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BERICHT 0BER DAS INTERNATIONALE SYMPOSION Ft)R BIOSOZIOLOGIE IN STOLZENAU/WESER VOM 2o. BIS 22. APRIL x96o 1) Inhalt. L Zweck und Aufgabe des Symposions; Teilnehmer. z. Die Res 3. Abendveranstaltungen; Exkursionen; Rfickschau. Die Aufsplitterung der Wissenschaften in immer enger umgrenzte Oebiete bringt es mit sich, dass die so nofwendige pers6nliche Ffihlung- nahme der Forscher verloren geht oder doch sehr erschwert wird. Diesen tJbelstand suchen die Stolzenauer Symposien zu beheben, die - wie die gross angelegten Exkursionen - im Rahmen der ,,Internationalen Ver- einigung fiir Vegetationskunde" stattfinden. Bereits I956 veranstahete deren Sekret~tr Prof. R. T0XEN, Leiter der Bundesanstalt ftir Vegetations- kartierung, das Internationale Symposion ,,Pflanzensoziologie - Boden- kunde", dem ein grosser Erfolg beschieden war. (Siehe Bericht und Referate in ,,Angewandte Pflanzensoziologie", Bd. i5, i958 , 203 S.). Es war das erste gr6ssere Symposion dieser Art, nachdem ibm mehrere ~ihnliche, zum Teil mit Exkursionen, in engerem internationalem Kreis vorausgegangen waren. (N~iheres siehe daselbst S. io). Ein zweites Sym- posion mit grosser Beteiligung war i959 der ,,Vegetationskartierung" gewidmet. (Siehe Kurzberichte in Vegetatio, Band 9, I96~ S. i93/I96 sowie yon AvlNrs/Nottingham, MARSCHALL/Ziirich u. MnrAWAKI/ Yokohama; die Referate erscheinen bei H. R. ENOELMANN [J. CRaM~R], Weinheim/Bergstrasse und sind z. Zt. im Druck.) Die hocherfreulichen Ergebnisse veranlassten R. T0XEN, ZU einem dritten Internationalen Symposion fiir ,,Biosoziologie" einzuladen, das wiederum grossen Wider- hall land, trafen sich doch in dem stillen, abseitigen Marktflecken yon rund 3ooo Einwohnern etwa 8o Teilnehmer aus io L~indern: Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Holland, Italien, Japan, Oesterreich, Sehweden, Schweiz. Aus mehreren weiteren L~tndern gingen Anmeldungen ein und wurden Referate angekiindigt. Doch sind leider nachtr~tglich, z. T. in letzter Stunde, Absagen wegen Verhinderung (Erkrankung, Devisenschwierigkeiten usw.) eingetroffen. Wir nennen: aus Deutschland: CRAMF.R, EHWALD, HIEBSCH, H6LL, KAISER; Italien: MF.ROLA; Jugoslawien: FUK~tR~K; Polen: MATUSZKI~WrCZ ; Schweiz: ELL~NB~RG ; Tschechoslowakei: HEJNT~, MRA~Z, ROSICKp; Ungarn: O. HORVKT; USSR: TOLMATCH~V. Von einigen der Genannten konnten indes die eingesandten Referate verlesen werden. Prof. TOKEN begrfisste in seinem warm gehaltenen Er6ffnungswort die zahlreichen Teilnehmer aus West und Ost, Nord und Slid, und fiber- brachte Griisse yon J. BRAuN-BLANQUFT (Montpellier), I. HORVAT (Zagreb), A. W. K0CHLER (Lawrence/Kansas) und andern Freunden, Mit ganz besonderer Genugmung und Freude unterstrich er, dass heute die Pflanzen- soziologie geeint und stark dastehe, wobei er vor allem der drei ftihrenden 1) Manuskript eingegangen am a2. V. 196o.

Bericht über Das Internationale Symposion für Biosoziologie in Stolzenau/Weser vom 20. bis 22. April 1960

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BERICHT 0 B E R DAS I N T E R N A T I O N A L E SYMPOSION Ft)R BIOSOZIOLOGIE IN STOLZENAU/WESER

VOM 2o. BIS 22. APRIL x96o 1)

Inhalt. L Zweck und Aufgabe des Symposions; Teilnehmer. z. Die Res 3. Abendveranstaltungen; Exkursionen; Rfickschau.

Die Aufsplitterung der Wissenschaften in immer enger umgrenzte Oebiete bringt es mit sich, dass die so nofwendige pers6nliche Ffihlung- nahme der Forscher verloren geht oder doch sehr erschwert wird. Diesen tJbelstand suchen die Stolzenauer Symposien zu beheben, die - wie die gross angelegten Exkursionen - im Rahmen der ,,Internationalen Ver- einigung fiir Vegetationskunde" stattfinden. Bereits I956 veranstahete deren Sekret~tr Prof. R. T0XEN, Leiter der Bundesanstalt ftir Vegetations- kartierung, das Internationale Symposion ,,Pflanzensoziologie - Boden- kunde", dem ein grosser Erfolg beschieden war. (Siehe Bericht und Referate in ,,Angewandte Pflanzensoziologie", Bd. i5, i958 , 203 S.). Es war das erste gr6ssere Symposion dieser Art, nachdem ibm mehrere ~ihnliche, zum Teil mit Exkursionen, in engerem internationalem Kreis vorausgegangen waren. (N~iheres siehe daselbst S. io). Ein zweites Sym- posion mit grosser Beteiligung war i959 der ,,Vegetationskartierung" gewidmet. (Siehe Kurzberichte in Vegetatio, Band 9, I96~ S. i93/I96 sowie yon AvlNrs/Nottingham, MARSCHALL/Ziirich u. MnrAWAKI/ Yokohama; die Referate erscheinen bei H. R. ENOELMANN [J. CRaM~R], Weinheim/Bergstrasse und sind z. Zt. im Druck.) Die hocherfreulichen Ergebnisse veranlassten R. T0XEN, ZU einem dritten Internationalen Symposion fiir ,,Biosoziologie" einzuladen, das wiederum grossen Wider- hall land, trafen sich doch in dem stillen, abseitigen Marktflecken yon rund 3ooo Einwohnern etwa 8o Teilnehmer aus io L~indern: Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Holland, Italien, Japan, Oesterreich, Sehweden, Schweiz.

