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Die Makromolekulare Chem.ie 99 (1966) 117-125 (Nr. 2189) Aus dem Institut fiir chemische Technologie der Plaste, Leipzig Beitrag zur polymeranalogen Umsetzung der Cellulose zu Cellulosenitrat* Von K. THINIUS und W. THUMMLER (Eingegangen am 28. Oktober 1965) ZUSAMMENFASSUNG: Durch Vercsterung von Cellulose mit Gemischen aus wasserfreier Salpetersaure und Chlorkohlenwasserstoffen, insbesondere Dichlormethan, konnen in sehr kurzer Reaktions- zeit bei Temperaturen zwischen 0 und -3OOC Cellulosenitrate mit 13,s bis 14% N her- gestellt werden. Die Umsetzung verlauft polymeranalog. Die auf diese Weise gewonnenen, im Reaktionsgemisch unloslichen Cellulosenitrate konnen zur exakten Bestimmung des Durchschnittspolymerisationsgrades von Cellulosen verschiedener Provenienz herangezo- gen werden. In chlorierten Kohlenwasserstoffen und einigen anderen indifferenten Ver- diinnungsmitteln dissoziiert die hochkonzentrierte Salpetersaure gemas: HNO, NO,+ + OH- Die Nitronium-Ionen sind das eigentliche nitrierende Agens. Sie reagieren mit grol3er Geschwindigkeit mit den Hydroxylgruppen der Cellulose. Die auf diese Weise hergestellten hochveresterten Cellulosenitrate sin1 auflerordentlich stabil und einwandfrei in den ihrem Veresterungsgrad entsprechenden Losungsmitteln loslich. SUMMARY: Cellulose nitrates with 13.8 to 14.0% N can be prepared within very short reaction times by eaterifying cellulose with mixtures of anhydrous nitric acid and chloroalkanes, especially methylene dichloride, at 0 to 3OoC. Since no degradation occurs during nitration, the cellulose nitrates,which are insoluble in the reaction mixture, can be used for the determi- nation of exact degrees of polymerization of celluloses from different sources. Highly concentrated nitric acid dissociates in chlorinated hydrocarbons and in some other inert solvents according to : HNO, 2 NO,+ + OH- Nitronium ions are the actual nitrating agent and react very fast with the hydroxyl groups of cellulose. Cellulose nitrates prepared in the described manner are extraordinarily stable and perfectly soluble in appropriate solvents. *) Beitrage zur analytischen Chemie der Plaste XXX. 292. Mitteilung aus dem Institut fur chemische Technologie der Plaste, Leipzig. 117

Beitrag zur polymeranalogen umsetzung der cellulose zu cellulosenitrat

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Die Makromolekulare Chem.ie 99 (1966) 117-125 (Nr. 2189)

Aus dem Institut fiir chemische Technologie der Plaste, Leipzig

Beitrag zur polymeranalogen Umsetzung der Cellulose zu Cellulosenitrat*

Von K. THINIUS und W. THUMMLER

(Eingegangen am 28. Oktober 1965)

ZUSAMMENFASSUNG: Durch Vercsterung von Cellulose mit Gemischen aus wasserfreier Salpetersaure und

Chlorkohlenwasserstoffen, insbesondere Dichlormethan, konnen in sehr kurzer Reaktions- zeit bei Temperaturen zwischen 0 und -3OOC Cellulosenitrate mit 13,s bis 14% N her- gestellt werden. Die Umsetzung verlauft polymeranalog. Die auf diese Weise gewonnenen, im Reaktionsgemisch unloslichen Cellulosenitrate konnen zur exakten Bestimmung des Durchschnittspolymerisationsgrades von Cellulosen verschiedener Provenienz herangezo- gen werden. In chlorierten Kohlenwasserstoffen und einigen anderen indifferenten Ver- diinnungsmitteln dissoziiert die hochkonzentrierte Salpetersaure gemas:

HNO, NO,+ + OH-

Die Nitronium-Ionen sind das eigentliche nitrierende Agens. Sie reagieren mit grol3er Geschwindigkeit mit den Hydroxylgruppen der Cellulose. Die auf diese Weise hergestellten hochveresterten Cellulosenitrate sin1 auflerordentlich stabil und einwandfrei in den ihrem Veresterungsgrad entsprechenden Losungsmitteln loslich.

