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158 Deutsche Ornithologische Gesellschafl. Bericht (iber die Jahresversammlung der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft in Dresden vom 4, bis 6. Oktober 1913. Anwesend die Herren: Hennicke, Fenk, Neunzig, Hildebrandt, v. Versen, Neumann, Schillings, Gottschalk, Freiherr von Berlepsch, Kutter, Heck, Koepert, Schiller, Heyder, Reichenow, Schalow, Kollibay, Proft, Graf yon Zedlitz u. Triitzschler, Hanke und Heinroth. Als Gt~ste die Herren: Spatz, v. Stralendorff, Neunzig, Zeysing, Kammerherr Freiherr yon Ber- lepsch, Gelder, Brandes, Henke, Schmidt, Mauke, Mushacke, Hoffmann, Klengel, K6tz, Thomsen, Wolf, sowie die Damen: Frl. Else Hanke, Frau Koepert, Frau Heinroth und Frau Spatz. Vorsitzender: Herr S c h a 1 o w. Schriftffihrer: Herr H e i n r o t h. Sonnabend, den 4. Oktober 1913. Am Sonnabend, den 4. Oktober, abends 7 Uhr land im Paulaner, KSnig Johann Stras 8 I, die Begrfifsung der Mit- glieder und Gt~ste durch den Vorsitzenden, der die Versammlung erSffnete, statt. Es sind Grfis der Herren: G r a f Wi 1 a m o - witz-M611endorff, Jung, Tischler, v. Lucanus, Nehrkorn, Bacmeister, Kracht, le Roi, Reiser und Kleinschmidt eingetroffen, die durch den General- Sekret~tr znr Verlesung k~mmen;alle drficken ihr lebhaftes Be- dauern aus, an der Jahresversammlung nicht teilnehmen zu kSnnen. Nach einigen geschKftlichen Mitteilungen des Herrn Koepert wie des Herrn Reichenow wird zur Wahl der Kassen- Revisoren geschritten. Die Herren H a n k e und K o e p e rt er- klKren sich bereit, die PrQfung zu tlbernehmen. Herr Oberf6rster W o 1f (Tharandt) spricht fiber die Mars- nahmen, welche im Anschlus an die heutigen, in verschiedenen Lt~ndern gepflegten Vogelschutzbestrebungen, in Sachsen getroffen worden sind. Herr G o t t s c h a l k (KSthen) berichtet fiber den Stand des Naumann-Archivs und Naumann-Museums in KSthen. Die gelegentlich der vorigen Jahresversammlung ausgesprochenen Erwartungen haben sich schon zum Tell erfiillt; Seine Hoheit der Herzog von Anhalt Dessau hat die Sammlungen Joh. Friedrich Naumann's, die in seinem Besitz sind, dem Naumann-Museum iiberlassen und zugleich auch die RtLumlichkeiten, in denen sich dieselben befinden, zur Verftigung gestellt. Diese RtLume sind deshalb besonders stimmungsvol], well Naumann selbst in ihnen gearbeitet hat. Frau Amtmann N a u m a n n in Ziebigk hat 600

Bericht über die Jahresversammlung der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft in Dresden vom 4. bis 6. Oktober 1913

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Deutsche Ornithologische Gesellschafl. Bericht (iber die Jahresversammlung der Deutschen Ornithologischen

Gesellschaft in Dresden vom 4, bis 6. Oktober 1913.

Anwesend die Herren: H e n n i c k e , F e n k , N e u n z i g , H i l d e b r a n d t , v. V e r s e n , N e u m a n n , S c h i l l i n g s , G o t t s c h a l k , F r e i h e r r von B e r l e p s c h , K u t t e r , H e c k , K o e p e r t , S c h i l l e r , H e y d e r , R e i c h e n o w , S c h a l o w , K o l l i b a y , P r o f t , G r a f y o n Z e d l i t z u. T r i i t z s c h l e r , H a n k e und H e i n r o t h .