Aus mehreren weiteren L~tndern gingen Anmeldungen ein und wurden Referate angekiindigt. Doch sind leider nachtr~tglich, z. T. in letzter Stunde, Absagen wegen Verhinderung (Erkrankung, Devisenschwierigkeiten usw.) eingetroffen. Wir nennen: aus Deutschland: CRAMF.R, EHWALD, HIEBSCH, H6LL, KAISER; Italien: MF.ROLA; Jugoslawien: FUK~tR~K; Polen: MATUSZKI~WrCZ ; Schweiz: ELL~NB~RG ; Tschechoslowakei: HEJNT~, MRA~Z, ROSICKp; Ungarn: O. HORVKT; USSR: TOLMATCH~V. Von einigen der Genannten konnten indes die eingesandten Referate verlesen werden.

Prof. TOKEN begrfisste in seinem warm gehaltenen Er6ffnungswort die zahlreichen Teilnehmer aus West und Ost, Nord und Slid, und fiber- brachte Griisse yon J. BRAuN-BLANQUFT (Montpellier), I. HORVAT (Zagreb), A. W. K0CHLER (Lawrence/Kansas) und andern Freunden, Mit ganz besonderer Genugmung und Freude unterstrich er, dass heute die Pflanzen- soziologie geeint und stark dastehe, wobei er vor allem der drei ftihrenden

1) Manuskript eingegangen am a2. V. 196o.

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Vertreter BRAUN-BLANQUET, Du RIETZ und NORDHAGEN gedachte, die bereits 1935 zu dieser Einigung den Grund gelegt hatten.

33 Referate, meistens durch Lichtbilder, Tabellen und Karten ein- drticklich untersttitzt, fiillten die drei Tage je bis 19 Uhr. Wir begntigen uns bier damit, einige Hauptgedanken herauszugreifen. Dabei soll in der ungleichen Ausfiihrlichkeit kein Wertmass erblickt werden; denn vor allem lag uns &ran, die wahrhaft tiberraschende Vielseitigkeit und Reich- hahigkeit der Darbietungen zum Ausdruck zu bringen. An die meisten Referate schlossen sich rege Aussprachen an, die manche Probleme klitrten und neue aus163 Wit mtissen raumeshalber auf Hinweise verzichten und diirfen dies um so eher, als siimtliche Referate vorwiegend ungektirzt und die Aussprachen in Zusammenfassungen im Druck erscheinen werden (Verlag H. R. ENG~LMANN [J. Cl~aMER], Weinheim/Bergstrasse).

Die erste Referaten-Folge, prgsidiert yon J. SCHmTH0SEN (Karlsruhe), tiber

Allgemeine Grundlagen und Begriffe

er6ffnete A. yon VIETINGHOFF (Hannover-Mtinden) mit der Antithese ,,Biozanose oder Kampf urns Dasein", wobei der Nachdruck bewusst auf das ,,oder" gelegt wurde. Dem als Schlagwort allzuviel missbrauchten Aus- druck ,,Kampf ums Dasein" gibt er h6chstens den Weft einer Arbeits- hypothese, dazu einer gef~thrlichen, u n d e r verlegt das Schwergewicht seiner historisch untermauerten Betrachtungen auf die Erarbeitung und Vertiefung des Begriffs der Bioz6nose.

Aus diesen theoretischen Bereichen versetzte uns R. TOXEN (Stolzenau) mit seinen ,,Wesensziigen der Bioziinose" in die Wirklichkeit zurtick. Es sei versucht, aus der inhahsschweren Fiille des Dargebotenen die 7 Gesetze, die sich fiir das Zusammenleben abzuzeichnen beginnen, in gedr~ngter Form zu umschreiben. I. Die Gesellschaftsordnung besagt, dass jedes Lebewesen in ein lebendiges Wirkungsgeftige eingeordnet ist, w o es sich nur halten kann, so lange es sich in deren Sein und Geschehen bew~ihrt. z. Die ,,ges~ttigten" Lebensgemeinschaften sind aus eine bestimmte Zahl Tier- und Pflanzenarten beschr~inkt; sie allein sind in ihrer gegenseitigen Verbindung, dank endogenem Kr~iftespiel, dauernd lebensf~ihig, ganz im Gegensatz zu Artgemischen, die dutch menschliches Zutun willktirlich zusammengewiirfeh werden. 3. Auch die exogen wirkenden Kr~is des Standorts, n~tmlich die Summe aller Lebensbedingungen eines bestimmten Wuchsorts, dulden nur eine ihm angepasste, begrenzte Auslese yon Arten. Erst innerhalb der Arten, die ein Standort zulgsst, entscheidet das Gesetz der Artenverbindung tiber die Gesellschaftsbildung. Je nach dem viel- seitigen oder einseitigen Standortscharakter sind die Gesellschaften arten-

