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Berliner Großkaufleute und Kapitalisten. Erster Band: Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges by Hugo Rachel; Johannes Papritz; Paul Wallich Review by: Frhr. v. Karaisl FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 4, H. 3 (1937), pp. 517-519 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40908130 . Accessed: 12/06/2014 06:19 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.78.185 on Thu, 12 Jun 2014 06:19:03 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Berliner Großkaufleute und Kapitalisten. Erster Band: Bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegesby Hugo Rachel; Johannes Papritz; Paul Wallich

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Berliner Großkaufleute und Kapitalisten. Erster Band: Bis zum Ende des DreißigjährigenKrieges by Hugo Rachel; Johannes Papritz; Paul WallichReview by: Frhr. v. KaraislFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 4, H. 3 (1937), pp. 517-519Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40908130 .

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Literatur. 517

erschütternde Zeugnisse des der Befreiung vorangehenden furchtbaren Druckes eines nicht nur unerbittlichen, sondern auf Vernichtung des „Schuldners" aus- gehenden „Reparationsgläubigers" liefern. Sie wird zugleich zeigen, daß Geburts- und Sterbestunde des Liberalismus einander innerlich und äußerlich in geradezu verblüffender Weise entsprechen.

Welche Bedeutung für derartige Untersuchungen die Schrift Weide- manns hat, geht aus einigen Sätzen ihres Schlußwortes hervor, deren An- führung hier erfolgen möge, weil sie die Darstellungsweise Weidemanns besonders gut in Erscheinung treten lassen. Weidemann stellt dort fest, daß „rein staatsrechtlich betrachtet die Lösung der Aufgabe, in einem Volke einen fremden Staat zu gründen, in sehr geschickter Weise durchgeführt worden ist. Mit überlegener Staatskunst hat es Napoleon verstanden, einen Staat zu schaffen, dessen unumschränktes Wesen von einem liberalen Mantel verhüllt wurde, um trotz straffster Ausgestaltung der Staatsgewalt auch die Herzen der Untertanen zu gewinnen. Daß er nur Scheinverfassung bot, ist ihm - vom rein staatsrecht- lichen Gesichtspunkte aus - ebensowenig zum Vorwurf zu machen, wie etwa dem Fürsten Metternich im späteren Österreich die gänzliche Unterdrückung des Verfassungsgedankens; denn jedes Reich mit staatsfeindlicher Bevölkerung wird durch eine einflußreiche Volksvertretung sehr in seinem Bestände gefährdet und kann eigentlich nur unumschränkt beherrscht werden. Daß Napoleon trotzdem den gefährlichen Verfassungsgedanken für seine Zwecke ausbeutete, zeigt, wie kühn er die Einsätze in seinem europäischen Spiele wagte, wie sehr er auf seine Kraft vertraute und wie überlegen er die Formen des Staatsrechts zu handhaben wußte. Jedenfalls liegen im staatsrechtlichen Aufbau des Königreichs Westfalen zum wenigstens die Gründe für seinen inneren Zusammenbruch, wenn man von dem Umstand der Unwahrhaftigkeit und Heuchelei absieht, der durch die Scheinverfassung hineingebracht wurde, aber nur wenig verstimmend wirkte, da die Bevölkerung eine echte Verfassung noch gar nicht kannte. Eher schon ist die verfehlte Verwaltungsart und Innenpolitik dafür verantwortlich zu machen, die aus dem liberal sein wollenden Reiche einen Polizeistaat schlimmster Art schufen. Und die wichtigsten Ursachen für den inneren Zerfall des Königreichs Westfalen liegen überhaupt auf ganz anderem Gebiete. Sie sind vor allem in der Zerrüttung des Staatshaushaltswesens und der grenzenlosen sittlichen Verwahrlosung der herrschenden Kreise zu finden, letzten Endes auch in der ganzen politischen Un- möglichkeit dieses Staatsgebildes." Boesler.

