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Bericht der Abteilung Paderborn für die Zeit vom 1. Juli 1963 bis zum 30. Juni 1964 Die Mitgliederzahl (diese Angaben reichen bis zum Datum des Berichtes) ist gegenüber dem Vorjahre (1047) fast gleich geblieben. Wir haben zur Zeit Ehrenmitglieder 3 persönliche Mitglieder m Pa der born 320 auswärts 591 körperschaftliche Mitglieder in Paderborn 20 auswärts 84 in Ausbildung befindliche Mitglieder 32 zusammen 1050 Wir beklagen den Tod folgender Mitglieder: in Paderborn: Pfarrer Hermann Belke Frau Me1anie Brüning Studienrat i. R. Franz Deppe Architekt Johannes Fernhomberg auswärts: Studienrat i. R. Josef Baldus, Spexard-Nord Rentner Josef Bräker, Gelsenkirchen- Buer B.audirektor i. R. Otto Dahlen, Arnsberg Pfarr er Franz Diekamp, Wünnenberg Studienrat Dr . Ludwig Eichler, xter Oberlandesgerichtsrat i. R. Dr. Figge, Celle Geist!. Rat, Pfarrer Josef Grimme, Fleckenberg Pfarr vi kar Dr. H. Haggeney, Westenfeld Gastronom Heinrich Groß e- Perdekamp Generalvikar Prälat J osef Rhode Telegraphen-lnsp. i. R. Max Richter Pfarrer Franz Hennecke, Lenhausen Lehrer Kar! Lippert, Willebadessen Dr. lng. Ernst Mengeringhausen, Bad Homburg Oberstudiendirektor i. R. Ohlendorf, Beverungen Pfarrer i. R., Geist!. Rat Ostendorf, Bochum-Weitmar Studienrat i. R. Philipp Schniedertüns, Delbrück Kaufmann Franz Siepe, Herford Gutsbesitzer Wilhe1m Tölle, Marienloh Pfarrer Paul Würminghausen, Düdinghausen Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

Bericht der Abteilung Paderborn - lwl.org · Hugot einen überblick über die Ergebnisse seiner neuen Forschungen über die frühere Abtei des Benedikt von Aniane und die Bau

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Bericht der Abteilung Paderborn für die Zeit vom 1. Juli 1963 bis zum 30. Juni 1964

Die Mitgliederzahl (diese Angaben reichen bis zum Datum des Berichtes) ist gegenüber dem Vorjahre (1047) fast gleich geblieben.

Wir haben zur Zeit Ehrenmitglieder 3 persönliche Mitglieder m Pa der born 320

auswärts 591

körperschaftliche Mitglieder in Paderborn 20

auswärts 84 in Ausbildung befindliche Mitglieder 32

zusammen 1050

Wir beklagen den Tod folgender Mitglieder:

in Paderborn:

Pfarrer Hermann Belke Frau Me1anie Brüning Studienrat i. R. Franz Deppe Architekt Johannes Fernhomberg

auswärts :

Studienrat i. R. Josef Baldus, Spexard-Nord

Rentner Josef Bräker, Gelsenkirchen­Buer

B.audirektor i. R. Otto Dahlen, Arnsberg

Pfarrer Franz Diekamp, Wünnenberg Studienrat Dr. Ludwig Eichler,

Höxter Oberlandesgerichtsrat i. R . Dr. Figge,

Celle Geist!. Rat, Pfarrer Josef Grimme,

Fleckenberg Pfarrvikar Dr. H. Haggeney,

Westenfeld

Gastronom Heinrich Große­Perdekamp

Generalvikar Prälat J osef Rhode Telegraphen-lnsp. i. R. Max Richter

Pfarrer Franz Hennecke, Lenhausen Lehrer Kar! Lippert, Willebadessen Dr. lng. Ernst Mengeringhausen,

Bad Homburg Oberstudiendirektor i. R. Ohlendorf,

Beverungen Pfarrer i. R., Geist!. Rat Ostendorf,

Bochum-Weitmar Studienrat i. R. Philipp Schniedertüns,

Delbrück Kaufmann Franz Siepe, Herford Gutsbesitzer Wilhe1m Tölle,

Marienloh Pfarrer Paul Würminghausen,

Düdinghausen

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

362 Bericht der Abteilung Pa der born

Als neue Mitglieder traten dem Verein bei :

in Paderborn:

Frau Kaufmann Else Brinkmann Frau Zahnärztin Dr. Maria Drühe Frau Studienrätin Margret Engel Landgerichtsrat Wolfgang Hilfenhaus Frau Pauline Leppelmann Regierungsdirektor Ludwig Mathias Augenarzt Dr. Wolfgang Riese Frau Lehrerin Mar ia Strunden

auswärts:

Oberregierungsrat i. R. Otto Biermann, Hildesheim

Vika.r Wilhelm Dirkes, Horn Dip1.-Ingenieur Hubertus

Eustergerling, Senne 1 Studienrat Dr. Eberhard Flöttmann,

Gütersloh Frau Maria Gerken, Neheim-Hüsten Frau Maria Grüne, Olsberg Vikar Hugo Hesse, Halingen Studienreferendar Klaus Hohmann,

Soest Versicherungskaufmann Hubert

Hu.xelmann, Neheim-Hüsten Landrat Johannes Ising, Dahl Religionslehrer Josef Klein,

Wetter/Ruhr Studienrat Otto Kloke, Bad Driburg

Körperschaftliche Mitglieder:

Dominikanerkloster Warburg Landkreis Lippstadt

Mitglieder in Berufsausbildung:

BrigittaDohle, Studentin, Altenbeken Heinz J. Claus, Student, Elsen Dr. Lothar Rudolph, Stud. theol.,

Paderborn Lothar Weiß, Stud. theo1., Paderborn Heinz Kevenhörster, Stud. päd .,

Daseburg

Architekt Josef Striewe Regierungsassessor Dr. jur. H ans

J osef Vonderbe.x Rentner Richard Wegener Rektor i. R. Heinrich Werminghaus Frau Dr. Thea Wippermann Generalsekretär Franz Wüstefeld

BlIrgwart Kurt Knaden, Bilstein Studienrat Gottfried Kortenkamp,

Wittlich Fabrikant Fritz Ekkehard Niemöller,

Gütersloh Kaufmann Erich Pott, Gütersloh A. Lübbermann, Gütersloh Dip1.-Chemiker Dr. Jost Henrich

Manegold, Erlenbach/Main Studienrat Erich Rode, Bad Driburg Realschullehrer Erhard SdlUlte,

Fürstenberg Studienrat Ewald Seppmann,

Bad Driburg Lehrer Josef Steinrü.xe, Warstein Kaufmann Ernst Helmut

Tönnesmann, Düsseldorf Apotheker Lothar Wenzel, Geseke

NeusprachI. Progymnasillm der weißen Väter, Rietberg

Josef Röttger, Stud. theo1., Paderborn

Paul Stolte, Stud. theo1., Paderborn

Hildegard Winkler, Stud. päd., Schwaney

Udo Tielking, Stud. theo1., Paderborn

Die Abteilung Münster überwies uns 3 Mitglieder

Franz Kalthoff, Warburg Dr. Dr. Liedhegener, Neheim-Hüsten

Vikar Dr. Karl Josef Schmitz, Westenholz

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

Bericht der Abteilung Paderborn 363

Am Tag der Westfälischen Geschichte, der am 6. und 7. Juli in Bie1efeld stattfand, nahmen auch zahlreiche Mitglieder der Abteilung Paderborn teil. über den Verlauf der Tagung selbst berichtet die Abteilung Münster in ihrem Jahresbericht eingehend.