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reich oder im extremsten Fall einartig. 4. Die ritumliche Ordnung lehrt, dass jede Gesellschaft einen Minimalranm beansprucht, der yon Hand- gr6sse (oder kleiner: L e m n e t u m) bis zu Hektaren (Wald) reicht. Der Bestand ist in und tiber dem Boden geordnet und geschichtet; er besitzt sein geographisches Areal, u n d e r hat seine Nachbar-(Kontakt-) gesellschaften. Das Grenzgeftige (die Zonierung) kann daher nicht zuf{illig sein. 5. AIle Lebensitusserungen yon Gesellschaften ftigen sich in eine zeitliche Ordnnng ein, erkennbar in ihren tiiglichen und jahreszeitlichen Rhythmen und im grossen Geschehen der Sukzessionen mit ihrem Auf- und Abbau der Gesellschaften und ihrer B6den. 6. Die Lebensgemeinschaft ist ein Wirkungsgeftige, in dem jedes in allem und alles auf jedes wirkt. Stoffwechsel, Vermehrung und Ortswechsel, auch Wachstum, Altern und Sterben, sowie Ausbreitung und Verfall sind rhythmisch geordnet. Ihr Gleichgewicht ist das Ergebnis yon Standort, Wettbewerb, Duldung und Hilfe. Jedes Wirkungsgeftige steht in Wechselwirkung mit seinen Kontakt- gesellschaften. 7. Der ungest6rte Ablauf aller Erscheinungen und _~usse- rungen der Lebensgemeinschaften wird yore Menschen als harmonisch empfunden. Greift der wirtschaftende Mensch ein, so hat er die soziologisch- stand6rtlichen Naturgesetze streng zu beachten, ansonst er Gefahr liiuft, dass die Natur sie unerbittlich berichtigt. - Der Referent schliesst n'lit den aufrtittelnden Worten aus dem neuen Werk yon H. FRA~qZ (Feldbodenkunde, 1959, S. 551/552), wonach der Mensch, der in das biologische Gleich- gewicht so rticksichtslos eingreift, sich der Verantwortung und der Trag- weite der Massnahmen viel zu wenig, wenn tiberhaupt bewusst ist.

Gr6sstem, allseitigem Interesse begegnete das Referat ,,Bioz~nosen und Synusien" yon G. E. Dis RIETZ (Uppsala). Wet etwa vermutete, Dis RIETZ wtirde die Grundsittze der schwedischen Schule, deren Hanptvertreter er seit Jahrzehnten ist, gegen die Schule Ztirich-Montpellier ausspielen, musste sich dahin belehren lassen, dass Schweden und Ztirict>Montpellier geschlossen und mit einer Einigkeit dastehen, die den Gegnern der Pflanzensoziologie nicht mehr erm6glichen, aus den geringftigigen Meinungsverschiedenheiten Kapital zu schlagen, zumal diese als Eigenarten pers6nlicher Auffassungen, nicht als Gegensiitze zu werten sind und die grossen Linien der soziologischen Konzeption nicht b'eeintritchtigen. Es sei auch an die oft tibersehene Tatsache erinnert, dass bereits 1935, anlgsslich des internationalen Botanikerkongresses in Amsterdam, die Pflanzensoziologen BRAUN-BLANQUET, Du RIETZ und NORDHAGEN ge- meinsame Vorschl~ige machten, die eine einheitliche Terminologie und 1Viethodik betrafen und die ohne Opposition angenommen wurden. Die v611ige oder doch weitgehende Llbereinstimmung der soziotogischen Schulen l~tsst sich etwa wie folgt zusammenfassen: I. Die Hierarchie yon Bioz6nosen verschiedener Rangstufen wird anerkannt, z. Die Bioz6nosen grtinden sich auf die Vegetation, nicht auf die Biotope. 3. Die Bioz6nosen niedrigen, wom6glich auch h6heren Ranges, sttitzen sich einzig auf die floristische Zusammensetzung. 4- Ftir die Charakteristik der Bioz6nosen vom Rang der Assoziationen und Verbitnde ist die qualitative Arten- zusammensetzung, also nicht die Dominanz, massgebend, womit der hohe Wert der Kenn- (oder Charakter-)arten zu deren Abgrenzung unterstrichen wird. Neben den Kennarten erlangen die Trenn- (oder Differential-)arten

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einen steigenden Wert. 6. Die auf die Dominanz gegrtindeten Soziationen hat Do RIETZ seit drei Jahrzehnten immer im Rahmen yon Assoziationen unterschieden, entsprechend den Ausfiihrungen yon BRAuN-BnAlVQUeT in dessen ,,Pflanzensozi01ogie '' (z. Auflage, 195 i, Sdte z4), so dass also ein prinzipieller Gegensatz zwischen Assoziations- und Soziationsstudien nicht besteht. Neben diesen 6 Hauptpunkten orientierte Du RI~Tz ausftihrlich tiber das Wesen der Synusien, die innerhalb der Bioz6nosen entweder verschiedene Schichten bilden oder epiphytisch aufeinander wachsen. In der Hierarchie der Synusien entspricht dem Verband die Einheit ,,F e d e r a t i o n", der Assoziation die ,,U n i o n", w~thrend die der Soziation entsprechend e Einheit ,,S o z i e t ~i t" heisst. Begrenzung und Charakteristik dieser Einheiten erfoigen nach den gleichen soziologischen Grunds~tzen wie ftir den Verband sowie fiir Assoziation und Soziation. Alle er6rterten Richtlinien nnd Begriffe wurden in das Licht geschichtlicher Entwicklung gertickt und durch sprechende Beispiele belegt.