Berliner Großkaufleute und Kapitalisten. Erster Band : Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Von Hugo Kachel, Johannes Papritz und PaulWallich. Ber- lin 1934. Verlag von Gsellius. Veröffentlichungen des Vereins für Ge- schichte der Mark Brandenburg. Die drei Verfasser haben sich der dankenswerten Aufgabe unterzogen, die

händlerische und geldkreditorische Tätigkeit einer Reihe Berliner Großkaufleute und Kapitalisten bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges zu bearbeiten. Das Buch ist ein neuer Baustein zur Füllung der Lücke, die noch in der diesbezüg- lichen Literatur für Norddeutschland besteht.

Die Arbeit fußt vornehmlich auf sehr umfangreicher und ins einzelne gehen- der archivalischer Forschung. Sie führt zunächst kurz in die Wirtschaftsverhält- nisse der Mark und Berlins seit dem 14. Jahrhundert ein, um sich dann mit den händlerischen Schicksalen einzelner Personen und Familien zu befassen. Hier sind zwei Abschnitte zu unterscheiden: Die bis um das Ende des 16. Jahrhunderts reichende Zeit der in der Mark und in Berlin alteingesessenen Familien und die Folgezeit, in welcher Zugezogene im Handel- und Kreditwesen zur Bedeutung ge- langen. Als Zwischenglied sind einige Spekulanten und jüdische Hoffaktoren an- geführt.

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518 Literatur.

Dem Handel ist in dem vorliegenden Band ein verhältnismäßig nur geringer Raum gewidmet. Dies erklärt sich aus der wiederholt betonten Tatsache des aus- gesprochenen Distrikthandels mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen, dem Feh- len eines Fernhandels, an dessen Stelle ein Zwischenhandel mit Importerzeugnissen tritt. Berlin gehörte damals nicht zu den Städten, die durch den Fern- und Zwi- schenhandel ihrer Bürger zu machtvoller Bedeutung gelangt waren. Wie die Ver- fasser betonen, ragte die Stadt im Handel nicht über den Grad einer Landstadt hinaus, und erfuhr erst eine Belebung durch die ständige Verlegung des Hofes der Landesherren in ihre Mauern. Breit ausgearbeitet ist das Geldkreditgeschäft über- haupt und besonders dasjenige mit dem Kurfürsten Joachim II., wofür reiches Archivmaterial herangezogen wurde. Die Verbreiterung des Geldgeschäftes ist er- klärlich. Ist es doch die Zeit, in der überall und jeder nach Geldgewinn trachtete, in der sich die Finanznot des Staates stark fühlbar machte, und zu Geldaufnahmen zwang, wo und bei wem immer nur Geld zu bekommen war. Es ist auch die Zeit der spekulativen Plänemacher, die selbst zur Mystik und Alchimie greifen, um gläubige Geldsucher an sich zu ziehen. Besonders ausführlich behandelt sind die Unternehmungen des Joachim Grieben, vielleicht der interessantesten, wenn auch gewagtesten Persönlichkeit im Handel und Wandel jener Zeit in der Mark.

Das Buch bietet für die frühkapital istische Tätigkeit der handelnden Per- sonen ebenso tiefen Einblick wie es durch die Aufdeckung von Familienbeziehungen und durch Beigabe einiger Stammtafeln der Familien- und Sippenforschung von Wert sein wird. Ganz besonders bietet der Inhalt Anregung zu Vergleichen mit den anderen deutschen Wirtschaftsgebieten.