SUMMARY: Cellulose nitrates with 13.8 to 14.0% N can be prepared within very short reaction

times by eaterifying cellulose with mixtures of anhydrous nitric acid and chloroalkanes, especially methylene dichloride, at 0 to 3OoC. Since no degradation occurs during nitration, the cellulose nitrates,which are insoluble in the reaction mixture, can be used for the determi- nation of exact degrees of polymerization of celluloses from different sources.

Highly concentrated nitric acid dissociates in chlorinated hydrocarbons and in some other inert solvents according to :

HNO, 2 NO,+ + OH-

Nitronium ions are the actual nitrating agent and react very fast with the hydroxyl groups of cellulose. Cellulose nitrates prepared in the described manner are extraordinarily stable and perfectly soluble in appropriate solvents.

*) Beitrage zur analytischen Chemie der Plaste XXX. 292. Mitteilung aus dem Institut fur chemische Technologie der Plaste, Leipzig.

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K. THINIUS und W. THUMMLER

1. Einleitung

Das nach wie vor aktuelle Problem der Herstellung polymeranaloger Cellulosenitrate zur Ermittlung des Melekulargewichtes und der Mole- kulargewichtsverteilung von Cellulosen hat M. MARX-FIGINI~) veranlah, die bekannten Methoden kritisch zu iiberpriifen. Die von ihr aufgestellten Standardbedingungen erlauben zuverlassige Messungen dieser Charakte- ristiken an Cellulosen verschiedener Provenienz. Die hierfiir erforderli - chen hochveresterten, polymeranalogen Cellulosenitrate werden durch Veresterung der Cellulose mit den von STAUDINGER und M O H R ~ ) bzw. ALEXANDER und MITCHELL 3, vorgeschlagenen Gemischen aus Salpeter- saure, Phosphorsaure und Phosphorpentoxid hergestellt. Abgesehen von der nicht gerade bequemen Darstellung dieser viskosen Nitriermischungen erfordert die Veresterung der Cellulose damit und insbesondere die Rei- nigung des gebildeten Cellulosenitrats grol3e Sorgfalt. Es mu13 verhindert werden, da13 beim Auswaschen der Adhasionssaure durch lokale Erwar- mung und entstehende verdiinnte Saure ein Abbau des Cellulosenitrats eintritt. Dieses Veresterungsverfahren ist relativ zeitaufwendig und kann vor allem bei nicht geniigender Sorgfalt zu Fehlschliissen fiihren. Im folgenden wird gezeigt, wie die Aufgabe der polymeranalogen Umsetzung von Cellulose zu Cellulosenitrat mit Mischungen aus wasserfreier Sal- petersaure und Dichlormethan in experimentell sehr bequemer Weise gelost werden kann.

2. Grundlagen

In den technischen Nitriergemischen aus Salpetersaure und Schwefel- saure dissoziiert die Salpetersaure gema13

HNO, + 2H,SO, t) NO,+ + H,O+ + 2HS0,-

HNO, c* NO,+ + OH- (1)

Die Dissoziation der Salpetersaure in Gemischen mit Phosphorsaure/ Phosphorpentoxid, Essigsaure oder Essigsaureanhydrid kann in gleicher Weise angenommen werden. Daneben beeinflussen aber auch gegenuber Salpetersaure indifferente organische Verbindungen die Dissoziation der wasserfreien Saure. Auf Grund der etwa seit dem Jahre 1931 unter ver- schiedener Problemstellung durchgefuhrten Untersuchungen des einen von uns lassen sich zwei Gruppen dieser indifferenten organischen Flus- sigkeiten unterscheiden :

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Polymeranaloge Umsetzung der Cellulose zu Cellulosenitrat

a ) Aliphatische Chlorkohlenwasserstoffe wie Di- und Trichlormethan, die beiden isomeren Tetrachlorathane und die N-Nitrodialkylamine bewirken eine Dissoziation der Salpetersaure nach G1. (1). Die Warme- tonung beim Mischen dieser Substanzen mit Salpetersaure ist negativ.

b) In Diathylathern, einigen Ketonen, niederen aliphatischen Carbon- sauren und N-Nitrosodiathylaminen dissoziiert die Salpetersaure gemaS

(2) HNO, tf H+ + NOs-

Die Warmetonung beim Mischen mit Salpetersaure ist positiv.