Die Begriffe ,,Biogeoz6nose-Phytoz6nose" er6rterte, mit geschichtlicher Rtickschau bis zu Alexander v. Humboldt, A. ScAMONI (Eberswalde). Humboldt'sche Ideen iibernahmen der Bodenkundler DO KUTSCHAJEW und der Forstwissenschafter MoRosow. Der Zoologe FRIED~RICHS stellte den Begriff des Holoz6ns auf, der Botaniker TaNslmY das ,,ecosystem", der Bodenkundler PALnZvrANN die Biochore, aber auch Geographen, u. a. SCHMITH0S~N, bemiihten sich um Begriffskl~trung. Als Zusammenfassung kann die Lehre yon der Biogeoz6nose yon SUKATSCHEW gelten, die Einheit von Litho-, Pedo-, H y d r o - u n d Atmosphere einschliesslich Pftanzen- und Tierwelt. Deren untrennbarer Bestandteil ist die Phytoz6nose, die Vegetation, fi~r deren Erfassung SCAMONI seine forstwissenschaftlichen Erfahrungen heranzieht.

Mannigfaehe Probleme der ,,Pflanzengesellsckaf/en als Grundlage fiir land- bioz6notische Untersuchungen" waft W. RABEI~R (Stolzenau) auL Als Teil der Bioz6nose bildet die Pflanzengesellschaft die Ern~thrungsgrundlage der Zooz6nose und gibt als Raumgebilde den Rahmen fiir bioz6notische Vorg~tnge. Einerseits gibt die ftoristische Kennzeichnung Hinweise ftir die Erfassung der Zooz6nose; anderseits er6ffnet die Syn6kologie den Zugang zur Bioz6nose. Ftir die Untersuchung der ern~ihrungsbiologischen Ver- kniipfungen zwischen Pflanzen- und Tierarten und der abiotischen Faktoren haben Pflanzensoziologie und Zooz6notik in der Pflanzengesdlschaft eine gemeinsame Bezugsdnheit.

LIber ,,Vegetationskarten als Hilfsmittel der Biozb'noseforschung" orientierte W. TRAUTMANN (Stolzenau). Die pflanzensoziologisch erarbeiteten Vege- tationskarten griinden sich auf eindeutig defmierte Pflanzengesellschaften, deren topographische Bereiche ganz bestimmten Standortsritumen ent- sprechen; Die Kennzeichnung ist um so genauer, je enger die Gesellschafts- einheit gefasst ist. Eine besonders zuverl~issige Grundlage bie te t die grossmasstgbliche Karte, wobei die Darstellung der realen wie der potentiellen natiirlichen Vegetation gleicherweise fiir die Bioz6notik yon Bedeutung sind. An zwei sprechenden Beispielen - einem Weiderasen und dem Kalkbuchenwald - erl~iuterte der Referent, dass sich physiogno-

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misch einheitlich erscheinende Vegetation und Gel~indeabschnitte in eine Vielzahl yon Vegetations- und Standortsr~iumen gliedern, was auch im Tierleben zum Ausdruck kommt. So erwies sich, dass in NW-Deutschland die Brutorte yon Elster und Nachtigall fast ausschliesslich an das F r a x i n o - C a r p i n i o n gebunden sind, w~ihrend sich die Hei- delerche auf das Q u e r c i o n r o b o r i - p e t r a e a e beschr~inkt.

Nut mit der Erw~ihnung der Titel mtissen wir uns begntigen ftir die Referate yon E. KAISER (Hildburghausen) tiber ,,Biosoziologie , Landschafts- bidogie und vergMchende Biogeographie" und yon A. W. STeFFAN (Schlitz) tiber ,,Statik und Dynamik der Fliessgew~sser-Biozb'nosen".

Wieder auf anderer Ebene lagen die Probleme, die A. TOLMATCHEFr (Leningrad) anschnitt ,,ffber die Regulierung tier ArtenzaM einiger Pflanzen- gatlungen durch bioz#notische agedingungen". Grundtatsachen liefert die Eigenart des Auftretens vieler Gattungen und ihrer Arten im Laufe der Erdzeitalter, wofiir er zahlreiche Beispiele anftihrt. TOLMATCttEW kommt zum Schluss, dass bioz6notische Bedingungen als wichtigste, oft unterschfitzte Ursache der Evolution anzusehen sind, indem das Zusammenleben in dem Sinn eine richtende Wirkung austibt, dass eine mannigfaltige Umwelt die Evolution f6rdert, w~thrend eine einf6rmige sie hemmt.

In der zweiten Referaten-Folge fiber

Untersuchungsergebnis se von bes t immten B ioz6nosen

ftihrte H. FRA~z (Wien) den Vorsitz. Zungchst sprach W. SCHMITZ (Krefeld-Htilserberg) tiber ,,Die Soziologie aquatischer Mikrophyten", d.h. der nut mikroskopisch feststellbaren Arten, deren Soziologie bis heute kaum tiber die ersten Ans~itze hinausgekommen ist. Immerhin hat sich das soziologische Aufnahmeverfahren auch hier bew~hrt. Die Begriffe Abundanz, Dominanz, Frequenz und Stetigkeit k6nnen tibernommen werden, wenn auch in einer Fassung, die der Eigenart der Mikrophyten- Gesellschaften anzugleichen ist.

