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Bernt Engelmann,

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Page 1: Bernt Engelmann,

Bernt Engelmann 1921 in Berlin geboren erlebte den ZweitenWeltkrieg zunaumlchst als Soldat bei der Luftwaffe dann alsAngehoumlriger einer Widerstandsgruppe wurde zweimal vonder Gestapo verhaftet und erst bei Kriegsende nach langerraquoSchutzlaquo-Haft in Gefaumlngnissen und Konzentrationslagernaus dem KZ Dachau befreit

Engelmann arbeitete schon waumlhrend seines Studiums alsJournalist fuumlr Gewerkschaftszeitungen dann als ReporterKorrespondent und Redakteur beim Spiegel spaumlter fuumlr dasNDR-Fernsehmagazin Panorama Seit 1962 war er freierSchriftsteller Viele seiner Buumlcher unter anderem Auf-steigerlaquo raquoHotel Bilderberglaquo raquoDie Laufmaschelaquo raquoDeutsch-land-Reportlaquo raquoSchwarzbuch Helmut Kohllaquo raquoGroszliges Bun-desverdienstkreuzcc raquoBerlinlaquo raquoDu deutschlaquo raquoDie BeamtenUnser Staat im Staatelaquo Untertanen Ein deutschesGeschichtsbuchlaquo sowie zusammen mit Guumlnter Wallraffda oben wir da untenlaquo -wurden in alle wichtigen Sprachenuumlbersetzt und sind sowohl in den USA wie in Ruszligland inFrankreich Groszligbritannien Schweden Finnland Polen Ita-lien Ungarn und in Japan erschienen Die Weltgesamtauflageseiner mehr als 40 Buchtitel hat die 15-Millionen-Grenzeuumlberschritten In Deutschland erscheinen seine Buumlcher imSteidl Verlag

Bernt Engelmann engagierter Gewerkschafter war von1977 bis 1984 Vorsitzender des Verbands deutscher Schrift-steller (VS) in der IG Druck und Papier von 1972 bis 1984 Prauml-sidiumsmitglied des PEN-Zentrums BRD war langjaumlhrigesMitglied der IG Metall und gehoumlrte der Tarif- und Verhand-lungskommission des VS an 1984 wurde er mit dem Heinrich-Heine-Preis ausgezeichnet Er starb 1994 in Muumlnchen

Bernt Engelmann

Helmut Kohloder Wie man einen Staat ruiniert

Unter Mitarbeit von Eckart Spoo

Mit einem Vorwort von Klaus

Wir senden Ihnen gern unser kostenlosesGesamtverzeichnis zuSteidl Verlag Duumlstere Straszlige 4 D-37073 Goumlttingen

98 99 01 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Copyright fuumlr diese AusgabeSteidlVerlag Goumlttingen 1998Alle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung Klaus DetjenUnterverwendung einer Collage von (Stern)Satz Druck BindungSteidl Duumlstere Straszlige 4 D-37073 GoumlttingenGedruckt auf Oumlko 2001 RC-Papierzur oumlkologischen Buchherstellung(80 Prozent Altpapier 20 Prozent Durchforstungsholzaus nachhaltiger Forstwirtschaftohne Faumlrbung ohne optische Aufheller)Printed in GermanyISBN 3-88243-570-4

Inhalt

Vorwort von Klaus Staeck

Editorische Notiz

Was ist raquoGroszliges Geldlaquo

Die Weichenstellung fuumlr den AufstiegHelmut Kohls

Kurzer Ausflug in die deutsche Geschichte

Mittelfristige Planung eines Kanzlerwechsels

Flick Musterbeispiel fuumlr den Miszligbrauchwirtschaftlicher Macht

Die seltsamen Vorspiele der raquogeistig-moralischen

Warum das Groszligkapital Helmut Kohl finanziertund was es dafuumlr gleich von ihm bekommen hat

Wie mit Kohls Hilfe die Reichen immer reicherund die Armen immer aumlrmer werden 102

raquoDer Kanzler der nationalen EinheitlaquoDer Kanzler der sozialen Spaltung 109

Was wir von Kohl noch alles zu erwarten habenund wie wir es verhindern koumlnnen 127

Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnot reglaquomiddotsup2 middotraquoregnot der Untertitel zur ersten Auflagevon Bernt Engelmanns Iacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 mag einigen Lesernzunaumlchst als reichlich uumlbertrieben vorgekommen sein Inzwi-schen ist diese Behauptung laumlngst zur bitteren Realitaumlt gewor-den Im Sinne von Engelmanns Anklage war Helmut Kohl alsKanzler ungewoumlhnlich erfolgreich Bund Laumlnder und Kommu-nen verhoumlkern inzwischen alles was Aussicht hat einenAbnehmer zu finden Laumlngst ist bei den Notverkaumlufen dassprichwoumlrtliche Tafelsilber an der Reihe Was oft genug Genera-tionen vor uns uumlber Steuern Schenkungen und Vererbung zuoumlffentlichem Eigentum anwachsen lieszligen wird jetzt hem-mungslos unter dem harmlos klingenden Begriff raquoPrivatisie-runglaquo zum Zwecke der Schuldentilgung verschleudert Inzwi-schen hat diese Auszehrung des Staates eine derartige Dyna-mik erreicht daszlig die Gestaltungsmoumlglichkeiten der nach unskommenden Generationen gegen Null tendieren Neben einerzerstoumlrten Umwelt werden unsere Schulden sie noch lange anuns erinnern

Ein von der Regierung Kohl gewollt ungerecht gestaltetesSteuersystem sorgt mit dafuumlr daszlig unser demokratischesGemeinwesen immer schneller einem Staatsbankrott entge-gentreibt Stuumlnde Kanzler Kohl an der Spitze eines normalenHandelsunternehmens liefe er Gefahr sich wegen Konkurs-verschleppung strafbar zu machen

Dem Sprecher des Finanzamtes der Taunusgemeinde BadHomburg einem Ort an dem sich besonders viele Millionaumlrebesonders wohl fuumlhlen verdanken wir jetzt die Veroumlffent-lichung einer besonders deprimierenden Bilanz Konnte dieGemeinde 1990 Einkommensteuern in Houmlhe von 439 Millio-nen Mark verbuchen muszligte sie im Jahre 1996 an die Reichendes Ortes noch 3 Millionen auszahlen Anderes Beispiel

Zahlte die weltweit uumlberaus erfolgreich agierende Siemens AGnoch 371 Millionen Mark Gewinnsteuern bekam der

Fiskus keine Mark mehr Und das alles ganz legalunter der Obhut einer Regierung die zwar ein immer lauteresLamento uumlber die leider so leeren Kassen des Staates an-stimmt aber nichts unternimmt um die Uumlberschuldung wenig-stens in Grenzen zu halten Im Gegenteil Die Superreichender Republik die sich ihren gesellschaftlichen Verpflichtungenimmer haumlufiger und immer geschickter entziehen werdenhofiert und umworben waumlhrend ganze Bevoumllkerungsschichtensich in ihrer Existenz unmittelbar bedroht fuumlhlen und der Mit-telstand jener oft unterschaumltzte Kitt einer demokratisch funk-tionierenden Gesellschaft an akuter Schwindsucht leidet

All das geschieht unter Assistenz einer kleinen Klientelpar-tei namens FDP die sich konsequent nach der MethoderaquoNehmt was ihr kriegen koumlnntlaquo von einer Partei der Besserver-dienenden zum Anwalt der Besserkassierenden entwickelt hatObwohl politisch seit geraumer Zeit nichts mehr geht klam-mern sich die Regierungskoalitionaumlre mit der Verzweiflungangeschlagener Boxer an die verbliebene Macht auf die Ver-geszliglichkeit und Resignation des muumlde gewordenen Wahlvol-kes vertrauend

Bernt Engelmann hat das System Kohl schon fruumlh praumlziseanalysiert und in seinen Konsequenzen uumlberzeugend darge-stellt Deshalb ist die Neuauflage seines anlaumlszliglich des Bundes-tagswahlkampfes 1994 erschienenen Buches von bedruumlckenderAktualitaumlt Moumlgen auch wenige Zahlen inzwischen uumlberholtsein so hat Engelmanns Beschreibung einer verhaumlngnisvollenPolitik der nun schon ganze 15 Jahre waumlhrenden Aumlra Kohlnichts an Wirksamkeit eingebuumlszligt Andeutungen sind dagegeninzwischen zur Gewiszligheit geworden Warnungen von der Wirk-lichkeit eingeholt

Engelmann weist in seinem Schwarzbuch nach daszlig derScherbenhaufen Kohlscher Politik nicht der in langen Amtsjah-ren schicksalhaften Haumlufung widriger Umstaumlnde geschuldet istsondern Folge einer systematisch betriebenen Interessenpoli-tik zugunsten der Reichen und zum Nachteil der immer groumlszligerwerdenden Schar Armer und Beduumlrftiger Als Ergebnis dieser

gezielt betriebenen Umverteilung ist die Masse des Geldesendguumlltig wieder bei denen gelandet die schon immer den laut-staumlrksten Anspruch darauf erhoben haben

Bernt Engelmann war stets ein kritischer Begleiter seinerZeit gepraumlgt von historischem Bewuszligtsein Vor allem durchseinen an deutscher Geschichte geschulten Blick hat er stetsaufs Neue das Leben der Leute unten beschrieben und sich sozum Sprachrohr und Anwalt jener gemacht die nicht gelernthaben sich auszudruumlcken und fuumlr ihre Rechte zu kaumlmpfenEngelmann hat durch seine Recherche sehr fruumlh erkannt daszligdas Prinzip der Regierung Kohl auf die Verarmung des Staateshinauslaumluft mit all den Folgen die wir jetzt landauf landabbeklagen Wenn sich inzwischen Vorstaumlnde von Konzernen aufAktionaumlrsversammlungen oumlffentlich bruumlsten trotz hoher Ge-winne in Deutschland keine Steuern mehr zu zahlen ist energi-sche Gegenwehr an der Zeit soweit man unsere Demokratienoch als beste aller Staatsformen und verteidigungswertes Gutbetrachtet

Wenn sich allerdings das notwendige Vertrauen der Buumlrgerdessen jede Regierung bedarf inzwischen nur noch aus der Lei-besfuumllle des Kanzlers und seinem schon ans Wahnhafte gren-zenden Optimismus speist der eine Niederlage nach der ande-ren zu immer neuen Erfolgen umluumlgt ist es um die Politik inunserem Lande miserabel bestellt Und als habe er nicht selbstall die Jahre die Richtlinien der Politik am Standort Deutsch-land bestimmt mahnt er mit einem sich steigernden Brusttonder Empoumlrung die Beseitigung all jener Miszligstaumlnde an fuumlrderen Entstehung er selbst die Verantwortung traumlgt

Bernt Engelmann hat das Ende der Kohl-Zeit nicht mehrerlebt Wir sind verpflichtet diesen laumlhmenden Zustand inden unser Land dank einer unbarmherzigen Politik geraten istmoumlglichst bald zu beenden Kohl hat seine Zeit gehabt ZurAbwendung des Anschluszligkonkurses ist die Auswechslung desGeschaumlftsfuumlhrers zu einer Uumlberlebensfrage im raquoFreizeitparkDeutschlandlaquo geworden

Klaus Staeck

Bernt Engelmann hat die Arbeit am Schwarzbuch 1994 unmit-telbar vor seinem Tod beendet Der Verlag hat sich entschlos-sen das Buch 1998 vier Jahre spaumlter erneut aufzulegen weilKohl seirsquos geklagt der Text nichts an seiner bedruumlckendenAktualitaumlt eingebuumlszligt hat Im Gegenteil Was sich 1994 noch alsgewagte Prognose als provokanter Beitrag zur Bundestagswahlauffassen lieszlig sieht sich nun taumlglich in den Wirtschaftsteilender Zeitungen bestaumltigt So hatte es Engelmann nun auch nichtgemeint als er dem Buch den Untertitel Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnotreglaquomiddotsup2 middotraquoregnot gab die CDUFDP-Koalition gleichwohl Denn dieUmverteilung von unten nach oben die Konservative undLiberale im letzten Wahlkampf zu ihrem Programm machtenhaben sie in der zuruumlckliegenden Legislaturperiode mit bestenKraumlften angepackt Wer heute sagt er habe es damals nichtgewuszligt habe es nicht wissen koumlnnen der lese EngelmannsIacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 -und vermag dann auch zu erahnen was die naumlch-sten vier Jahre bringen koumlnnen wenn sich das Wahlvolk erneutverkohlen laumlszligt

Die in diesem Buch angegebenen Zahlen sind nicht aktuali-siert worden mit Ausnahme der Liste der reichsten Deut-schen die auf einer Zusammenstellung von Dorothee Beckund Hartmut Meine beruht veroumlffentlicht in dem Band

laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoregocirc der im Herbst 1997 im Steidl Verlagerschienen ist Dort findet sich das derzeit aktuellste undumfangreichste Zahlenmaterial zur Verteilung des Reichtumsin der Bundesrepublik

Die Deutschen gelten als reich reicher als ihre Nachbarn vondenen allenfalls die Schweizer sich mit ihnen messen koumlnnenund erst recht im internationalen Vergleich Wie enorm derWohlstand in den alten und neuen Laumlndern ist (oder zu seinscheint) zeigt die amtliche Statistik

Das Geldvermoumlgen der privaten Haushalte (ohne derenHaus- und Grundbesitz Wertsachen und sonstige Vermoumlgens-werte) erbrachte ihnen 1992 etwas mehr als 200 Milliarden DMan Zinsen und Dividenden Das sind grob gerechnet 2500DM jaumlhrliche Einnahmen aus angelegtem Geldvermoumlgen fuumlrjede und jeden im vereinten Deutschland ob Saumlugling oderGreis Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt Ehepaarmit zwei Kindern -hat also laut Statistik zusaumltzliche Jahresein-kuumlnfte von 10000 DM (und im Hintergrund eine angelegteGeldreserve von 180000 bis 200000 DM die diese Zinsenerbringt) ein schoumlnes Zubrot beispielsweise fuumlr einen jun-gen Familienvater der als Beamter mit 1850 DM netto imMonat die Wohnungsmiete in einer Groszligstadt aufbringen undalle Ausgaben der vierkoumlpfigen Familie bestreiten muszlig

Nun wissen wir allerdings daszlig solch ein dem statistischenDurchschnitt genau entsprechender Fall in der Praxis nur ganzselten vorkommt Die allermeisten Arbeitnehmerfamilienhaben naumlmlich keine sechsstelligen Geldreserven und wennbei ihnen von Zinsen die Rede ist so handelt es sich in derRegel um solche die sie fuumlr aufgenommene Kleinkredite undDarlehen seufzend zu zahlen haben

Die Statistik luumlgt dennoch nicht sie wirft nur Arm und Reichin einen Topf Schon ein einziger Bewohner eines Mietshausesvielleicht dessen Eigentuumlmer der uumlber zwei Millionen DMGeldvermoumlgen verfuumlgt schafft im Verein mit den uumlbrigenHausbewohnern einem Dutzend Familien von Habenichtsen

jenen truumlgerischen statistischen Durchschnitt der uns einenallgemeinen Wohlstand vorgaukelt

Wenn wir uns daruumlber im Klaren sind kann uns auch ein wei-teres statistisches Ergebnis nicht mehr taumluschen naumlmlich daszligsich die Ertraumlge der privaten Geldvermoumlgen der Deutschen imLaufe des letzten Jahrzehnts nahezu verdreifacht haben Diesefuumlr uns scheinbar so erfreuliche Tatsache sagt uumlber die Vertei-lung des so stark vermehrten Wohlstands gar nichts aus Siekann beispielsweise bedeuten daszlig nur die ohnehin sehr Wohl-habenden noch um vieles reicher geworden sind die groszligeMehrheit der Unbemittelten aber unveraumlndert arm gebliebenund noch um einige soziale Absteiger vermehrt worden ist Ge-nau dieser Fall ist wie wir noch sehen werden tatsaumlchlich ein-getreten Profitiert von dieser Entwicklung haben im wesentli-chen nur die Herren des Groszligen Geldes

Was ist das eigentlich das raquoGroszlige GeldlaquoDie allermeisten Deutschen gleich ob in Ost oder West

haben davon keine oder nur eine ganz blasse Ahnung JedesMultimillionenvermoumlgen gilt ihnen schon als raquoGroszliges GeldlaquoUnd wenn sie selbst einmal im Lotto gewinnen sollten sagenwir knapp sechs Millionen DM steuerfrei - dann ist das nachMeinung der Freunde und Nachbarn und wohl auch nach ihrereigenen Einschaumltzung bereits das Groszlige Geld

Stellen wir uns nun einmal vor der oder die Gluumlckliche laumlszligtsich den ganzen Lottogewinn bar auszahlen dicke Packen vondruckfrischen Tausendern dazu noch etliche Buumlndel von200- und 100-DM-Scheinen saumluberlich aufgestapelt wobei einMeter Houmlhe jeweils genau einer Million DM entspricht derLottogewinn von knapp sechs Millionen Mark als Banknoten-stapel also vom Fuszligboden bis fast zur Decke der sechs Meterhohen Schalterhalle reicht

Doch so eindrucksvoll der Anblick dieses hohen Stapels auchsein mag als das raquoGroszlige Geldlaquo kann der Banknoten-Turm nochlaumlngst nicht gelten Unsere wirklichen Superreichen koumlnntensolche Vorstellung nur mitleidig belaumlcheln die Dimension die-ses scheinbaren Reichtums waumlre ihnen gar zu winzig

Als das amerikanische laumlngst auch hierzulande in deut-scher Sprache erscheinende Wirtschaftsmagazin raquoForbeslaquo im

Sommer 1990 die 400 reichsten deutschen Unternehmer vor-stellte da gab sich das Blatt mit gewoumlhnlichen Multimillionauml-ren gar nicht erst ab raquoForbeslaquo begann seine Aufzaumlhlung erst imraquoMultimegalaquo-Bereich also bei den mehr als hundertfachenDM-Millionaumlren

Die Summe der Vermoumlgen aller 400 Personen oder Familiendie raquoForbeslaquo vorstellte belief sich damals im Sommer 1990auf rund 200 Milliarden DM das Doppelte dessen was dieRegierung Kohl an Staatsanleihe aufzunehmen gedachte undfuumlr ausreichend hielt die ruinierte Wirtschaft der gerade verein-nahmten DDR zu sanieren und wieder in Schwung zu brin-gen Anders ausgedruumlckt Schon die Haumllfte des Vermoumlgensder 400 reichsten Westdeutschen haumltte nach offizieller Mei-nung gereicht fuumlr uumlber 16 Millionen raquoBruumlder und Schwesterndruumlbenlaquo gesunde wirtschaftliche Verhaumlltnisse zu schaffen

400 Privatvermoumlgen von zusammen 200 Milliarden DMergeben einen durchschnittlichen Reichtum der von raquoForbes1990 vorgestellten westdeutschen raquoSpitzenklasselaquo von je 500Millionen DM Stapelte man diese Summe nach Art des Lotto-gewinns in Banknoten waumlre ein solcher Bargeldturm 500Meter hoch mehr als dreimal so hoch wie der Koumllner Dom

Indessen gab es schon vor vier Jahren als das Wirtschaftsma-gazin die Superreichen der BRD vorzustellen begann nichtwenige deutsche Multimilliardaumlre die ihr Geld houmlher haumlttenstapeln koumlnnen als die Zugspitze (2 963 Meter) houmlher noch alsdas Gipfelkreuz des Mont Blanc (4 810 Meter) ja die mit ihremgebuumlndelten Baren sogar den Mount Everest (8 848 Meter)uumlberragt haumltten Von solchen gewaltigen Houmlhen aus betrachtetsind die Banknotenstapel der Lottogewinner aber auch die derzehn- zwoumllf- oder auch 25fachen Multimillionaumlre eine mit blo-szligem Auge gar nicht mehr wahrnehmbare Bagatelle und damitsollte nun auch klar sein was Geldlaquo wirklich bedeutet

Uumlbrigens seit 1990 sind die Kassen von Bund Laumlndern undGemeinden immer leerer geworden eine Schuldenlast vonastronomischer Houmlhe zwingt die oumlffentlichen Haumlnde zu rigo-rosen Sparmaszlignahmen und der Konjunktureinbruch der zuverzeichnen war (und noch ist) hat fuumlr Millionen Deutscheerhebliche Einkommenseinbuszligen mit sich gebracht (wovon im

einzelnen noch ausfuumlhrlich die Rede sein wird) Der Super-reichtum indessen hat keineswegs gelitten im Gegenteil

Das Groszlige Geld in den Haumlnden einiger deutscher Multimil-liardaumlre hat sich seit 1990 weiter kraumlftig vermehrt Hier nur einBeispiel Deutschlands Reichster der der breiten Oumlffentlich-keit nahezu unbekannte Erivan Haub aus MuumllheimRuhr (Ten-gelmann Kaiserrsquos Plus KD und nicht zuletzt was hierzu-lande nur Preiswert zu bedeuten scheint jedochzugleich die konzerneigene groumlszligte Einzelhandelskette derUSA Atlantic kennzeichnet) wurde im Sommer1990 auf deutlich uumlber sechs Milliarden DM Vermoumlgen taxiertdrei Jahre spaumlter im Sommer 1993 aber bereits auf mehr alszehn Milliarden DM Und so wie bei Haub ist es auch bei denzwei Dutzend anderen Deutschen die 1993 in die raquoForbeslaquo-Liste der raquoHundert Reichsten der Weltlaquo aufgenommen wur-den Ihre gigantischen Vermoumlgen sind in den Rezessionsjahrennicht kleiner sondern noch betraumlchtlich groumlszliger geworden(Eine Liste dieser deutschen Multimilliardaumlre findet sich aufden folgenden Seiten)

Wollten wir die Vermoumlgen der in den internationalen Spit-zenreichtum aufgestiegenen Deutschen durch gewaltige Bar-geldstapel (1 Meter = 1 Million DM) anschaulich machen sohaumltten wir ein Hochgebirgspanorama vergleichbar mit demHimalaya wobei der niedrigste Gipfel 3 400 Meter hoch diedrei houmlchsten gar Zehntausender waumlren houmlher als der houmlchsteBerg unserer Erde

Nachdem wir mit Hilfe dieser in Wirklichkeit ja niemalsvorkommenden gigantischen Banknotentuumlrme eine unge-

vom Groszligen Geld bekommen haben kehrenwir zuruumlck auf den Boden der Tatsachen beispielsweise derBonner Politik Da stellt sich dann heraus daszlig die erdachtenBargeldstapel als Ausdruck der Macht des Groszligen Geldes garnicht so unrealistisch sind wie man meinen koumlnnte

Mitunter nehmen naumlmlich auch bundesdeutsche Superrei-che statt ihres Scheckbuchs Bargeldstapel vorzugsweise solchevon druckfrischen Tausendern stecken davon einige Buumlndel inneutrale Umschlaumlge und uumlberreichen diese dann dem einenoder anderen ihrer Bekannten als Geschenk

Curt Engelhornund Familie Mrd DM

Familie Quandt Beteiligungen Mrd DM

Theo undKarl Albrecht Einzelhandel Mrd DM

Familie Haniel

Familie Merck

Handel Mrd DM

ChemiePharma Mrd DM

Familie Henkel Chemie Mrd DM

Erivan Haubund Familie Einzelhandel Mrd DM

Otto Beisheim GroszlighandelBeteiligungen Mrd DM

Familie Boehringer ChemiePharma Mrd DM

Friedrich Karl Flick jr Beteiligungen Mrd DM

Michael Ottound Familie Versandhandel 765 Mrd DM

FamilieSchmidt-Kuthenbeck Groszlighandel Mrd DM

Rolf Gerling Versicherungen Mrd DM

Familie Schickedanz Versandhandel Mrd DM

Natuumlrlich geschieht dies nicht in aller Oumlffentlichkeit wo-moumlglich vor laufenden Fernsehkameras vielmehr sehr diskretund stets handelt es sich bei den von Superreichen mit solchenGeldgeschenken groszligzuumlgig Bedachten um einfluszligreiche Politi-ker die zwar sehr uumlppige regulaumlre Einkuumlnfte haben aber trotz-dem immer Geld brauchen weil sie kostspielige Wahlkaumlmpfezu fuumlhren haben und fuumlrchten muumlssen nicht wiedergewaumlhlt zuwerden wenn ihnen das Geld ausgeht