In den Mischungen aus Salpetersaure und den der 1. Gruppe angeho- renden Verbindungen liegen Nitroniumionen in hoher Konzentration vor, die mit den Hydroxylgruppen der Cellulose mit grol3er Geschwindigkeit unter Bildung hochveresterter Cellulosenitrate reagieren.

Cell-OH + NO,+ + OH- tf Cell-0-NO, + H,O (3 )

Der notwendigerweise zu verwendende UberschuS an Veresterungs- gemisch bei dieser Umsetzung verhindert, daLi das bei der Reaktion entste- hende Wasser eine schadliche Konzentration annimmt und den ,,aktiven Zustand" entsprechend der Formulierung (4) aufhebt.

NO,+ + OH- + H,O --f H,O+ + NO,- (4)

Bei der Dissoziation der Salpetersaure gemaB G1. (1) entstehen keine Wasserstoffionen, die die Glukosidbindungen des Cellulosemakromolekis spalten. Damit sind gleichzeitig die Voraussetzungen fur eine polymer- analoge Umsetzung gegeben.

Die als 2. Gruppe der organischen Verdiinnungsmittel fiir Salpetersaure bezeichneten Fliissigkeiten bewirken im Gemisch mit wasserfreier Sal- petersaure keine Veresterung der Cellulose. Hier dissoziiert die Salpeter- saure gemail3 G1. (2). Es entstehen keine Nitroniumionen, die, wie LINCKE lo) durc h Verwendung von '80-markierter Salpetersaure nach- gewiesen hat, das eigentliche nitrierende Agens darstellen. Die Beein- flussung des Dissoziationsgleichgewichtes der Salpetersaure durch die ver- schiedenartigen Losungsmittel kann in der Weise ausgenutzt werden, daLi Gemische von zur 1. und 2. Gruppe gehorenden indifferenten Ver- diinnungsmitteln zusammen mit hochkonzentrierter Salpetersanre zur Veresterung von Cellulose eingesetzt werden. Je nach dem Mischungs- verhaltnis der beiden Arten von Verdiinnungsmitteln konnen verschie- dene Veresterungsstufen eingestellt werden4).

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K. THINIUS und W. TEUMMLER

K. THINIUS und A. WEIHE erhielten bereits 1931 durch Umsetzung von Cellulose mit Gemischen aus hochkonzentrierter Salpetersaure (98-proz.) und wasserfreiem Dichlormethan als dem optimalen Verdunnungsmittel ohne jeden Zusatz eines wasserbindenden Hilfsstoffes hochveresterte Cellulosenitrate mit hervorragender Stabilitlt 5) . An Stelle von Dichlor- methan konnen auch die bereits genannten, der 1. Gruppe zugeordneten Verbindungen benutzt werden. In sehr kurzer Zeit, einigen Minuten, werden Cellulosenitrate erhalten, deren Stickstoffgehalt zwischen 10 und 14 % N liegt. Der Veresterungsgrad kann innerhalb dieser Grenzen durch die Anderung des Anteils an bichlormethan im Nitriergemisch und durch den Wassergehalt der Salpetersaure innerhalb der oben genannten Gren- Zen (0-3 %) eingestellt werden. Ein weiterer Vorteil dieses Veresterungs- verfahrens besteht darin, dal3 das gebildete Cellulosenitrat wie bei den unter 1-3) beschriebenen Verfahren in den Nitriermischungen nicht loslich ist.