Die schon zur Tradition gewordene Studienfahrt am Schluß der Herbst­ferien führte nach Aachen und Kornelimünster. Es hatte sich die stattliche Anzahl von über 50 Geschichtsfreunden zusammengefunden, die unter Füh­rung des Vereinsdirektors den Besuch, den der Aachener Geschichtsverein im Jahre 1962 den historischen Stätten des Paderborner Landes gemacht hatte, erwiderten. Am Samstagvormittag kamen die Altertumsfreunde in Aachen an und wurden im Domhof von Domvikar Msgr. Stephany und dem Vor­sitzenden des Aachener Geschichtsvereins, Archivdirektor Poil, begrüßt. An­schließend erläuterte Msgr. Stephany den Gästen die Schönheiten des Aachener Kaiserdomes, während Herr Falkenstein mit bewundernswerter Kenntnis und Lebendigkeit den Paderbornern die einzigartigen Kostbar­keiten der Aachener Schatzkammer erklärte. Am Samstagnachmittag fuhr man zu dem malerisch in den Eifelwäldern gelegenen ehemaligen Benedik­tinerkloster Kornelimünster. Nach der Begrüßung durch Propst Windelen gab Dipl.-Ing. Hugot einen überblick über die Ergebnisse seiner neuen Forschungen über die frühere Abtei des Benedikt von Aniane und die Bau­geschichte der Kirche. Am Sonmagmorgen war dann die Besichtigung des Aachener Rathauses letzter Höhepunkt des Besuches. Archivdirektor Poil entfaltete die vielschichtigen historischen Reminiszenzen, die von Karls Regierungssitz, seiner »aula«, zum Aachener Frieden von 1748 und schließ­lich bis zum heutigen städtischen Ratsparlament oder auch zu den festlichen Höhepunkten anläßlich der Karlspreis-Verleihungen im Krönungssaal führen. Bei strahlendem Sonnenschein nahmen die Paderborner Besucher von Aachen Abschied, voll neuer Eindrücke und dankbaren Herzens, sowie mit dem Vorsatz, im Sommer 1965 anläßlich der Heiligtumsfahrt und der großen karolingischen Ausstellung den Besuch in der Stadt Karls des Großen zu wiederholen.

Im Winterhalbjahr wurden wie üblich sechs Abendvorträge gehalten:

am 25. 11. 1963 Frau Dr. Wichert-Pollmann, Bad Driburg: Glashütten und Glasmacher in Ostwestfalen;

am 10. 12. 1963 Studienrat Dr. Casser: Die Tödden . Eine westfälische Kauf­händlerbewegung ;

am 7. 1. 1964 Landeskonservator Dr. Busen: Cappenberg und die Kirchen­bauten der Prämonstratenser;

am 4. 2.1964 Staatsarchivdirektor Dr. Prinz, Münster: Das kirchen­geschichtliche Unternehmen der Max-Planck-Gesellschaft »Germania sacra« und die westfälischen Vorhaben in diesem Rahmen;

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

364 Berid!t der Abteilung Paderborn

am 3. 3.1964 Landesverwaltungsrat Dr. Mühlen, Münster: Die west­fälischen Hallenkirchen;

am 16. 3.1964 Wilhelm Winkelmann, Münster: Die Grabungen im Dom­bereich in Paderborn 1961-62.

Kurzberichte über die Vorträge finden sich im Anschluß an den Geschäfl:s­bericht. Anstelle eines Kurzberichtes über den Vortrag Winkelmann wird abgedruckt ein Auszug aus dem Bericht über einen Vortrag Winkelmanns bei der vierten Arbeitstagung für Landschafl:liche deutsche Städteforschung vom 4.-6. April 1962 in Trier.

Am 8. April unternahm die Paderborner Abteilung des Vereins mit 2 Bussen und über hundert Teilnehmern unter Führung des Vereinsdirektors Prof. Honselmann eine Studienfahrt nach Münster und zum Stifl: Frecken­horst. Besondere Veranlassung gab die Ausstellung »Westfälische Malerei des 14. Jahrhunderts« im Westfälischen Landesmuseum, in der, in der Gestalt von zwei bemal'ten Reliquienkästchen aus der ersten Hälfl:e des 14. Jahr­hunderts, auch zwei Paderborner Leihgaben zu sehen waren. Nach ein­gehender Besichtigung des Domes fand die Studien fahrt mit dem Besuch der vorzüglich renovierten, d. h. in ihrer ursprünglichen Bausubstanz wieder­hergestellten Stifl:skirche zu Freckenhorst, einem Juwel unter den roma­nischen Basiliken Westfalens, ihren Abschluß. Die Führungen im Museum durch die Herren Dr. Pieper und Dr. Eickel, im Dom durch Herrn Prof. Dr. Schröer und in Freckenhorst durch Herrn Dr. Mühlen werden den Teil­nehmern unvergeßlich bleiben.

Die Jahreshauptversammlung fand am 25. Mai in Niedermarsberg statt. An ihr nahmen ca. 120 Mitglieder teil. In seinen Begrüßungsworten würdigte der Vereinsdirektor Prof. Dr. Honselmann die geschichtliche Bedeutung des Tagungsortes, an dem auf der Eresburg oberhalb des Diemeltales schon Kar! der Große fast ein halbes Jahr (von Weihnachten 784 bis Juni 785) residiert habe. Prof. Dr. Thümmler, Münster, machte dann die aufmerksam lauschen­den Zuhörer in seinem Vortrag über »Untergegangene romanische Bauten« mit wichtigen Ergebnissen der Spatenforschung aus der letzten Zeit bekannt und stellte in den Mittelpunkt seiner Ausführungen die großen Ausgrabun­gen im Paderborner Dombereich, vor allem den Meinwerk-Palast an der Nordseite. Nach dem Vortrag, dem sich die Erledigung der geschäfl:lichen Dinge anschloß, besichtigten die Teilnehmer unter Führung von Prof. Thümmler die Stifl:skirche und die Nikolaikapelle zu Obermarsberg, wobei die letztere, ein besonders ausgeglichener Bau der westfälisch-hessischen Frühgotik, durch seine vorzügliche Raumwirkung und die fein ausgearbeiteten Baudetails im Inneren und Außeren das Entzücken aller erregte. Am Nachmittag fuhren die Geschichtsfreunde zunächst zur vorzüglich wiederhergestellten Gehrdener Stifl:skirche, deren barocke Ausstattung sich heute gut in den alten roma­nischen Bau einfügt. Nach der Kaffeetafel im einstigen Kioster, dem heutigen

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

Bericht der Abteilung Paderborn 365

Familienerholungsheim Gehrden, wurden noch die aufschlußreichen Gra­bungen in Warburg unter der Erasmuskapelle und auf dem Hüffert unter sachkundiger Führung besichtigt und dann nach einem erlebnis reichen Tage gegen 19 Uhr die Heimfahrt nach Paderborn angetreten.