Als Gt~ste die Herren: S p a t z , v. S t r a l e n d o r f f , N e u n z i g , Z e y s i n g , Kammerherr F r e i h e r r y o n B e r - l e p s c h , G e l d e r , B r a n d e s , H e n k e , S c h m i d t , M a u k e , M u s h a c k e , H o f f m a n n , K l e n g e l , K 6 t z , T h o m s e n , W o l f , sowie die Damen: Frl. E l s e H a n k e , Frau K o e p e r t , Frau H e i n r o t h und Frau S p a t z .

Vorsitzender: Herr S c h a 1 o w. Schriftffihrer: Herr H e i n r o t h.

S o n n a b e n d , d e n 4. O k t o b e r 1913. Am Sonnabend, den 4. Oktober, abends 7 Uhr land im

Paulaner, KSnig Johann Stras 8 I, die Begrfifsung der Mit- glieder und Gt~ste durch den Vorsitzenden, der die Versammlung erSffnete, statt. Es sind Grfis der Herren: G r a f Wi 1 a m o - w i t z - M 6 1 1 e n d o r f f , J u n g , T i s c h l e r , v. L u c a n u s , N e h r k o r n , B a c m e i s t e r , K r a c h t , l e R o i , R e i s e r und K l e i n s c h m i d t eingetroffen, die durch den General- Sekret~tr znr Verlesung k~mmen;alle drficken ihr lebhaftes Be- dauern aus, an der Jahresversammlung nicht teilnehmen zu kSnnen. Nach einigen geschKftlichen Mitteilungen des Herrn Koepert wie des Herrn Reichenow wird zur Wahl der Kassen- Revisoren geschritten. Die Herren H a n k e und K o e p e r t er- klKren sich bereit, die PrQfung zu tlbernehmen.

Herr Oberf6rster W o 1 f (Tharandt) spricht fiber die Mars- nahmen, welche im Anschlus an die heutigen, in verschiedenen Lt~ndern gepflegten Vogelschutzbestrebungen, in Sachsen getroffen worden sind.

Herr G o t t s c h a l k (KSthen) berichtet fiber den Stand des Naumann-Archivs und Naumann-Museums in KSthen. Die gelegentlich der vorigen Jahresversammlung ausgesprochenen Erwartungen haben sich schon zum Tell erfiillt; Seine Hoheit der Herzog von Anhalt Dessau hat die Sammlungen Joh. Friedrich Naumann's, die in seinem Besitz sind, dem Naumann-Museum iiberlassen und zugleich auch die RtLumlichkeiten, in denen sich dieselben befinden, zur Verftigung gestellt. Diese RtLume sind deshalb besonders stimmungsvol], well Naumann selbst in ihnen gearbeitet hat. Frau Amtmann N a u m a n n in Ziebigk hat 600

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Bericht ~iber die Jahresversammlung 1913. 159

an Naumann gerichtete Briefe zur Verfiigung gestellt; 20 naua 5Taumann-Briafe sind aufgefundan worden. Archiv und Museum warden yon dam Ornithologischen Verein ,,Johann Friedrich INaumann" und yon einem Ausschufs der Deutschen Ornitho- logischen Gesellschaft verwaltet warden. Die erfordarlichen Mittel miissen dutch freiwiUige Beitr~iga und Zuwendungen auf- gebracht warden. Solltan sie raichlich fliefsen, so besteht die Hoffnuug, dafs man sp/iter ein eigenes Heim wird griinden k~nnen. Herr S c h a l o w spricht namens dar Versammlung S. H. dam Herzog yon Anhalt Dessau, der Familie Naumann wie den Herren in KSthen den w~rmsten Dank aus. Er glaubt die zuversicht- liche Holfnung hagen zu diirfen, dafs noch viele im Privatbesitz befindlichen Gegenstiinde dam Naumann-Museum zugehen warden, iusbesonders auch die yon dam verstorbenen Dr. L e v e r k ii h n angelegte Sammlung in Sofia, jetzt im Besitz S. M. des K~nigs Ferdinand yon Bulgarian.