Die uns nahegebrachten Personen verfügen bei ihrem ersten Auftreten ala Kaufleute oder Kapitalisten bereits über ein gewisses Vermögen oder eine ent- sprechende Kreditbasis. Es ist schade, daß nichts darüber verlautet, woher dieses- Vermögen ursprünglich kam; denn damit wären wertvolle Belege möglich gewor- den für die gegensätzlichen Theorien Sombart-Strieder (dessen 1904 er- schienene „Genesis" allem Anscheine nach nicht berücksichtigt wurde) über Ver- mögensbildung der großen Kaufleute. Aus Grundrenten allein entstand dieses Ver- mögen nicht, wie die Verfasser ebenfalls annehmen. Allem Anscheine nach gründete es sich auf Landbesitz, zu dem Gewinne aus Handel mit Naturalien, Tuch usw. kamen. Denn wesentlich ist im Vergleich zu den Süddeutschen der nicht unbeträcht- liche Landbesitz, der nach Beendigung der Fehdezeit erfolgreichen Anreiz zu ratio- neller Wirtschaft und zu frühkapitalistischem Getreidehandel bot. Die „Geschlech- ter" des handelsschwachen Berlin verlassen die Stadt, um ihre Kapitalien - neben dem Kreditgeschäft - der nutzbringenden Landwirtschaft zuzuwenden und wer- den auf diese Art Landadelige. Die süddeutschen Landadeligen hinwider zogen be- kanntlich zum Teil in die Städte, als die Landwirtschaft weniger Erfolg versprach und wurden mit den Resten ihres Vermögens Kaufleute in den handelsstarken Städten. Der Zug ist also kontrar und dennoch aus dem gleichen Streben ent- standen, das erworbene oder noch vorhandene Vermögen vorteilhaft kapitalistisch auszunützen. Die wirtschaftlichen Gebietsverhältnisse zeigen auch hier ihren Ein- fluß. Als einziges Ausfuhrprodukt der Mark kamen die landwirtschaftlichen Erzeug- nisse in Frage. Das Getreide kam durch die Landbesitzer in die Seestädte und durch deren Kaufleute nach Spanien und Portugal als Austauschartikel gegen orien- talische Waren. Dorthin lenkten gleichzeitig die süddeutschen Kaufleute in selbst- tätig betriebenem Fernhandel zu gleichem Zweck gewaltige Mengen von Erzen,. Metallerzeugnissen, Textilien usw. Die hiefür erforderlichen Geldmittel kommen hier wie dort zum Teil aus den Profiten der Kredite an die Landesherren. Nur bleiben die Berliner Großkaufleute im Bereich ihrer weiteren Heimat, während die süddeutschen auf allen damals wichtigen europäischen Handelsplätzen selbständig im Waren- und Geldgeschäft tätig sind. Daher übersteigen auch ihre Umsätze ganz, bedeutend diejenigen ihrer norddeutschen Kollegen. Nicht daraus allein jedoch entstand in den süddeutschen Kaufmannskreisen ein vielfach überlegenes Kapital- vermögen. Es geht aus der Darstellung der drei Autoren für die von ihnen be- sprochenen Großkauf leute unwiderleglich hervor der Mangel einer tiefgründigen kaufmännischen Schulung, das Fehlen einer kaufmännischen Tradition, also jener Eigenschaften, die deo sonstigen deutschen Großkaufmann so sehr auszeichneten.

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Literatur. 519

Dies mag auch dazu beigetragen haben, daß die Unternehmungen der Berliner Großhändler meist nur eine Generation überdauerten. Frühkapitalistisches Emp- finden und Wollen war ihnen ebenso eigen, wie den Süddeutschen. Es scheiterte jedoch an den ganzen Wirtschaftsbeziehungen ihrer Heimat, wie am Mangel der seit Generationen geschöpften Erfahrung. Deshalb verschwanden auch die Berliner aus alteingesessenen Bürgern bestehenden Kaufmannsfamilien, ohne für Stadt und Land einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben. Man darf füglich an- nehmen, das Zurückziehen aus dem Warenhandel und der Übergang zum Geld- kreditgeschäft habe ihnen wie so manchem Süddeutschen diesen Ausgang bereitet.

Die Verfasser zeigen uns, wieviel vorsichtiger jene Großkauf leute waren, die als „gelernte" Kauf leute aus dem Rheinland nach Berlin kamen, geleitet vom sicheren Instinkt, hier die kaufmännisch durchgebildete Erfahrung mit Erfolg ausnützen zu können. Die Firmen Weiler- Sturm sind ein Lehrbeispiel dafür. Sie widerstanden lange Zeit dem Kreditgeschäft und blieben dem Warenhandel treu, in welchem sie es zu bedeutendem Wohlstande brachten. Doch auch sie dürften nicht viel davon hinterlassen haben, seit sie Geld- und Warenkredite gaben, die ihnen in der Zeit des großen Krieges nicht zurückgegeben wurden. Bemerkenswert ist bei den Weiler- Sturm die Gesellschaftsbildung, während alle übrigen von den Verfassern be- schriebenen Großkaufleute als Einzelpersonen die Geschäfte führten.