Von diesen unterstuumltzungsbeduumlrftigen Politikern erwartendie superreichen Spender der gebuumlndelten Tausendmarkschei-ne dann ihrerseits allerlei Gefaumllligkeiten und diese werdenihnen in aller Regel auch schon bald nach der Gelduumlbergabevon den dankbaren Politikern erwiesen

Indessen sind solche fuumlr die Spender belanglos winzigenfuumlr die Empfaumlnger sehr stattlichen und hochwillkommenenGeldgeschenke meist in Raten von 50000 bis 250000 DMund die im Gegenzug erwiesenen Gefaumllligkeiten beileibe nichtals kriminelle Vergehen etwa als aktive und passive Beste-chung im Sinne der Paragraphen 331 ff des Strafgesetzbuchesgedacht oder zu verstehen Dergleichen kommt nur in wenigerreichen und weniger maumlchtigen Kreisen mitunter vor und wirdwenn es ruchbar wird sehr streng bestraft

Ganz anders liegt der Fall bei uumlppigen Geldgeschenken vonSuperreichen an Mitglieder des Bundeskabinetts und Vorsit-zende von Koalitionsparteien

Erstens wuumlrden bundesdeutsche Multimillionaumlre niemalsgegen Gesetze und Vorschriften verstoszligen wollen Sie wuumln-schen sich vielmehr eine Anpassung der Gesetze und Ausfuumlh-rungsbestimmungen an ihre auf groszlige Gewinne gerichtetenPlaumlne Der eine will beispielsweise ein Gesetz das inlaumlndischeVerkaufserloumlse die er in den USA profitabel anlegen will vonetlichen hundert Millionen Mark Steuern befreit Der andereverlangt eine Lockerung von Umweltschutzbestimmungenwodurch ihm enorme Ausgaben fuumlr die Umruumlstung von Che-mie-werken und Papierfabriken erspart werden Ein Dritterwuumlnscht die Streichung einiger zwar gesundheitsschaumldlicheraber sehr gut verkaumluflicher Chemikalien von einer Verbotslisteund alle gemeinsam fordern die Aumlnderung eines Paragraphen

der bislang die Beschaumlftigten eines indirekt durch Streikgelaumlhmten Werks beguumlnstigt hat also lauter fuumlr Superreicheganz natuumlrliche Verlangen die ihren Interessen dienen undihren Profit steigern so daszlig es nur gilt die Gesetze und Vor-schriften den Beduumlrfnissen des Groszligen Geldes entsprechendabzuaumlndern damit alles ganz legal vor sich gehen kann

Zweitens aber sind die Zuwendungen die die Superreichenden an der Gesetzgebung maszliggeblich beteiligten Politikernmachen (oder machen lassen) so geringfuumlgig im Vergleich zuden enormen Vorteilen die sie sich damit verschaffen daszlig keinbundesdeutscher Staatsanwalt sie als strafrechtlich relevantansehen koumlnnte

Wenn beispielsweise ein Multimilliardaumlr wie Herr Flick zurErlangung von etlichen hundert Millionen Mark Steuererspar-nis nur lumpige zwei drei Millionen an diverse Spitzenpoli-tiker verteilt hat weniger als ein Prozent des Gewinns - sovermochte keiner der Beteiligten darin etwas Unrechtes zuerkennen raquoJede Sparkasse verschenkt doch Pfennigartikel wieKugelschreiber oder Wandkalender selbst an Kunden die nurein paar Mark an jaumlhrlichen Kontogebuumlhren einbringenlaquo mein-te einer der Flick-Bediensteten treuherzig

Doch mit der Erwaumlhnung einer der vielen Flick-Millionen-spenden sind wir schon mitten in der Praxis des Bonner Alltagsund koumlnnen die theoretischen Erwaumlgungen abschlieszligen Dennnun sollte jeder und jedem klar sein was Groszliges Geld ist undwelche Macht damit ausgeuumlbt wird

Gewiszlig laut Verfassung wird der die Richtlinien der Politikbestimmende Kanzler von der Bundestagsmehrheit gewaumlhltund uumlber deren Zusammensetzung entscheiden die Waumlhlerin-nen und Waumlhler in allgemeiner gleicher direkter und gehei-mer Wahl So bestimmt es das Grundgesetz in dessen Artikel20 Absatz 2 es folgerichtig heiszligt raquoAlle Staatsgewalt geht vomVolke auslaquo

Doch das war nicht immer so (wie das Kapitel raquoKurzerflug in die deutsche Geschichtelaquo es noch naumlher beschreibenwird) Hier soll es genuumlgen daran zu erinnern daszlig noch bis vorwenig mehr als 75 Jahren im groumlszligten Teil Deutschlands dassogenannte Dreiklassenwahlrecht galt bei dem es die Superrei-

chen weitaus bequemer hatten Es gab einigen wenigen Multi-millionaumlren ebenso viele Stimmen wie Zigtausenden von Nor-malverdienern und es entrechtete die Armen voumlllig ebensoalle Frauen und Jugendlichen Kurz die Superreichen brauch-ten keine Abgeordneten zu bestechen sondern bestimmtenselbst die Mehrheitsverhaumlltnisse

Dieser fuumlr das Groszlige Geld so angenehme Zustand endete1918 als das vom raquoEisernen Kanzlerlaquo Bismarck geschaffeneKaiserreich ruhmlos unterging

Indessen ging nur der Kaiser die Superreichen bliebenunter ihnen auch die Familie der Fuumlrsten Bismarck und dieHohenzollernprinzen als neu hinzugekommener Kriegsge-winnler des Ersten Weltkriegs auch Friedrich Flick Sie alle(oder ihre Erben) brachten ihre riesigen Vermoumlgen sicher durchdie Nachkriegswirren und die totale Geldentwertung die dendeutschen Mittelstand verarmen lieszlig und fanden neue Wegeder Machtausuumlbung zwecks weiterer Vermehrung ihres Reich-tums

Sie uumlberstanden die vierzehn Jahre der Weimarer Republikwurden in den folgenden zwoumllf Jahren der Nazi-Diktatur unddes Zweiten Weltkriegs noch um vieles reicher vor allemdurch Ruumlstungsauftraumlge Ausbeutung von Millionen Sklaven-arbeitern Pluumlnderung der eroberten Gebiete und raquoArisierunglaquojuumldischen Vermoumlgens und hatten auch nach der vollstaumlndigenNiederlage der groszligdeutschen Wehrmacht und dem Untergangder Hitler-Diktatur in den westlichen Besatzungszonen derspaumlteren Bundesrepublik keinen Grund zur Klage Das GroszligeGeld blieb unangetastet kam sicher durch die Krisenjahre derersten Nachkriegszeit wurde von der Waumlhrungsreform ver-schont und vermehrte sich dann geradezu explosionsartig alsdas raquoWirtschaftswunderlaquo einsetzte

Zwanzig Jahre lang wurde die Bundesrepublik im Zeichendes Kalten Krieges und der massiven Aufruumlstung von konserva-tiven Kanzlern regiert und zu einem Paradies der Superreichendie sich fuumlr Groszligverdiener maszliggeschneiderte Gesetze undSteuergeschenke noch und noch machen lieszligen und ihrerseitsden sie so gut bedienenden Politikern die Wahlkaumlmpfe finan-zierten

Ende der sechziger Jahre kam endlich ein Umschwung DieStudenten rebellierten gegen das konservative Establishmentgegen die von der Springer-Presse betriebene Volksverdum-mung gegen die zutiefst unmoralische undemokratische undunsoziale Herrschaft des Groszligen Geldes Mit Willy Brandtkam erstmals ein Kanzler ans Ruder der das Eis des KaltenKrieges zu brechen begann eine Friedenspolitik einleitete undein inneres Reformwerk in Gang setzte Seine ParoleDemokratie wagenlaquo fand groszligen Widerhall

Indessen sorgte der kleine Koalitionspartner des Bundes-kanzlers Willy Brandt (SPD) die FDP stets dafuumlr daszlig dieBaumlume nicht in den Himmel wuchsen sprich daszlig die Politikden Interessen des Groszligen Geldes nicht abtraumlglich war unddennoch betrieben damals rechtskonservative Kreise der Wirt-schaft bereits wenn auch zunaumlchst vergeblich den Sturz WillyBrandts indem sie Abgeordnete der Koalition mit betraumlchtli-chen Summen zum Abfall vom sozialliberalen Regierungslagerbewogen

Die damaligen Vorgaumlnge sind geradezu ein Musterbeispielfuumlr das direkte Einwirken des Groszligen Geldes auf die BonnerPolitik und deshalb seien sie zum besseren Verstaumlndnis dergegenwaumlrtigen Verhaumlltnisse im folgenden Kapitel kurz be-schrieben

Nichts zeigt deutlicher wie hohl Helmut Kohls staumlndig imMunde gefuumlhrte Phrase von der raquogeistig-moralischen Wendelaquoin Wahrheit ist als das Vorgehen seiner engsten Freunde undFoumlrderer (und sein eigenes Verhalten) im Fruumlhjahr 1972 alsschon die Weichen fuumlr den Aufstieg des raquoSchwarzen Riesenlaquoins Kanzleramt von den Repraumlsentanten des Groszligen Geldesgestellt wurden

In den spaumlten 1960er und fruumlhen siebziger Jahren war imWesten Deutschlands viel die Rede von raquomehr Mitbestim-munglaquo Genauer Alle Groszligunternehmen sollten nicht alleinvon den Kapitalgebern sondern im gleichen Umfang also pari-taumltisch auch von den Arbeitern und Angestellten in ihrergesamten Unternehmenspolitik bestimmt werden so wie esim Montanbereich bei Kohle und Stahl von der britischenBesatzungsmacht eingefuumlhrt worden war und sich glaumlnzendbewaumlhrt hatte

Allerdings waren den seit 1969 in Bonn regierenden Sozial-demokraten in dieser Frage die Haumlnde gebunden ihr Koaliti-onspartner die FDP hatte sich ausbedungen das ThemaraquoMitbestimmunglaquo fuumlr die Dauer des Regierungsbuumlndnissesraquoauszuklammernlaquo Um so intensiver nahmen sich die nun inder Opposition stehenden Christdemokraten der gewerkschaft-lichen Forderung an zumindest ihr damals starker raquolinkerlaquo Fluuml-gel unter Fuumlhrung von Norbert Bluumlm Gemeinsam mit demaufstrebenden Helmut Kohl damals schon Ministerpraumlsidentin Rheinland-Pfalz erarbeitete Bluumlm einen Mitbestimmungs-Entwurf fuumlr das CDU-Parteiprogramm der dann auf heftigenWiderstand der Herren des Groszligen Geldes stieszlig Der CSU-Schatzmeister und Mitgesellschafter des Flick-Konzerns DrWolfgang Pohle sah in dem BluumlmKohl-Entwurf bereits raquodieGrenzen zur Planwirtschaft gefaumlhrlich verwischtlaquo der dama-lige IIenkel-Konzernmanager Kurt Biedenkopf stieszlig ins selbeHorn und CDU-Rechtsauszligen Alfred Dregger sah schon denraquoKommunismus durch die Hintertuumlrlaquo in die Groszligunternehmendringen

Dennoch gab man dem BluumlmKohl-Entwurf reelle Chan-cen auf dem CDU-Parteitag vom Januar 1971 eine Mehrheit zuerhalten und ins Wahlprogramm der Union aufgenommen zu

werden zumal auch der damalige CDU-Vorsitzende RainerBarzel Mitbestimmungs-Sympathien zu hegen schien

Aber dann kam alles ganz anders Nachdem Kohl von einemFlick-Vertrauensmann dem Daimler-Personalchef Dr HannsMartin Schleyer aufgesucht und ins Gebet genommen wordenwar machte er sich daran ein raquoKompromiszlig-Papierlaquo zu entwer-fen Kohls neuer Entwurf sicherte dem Kapital die Herschaftraumlumte aber den Arbeitnehmern gewisse Mitwirkungsrechteein Es lohnt indessen nicht die Einzelheiten zu schildernDenn kaum war der urspruumlngliche BluumlmKohl-Entwurf aufdem Parteitag erwartungsgemaumlszlig gescheitert weil sich herum-gesprochen hatte daszlig Kohls allgemeine Zustim-mung linden wuumlrde da erwies es sich daszlig nicht einmal Hel-mut Kohl selbst fuumlr seinen eigenen Plan einzutreten bereit warEr empfahl statt dessen einen Entwurf der Industrie undstimmte fuumlr diesen

Damit hatte Helmut Kohl -vom Standpunkt der Herren desGroszligen Geldes gesehen seine Bewaumlhrungsprobe bestandenauch wenn er dann bei der Kandidatur fuumlr den CDU-Parteivor-sitz gegen Rainer Barzel ein letztes Mal unterlag Der erbosteNorbert Bluumlm aber lieszlig sich vor der Presse zu der Aumluszligerunghinreiszligen raquoWir sind eben doch eine Unternehmerparteilaquo

Rainer Barzel erkannte nun in Helmut Kohl seinenlichsten Rivalen den es abzuschuumltteln galt So wagte er imFruumlhjahr 1972 den Versuch Kanzler Willy Brandt durch ein kon-struktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzen

Der kuumlhne Versuch anstelle von Brandt Kanzler zu werdenund damit jede innerparteiliche Konkurrenz auszustechen miszlig-lang und uumlberdies verlor die von Barzel gefuumlhrte Union auchdie Bundestagswahl vom November 1972 Der raquogluumlckloselaquozel den seine Partei und deren Geldgeber daraufhin gern kalt-gestellt haumltten war aber keineswegs bereit freiwillig einem an-deren Platz zu machen und er hielt auch noch einige Truumlmpfebereit die er auszuspielen drohte falls man versuchen wuumlrdeihn beiseite zu schieben Seine Drohungen zeigten erheblicheWirkung und nun war guter Rat wirklich sehr teuer

Es begann was in den geheimen erst zehn Jahre spaumlteroumlffentlich bekanntgewordenen Aufzeichnungen des

gen Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard v Brauchitsch als raquokon-zertierte Aktionlaquo bezeichnet wurde Von CDU-Seite wurdenHeinrich Koumlppler und Helmut Kohl aktiv auf Unternehmer-seite Professor Kurt Biedenkopf vom Henkel-Konzern derunvermeidliche Flick-Vertrauensmann Dr Hanns MartinSchleyer und natuumlrlich auch vBrauchitsch sodann GuidoSandler vom Oetker-Konzern endlich auch Konrad Henkelder Chef des Henkel-Konzerns Das Ergebnis war daszlig RainerBarzel ein raquoweicher Falllaquo angeboten werden konnte Zu seinenstattlichen regulaumlren Bezuumlgen sollten jaumlhrlich 250 bis300000 DM Honorare kommen die ihm der FrankfurterRechtsanwalt Dr Paul zukommen lassen wuumlrde der seinerseitsdas Geld von raquoIndustriemandantenlaquo bekaumlme Und genausogeschah es

Zehn Jahre spaumlter schrieb Erich Boumlhme daruumlber im raquoSpiegellaquounter der Uumlberschrift Dr Kohllaquo

raquoRainer Candidus Barzel der gescheiterte Kanzleraspirantdes Jahres 1972 dessen salbungsvolle Tiraden die DeutschenAnfang der siebziger Jahre uumlberreichlich genervt hatten undden die Union schlieszliglich aus Fraktions- und Parteivorsitzhebelte waumlre nie zum gtsozialen Falllt geworden Trotz einschlauml-giger Sorgen die der damalige Kohl-Intimus Kurt Biedenkopfdem Barzel-Nachfolger Kohl aktenkundig machte Durch-schlag an das Haus Flick versteht sich Das Haus Flickzahlte Barzel kassierte (mit zusaumltzlichen Garnierungen vonder Chase Manhattan Bank und vom Hause Oetker) der erfolg-lose CDU-Chef raumlumte ohne Gezeter das Feld Das Flick-Kuumlrzel Dr hatte seinen Zweck erfuumlllt wg DrKohl dessen Chefstuhl mit eintausendsiebenhundert Flick-Tausendern Millionen DM) freigefaumlchelt worden warlaquo

Auch Barzel-Nachfolger Kohl war zunaumlchst gluumlcklos 1976trat er als Kanzlerkandidat der Union an und unterlag bei denBundestagswahlen 1980 wurde Kohls Rivale Franz JosefStrauszlig als Kanzlerkandidat nominiert und scheiterte ebenfallsAber dann am 1 Oktober 1982 kam Helmut Kohls groszligeStunde Mit Hilfe der abgefallenen raquoGruppe Genscher-Lambs-dorfflaquo der FDP wurde der gewaumlhlte Bundeskanzler HelmutSchmidt (SPD) durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum

gestuumlrzt Kohl zum Kanzler gewaumlhlt mit einer Mehrheit vonsieben Stimmen und gegen den erklaumlrten Willen jener Waumlhlerdenen Genscher im Herbst 1980 feierlich versprochen hatte erwerde raquovier Jahre als zuverlaumlssiger und aufrichtiger Partnerlaquomit Helmut Schmidt und der SPD die Koalition fortsetzen

Ein Drittel der FDP-Bundestagsfraktion darunter fast alleFrauen verweigerte Genscher und dem Grafen Lambsdorffdie Gefolgschaft bei diesem Betrug am Waumlhler Aber seither istKohl Bundeskanzler und regiert die BRD auf eine Weise diehaargenau den Wuumlnschen derer entspricht die mit Hilfe derMacht des Groszligen Geldes den Kanzlerwechsel langfristig vor-bereitet und dann herbeigefuumlhrt hatten

Warum war ihre Wahl auf den Pfaumllzer Helmut Kohl gefallenWodurch hatte er sich vor anderen Bewerbern um das Kanzler-amt ausgezeichnet und die Gunst der Herren des Groszligen Gel-des erworben so daszlig sie ihm zunaumlchst den Chef-Sessel derCDU mit fast zwei Millionen Mark Barzel-Abfindung raquofreigefauml-cheltlaquo und schlieszliglich auch die zur Kanzlerwahl fehlendenStimmen raquobeschafftlaquo hatten Ja wer war uumlberhaupt dieser Hel-mut Kohl den die meisten Bundesbuumlrger nur als jungen Lan-desvater von Rheinland-Pfalz und als Wahlverlierer von 1976kannten

Helmut Kohls politische Karriere begann in seiner wirtschaft-lich vom Chemie-Riesen BASF beherrschten traditionell vonder SPD regierten -Heimatstadt Ludwigshafen Dort war er am3 April 1930 als Sohn eines kleinbuumlrgerlichen Finanzbeamtenzur Welt gekommen

Kohls autorisierter Biograph Karl Guumlnter Simon der demheutigen Kanzler in seinem 1969 erschienenen Buch raquoDieKronprinzenlaquo immerhin schon ein knappes Dutzend Seitengewidmet hat berichtet darin daszlig Helmut (raquoHellelaquo) Kohl raquoausschwarzem Elternhauslaquo stamme daszlig der kraumlftige hochgewach-sene Oberrealschuumller schon 1949 im ersten Bundestagswahl-kampf fuumlr die CDU als Redner aufgetreten sei (und zwar wieFreunde und Gegner uumlbereinstimmend sich erinnern raquolauthemdsaumlrmelig und naszligforschlaquo) und daszlig er dann langsamraquoSchritt fuumlr Schrittlaquo Karriere gemacht habe

Schon als 17jaumlhriger war Kohl der Jungen Union beigetretenmit 25 Jahren wurde er bereits Mitglied des rheinland-pfaumllzi-schen CDU-Landesvorstands mit 28 Jahren Kreisvorsitzenderin Ludwigshafen und juumlngster Landtagsabgeordneter im Main-zer Parlament Nach dem Wunsch seiner Eltern studierte erzunaumlchst Rechtswissenschaft in Heidelberg denn er solltehoumlherer Beamter werden Aber er interessierte sich nur fuumlr Poli-tik genauer fuumlr seine eigene politische Karriere Geld ver-diente er sich nebenher erst als Praktikant bei der BASF alsDirektionsassistent bei der Eisengieszligerei Mock als kaufmaumlnni-scher Volontaumlr bei der Miederwarenfabrik raquoFelinalaquo dann alsReferent des Landesverbands der chemischen Industrie vonRheinland-Pfalz-Saar in Ludwigshafen Ehe er dort -mit einemAnfangsgehalt von DM spaumlter 3 000 DM-seine Taumltigkeitaufnahm erwarb er nach immerhin neun Jahren oder 18Semestern die seit seinem Abitur vergangen waren den Dok-torgrad nicht den juristischen denn er hatte im 5 Semesterumgesattelt sondern den Dr phil des Fachs Geschichte miteiner 160 Schreibmaschinenseiten umfassenden vornehmlichaus sorgsam gesammelten Zeitungsmeldungen bestehendenArbeit zum Thema raquoDie politische Entwicklung in der Pfalzund das Wiedererstehen der Parteien nach

Dr Kohls Sternstunde kam wenn man seinen BiographenGlauben schenken darf am 3 April 1959 seinem 29 Geburts-tag mitten im rheinpfalzischen Landtagswahlkampf Kohl kan-didierte zum ersten Mal und nun stand ihm so beschrieb esLothar Wittmann raquoein groszliger Auftritt bevor Konrad Ade-nauer wird zu einer Groszligveranstaltung erwartet Im hochrotenLudwigshafen soll der Besuch des Kanzlers zu einer eindrucks-vollen Demonstration der Schwarzenlaquo werden Zu diesemBehuf hat CDU-Geschaumlftsfuumlhrer Fritze Keller zwei gewal-tige Wurstmarktzelte aus Bad Duumlrkheim auf dem Marktplatzaufstellen lassen (Sie) fassen 8 000 Besucher KleinmuumltigeZweifler haben Kohl vor solchen Ausmaszligen gewarnt 20Minuten vor Beginn der auf 20 Uhr angesetzten Versammlungist die Nervositaumlt groszlig Uumlber Polizeifunk wird angekuumlndigt daszligder Kanzlerwagen bereits Darmstadt passiert hat und die Zeltesind erst zu houmlchstens 20 Prozent gefuumlllt Wenn der Besucher-

strom so duumlnn bleibt wird es eine Blamage geben Kurz ent-schlossen dirigiert Kohl den Kanzlerkonvoi ins Hotel St Hu-bertus um Der geplagte Kanzler muszlig die Moumlglichkeit habensich vor dem Auftritt noch etwas frisch zu machen

Als der Kanzler dann eintrifft sind die Zelte brechendvoll Der Zustrom hat in letzter Minute und schlagartig ein-gesetzt Drei Redner an diesem Abend Helmut Kohl haumllt eineschwungvolle Begruumlszligungsrede dann Peter Altmeier der(rheinland-pfalzische) Ministerpraumlsident dann Konrad Ade-nauer Helmut Kohl bringt enthusiastische Stimmung ins Zelter spricht angriffslustig wettert gegen Herbert Wehners Agitati-onsbesuch in der BASF Droht die Politisierung der BetriebeKonrad Adenauer wird aufmerksam mustert interessiert denlangaufgeschossenen Nachwuchsredner fragt seinen Nach-barn Peter Altmeier wer denn dieser hoffnungsvolle jungeMann seilaquo und ernennt so moumlchte man vermuten wennman dieser eindrucksvollen Schilderung gefolgt ist HelmutKohl sogleich zu seinem politischen Enkel und spaumlteren Nach-folger

