftreten an ung'e- eigneten Stellen zu StSrungen Veranlassung geben kann.

Leider lassen sieh weitere Befunde an dem Praparate nieht mehr verwerten, infotge tier allzu ausgedehnten ZerstSrung, die wahrend der Enikalkung eingetreten sein mug. Es lagt sieh lediglieh feststellen, daff keine Labyrintheiterung vorhanden war, dagegen sind alle Untersuehungen darauf, ob der im Leben fast- gestellten hoehgradigen SehwerhSrigkeit besondere Veranderun- fen in der Sehneeke zug'runde liegen, als aussiehtslos anzusehen. Es ware dies yon groffem Interesse gewesen angesiehts der widerspreehenden Ansiehten, die dartiber zur Zeit noeh im Gauge sind. Jedenfalls lieg sieh an dem Praparate feststellen, daf~ am Steigbagel selbst keine Veranderungen vorhanden waren, die gTSgere akustisehe Hindernisse bedeuteten, weder knSeherne Fixation noeh Luxation, ebenso wenig war am runden Fenster etwas derartiges zu finden. Die ausgedehnte Ausftillung der Fensternisehea mit Bindegewebe, obwohl es aueh den Steigbtigel ganz umhallte, ist ein Befund, der bei ehronisehen giterprozessen im Mittelohr etwas sehr gewShnliehes ist, und wenn darin aueh ein akustisehes Hindernis erbliekt werden muff, so lehrt uns doeh die Erfahrung, duff hieraus selten eine so hoehgradige Sehwer- hSrigkeit, wie sie unser Fall darbot, resultiert.

Es ist also unmSglieb, weitere Sehliisse aus den erhobenen pathologisehen Befunden zu ziehen, und ieh muff mieh daher mit den vorliegenden begntigen. Aber aueh dasjenige, was uns hier zur Erklarung der Symptome verwertbar ersehien, ist noeh keineswegs als unanfeehtbar zu betraehten; es bedarf noeh vieler Naehprafungen an gleiehen und ahntiehen Fallen, bis wit tiber den wirkliehen Zusammenhang der anatomisehen und funktio- nellen StSrungen endgaltig Klarbeit erlangen werden. Ja, ieh mSehte geradezu davor wa.rnen, solehen Einzeluntersuehungen

Arehiv f. Ohrenheilkunde, LXIII, Bd. 13

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allzu grofien Wert beizulegen, ehe sie dureh 5fters sieh wieder- holende Befunde Bestiitigung erlangt haben. Erst wenn in einer grSl~eren Untersuehungsreihe bei gleiehen klinisehen Erschei- nungen jedesmal die gleiehen pathologischen Veriinderungen sieh finden, erst dann ist man bereehtigt, yon feststehenden Tatsaehen zu reden. Bis dahin ist es unsere Aufgabe und Pflieht~ die Be- funde kritiseh zu betraehten und die Erkl~irnngen des Zusammen- hangs zwischen klinisehen Erseheinungen und anatomischen Ver- ~tnderungen vorl~tufig als theoretiseh anzusehen.