S, VILLERET (Rennes) betonte in ,,Qudques aspects biologiques des Algues d'eau douce", dass heute die Algen-Assoziationen noch nicht klar um- schrieben werden k6nnen. Er arbeitet nach dem Verfahren yon SORENSEN und ermittelt den ,,quotient de similitude", weist aber nachdriicklich auf die Schwierigkeiten hin, die sich einer objektiven Erfassung entgegen- stellen.

j . j . BARKMAN (Biologische Station Wijster) betonte in seinem Referat tiber biosoziologische Untersuchungen, dass der Unterschied zwischen Pflanzen- und Biosoziologie belanglos ist, da es im Grunde nur Lebens- gemeinschaften gibt, in denen die Lebensabl~iufe aller Organismen ver- kettet sind. Greift man bestimmte Gruppen heraus , so k6nnen es nut 6kologische sein, vor allem Produzenten, Konsumenten und Reduzenten. Nach solchen Gesichtspunkten untersuchte BARKMAN (mit DEN BOER)

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19 Dauerquadrate, verteilt auf 9 W~ilder, 6 Heiden und 4 Hochmoore, und zwar auf Gef~isspftanzen, Moose, Flechten, Pilze, Arthropoden sowie Bodenprofile, pH und Mikroklima, ferner die Vegetationsstruktur nach der Methode DAXSER~AU. Das Q u e r c e t u m s e s s i l i f l o r a e hat wahrscheinlich aueh unter Pilzen land Laufk/ifern gute Charakterarten, die kiinstlichen Nadelw~lder dagegen nut hinsichtlich Pilzen. Das J u n i p e r n s g e b i i s c h undd ie E m p e t r u m h e i d e habeneine reine Nadelwald-Pilzflora, und ihre Moose und Laufk~ifer sind vom Q u e r c e t o - B e t u l e t u m und vom G e n i s t e t o - C a l l u n e t u m derart verschieden, dass sie wahrscheinlich selbst~indige Assoziationen darstellen. Auch das Mikroklima der reinen E m p e t r u m h e i d e scheint yon denjenigen der C a l l u n a - und E r i c a - H e i d e n stark abzuweichen.

Als Erg~tnzung hierzu sprach J. P. D~N BOER (Wijster) fiber ,,Die Verbreitung yon Carbiden und ihr Zusammenhang raft Vegetation und Boden". Die genaue Fragestellung lautet: Welches sind die wichtigsten Faktoren, die den Lebensort (,,habitat" der englischen Oekologen) bestimmter Tierarten bedingen? Um sich diese Faktoren gewissermassen yon der Natur zeigen zu lassen, wurden in den Dauerfl~chen Arthropoden-Fallen eingebaut und die gefangenen Tiere periodisch gesammelt. An 3 Beispielen werden die vielseitig deutbaren Ergebnisse, die noch des Ausbaus harren, erl~iutert.

E. VAN I~LR MAARET (Oostvorne) versuchte die ,,Beziehungen zwischen dvflanzengesellschaften und Molluskenfauna" zu erfassen, vor allem der Schnecken. Wit begniigen uns mit diesem Hinweis nnd bemerken, dass er sich - in LIbereinstimmung mit andern Holl~ndern - einer abweichenden Namengebung bedient, indem er Ausdrticke wie Konsortium nnd C6non (auch in Zusammensetzungen, z.B. Stratoc6non) verwendet.

Die ,,Zusammenhdnge im Artbestand yon Pflanzen, BodenkMntieren und Mikroben des t-[ochmoors'" beleuchteten, nebst 6kologischen Ausblicken, J. L. LUTZ (Mfinchen) in vegetationskundlicher und mikrobiologischer Hinsicht und Frau G. RoNr~E (Miinchen) tiber Kleintiergruppen. Die meist mit Bergf6hren bestandenen Hochm0ore des bayrischen Vorlandes geh6ren entweder zum S p h a g n e t u m m e d i i p r a e a l p i n u m oder zum V a c c i n i o - M u g e t u m, nebst untergeordneten oder nahestehenden Gesellschaften. Dauerbeobachtungsfl~ichen kommen auch in den siidlichen Chiemseemooren vor, wo sie laufend iiber Klima, Hydrologie, Boden- physik, Vegetation usw. kontrolliert werden. Ebenso wurden Dauertest- fl~ichen ftir bioz6notische Untersuchungen eingerichtet, und bezeichnende Ausschnitte wurden in �89 m=-Rahmen aufgenommen. Es ergab sich, dass 7 pflanzensoziologische Einheiten auch bezeichnenden Bodenkleinfaunen und Mikroben entsprechen, was die Brauchbarkeit der pflanzensoziolo- gischen Definition einschl~giger Standorte (Biotope) best~itigt. Die Mit- beriicksichtigung der Bodenkleinfauna, der Mikroben, Kleinmorphologie usw. diirs eine diagnostische Verfeinerung nnd 6kologische Verties er6ffnen.

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W. HIEBSCt-I (Dresden) gab einen Uberblick der ,,HeteroJ)teren-Besiedlung der Salzstelle bei Hecklingen" im mitteldeutschen Trockengebiet. Er unter- suchte auf einer Fl~che yon rund z Hektaren die Lebenszyklen und die Verlagerung der Besiedlungsdichte. Die Fgnge yon Spinnen, Wanzen und K~fern ergaben deutliche Bindungen an pflanzensoziologische Einheiten, so an die S a l i c o r n i a - , die P u c c i n e l l a d i s t a n s - A s t e r t r i p o l i u m - und die J u n c u s g e r a r d i - G e s e l l s c h a f t e n sowie die Ruderal-Vegetation.