Dies war jedoch keineswegs der Fall die Ernennung zumAdenauer-Enkel nahm Helmut Kohl spaumlter selber vor undauch die wunderbare Publikumsvermehrung in den Ludwigs-hafener Zelten kam nicht von ungefaumlhr Sie hatte viel ArbeitAnstrengung und Hilfe von den Unternehmern aus demUmland erfordert von denen einer sich ruumlhmte er habe es sich12 000 DM kosten lassen raquoseine Leutelaquo in Bussen raquoheranzukar-ren ihnen 5 Mark pro Kopf spendiert fuumlr Verzehr und damitKohls Schau gerettetlaquo

Wie dem auch sei Jedenfalls ist eines sicher naumlmlich daszligHelmut Kohl damals schon einen millionenschweren Industri-ellen zum Freund und Foumlrderer hatte der Kohls Talente ZU

schaumltzen wuszligte und wie er spaumlter wiederholt erklaumlrte raquoeinenguten Riecherlaquo fuumlr kommende Spitzenpolitiker hatte die sichihren Maumlzenen dann als sehr nuumltzlich erweisen konnten

Helmut Kohls damaliger reicher Goumlnner war uumlbrigens derGroszligaktionaumlr und Vorstandsvorsitzende eines aufbluumlhendenUnternehmens mit uumlber zweitausend Beschaumlftigten in der vonLudwigshafen nur acht Kilometer entfernten pfaumllzischen

stadt Frankenthal Fast zwei Jahrzehnte lang waumlhrend ausdem Ludwigshafener JU-Fuumlhrer ein Stadtrat dann ein CDU-Landtagsabgeordneter Fraktionsvorsitzender schlieszliglich so-gar ein rheinland-pfaumllzischer Ministerpraumlsident CDU-Bun-desvorsitzender und Kanzlerkandidat wurde war Helmut Kohlein haumlufiger Gast in der Frankenthaler Industriellen-Villa Inallen diesen Jahren gab es zwischen Kohl und seinem reichenGoumlnner viele Gespraumlche uumlber politische und wirtschaftlicheFragen Der junge Politiker Kohl holte sich manchen Rat vonseinem um 23 Jahre aumllteren beinahe vaumlterlichen Freund lieszligsich von diesem erzaumlhlen wie man aus sehr bescheidenenAnfangen uumlber Krieg Niederlage und Waumlhrungsreform hin-weg zu Multimillionaumlrs- und Konzernherren-Houmlhen aufsteigtund er scheint sich damals vorgenommen zu haben es seinemFoumlrderer gleichzutun zumindest hinsichtlich eines ruumlcksichts-losen Gebrauchs der Ellbogen und eines Mindestmaszliges anmoralischen Skrupeln sowie einer sorgfaumlltigen Pflege dessenwas sein erfahrener Goumlnner raquonuumltzliche Beziehungenlaquo zu nen-nen pflegte

Tatsaumlchlich hatte dieser Frankenthaler Industrielle glaumln-zende Verbindungen und sogar enge freundschaftliche Bezie-hungen zu bereits arrivierten und kommenden Spitzenleutenaus Politik und Wirtschaft Einigen davon praumlsentierte undempfahl er seinen Schuumltzling Helmut Kohl und auch sonstkonnte der steinreiche Konzernchef dem aufsteigenden Jung-politiker auf mancherlei Weise behilflich sein

Natuumlrlich stellte Helmut Kohl seinem Foumlrderer auch dasMaumldchen vor mit dem er sich zu verloben und wie es fuumlreinen christlichen Politiker obligatorisch war in Baumllde zu ver-heiraten gedachte und erst nachdem Kohls einstige Tanzstun-denfreundin und zukuumlnftige Ehefrau Hannelore von der Fami-lie des Frankenthaler Industriellen in Augenschein genommenworden war traf der angehende Landespolitiker Vorbereitun-gen fuumlr die Gruumlndung eines eigenen Hausstands Zwei Monatenach seinem Einzug ins Mainzer Landesparlament verheira-tete er sich mit Hannelore Renner

Nun konnte Helmut Kohl seinem Foumlrderer hie und da auchschon ein paar Gefaumllligkeiten erweisen denn sein Einfluszlig in

der Mainzer CDU-Fraktion war von Anfang an groszlig und ande-rerseits steigerte der reiche Industrielle das Ansehen des juumlng-sten Abgeordneten indem er diesen mitnahm auf eine Afrika-reise wie sie sich damals Anfang der sechziger Jahre ein nochunbekannter Provinzpolitiker kaum zu ertraumlumen wagte FrauHannelore durfte derweilen mit der Gattin des IndustriellenFerien im schweizerischen Zermatt machen wo den Damenein luxurioumlses Chalet Zurverfuumlgung stand Die Traumreise aufdie Kohl damals von seinem noblen Goumlnner mitgenommenwurde ging ins Koumlnigreich Marokko dessen Honorarkonsulfuumlr Rheinland-Pfalz sein vaumlterlicher Freund geworden war undsie wurde fuumlr Helmut Kohl zu einem Erlebnis wie aus Tausend-undeiner Nacht Uumlbrigens es sei hier nur am Rand vermerktweil es das harte Urteil vieler anderer politischer Freunde wieGegner uumlber den jungen Politiker Kohl bestaumltigt Auch der ihmso wohlwollende Industrielle ruumlgte gerade im Anschluszlig andiese Marokkoreise die miserablen Umgangsformen seinesSchuumltzlings Wie schon gelegentlich zuvor und noch oftmalsspaumlter als Kohl schon laumlngst Ministerpraumlsident in Mainz gewor-den war bedauerte der Herr Konsul wenngleich nur im enge-ren Familien- und Freundeskreis das raquoungehobelte Beneh-menlaquo Kohls und sein raquoschrecklich ruumlcksichts- und taktlosesAuftretenlaquo Der engste Freund des Herrn Konsuls dem erdavon erzaumlhlte lachte indessen nur und sagte wie er spaumlterdem Autor selbst erzaumlhlte - raquoLaszlig man Fritz wenn er werdensoll was wir uns ausgedacht haben kann er gar nicht ruumlcksichts-los genug seinlaquo

Uumlbrigens der bislang verschwiegene Name des Kohl-Ent-deckers und langjaumlhrigen -Goumlnners war Dr Fritz Ries damali-ger Chef und Groszligaktionaumlr des raquoPegulanlaquo-Konzerns mitHauptsitz in Frankenthal Dessen alter Freund einstiger Kom-militone und bei der Heidelberger schlagendenVerbindung raquoSuevialaquo und spaumlterer stellvertretender Vorsitzen-der des raquoPegulanlaquo-Aufsichtsrats aber hieszlig Dr Hanns MartinSchleyer war bereits der Vertrauensmann des Daimler-Groszlig-aktionaumlrs Friedrich Flick in der Untertuumlrkheimer Konzernzen-trale und bald auch stellvertretender Vorsitzender vonsamtmetalllaquo sowie Vizepraumlsident der Arbeitgebervereinigung

Er sollte noch houmlher aufsteigen ehe er im Herbst 1977 von Ter-roristen entfuumlhrt und ermordet wurde doch in unseremZusammenhang ist zunaumlchst nur von Bedeutung daszlig es DrRies und Dr Schleyer waren die den Jungpolitiker HelmutKohl raquovormerktenlaquo fuumlr zukuumlnftige Jahre wenn eine raquoBundes-regierung nach Maszliglaquo und nach dem Herzen der groszligen Kon-zerne aufzustellen sein wuumlrde

Wir werden auf Dr Fritz Ries und Dr Hanns MartinSchleyer noch einmal zuruumlckkommen doch hier sei uumlber Riesnur noch angemerkt daszlig es fuumlr den raquoPegulanlaquo-Konzern unddessen Produkte vor allem Fuszligbodenbelaumlge aus Kunststoff1975 eine Absatzkrise gab Nur durch eine Landesbuumlrgschaft inMillionenhoumlhe konnten die Banken bewogen werden demUnternehmen noch einmal uumlber die Runden zu helfen DasFachblatt raquoWirtschaftswochelaquo meldete dazu am 5 Maumlrz 1976raquoTatsaumlchlich muumlssen die Finanzkalamitaumlten bei Ries und den

Pegulan-Werken noch gravierender sein als in der vom23 Januar 1976 dargestellt Der rheinland-pfalzische Finanzmi-nister Johann Wilhelm Gaddum muszligte dem SPD-Abgeordne-ten Rainer Rund auf eine Anfrage zur Pegulan-Krise denn aucheingestehen Landesbuumlrgschaften werden nur dann gewaumlhrtwenn die Sicherheiten im Sinne der Beleihungsgrundsaumltze derKreditinstitute nicht ausreichen Im Klartext heiszligt das lan haumltte ohne die Buumlrgschaft des Landes keinen Kredit mehrbekommen Ob indes diese Landeshilfe allein wegen dergefaumlhrdeten Arbeitsplaumltze zugesagt wurde oder ob der CDU-Kanzlerkandidat und Rheinland-Pfalz-Chef Kohl zusaumltzlichein gutes Wort fuumlr Ries einlegte bleibt offenlaquo

Offen bleibt auch ob der sowohl von der serioumlsen raquoWirt-schaftswochelaquo als auch vom exklusiven raquoManager-Magazinlaquoverbreitete angebliche Ries-Ausspruch uumlber Kohl -raquoAuch ich ihn nachts um drei anrufe muss er springen laquo- korrekt wieder-gegeben worden ist Immerhin bezeichneten Ries-TochterMonika und deren Ehemann Rechtsanwalt Herbert Krall die-

Mit Gewiszligheit laumlszligt sich nur sagen daszlig das damals von Hel-mut Kohl gefuumlhrte Land Rheinland-Pfalz den Konzern des Dr

Ries durch Uumlbernahme von Buumlrgschaften in Millionenhoumlhelange vor dem Zusammenbruch bewahrt hat Dabei hat moumlgli-cherweise der Umstand eine Rolle gespielt daszlig dem Ries-Kon-zern schon zuvor bedeutende Landesmittel zuteil gewordenwaren deren Gesamthoumlhe von Fachleuten auf zig MillionenDM veranschlagt wurde

Ebenfalls durch Kohl zuteil geworden war Dr Fritz Ries imFebruar 1972 der Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuzeine ungewoumlhnliche Ehrung fuumlr einen Mann dessen raquounter-nehmerische Leistung und Engagement fuumlr die Gesellschaftlaquowie es in der Verleihungsurkunde hieszlig wahrlich nicht unum-stritten waren Denn Fritz Ries Kohls raquoWeichenstellerlaquo vonihm auch manchmal als raquoder gute Mensch von Frankenthallaquobezeichnet hatte eine recht dunkle unternehmerische Vergan-genheit Der am 4 Februar 1907 in Saarbruumlcken geborene FritzRies Sohn des Inhabers einer Moumlbelhandlung hatte nach demAbitur ein Jurastudium begonnen erst in Koumlln dann in Heidel-berg wo er-wie schon kurz erwaumlhnt den acht Jahre juumlngerenKorpsstudenten Hanns Martin Schleyer als raquoLeibfuchslaquo unterseine Fittiche nahm

Schleyer es sei hier nur am Rande angemerkt war als Sohneines Landgerichtsdirektors in OffenburgBaden 1915 geborenworden und bereits als Schuumller 1931 der Hitlerjugend beigetre-ten 1933 in die SS aufgenommen worden (Mitgliedsnummer227014) und galt mit 19 Jahren schon als raquoAlter Kaumlmpferlaquo dervon 1934 an die Universitaumlt Heidelberg in eine raquoForschungs-und Erziehungsanstalt nationalsozialistischer Praumlgunglaquo zu ver-wandeln sich bemuumlhte Er leitete dort spaumlter auch in Inns-bruck dann in Prag das sogenannte raquoStudentenwerklaquo aus des-sen SS-Mannschaftshaumlusern der Sicherheitsdienst (SD) derNazis seinen Nachwuchs rekrutierte Von 1939 an stand derSS-Fuumlhrer Dr Schleyer im neuen raquoProtektorat Boumlhmen undMaumlhrenlaquo an der Spitze der gesamten SS-raquoHochschularbeitlaquoihm unterstanden rund 160 Angestellte und sein Jahresetatbetrug rund zehn Millionen Reichsmark

Von 1939 an war SS-Hauptsturmfuumlhrer Dr Schleyer einemMann direkt unterstellt der als Chef des raquoReichssicherheits-hauptamteslaquo an der Spitze des SD der Gestapo und der

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ten Polizei stand SS-Obergruppenfuumlhrer Reinhard HeydrichIm September 1941 wurde Heydrich unter Beibehaltung seinerMachtstellung im Reich auch noch Stellvertreter des Reichspro-tektors von Boumlhmen und Maumlhren und damit der eigentlicheHerrscher in der Tschechoslowakei Dr Schleyer seine rechteHand und Kontrolleur der tschechoslowakischen Industrie biszum letzten Tag der deutschen Besatzung Erst am 8 Mai 1945schlug er sich mit den letzten SS-Verbaumlnden unter Mitnahmevon Geiseln tschechischen Frauen und Kindern zu den schonkurz vor Prag stehenden Amerikanern durch und wurde vondiesen interniert und einige Jahre lang gefangengehalten

Doch zuruumlck zu Fritz Ries der sich beim HeidelbergerKorps raquoSuevialaquo bei Mensuren jene raquoSchmisselaquo genanntenFechtnarben holte die fuumlr eine Karriere damals sehr foumlrderlichwaren Unmittelbar vor dem Verbot der korpsstudentischenMensuren forderte Ries noch einen Kommilitonen der seineEhre verletzt hatte auf Pistolen wobei ihm sein raquoLeibfuchslaquoSchleyer wie dieser sich erinnerte und dem Autor lachenderzaumlhlte die Waffe zum Kampfplatz trug

Schon kurz darauf beendete Fritz Ries sein Studium als Drjur und begann sogleich -im Herbst 1934 seine Unternehmer-karriere nachdem er im Jahr zuvor der Nazipartei beigetretenwar und die Tochter des wohlhabenden Rheydter ZahnarztesDr Heinemann geheiratet hatte Mit schwiegervaumlterlichemGeld entfaltete er wie er selbst in einem Schreiben an einehohe Nazi-Parteistelle ohne falsche Bescheidenheit anfuumlhrte raquoeine auszligerordentliche unternehmerische Aktivitaumltlaquo Er hatteeine Leipziger Gummiwarenfabrik Fluumlgel Polter erworbenund diesen 120-Mann-Betrieb in wenigen Jahren zu einem mitt-leren Konzern ausgebaut fast ausschlieszliglich mit Hilfe soge-nannter raquoArisierungenlaquo

Durch die judenfeindliche Politik der Nazis waren die fruumlhe-ren Eigentuumlmer gezwungen ihre Unternehmen weit unterdem tatsaumlchlichen Wert und zu demuumltigenden Bedingungen anraquoArierlaquo wie Dr Ries zu verkaufen Anzumerken ist daszlig DrRies innerhalb kuumlrzester Zeit zum branchenbeherrschendenPraumlservativ-Hersteller des raquoGroszligdeutschen Reicheslaquo aufruumlckteund fuumlr seine ruumlde auch im raquoangeschlossenenlaquo Oumlsterreich prak-

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tizierte raquoArisierungslaquopolitik starke Ruumlckendeckung durch dieNazi-Partei erhielt

Vom Herbst 1939 an also gleich nach Beginn des ZweitenWeltkrieges wurde der Ries-Konzern raquoauf den Kriegsbedarfder Wehrmacht umgestellt und stark erweitertlaquo Die Beschaumlftig-tenzahl hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt verzehnfacht derUmsatz war auf mehr als das Zwanzigfache gestiegen und balderreichten die Umsaumltze und Gewinne geradezu schwindelndeHoumlhen Denn von 1941 an konnte Dr Ries seinen Gummikon-zern auf die eroberten polnischen Gebiete ausdehnen immerneue Betriebe raquouumlbernehmenlaquo dabei unterstuumltzt von einemeigens fuumlr solche Aufgaben engagierten SS-Standartenfuumlhrerim Sicherheitsdienst (SD) Herbert Packebusch

Packebusch nach dem die Staatsanwaltschaft Kiel wegendringenden Verdachts des Mordes in zahlreichen Faumlllen nochJahrzehnte nach Kriegsende vergeblich fahndete half Dr Riesauch bei der Beschaffung von Arbeitskraumlften So arbeitetenallein in einem der Ries-Betriebe im eroberten Polen denraquoOberschlesischen Gummiwerkenlaquo in Trzebiniazien) laut einer raquoGefolgschaftsuumlbersichtlaquo vom 30 Juni 1942insgesamt 2 653 juumldische Zwangsarbeiter davon 2 160 Frauenund Maumldchen Vornehmlich mit deren Hilfe sprich aufgrundruumlcksichtsloser Ausbeutung stieg der Umsatz in Trzebinia von101861 RM im Dezember 1941 auf 1300 619 RM im April 1942also binnen vier Monaten auf mehr als das Zwoumllffache

Die erhalten gebliebenen Berichte des deutschen Aufsichts-personals geben Einblick in die im Ries-Werk Trzebinia damalsherrschenden schrecklichen Zustaumlnde zeigen die rigorose Aus-beutung und die taumlglichen Miszlighandlungen der fuumlr Dr Riesschuftenden Frauen und Maumldchen

So erging folgende Anordnung raquoWir haben den Arbeitskraumlf-ten erklaumlrt daszlig die Arbeitsleistung in den naumlchsten Tagenwesentlich gesteigert werden muszlig da wir sonst annehmendaszlig die Arbeit sabotiert wirdlaquo was nach Lage der Dinge eineklare Morddrohung war denn nachlassende Leistung oder garSabotage wurde mit sofortiger raquoUmsiedlunglaquo in das knapp 20Kilometer entfernte KZ Auschwitz geahndet wo raquoArbeitsunfauml-higelaquo sofort vergast wurden

Da die deutschen Behoumlrden aber bereits damit begannenalle Juden der Gegend ohne Ruumlcksicht auf ihren Wert alsArbeitskraumlfte der raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquo des DrRies nach Auschwitz zu schaffen beschloszlig dieser raquoVollblutun-ternehmerlaquo aus der Not eine Tugend zu machen zumindestfuumlr sich selbst Weil am Ende sicherlich auch diese letzten Fach-kraumlfte raquoumgesiedeltlaquo werden wuumlrden zwecks spaumlterer Ermor-dung wie alle Beteiligten wuszligten - galt es Vorsorge fuumlr seinenKonzern zu treffen Da hatte nun ein trefflicher Ries-Mitarbei-ter die Idee die nach Auschwitz raquoumgesiedeltenlaquo und dort aufihren Tod wartenden Juden nicht unproduktiv im KZ herumsit-zen zu lassen sondern ihre Wartezeit mit nutzbringenderArbeit fuumlr den Ries-Konzern auszufuumlllen

Und so geschah es Im Lager Auschwitz wurde eine raquoGroszlig-nebenstellelaquo errichtet raquoEs stehen in Kuumlrze etwa 3 000 bis 5 000weibliche Arbeitskraumlfte zur Verfuumlgunglaquo heiszligt es in der Mel-dung vom 10 Juli 1942 Die erforderlichen Naumlh- und sonstigenMaschinen aus dem Besitz schon ermordeter juumldischer Hand-werker kaufte der Ries-Konzern der SS billig ab und fortanbrauchte sich Dr Ries der in einer schoumlnen eigens fuumlr ihn

in Trzebinia wohnte um diemorallaquo seiner Belegschaft nicht mehr zu sorgen Darum kuumlm-merte sich die SS und die raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquolieferten nur das zu verarbeitende Material und holten die fer-tige Ware im KZ ab um sie mit sattem Gewinn an die Wehr-macht und andere Abnehmer zu verkaufen

Wie in Ostoberschlesien und Galizien so hatte Dr Riesnoch einige weitere Produktionsstaumltten im annektierten Polenin Konzernbesitz gebracht unter anderen einen Groszligbetriebin Lodz das die Deutschen in raquoLitzmannstadtlaquo umgetaufthatten

Natuumlrlich arbeiteten auch die raquoGummiwerke Warthelandlaquowie Dr Ries seine Lodzer Erwerbung nannte erst mit juumldi-schen dann mit polnischen Zwangsarbeitern nur die Aufseherund das Wachpersonal erhielten regulaumlre Bezahlung

Nebenbei bemerkt auch die deutschen raquoGefolgschaftsmit-gliederlaquo wurden bespitzelt und raquovertraulichlaquo gemeldet etwawenn sie den katholischen Gottesdienst besucht hatten Und

schlieszliglich ging die Brutalitaumlt im Ries-Konzern so weit daszlig diepolnischen Arbeitskraumlfte zumeist junge Frauen und Maumldchennicht nur nach beendeter Schicht in einem Barackenlager unterAufsicht gestellt sondern auch waumlhrend der Arbeitszeit imSaal eingeschlossen und nach Schluszlig der Arbeit durchsuchtwurden Verantwortlich fuumlr diese und andere raquoenergischelaquoMaszlignahmen war ein von Dr Ries im zweiten Halbjahr 1944 ein-gestellter neuer Direktor der am 30 Oktober 1944 auch schrift-lich anordnete daszlig jeder der mehr als einmal anseinem Arbeitsplatz unentschuldigt fehlte zur raquoauszligerbetrieb-lichen Bestrafunglaquo durch die Gestapo zu bringen sei

Zu dieser Zeit war die raquoVerlagerunglaquo- das heiszligt der Abtrans-port nach Westen von allem was nicht niet- und nagelfest war bereits in vollem Gange und der neue Direktor erwarb sich beider Rettung des Ries-Besitzes vor der anruumlckenden RotenArmee raquodurch Umsicht Schneidigkeit und Haumlrtelaquo wie Dr Riesihm bescheinigte groszlige Verdienste

Der Name dieses neuen Direktors der ein Kaumlmpferlaquoder Nazipartei und zuletzt Leiter einer Dienststelle im schongeraumlumten Krakau gewesen war soll hier nicht verschwiegenwerden Es handelte sich um Artur Missbach einen spaumlterenCDU-Bundestagsabgeordneten der als solcher vor allem da-durch von sich reden machte daszlig er Ende der sechziger Jahreauf amtlichem Papier des Bundestags Werbebriefe fuumlr dieInvestment-Schwindelfirma IOS verschickte Mit dem Bundes-adler im Briefkopf pries MdB Missbach damals die IOS-Zertifi-kate als raquodie derzeit beste und sicherste Anlage mit der houmlch-sten Renditelaquo an und gleichzeitig verkaufte er unter demDecknamen raquoSebastian Bachlaquo fuumlr mindestens drei MillionenDollar IOS-Anteile an deutsche Sparer die den -wegen Steuer-hinterziehung landesfluumlchtigen raquoSebastian Bachlaquo dann eben-so verfluchten wie ihre wertlos gewordenen Papiere

Doch zuruumlck zu Dr Ries dem mit seinem Direktor Miss-bach sehr zufriedenen Konzernchef der im Winterseine riesige Beute aus Polen mit Lastwagen-Konvois undGuumlterzuumlgen weit nach Westen raquoverlagertelaquo und was die Bar-geldbestaumlnde des Konzerns betraf so erinnerte sich Ries-Toch-ter Monika der 17 Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart im

Prozeszlig um das Buch raquoGroszliges Bundesverdienstkreuzlaquo als Zeu-gin benannt deutlich daran wie sich ihr Vater im Familien-kreis am abendlichen Kaminfeuer haumlufig mit Stolz dazubekannt hat anno 1945 raquoRiesensummen persoumlnlich und koffer-weise nach Westen geschafftlaquo zu haben