Im Einverst~indnis mit den Anwasenden richtet der Vor- sitzande ein Oliickwunschtelegramm zur Er~ffnung des nau er- bauten Museums in Sarajewo an Regiarungsrat 0 t m a r R e i s e r, den rithmlichst bekannten Erforscher der Vogelfauna des Balkans.

Herr S c h i l I i n g s (Berlin) ergreift hierauf das Wort, um in iiberzeugendster Weise fiir den Schutz bedrohter Tiara, ins- besondere der verschiedanen Vogelarten, einzutreten. Er beginnt damit, dafs die Ausrottung der VSgel namentlich in den Vereinigten Staaten yon Nordamerika am allerschlimmsten batrieben worden sei. In letzter Stunde hat man Mafsregeln ergriffan, die zum Teil geradezu als vorbildliche Schutzgesetze zu betrachten sind. Ganz vor kurzem ist ein Verbot jeglicher Einfuhr yon Schmuck- federn erlassen worden, soweit es sich nicht um Straus oder Hausgefliigelfedern handelt, selbst die Einfuhr der Federn des Jagdgefliigels ist untersagt, denn man hat hat die Erfahrung ge- macht, dafs sonst unter Jagdgefiiigel fast alle Vogelarten ver- standen warden. Nur dadurch, dafs sich die anderen Kulturstaaten diesen Bestimmungen anschliefsen, diirfte man es erreichen kSnnen, dafs die Federn entwertet warden und dadurch dem Abschufs der V~gel vorgebeugt wird. Dar Vortragende verweist auf die ihm vorliegande Verkaufslista der letzten Londoner Federversteigerung, aus der z. B. hervorgeht, dafs nicht weniger als 4000 EmufeUe zu je 20 Mark verhandelt worden sind; dabei ist der Emu ge- setzlich geschiitztl Die unglaublich hohen Preisa far gerade moderne Federn sind eine Ausrottungspriimie fiir die betreffenden VogelarLen. Wie sehr man in kurzer Zeit den Bestand einzelner Formen vernichten kann, geht daraus hervor, dafs die frQher ungemein h.~iufige amerikanische Waldschnepfe fast vernichtet und die Wandertaube iiberhaupt ausgerottet ist.

Her S c h i Ili n g s macht ferner d~.rauf aufmarksam, dafs yon den Wissenschaftlern diese Vogelvernichtung vial zu wenig gewiirdigt werde. So befindet sich in dam bekannten [-lartert'schen

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160 Bedcht tiber die Jahresversammlung 1913.

Werk die Angabe, dafs der Schwarzstorch in Deutschland h~iufig sei, ~,hnliches wird vom Uhu angegeben. Beide Vogelarten sind aber bekanntlich stark zusammengeschmolzen. Er riigt das Ver- halten des Herrn Dr. Menegaux, Paris, der zwar eine genaue Zusammstellung aller Vogelvernichtungsweisen gibt, dabei aber den Federhandel unangetastet l~ifst, ja sich sogar far die Angabe der Interessenten, dafs ein grofser Tell der Reiherfedern aus aufgelesenen Mauserfedern bestehe, ins Zeug legt.

Der Vortragende wiinscht dringend, dafs die Ornithologen entweder fiir oder gegen seine Ansichten k~impfen, sich aber nicht unt~itig verhalten. Schliefslich weist er noch darauf hin, dafs der Versuch, auf Klein-Tobagu in den Antillen ParadiesvSgel ein- zubiirgern, fehlgeschlagen sei, obgleich yon den Federh~ndlern das Gegenteil behauptet wird, die sogar versichern, dafs diese Tiere auch nach Trinidad eingewandert seien. Schliefslich bittet er die Anwes.e.nden, die auf dem Wiener Kongress for Natur- forscher und Arzte aufgestellte Resolution zu unterzeichnen.

Sonntag, den 5. Oktober 1913. Um 9 Uhr vormittags erSffnete Herr S c h a l o w die 62.