Weitere Untersuchungen uber die Veresterung der Cellulose mit Mi- schungen aus Salpetersaure und organischen Flussigkeiten wurden erst spater bekannt. Die Nitrierung der Cellulose mit einer Mischung aus Sal- petersaure, Acetanhydrid und Chloroform ergibt nach den Untersu- chungsergebnissen von DARZONS~) ein Produkt mit 13,7 % N. BRISSAuD7)

konnte zeigen, daB diese Umsetzung sehr langsam verlauft. Mischungen aus Salpetersaure und verschiedenen organischen Fliissigkeiten, z. B. Ather, Dichlordiathylather, Essigsaure, Propionsaure, Essigsaureanhy- drid und Chloroform, wurden von PETITPAS und Mitarbeiterns) zur Ver- esterung von Cellulose verwendet, um den EinfluB des Verdunnungsmit- tels auf das AusmaB und die Geschwindigkeit der Veresterungsreaktion zu studieren. In ifbereinstimmung mit den bereits friiher erzielten Er- gebnissen des einen von uns erfolgt in Salpetersaurellither-Mischungen keine Veresterung der Cellulose. Bei den anderen Verbindungen wurde eine tatsachliche Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Art des Verdunnungsmittels festgestellt. Die aktivste Verbindung aus der Reihe der untersuchten Substanzen war, wiederum in ifbereinstimmung mit unseren Ergebnissen, Chloroform. ROGOWIN und Mitarbeitere) ni- trierten Cellulose mit Mischungen aus wasserfreier Salpetersaure und Methylnitrat bzw. Salpetersaure, Methylnitrat und Dichlormethan bzw. Dichlorathan mehrere Stunden bei Temperaturen um 30 "C. In Abhangig- keit vom Salpetersauregehalt der Mischungen werden Cellulosenitrate mit Stickstoffgehalten zwischen 10 und 14 % erhalten. Die hochverester- ten Produkte sind jedoch in den Salpetersaure/Methylnitrat- Mischungen loslich.

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Polymeranaloge Umsetzung der Cellulose zu Cellulosenitrat

3. Versuchsergebnisse Die Veresterung von Cellulose mit Gemischen aus hochkonzentrierter

Salpetersaure und Chlorkohlenwasserstoffen, insbesondere Dichlormethan, verlauft bei Temperaturen um 20 "C mit sehr grofier Geschwindigkeit. Die hohe Veresterungsaktivitat dieser Gemische bleibt auch - wie noch ge- zeigt werden wird - bei niedrigeren Temperaturen erhalten. Bei besonders saugfahigen Formen der Cellulose, z. B. Papieren, wird der dem Wasser- gehalt und dem Mischungsverhaltnis entsprechende Veresterungsgrad schon nach 1-2 Min. erreicht. Das Flottenverhaltnis Cellulose :Ver- esterungsgemisch kann in weiten Grenzen variiert werden.

Das Optimum liegt bei Werten zwischen 1: 20 und 1 :40. Mit Gemischen aus Salpetersaure und Athern oder Ketonen, z. B. Di-

athylather bzw. Isobutyron, tritt aus den schon weiter oben genannten Grunden selbst nach 24 stundiger Einwirkung derselben auf Cellulose keine Veresterung ein.

Das Dissoziationsgleichgewicht der Salpetersaure kann durch die ver- schiedenartigen Losungsmittel gemafi den Gln. (1) und (2) beeinflufit werden. Die Lage des Gleichgewichtes und damit auch der Veresterungs- grad hangen vom Verhaltnis der beiden Arten von Losungsmitteln ab. Tab. 1 zeigt eine solche Abhangigkeit fur einige Mischungen an Diathyl- ather bzw. Isobutyron, Dichlormethan und Salpetersaure.

Tab. 1. Veresterung von Cellulose mit Gemischen aus Salpetersaure und indifferenten organischen Verdunnungsmitteln bei Temperaturen um 20°C

Das Verhiiltnis Cellulose: Nitrierflussigkeit = 1 : 40. Es wurden Linters und Regenerat- cellulose eingesetzt. Mit beiden Cellulosesorten wurden die gleichen Ergebnisse erzielt

Ve .-dunnungsmittelmischung

(Gew.-Verh.)