Innerhalb des Berichtsjahres fanden zwei Vorstandssitzungen statt, am 16. Januar 1964 und am 15. Mai 1964, jeweils in der Wohnung des Vereins­direktors.

In bei den Sitzungen wurde auch die Museumsfrage besprochen, die nun wohl endgültig aus dem Stadium der Planung in das der Ausführung zu kommen scheint. In der Sitzung vom 15. Mai 1964 hatte Prof. Honselmann ein von der Stadt Paderborn hergestelltes Modell des geplanten Neubaues des Museums aufstellen lassen. Er erläuterte dann an Hand von Bauplänen den Entwurf des Architekten Kleffner. Die Räume für das Museum des Altertumsvereins sind im Neubau vorgesehen, der im Anschluß an den wiederherzustellenden barocken Bau des ehemaligen Amtsgerichtes erstellt werden solt.

Band 113 der Westfälischen Zeitschrifl: 1963 konnte den Mitgliedern im Januar 1964 zugestellt werden. Inzwischen sind auch der Bd. 41 (1963) der Zeitschrifl: »Westfalen« und die 4 Hefl:e vom Bd. 42 (1964) erschienen. Die vom Verein herausgegebene Reihe »Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte« brachte als Band 4: »Johann von Nassau-Siegen und die katho­lische Restauration in der Grafschafl: Siegen (1624-1632)« von Dr. Gerhard Specht (Berichtsstand für diesen Abschnitt nachgetragen bis zum 10. 1. 19651.

Paderborn, den 10. Oktober 1964

Der Vereins direktor Klemens Honselmann

Der Schrifl:führer Theo Hamacher

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

366 Bericht der Abteilung Paderborn

Kurzberichte über die in der Berichtszeit gehaltenen Vorträge

Ursula Wichert-Pollmann: Glashütten

und Glasmacher in Ostwestfalen

Der ostwestfälisch-lippische Raum gehört zu den größten Zentren der Glasmacherkunst in Deutschland. Seit dem 15. Jahrhundert haben sich hier rund 100 Hüttenbetriebe auf relativ kleinem Raum zusammengedrängt.

Die Glasmacher waren bis in das vorige Jahrhundert hinein von reich­lichem Holzvorkommen und damit vom Wald abhängig, denn sie brauchten zum Erhitzen und Schmelzen der Glasmasse sehr große Mengen Brennholz.

Die Qualität der einheimischen Gläser wurde von den Landesfürsten jeder­zeit gelobt. Ein gelehrter Zeitgenosse zollt den Erzeugnissen einer Glashütte bei Kohlstädt im 17. Jahrhundert höchstes Lob, er hält die dort hergestellten Römer für »fast noch schöner als wie die Heilbrunner«. Die beste »feine Hütte« im Fürstbistum Paderborn war die 1727 angelegte Emde-Glashütte zwischen Brakel und Bad Driburg. Sie allein erhielt im Jahre 1751 von dem Paderborner Fürstbischof Klemens August das Privileg, Gläser zu gravieren ull'd zu vergolden. -

Das Vorkommen von Glashütten konzentriert sich innerhalb des unter­suchten Raumes auf einige besonders waldreiche Landschaften um Bad Dri­burg, um Holtheim, um Kohlstädt/Lippe und um Schieder/Lippe. Alle Voraussetzungen zum Glasmachen waren im Teutoburger Wald und im Eggegebirge reichlich gegeben: Brennholz und feiner weißer Sand für die Glasmasse stehen auf den Höhen des Gebirges reichlich an. Salz zum Klären des noch unklaren Gemenges konnte man aus den heimischen Salzwerken, besonders aus Salzkotten, zollfrei und preisgünstig kaufen. Pottaschen­siedereien wurden im allgemeinen von dem Landesherren nahe den Hütten konzessioniert. Durch die Pottasche wird der hohe Schmelzpunkt der anfangs sandigen Glasmasse heruntergedrückt. Ein Zentrum der Pottaschensiederei lag in ·der Gegend um Bad Driburg. Von hier aus wurden im 18. Jahrhundert sogar die rund 50 km entfernten Glashütten im Lipperland beliefert. Das Rohmaterial, Ton, aus welchem man die Schmelztöpfe für die Glasmasse herstellte, wurde aus dem hessischen Ort Großalmerode angefahren.

Das Einzugsgebiet für die Glasmacher war vor allem Hessen, aber auch Süddemschland und Italien werden als Heirnatländer erwähnt. Seit dem 16. Jahrhundert waren aus diesen Gebieten die Gläsner auf erzwungener Wanderschaft, weil sie in ihrer Heimat nicht mehr genug Holz für ihre Brennöfen zugewiesen erhielten. Um diese Zeit wußten im Paderborner Land und in Lippe die Landesherren nicht, wie sie das überflüssige Holz gewinn­bringend verwenden konnten. In einem amtlichen Forstbericht von 1720 können wir lesen: »Es kan kein Holtz anderst versilbert werden, alss durch die Glashütten, sonsten es verfaulen müßte ... «

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

Bericht der Abteilung Paderborn 367

Auf Anweisung der Förster rodeten die Glasmacher mitten im Wald etwa 5 bis 20 Morgen Wald, und dort richteten sie dann ihre rohen, urtümlichen Holzhäuser auf, in denen sie mit ihren zahlreichen Familienmitgliedern wohnten. Im 17. Jahrhundert bewohnten 60-70 Menschen ein solches Glas­macherdorf, 1840 werden auf der Glashütte Emde 73 Personen gezählt. Die Häuser waren im allgemeinen um einen zentralen Hüttenplatz angeordnet. Es ist begreiflich, daß diese Leute, durch ein großes Waldgebiet von ihrer Umgebung abgeschlossen, sich ihre eigenen Kulturformen sehr lange bewahren konnten.

Auf fast allen Glashütten des untersuchten Bereiches begegnen uns die gleichen Familien. Das beweist das starke Zusammengehörigkeitsgefühl der Glasmacher. Die Glasmeisterfamilie Becker war über 400 Jahre an den meisten Hütten beteiligt, erst in jüngster Zeit hat sie sich von der Glas­erzeugung abgewandt. Die Glasmacher hatten eine eigene Hüttensprache, die den Zwielautreichtum des Paderborner Platt noch übertroffen haben soll; Lautbelege dazu sind leider nicht erhalten. Die Glasmacher mit ihrer fremd­artigen Mundart und ihrem geheimnisvollen Beruf wurden im Volksmund schnell zu Gestalten, die mit übernatürlichen Wesen im Bunde stehen. In der Nähe der alten Hüttenplätze spukt es, dort glühen kalte Geldfeuer, dort liegen Schätze vergraben. In ganz besonderem Maße haben die Glasmacher den Gesang gepflegt; auf diese Weise kämpften sie während der langen Schicht gegen die Müdigkeit an.