Fuumlnf Jahre spaumlter indessen am 28 November 1950 schil-derte Dr Ries seine Lage gegen und nach Kriegsende folgen-dermaszligen raquo1944 gruumlndete ich die Gummiwerke Hoya GmbHMit dieser Gruumlndung wollte ich lediglich einen Teil der Maschi-nen aus den mir gefaumlhrdet erscheinenden oumlstlichen Gebietenretten Tatsaumlchlich waren bei Kriegsende in Hoya neue Maschi-nen fuumlr etwa 15 Millionen RM gelagert Weiterhin standenmir bei Beendigung des Krieges einige hunderttausend MeterStoff zur Verfuumlgunglaquo Um einen Teil des kofferweise gerette-ten aber immer wertloser werdenden Bargelds anzulegenerwarb Dr Ries kurz nach Kriegsende auf der am weitestenwestlich gelegenen deutschen Nordseeinsel Borkum raquoKoumlhlersStrandhotellaquo das groumlszligte Haus am Platze Es stellte nach heuti-gen Maszligstaumlben ein Multimillionenobjekt dar Was aber derBesitz von raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo in den Not-jahren 1945-48 bedeutete laumlszligt sich heute uumlberhaupt nicht mehrermessen Schon mit drei Metern Anzug- oder Mantelstoffkonnte man bis zur Wahrungsreform vom Juni 1948 durchTausch oder Verkauf auf dem Schwarzen Markt die Ernaumlhrungeiner fuumlnfkoumlpfigen Familie fuumlr mindestens zwei Monate sicher-stellen Mit raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo haumltte mandie Lebensmittelversorgung einer Groszligstadt waumlhrend sechsDekaden gewaumlhrleisten koumlnnen als die amtlichen Rationenwie 1947 in Wuppertal bei nur noch 650 Kalorien pro Tag lagen

Jedenfalls darf man sagen daszlig Dr Ries die Nazi-Diktaturund den Zweiten Weltkrieg nicht nur heil sondern geradezuglaumlnzend uumlberstanden hatte ebenso die Wirren das Elend undden Hunger der ersten Nachkriegsjahre In Polen waren ihm

Die Machenschaften des Dr Fritz Ries deren Entdeckung und Veroumlffentli-chung durch den Autor dieses Schwarzbuches und die Auswirkungen der Ver-oumlffentlichung sind ausfuumlhrlich dargestellt in dem Taschenbuch raquoGroszliges Bun-desverdienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

Abermillionen an Kriegsbeute zuteil geworden nicht nur wert-volle zum Teil fabrikneue Maschinen waggonweise TextilienAutoreifen Gummistiefel -schuhe und Maumlntel sondern auchkofferweise Bargeld dazu Unmengen von KunstgegenstaumlndenTeppichen und Juwelen sowie wie die erhalten gebliebenenDokumente beweisen die Wertsachen seiner Arbeitssklavender Schmuck und das Zahngold der geschundenen MaumlnnerFrauen und Kinder

Um so erstaunlicher ist es daszlig Dr Ries obwohl aus Saar-bruumlcken und spaumlter in Leipzig beheimatet zeitweise in Trzebi-nia bei Auschwitz und zuletzt auf Borkum wohnhaft mit Kon-zernsitz in Leipzig dann in Hoya an der Weser und schlieszliglichin Frankenthal von den dortigen rheinpfalzischen Behoumlrdendennoch als raquoHeimatvertriebenerlaquo anerkannt wurde Ja manbescheinigte ihm dem groszligen Beutemacher sogar einen treibungsschadenlaquo Am 10 Oktober 1953 sein Schuumltzling Hel-mut Kohl war bereits ein Lokalmatador der CDU mit gutenBeziehungen bestaumltigte ihm das Ausgleichsamt bei der Stadt-verwaltung Frankenthal Aktenzeichen 16Mke - daszlig raquoderAntragsteller Dr Fritz Ries hier die Feststellung der folgendenVertreibungsschaumlden beantragt hat1 Geschaumlftsanteil an der Oberschlesischen

Gummiwerke GmbH Trzebinia uumlberNennbetrag (Kapitalforderung) 1445 000 RM

2 Geschaumlftsanteil an der raquoGummiwerkeWartheland AGlaquo Litzmannstadt uumlber 500 000 RM

3 Verlust eines Einfamilienhauses mit10 Zimmern in Trzebinia Kreis Krenau(Oberschlesien) Grundvermoumlgen

Weiter wird bestaumltigt daszlig die Angaben des Antragstellers indem Feststellungsantrag hinreichend dargetan sindlaquo

Mit anderen Worten Einem Saarlaumlnder der mit Wohn- undKonzernsitz in Leipzig das eroberte Polen ausgepluumlndert Skla-venarbeiter aufs grausamste ausgebeutet und sich deren Besitzwiderrechtlich angeeignet hatte wurde amtlich bescheinigtdaszlig nicht seine Opfer sondern er selbst zu entschaumldigen seiund daszlig seine dreisten Behauptungen als Beweis ausreichtenUnd so wie in diesem Fall ging es dutzendfach weiter

An jeder Finanzquelle die die oumlffentliche Hand damalseinem schuldlos verarmten und unterstuumltzungsbeduumlrftigenHeimatvertriebenen sprudeln lieszlig wenn er einerseits im OstenMillionenverluste erlitten hatte andererseits an seinem Auf-nahmeort neue Arbeitsplaumltze zu schaffen bereit war labte sichDr Ries mit Hilfe seiner politischen Freunde von der CDU inreichem Maszlige

Gluumlcklicherweise fuumlr ihn hatte man Dr Fritz Ries als blo-szligen raquoMitlaumluferlaquo der Nazi-Partei eingestuft und damit galt dermillionenschwere Kriegsgewinnler und als V-Mann derGestapo auserwaumlhlte raquoabsolut zuverlaumlssige NationalsozialistlaquoDr Ries in Rheinland-Pfalz (und damit in der ganzen Bundes-republik) als politisch voumlllig unbelasteter Ehrenmann

Wann immer sich bei den Lastenausgleichs- und anderenAumlmtern Zweifel regten etwa was die behauptete Houmlhe der raquoVer-treibungsschaumlden laquo des Dr Ries betraf wurden sie so nachzu-lesen in den Akten des damaligen Ries-Generalbevollmaumlchtig-ten fuumlr die Regelung seiner raquoAnspruumlchelaquo Dr Grote-Mismahl durch starken politischen Druck von oben beseitigt

Wer diesen Druck ausuumlbte laumlszligt sich nicht mehr mit Sicher-heit feststellen und es waumlre unfair diese Machenschaftenallein dem 1953 gerade erst zum Mitglied des Geschaumlftsfuumlhren-den Landesvorstands der regierenden CDU aufgeruumlckten Ries-Guumlnstling Helmut Kohl anzulasten von dem allerdings fest-steht daszlig er in den folgenden Jahren als er zum einfluszligreich-sten Politiker des fest in der Hand seiner Partei befindlichenBundeslands Rheinland-Pfalz aufstieg seinem langjaumlhrigenFoumlrderer Dr Ries wiederholt sehr behilflich gewesen ist

So stellt sich die Frage ob Helmut Kohl uumlber die duumlstere Ver-gangenheit seines groszligzuumlgigen Foumlrderers und dessen dreisteLuumlgen hinsichtlich seiner angeblichen raquoVertreibungsschaumldenlaquogenau Bescheid gewuszligt hat Ries-Tochter Monika Krall anwalt-lich als Zeugin gehoumlrt war sich nicht absolut sicher ob ihrraquoVater auch in Gegenwart von Dr Kohl sich seiner so profitab-len Unternehmertaumltigkeit in Polen geruumlhmt hat und wenn jaob dann nur so allgemein oder mit genauen Einzelheitenlaquo

Eine damalige Ries-Angestellte die sich ihrerseits genaudaran erinnert gab indessen zu Protokoll daszlig raquoHerr Konsul

Dr Ries dem Herrn Dr Kohl stolz von seinen Betrieben in Polen und von den gluumlcklicherweiselaquo in groszligerAnzahl zur Verfuumlgung stehenden juumldischen und polnischenZwangsarbeitern erzaumlhlt hatlaquo Sie wuszligte sogar noch das fahre Datum war im Fruumlhjahr 1967 der Herr Konsul DrRies bekam das Groszlige Bundesverdienstkreuz das Herr DrKohl damals CDU-Landesvorsitzender ihm verschafft hatteDr Ries erzaumlhlte ihm dann er haumltte schon damals in Polen dasKriegsverdienstkreuz verliehen bekommen laquo Diese Zeugindie in Frankenthal beschaumlftigt ist wollte begreiflicherweisenicht namentlich genannt werden

Indessen spielt die Frage ob Helmut Kohl schon damals imFruumlhjahr 1967 die ganze scheuszligliche Wahrheit uumlber die Vergan-genheit seines langjaumlhrigen Foumlrderers kannte keine groszligeRolle Denn schon fuumlnf Jahre spaumlter heftete Kohl seit 1969 Mi-nisterpraumlsident von Rheinland-Pfalz dem Dr Ries auch nochden Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuz an die Brust undzu diesem Zeitpunkt war Helmut Kohl wie sich beweisen laumlszligtvoll unterrichtet uumlber den Werdegang dieses Mannes der ihnals jungen Politiker raquoentdecktlaquo nach Kraumlften gefoumlrdert und dieKarriere erst ermoumlglicht hatte Kohl wuszligte Bescheid uumlber dieskrupellose raquoArisierungenlaquo des raquoKondom-Koumlnigslaquo Ries des-sen Beziehungen zur Gestapo und uumlber dessen Raubzuumlge in Po-len Er war daruumlber im Bilde daszlig sich Ries bei und in Auschwitzbereichert und Tausende von Arbeitssklavinnen fuumlr sich hatteschuften lassen Desgleichen wuszligte er daszlig die Entschaumldigun-gen fuumlr angebliche raquoVertreibungsschaumldenlaquo seines Goumlnners er-schwindelt waren Trotzdem zeichnete er ihn mit dem zweit-houmlchsten Orden aus den die Bundesrepublik zu vergeben hattepries oumlffentlich raquodas staunenswerte Lebenswerklaquo und raquodie vor-bildlichen unternehmerischen Leistungenlaquo des Dr Ries undwar ihm weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefaumlllig

Helmut Kohl warjedoch zu dieser Zeit laumlngst nicht mehr dereinzige Spitzenpolitiker der Unionsparteien von dem Dr Riesstolz behaupten zu koumlnnen meinte raquoWenn ich den nachts umdrei anrufe muszlig er springenlaquo

Dazu muszlig man wissen daszlig sich Konsul Dr Ries dessenraquoPegulanlaquo-Konzern damals noch florierte einen -wie er fand

raquostandesgemaumlszligenlaquo Landsitz nebst Jagdrevier Golfplatz undSchloszlig zugelegt hatte das als der Steiermarklaquo geruumlhmteSchloszliggut Pichlarn eine der schoumlnsten Besitzungen Oumlster-reichs Dort verkehrten als Gaumlste des Schloszligherrn Dr Ries nach den Veroumlffentlichungen der Lokalpresse in den fruumlhensiebziger Jahren etliche fuumlhrende Persoumlnlichkeiten der bun-desdeutschen Wirtschaft und Politik von denen wir hier einknappes Dutzend als repraumlsentative Auswahl nennen und zujedem Namen ein paar Erlaumluterungen geben wollen

raquoHerr Generalbevollmaumlchtigter Tesmann (es handelte sich umRudolf Tesmann geboren 1910 in Stettin einen fruumlherenhohen SS-Fuumlhrer letzter bekannter DienstgradSS-Obersturmbannfuumlhrer - vom Maumlrz 1944 bis KriegsendeVerbindungsmann zu Reichsleiter Martin Bormann Tesmannwurde 1945 von den Englaumlndern interniert und von seinem Mit-gefangenen dem Kaufhauskoumlnig Helmut Horten nach beiderEntlassung 1948 in den Horten-Konzern zuletzt als Generalbe-vollmaumlchtigter uumlbernommen Tesmann war auszligerdem damalsPraumlsidiumsmitglied des gtWirtschaftsrats der

Herr Dr Hanns Martin Vorstandsmitglied der Daim-ler-Benz AG mit Frau (den wir bereits kennengelernt habenund von dem noch im Zusammenhang mit der weiteren politi-schen Karriere Helmut Kohls die Rede sein wird)

Herr Dr Alfred Dregger mit Frau (damals Vorsitzender derhessischen CDU seit 1982 Fraktionsvorsitzender der CDUCSU im Bundestag und inoffiziell Fuumlhrer des rechten soge-nannten raquoStahlhelmlaquo-Fluumlgels der Union)

Herr Bundestagsabgeordneter Siegfried Zoglmann (geboren1913 in Boumlhmen seit 1928 Mitglied der in der CSR illegalen Hitlerjugend (HJ) 1934 HJ-Fuumlhrer in der Reichsjugendfuumlh-rung in Berlin 1939 Oberster HJ-Fuumlhrer im Boumlh-men und Maumlhren und Abteilungsleiter des 1940 erbat und erhielt Zoglmann vom Hein-rich Himmler persoumlnlich die Erlaubnis als SS-Fuumlhrer in diegtLeibstandarte SS Adolf Hitlerlt einzutreten Nach 1945 Werbe-fachmann im Rheinland 1950 Mitglied des NRW-Landesvor-stands der FDP bis 1958 Landtagsabgeordneter von 1957 biszu seinem Ausscheiden aus Altersgruumlnden Mitglied des Bun-

destags zunaumlchst FDP- seit 1972 CSU-Abgeordneter MitHilfe Zoglmanns und anderer FDP-Uumlberlaumlufer sollte damalsWilly Brandt gestuumlrzt werden die Verhandlungen hieruumlberwurden auf dem Ries-Schloszlig Pichlarn gefuumlhrt)

1931 Mitglied der NSDAP seit 1932 enger Mitarbeiter des Nazi-Propagandachefs und damaligen gtGauleiterslt von Groszlig-Berlin Dr Josef Goebbels in dessen Reichsministerium gtfuumlr Volksauf-klaumlrung und Propagandalt Taubert 1933 eintrat zunaumlchst alsReferatsleiter zustaumlndig fuumlr gtAktivpropaganda gegen dieJudenlt Von 1942 an Chef des gtGeneralreferats Ostraumlt dane-ben seit 1938 auch Richter am 1 Senat des beruumlchtigten gtVolks- gerichtshofslt und beteiligt an Todesurteilen gegen Wider-standskaumlmpfer Auszligerdem lieferte Ministerialrat Dr TaubertText und Idee zu dem 1940 uraufgefuumlhrten Hetzfilm raquoDer ewigeJudelaquo worin die in KZs und Gettos eingepferchten Juden mitRatten und anderem raquolebensunwertemlaquo Ungeziefer verglichenwurden 1945 tauchte der als Kriegsverbrecher gesuchte DrTaubert mit Hilfe westlicher Geheimdienste zunaumlchst unterum 1950 jedoch in Bonn wieder auf leitete die Kalte Kriegs-Propaganda gegen die DDR dann fuumlr VerteidigungsministerFranz Josef Strauszlig den Aufbau der psychologischen Kriegfuumlh-rung bei der Bundeswehr Scharfe Proteste des Zentralrats derJuden fuumlhrten dazu daszlig Strauszlig sich von Dr Taubert offizielltrennen muszligte und dieser trat dann als Leiter der Rechtsabtei-lung und des Persoumlnlichen Buumlros von Konsul Dr Fritz Riesbeim raquoPegulanlaquo-Konzern in Frankenthal ein In enger Abstim-mung mit Ries und sowie mit finanzieller Hilfe ausBonn und von etlichen Industriellen leitete Dr Taubert dieHetzkampagnen gegen Willy Brandt und den Aufbau ultrarech-ter und neonazistischer Gruppen und Presseorgane)

Und schlieszliglich zaumlhlte zu den Gaumlsten des Dr Ries aufSchloszlig Pichlarn auch

dent in Muumlnchen und er fand in der Berichterstattung deroumlsterreichischen Presse uumlber die Gaumlste auf Schloszlig Pichlarndamals die meiste

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Was die steiermaumlrkischen Zeitungen indessen nicht wuszligtenDer CSU-Chef Strauszlig und Konsul Dr Ries waren damalslaumlngst Duzfreunde und uumlberdies hatte Dr Ries die Ehefrau sei-nes Spezis Frau Marianne Strauszlig geborene Zwicknagl zu sei-ner Teilhaberin gewonnen dies uumlbrigens ohne daszlig es FrauStrauszlig einen Pfennig gekostet haumltte

Frau Strauszlig war in die am 23 Februar 1971 gegruumlndete Ries-Gesellschaft raquoDyna-Plastiklaquo in Bergisch-Gladbach eingetretenlaut Handelsregister zunaumlchst mit einer Kommanditeinlagevon 304 500 DM was damals einer Beteiligung von etwa 14 Pro-zent entsprach 1973 wurde das raquoDyna-Plastiklaquo-Kapitel erhoumlhtwobei der Anteil von Frau Strauszlig auf 406 000 DM oder 16 Pro-zent Kapitalanteil stieg Frau Strauszlig hatte jedoch weder dieerste Einlage noch die spaumltere Erhoumlhung einzuzahlen brau-chen diese sollten sich vielmehr raquoaus den Gewinnen auffuumlllenlaquo

im Klartext Dr Ries hatte der Frau seines so einfluszligreichenDuzfreundes ein kleines Geschenk gemacht eine erst 14-dann 16prozentige Beteiligung an einer gutgehenden Konzern-Tochtergesellschaft wohl in der richtigen Annahme daszlig kleineGeschenke die Freundschaft erhalten weshalb weitere aumlhnli-

Beteiligungen der Frau Marianne Strauszlig an bluumlhendenUnternehmen der Ries-Gruppe folgten

Die enge Freundschaft des CSU-Bosses dessen Bewunde-rung fuumlr die unternehmerischen Leistungen des Dr Ries unddie Beteiligung von Frau Marianne Strauszlig am Ries-Konzerndessen finanzielle Grundlagen ja wie wir bereits wissen min-destens teilweise in Auschwitz im Getto von Lodz (Litzmann-

sowie in weiteren Leidensstaumltten der versklavten Judengelegt worden waren erklaumlren vielleicht das von der raquoFrankfur-ter Rundschaulaquo 1969 zitierte Strauszlig-Wort (von dem er erst etwazwei Jahre vor seinem Tod abgeruumlckt ist) raquoEin Volk das diesewirtschaftlichen Leistungen erbracht hat hat ein Recht

Helmut Kohl beobachtete das raquoTechtelmechtellaquo seinesFreundes Dr Ries mit dem CSU-Boszlig Strauszlig von Mainz ausmit sehr gemischten Gefuumlhlen Nicht zuletzt dank der Start-hilfe und langjaumlhrigen Foumlrderung durch Dr Ries hatte er esdort inzwischen zum Ministerpraumlsidenten gebracht Ende Mai

1970 auch schon seine Kandidatur fuumlr den CDU-Bundesvorsitzangemeldet sich aber im Oktober 1971 auf dem CDU-Parteitageine Abfuhr geholt statt seiner war Rainer Barzel gewaumlhlt wor-den Kohl war jedoch entschlossen es nochmals zu probierenund 1975 zugleich ein noch houmlheres Ziel anzustreben naumlmlichKanzlerkandidat der Union zu werden und spaumltestens dannwuumlrde er in Strauszlig seinen gefaumlhrlichsten Rivalen haben

Indessen haumltte ihn sein langjaumlhriger Goumlnner Dr Ries schondamals beruhigen koumlnnen Ries und seine Freunde aus derbundesdeutschen Konzernwelt hatten bereits ganz bestimmtePlaumlne und tatsaumlchlich waren sie sich schon darin einig gewor-den es mit Helmut Kohl als Kanzlerkandidaten zu versuchenwogegen sie nach langem Hin und Her den CSU-Chef FranzJosef Strauszlig als zwar sehr nuumltzlich im Ruumlstungszentrum Muumln-chen aber als raquowenig geeignetlaquo als Regierungschef in Bonnangesehen und von der Liste der moumlglichen Kanzlerkandida-ten gestrichen hatten Allerdings auch darin waren sich dieHerren des Groszligen Geldes einig geworden sollte HelmutKohl raquoeine intellektuelle Stuumltzelaquo erhalten Denn so unbestrit-ten Kohls demagogische Talente und sein ruumlcksichtsloser Ge-brauch der Ellenbogen waren so wenig vertraute man seinengeistigen Faumlhigkeiten

Deshalb war ebenfalls auf Schloszlig Pichlarn schon zuBeginn der siebziger Jahre entschieden worden dem Dr Kohlfuumlrs kuumlnftige Kanzleramt eine raquoNummer zweilaquo an die Seite zustellen einen wie der damalige Hauptbeteiligte es nannte raquoIntelligenzbolzenlaquo der Kohls erkennbares intellektuellesDefizit ausgleichen und in Wahrheit raquodie Richtlinien der Poli-tiklaquo bestimmen sollte Wieder war es Dr Fritz Ries der von denganz groszligen Bossen dazu ausersehen wurde einerseits dieschon erkorene raquoNummer zweilaquo auf den gemeinsam gefaszligtenPlan raquoeinzustimmenlaquo andererseits seinem Schuumltzling Kohlklarzumachen daszlig er solche raquointellektuelle Stuumltzelaquo brauchenwuumlrde und zu akzeptieren haumltte denn schlieszliglich wolle er dochder Nachfolger Adenauers und womoumlglich sogar Bismarckswerden Auch diese so erklaumlrte der gewiefte GeschaumlftsmannDr Ries dem unbedarften Doktor der Geschichte Kohl haumltteneine graue Eminenz im Kanzleramt gehabt der eine seinen

Staatssekretaumlr Dr Globke der anderen seinen Geheimrat vHolstein

Helmut Kohl schien-wie eine Zeugin dieses Gespraumlchs sichdeutlich erinnert zwar uumlber Adenauers Staatssekretaumlr imKanzleramt Dr Hans Maria Globke Bescheid zu wissen eswar ihm wohl nicht entgangen daszlig dieser Dr Globke bis zuAdenauers Ruumlcktritt im Jahre 1963 die Bonner Personalpolitikvon der Gruumlndung der BRD an maszliggeblich beeinfluszligt auchdie westdeutschen Geheimdienste geleitet und zugleich dasVertrauen des hohen katholischen Klerus genossen hatte (diesuumlbrigens auch schon zur Zeit der Nazi-Diktatur als damaligerJudenreferent des Reichsinnenministeriums erst unter dem1946 in Nuumlrnberg als Hauptkriegsverbrecher hingerichteten -Dr Wilhelm Frick dann unter dessen Nachfolger dem raquoReichs-fuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler weshalb er selbst als Nr 101 aufder Kriegsverbrecherliste der Alliierten verzeichnet gewesenwar)

Aber Helmut Kohl hatte wie er dem Konsul Dr Ries freimuuml-tig gestand von einer raquograuen Eminenzlaquo Bismarcks namensFriedrich v Holstein noch nie etwas gehoumlrt was von seinemvaumlterlichen Freund und Goumlnner schmunzelnd zur Kenntnisgenommen worden war und er hatte dann gesagt Kohl muumlssenoch einiges lernen Spitzenpolitiker brauchten genau wie dieInhaber groszliger Unternehmen hochintelligente und fleiszligigeRatgeber zumal dann wenn diplomatische Meisterstuumlckegefordert seien Dabei gab er Kohl augenzwinkernd zu verste-hen daszlig Intelligenz Fleiszlig und diplomatisches Geschick nichtgerade zu dessen hervorstechenden Eigenschaften zaumlhlten