Diathylather : Dichlormethan 25 : 75 Isobutyron: Dichlormethan 25 : 75 Diathylather : Dichlormethan 30: 70 Dichlormethan Dichlormethan Dichlormethan Dichlormethan Dichlormethan Diathylather bzw. Isobutyron

Salpetersaurel Verdunnungs-

mittel- mischung

(Gew.-Verh.)

35 : 65 35 : 65 42:58 35 : 65 35:65 42:58 50:50 50: 50 35:65

W asser- gehalt d. Salpeter-

saure (%)

1 1 1

-2 -1 -1 -1

0 -1

Vereste- rungs- dauer

(Min.)

15 15

10-15 15 10 10 10 10

24 Stdn.

Stickstoff- gehalt des Cellulose-

nitrats (%I

8-9 8,5-9

11,5-12 10-11 12-12,s 13,2 13,7

keine Ver- esterung

13,9-14,0

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K. THINIUS und W. THUB~MLER

Die hohe Veresterungsaktivitat der Gemische aus Chlorkohlenwasser- stoffen und wasserfreier Salpetersaure, ihre Lagerfahigkeit, ihre im Ver- gleich zu den Gemischen der anorganischen Sauren um vieles kleinere Viskositat und die Tatsaehe, da13 sie die Auflosung des gebildeten Cellu- losenitrats verhindern, sind gunstige Voraussetzungen fur die Verwendung dieser Gemische zu polymeranalogen Umsetzungen der Cellulose. I n Tab. 2 sind die Ergebnisse der vergleichenden Untersuchung der poly- meranalogen Veresterung der Cellulose mit Gemischen aus Salpetersaure und Dichlormethan und der Arbeitsweise mit Salpetersaure, Phosphor- saure und Phosphorpentoxid-Gemischen zusammengefafit. Es wurden 4 verschiedene technisch aufbereitete Linters-Sorten eingesetzt *). Nach beiden Methoden wurden ubereinstimmende Durchschnittspolymerisa- t i onsgrade erhalten. Der Stickstoffgehalt der Veresterungsprodukte be-

Tab. 2. Herstellung und Eigenschaften polymeranaloger Cellulosenitrate

Material

Temming-Linters I

Temming-Linters I1

Nicaraqua-Linters

Hercules-Poweler- Linters A 2000/F

Nitrierbedingungen

Me- hode* *

1 1 2 2 2 2 2 2 2 1 1 2 2 1 2 2 2

Zeit (Min.)

75 90 20 75

5 20 20 20 20 75 90 20 75 90 20 20 75

Temp. ("C)

0 0 0 0 0 0 0 0

-10 0 0 0 0 0 0 0 0

N-Gehalt

(%I

13,92

13,90 13,72

13,94 13,94 13,89 13,83

13,85 13,86

13,81

Irll (m1.g-l)

940 1180 1190 1190 1510 1510 1520 1460 1510 2380 2195 2300 2300 2690 2740 2720 2700

DP

1145 1540 1560 1560 2130 2130 2140 2040 2130 3880

3710 3710 4555 4665 4620 4580

3485

*) Die Linters-Proben und die Stickstoffbestimmungen der Cellulosenitrate stellte uns die Forschungsabteilung des VEB Eilenburger Celluloidwerk (Forschungsleiter Dr. ROLF MULLER) zur Verfiigung, wofiir wir auch an dieser Stelle unseren Dank ausspre- chen mochten.

* *)Nitriermethode 1 : Nitrierung nach ALEXAHDER-MITCHELL~), mod~zier t von MARX- FIGINI~). Nitriermethode 2: Nitrierung mit SalpetersHure-Methylenchlorid 1 :l.