Wie traditionsbewußt die Glasmacher waren, und wie sehr sie außerhalb der dörflichen Gemeinschaften standen, zeigt besonders der Familienfriedhof der Glasmeisterfamilie Becker bei der Glashütte Siesserkamp und die große Familiengruft der Familie Uhden in Neuenbeken.

Der eigentliche Herstellungsprozeß des Glases hat sich seit 700 Jahren im wesentlichen nicht geändert, sofern man heute in der Hütte noch mit dem Munde bläst. Allerdings hat man die einzelnen Arbeitsvorgänge heute mehr aufgeteilt. Die Hütten des Untersuchungsgebietes produzieren heute wie früher hauptsächlich feines Glas, also weiße und künstlich gefärbte Hohl­glas gefäße.

Die fertigen Gläser wurden anfangs mit Kiepen, später mit hohen, blau­bespannten Leiterwagen verhandelt. Absatzgebiete waren vor allem Nord­deutschland und die Niederlande. Der am häufigsten benutzte Verkehrsweg war die Weser. Noch heute ist Bad Driburg der größte Umschlagplatz für Glas und Porzellan in der Bundesrepublik Deutschland.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

368 Bericht der Abteilung Paderborn

S t u die n rat i. R. D r. P a u I C ass er:

Die Tödden.

Eine westfälische Kaufhändlerbewegung

Eine ungewöhnliche, bis in die Gegenwart imposant nachwirkende Erschei­nung der westfälischen Wirtschaftsgeschichte, das Töddentum, konnte auf­grund archivalischer Forschungen vor allem in Norddeutschland, in den Niederlanden und Belgien unter gleichzeitiger Heranziehung eines vielseitigen Quellengutes aus Privatbesitz in den wesentlichen Stufen ihrer historischen Entwicklung erfaßt werden. Im Unterschied zur westfälischen Hanse, der Wirtschaftsleistung städtischen Bürgertums, hat dieser Fernhandel, der in der Zeit des Merkantilismus zu wachsender Bedeutung gelangte, bäuerlichen Ursprung.

Seine Heimat ist im nördlichen Westfalen ein seit Jahrhunderten von: Transithandel von und nach Holland berührter Raum im Grenzbereich des alten Hochstifts Münster, der Grafschaft Lingen und des Osnabrücker Landes. Hier leben noch heute, zumal in den bekannten Töddenorten Mettingen mit seinem neuerlichen Töddenmuseum, dem alten bedeutenden Handelsdorf Hopsten mit seiner Töddensäule, - Schauplatz der Romane Wincklers und Veshofens aus der Zeit um 1800 -, in Recke und wenn auch schwächer in Ibbenbüren, Schapen, Riesenbeck, Voltlage und anderswo Erinnerungen fort an einen seit etwa 1660 in den Quellen bezeugten Wanderhandel sog. Packen­träger, die sich vermutlich nach dem Vorbild der »Teuten« aus Brabant organisierten, als die fast ausschließlich katholische bäuerliche Bevölkerung der Grafschaft Lingen unter dem neuen reformierten Herrscherhaus der Oranier (seit 1702 der Preußenkönige) in starke religiöse Bedrängnis geriet. Auf kargem Boden, der keinen Flachs trug, ohne die Möglichkeit lohnenden textilen Erwerbs wich man in den Handel aus, dem der wirtschaftliche Auf­schwung Hollands im Goldenen Jahrhundert und die merkantilistische Wirt­schaftsentfaltung Brandenburg-Preußens kräftig Wind in die Segel bliesen.

Aus eigenem Vermögen oder aber gestützt auf eine Schicht kreditfähiger bäuerlicher Händler begannen immer mehr kleine Kompanien mit dem Ver­trieb vorzüglich textiler Waren. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts sind die neuen Kaufhändler aus Westfalen in Antwerpen, Brüssel, Amsterdam ebenso anzutreffen wie in Berlin und Königsberg. Von Flandern bis Livland knüpfen sie im Verlauf des 18. Jahrhunderts das anfangs grobmaschige Netz ihrer Handelsbeziehungen immer enger, entgegen allen Widerständen des privilegierten städtischen Kaufmanns und unbequemen landesherrlichen Edikten.

Das feine westfälische Leinen wird zum bevorzugten, lohnenden Handels­gut, außer den Warendorfer Qualitäten das Ravensberger Leinen. Den sog. Höpstern - der Herkunftsbereich gibt die Berufsbezeichnung für die Leinen­hausierer ab, der in seiner Bedeutung noch ungeklärte Begriff Tödden kommt in den Quellen selbst nicht vor - rühmen die Bielefelder Großhändler nach, daß sie das Bielefelder Leinen in halb Europa in »Ruf und Aufnahme«

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

Bericht der Abteilung Paderborn 369

brachten dank ihrer ausgezeichneten Marktkenntnisse, ihrer Zähigkeit und Ausdauer, ihrer Anspruchslosigkeit und Bescheidung mit geringen Verdienst­spannen, vor allem aber dank des Vertrauens breiter und treu er Käufer­schichten besonders des platten Landes.

Das in seinen Grundlagen sich festigende, immer aber bewegliche Handels­system der Packenträger vermochten selbst schwere Handelskrisen, wie sie um 1750 auftraten, nicht mehr zu erschüttern. Untragbare Zollerhöhungen bedrohten die Rentabilität des beträchtlichen Leinenexportes in die habs­burgischen Niederlande, der mit einem umfangreichen Einkauf Brüsseler Spitzen verbunden war. Das geschah zur gleichen Zeit, da Preußen nach den schlesischen Kriegen als Entwicklungshilfe für das neu erworbene Schlesien die Einfuhr des eigenen Ravensberger Leinens in seine Länder östlich der Weser rigoros verbot. In solchen Krisen wuchs die Kraft des Töddentums, es wußte sich den neuen Erfordernissen geschickt anzupassen, stets darauf be­dacht, alte Handelsgebiete nur unter äußerstem Zwange preiszugeben. Während sich der Hopsterhandel mit Ellenwaren in der Folgezeit in den anderen sehr unterschiedlich strukturierten Räumen verstärkte, kamen in den preußischen Ländern Kurzwarenhändler aus Recke, Mettingen und weiteren lingenschen Orten kräftig zum Zuge. Ihnen gelang es, sich in den Vertrieb der VOR Friedrich d. Gr. geförderten märkischen Fabrikerzeugnisse einzuschal­ten und nach dem Siebenjährigen Krieg ihr Warenangebot immer reicher auch dem modischen Trend der Zeit entsprechend auszuweiten.