P. C. H~YI~IGERS (Utrecht) untersuchte im Siisswasser-Gezeiten-Delta ,, The soil fauna in the oderbeds (willow coppice) of the Brabanfse Biesbosch", wobei in den Weidengebiischen rund 5 o Bodenproben enmommen wurden. Die Anatyse erhellte den Einfluss der Gezeiten und des Bodens auf die Bodenfauna. Inbezug anf diese Umweltbedingungen mit ihrer Gezeiten- schwankung yon a Metern unterscheidet er 4 Typen.

W. LoI-I~aEYeR und W. R2tB~I~EI~ (beide Stolzenau) legten ihre Gemein- schaftsarbeit vor tiber ,,Aufbau und Gliederung der mesophilen Laubmischwiilder im mittleren und obern Wesergebiet und ihre Tiergesellschaften". Es kam ihnen darauf an, in soziologisch genau umschriebenen Vegetationseinheiten das Tierleben festzustellen. LOHM~YER wiihlte I5 grossfl~chig verbreitete Waldassoziationen, die er aus jahrelanger Erfahrung grtindlich kennt. Die Mehrzahl liegt innerhalb des Q u e r c o - C a r p i n e t u m s , des M e l i c o - F a g e t u m s und des C a r i c i - F a g e t u m s . RABELER hielt sich streng an diese 15 Einheiten und verlegte sich auf die Beobachtung yon Laufk~fern (Carabidae), SchnelIk~fern (Elateridae), Rtisselk~fem (Curculionidae), Wanzen (Rhynchota), Schnaken (Tipulidae) und Stelz- mticken (Limoniidae). Die vorgelegten Tabellen tiber deren Vorkommen zeigte eindrticklich, wie diese der soziologischen Abgrenzung entsprachen. RABBI, gl~ verfolgte abet noch weitere Probleme, so die Schichtung der Tierarten im Q u e r c o - C a r p i n e t u m .

W. ER>TSTI>m (Stolzenau) wertete seine ornithologischen Kennmisse auf Grund yon Kartierungen in der Weise aus, dass er aus 30 ha Grtinland die Nester der Brutv6gel einzeichnete. Dabei ergab sich eine bemerkens- werte idbereinstimmung der Brutpl~itze mit etwa 20 pflanzensoziologischen Einheiten. Man versteht, dass er als Freund der Vogelwelt sich ftir die Erhaltung des Biotops nach Kr~tften einsetzt.

A. 1V~IYAWAKI (Yokohama) vermittelte Einblicke in das ,,Reisfeld als komj)lexe Biozgnose" , dem extremsten anthropogenen Biotop, das sich nur durch vielseitige, konzentrierte Einfltisse seitens des Menschen erkliiren liisst. Die Reisfelder Japans mit ihrer tiber zooo Jahre alten Kultur k6nnen nicht den P h r a g m i t e t e a eingegliedert werden wie die jungen Reiskulturen Stideuropas, sondern bilden die eigene Klasse der O r y- z e t ea, wobei sich unter optimalen Bedingungen das O r y z o- E c h i n o c h 1 o i o n ausbildet. In stehendem Wasser auf meso- bis eutrophen Feldern stellen sich L e m n e t e a ein, in stehendem Wasser auf schwer durchlitssigen B6den die P o t a m e t e a, bei kurz dauernder Trockenzeit das N a n o c y p e r i o n , bei frtih eintretendem und

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dauerndem Trockenzustand das B i d e n t i o n, w~hrend das P a n i c o- S e t a r i o n und die P h r a g m i t e t e a in Japan sehr selten sin& Entsprechend dem jahreszeitlichem Rhythmus und dem kulturbedingten Wechsel iindert sich auch das Tierleben.

Nach dem Sprung in den fernen Osten versetzte uns J. C. LINDEMAN (Utrecht) nach Stidamerika, indem er eine Ubersicht der Vegetationstypen yon Surinam im Zusammenhang mit Boden und Tierwelt bot.

Die dritte Referaten-Foige, pr{isidiert von G. E. Du RmTz (Uppsala) beschlug die Beziehungen zwischen

Biosoziologie und Pedologie

Die ,,Zusammenhiinge zwischen Bakterienbesatz des Bodens und Vege- tation" wusste W. HamsR (Mtinster/Westf.) ins Licht zu rticken. Heute gilt mit Recht als selbstverst~indlich, dass innerhalb einer Landbioz6nose Pflanzengesellschas und Boden eine Einheit bilden. Angesichts des reichen Bodenlebens rechtfertigt es sick, yon einer eigenen Boden- bioz6nose zu sprechen. Die Bodenbakterien sind darin bis jetzt noch sehr unvollkommen erfasst worden. Neue Verfahren gewghrleisten indes die zahlenm~ssige Bestimmung. Es ergab sich, dass die Bakterienbesatzzahlen der B6den in verschiedenen Pitanzengesellschaften ausgepriigte Unter- schiede aus sowohl nach H6hen als auch im zeitlichen Rhythmus, und sic scheinen in ~ihnlichen Pflanzengesellschaften gleichsinnig anfzu- treten. Obwohl sic kein soziologisches Bild zu geben verm6gen, daft doch die Individuendichte als Mass s die Belebtheit des Bodens gewertet werden.