Überragend an händlerischem Gedanken und an Unternehmungslust ist Joa- chim Grieben geschildert. Hauptsächlich mit im Kreditwege erhaltenen Geldmitteln wurde er in der Kaufmannschaft nicht nur der größte Geldgeber des Kurfürsten Joachim II. Er trachtet, wie es andere mächtigere Kauf leute vor ihm getan, ein. Handelsmonopol aufzurichten, wofür ihm das Salz das geeignete Objekt erschien. Das ausführlich behandelte Kapitel über die geplante Salzversorgung ist besonders interessant. Griebens Bemühungen, das von den Hansen herangebrachte Baisalz in. der Mark, in Schlesien und in der Lausitz monopolistisch auszuwerten, erinnert in verkleinertem Maße an das beabsichtigte Pfeffermonopol seines Augsburger Zeit- genossen R o 1 1. So wie dieser ist auch Joachim Grieben nicht mehr der wägende frühkapitalistische Kaufmann guter Art, sondern ein Spekulant, der die Größe des Gewollten nicht beherrschte, die Mittel dazu nicht besaß und schließlich, wie andere auch, an der Kreditüberspannung und an der Unzuverlässigkeit des Hauptschuld- ners, des Kurfürsten, scheiterte.

Geldkapital war besondes unter den Landbesitzern reichlich vorhanden, und drängte nach Anlage der Überschüsse. Geldkapital war wohl das meistgesuchteste Gut jener Zeit. Wer es besaß, erhoffte aus der Kreditgewährung rasche und aus- giebige Vorteile zu ziehen, sei es in frühkapitalistischem gesundem wirtschaftlichen Sinn, sei es in rein spekulativer Art. Es gibt keinen der von den Verfassern erwähn- ten Kapitalisten, der nicht im Darlehensgeschäft tätig gewesen wäre; fast keinen, der nicht darin das Ende seiner WTirtschaftslauf bahn gefunden hätte. Gemessen an den Geldoperationen der süddeutschen Kaufleute sind die Darlehensbeträge der Berliner Kapitalisten verhältnismäßig gering zu nennen. Hunderttausende dort stehen hier Tausenden gegenüber. In Nord und Süd gleichermaßen herrschte der frühkapitalistische Erwerbsgeist. Nur die zu Gebote stehenden Mittel sind ver- schieden, entsprechend dem Wirtschaftsraum. Hier wie dort ist es in erster Linie die Finanznot des Staates, die den Kapitalisten - als Patrioten, als Geschäfts- mann oder als Spekulanten - zu Kreditgewährungen veranlaßt, die weit über seine Kräfte gehen. Hier wie dort der Zusammenbruch aus gleichen Gründen: Kreditüberspannung und Zahlungsunfähigkeit des Staates oder dessen Repräsen- tanten. Wiederholt werden dabei unsaubere Mittel von Schuldnern und Gläubigern gegeneinander in Anwendung gebracht. Alle diese Faktoren zusammen haben, wie die Autoren beweiskräftig zeigen, auch für Berlins Wirtschaft den Tiefgang vorbereitet, der im großen Krieg seinen Schlußakt fand.

Das vorliegende Buch ist geeignet, einen wertvollen Einblick in Teile der Wirtschaftsgeschichte Berlins und der Mark zu geben. Wenn auch der lokalhisto- rischen Darstellung (als Beitrag zur Geschichte der Mark Brandenburg) die Haupt- arbeit gewidmet ist, so wird das Buch doch auch dem allgemeinen Wirtschafts- historiker viel Anregung und Erweiterung der Kenntnisse geben. Kar aisl.

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