Jahresversammlung der Gesellschaft. Er wies darauf hin, dafs es bereits das vierte Mal sei, dafs sich deutsche Ornithologen zum Austausch ihrer Erfahrungen in Dresden treffen. Die erste Zusammenkunft liegt bereits 67 Jahre zuriick. Sie fand vom 30. Sept. bis zum 2. Okt. 1846 statt. An derselben nahmen u. a. Baldamus, Ludwig Brehm, Buhle, Eugen v. Homeyer, Nau- mann, Reichenbach, W. u. L. Thienemann und yon Zittwitz teil, Miianer, deren Namen auch heute noch in der deutschen Vogel- kunde einen guten Klang haben. An der Versammlung beteiligte sich auch der damalige s~ichsische Kultusminister Exc. yon Wiotersheim. Bereits in jener Tagung wurde die Begriindung einer Deutschen Ornithologischen Gesellschaft in Erwiigung ge- zogen, welche dann im Jahre 1850 in Leipzig zur Tat wurde.

Die zweite Dresdener Versammlung unserer Gesellschaft fand unter dem Vorsitz Eugen yon Homeyers vom 15. his 17. Sept. 1877 und die dritte, vom Geh. I-Iofrat Dr. A. B. Meyer geleitet, vom 28. bis 30. Mai 1897 statt. Letztere war in wissen- schaftlicher Hinsicht vielleicht die bedeutendste Tagung, die die Gesellschaft je abgehalten hat. Herr S c h a I o w schliefst seine Ausfiihrungen mit dem Wunsche, dafs sich die diesj~ihrige Dres- dener Versammlungihren Vorgiingerinnen wQrdig anschliefsen m~ge.

Herr K o e p e r t heifst die Deutsche Ornithologische Ge- sellschaft namens des Dresdener Vereins in Dresden willkommen.

Der Vorsitzende teilt mit, das der Vorstand beschlossen habe, an Stelle der verstorbenen Ehrenmitglieder R o b e r t C o I 1 e t - Christiania und P. L. S c la t e r - London, die Herren H e n r y E. D r e s s e r - L o n d o n und V i c t o r B i a n c h i - P e t e r s b u r g zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft zu ernennen.

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Bericht ~ber die Jahresversammlung 1913. 161

Herr S c h a 1 o w macht hierauf einige Mitteilungen tiber ~y~via fasciata Bechst. [Ist gesondert abgedruckt].

Beim Meinungsaustausch fiber den Vortrag gibt Herr R e i c h e n o w der Ansicht Ausdruck, dafs das Auftreten der Schwanzbinde bei Calamoherpe sit .era vielleicht einen phylo- genetischen Grund habe, da sie sich bei manchen Cisticolen Afrikas regelm~sig findet.

Herr H e i n r o t h ist anderer Ansicht. Nach seinen Er- fahrungen machen sich Verletzungen oder krankhafte StSrungen der Federpapillen regelmRfsig dadurch kenntlich, dafs die wachsende Feder ihr Pigment nur unregelm~sig oder garnicht bildet, sodafs dann helle oder weis Binden auftreten. Bei einem erwachsenen Vogel sieht man dies dann als ein belles Band, das sich quer fiber Steuer- und Schwungfedern hinzieht, und dem Uneingeweihten durchaus den Eindruck einer normalen Fltigel- oder Schwanz- binde geben kann. Nicht immer machen sich solche Wachstums- st~rungen durch helle Stellen bemerkbar, sondern manchmal ist die Feder nut durchscheinend. Der yon Herrn S c h a l o w aus dem Museum in Sarajewo durch gtitige Vermittlung des Herrn Otmar Reiser vorgelegte Goldammer ist ganz unzweifelhaft ein junges, d. h. ein solches Tier, das 8chwung- und Schwanzfedern noch nicht vermausert hat, sonst kSnnte diese StSrungsbinde sich nicht ganz gleichm~sig quer tiber diese Federn hinziehen; denn wenn den alten mausernden Vogel eine schwere Krankheit bef~llt, so sind die auch spRterhin dauernd sichtbaren, krank~ haft ver~nderten FedersteUen recht unregelm~sig fiber Fltig.el und Sehwanz verteilt, je nachdem die betreffende Feder m der Krankheitszeit des Vogels gerade l~nger oder ktirzer war. Herr K o 11 i b a y vertritt die Ansicht, dafs der vorgelegte Goldammer ein alter Vogel sei. Er folgert dies aus der Tat- sache, dafs Kopf und Brust gelb und nicht gestrichelt sind, d. h. also dafs das Kleingefieder ausgef~rbt ist. Nun mausert aber .Emberiza citrinel~a im Alter yon einigen Monaten sein Jugend-Kleingefieder ins ausgefRrbte Kleid, beh~lt aber Schwung- und Schwanzfedern bis zum n~ichsten Sommer, sodars also auch der noch nicht einjiihrige Vogel unten gelb und nicht ge- strichelt ist.