Wie Konsul Dr Ries dann die heikle Aufgabe loumlste demkuumlnftigen Kanzlerkandidaten des Groszligen Geldes eine vonihm und seinen maumlchtigen Freunden ausgesuchte -raquoNummerzweilaquo schmackhaft zu machen verdient uneingeschraumlnkteBewunderung und wird im uumlbernaumlchsten Kapitel geschildertwerden

Doch zunaumlchst lieszlig Ries seinen Schuumltzling Kohl im unklarendaruumlber wen er fuumlr ihn als raquointellektuelle Stuumltzelaquo im Augehatte Er ging statt dessen so erinnert sich die Zeugin deutlichzu seinem Lieblingsthema uumlber und lobte die geniale Strategie

des raquoReichsgruumlnderslaquo Bismarck Man muumlsse sie den gewandel-ten Verhaumlltnissen und der abermaligen Notwendigkeit wirt-schaftlicher Expansion diesmal nicht mit militaumlrischen Mit-teln geschickt anpassen Ein raquoUumlberrollen der Zone bei derersten Gelegenheitlaquo bezeichnete Dr Ries damals als raquodurchausmachbarlaquo und er sah sein aufmerksam lauschendes politischesZiehkind Helmut Kohl bereits als raquomoumlglichen Eisernen Kanz-ler dieser neuen oumlkonomischen Groszligmachtlaquo

Was nun diese heute fast prophetisch anmutenden Visio-nen des Dr Fritz Ries zu Beginn der siebziger Jahre angeht sowaren sie damals bei westdeutschen Industriellen seines Altersund Schlages durchaus keine Seltenheit Ratgeberwie Dr Eber-hard Taubert und andere fruumlhere raquoOstraumlaquo-Experten bestaumlrk-ten ihre Brotherren fleiszligig in solchen Wunschtraumlumen undwas die Bismarck-Schwaumlrmerei des Dr Ries betraf so war sieebenfalls in Mode zumal in konservativen Kreisen und bei

raquoAlten Herrenlaquo schlagender StudentenverbindungenWarum das bedarf einer kurzen Erlaumluterung

Kurzer Ausflug in die deutscheGeschichte

Der erste deutsche Reichskanzler der Neuzeit Otto v Bis-marck mit dem Helmut Kohl gern verglichen werden moumlchtefuumlhrt in manchen Geschichtsbuumlchern den Beinamen raquoEisernerKanzlerlaquo weil er mit groszliger Energie und meist im Alleingangoft gegen die Volksmeinung und die Parlamentsmehrheit mit-unter auch gegen die Wuumlnsche und Absichten des Staatsober-haupts seine eigene Politik verfolgte Diese war darauf gerich-tet durch eine Reihe von Eroberungskriegen und geschickteraquoVereinnahmungenlaquo das Koumlnigreich Preuszligen dessen Regie-rungsgeschaumlfte er von 1862 an fuumlhrte zur staumlrksten Macht inEuropa werden zu lassen

Dieses Preuszligen war bis zum Untergang der Hohenzollern-Monarchie im Jahre 1918 ein besonders reaktionaumlrer und milita-ristischer Obrigkeitsstaat wo adlige Groszliggrundbesitzer soge-nannte Junker zu denen auch Bismarck gehoumlrte den Ton anga-ben und alle houmlheren Posten in Staat und Armee besetzt hiel-ten Bei seinem Eintritt in die Politik machte sich der junge Bis-marck mit der Feststellung bekannt raquoIch bin ein Junker undwill meinen Vorteil davon habenlaquo Indessen war er trotz dieserArroganz sehr intelligent und weit gebildeter als die allermei-sten seiner Standesgenossen

Fuumlr das Abgeordnetenhaus des Junkerstaats Preuszligen demer angehoumlrte galt - bis 1918 - ein Dreiklassenwahlrecht ZweiDrittel aller Erwachsenen durften ohnehin nicht waumlhlen weilsie entweder Frauen oder unter 25 oder Empfaumlnger oumlffentlicherBeihilfen waren oder keinem eigenen Haushalt vorstandenDas uumlbrige Drittel war in drei Klassen eingeteilt Die wenigenHoumlchstbesteuerten die mittleren Steuerklassen und die Masseder Niedrigstbesteuerten waumlhlten jeweils die gleiche Anzahlvon Wahlmaumlnnern die ihrerseits gemeinsam den Abgeordne-ten des Bezirks bestimmten Damit war garantiert daszlig die Rei-

und Wohlhabenden immer das Sagen hatten der breiteMittelstand unterlegen blieb und die Masse des Volkes gar kein-nen Einfluszlig auf die Zusammensetzung des Parlaments aus-uumlben konnte

Trotz dieser voumlllig undemokratischen Verhaumlltnisse vermoch-te Bismarck als er 1862 preuszligischer Ministerpraumlsident gewor-den war in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit nur gegendas Parlament und an diesem vorbei zu regieren weil auch denwohlhabenden Buumlrgern Preuszligens seine auf Krieg gerichtetePolitik und die enormen Ruumlstungsausgaben verhaszligt warenErst als Bismarck ihnen durch umfangreiche Eroberungen denersehnten groumlszligeren Markt und stark vermehrten Profit be-schert hatte waren auch die meist nationalliberalen Besitz-buumlrger von ihm begeistert

Durch drei Angriffskriege 1864 im Buumlndnis mit Oumlsterreichgegen das kleine Daumlnemark 1866 gegen den Deutschen Bundund dessen Vormacht Oumlsterreich gegen Frankreich verwirklichte Bismarck seine kuumlhnen Plaumlne und man nanntedies (und nennt es wohl noch heute) sein raquoEinigungswerklaquoDabei hatte er in Wahrheit keineswegs alle Deutschen in einemNationalstaat vereinigt vielmehr rund ein Fuumlnftel aller Deut-schen Mitteleuropas ausgesperrt Die uumlber zehn MillionenDeutschoumlsterreicher von Nordboumlhmen bis Suumldtirol waren alsgeschlagene raquoFeindelaquo nicht in das 1871 gegruumlndete DeutscheReich aufgenommen worden Dafuumlr zaumlhlte das Bismarck-Reichunter seinen damals 42 Millionen Einwohnern uumlber vier Millio-nen Nichtdeutsche darunter knapp drei Millionen raquoMuszligpreu-szligenlaquo polnischer Muttersprache je rund 150 000 Litauer ren und Kaschuben knapp 200000 Daumlnen sowie annaumlhernd300 000 Franzosen und Wallonen Sie waren durch Eroberun-gen preuszligische Untertanen geworden oder lebten im annek-tierten von Preuszligen beherrschten raquoReichslandlaquo Elsaszlig-Lothrin-gen Uumlberhaupt war das von Bismarck geschaffene DeutscheReich in Wahrheit nur ein vom stark vergroumlszligerten Preuszligen be-herrschtes Wirtschaftsgebiet dessen nichtpreuszligische Teile einegewisse Scheinsouveraumlnitaumlt genossen Die Bezeichnung raquoDeut-

Reichlaquo war eine geschickte Taumluschung weil das mittel-europaumlische Reich des Mittelalters das in der Neuzeit

gen worden und 1806 auch formal untergegangen war einegaumlnzlich andere Struktur und Bedeutung auch keine wirklicheZentralgewalt keine staumlndige Hauptstadt zudem flieszligendeGrenzen gehabt hatte und weder zum Reich noch zum Deut-schen Bund der von 1815 bis 1866 bestanden hatte war daseigentliche Preuszligen je gerechnet worden

Mit dem raquoBlitzkrieglaquo Preuszligens gegen den Deutschen Bundhatte Bismarck diesen zerschlagen Oumlsterreich in Deutschlandentmachtet und daraus verdraumlngt Preuszligen aber stark vergrouml-szligert um Schleswig-Holstein das Koumlnigreich Hannover Hes-sen-Kassel Hessen-Nassau und die Reichsstadt Frankfurt amMain - so daszlig dieser von ihm regierte Hohenzollernstaat dersich einige Jahrzehnte zuvor schon halb Sachsen und dasRheinland einverleibt hatte nun zu einer Mitteleuropa beherr-

gegen Frankreich wurde Preuszligen-Deutschland zur staumlrkstenMacht auf dem Kontinent vereinnahmte Lothringen und dasElsaszlig gruumlndete das nun von Berlin aus regierte DeutscheReich und gliederte diesem zur Verstaumlrkung des preuszligischenUumlbergewichts Ost- und Westpreuszligen sowie das Groszligherzog-tum Posen an

Noch 23 Jahre zuvor nach der Maumlrzrevolution von 1848 warder damalige Preuszligenkoumlnig Friedrich Wilhelm IV unter demDruck der demokratischen Erhebung der Berliner zu der Erklauml-rung gezwungen gewesen raquoPreuszligen geht fortan in Deutsch-land auflaquo Das hatte dem Wunsch der groszligen Mehrheit entspro-chen die ein demokratisches im Frieden mit den Nachbarnlebendes Deutschland ohne Fuumlrsten und Kleinstaaterei gefor-dert hatte

Aber die demokratische Revolution war dann von preuszligi-schem Militaumlr niedergewalzt worden unter dem Befehl jenesPrinzen Wilhelm den Bismarck 1871 zum Deutschen Kaiserproklamieren lieszlig als es ihm gelungen war Deutschland inPreuszligen aufgehen zu lassen unter Fortbestand der Adelspri-vilegien und der Scheinsouveraumlnitaumlt von 26 deutschen Klein-

Dieses von Bismarck geschaffene und dann noch fast zweiJahrzehnte lang regierte Hohenzollernreich erfuumlllte die

der Industrie und Handels war aber nach obrigkeits-staatlichen autoritaumlren gaumlnzlich undemokratischen Grundsaumlt-zen aufgebaut Adel Militaumlr und im Bunde mit diesen die Her-ren der sich stuumlrmisch entwickelnden Industrie gaben den Tonan Die immer staumlrker werdende Opposition der ausgebeutetenIndustriearbeiterschaft versuchte Bismarck durch die raquoSoziali-stengesetzelaquo mundtot zu machen und die Sozialdemokratiesamt ihren Gewerkschaften zu zerschlagen vergeblich dennbeide wurden noch um vieles staumlrker Deshalb wurde dieArmee abermals vermehrt denn sie sollte auch den raquoinnerenFeindlaquo in Schach halten

Erfolgreich war Bismarck hingegen mit seiner DiplomatieSie war darauf gerichtet sein raquoDeutsches Reichlaquo genanntesGroszligpreuszligen zu festigen und das Risiko weiterer Kriege zu ver-meiden Diese kluge Zuruumlckhaltung wurde nach BismarcksSturz im Jahre 1890 schon bald aufgegeben Kaiser Generalitaumltund Groszligkapital draumlngten auf weitere Machtausdehnung Siewollten die Vorherrschaft nicht allein auf dem europaumlischenKontinent sondern auch auf den Meeren Dem unausweichli-chen Konflikt mit allen anderen Groszligmaumlchten den dieses Stre-ben nach Weltherrschaft heraufbeschwor sah die deutscheFuumlhrung siegesgewiszlig

Indessen endete der Erste Weltkrieg 1918 mit der militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Zusammenbruch derHohenzollern-Monarchie Im selben Spiegelsaal des VersaillerSchlosses wo das Bismarck-Reich gegruumlndet worden warwurde 47 Jahre spaumlter dessen Untergang besiegelt und Deutsch-land auf die Grenzen zurechtgestutzt die dann bis 1937 galten

Die Kriegstreiber von 1914 und die konservative deutscheRechte wollten sich jedoch weder mit diesen raquounrechtmaumlszligigenlaquoGrenzen noch mit den uumlbrigen Folgen der militaumlrischen Nie-derlage von 1918 abfinden Deutschlands Abruumlstung und dieHerstellung demokratischer und sozial gerechterer Verhaumllt-nisse waren ihnen ein Greuel Die Herren des Groszligen Geldeszumal die der Ruumlstungsindustrie im Bunde mit den Militaumlrsund den um ihre verlorenen Privilegien trauernden preuszligi-schen Junkern betrieben fortan den Sturz der Republik Siefinanzierten rechte und ultrarechte Kampforganisationen vom

raquoStahlhelmlaquo bis zur SS schufen einen deutschnationa-len Presse und Filmindustrie weitgehend beherrschenden Pro-pagandaapparat und nutzten die Weltwirtschaftskrise die inDeutschland ihren Houmlhepunkt erreichte der durchMassenarbeitslosigkeit und Elend geschwaumlchten Republiknach nur vierzehn Jahren ihres Bestehens den Garaus zumachen

Die Nazi-Diktatur die sie Anfang 1933 errichteten unddurch rechtskonservative Fachleute ihres Vertrauens unterKontrolle zu halten hofften war aber von noch kuumlrzerer DauerAnfangs erfuumlllten die Nazis zwar die vom Groszligen Geld in siegesetzten Erwartungen Sie zerschlugen sofort und mit aumluszliger-ster Brutalitaumlt die Gewerkschaften und die miteinander verfein-deten Linksparteien beseitigten die Tarifautonomie dieBetriebsraumlte das Streikrecht und begannen sogleich mit massi-ver Aufruumlstung Auch der Krieg den Hitler 1939 vom Zaunbrach brachte anfangs die erhofften Eroberungen und Ausbeu-tungsmoumlglichkeiten Aber er endete wie nicht anders zu erwar-ten gewesen war nach sechs Jahren des Grauens und der Ver-wuumlstung groszliger Teile Europas mit der vollstaumlndigen militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Untergang der Nazi-Diktatur in Schutt und Schande

45 Jahre lang war das uumlbriggebliebene Deutschland erst invier Besatzungszonen dann in zwei selbstaumlndige jahrzehnte-lang keine Beziehungen zueinander unterhaltende Staaten auf-geteilt die entgegengesetzten gesellschaftlichen und politi-schen Systemen angehoumlrten

Konrad Adenauer erster Bundeskanzler von 1949 bis 1963zog aus den Gegebenheiten politische Konsequenzen die sei-ner Herkunft Erfahrung und Grundeinstellung entsprachenEr wurzelte noch im 19 Jahrhundert und hatte die ersten 42Jahre seines Lebens unter dem autoritaumlren Regime des wilhel-minischen Kaiserreichs verbracht Er war Rheinlaumlnder Katho-lik Mitglied der katholischen Zentrumspartei wo er dem eherrechten Fluumlgel angehoumlrte der im Sozialismus den Erzfeind imFaschismus einen moumlglichen Verbuumlndeten sah 1929 als Mus-solini der den italienischen Arbeiterfuumlhrer Giacomo Mateottikurz zuvor hatte ermorden lassen seinen Frieden mit dem

Vatikan machte telegrafierte ihm Adenauer damals Koumllner

staben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragenlaquo1919 nach dem Untergang der Hohenzollern-Monarchie hatteAdenauer schon mit dem Gedanken geliebaumlugelt Westdeutsch-land vom sozialistisch regierten Reich abzuspalten und es alsstarken Partner in eine katholisch-konservative Wirtschafts-union der westlichen Nachbarn Belgien Luxemburg undFrankreich einzubringen 1945 nahm er diese Plaumlne sogleichwieder auf

raquoNach meiner Ansichtlaquo erklaumlrte Adenauer am 5 Oktober1945 raquosollten die Westmaumlchte die drei Zonen die sie besetzt hal-ten tunlichst in einem rechtsstaatlichen Verhaumlltnis zueinanderbelassen Das Beste waumlre wenn die Russen nicht mittun wollensofort wenigstens aus den drei westlichen Zonen einen Bundes-staat zu bildenlaquo Es konnte ihm also mit der Teilung Deutsch-lands gar nicht schnell genug gehen und er fuumlgte dann noch

einem solchen westdeutschen Bundesstaat zu genuumlgen muumlszligteman die Wirtschaft dieses westdeutschen Gebiets mit der Frank-reichs und Belgiens so eng wie moumlglich verflechtenlaquo

Es war indessen nicht allein Adenauers Sympathie fuumlr einenges Buumlndnis mit den katholischen Nachbarn oder seine tiefeAbneigung gegen alles auch nur entfernt Sozialistische die ihnauf eine Spaltung Restdeutschlands in einen kapitalistischenWeststaat und einen den Sowjets uumlberlassenen Oststaat hinar-beiten lieszlig Vielmehr war er auch obwohl zwoumllf Jahre lang Prauml-sident des Preuszligischen Staatsrats der Weimarer Republik einentschiedener Gegner Preuszligens

raquoWir im Westen lehnen vieles was gemeinhinGeistlt genannt wird ablaquo so hatte er in der raquoWeltlaquo vom 30 vember 1946 erklaumlrt raquoIch glaube daszlig die deutsche Hauptstadteher im Suumldwesten liegen soll als im weit oumlstlich gelegenen Ber-

Sobald aber Berlin wieder Hauptstadt wird wird das Miszlig-trauen im Ausland unausloumlschlich werden Wer Berlin zur neuenHauptstadt macht schafft geistig ein neues Preuszligenlaquo Schon fruuml-her hatte Adenauer Berlin eine raquoheidnische Stadtlaquo genanntPreuszligen als raquoAnfang Asienslaquo bezeichnet Die Schaffung der

Bundesrepublik mit dem linksrheinischen buumlrgerlich-konser-vativen und gutkatholischen Bonn als Hauptstadt und die Ent-muumlndigung der Westberliner in Bundestag und Bundesratwaren ganz nach seinem Herzen und sicherten die Herrschaftseiner Union denn die Hochburgen des katholischen Zen-trums hatten vor 1933 in Gebieten gelegen die nun zur BRDgehoumlrten die der Sozialdemokraten aber uumlberwiegend in dernunmehrigen DDR und in Ostberlin

Wenn Adenauer als Bundeskanzler dennoch bei jeder Gele-genheit von einer zu erhoffenden und zu erstrebenden raquoWie-dervereinigunglaquo sprach und auch raquodie Grenzen vonforderte so waren dies notwendige Zugestaumlndnisse an dieGefuumlhle der fast zwoumllf Millionen Fluumlchtlinge und Vertriebenendie sich in den ersten zehn Jahren in Westdeutschland fremdund benachteiligt fuumlhlten und damals noch auf eine baldigeRuumlckkehr in die fruumlhere Heimat hofften Aber seine tatsaumlchli-che Politik war keineswegs auf eine Wiedervereinigung ausge-richtet vielmehr auf die rasche und alle Bereiche umfassendeIntegration der BRD in das westliche Buumlndnis die er ja auchmit erstaunlichem Erfolg betrieb wogegen er jeden Vorschlagvon oumlstlicher Seite die Einheit Deutschlands wiederherzustel-len dafuumlr auf Aufruumlstung NATO-Mitgliedschaft und Stationie-rung von Atomwaffen zu verzichten als raquokommunistischesBlendwerklaquo energisch zuruumlckwies auch Viermaumlchtegarantienfuumlr ein neutralisiertes Gesamtdeutschland (nach dem MusterOumlsterreichs) als raquoFirlefanzlaquo abtat

Unter Adenauer wurde Anfang der fuumlnfziger Jahre die soge-nannte Hallstein-Doktrin entwickelt Sie beruhte auf demAnspruch der Bundesrepublik allein die Rechtsnachfolge desuntergegangenen Deutschen Reiches angetreten zu haben unddie Interessen aller Deutschen zu vertreten Die DDR war die-ser Doktrin zufolge raquonichtexistentlaquo also staatsrechtlich garnicht vorhanden

Dieser Unfug der auch keinerlei Kontakte auf Regierungs-ebene zwischen Bonn und Ostberlin zulieszlig zementierte dieTeilung Deutschlands und machte es dem stalinistischenRegime Walter Ulbrichts leicht ja uumlberhaupt erst moumlglich sichvoumlllig abzukapseln und einzumauern immer unter Hinweis

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auf die kompromiszliglos feindselige Haltung Bonns die wach-sende militaumlrische Bedrohung durch die Bundesrepublik unddie Notwendigkeit sich gegen die westdeutsche Propagandaund Agentenflut zu schuumltzen Erst durch Willy Brandt denersten sozialdemokratischen Kanzler wurde von 1969 an eineneue Ostpolitik gewagt und die Hallstein-Doktrin fallengelas-

Die neue von der CDUCSU heftig bekaumlmpfte OstpolitikWilly Brandts mit dem Ziel die friedensgefaumlhrdende Hochruuml-stung abzubauen und die innerdeutschen Beziehungen nichtzuletzt den Reiseverkehr allmaumlhlich zu normalisieren machtedem Kalten Krieg ein Ende und setzte auf raquoWandel durchAnnaumlherunglaquo

Diese Hoffnung erfuumlllte sich im Herbst 1989 Aber es warennun Helmut Kohl dessen Union und deren freidemokratischeKoalitionspartner die ernten konnten was Willy Brandt unddessen politische Freunde nach muumlhseliger Abtragung der inJahrzehnten des Kalten Krieges angehaumluften Hindernissegesaumlt hatten Kohl ohne eigenes Zutun ploumltzlich zum raquoKanzlerder deutschen Einheitlaquo aufgestiegen nutzte seine ChanceNachdem sich die DDR aus eigener Kraft vom Honecker-Regime befreit hatte versprach Kohl deren Buumlrgerinnen undBuumlrgern goldene Berge raquobluumlhende Landschaftenlaquo und gren-zenlose Konsumfreiheit und tatsaumlchlich gelang ihm so derkaum noch erhoffte Wahlsieg im Dezember 1990

Seither haben die Menschen im raquoBeitrittsgebietlaquo der neuenBundeslaumlnder erfahren was es heiszligt brutal und ruumlcksichtslosvereinnahmt und dem raquofreien Spiel der Kraumlftelaquo ausgeliefert zuwerden Sie konnten nicht ahnen daszlig es Helmut Kohl und sei-ner Regierungskoalition nur darum ging (und noch geht) auchoumlstlich der Elbe jene Umverteilung von unten nach ganz obendurchzufuumlhren die in Westdeutschland schon seit Jahren imGange war Dieser Prozeszlig der keinerlei Ruumlcksicht auf die so-zial Schwachen zulaumlszligt dient allein den Interessen der Super-reichen

Denn dafuumlr wurde Helmut Kohl von Konsul Dr Ries derihn von der Schulbank an gefoumlrdert und ihm spaumlter umfangrei-che Hilfe bei seinem politischen Aufstieg verschafft hatte im

Auftrag der Herren des Groszligen Geldes auserwaumlhlt Dafuumlrwurde Kohl an die Spitze der CDU gehievt und mit einem klu-gen Ratgeber versehen der ihn ins Kanzleramt begleiten undKohls Maumlngel zumal die an Intelligenz und Takt ausgleichensollte

Nachdem wie bereits geschildert Rainer Barzels CDU-Chefsessel fuumlr Helmut Kohl mit Hilfe von viel Flick-Geld raquofrei-gefaumlcheltlaquo worden war hatte Dr Ries 1972173 die delikate Auf-gabe den kuumlnftigen Ratgeber behutsam auf dieses Amt vorzu-bereiten seinen Schuumltzling Helmut Kohl auf die fuumlr ihn auser-sehene raquoNummer einzustimmen und beide unter seineFittiche zu nehmen

Zum besseren Verstaumlndnis vorausgeschickt Im Juli 1976 nur13 Monate vor der Entfuumlhrung und schlieszliglichen ErmordungDr Hanns Martin Schleyers durch RAF-Terroristen hatte derAutor dieses Schwarzbuchs ein laumlngeres Gespraumlch mit diesemraquoBoszlig der Bosselaquo der damals Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG Praumlsident der Bundesvereinigung der DeutschenArbeitgeberverbaumlnde (BDA) und Vertrauensmann der Flick-Gruppe war bald darauf auch noch Praumlsident des Bundesver-bands der Deutschen Industrie (BDI) wurde Die Unterhal-tung war auf Wunsch Dr Schleyers zustande gekommen