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Polymeranaloge Umsetzung der Cellulose zu Cellulosenitrat

tragt mindestens 13,8 %. Mit dem neu fur diese analytischen Probleme von uns v orgeschlagenen Veresterungsgemisch aus Salpetersaure und Dichlorm ethan kann unter sehr schonenden Bedingungen nitriert werden. Bei Temperaturen zwischen 0 und -30 "C reichen Veresterungszeiten zwischen 5 und 20 Min. fur eine vollstandige Umsetzung bereits aus, aber auch bei langeren Reaktionszeiten tritt keine Veranderung und kein Ab- bau ein. Der Durchschnittspolymerisationsgrad der Cellulose beeinfluat die Veresterungsgeschwindigkeit nicht. Es sind aul3er den Linters auch andere native und Regeneratcellulosen diesem auaerst schonenden Ver- fahren der polymeranalogen Umsetzung zuganglich.

Von ebenso groI3sr Bedeutung wie der Nitriervorgang fur das Problem der polymeranalogen Umsetzung der Cellulose zu Cellulosenitrat ist auch die sich anschliefiende Phase der Aufarbeitung des Reaktionsansatzes. Diese bei technischen Nitriergemischen und besonders auch bei den Ge- mischen aus Salpetersaure, Phosphorsaure und Phosphorpentoxid nach STAUDINGER-MOHR bzw. ALEXANDER-MITCHELL zeitaufwendige Aufar- beitung ist bei Verwendung der Mischungen aus Salpetersaure und Di- chlormethan sehr einfach, wie aus Abschnitt 4.2. zu ersehen ist.

Bei einem derartigen Celluloseester mit N = 13,8-14,0 % mit einer auaerordentlich hohen Eigenstabilitat haben wir bei der unter entspre- chenden VorsichtsmaBnahmen durchgefuhrten Lagerung im trockenen Zustande bei Raumtemperatur auch nach 6 Monaten noch die gleiche Stabilitat und den gleichen viskosimetrisch ermittelten Polymerisations- grad wie unmittelbar nach der Veresterung gefunden. Es sei ausdrucklich festgehalten, daI3 selbst Spuren anderer anorganischer Sauren im Ver- esterungsgemisch diese hohe Stabilitat sofort herabsetzen.

Die auf diese Weise erhaltenen polymeranalogen Cellulosenitrate sind in den ihrem Veresterungsgrad entsprechenden optimalen Losungsmit- teln einwandfrei faserfrei loslich.

4. Experimentelle Angaben zur polymeranalogen Herstellung von Cellulosenitrat

4.1. Herstellu ng der Nitriergemische aus Salpetersaure und Dichlormethan Hochkonzentrierte Salpetersaure mit einem Sauregehalt von mindestens 98 yo wird

i.Vak. .vofi 30-50 Torr destilliert und von nitrosen Gasen befreit. Zur Reinigung wird handelsiibliches Dichlormethan zunachst mit Phosphorpentoxid geschiittelt, einige Zeit stehengelassen, danach abgegossen und mit wasserfreiem Kaliumcarbonat geschiittelt. AnschlieBend wird iiber eine FiiUkorperkolonne fraktioniert destilliert. Die wasserhelle Salpetersaure wird mit reinem Dichlormethan im Gewichtsverhdtnis 1 :1 gemischt. Die Mischung kuhlt sich dabei stark ab.

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K. THINIUS und W. THUMMLER

4.2. Veresterungsvorschri. In 80 ml einer auf O°C gehaltenen 1:l-Miechung aus Salpetersaure und Dichlormethan

werden 1-2 g der zu untersuchenden trockenen Cellulose eingetragen. Die Cellulose sol1 in lockerer Form vorliegen. Man kann sie in der Weise vorbereiten, daB man sie in ionen- freierem Wasser aufschlammt, gegebenenfalls aufschlagt, abfiltriert und den Faservlies bei 4OoC i.Vak. trocknet. Das Nitriergemisch wirkt bei O°C etwa 20 Min. auf die Cellulose ein, wobei gelegentlich umgeriihrt wird. Kiirzere oder auch langere Einwirkungszeiten sind ebenfalls moglich. Das diinnfliissige Nitriergernisch benetzt die Faser sofort und dringt rasch in die Cellulose ein. Das in der Mischung unlosliche faserformige Cellulosenitrat wird auf einer Sinterglasfritte G 2 vom iiberschiissigen Veresterungsgemisch abgesaugt und zu- nachst dreimal mit reinem Dichlormethan, danach dreimal mit reinem Methanol ge- waschen. Zur sicheren Entfernung wird nochmals mit reinem, ionenfreiem Wasser von 40-50°C gewaschen, das Waschwasser mit Methanol verdrangt und das Cellulosenitrat i.Vak. von etwa 1 Torr bei Raumtemperatur getrocknet. Es wird in gut schlieBenden Fla- schen zweckmal3ig im Dunkeln unter Beachtung der erforderlichen VorsichtsmaBnahmen aufbewahrt, wenn es nicht sofort fiir weitere Untersuchungen verwendet wird.