Uber ,, Thermophile Mikroorganismen in einigen Gr~nlandgesellschaften" sprach A. E. AplNIS (Nottingham), der die thermophilen Arten einteilt in i) stenothermophile mit Temperaturoptimum tiber 55 ~ und Maxima bis 80~ 2) thermophile mit Optima zwischen 4 ~ und 5o~ 3) thermo- tolerante mit sehr weiten Temperaturgrenzen und 4) faknltativ-thermophile mit gutem Gedeihen bei z 5 ~ bis 35 ~ doch hie tiber 48~ Unweit Nottingham sind thermophile Arten auf das Mikroklima kleinster R~tume angewiesen. Hier bilden sic durchmas nattirliche Organismen-Populationen, wobei Substrat, Temperatur und Feuchtigkeit, ausserdem biotische Faktoren den Ausschlag geben. AI, INIS beschriinkte sich auf die Feststellung thermophiler Pilze alluvialer B6den und ihre bioz6notischen Beziehungen innerhalb 5 wohldefinierten Pflanzengesellschaften.

I-L FRANZ (Wien) gliederte seinen Vortrag tiber ,,Die Bodenbioz#nosen und ihre Bedeutung fiir die Bodengenese" in 4 Problemgruppen: Stoffabbau, Stoffnenbildung, Stoffwanderung und Strukturbildung. Da es schwer h~tlt, die Fiille des Gebotenen kurz zusammenzufassen, ohne die treffliche Darbietung zu zerpflticken, begntigen wir uns mit diesem allzu kurzen Hinweis.

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E. SCHLICHTING (Kid)verbre i te te sich in vorwiegend theoretischen Ausftihrungen tiber ,,Die Synthese pedogenetischer und #kofogischer JFrage- stellungen bei der Interpretation yon Bodenanalysen".

Auf Anregung yon H. FRANZ (Wien) orientierte R. T~2xzs, der zu- sammen mit M. SCHIRMER und G. SCHR6D~R einen Forschungsauftrag ausftihrt, tiber die in der Bundesanstalt gewonnenen ,,Erfahrungen mit Lysimetern". Diese werden hier in gewachsenen Boden eingelassen, und zwar immer in wohl definierte, sorgf~iltig ausgesuchte Pflanzengesell.- schaften. Bis jetzt sind etwa deren 3o in Gebrauch, vorwiegend in der Umgebung yon Stolzenau, und es ergab sich, dass die zum Grundwasser abfliessende Wassermenge einen unerwartet stark schwankenden Prozent- satz der Niederschlagsmenge ausmacht, n~imlich je nach Boden und Vegetation yon unter 5 % bis um 9 ~ %, und dass sie unter Acker eine besorgniserregende Menge Chloride, Sulfate und Stickstoffverbindungen entNilt. Aus den Messungen erhellt somit, inwieweit die Dtingung miss- braucht und der Entzug yon Grundwasser tiberbeansprucht wird.

Aus dem Referat ,,Zur Entwicklungsgeschichte der AckerbiozO'nosen'" konnte J. Ttix~N (Stolzenau) dartun, dass unsere heutigen Ackerbioz6nosen nut aus den historischen und pr~thistorischen Kenntnissen des Ackerbaus verstanden werden k6nnen. Schon an der Wende der Bronzezeit zur frtihen Eisenzeit vollzog sich ein Wandel der Anbauverfahren, indem in norddeutschen Gebieten, vermutlich unabMngig yon Klimaschwankungen, der Ackerbau auf schweren B6den aufgegeben und auf Sandb6den verlegt wurde. In den letzten Jahrhunderten der friihen Eisenzeit, also um die Zeitwende oder etwas frtiher, setzte sich eine viel bedeutendere Umwitlzung dutch, die ebenfalls nicht klimatisch bedingt sein dtirfte, indem die seit dem Neolithikum gebauten Getreitearten (Triticum- und Hordeum-Arten) vom Roggen (Secale cereMe) nnd in Nordeuropa auch Vom Haler (Arena sativa) abgel6st wurden. Damit wurden die B6den des Q u e r c o- B e t u l e t u m verlassen und die Wuchsorte des F a g o - Q u e r c e - t u m s ftir den Anbau gerodet. Neuartige Erkennmisse ergeben sich, sobald man die Unkr~tuter nach der Einwanderungszeit gliedert - also in i) Archaeophyten des Neolithikums nnd der Bronzezeit; 2) jtingere Archaeophyten und 3) Neophyten - und wenn man diese Arten nach der soziologischen Zugeh6rigkeit und der geographischen Herkunft ordnet. Heute sind wir, nach jahrtausendelanger F, ntwicklung, Zeugen einer geradezu stiirmischen Umw~ilzung alles bisher Erreichten, indem Kunst- danger, Unkraut- und Sch~tdlingsbek~impfungsmittel die Bioz/Snosen zerst6ren.

Die vierte und letzte Referaten-Folge, fiir die V. OIACOMINI (Napoli) den Vorsitz ftihrte, war der

Anwendung biosoziologischer Erkenntnisse in Wissenschaft, Wirtschaft und Naturschutz

gewidmet. Frau K. SEIDEL (Pi6n) berichtete tiber ihre Tgtigkeit in

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,,Konstruktiver Biozgnotik", die sich auf verschiedenen Biotopen tiber mehrere L~nder erstreckte.

Von K. MRXZ (Strnady) lag ein Manuskript vor tiber den ,,Zusammenhang zwischen Wildbestand und Waldgesellschaft".