Bei dem gemeinsamen Mittagessen in einem MuumlnchenerHotel zeigte sich Dr Schleyer ungewoumlhnlich offen Soweit esseine und seiner Freunde politischen Plaumlne betraf erklaumlrte eres sei ein Irrtum zu glauben Franz Josef Strauszlig sei ihr Favoritfuumlr das Kanzleramt raquoEr hat groszlige Qualitaumltenlaquo meinte damalsSchleyer uumlber Strauszlig raquoaber er ist zu unkontrolliert und zuangreifbar laquo

Nun gab es wahrlich Gruumlnde genug den damaligen CSU-Chef fuumlr raquozu angreifbarlaquo zu halten Er stand wie das Landge-richt Muumlnchen ihm bescheinigt hatte raquoim Ruch der Korrup-tionlaquo und seine Laufbahn war seit den fruumlhen fuumlnfziger Jahrenals er Bundesverteidigungsminister Adenauers wurde eineKette von Skandalen und Affaumlren Aber Dr Schleyer hatte wiesich dann herausstellte mit der raquoAngreifbarkeitlaquo des FJS etwasanderes gemeint und dessen skandaloumlse Verquickung von poli-tischer Amtsfuumlhrung und privaten Geschaumlften unter die Rubrikraquozu unkontrolliertlaquo eingeordnet Das ergab sich aus einemZusatz der sinngemaumlszlig etwa besagte Ihm Schleyer sei es egal

Naumlheres daruumlber ist nachzulesen in Bernt Engelmann raquoGroszliges Bundesver-dienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

daszlig die Leute nun wuumlszligten daszlig er mal SS-Fuumlhrer gewesen seiaber er wolle ja nicht Bundeskanzler werden

Schleyers Bemerkung Strauszlig waumlre als Kanzler raquozu angreif-barlaquo hatte sich also auf dessen Nazi-Vergangenheit bezogenund zwar etwa in der Bedeutung Als Ministerpraumlsident in Bay-ern kann ein Mann wie Strauszlig noch durchgehen aber nicht alsBundeskanzler in Bonn

Zur weiteren Klarstellung Franz Josef Strauszlig leugnete zeit-lebens seine Nazi-Vergangenheit er hatte fuumlr alles ganz harm-lose Erklaumlrungen Gewiszlig er habe dem NSKK angehoumlrt aberdieses NS-Kraftfahrkorps sei unpolitisch gewesen er selbst nurMitglied wegen seiner Leidenschaft fuumlrs Motorradfahren alsStudent habe er einer raquoPflichtorganisationlaquo dem NS Deut-schen Studentenbund (NSDStB) als einfaches Mitglied ange-houmlrt schlieszliglich sei er gegen Kriegsende raquoOffizier fuumlr wehrgei-stige Fuumlhrunglaquo gewesen habe den Soldaten Geschichtsunter-richt erteilt aber als er dann NSFO NS-Fuumlhrungsoffizierhatte werden sollen da habe er abgelehnt und sich dem heimli-chen Widerstand angeschlossen

Tatsaumlchlich ist urkundlich erwiesen daszlig es mit alledem eineganz andere Bewandtnis gehabt hat und Dr Schleyer wuszligteaus eigener Erfahrung daszlig der NSDStB alles andere war alseine harmlose raquoPflichtorganisationlaquo naumlmlich die auf nur5 000 Mitglieder im ganzen Groszligdeutschen Reich strikt be-grenzte Kaderschule fuumlr den SD den gefuumlrchteten Sicher-heitsdienst der SS dem ja auch Dr Schleyer selbst angehoumlrthatte

Wenn aber Hanns Martin Schleyer und die ihm nahestehen-den Kreise damals 1976 von Franz Josef Strauszlig als Kanzler-kandidat nichts hielten wen mochten er und seine Freundedann im Auge haben

Der Autor stellte ihm diese Frage und uumlberraschenderweiseerwiderte Dr Schleyer ohne ZoumlgernraquoWir setzen auf das Tandem KohlBiedenkopflaquo

Professor Kurt Biedenkopf der 1973 zur allgemeinen Uumlber-raschung Generalsekretaumlr des CDU-Bundesvorstands gewor-den war galt als raquoVordenkerlaquo der Union Im uumlbrigen war er fuumlrdie bundesdeutsche Oumlffentlichkeit im Wahljahr 1976 noch ein

unbeschriebenes Blatt Wer sich uumlber den Professor der bislangkein Bundestagsmandat gehabt hatte naumlher informierenwollte fand im raquoWer ist werlaquo folgenden auf eigenen Angabendes Professors beruhenden Eintrag

am 28 Januar 1930 in (Vater Wilhelm -

mitglied der C Rudolf Poensgen-Stiftung Vorsitzender des

- Buchveroumlffentlichungen Aktuelle Grundsatzfragen des Kartell-

beschraumlnkungen und Wirtschaft 1958 Unternehmer und Gewerk-

Diese Angaben waren nicht sehr aufschluszligreich Zunaumlchst lie-szligen sie vermuten daszlig es sich bei Professor Biedenkopf umeinen stillen Gelehrten handelte der im In- und Ausland flei-szligig studiert hatte um dann eine steile Universitaumltskarriere ein-zuschlagen In rascher Folge war er Privatdozent Ordinariusund sogar Rektor der Bochumer Ruhruniversitaumlt gewordendaneben mit zahlreichen Buchveroumlffentlichungen hervorgetre-ten und in Stifterverbaumlnden aktiv gewesen Aber dann hatte ihnploumltzlich die Politik in Beschlag genommen und er war sozusa-gen aus dem Stand CDU-Generalsekretaumlr geworden

Noch ein weiterer Umstand gab dem Leser der Kurzbiogra-phie Raumltsel auf denn es fehlte darin selbst der kleinste Hinweisauf Herkunft Schulzeit Beruf des Vaters und dergleichenMan konnte vermuten daszlig da vielleicht ein schlichtes Proleta-rierkind aus Bescheidenheit oder falscher Scham seinenraschen Aufstieg ein wenig zu verschleiern trachtete

Indessen war Professor Dr Kurt H Biedenkopf beileibe keinsozialer Aufsteiger vielmehr der Sohn des Dipl Ing Wilhelm

Biedenkopf aus Chemnitz Jahrgang 1900 der bis zu seiner Pen-sionierung ordentliches Vorstandsmitglied einer Perle unterden zur Flick-Gruppe gehoumlrenden Unternehmen naumlmlich derraquoDynamit-Nobel AGlaquo in Troisdorf gewesen war zuvor techni-scher Direktor vielfacher Aufsichts- und Beirat waumlhrend desZweiten Weltkriegs auch ein vom raquoFuumlhrerlaquo besonders belo-bigter und belohnter raquoWehrwirtschaftsfuumlhrerlaquo Ganz zufaumllli-gerweise war Vater Wilhelm Biedenkopf zuletzt auch Mitglieddes Beirats jenes Unternehmens in Bergisch-Gladbach daswesentlich zu den Gewinnen des raquoPegulanlaquo-Konzerns beigetra-gen hatte und an dem Frau Marianne Strauszlig die Gattin desCSU-Chefs von Konsul Dr Ries hochherzigerweise mitzuletzt etwa 16 Prozent beteiligt worden war

Ein weiterer Zufall Sohn Kurt der spaumltere CDU-General-sekretaumlr war waumlhrend eines beruflich bedingten Aufenthaltsseines Vaters als die BASF dessen Dienste in Anspruchgenommen hatte anno 1930 in LudwigshafenRh zur Weltgekommen genau wie Helmut Kohl und mit diesem hatte erauch gemeinsam die Volksschule besucht

Dann aber hatten sich ihre Wege getrennt Der aus unbemit-telter Beamtenfamilie stammende Helmut Kohl muszligte sichwie wir bereits wissen recht muumlhsam nach oben hangeln unddabei spielte sein Foumlrderer Dr Ries eine wichtige Rolle KurtBiedenkopf hingegen hatte in den USA politische Wissenschaf-ten in Muumlnchen und Frankfurt Jura und Volkswirtschaft stu-diert zum Doktor der Rechte und zum Master of Law promo-viert sich mit einer Arbeit uumlber raquoDie Grenzen der Tarifautono-mielaquo habilitiert (und damit zugleich die Aufmerksamkeit derKonzernherren und des Arbeitgeberverbands erregt) und war1967 juumlngster Rektor der Bundesrepublik in Bochum gewordenIn den folgenden Jahren hatte er sich gesellschafts- und wirt-schaftspolitisch zu profilieren begonnen raquoIn seinem BekenntnisZU einer funktionsfaumlhigen Marktwirtschaft mit Wettbewerb und

schrieb damals raquoDer Spiegellaquo uumlber ihn raquolaumlszligt ersich von niemandem uumlberbietenlaquo

Weithin bekannt geworden war der Professor aber erst 1968als ihn Bundeskanzler Kiesinger mit der Leitung einer Kommis-sion beauftragte die fuumlr die Bundesregierung die Frage der

betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer untersuchensollte Diese raquoBiedenkopf-Kommissionlaquo wie sie dann genanntwurde rang sich zwar zu einer Wuumlrdigung der gut funktionie-renden paritaumltischen Mitbestimmung in der Montanindustriedurch entschied sich aber gegen die Ausdehnung diesesModells auf die gesamte Wirtschaft wie es GewerkschaftenSPD und CDU-Sozialausschuumlsse gefordert die Unternehmerjedoch als raquoruinoumls fuumlr die Wirtschaftlaquo abgelehnt hatten Iacute raquomiddotnot raquoreg

iquestfrac34raquoreg iquestlaquofrac12 frac14raquosup2 deg iquestregnotraquomiddotraquomiddotsup1 raquosup2 raquosup2 YacuteUumlEuml oacuteIacute plusmnbrvbar middotiquestacuteiquestlaquoshyshy frac12 $shyshy raquosup2 iquest shyfrac14raquoreg pararaquofrac14raquo Uumlraquosup3 plusmnmicroregiquestnotmiddotshy middotraquoreglaquosup2 sup1 frac14raquoreg Eacute middotregnotoacute

shyfrac12 iquestordmnot brvbar laquo frac34raquomicroltsup3 deg ordmraquosup2 shylaquofrac12cedil raquoograveu Umgekehrt fand nun einer dergroumlszligten bundesdeutschen Konzerne die Henkel-Gruppe daszligdieser so unternehmerfreundliche Professor genau der richtigeMann fuumlr sein Topmanagement sei Anfang 1971 konntedenkopf seine akademische Laufbahn vorerst beenden undGeschaumlftsfuumlhrer der Henkel GmbH werden Von diesem Kom-mandoposten des nicht nur im Waschmittelbereich fuumlhrendenChemie-Riesen dessen Eigentuumlmer als Groszligaktionaumlre desDEGUSSA-Konzerns und der NUKEM-Reaktorbau-Holdingbetraumlchtlichen Einfluszlig auf die Wirtschaft und die Politik derBundesrepublik ausuumlben lieszlig sich Professor Biedenkopf zwei-einhalb Jahre spaumlter weglocken und uumlbernahm den Posten desGeneralsekretaumlrs der in die Opposition verbannten CDU

Niemand vermutlich nicht einmal Kurt Biedenkopf selbstwird mit Bestimmtheit sagen koumlnnen wer oder was den Profes-sor dazu bewogen hat sich von der sicheren Kommandobruumlcke

Die NUKEM GmbH in Hanau gehoumlrt zu 35 Prozent der DEGUSSA derenGroszligaktionaumlr die Familie Henkel (raquoPersillaquo usw) ist Die NUKEM GmbH istihrerseits mit 40 Prozent des Kapitals an der ALKEM GmbH Hanau betei-ligt Der Geschaumlftsfuumlhrer dieser Brennelementefabrik Dr Alexanderkoff seit 1963 CDU-Bundestagsabgeordneter sowie vier weitere ALKEM-Manager wurden im Sommer 1986 von der Staatsanwaltschaft beschuldigtraquowesentliche technische Aumlnderungen im Produktionsablauf ohne atomrecht-liche Genehmigungsverfahren vorgenommen und damit die Sicherheit derAnlage verringert zu Warrikoff fanden sich dann andere Verwen-dungsmoumlglichkeiten Geschaumlftsfuumlhrendes Vorstandsmitglied des Wirtschafts-verbandes Kernbrennstoff-Kreislauf Vorsitzender des Verwaltungsrates derNVD -Nukleare Versicherungsdienst GmbH Bundesvorstandsmitglied desCDU-Wirtschaftsrates

des Henkel-Konzerns in die Wogen der Politik zu stuumlrzen Ver-buumlrgt ist jedoch daszlig Konsul Dr Fritz Ries dem Wunsch seinerGaumlste auf Schloszlig Pichlarn und inbesondere dem seines altenFreundes Hanns Martin Schleyer doch einen raquoIntelligenzbol-zenlaquo zu finden der bereit und imstande waumlre Helmut Kohlsdeutliche Maumlngel auszugleichen sowie beide auf ihre gemein-same Rolle raquoeinzustimmenlaquo mit Eifer und Geschick nachge-kommen ist

Vom Herbst 1972 an organisierte Dr Ries auf seiner steier-maumlrkischen Besitzung sogenannte raquoPichlarner TopmanagerGipfeltreffenlaquo die sich bald groszliger Beliebtheit erfreutenDenn die zur Ries-Besitzung gehoumlrende ProminentenherbergeraquoSchloszlighotel Pichlarnlaquo eignete sich vorzuumlglich dazu das Ange-nehme mit dem Nuumltzlichen zu verbinden

Nuumltzlich waren die Bekanntschaften die man dort machenkonnte denn zu den Pichlarner Gaumlsten gehoumlrten PolitikerIndustriekapitaumlne Bankiers Praumllaten und Militaumlrs nuumltzlichwaren auch die Vortraumlge die man dort houmlren konnte und dieanschlieszligenden Diskussionen und nuumltzlich war schlieszliglichauch die Moumlglichkeit die Pichlarn bot sich im Fitness-Zen-trum in der Schwimmhalle beim Golfspiel zu Pferde oder imJagdrevier vom Streszlig des Alltags zu erholen und die uumlberfluumlssi-gen Pfunde wegzutrimmen Angenehm waren die schoumlne Um-gebung die gepflegte Gastronomie und nicht zuletzt die rei-zende Betreuung teils durch attraktive Hostessen teils durchdie nicht minder liebenswuumlrdigen Toumlchter des Hauses

Kein Wunder also daszlig auch Professor Kurt Biedenkopf gernder Einladung folgte an solchen raquoPichlarner Topmanager-Gip-feltreffenlaquo teilzunehmen und da er wie man der steiermaumlrki-schen raquoSuumld-Ost-Tagespostlaquo damals entnehmen konnte dermit Abstand raquoprominenteste auslaumlndische Teilnehmer und Vor-tragendelaquo dieser Veranstaltungen war ist es leicht begreiflichdaszlig ihm die ganz besondere Fuumlrsorge des Schloszligherrn Dr Riesund seiner bei diesen Treffen stets anwesenden Tochter IngridKuhbier galt Beide lieszligen es sich nicht nehmen Professordenkopf nicht nur als bloszligen Dozenten prominenten Teilneh-mer der raquoGipfeltreffenlaquo und Hotelgast zu behandeln sondernvielmehr als einen engen Freund der Familie

In der Folgezeit - Kurt Biedenkopf war nun schon General-sekretaumlr der CDU geworden vertieften sich diese Beziehun-gen noch Man besuchte sich haumlufiger man telefonierte vielmiteinander und fuumlr die Zeit nach der Bundestagswahl 1976wurden in Pichlarn Frankenthal und Bonn gewisse Uumlberra-schungen erwartet die des ruumlhrigen Konsuls Ansehen und Ein-fluszligmoumlglichkeiten weiter vermehren wuumlrden

Es dauerte jedoch bis 1980 die Wahlen des Herbstes 1976brachten der von Helmut Kohl als Kanzlerkandidat von KurtBiedenkopf als CDU-Generalsekretaumlr gefuumlhrten Union nichtden erhofften Wahlsieg und sowohl Konsul Dr Ries als auchHanns Martin Schleyer weilten schon nicht mehr unter denLebenden bis die Beziehungen Biedenkopfs zur Ries-TochterIngrid nunmehr geschiedener Kuhbier auch standesamtlichbeurkundet wurden Professor Biedenkopf inzwischen eben-falls geschieden von seiner Ehefrau Sabine die ihm vier Kindergeboren hatte heiratete also die mit ihm schon so langebefreundete Ries-Tochter (und Mitgesellschafterin von FrauMarianne Strauszlig bei der raquoDyna-Plastiklaquo und anderen raquoPegu- lanlaquo-Konzerntoumlchtern) In damaligen Ausgaben des Prominen-ten-Lexikons raquoWer ist werlaquo verschwieg Kurt Biedenkopf aller-dings (und verschweigt noch immer) daszlig seine zweite Ehefrauebenfalls geschieden und eine Tochter des verstorbenen Kon-suls Dr Ries ist Dort lautete der auf eigenen Angaben beru-hende Eintrag verheiratet in 2 Ehe mit Ingrid geborenerKuhbierlaquo wo es doch richtig heiszligen muumlszligte raquo mit Ingridgeb Ries gesch Kuhbier raquoOb er sich nun seiner neuen fami-liaumlren Beziehungen zu dem toten Industriellen schaumlmte dereinen bedeutenden Teil seines Vermoumlgens der Ausbeutung vonZwangsarbeitern in und um Auschwitz und Lodz zu verdankenhatte oder ob es ihm fuumlr einen prominenten Christdemokratenunschicklich erschien allzu viele Scheidungen bekannt werdenzu lassen bleibt Kurt Biedenkopfs Geheimnis

Nach Auskunft des Testamentsvollstreckers des 1977 verstor-benen Konsuls Dr Fritz Ries sind heute weder Frau Ingrid Bie-denkopf geborene Ries oder deren Geschwisternoch die Erbender toumldlich verungluumlckten Frau Marianne Strauszlig am raquoPegulanlaquo- Konzern oder dessen Tochterfirmen beteiligt die raquoPegulan

AGlaquo gehoumlrt heute mehrheitlich der bundesdeutschen Holding-gesellschaft der British American Tobacco Co (BAT) BesagterTestamentsvollstrecker ist uumlbrigens der Muumlnchener Fachanwaltfuumlr Steuerrecht langjaumlhrige CSU-Bundestagsabgeordnete (seit1969 ohne eigenen Wahlkreis aber mit stets sicherem Listen-platz) und heutige GEMA-Chef Professor Dr Reinhold Kreile(zeitweilig Mitglied des CSU-Parteivorstands und -Praumlsidi-ums) der bis zum Verkauf des bundesdeutschen Flick-Imperi-ums auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Konzern-Holding-gesellschaft der raquoFriedrich Flick Industrieverwaltung Kom-manditgesellschaft auf Aktienlaquo in Duumlsseldorf war

Und damit schlieszligt sich nun der Kreis Denn es war der Per-sonalchef der Daimler-Benz AG (damaliger HauptaktionaumlrFlick) zugleich BDI- und BDA-Praumlsident Dr Hanns MartinSchleyer der seinen alten Freund und Bundesbruder KonsulDr Fritz Ries 1972 nach den vergeblichen Versuchen WillyBrandt durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzenin die Plaumlne einweihte wie der zweite Versuch einer raquoWendelaquogestartet werden sollte

Der gluumlcklose Barzel muszligte Kanzlerkandidatur und CDU-Parteivorsitz aufgeben bekam zum Trost viel Geld groumlszligten-teils von Flick dazu das Groszligkreuz des Verdienstordens derBundesrepublik (spaumlter auch noch einen Ministersessel undsogar das Amt des Bundestagspraumlsidenten bis die Flick-Zah-lungen ruchbar wurden und er zuruumlcktreten muszligte) statt Rai-ner Barzel sollte Helmut Kohl antreten aber nicht allein son-dern auf dem raquoTandemlaquo mit Biedenkopf Dabei war demraquoSchwarzen Riesenlaquo Kohl von dessen Planungs- und Lenkfauml-higkeiten auch die Herren des Groszligen Geldes nicht so rechtuumlberzeugt waren die Rolle des sich abstrampelnden und dabeiimmer froumlhlich laumlchelnden Lieferanten der Antriebskraft zuge-dacht hingegen dem unternehmerfreundlichen und konzern-verbundenen raquoIntelligenzbolzenlaquo Biedenkopf die Rolle desStrategen und Steuermanns

Das raquoTandemlaquo-Team verfehlte aber 1976 das Wahlziel undzerstritt sich auf der Oppositionsbank bei gegenseitigen Schuld-zuweisungen Als Helmut Kohl 1982 im dritten Anlauf und wie-derum durch ein-nun knapp gewonnenes -konstruktives Miszlig-

trauensvotum Helmut Schmidt (SPD) stuumlrzen und endlichim Kanzleramt abloumlsen konnte vollzog er was er vollmundigeine raquogeistig-moralische Wendelaquo nannte ohne Biedenkopfder von 1990 an als Gastprofessor in Leipzig die Studenten dieMarktwirtschaft (und das Fuumlrchten) lehrte und heute Minister-praumlsident von Sachsen ist

Die Erfinder und Bastler des raquoTandemslaquo Ries und Schleyerstarben 1977 Den Nachlaszlig des Kohl-Entdeckers MarianneStrauszlig-Partners und Biedenkopf-Schwiegervaters Ries (undauch den von Marianne Strauszlig die toumldlich verungluumlckte) aberregelte dann wieder der Ranghoumlchste im Flick-Aufsichtsratwas die Frage aufwirft ob es in deutschen Landen seit demErsten Weltkrieg uumlberhaupt irgend etwas in Politik und Wirt-schaft Bedeutsames gegeben hat oder gibt worauf das HausFlick nicht auf die eine oder andere Weise Einfluszlig genommenhat

Natuumlrlich sind sehr reiche Leute daran interessiert daszlig die poli-tischen Entscheidungen ihnen nicht schaden sondern nuumltzendaszlig sie ihre Macht erhalten und ihren Profit mehren beidesnicht einschraumlnken oder gar beseitigen Deshalb versuchen sieauf die politischen Entscheidungsprozesse Einfluszlig zu nehmenteils indirekt beispielsweise uumlber die von ihnen beherrschtenMedien teils direkt und mit dem ihnen vertrautesten Mittelmit viel Geld das sie den Parteien und Politikern spenden vondenen sie sich die beste Vertretung ihrer eigenen Interessenversprechen

Die Grenzen zwischen legitimer Interessenwahrung undmiszligbraumluchlicher oder gar gesetzwidriger Ausuumlbung wirtschaft-licher Macht sind flieszligend Die moralische Beurteilung dessenwas noch als statthaft gelten kann und was nicht wird in derRegel strenger ausfallen als die juristische Wertung die anGesetze gebunden ist und diese werden ja von Politikern for-muliert und beschlossen die nicht nur gewaumlhlte Volksvertretersind sondern auch haumlufig den Einfluumlssen der wirtschaftlichMaumlchtigen unterliegen

Dies vorausgeschickt wollen wir uns nun mit einem Super-reichen beschaumlftigen der sechs Jahrzehnte lang starken Ein-fluszlig auf die deutsche Politik genommen hat Er hat in der Poli-tik stets nur ein Mittel zur Erhaltung der gesellschaftlichenMachtverhaumlltnisse und zur Vergroumlszligerung des eigenen Profitsgesehen Noch heute uumlber seinen Tod hinaus beeinfluszligt dasGeld das er zu Lebzeiten in Politiker und Parteien investiertein erheblichem Maszlige die Bonner Szene und von dort aus dasgesamte politische Geschehen in Deutschland Der Name die-ses Superreichen Friedrich Flick ist zugleich zum Synonymfuumlr den Miszligbrauch wirtschaftlicher Macht geworden