Herr S c h a 1 o w schliefst sich tier Annahme, dafs es sich bei den yon ihm erwRhnten Schwanzbinden um krankhafte Er- scheinungen handelt, vollkommen an.

Herr H e i n r o t h weist in der Diskussion tiber den Gegen- stand noch darauf hin, dafs der vorgelegte Goldammer auch auf s~mtlichen Schwingen ein helles Querband aufweist, ein sicherer Beweis daftir, d~s der Vogel, wahrscheinlich unmittelbar nach dem Ausfliegen aus dem Neste, als der Schwanz halblang und die Schwingen zu Dreiviertel erwachsen waren, irgendwie in seiner Gesundheit schwer geschRdigt worden sein milfste.

Joam. f. On. LXII, Jal=z. J~ 191t, ii

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162 Bericht fiber die Jahresversammlung 1913.

Herr H e i n r o t h h~lt darauf einen Vortrag: ,,Archae- opteryx ira Vergleich mit Elster, _Pica pica (L.) und Sporen- kuckuck, C~ntropus phasianus (L.)." Er hat zur Erliiuterung seiner Darstellung die Schwung- und Schwanzfedern yon Elster und Sporenkuckuck in derselben Lage auf eine Pappe gebracht, wie sie bei dem Berliner Archaeopteryx gefunden worden sind, und hat ferner die Skelette der beiden genannten VSgel genau so darauf befestigt, wie ihn der Berliner Abdruck yon Archac- o~vteryx zeigt. Als kurzes Ergebnis seiner Betrachtungen, die anderweit ausfiihrlich verSffentlicht werden sollen, sei folgendes erw~hnt. Die Lage des Halses yon Archaeopteryx bei dem Ber- liner Sttick ist nicht zufallig, dean bei Ccntropus f~llt der Kopf und Hais, sobald die Muskulatur etwas abgesch~ilt women ist, yon selbst durch den Zug der Sehnen und Biinder in dieselbe Lage. Die Fl~igel yon Archaeopteryx sind durchaus nicht roll ausgebreitet, wie es in allen Darstellungen heirst, sondern etwa lialb zusaramengelegt, daher komrat es, dafs die inneren Hand- schwingen wohl sieher unter den ~ufseren krraschwingen liegen, sodafs eine genaue Z~hlung der Handschwingen iiberhaupt nicht erfolgen kann. Nach dem ganzen Bau des Fliigels und beim Vergleich rait in eatsprechender Weise zusaramengelegten jetzigen Vogelfliigeln, hat Archaeoptcryx aber wohl sieher 10 Handschwingen gehabt. Der zweite und dritte Finger yon Archaeopteryx sind sicher nicht in der Weise frei beweglich gewesen, wie gewShlich angenommen wird, sondern sie haben, durch Sehnen eng rait einander verbunden, zura Ansatz der Handschwingen gedient. Bei den ilblichen Archaeopteryx-Darstellungen findet man nirgends einen festen Punkt, an den diese kr~ftigen Federn ansetzen, sie kSnnen aber unmSglich lose in der Haut gesteckt haben.