Es zeugt für den Erfolg dieser noch immer wachsenden, in Preußen fast monopolartig privilegierten Wanderhändlergruppen, wenn nach dem Tode des großen Preußenkönigs die bodenständige städtische Kaufmannsschaft, von höchsten Regierungsstellen unterstützt, zu einem Generalangriff auf den Packenträgerhandel der Lingener ansetzte, die nun von Seiten zahlreicher preußisch-märkischer Fabrikanten ebenso Schützenhilfe erhielten wie einst von den Bielefelder Geschäftspartnern und den Spitzenfabrikanten aus Brüssel und Antwerpen. Das organisatorisch im allgemeinen nur in lockerem Zusammenhang agierende Töddentum entwickelt in diesen Auseinander­setzungen seine stärkste korporative Geschlossenheit. Der Zoll- und Akzise­minister Freiherr vom Struensee spricht in seinen ausführlichen Auslassungen über die von ihm schonungslos bekämpften bäuerlichen Wanderhändler von einem mit der Staatsräson unvereinbaren »esprit du corps«. Trotz aller Be­mühungen des westfälischen Departementsministers Freiherrn von Heinatz zugunsten unserer Kaufhändler fällt schließlich die Entscheidung, den lingen­schen Packenträgerhandel allmählich dadurch aussterben zu lassen, daß für den Nachwuchs keine Handelspässe mehr ausgestellt werden.

Der Sturmwind, der in den napoleonischen Jahren mit der Deklaration der Gewerbefreiheit aufkam, fegte dann um die Wende des Jahrhunderts die späten preußischen Dekrete gegen das Töddentum fort, stieß dem Wan­derhändler in dem ganzen nordeuropäischen Handelsgebiet endlich die Tore der Städte auf, in denen er nun das Recht des freien Bürgers erwerben und offene Läden einrichten konnte.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

370 Bericht der Abteilung Paderborn

Die Annalen des beginnenden 19. Jahrhunderts verzeichnen in der Tödden­geschichte zwar ein bestürzendes Ereignis, den Zusammenbruch des größten, überseeisch engagierten Mettinger Unternehmers Jan Tenbrink & Co, das infolge der Kontinentalsperre mit seinen Handelshäusern in Leeuwarden und Amsterdam zahlungsunfähig wurde und sich Gläubigerforderungen von etwa 1,8 Millionen Gulden gegenüber sah. Das aber blieb in seiner Art ein ein­maliger, einem widrigen Zeitschid~sal verstriduer Fall, der einem schnellen und steilen Aufstieg gefolgt war. Den sippenmäßig der Familie Tenbrink verbundenen Kaufmannsgeschlechtern aus Mettingen und Hopsten standen seitdem die großen neuen Entwicklungsmöglichkeiten, die die liberale Wirt­schaftsepoche eröffnet hatte, als Warnung, aber auch als Anreiz und Ver­lockung vor Augen.

Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts erwuchsen zumeist an den Plätzen bis­heriger Niederlassungen Hunderte kleiner und mittlerer Manufaktur­geschäfte, paßte sich der Kaufhändler bäuerlicher Herkunft in der Folge der Generationen urbaner Lebensweise an um so schneller, je früher aus der Heimat auch die Familien übersiedelten. Die Versorgung des platten Landes blieb eine charakteristische Aufgabe der sog. Strüchelgeschäfte, die immer auch die Kunden draußen besuchten und deren wachsender Umsatz an der oft nur langsam sich ausweitenden Ladenfläche allein nicht abzuschätzen war. überall zeigt sich von Ostpreußen über Pommern, Mecklenburg, Holstein, die Hansestädte, Brandenburg, Hannover, Westfalen, Lippe, Oldenburg bis in die niederländischen Provinzen das gleiche Bild des übergangs vom gehen­den zum stehenden Handel, ein vielseitig interessanter Vorgang, eine Auf­gabe freilich, der nicht jede Handelskompanie gewachsen war.

Im Aufwind der industriellen Entwicklung, des wachsenden Massen­konsums der Städte und der beginnenden Konfektionierung vor etwa hun­dert Jahren treten neue Aufgaben an die Nachfahren des alten noch heimat­und hofgebundenen Töddenfamilientums heran. Besonders zahlreiche Ge­schlechter finden in der reichen bäuerlichen, holländischen Provinz Friesland eine zweite H eimat. Hier stehen in den Städten Sneek und Leeuwarden die Geburtsstätten heute führender weltweiter Familienkonzerne, die im Fort­schritt der Zeit aufgrund generationslanger Erfahrungen und in zäh bewahr­ten Bindungen die ihnen gestellten Aufga:ben schöpferisch zu meistern ver­suchen. Dieselben Namen alter Bauerngeschlechter, die uns bereits in den Quellen der 1660er Jahre begegnen, leuchten heute in den Lichtreklamen deutscher, niederländisdler, englischer, amerikanischer Städte auf.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

Bericht der Abteilung Paderborn 371

Hermann Busen: Kappenberg und die Bau­

ku n s t der Prä mon s t rat e n s e r im 12. J a h r -

hundert

Am 31. Mai 1122 übergaben die Grafen von Kappenberg ihre gleic.h­namige, hoc.hberühmte Burg mit einigen Höfen dem Ordens gründer Norbert, damit er sie in ein Prämonstratenser-Doppel kloster umwandle. Norbert wurde Propst und behielt diese Würde in Kappenberg bis zu seinem Tode. Im Herbst 1122 legte er den Grundstein zur heute noc.h bestehenden Kirc.he, dem ersten großen Kirc.henbau seines Ordens. Wie Ausgrabungen ergaben, handelte es sic.h ursprünglic.h um eine kryptalose, flac.h gedeckte, dreisc.hiffige, kreuzförmige Pfeilerbasilika mit 2 Nebenapsiden und einer Hauptapsis. Ein heute zerstörter umfangreic.her Westbau nahm die Nonnenempore auf. In der Zweckbestimmung und im Grundriß glich der Westbau denen von Ober­kaufungen, Neuenheerse, Freckenhorst und Wunstorf. Norbert wählte für den ersten Monumentalbau seines Ordens also keine neue, sondern eine im Lande beheimatete Grundrißform.

Im Jahre 1123 gründeten die Kappenberger Grafen das Doppelkloster Ilbenstadt in der Wetter au bei Frankfurt. Wie in Kappenberg handelte es sich auch ursprünglic.h um eine kryptalose, flac.h gedeckte, kreuzförmige Pfeiferbasilika mit drei Apsiden. Das Westwerk wurde wohl wegen des kleinen Nonnenkonventes auf eine Zweiturmanlage mit einer Nonnenempore über dem Westeingang reduziert.

1133 wurde das Doppelkloster Lette von Kappenberg aus mit Mönc.hen besetzt. Von einem bemerkenswerten Kirchenbau ist nichts bekannt. Um die Konvente zu trennen, siedelten die Mönc.he zwisc.hen 1138 und 1146 nach Klarholz über und begannen dort mit dem Bau ihrer Klosterkirc.he. Der Grundriß entspricht dem von Kappenberg. Da der Konvent stets sehr klein war, sind die Querarme kürzer gehalten. Das Kappenberger Westwerk wurde ähnlic.h wie in Ilbenstadt auf eine Zweiturmfassade mit Querriegel reduziert.