Friedrich Flick kam 1883 in Ernsdorf bei Siegen als Holz-haumlndlersohn zur Welt Mit dem Zeugnis der mittleren Reifeund dem Kaufmannsdiplom begann er 1906 als Prokurist derBremer Huumltte in Geisweid seine Karriere 1913 gerade 30 Jahrealt wurde er Direktor der raquoEisenindustrie zu Menden undSchwertelaquo 1915 im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs wech-selte der zwar wehrpflichtige und kerngesunde Meterlange Direktor Flick der aber als raquounabkoumlmmlichlaquo vom Militaumlr-dienst befreit war in den Vorstand der Charlottenhuumltte zu Nie-derschelden und wurde 1917 deren Generaldirektor

Mit eigenen Ersparnissen und Bankkrediten verschaffte ersich bis 1918 die Mehrheit der Anteile an der Charlottenhuumlttedie am Krieg glaumlnzend verdient hatte Er nutzte diese Gewinnezu Modernisierungen zum Ankauf kleinerer Unternehmensowie zur Anlage riesiger Reserven an Schrott der im Kriegespottbillig zu haben war Auch sparte er Steuern indem er ins-gesamt 17 Millionen Mark Kriegsanleihe zeichnete Genauzwei Tage vor Waffenstillstand als jedem klar wurde daszligDeutschland den Krieg verloren hatte verkaufte Flick diegesamte von seiner Charlottenhuumltte gezeichnete Kriegsan-leihe die dann wertlos wurde zu noch guumlnstigem Kurs underwarb mit dem Erloumls Aktien oberschlesischer Zechen Erkonnte also mit dem Verlauf des Ersten Weltkriegs bei dem diemeisten schwerste Opfer hatten bringen muumlssen fuumlr sich per-soumlnlich sehr zufrieden sein

In den folgenden Jahren der totalen Geldentwertung setzteFlickjede Mark die er einnahm oder sichvon den Banken nochborgen konnte sofort in Sachwerte um tilgte dann seine Schul-den mit voumlllig wertlosem Bargeld ruumlckte aber die heiszligbegehr-ten staatlich subventionierten Erzeugnisse seiner Betriebe nurnoch gegen Devisen Rohstoffe oder Aktien heraus 1924 alsdie deutsche Inflation endete zaumlhlte er zu deren groszligenGewinnern Er war 41 Jahre alt und bereits ein Industriemagnatmit einigen hundert Millionen Mark neuer stabiler Waumlhrungund weitgestreutem Konzernbesitz

geriet die deutsche Stahlindustrie in eine Absatz-krise und muszligte sich in Notgemeinschaftenszligen Der wichtigste Zusammenschluszlig war die raquoVereinigte

Stahlwerke AGlaquo kurz raquoStahlvereinlaquo genannt zu dem sichThyssen Rheinstahl Phoenix und auch Flick zusammenfan-den Fuumlr die Einbringung aller raquoCharlottenhuumlttelaquo-Betriebebekam Flick 20 Prozent der Stahlvereins-Aktien und damitgehoumlrte ihm genau ein Fuumlnftel des neuen Konzerns der seiner-seits fast die Haumllfte der gesamten Stahlerzeugung und rund einDrittel der Kohlefoumlrderung des Deutschen Reiches be-herrschte

Noch erstaunlicher war was folgte Knapp vier Jahre spaumltermitten in der Weltwirtschaftskrise die fast 10 Millionen Deut-sche arbeitslos machte gehoumlrte Flick ploumltzlich die Mehrheitdes raquoStahlvereinlaquo-Kapitals ohne daszlig er auch nur eine Markzusaumltzlich investiert haumltte Er hatte sich dazu eines Tricksbedient der im Grunde ganz simpel war

Die Mehrheit der raquoStahlvereinlaquo-Aktien war im Besitz derraquoGelsenkirchener Bergwerks-AGlaquo (raquoGelsenberglaquo) gewesenWer raquoGelsenberglaquo beherrschte hatte damit auch den raquoStahlver-einlaquo in der Tasche Also verkaufte Flick heimlich seinen raquoStahl-vereinlaquo-Anteil und erwarb mit dem Erloumls raquoGelsenberglaquo-Aktien Das reichte vollauf sich die Kontrolle uumlber raquoGelsen-berglaquo und damit uumlber den ganzen raquoStahlvereinlaquo zu verschaffenund so hatte er ploumltzlich die beherrschende Stellung in derMontanindustrie und damit im gesamten Wirtschaftsleben deskrisengeschuumlttelten Reiches

Das war aber erst ein Zwischenziel seines Plans der groszligeCoup stand noch aus der ihn in den Jahren des Elends und derMassenarbeitslosigkeit zum reichsten Mann Deutschlandsmachen sollte Im November 1931 kam an den Boumlrsen dasGeruumlcht auf der Creacutedit Lyonnais die staumlrkste Bank Frank-reichs wolle sich die deutsche Not zunutze machen und miteinem Schlag die Kontrolle uumlber die Industrie des Ruhrgebietserobern-mit Hilfe der raquoGelsenberglaquo-Mehrheit raquoGelsenberglaquo-Aktien wurden an den Boumlrsen zu nur noch 20 Prozent desNennwerts notiert und die Franzosen sollten schon 100 Pro-zent geboten haben

Diese Geruumlchte an denen kein wahres Wort war alarmier-ten die Presse Alle buumlrgerlichen Blaumltter forderten ein soforti-ges Eingreifen der Reichsregierung die auch eilig zu einer Son-

dersitzung zusammentrat und beschloszlig den Ausverkauf desRuhrgebiets um jeden Preis zu verhindern

Zwar waren die Kassen leer Renten Beamtengehaumllter undUnterstuumltzungssaumltze waren schon drastisch gekuumlrzt wordenAber dennoch darin waren sich Regierung und Reichswehr-Generalitaumlt einig - die Ruhrindustrie durfte nicht den Fran-zosen ausgeliefert werden Also verhandelte Reichsfinanzmi-nister Dr Dietrich ein Liberaler mit Flick und am Endekaufte das arme Reich die raquoGelsenberglaquo-Mehrheit zum Vier-fachen des Kurses (aber immer noch unter dem Preis den dieFranzosen angeblich geboten hatten) Denn Flick wollte alsguter Patriot erscheinen Auszligerdem spendete er dem Finanz-minister Dietrich und dem Kanzler Bruumlning (Katholisches Zen-trum) zusammen rund eine Million Reichsmark fuumlr derenWahlfonds

Dazu ist etwas Grundsaumltzliches anzumerken das nochheute gilt Wenn ein Superreicher einem Politiker viel Geldraquofuumlr Wahlkampfzweckelaquo spendet dann ist es so auch dieAbsicht des Spenders dem Empfaumlnger uumlberlassen was erdamit macht Er kann alles seiner Partei zukommen lassen sichdamit beliebt machen Wahlplakate drucken und kleben lassenHandgelder an Wahlhelfer verteilen doch er kann auch dieSumme fuumlr sich behalten und sein Gewissen -falls vorhandendamit beruhigen daszlig sein des Spitzenkandidaten persoumln-liches Wohl letztlich auch dem Wahlkampf dient Es empfiehltsich dann von erhaltenen 900 000 Mark zunaumlchst 100 000 Markdem Partei-Schatzmeister zu geben mit der Erklaumlrung dies seieine Abschlagszahlung auf eine zu erwartende noch groumlszligereSumme Spaumlter wenn der Wahlkampf vorbei die Parteikasseleer ist kann er dem Schatzmeister noch etwas zukommen las-sen und diesem raten den genauen Gesamtbetrag zu verges-sen und sich nur zu merken daszlig es sich um eine sechsstelligeSumme gehandelt habe die der Parteiboszlig von einem edlenSpender raquobeschafftlaquo und an die Parteikasse abgefuumlhrt haumltteDas eroumlffnet dem Schatzmeister ebenfalls Moumlglichkeitenseine Zweifel und sein etwa vorhandenes Gewissen zu beruhi-gen Alles was der Spender derurspruumlnglichen Summe fuumlr seinGeld erwartet ist die Erfuumlllung seiner Wuumlnsche

Bei der raquoGelsenberglaquo-Transaktion von 1931 bekam Flick fastalles was erwollte das etwa Vierfache dessen was sein Aktien-paket wert war dazu zunaumlchst den Ruhm ungemein patrio-tisch gehandelt und auf den moumlglichen Mehrerloumls in Paris ver-zichtet zu haben Dieser Ruhm verflog jedoch als durchsik-kerte daszlig es ein franzoumlsisches Angebot gar nicht gegebenhatte raquoDie einzig moumlgliche Antwortlaquo schrieb damals ein fuumlh-render Wirtschaftsjournalist raquowaumlre gewesen daszlig die Reichsre-gierung den Schachtelkonzern Charlottenhuumltte-GelsenbergVereinigte Stahlwerke umgehend verstaatlicht haumltte Daruumlberhinaus haumltte der vorliegende Tatbestand Anlaszlig genug gebotenHerrn Flick als Schaumldiger der Interessen des Deutschen Rei-ches zu enteignen

(Dieser Artikel stammte uumlbrigens von dem konservativenProfessor Friedrich Zimmermann der schon damals das Pseu-donym raquoFerdinand Friedlaquo benutzte wie spaumlter als Leitartiklerder Springer-Presse Obwohl sich noch mancher Anlaszlig gebotenhaumltte forderte er nie wieder die Enteignung Flicks was mit des-sen Methoden der raquoPressepflegelaquo zusammenhaumlngen mochte)

Nachdem Friedrich Flick 1931 die Staatskasse um rund 100Millionen Mark aumlrmer gemacht hatte betaumltigte er sich als raquoWirt-

Die ihm verbliebene Unternehmensgruppewurde zum drittgroumlszligten Stahlerzeuger Deutschlands (nachdem raquoStahlvereinlaquo und Krupp) mit eigener Koks- und Kohlen-basis im Ruhrgebiet und knapp 100000 Beschaumlftigten Auchtrat Flick kaum waren die Nazis an der Macht dem exklusivenraquoFreundeskreis des Reichsfuumlhrers SSlaquo bei pflegte dort Bezie-hungen zu den neuen Machthabern besichtigte zusammenmit anderen Wirtschaftsbossen Ordensburgen und KZ-Lagerund uumlberwies alljaumlhrlich dem immer maumlchtiger werdendenraquoReichsfuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler sechsstellige Betraumlge fuumlrdessen private Hobbies Dies war sein bescheidener Dank fuumlrdie vielen Vorteile die die Nazis ihm und den anderen Bossenverschafften die Zerschlagung der Gewerkschaften und Arbei-terparteien von Streiks die Beseitigung der Tarifau-tonomie die Festsetzung niedriger Loumlhne die Einfuumlhrung desraquoFuumlhrerprinzipslaquo in der Industrie wo es nur noch Befehl undGehorsam gab die Steuererleichterungen und Subventionen

zur Foumlrderung der heimischen Wirtschaft und nicht zuletzt diestuumlrmische Nachfrage nach Stahl infolge der von den Nazisbetriebenen Aufruumlstung

Von 1938 an konnte sich Flick auch an der raquoArisierunglaquo juumldi-scher Unternehmen in Deutschland dann auch in Oumlsterreichund der Tschechoslowakei beteiligen ja wurde mit GoumlringsHilfe zum groumlszligten raquoArisierungslaquogewinnler des raquoDritten Rei-cheslaquo (Noch im Nuumlrnberger Kriegsverbrecherprozeszlig lobteGoumlring Herrn Flick sehr zu dessen Leidwesen als raquoabsolut ver-trauenswuumlrdiglaquo und raquosehr groszligzuumlgiglaquo)

Insgesamt spendete Flick den obersten Nazis rund Mil-lionen Mark Dafuumlr bekam er raquoArmisierungslaquomoumlglichkeitennoch und noch Arbeitssklaven fuumlr seine Huumltten und Zechen zuZigtausenden gebot uumlber das groumlszligte private Industrie-Impe-rium Mitteleuropas und wurde der Reichste im GroszligdeutschenReich raquoNiemandlaquo so lobte ihn damals das NS-WochenblattraquoDas Reichlaquo raquohat die Ernennung zum Wehrwirtschaftsfuumlhrermehr verdient als Friedrich Flicklaquo

Allerdings traf Flick schon von 1943 an Vorkehrungen fuumlrden Fall einer deutschen Niederlage Er kannte durch seinenkonzerneigenen Nachrichtendienst die Plaumlne der Alliierten fuumlreine Aufteilung Deutschlands und etwa 16 Monate vor Kriegs-ende begann sein Konzern mit der heimlichen raquoVerlagerunglaquoseiner wertvollsten Besitztuumlmer von Osten nach Westen vorallem in die kuumlnftige amerikanische Zone Waumlhrend der vonGoebbels proklamierte raquototale Krieglaquo noch andauerte und taumlg-lich mehr Opfer an Gut und Blut forderte packten Flick undseine engsten Mitarbeiter bereits ihre Koffer und setzten sichvon Berlin ab Familie Flick (und mit ihr der Sandkastenfreunddes juumlngsten Sohns Friedrich Karl Eberhard v Brauchitsch)zog auf das Hofgut Sauersberg bei Bad Toumllz das als Ausweich-quartier angekauft worden war und dort erwartete Flick dieAnkunft der Amerikaner

Am 13 Juni 1945 wurde der Konzernherr der weit oben aufder Kriegsverbrecherliste stand verhaftet Nach zweieinhalb-jaumlhriger Untersuchungshaft kam er vor das Nuumlrnberger Militaumlr-tribunal zusammen mit seinem Vetter und Vertrauten KonradKaletsch und dem Chef seines Nachrichtendienstes Otto

Steinbrinck Kaletsch wurde freigesprochen Steinbrinck zufuumlnf Flick zu sieben Jahren Gefaumlngnis verurteilt aber schonMitte 1950 waren beide wieder frei Flick hatte seinen 67Geburtstag schon hinter sich aber das Beste in seinem Indu-striellenleben sollte erst noch kommen

Schon im Gefaumlngnis hatte sich Flick mit Hilfe der Unterla-gen die ihm Vetter Kaletsch und sein Anwalt Dr WolfgangPohle (spaumlter Schatzmeister der CSU) allwoumlchentlich brachtenGedanken uumlber den Wiederaufbau seines Konzerns gemachtvon dem im Westen einiges uumlbriggeblieben war derhuumlttelaquo-Konzern in der Oberpfalz die ehedem raquoarisiertenlaquo Hochofenwerke Luumlbeck AG sowie Mehrheitsbeteiligungen ander Harpener Bergbau AG und der Essener Steinkohlenberg-werks AG Treuhaumlnder und Verwalter dieser Reste war uumlbrigensder Bankier Robert Pferdmenges ein enger Freund und Bera-ter Adenauers und Flicks langjaumlhriger Privatsekretaumlr RobertTillmanns saszlig seit 1949 als CDU-Bundestagsabgeordneter inBonn wenig spaumlter als Bundesminister fuumlr besondere Aufga-ben im Kabinett gluumlckliche Umstaumlnde fuumlr den gerade haftent-lassenen fast 70jaumlhrigen Kriegsverbrecher

Der hatte schon von der Gefaumlngniszelle aus den Verkauf sei-ner Ruhrkohlen-Interessen eingeleitet konnte sie sogleichguumlnstig abstoszligen und verfuumlgte im Herbst 1950 uumlber fast eineViertelmilliarde DM an fluumlssigen Mitteln mit denen er sich inzukunftstraumlchtige Industriezweige einkaufte vor allem in dieAutomobil- Maschinen- Papier- und Kunststoff-Industrie

Es wuumlrde Baumlnde fuumlllen wollte man alle Transaktionen schil-dern mit deren Hilfe Flick sein Nachkriegs-Imperium auf-baute Am Ende seines Lebens gehoumlrten ihm jedenfalls dieFeldmuumlhle AG die Maximilianshuumltte eine starke Mehrheit ander Buderus AG in Wetzlar zu deren Konzern auch die Muumln-chener Panzerschmiede Krauss-Maffei zaumlhlte die Dynamit-Nobel AG in Troisdorf sowie ein dickes Paket Daimler-Benz(raquoMercedeslaquo)-Aktien das Anfang der siebziger Jahre alleineinen Wert von mehr als zwei Milliarden DM darstellte

Schon 1958 nur acht Jahre nach Flicks Haftentlassung hatteBundeskanzler Adenauer ihm zum 75 Geburtstag und raquozumgroszligen und staunenswerten Lebenswerklaquo gratuliert

lich konnte man nur staunen was der durch fuumlnfjaumlhrige Kriegs-verbrecherhaft ungebrochene alte Herr in so kurzer Zeit wiederzusammengerafft und wie fest er sein Industriereich im Griffhatte Dagegen war es schlecht bestellt um die Erbfolge Mitseinen beiden Soumlhnen Otto-Ernst und Friedrich-Karl standsich der autokratische Uumlbervater miserabel Erst sollte Otto-Ernst (raquoOElaquo) alles uumlbernehmen Friedrich-Karl (raquoFKlaquo) vomVater raquodas Biirschchenlaquo genannt sollte mit ein paar hundertMillionen abgefunden werden Dann gab es Krach mit raquoOElaquo mehrfache Aumlnderungen des Testaments jahrelange Prozessein denen Vater und Sohn Groszligvater und Enkel Bruumlder undSchwaumlgerinnen vor den Gerichten stritten was Hunderte vonMillionen verschlang schlieszliglich einen Vergleich durch denraquoOElaquo hoch abgefunden endguumlltig ausschied seine beidenSoumlhne sollten sobald sie 28 Jahre alt waren ihre Beteiligungenam Konzern selbst vertreten (wurden aber spaumlter von ihremOnkel raquoFKlaquo abgefunden und ausgebootet) Uumlbrig blieb alskuumlnftiger Alleinherrscher raquodas Buumlrschchenlaquo raquoFKlaquo Er erbtebeim Tode des fast 90jaumlhrigen Vaters im Jahre 1972 das gesamteFlick-Imperium

Zweifel an der Befaumlhigung seines Juumlngsten hatte FriedrichFlick stets gehabt und deshalb Eberhard v Brauchitsch raquoFKslaquoJugendfreund diesem als Generalbevollmaumlchtigten an dieSeite gestellt Aber 1971 ein Jahr vor dem Tod des alten Flickwar es zum Krach zwischen den Freunden gekommen Brau-chitsch hatte ein Angebot von Axel Springer angenommen undwar dessen Generalbevollmaumlchtigter geworden Ein Jahr spauml-ter vom Totenbett des Vaters aus rief raquoFKlaquo wie er nungenannt wurde v Brauchitsch zuruumlck

raquoIn den fruumlhen siebziger Jahrenlaquo so raquoDer Spiegellaquo raquoarbeite-ten gtFKFlt und zunaumlchst bestens zusammen Nach demTod des Alten halfv B die Alleinherrschaft des Sohnes abzusi-chern Dann setzte das Duo zu seinem Herkules-Werk an Umdie Steuerbefreiung fuumlr die Daimler-Milliardenlaquo den Erloumlsdes Verkaufs eines Teils von Flicks Daimler-Benz-Aktienraquodurchzudruumlcken muszligte die traditionelle Spenden-Maschine-rie des Hauses Flick auf houmlchste Touren gebracht werden Geld spielte keine Rolle Die schwarze Kasse quoll uumlber von

jenen Millionen die v Brauchitsch uumlber die katholische SteylerMission dem Staat direkt abgeluchst hatte Doch fehlte es demKonzernchef und seinem Helfer auch nicht an herkoumlmmlichverdientem Geld Kein Wunder denn auch nach dem Ver-kauf der Mehrzahl seiner Daimler-Aktien an einen Oumllscheichwar raquoFKFlaquo noch mit zehn Prozent am Daimler-Konzern betei-ligt es gehoumlrte ihm ein Drittel des US-Konzerns Grace dieFeldmuumlhle AG samt riesigem Auslandsbesitz war 100prozentigin Flick-Eigentum und er hielt weiterhin eine starke Mehrheitam Buderus-Konzern An dessen Muumlnchener Tochter Krauss-Maffei blieb Flick auch nach Verkauf der Waffenschmiede anMBB und den Diehl-Konzern mit zehn Prozent beteiligt undschlieszliglich war auch die Dynamit-Nobel AG zu fast 100 Prozentin Flick-Eigentum

Was aber die laut raquoSpiegellaquo uumlberquellende schwarze Kasseund die beim Auffuumlllen hilfreiche Steyler Mission betraf sowaren die Steuerfahnder Anfang 1982 einem abenteuerlichenGegengeschaumlft auf die Spur gekommen Ein Unternehmendas die Finanzen der katholischen Steyler Mission verwaltetdie raquoSoverdia Gesellschaft fuumlr Gemeinwohl mbHlaquo hatte vomHaus Flick rund 10 Millionen DM an Spenden erhalten aufden ersten Blick ein frommes Werk wie man es von Flick garnicht erwartet haumltte Doch bei naumlherem Hinsehen fanden dieFahnder heraus daszlig Pater Josef Schroumlder der raquoSoverdialaquo-Geschaumlftsfuumlhrer 80 Prozent der erhaltenen Summe gleich wie-der an den Spender bar zuruumlckgezahlt hatte

Dazu damals raquoDer Spiegellaquo raquoFlick-Chefbuchhalter Diehlerinnert sich wurde ich erstmals von (dem da-maligen Flick-Generalbevollmaumlchtigten) Kaletsch angewiesenvon Herrn Pater Schroumlder Geld in Empfang zu nehmen Eshandelte sich um einen Betrag von 800000 DM Mir wardamals klar daszlig zwischen diesem Betrag und der vorher gege-benen Spende (von 1000 000 DM) ein unmittelbarer Zusam-menhang bestand Im folgenden Jahr ereignete sich der gleicheVorgang mit demselben Betrag Insgesamt zehn MillionenMark flossen innerhalb von zehn Jahren an die Soverdiaacht Millionen kamen wieder in Flicks schwarze Kasse zu-ruumlck laquo

Zehn Prozent der Spendensumme durfte die Steyler Mis-sion behalten weitere zehn Prozent gingen an den damaligenCDU-Bundestagsabgeordneten Walter Loumlhr der raquodie Sachelaquoausgetuumlftelt hatte raquoDen besten Schnittlaquo - so raquoDer Spiegellaquoraquoaber machte die Flick-Gruppe Sie strich nicht nur die gehei-men Ruumlckfluumlsse in Houmlhe von 80 Prozent der Spenden ein (undkonnte damit die schwarze Kasse fuumlllen) sondern konnte auchSpendenbescheinigungen uumlber 10 Millionen DM beim Finanz-amt vorlegen Die Steuerverguumlnstigung betrug damals bis zu 51Prozent der Spendensummelaquo im Falle Flick also nochmals einraquoVerdienstlaquo von mehr als fuumlnf Millionen DM

Dennoch war diese krumme Spenden-Angelegenheit nurein vergleichsweise unbedeutender Nebenaspekt des eigentli-chen Skandals des raquoMilliardendingslaquo Denn so die Staatsan-waumllte -mit Unterstuumltzung der zustaumlndigen Bundesminister Fri-derichs und Graf Lambsdorff gewiszlig aber unter Vorspiegelungfalscher Tatsachen erreichte die Flick-Gruppe zu Unrecht eineSteuerbefreiung in Houmlhe von 450 Millionen DM Um 800 Mil-lionen DM aus dem Verkauf von Daimler-Aktien steuerfrei ineine starke Beteiligung an dem US-Chemiekonzern Graceinvestieren zu koumlnnen gab sie dieses Geschaumlft die Verschie-bung der Riesensumme ins Ausland als volkswirtschaftlicheGroszligtat aus