Es ergibt sich, dafs Archaeopteryz, der zieralich genau die Fliigelliinge yon _Pica pica aufweist, in der L~inge seiner Flfigel- knochen denjenigen yon C. phasianus entspricht.

Herr H e c k gibt tier Hoffnung Ausdruck, dafs diese Archaeoptcry~-Auffassung die Vorlage zu einem neuen guten Bildwerk ira Berliner Aquarium geben raSge.

Herr S p a t z berichtet hierauf iiber seine letzte R e i s e i n S ii d - A I g e r i e n. Er hat die Erfahrung geraacht, dars in einem Jahr wie 1913 die Sahara ein Masseugrab unserer Zug- vSgel werden kann. Es herrschte im Sp~.tsomraer eine ganz ungewShnliche Hitze yon oft his 53 Grad Celsius im Schatten, die natiirlich fiir grofse Strecken vollkomraenen Wasserraangel zur Folge hatte. Er fand aufser verendeten Gazellen und Mendes- Antilopen, die sich vor ihrem Tode zu kleinen Trupps vereinigt batten, auch tote StSrche und eine Menge verendeter KleinvSgel; andere waren so matt, dafs sie sich mit der Hand fangen liefsen. Herr Sp a.tz hat eine Anzahl yon Steinwerkzeugen in jenea Gegenden gefunden, die darauf hindeuten, dafs dort friiher eia ertr~glicheres Klima geherrscht und ausgedehnter Pflanzenwuchs

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Berlcht tiber die Jahresversammlung 1913. 163

bestanden haben tours, mithin eine grSfsere BesiedlungermSglichte, sodafs diese Zugstrafse unseren V5geln frfiher weniger Gefahr mit sich gebracht hat. Er legt eine Anzahl yon Straufseneierschalen- stricken vor, die zum Tell mit Figuren geziert sind und wohl als Schmuck gedient haben. Darunter sind Reste, die auf ein sehr kleines Ei einer offenbar neuen 8traufsenart hindeuten. Eine grofse Anzahl biologischer Beobachtungen wfirzen den inter- essanten Vortrag. Der Vortragende hat z. B. erfahren, dafs Pterodes, wenn ihm genfigend saftigerPflanzenwuchs zur Verffigung steht, nicht zum Wasser kommt, sodafs es dann kaum eine MSglichkeit gibt, seiner habhaft zu werden. In den nSrdlicheren Gegenden hatte es sehr geregnet, sodafs sie besser bewachsen waren. Hier ver- bringen ~gylvia deserticola, undata und melanocephala und andere Arten den Winter. Corvus umbrinus ist dort merkwtirdigerweise ungemein scheu, obgleich er niemals verfolgt wird. Sein Gelege mit 6 Eiern wurde gefunden. Hier wurde auch der Rest einer Straufseneierschale yon 3 mm Dicke entdeckt. (Die 8chalendicke der Eier der jetzt lebenden Formen pflegt knapp 2 mm zu be- tragen.) 8iidlich yon Uargla fand der Vortragende 21 Bienen- fresser, die nur niedrig fiber der Erde hinstrichen und sich oft niedersetzten; nachts scheinen sie weiter gezogen zu sein. Alaemon alaudipes wurde beim TSten und Verzehren einer Wfisten-Eideehse (hcanthodactylus) betroffen.

Anschliefsend an diesen Bericht halt Herr Graf v o n Z e d- l i t z seinen angekfindigten Vortrag: O r n i t h o l o g i s c h e B i I d e r a a s IN o r d - A 1 g e r i e n [ist besonders abgedruckt].