S. I-IEJN39 und B. ROSICK39 (Prfthonice bei Praha) kl~irten die ,,Be- ziehungez der Encephalitis Z u den natiirlichen Pflanzengesdlschaften". Die Ence- phalitis, hervorgerufen dutch ein Virus, z~ihlt in Mitteleuropa zu den schwersten Erkrankungen des zentralen Nervensystems und tritt in einigen Gegenden als eine der h~tufigsten Krankheiten auf. Sie wird auf den Menschen dutch eine Zecke (Ixodes ricinus L.) tibertragen. Ausgehend yon der Analyse der nattirlichen Herde, die an bestimmte Bioz6nosen gebunden sind, ergab sich, dass der A u e n w a 1 d mit mehreren, genau erfassbaren Assoziationen eine zentrale Stellung einnimmt. Es erweist sich hiemit, dass die Phytoz6nologie auch ftir Ziele des Gesundheitswesens praktisch ausntitzbar ist.

Der Abschluss der Referate Mtte kaum wtirdiger gestaltet werden k6nnen als dutch E. PREISI>m (Hannover) tiber ,,Die Bedeutung der 2Vatur- schutzgebiete fiir die Biosoziologie". Die modeme Wirtschaft hat mit tiber- stiirzter Schnelligkeit einen ungeheuren Einbruch in das Naturganze vertibt. Durch die Jagd nach hohen Ertriigen der Graswirtschaft und Holzzucht sind vide natiirliehe und naturnahe Biotope zerst6rt worden und unwiederbringliche Werte verloren gegangen. In Wiildem, lViooren, Gewiissern und ~ckem verarmt die Lebewelt zusehends. Reservate erftillen unsere Forderungen nur ungentigend. Angesichts dieses Nieder- gangs der ursprtinglichen Lebewelt ergeben sich 2 Forderungen: Ver- stiirkte Konzentration der bioz6notischen Forschung und Stitrkung der Natur schutzorganisationen.

Auch die drei Abende waren voll besetzt. Am ersten Abend gab das Bundesministerium ftir Erniihrung, Landwirtschaft und Forsten ein Essen ftir die Teilnehmer des Symposions, die in freien Gruppen bis tier in die Nacht beisammensassen. Bei diesem Anlass tiberbrachte der Sprecher des Ministeriums, Oberlandforstmeister Dr. H. OFFI~I~, die Grtisse aus Bonn und feierte mit Worten hoher Anerkennung die vielseitigen Leistungen der Bundesanstalt und ihres Leiters Prof. T0xElv, insbesondere auch ihre liinder- und v61kerverbindende T~tigkeit im Dienste der reinen und angewandten Forschung.

Auch der zweite Abend war dazu angetan, die Teilnehmer nach den geistigen Strapazen zu entspannen. Zun~chst ftihrte sie E. F~Jl~m~l~ (Ztirich) in einem Vortzag mit Farbbildern dutch die Schweizeralpen, um die Vielfalt der Vegetation und die Sch6nheit der Berge aufzuzeigen. Anschliessend stdlte E. SCI-IXFER (Hannover) in auserlesenen Farbbildern 6kologische Vergleiche an zwischen Belgisch Kongo und Venezuela, deren Tierwelt er mit grosser Hingabe und Sachkenntnis erforscht hatte.

Der dritte Abend vereinte uns zu einer Ftihrung durch das Museum

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,,Die Schrift des Bodens". Sein Griinder und der Hersteller yon tiber 300 Lackabztigen, R. TOx~N, erl~iuterte znn~ichst das Herstellungs- verfahren. Hierauf zeigte er an ausgew~ihlten Beispielen, wie aus Boden- profilen die Entwicklungsgeschichte yon Wald und Heide heransgelesen werden kann, wie sich die Spuren yon Blitz, Eis und Brand abzeichnen und wie sich selbst das Dasein des Menschen, seine Kultur und seine Gr~tber, mit sprechenden Einzelheiten nachweisen l~isst. (Siehe N~iheres in: ,,Angewandte Pflanzensoziologie", Band 14, 1957.)

An das Symposion schlossen sich fiir die Teilnehmer, die es mit ihrer Abreise nicht allzu eilig hatten, zwei tiberaus ergiebige Exkursionen an, die eine zur Porta Westfalica und in die reich aNindernden Laubw~ilder des Weserberglandes, trefftich gefiihrt yon W. LOHMEYeR unter Mit- wirkung yon R. T/2rX~N, die andere in die Querceten, Heiden und Moore und ihre B6den im Nordwesten yon Stolzenau unter Fiihrung yon R. TfJXEN, der seit Jahrzehnten mit allen Einzelheiten der nordwest- deutschen Landschaft, ihrem Aufbau, ihrer Kultur nnd Vegetation aufs engste vertraut ist.

Rtickblickend daft ohne Einschr~nkung gesagt werden, dass das Sym- posion in jeder Hinsicht hervorragend gelungen ist. Wohl alle Teilnehmer standen unter dem starken Eindruck, dass es tiber Erwarten reiche Einblicke in die vielseitigen biosoziologischen Probleme erschlossen hat. An den yon Prof. T0XEN ausgesprochenen Dank an alle jene, die zum Gelingen des Symposions beigetragen hatten, kntipfte Prof. K. FRIED~I~ICHS (G6ttingen), im Namen der Teilnehmer, den herzlich empfundenen Dank an den Veranstaher, Prof. TOXEN an, der die Tagung meisterhaft vorzu- bereiten und durchzuftihren verstanden hatte. Dieser Dank richtete sich auch an den vorztiglich eingeschulten Mitarbeiterstab der Bundesanstah, die aus dem wissenschaftlichen Leben Deutschlands und welt dariiber hinaus nicht mehr wegzudenken ist.

Der Berichterstatter: ERNST FURRER, Ziirich.