4.3. Bestirnrnung des Durchschnittspolyrnerisationsgrades Zur viskosimetrischen Ermittlung des Molekulargewichtes werden die Proben in reinem

Aceton unter standigem Schiitteln gelost. Die Dauer der Auflosung hangt von der Molekiil- grol3e des Cellulosenitrats ab. Unmittelbar nach dem Auflosen wird sofort bei 2OoC ge- messen. Es wird ein UBBELOHDE-Viskosimeter, Kapillare I, benutzt. Von jeder der Proben werden im Konzentrationsbereich zwischen 0,02 und 0,l g/lOO ml Losung eine Anzahl von Messungen ausgefiihrt. Hierfiir hat sich das Viskosimeter nach BERGER-DECKERT 11)

mit eingebauter Fritte a ls Verdiinnungsviskosimeter gut bewahrt. In bekannter Weise wird dann der STAUDINGER-Index [q] ermittelt. Er kann auch bei Kenntnis des Wertes der Konstanten k’ aus einer einzigen Viskositatsmessung nach der Beziehung von SCHULZ- BLASCHKE 12) direkt berechnet werden. Zur Ermittlung des mittleren Molekulargewichtes werden die folgenden, von MARX-FIGINI aufgestellten Beziehungen benutzt l). Fiir P (Polymerisationsgrad) 5 1000

fiir P r 1000

[q] ist hier in m1.g-1 einzusetzen.

[q] = 0,82*P

[q] = 4,46.P0*76

Der Veresterungsgrad des Cellulosenitrats wird iiber die N-Bestimmung nach SCHULZE- TIEMANN13) in bekannter Weise ermittelt.

1) M. MARX-FIGINI, Makromolekulare Chem. 50 (1961) 196; 52 (1962) 133; Das Pagier 16

*) H. STAUDINGER und M. MOHR, Ber. dtsch. chem. Ges. 70 (1937) 2296. 3) W. J. ALEXANDER und V. R. MITCHELL, Analytic. Chem. 21 (1949) 1492. 4) K. THINIUS, DWP (DDR) 11 891,22, 3. 1952/26.7.1956. 5 ) K. THINIUS und A. WEIHE, unveroffentlichte Arbeiten. a) G. DARZONS, M6m. Poudres 25 (1932-33) 437.

(1962) 551.

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Polymeianaloge Umsetzung der Cellulose zu Cellulosenitrat

'1 L. BRISSAUD, MBm. Poudres 25 (1932-33) 437. *) G. PETITPAS, C. R. hebd. S6ances Acad. Sci. 212 (1941) 396; J. DESMAROUX, R. DAL-

e, Z. A. ROGOVIN, K. TIKHONOR un4 A. MASLOVA, J. Angew. Chem. [UdSSR] 19 (1946)

10) R. LINCKE, Rundgesprach uber die Reaktionsweise der Cellulose, Ted Nitrierung ;

11) G. LANGHAMMER, R. BERGER und K. SEIDE, Plaste u. Kautschuk 11 (1964) 472. 12) G. V. SCEULZ und F. BLASCHEE, J. prakt. Chem. 158 (1941) 136. 13) K. THINIUS, Analytische Chemie der Plaste, Springer-Verlag, Berlin 1952, S. 100.

MON und G. PETITPAS, MBm. Sew. chim. Stat (Paris) 30 (1943) 243.

659.

Papier 14 (1960) 653.

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