In dem sich hierauf anschliefsenden Meinungsaustausch wirft Herr R e i c h e n o w die Frage auf, ob die yon Herrn 8patz vorgezeigten 8chalenstficke fiberhaupt Eierschalen seien. Herr S c h a ! o w halt sie zweifellos ftir echt, da die Lumina der Poren- kaniile deutlich sichtbar seien. Herr K o 11 i b ay ~ufsert sieh anschliefsend an eine Bemerkung des Herrn Grafen v o n Z e d- l i t z dahin, dafs er die Edelfinken in 3 Gruppen einteilt uad zwar in coelebs, spodiogenys und canariensis (dazu palmarum, moreleti und maderensis). Der Teydefink ist generisch zu trennen. Er ist durch seine GrSfse, die F~trbungsweise und vor allen Dingen dadurch zu unterscheiden, dais sein Gelege nur aus 2 Eiern besteht. Ferner ~iufsert sich Herr K o II i b ay fiber die Blau- meisen im Gegensatz zu Harterts Ansichten dahin, dafs zu _Paras eoeruleus die asiatisch-europiiischen, zu ultramarinus die aIrikanischen Arten gezogen werden mfissen. Ferner fragt er Herrn Grafen yon Zedlitz nach den Alpenseglern aus der yon ihm bereisten Gegend. Letzterer h~ilt die dortige Art ffir Apus mdba, hat aber leider zu wenig Material, als dais er Genaueres angeben kann. Er ffigt ferner hinzu, dafs auch er die Waste als Massengrab nameutlich ffir 8chwalben gefunden habe, selbst an den Oasen, namentlich naeh 8tfirmen. Herr N e u m a n n weist darauf hin, dafs JErismatura und _Fulica auch

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164 Bericht ilber die Jahresversammlung 1913.

nach seinen Beobachtungen gew6hnlich zusammenhalten und be- merkt, dafs Corvus umbrinus nicht immer die yon Herrn Spatz beobachtete Scheuheit zeigt, ja, er kann sogar recht zahm sein, wie er dies in Sttd-Arabien kennen gelernt hat. Vor allen Dingen weist er darauf hin, dafs bei der Erforschung der Wttsten, wie die Herren Graf yon Zedlitz, Spatz und Hartert sie sich zur Aufgabe cemacht haben, doch recht wenig herauskommt. Wet Neues aus der Sahara bringen will, mufs yore Sttden anfangen und den Senegal zum Ausgangspunkt nehmen.

Ober das massenhafte Auftreten und die Gebietsabtrennung der Nachtigall entspinnt sich ein liingerer Meinungsaustausch zwischen den Herren Schillings, Graf v. Zedlitz, Freiherr v. Berlepsch, Gottschalk, Kollibay, Spatz, R..eichenow und Neumann, der ergibt, dafs bei geeigneten Ortlichkeiten sich die einzelnen Paare ungemein nahe sein k~nnen. Trotzdem scheinen sie sich jedoch stets kleine Gebiete abzugrenzen.

Die Kassenrevisoren haben die Prtffung der Rechnung vor- genommen. Erinnerungen sind nicht zu ziehen. Sie beantragen die Entlastung des Schatzmeisters. Die Entlastung wird seitens der Versammlung erteilt. Der Vorsitzende spricht den Herren Koepert und Hanke den Dank fttr ihre Mtihewaltung aus.

Herr Reichenow stellt den Antrag, yon Seiten der Gesellschaft eine Eingabe an das Reichskolonialamt zu richten, die auf die Gefahr des Aussterbens der ParadiesvSgel in Deutsch- Neuguinea infolge der durch den Federhandel hervorgerufenen Vernichtungswut hinweisen und ein Verbot des Schiefsens der V6gel und der Ausfuhr der Btilge und Federn beantragen soil. Nach Iiingerer Besprechung des Antrages durch die Herren Schillings, Koepert, Neumann und Frh. v. Berlepsch wird der Antrag zum Beschlufs erhoben.

Herr S c h a l o w h~lt einen Vortrag iiber .Nuci/raga caryo- catactcs caryocat~ctes L. als Brutvogel in Thiiringen list gesondert

abgeu~i,,er~t ~a~.,ob 1 e i c h e n o w weist im Anschlufs an die Ausftihrungen des Vortragenden darauf hin, dars die mitteleuropiiischen Tannen- hiiher genau mit den AlpenvSgeln iibereinstimmen, die er als 1Nebenform yon dem Dickschn~bler Nordeuropas unterscheide, und die keine Ankliinge an 6stliche Verwandte zeigen. Er h~lt es fiir m6glich, dafs sich die eingewanderten Sibirier ab und zu mit den deutschen Brutv6geln paaren.