1166 wurde von Kappenberg Meer bei Neuß gegründet. Die Kirc.he ist zerstört, doc.h zeigen Gemälde, daß es sich um eine kreuzförmige Basilika mit rund gesc.hlossenem Chor und einer Zweiturmanlage im Westen handelte. Das noc.h Erkennbare stimmt also wieder mit Kappenberg überein.

Die übrigen Tochterklöster Kappenbergs sind zerstört oder so weitgehend umgebaut, daß man keine Vergleiche mit dem Mutterkloster mehr ziehen kann (Bedburg, Wedinghausen, Varlar, Wipertistift in Quedlinburg).

Die Prämonstratenser hatten keine eigenen Bauformen. Ihre Aufgabe war die Seelsorge auf dem Lande, und deswegen erhielten die ersten Kirc.hen eine in ihrer Umgebung schon beheimatete Form. Wegen des stark ausgeprägten Filiationsverhältnisses glichen aber die Kirc.hen der Tochterklöster denen der Mutterklöster. Wichtiger als das Filiationsverhältnis vieler Klöster zu Kap­penberg war aber für die deutsc.he Baukunst, daß aus dem westfälisc.hen Kloster bedeutende Männer hervorgingen, die im Osten ihre Klöster und Bisc.hofskirc.hen auf noch heidnisc.hem Boden in der Form ihrer Kappenberger

Quelle: Westfälische Zeitschrift 114, 1964 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

372 Bericht der Abteilung Pa der born

Heimatkirche errichteten. Diese Kirchen wurden ihrerseits richtungsweisend für die Bauten der Umgebung.

Wigger

In Unser Lieben Frauen in Magdeburg wurde 1129 Wigger aus Kappen­berg Propst. Die Kirche hatte er halbfertig übernommen, doch glich er sie an die Kappenberger Form durch die neuen Apsiden im Osten, einen Emporen­bau im Westen und die Anordnung einer durchgehenden Achse an. Später wurden die Säulen durch Pfeiler ersetzt.

In Leitzkau (Kreis Jerichow) baute Wigger 1138 den Konvent als Bischof von Brandenburg die Marienkirche und übertrug ihm zunächst die Befugnisse eines Domkapitels. Der Grundriß der Kirche entspricht dem von Kappen­berg, nur ist das Westwerk auf eine Zweiturmanlage reduziert.

In Vessra (Kreis Schleusingen) erhielt die Kirche des Doppelklosters (1131 gegr.) ihre Gestalt von Wigger, und zwar wieder in ,der Kappenberger Form mit reduzierter Westanlage. Von den benachbarten Bauten, die alle in Hirsauer Form errichtet worden sind, weicht die Kirche stark ab.

St. Gotthardt in Brandenburg wird um 1150 ebenfalls von Wigger be­gonnen. Erhalten ist nur der Westbau, wo zwei Türme einen Emporenbau flankieren.

W i I m a

Beim Dom von Brandenburg ist nicht klar, ob er schon von Wigger be­gOllllen wurde oder seinem Schüler und Nachfolger Wilma. Die Kirche war im 12. Jahrhundert eine kreuzförmige Pfeilerbasilika mit rund geschlossenem Chorraum ohne Krypta. Im Westen flankierten zwei Türme einen Emporen­bau. Sie hatte also zunächst, von den fehlenden zwei Seitenapsiden ab­gesehen, die Kappenberger Form und erhielt erst nach 1221 die Krypta und die Veränderungen im Obergaden.

Evermod, Walo und Isfried

In Ratzeburg wurde 1154 der Kappenberger Kanoniker Evermod Bischof. Er begann mit dem Dombau, un,d zwar in der Kappenberger Form als kreuz­förmige, kryptalose Pfeilerbasilika mit rund geschlossenem Hauptchor und einer ursprünglich geplanten Zweiturmanlage im Westen. Sie ist aber nicht mehr flach gedeckt, sondern gewölbt, und hat zwei Nebenchöre. Nach Ever­mods Tod wurde die Kirche von Isfried fertiggestellt .

Jerichow wurde 1144 gegründet und von Havelberg aus besetzt, wo der Kappenberger Kanoniker Walo das Domkapitel mit Prämonstratensern ein­gerichtet hatte. Von Walo stammt der Plan der Kirche, ggf. aber auch von Evermod, der damals noch Propst von U. L. Frauen in Magdeburg war. Der Grundriß entspricht dem von Kappenberg, doch wie üblich mit reduzierter Westanlage. Krypta und Nebenchöre wurden erst gegen 1200 errichtet.

Der Dom zu Riga wurde 1211 begonnen, nachdem Bischof Albert, der Freund Isfrieds, im Jahre 1210 sein Domkapitel in Kappenberg in den Prämonstratenserorden hatte aufnehmen lassen. In der ursprünglichen Form

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Bericht der Abteilung Paderborn 373

handelte es sich wie in Kappenberg um eine kryptalose, kreuzförmige Basilika mit Hauptapsis und zwei Nebenapsiden und einer Zweirurmanlage im Westen. Die auffallende Tatsache, daß der Dom zu Riga als einzige Kirche Livlands ein Querschiff besitzt, erklärt sich aus seiner Anlehnung an die Kappenberger Gruppe. Auch unterscheidet sich der Dom durch die runde Apsis und die beiden Nebenapsiden beträchtlich von den übrigen Kirchen Livlands, die fast immer einen platten Chorschluß haben.

Evermod und Isfried waren die bevorzugten Bischöfe Heinrich des Löwen, der den Dombau in Ratzeburg ebenso förderte wie den in Braunschweig und Lübeck. Vor allem wird ihn sein getreuer Beichtvater Isfried, ehemaliger Kappenberger Kanoniker, beim Bau der letztgenannten Dome beraten haben. Daraus erklärt sich die übereinstimmung dieser Kirchen mit denen der Kappenberger Gruppe. Allerdings hatte Braunschweig schon in der Anlage eine Krypta und keinen Westeingang.

Swidger

Swidgerus, Bischof von Kujavien, scheint jener falsch benannte Kappen­berger Chorherr Frogerus von Sagan gewesen zu sein, der die ersten Prä­monstratenserbauten in Polen errichtete. Vermutlich hat die Kollegiatskirche in Opatow durch ihn jene für Mittelpolen ungewöhnliche Gestalt erhalten, die als kryptalose, flachgedeckte, kreuzförmige Pfeilerbasilika mit zwei Neben­apsiden und zwei Westtürmen der in Kappenberg ähnelt. Das Chor schließt aber platt.

Man darf nach alledem die Tochterklöster Kappenberg und die Bauten seiner bedeutendsten Kanoniker des 12. Jahrhunderts zu einer Kappenberger Bautengruppe zusammenfassen. Dort, wo man bisher auf umständliche Art und Weise eine Beeinflussung von Süddeutschland, insbesondere von Hirsau, nachzuweisen versuchte, oder dort, wo Kirchen auf unerklärliche Art wie Fremdkörper im Lande standen, wurden einfachere Zusammenhänge auf­gezeigt.