Herr K o I I i b a y weist als sehr wichtig darauf hin, dafs die 6stlichen Durchzttgler beringt werden mQfsten, um deren end- gtlltigen Verbleib genau feststellen zu k6nnen. Tats~chlich halten sich doch immerhin eine ganze Anzahl dieser Fremdlinge bis zum Sommer hinein in Deutschland auf und werden dann erst erlegt. Im Gegensatz zu diesen Asiaten sind die heimischen Tannenh~her ziemlich scheu.

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Berieht fiber die Jahresversammlung 1913. 165

Wegen der bereits stark vorgertickten Zeit mufste der Vor- trag des Herrn O. Neumann : Bemerkungen tiber vermeintliche und wirkliche Unica, verschollene und wiedergefundene hrten yon der Tagesordnung abgesetzt werden [ist gesondert abgedruckt].

Nach Schlufs der wissenschaftlichen Sitzung um 1/~2 Uhr, wurde ein gemeinsames Mittagsessen in den schSnen R~umen des Ratskellers eingenommen. Abends traf sich ein Teil der Teilnehmer im Zentraltheater, und noch lange blieb man dann bei Kneist in anregendem Meinungsaustausch beisammen.

M o n t a g , d e n 6. O k t o b e r 1913. Vormittags 9 Uhr wurde der Zoologische Garten besichtigt.

Namentlich waren es verschiedene, grSfstenteils 5stliche Adler- formen, die besonders lnteresse erregten und deren hrtbestimmung Schwierigkeiten aufwies. Ferner fesselte der grofse FlugkRfig mit seinen Reihern, Miiwen, RabenvSgeln und anderen lange die Aufmerksamkeit, und die gutbesetzte Stelzvogelwiese land ge- btihrende Bewunderung; natiirlich wurde auch der Bestand an S~ugetieren und Reptilien und den Bewohnern des Aquariums nicht vernachliissigt. Alle Beteiligten waren roll des Dankes fiber die eingehende und anregende Ftihrung dutch den Direktor des Gartens, Herrn Prof. Dr. Brandes . Am Mittag unternahmen einige Teilnehmer trotz des schlechten Wetters einen Ausflug nach Moritzburg. Sie hatten das Gltick, dafs sich am Nachmittag das Wetter aufkl~irte und sich die Gelegenheit bot, grofse Mengen yon WasservSgeln, besonders Stockenten und Bli'ffshtihnern, auf den Seen vorzufinden. Auch Birkwild, einige Raubviigel, Fisch- reiher und andere Vogelarten kamen zur Beobachtung.

Mit dem Ausfluge erreichte die diesj~ihrige Jahresversammlung, die allen Teilnehmern reiche Anregung geboten haben dtirfte, ihr Ende. O. Heim'oth .

Bericht (iber die Septembersitzun9 1913. Verhandelt in Berlin, Montag, den 8. September, abends

8 Uhr, im Architekten-Vereinshause, Wilhelm-Strafse 92. Anwesend die Herren: S c h i l l i n g s , K r a u s e , F r o m -

h o l z , S t e i n m e t z , H a a s e , B a e r w a l d , N e u n z i g , S c h i l l e r , D e d i t i u s , R e i c h e n o w , S c h a l o w und H e i n r o t h .

Als G~iste: die Iterren S p a t z und W a c h e, sowie Frau H e i n r o t h .

u Herr S c h a 1 o w. Schriftfiihrer: Herr H e i n r o t h. W~ihrend der Ferien haben wir die Nachricht yon dem Hin-

scheiden yon zweien unserer Mitglieder erhalten. Am 27. Juni starb zu Odiham Priory P h i l i p L u t l e y S c l a t e r , einer der hervorragendsten Ornithologen unserer Zeit, im Alter yon