Joseph Prinz: Das kirchengeschichtlich e

Unternehmen der Max-Planck-Gesell-

s c h a f t ,G e r man i a S a c r a< und die wes t -

fälischen Vorhaben in diesem Rahmen

Die Germania Sacra kann heute bereits auf eine mehr als 400jährige Ge­schichte zurückblicken. Die von den Humanisten seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts gepflegte Literarurgattung der Cosmographien entwickelte schon bald einen besonderen Zweig, der sich der Beschreibung der mittel­alterlichen Kirche im Hl. Römischen Reich deutscher Nation widmete, der man im 17. Jahrhundert die Bezeichnung Germania Sacra gab. Von des Caspar Bruschius Magni Operis de omnibus Germaniae episcopatibus epitome

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374 Bericht der Abteilung Paderborn

(1549) bzw. seiner Monasteriorum Germaniae centuria prima (1551) bis hin zu Bänden ,der Germania Sacra des 20. Jahrhunderts war ein weiter, mühe­voller Weg, an dem Meilensteinen gleich die Namen vieler berühmter deutscher Geschichtsforscher stehen, z. B. Petrus Cratepol, Wiguleus Hund, Aubertus Miraeus, Gabriel Bucelin, Marcus Hansicius, Joh. Christoph Gat­terer und schließlich die Benediktiner von St. Blasien unter Führung ihres berühmten Abtes Martin Gerbert.

In dieser res publica litteraria hat auch Ferdinand von Fürstenberg, Bischof von Paderborn (t 1683), seinen Platz, der durch die Jesuiten Grothaus, Gamans u. a. alles nur erreichbare historische Material zur Geschichte des Bistums Pa der born sammeln ließ. Von ihrem Fleiß zeugen noch heute die 13 Bände der Libri variorum in der Handschriftensammlung des Pa der­borner Studienfonds.

Alle diese Arbeiten blieben unvollkommen und unvollendel, weil ihnen zahlreiche Archive verschlossen blieben, und weil das große Werk die Kraft des einzelnen überschritt.

Die deutsche Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts wandte sich zu­nächst der Quellenpublikation zur Geschichte des alten Reiches zu, und erst nach der Offnung des Vatikanischen Archivs durch Papst Leo XIII. wurde die Germania Sacra von dem während des 1. Weltkriegs ins Leben getretenen Kaiser-Wilhelm-Institut für deutsche Geschichte zu neuem Leben erweckt. Die von Albert Brackmann entwickelten Richtlinien knüpften an die St. Blasianer Germania sacra an. Bis zum 2. Weltkrieg konnten 5 Bände mit der Beschreibung der Bistümer Havelberg, Brandenburg und Teilen von Bamberg und Köln (Xanten) erscheinen.

An die Stelle des im Kriege untergegangenen Kaiser-Wilhelm-Instituts trat 1956 das Max-Planck-Institut für Geschichte, das seit 1957 eine eigene Ab­teilung für die Bearbeitung der Germania Sacra besitzt. Diese neue Germania Sacra will, wie ihre Vorgängerin, nicht eine geschlossene Darstellung der einzelnen deutschen Diözesen und ihrer geistlichen Institute bieten, sondern ein »Repertorium« über Personen, Sachen und Einrichtungen eines jeglichen kirchlichen Instituts in Deutschland bis hin zur Säkularisation, ein Halb­fabrikat also, das dem Forscher das gesamte Material zur Geschichte einer solchen Institution bis zu ihrer Säkularisation erschließen soll. Gegliedert ist jedes »Reptorium« in Kapitel über Quellen und Literatur, Archiv und Bibliothek, über die Geschichte (Historische übersicht unter besonderer Be­tonung der Sacra), über das Personal, über den Besitz an inkorporierten und Patronatskirchen usw. Räumlich begrenzt soll das Werk sein auf das deutsche Reich des Mittelalters ohne Italien und Burgund. Ausgeschlossen von der Darstellung bleiben zunächst die neuen Orden des 16. und 17. Jahrhunderts und die evangelisch gewordenen Stifter> die keine echten Konvente mehr bilden.

Diese neue Germania Sacra verfügt zur Zeit über ein rundes Dutzend Mit­arbeiter, von denen einige auch sich dem westfälischen Raum widmen. So wird an der Diözese Münster und dem Kölnischen Wesrfalen gearbeitet und

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Bericht der Abteilung Paderborn 375

auch für die Diözese Paderborn haben sich neuerdings freundliche Helfer gefunden. Die mühselige Sammelarbeit beschränkt sich nicht auf die Archive der betreffenden in Angriff genommenen Institution (Stift oder Kloster), sondern muß sich auch auf alle großen Zentralarchive und ebenso die vielen kleinen Gemeinde-, Pfarr- und Privat archive erstrecken, wenn das Ziel einer möglichst vollständigen Erfassung des geschichtlich überkommenden Materials erreicht und für die deutsche Geschichtsforschung ebenso wie für Landes­und Heimatforschung ein zuverlässiges »Repertorium« geschaffen werden soll.

Franz Mühlen: Westfälische Hallen

nach dem Paderborner Dom

Die Hallen des Paderborner Domlanghauses und der Herforder Münster­kirche stehen am Ende des Weges, der in der ersten Hälfte des 13. J ahr­hunderts in Westfalen von den frühen Stufenhallen mit einem Grundriß gebundener Ordnung und den anderen frühen Lösungen zum reinen Hallen­raum führte.

An der Schwelle der Gotik bedeutet der Paderborner Dom zugleich einen Anfangspunkt für die weitere Entwicklung des Raumes mit noch spät­romanisch gegliederten Kreuzpfeilern und Vorlagen über das Nordostquer­schiff zur Stufe des Mindener Domlanghauses, den Hallen des 14. Jahr­hunderts, bis hin zur Wiesenkirche in Soest, der Lambertikirche in Münster und der ehemaligen Stiftskirche in Nottuln mit ihren Netz- und Stern­gewölben.

Dabei wurde zunächst die Entwicklung in Westfalen mit der Kirche zu Methier und der Johanniskirche zu Osnabrück sowie als Gegensatz die Reinoldikirche in Dortmund als einzige Basilika dieser Zeit in Westfalen dar­geboten und die Bedeutung der Marburger Elisabethkirche aufgezeigt. Die Mittlerstellung nimmt die Nicolaikapelle zu Obermarsberg ein. In ihrem Langhaus läßt sie deutlich den Einbruch der hessischen Formenwelt erkennen. Die Gewölbeansätze steigen höher; die nunmehr gerundeten Pfeiler werden leichter und machen den Gesamtraum durchsichtiger. Die klassisch früh­gotische Halle des Mindener Domes zeigt den Fortschritt über Paderborn hinaus in der konsequenten Anwendung von Rundpfeilern und der Weiter­entwicklung der Fensterformen. Der Marienkirche zu Lemgo und Jakobi­kirche zu Lippstadt als Parallelen zu Minden wurden dann die Marien- und Katharinenkirche zu Osnabrück mit ihrem steiler gest raffien Aufbau über rechteckigem Jochgrundriß, die weite Herforder Marienkirche Stift Berg mit ihrem überaus schlanken Stützen apparat und die sechsjochige Liebfrauen­kirche, überwasserkirche genannt, zu Münster mit betont querrechteckigen Mitteljochen und quadratischen Abseiten gegenübergestellt. Wolbeck und Havixbeck als Filiationen der überwasserkirche zeigen den charakteristischen

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376 Bericht der Abteilung Paderborn

Querschnitt, haben aber wie alle anderen westfälischen Kirchen wieder nur drei bzw. vier, wieder stärker dem Quadrat genäherte, Mittelschiff joche.

Die Wiesenkirche als Kulmination des westfälischen Hallenbaues im 14. Jahrhundert greift in der Chorgestaltung auf die benachbarte Petrikirche zurück und zeigt einen traditionall westfälischen Grundriß dreier quadra­tischer Mittelschiff joche. Im Aufbau läßt sie aber als einziger Bau ihrer Zeit die Zäsur der Kapitellzone fehlen. Auch die Wandflächen sind noch relativ breit, erhalten aber durch die Drei teilung in seitliche Mauerstreifen und die mittleren Fenster ihren unerhört steilen Vertikalismus. Er ergibt wieder einen annähernd quadratischen Raum, nur daß hier die Pfeilerzone gegenüber den Gewölben höher hervortritt.

Wiederum Neues bringt die Lambertikirche zu Münster, 1375 begonnen, aber wohl erst zu Anfang des 16. Jahrhunderts vollendet, durch ihre sog. figurierten Gewölbe, schlichte Netz- und Sterngewölbe, und durch überreiche Maßwerkfenster. Auf St. Lamberti greift gegen Ende des 15. Jahrhunderts der Neubau der Stiftskirche von Nottuln zurück, dessen ungewöhnliche Länge von 7 Jochen vielleicht von Süddeutschland beeinflußt ist. Die Gegen­überstellung mit einem süddeutschen Beispiel (Schwäbisch Hall) ließ Gemein­sames, aber auch starke Unterschiede deutlich werden.

Den süddeutschen Hallenchören wurde das Hallenchor der Lippstädter Marienkirche und der basilikale Chorumgang der Osnabrücker Marienkirche gegenü bergesteIlt.

Für den Nachhall gotischer Hallen ist die münsterische Jesuitenkirche bei­spielhaft. Von ihr führte der Weg im späten 17. Jahrhundert zur Jesuiten­kirche uach Paderborn zurück.

Wilhelm Winkelmann, Münster: Di e

Grabungen im Dombereich in Paderborn

1961-62

Anstelle eines Kurzberichtes folgt der die Paderborner Grabungen betreffende Abschnitt aus dem Bericht über den oben zitierten Vortrag W. Winkel manns in Trier. Der Bericht erschien in den Westfälischen Forschungen Bd. 16 (1963) 5. 75-77.

In Paderborn, an einem durch den Reichtum der Quellen von der Natur begünstigten Platz, sind in der Nähe des Domes in den Jahren 1959 bis 1961 größere Flächen untersucht worden. Sie ergaben archäologische Funde des späteren 2. Jahrhunderts bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. mit germanischem Material und römischem Import, Münzen und Fibeln. Die nachfolgende Zeit, Mitte 5.-7. Jahrhundert, blieb ohne Siedlungsspuren und Funde. Erst ab 700 n. Chr. wurden neue Hausgrundrisse und archäologische Funde erfaßt. Darüber wurde die karolingische civitas mit Wall und Graben errichtet. Durch ältere Grabungen war schon früher im Stadtbereich, ebenfalls im

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Bericht der Abteilung Paderborn 377

Quellgebiet der Pa der, eine Latimesiedlung bekannt geworden, die mit wenigen Streufunden bis an Chr. Geb. heranreicht. Durch die Kartierungen B. Ortmanns wird das kaiserzeitliche Siedlungsbild durch weitere Streufunde im Sta.dtbereich ergänzt. Die Beobachtung dieser einzelnen Siedlungsphasen in den bisherigen Paderborner Grabungsflächen kann täuschen, wenn man bedenkt, daß es sich nur um relativ kleine Ausschnitte des alten Siedlungs­raumes handelt. Vorläufig fügen sie sich aber zwanglos den Feststellungen im größeren Raum zwischen Rhein und Wes er ein. Das ist zunächst die Unruhe nach der um Christi Geburt endenden ersten großen Siedlungsphase. Aber auch die neue Siedlungsphase mit ihrem Beginn um 200 und ihrem Ende im 5. Jahrhundert n. Chr. ist im größeren Raum festzustellen. Es ist eine Zeit größerer Bewegungen, die sich um 200 anzuzeigen beginnt. Im 3. u. 4. Jahr­hundert werden mit den fränkischen Stämmen zwischen Rhein und mittlerer Weser wiederholt Föderatenbündnisse abgeschlossen, in deren Folge große Mengen an römischem Gerät, Keramik, Fibeln und Münzen in den rechts­rheinischen Raum einströmen, wie die kaiserzeitlichen Siedlungen und Grab­felder ohne Ausnahme bezeugen.

Das in Paderborn für das 3. u. 4. Jahrhundert ergrabene römische Material ist also für diese Zeit in diesem Raum zu erwarten. Es ist vorläufig nicht erlaubt, es unter Hinweis auf die karolingische civitas-Gründung als Beweis einer besonderen Bedeutung dieses Ortes schon in älterer Zeit zu inter­pretieren. Auch die Zäsur nach 400 bzw. im 5. Jahrhundert n. Chr. ist im größeren Raum zwischen Rhein und Weser an vielen Plätzen zu beobachten. Sie ist der archäologische Niederschlag historischer Veränderungen. Dabei wurde besonders der Raum zwischen Wes er und Ems betroffen. Die kaiser­zeitlichen Siedlungen enden, es erscheinen von der mittleren Weser nach Süd­westen vorstoßend bis zur Ems neue elbgermanische wahrscheinlich sächsische Elemente. Demgegenüber bleiben im westlichen und mittleren Westfalen auch im 6. u. 7. Jahrhundert starke ältere Verbindungen zur neuen fränkischen Zivilisation des linksrheinischen Raumes bestehen. Das späte 7. und be­ginnende 8. Jahrhundert darf auch in Paderborn mit seinen charakteristischen archäologischen Materialien als lokales Zeugnis der historischen Ereignisse dieser Jahre im größeren Raum angesehen werden. Es ist die auch an vielen anderen Plätzen Westfalens archäologisch festzustellende und historisch zu erschließende Ausdehnung der sächsischen »Heerschaften« mit neuen Be­völkerungselementen nach Süden und Südwesten.

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