Zum Segen fuumlr die deutsche Wirtschaft so behaupteten dieFlick-Bosse treuherzig verschaffe diese Geldanlage der BRDden ersehnten Zugang zu neuesten amerikanischen Technolo-gien raquoIn Wahrheitlaquo so Spiegellaquo raquopassierte gar nichtsGrate-Praumlsident Peter Grace kehrte von einer Deutschland-Reise mit der Erkenntnis zuruumlck daszlig mit den neuen Eigentuuml-mern zwar Spesen zu machen waumlren aber kein Technologie-transferlaquo

Der Bonner Staatsanwaltschaft die in den Flick-Chefetagenuumlber hundert Aktenordner beschlagnahmte wurde bald auchklar von wem viele der steuersparenden Ratschlaumlge stammtennaumlmlich von einem alten Freund des Hauses Flick Franz JosefStrauszlig Aus dessen Vernehmungsprotokoll konnte raquoDer Spie-gellaquo folgendes zitieren

raquoIch (Franz Josef Strauszlig) habe wie angegeben HerrnFlick vor etwa acht Jahren geraten in Nordamerika zu investie-ren Ich habe ihm geraten seine inlaumlndischen Betriebe zu ent-schulden und zu modernisieren Ich habe in diesem Zusam-menhang ihm einmal wahrscheinlich im Jahre 1978 einenBrief geschrieben in dem ich ihm geraten habe die Vorausset-zung des sect 6b (Einkommensteuergesetz) und sect 4 (Auslandsin-vestitionsgesetz) sehr genau zu nehmen Ich war damals derMeinung daszlig fuumlr die Erfuumlllung der Kriterien unter anderemein Kooperationsabkommen mit der Firma Grace die Pruumlfungder hiermit verbundenen steuerrechtlichen Frage erleichternwuumlrdelaquo

Auf den Vorhalt des Staatsanwalts raquo Herr Ministerpraumlsi-dent wir haben Sie nunmehr davon in Kenntnis gesetzt daszligsich aus den im Jahre 1974 beginnenden Aufzeichnungen desFlick-Konzerns aus dem Hefter gtCSUlt der sich im Gewahrsamder Staatsanwaltschaft befindet folgende Vermerke ergebengt214 (75)KavB wg FJS12 7 (76) Dr FKF wg FJS11 7 (78) Dr FKF wg FJS2410 (79) Dr FKF wg FJSKoumlnnen Sie dazu irgendeine Erklaumlrung abgebenlaquo

Antwort von Ministerpraumlsident Strauszligraquo1 Ich bin am Zustandekommen keiner dieser Unterlagenbeteiligt

2 Offensichtlich gibt es auch keine Quittungen die ichselbstverstaumlndlich bei eventuellen Auszahlungen wenngewuumlnscht ausgestellt haumltte zumal steuerlich relevante Vor-gaumlnge offensichtlich uumlberhaupt nicht zugrunde liegen

3 Der Beginn Ihrer Unterlagen ist deshalb verwirrend oderirrefuumlhrend womit ich keine Absicht unterstelle weil nebenunzaumlhligen Kleinspendern auch einige Groszligspender darunterdie Flick-Unternehmungen die CSU immer wieder unter-stuumltzt haben Ich darf nebenbei bemerken daszlig es sich hier

Gemeint sind offensichtlich mit raquoKalaquo Konrad Kaletsch mit raquovBlaquo Eberhard vBrauchitsch mit raquoDr FKFlaquo Dr Friedrich Karl Flick mit raquoFJSlaquo Franz JosefStrauszlig damals bayerischer Ministerpraumlsident und CSU-Parteivorsitzender

nicht um die Honorierung von Ratschlaumlgen handelt sondernum eine bestimmte politische Linie im In- und Ausland laquo

Diese Aussage des inzwischen verstorbenen Franz JosefStrauszlig der sich wenn er Gefahr witterte wie ein Tintenfischeinzunebeln pflegte laumlszligt-wenn man den Schwall von Phrasenund Schutzbehauptungen beiseite laumlszligt - zweierlei deutlicherkennen

Strauszlig konnte nicht bestreiten von Flick viel Geld bekom-men zu haben Aber er wollte das nicht als raquoHonorierung vonRatschlaumlgenlaquo verstanden wissen weil ihn dies in den Verdachtder Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten haumltte bringen koumln-nen Statt dessen sollte es sich um eine raquoUnterstuumltzunglaquo einerund zwar doch wohl seiner -raquopolitischen Linie im In- und Aus-landlaquo gehandelt haben wozu angemerkt sei daszlig die auslaumlndi-schen Politiker mit denen Strauszlig enge Beziehungen unter-hielt meist Ultrarechte Faschisten und Rassisten waren Pino-chet in Chile dessen Regime er lobte Suumldafrikas Apartheids-Fanatiker spanische Neofaschisten und sogar die Fuumlhrer dertuumlrkischen Grauen Woumllfe die fuumlr ihre Bluttaten beruumlchtigtwaren

Noch seltsamer als die Erklaumlrung die Strauszlig der Justiz fuumlrdas viele Flick-Geld gab das er erhalten hatte war die Aussagevon Dr Friedrich Karl Flick im Prozeszlig gegen die Ex-MinisterFriderichs und Graf Lambsdorff Als der Richter den ZeugenDr Flick nach Wesen und Zweck der Spenden an raquoFJSlaquo befragte erwiderte dieser von Spenden verstehe er nichts erkoumlnne da raquonur mutmaszligenlaquo

Und das tat er dann auch raquoSpendenlaquo so gab er zu Protokollraquodas war das berechtigte Anliegen von demokratischen Par-teien wiersquos auch beim Vater fruumlher oder beim Onkel Kaletschuumlblich gewesen sein mag um ein offenes Ohr zu findenlaquo

Aber so wollte der Richter wissen ob er nie daran gedachthabe sich damit Vorteile fuumlr den eigenen Betrieb zu verschaf-fen

Darauf Dr Flick raquoDiese Uumlberlegungen sind mir unbe-kanntlaquo

Alsdann sollte dieser offenbarvoumlllig selbstlose Spender demGericht erklaumlren wie denn so eine Spendenzahlung an einen

Spitzenpolitiker vor sich gegangen sei zum Beispiel wenn DrFlick dem Ministerpraumlsidenten Strauszlig 250 Tausendmark-scheine uumlberreicht habe

Ausnahmsweise konnte Dr Flick in diesem Fall mit einerklaren Antwort dienen raquoDa ist er (Strauszlig) beim erstenmal insNebenzimmer gegangen und hat nachgezaumlhlt Und dann ist erzuruumlckgekommen und hat sich bedanktlaquo

Beim zweitenmal so fuumlgte er noch stolz hinzu raquohat er dannnicht mehr nachgezaumlhltlaquo

Nun wollte der Richter auch noch wissen warum das HausFlick seine uumlppigen Spenden an Politiker stets in bar entrich-tete

Dr Flick raquoMeines Wissens hat sich das einfach so ergebenWenn man sich im suumlddeutschen Raum so begegnet ist hatman das Geld der Einfachheit halber gleich uumlbergebenlaquo

Kein Gedanke an die Moumlglichkeit einer Steuerhinterzie-hung auch nicht an die Eventualitaumlt daszlig vielleicht die Empfaumln-ger lieber Bargeld nahmen raquoumlaquo- so fragte der offenbar durch-aus mit dem praktischen Leben vertraute Richter raquonichtimmer Rechenschaft bei ihren Schatzmeistern ablegen zu muumls-senlaquo Flick wuszligte es nicht

Er erklaumlrte dem Gericht daszlig er eigentlich von gar nichtsgewuszligt habe schon uumlberhaupt nichts von den angedeutetenMoumlglichkeiten Kurz Multimilliardaumlr Dr Flick uumlberzog mitun-ter - so raquoDer Spiegellaquo raquoallzu erkennbar seine Rolle als Kon-zerndepplaquo Uumlbertroffen wurde er nur noch von einem seinerGroszligspenden-Empfaumlnger dessen Rolle vor Untersuchungsaus-schuumlssen Justiz und Presse man analog die eines raquoPolitdep-penlaquo nennen muumlszligte Bundeskanzler Dr Helmut Kohl

Bei seiner Vernehmung durch die Bonner Staatsanwalt-schaft am 5 Juli 1982 hatte Dr Kohl damals noch nicht Bundes-kanzler zugegeben vom Haus Flick gelegentlich groumlszligere Bar-geld-spenden erhalten zu haben Daszlig es insgesamt 565000DM gewesen waren die Flick-Chefbuchhalter Diehl zwischen1974 und 1980 exakt verbucht hatte war Kohl indessen wie ersagte raquovoumlllig unbekanntlaquo

Befragt was ihm denn raquovoumlllig unbekanntlaquo gewesen sei dieHoumlhe der Summe oder die Verbuchung durch Diehl erwiderte

Helmut Kohl pikiert er koumlnne raquouumlber Einzelheiten aus der Er-innerung keine Angaben machenlaquo

Indessen erinnerte er sich zwei Jahre spaumlter am 7 Novem-ber 1984 vor dem Flick-Untersuchungsausschuszlig des Bundesta-ges genau daran daszlig eine raquokleinerelaquo Flick-Spende lumpige30 000 DM raquobei uns nicht eingetroffenlaquo sei - eine Zahlung dieder akribische Flick-Chefbuchhalter Diehl mit Datum vom6 Dezember 1977 verbucht hatte

Fuumlr diese raquoNikolaus-Spendelaquo wie sie genannt wurde gab esjedoch ganz besonders viele und starke Indizien Am Nikolaus-Tag 1977 waren 60 000 DM von einem raquoinoffiziellenlaquo Konto desHauses Flick bei einer Duumlsseldorfer Filiale der DeutschenBank bar abgehoben worden Die Abbuchung bei der Bank undder Eintrag ins schwarze Kassenbuch bei Flick stimmten uumlber-ein und dazu paszligte auch der Vermerk des pingelig genauenChefbuchhalters vom 6 Dezember 1977 raquovB wg Kohl 30 000DM wg Graf Lambsdorff 30 000 DMlaquo macht zusammen60 000 DM Parallel dazu hatte v Brauchitsch am 6 Dezember1977 den Erhalt eines Barbetrags von 60 000 DM korrekt quit-tiert und auf der Ruumlckseite der Quittung war vermerkt raquo30 Ko30 GrLalaquo womit ja auch nur gemeint sein konnte das Geldginge je zur Haumllfte an Helmut Kohl und an Otto Graf Lambs-dorff

Uumlberdies trug der vorbildliche Flick-Chefbuchhalter ins Kas-senbuch fuumlr raquoInoffizielle Zahlungenlaquo am 6 Dezember 1977 einraquovB wg Kohl und Lambsdorff 60 000laquo und man darf wohlannehmen daszlig mit der Zahl keine roten Rosen weiszligen Maumluseoder gruumlnen Aumlpfel gemeint waren sondern bare DMark

Doch auch damit noch nicht genug Am Vorabend des Niko-laus-Tages 1977 am 5 Dezember hatte eine Brauchitsch-Sekre-taumlrin ihrem Chef folgende Notiz vorgelegt die sich bei denGerichtsakten befindet raquoFrau Weber Sekr Kohl fragt an obes Ihnen recht ist wenn sie morgen Dienstag gegen 16Uhr kurz bei Ihnen vorbeikommtlaquo und dazu hat Eberhard vBrauchitsch im Dezember 1985 vor dem Bonner Landgerichtausgesagt raquoSielaquo Frau Weber vom Sekretariat Kohl raquohatschon mal fuumlr Herrn Kohl Geld empfangen und dies wiedie Akten zeigen nicht gerade selten Mindestens vier Besuche

Frau Webers bei v Brauchitsch sind vermerkt die mit Zahlun-gen von je 50000 DM und einer von 30000 DM alle raquowgKohllaquo uumlbereinstimmten

Das fuumlr Helmut Kohl Aumlrgerliche ist daszlig es fuumlr die meistenFlick-Spenden raquowg Kohllaquo entsprechende Eingangsbuchungenbei der CDU-Schatzmeisterei gibt nicht jedoch fuumlr die raquoNiko-laus-Spendelaquo und auch nicht fuumlr weitere 25 000 DM die eben-falls fehlen Schlieszliglich fehlt inzwischen noch etwas naumlmlichHelmut Kohls Erinnerung an die Geldwaschanlagen vonRheinland-Pfalz die die von der Industrie kommenden sehrgroszligzuumlgigen Parteispenden am Finanzamt vorbei (und fuumlr dieSpender enorm steuersparend) in die richtigen Troumlge lenktenPater Josef von der Steyler Mission konnte ja nur einen Teil desenormen Bedarfs an raquogewaschenemlaquo Geld befriedigen mitdem die Herren des Groszligen Geldes allen voran das HausFlick die raquogeistig-moralische Wendelaquo in Bonn vorfinanzierten

Helmut Kohl seit 1966 Landesvorsitzender der CDU seit1969 auch Ministerpraumlsident in Rheinland-Pfalz und seit 1975Bundesvorsitzender der CDU die neben CSU und FDP vondem Spenden-Unwesen am meisten profitiert hatte erinnertesich als Kanzler an rein gar nichts mehr uumlberhaupt nicht an dieGeldwaschanlagen in Rheinland-Pfalz Kohl hatte als es umvergleichsweise Bagatellen ging die 30 000 DM der raquoNikolaus-Spendelaquo und die ebenfalls fehlenden 25 000 DM von Flick -alles vergessen Allenfalls fielen ihm wenn die Staatsanwaumlltenach der raquoStaatsbuumlrgerlichen Vereinigunglaquo (SV) in Koblenzfragten die lustigen Abende ein die er dort nachvortraumlgen mit-unter verbracht hatte Kohl hatte aber raquokeinerlei Erinnerunglaquodaran daszlig diese Koblenzer SV die wichtigste Geldsammel-und -Waschanlage nicht nur fuumlr Rheinland-Pfalz sondern fuumlrdie ganze Bundesrepublik gewesen war und daszlig man inKoblenz auch deshalb feucht-froumlhlich gefeiert hatte weil dankder raquobesonderen Foumlrderungswuumlrdigkeitlaquo die der raquogemeinnuumlt-zigenlaquo SV von der Landesregierung bescheinigt worden warseiner CDU etliche hundert Millionen DM heimlicher Spen-den der Industrie steuerbeguumlnstigt zugeflossen waren

Vielleicht hatte Helmut Kohl so vermutete sein damaligerSchnelldenker und Wahlkampf-Manager der von ihm inzwi-

schen gefeuerte Heiner Geiszligler etwas vorlaut -bei seinen Aus-sagen uumlber die raquoSVlaquo aber auch nur Erinnerungsluumlcken und gabirrige und unvollstaumlndige Antworten als Opfer eines raquoBlack-outlaquo Diese von dem klugen von Kohl ungnaumldig entlassenenGeneralsekretaumlr Heiner Geiszligler erwogene Moumlglichkeit daszligdem Kanzler mitunter wenn auch nur voruumlbergehend der Ver-stand abhanden komme sollten die Waumlhlerinnen und Waumlhlerbedenken denn ein Regierungschef mit gelegentlichen Aus-fallerscheinungen ist keine angenehme Vorstellung fuumlr dieMenschen in raquodiesem unserem Landelaquo

Indessen gibt es fuumlr Helmut Kohls Vergeszliglichkeit hinsicht-lich des Verbleibs der raquoNikolaus-Spendelaquo oder auch derMachenschaften der Koblenzer raquoSVlaquo noch eine andere Erklauml-rung als die von Geiszligler vermuteten Gedaumlchtnisluumlcken infolgeeines Blackouts Um Kohls Zoumlgern zu verstehen daruumlber dieWahrheit zu sagen muszlig man noch einmal zuruumlck zu denUrspruumlngen der steilen Karriere des Schwarzen Riesen nachLudwigshafen-Oggersheim und nach Frankenthal

Im Fruumlhjahr 1933 als sich die Hitler-Diktatur gerade etablierthatte und mit immer neuen Wellen des Terrors zu konsolidie-ren begann bereiteten sich drei Heidelberger Juristen geradeauf ihre unterschiedlichen Karrieren vor Dr Eberhard Taubertsah seiner Berufung ins neue Reichspropagandaministeriumentgegen wo er als juumlngster Ministerialrat zunaumlchst die raquoAktiv-propaganda gegen die Judenlaquo leiten sollte SS-Fuumlhrer DrHanns Martin Schleyer nahm die raquoGleichschaltunglaquo der Hei-delberger Universitaumlt vor und betrieb ihre Einstimmung auf dieam 10 Mai durchgefuumlhrte Buumlcherverbrennung sein Freund DrFritz Ries der an diesem Akt der Barbarei als junger Dokto-rand teilnahm schmiedete bereits Plaumlne wie er auf Kosten derJuden rasch reich werden und zunaumlchst zum Kondom-Koumlnigdes raquoDritten Reicheslaquo aufsteigen koumlnnte tatsaumlchlich lieszlig erschon ein Jahr spaumlter die Verpackungen der Erzeugnisse einesgerade raquouumlbernommenenlaquo Betriebs mit dem stolzen Aufdruckversehen

Im selben Fruumlhjahr 1933 am 13 Maumlrz kam im nahen Mann-heim ein Knabe zur Welt dessen spektakulaumlre Laufbahn sichmit den abenteuerlichen Karrieren der drei genannten Heidel-berger Juristen durchaus messen kann Auch kreuzten sichseine Wege wiederholt mit denen der Herren Doktoren RiesSchleyer und Taubert und fast unvermeidlicherweise auch mitdenen Helmut Kohls der drei Jahre zuvor 1930 im Mannheimgegenuumlberliegenden Ludwigshafen geboren war

Der junge Mannheimer des Jahrgangs 1933 hieszlig Hans-OttoScholl besuchte wie Kohl und auch Biedenkopf die Schulein Ludwigshafen studierte dann ebenfalls in HeidelbergRechtswissenschaft und begann auch kaum daszlig er sein Stu-dium beendet hatte Anfang der sechziger Jahre eine politischeKarriere in Rheinland-Pfalz Allerdings stellte Dr Hans-Otto

Scholl seine unbestreitbaren Talente nicht der CDU zur Verfu-gung sondern der in Rheinland-Pfalz seit 1951 mit der CDUzusammen die Regierung bildenden FDP daneben demBundesverband der pharmazeutischen Industrie dessenHauptgeschaumlftsfuumlhrer er wurde Daszlig sich die maumlchtige Pharma-Industrie der Bundesrepublik den jungen Rechtsanwalt undProvinzpolitiker Dr Scholl zum Cheflobbyisten erkor hing mitden besonderen Verhaumlltnissen in Rheinland-Pfalz zusammenwo Dr Scholl in kuumlrzester Zeit zum FDP-Fraktionsvorsitzen-den im Landtag und dann auch zum Landesvorsitzenden auf-steigen konnte und eng befreundet war mit dem CDU-Nach-wuchspolitiker Dr Kohl der 1963 ebenfalls Fraktions- und 1965auch Landesvorsitzender seiner Partei wurde So eng war dasVerhaumlltnis Dr Scholl zum Dr Kohl daszlig die beiden sogar Villaan Villa wohnten der eine in der Marbacher Straszlige9 derandere in Nummer 11 und die beiden Matadore der das Laumlnd-chen Rheinland-Pfalz regierenden Parteien machten sichgegenseitig auch mit ihren finanzstarken Goumlnnern und mitderen einfluszligreichen Freunden bekannt Durch Helmut Kohllernte Hans-Otto Scholl den Konsul Dr Fritz Ries im nahenFrankenthal kennen und in dessen Haus die Duzfreunde desHausherrn Dr Hanns Martin Schleyer und Franz Josef Strauszligsowie die graubraune Eminenz Dr Eberhard Taubert umge-kehrt wurde Helmut Kohl durch Dr Scholl mit allen groszligenund steinreichen Unternehmern der Pharma-Industrie be-kannt von denen im einzelnen noch die Rede sein wird

Es laumlszligt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen weraus diesem Freundes- und Bekanntenkreis den Einfall hatteim Schutze der mit gesicherter Mehrheit das Land Rheinland-Pfalz regierenden Parteien eine Geldwaschanlage zu etablie-ren aber vieles spricht dafuumlr daszlig es Dr Fritz Ries gewesen istund daszlig Kohl im Bunde mit Scholl die Idee in die Tat umsetze

Die Grundidee war einfach Die Industriellen wollten eineihnen genehme Politik und Gesetzgebung die dazu bereitenPolitiker wollten dafuumlr Geld Die Wirtschaftsbosse waren zwarwillens fuumlr volle Kassen zu sorgen nur sollte sie das moumlglichstwenig kosten sondern zu Lasten der Allgemeinheit gehenNun gab es ja bereits Gesetze die Spenden an Parteien steuer-

abzugsfaumlhig machten Aber es gab da Houmlchstgrenzen und diePolitiker wollten weit mehr als die Bestimmungen zulieszligenund auszligerdem war bei regelrechten Parteispenden die Anony-mitaumlt der Spender nicht zu wahren die begreiflicherweise gernunbekannt bleiben wollten Also brauchte man eine Einrich-tung die jede Menge Geld entgegennehmen dafuumlr voll steuer-abzugsfaumlhige Quittungen ausstellen und die empfangenenBetraumlge diskret an diejenigen weiterleiten konnte die sie letzt-lich bekommen sollten weil sie die Entscheidungen trafenoder herbeifuumlhrten die die Spender sich erhofften

Alle diesevoraussetzungen erfuumlllte die dann ins Leben geru-fene raquoStaatsbuumlrgerliche Vereinigunglaquo (SV) in Koblenz undnatuumlrlich bekam diese SV nicht nur sofort die staatliche Aner-kennung als raquogemeinnuumltzig und besonders foumlrderungswuumlrdiglaquosondern wurde auch so ausgestattet daszlig sie ihre Goumlnner undFoumlrderer aufs trefflichste bewirten konnte zumal nachdemeiner der Gruumlndervaumlter Helmut Kohl Ministerpraumlsident vonRheinland-Pfalz geworden war und sein Spezi Nachbar undKoalitionspartner Dr Scholl als Landesfuumlrst der zum Zuumlng-lein an der Waage gewordenen FDP fuumlr Dr Ries DrSchleyer und deren Freunde an Bedeutung enorm hinzuge-wonnen hatte

In Bonn war naumlmlich im Herbst 1969 erstmals seit Bestehender Bundesrepublik ein Sozialdemokrat im Kanzleramt InKoalition mit der FDP regierte nun Willy Brandt Konsul DrRies war von den besorgten Herren des Groszligen Geldes beauf-tragt worden die FDP-Politiker raquoumzustimmenlaquo und dieungeliebte neue Regierung bei naumlchster Gelegenheit zu stuumlr-zen

Fuumlr Dr Scholl gab es zudem eine spezielle Aufgabe ZumRegierungsprogramm der sozialliberalen Bonner Koalitiongehoumlrte im Rahmen der Gesundheitsreform auch eine gruumlndli-che Novellierung der Arzneimittelgesetzgebung und dies tan-gierte die wichtigsten Interessen (sprich die enormen Profite)der Pharma-Industrie deren Verbandshauptgeschaumlftsfuumlhrer er

Von der Pharma-Industrie wurden deshalb hohe Millionen-betraumlge bereitgestellt die Dr Scholl nachdem sie bei der raquoSVlaquo

in Koblenz raquogewaschenlaquo und steuerabzugsfaumlhig gemacht wor-den waren gezielt zu verteilen hatte Es ging darum diejeni-gen Politiker und auch Beamten zu raquofoumlrdernlaquo die Einfluszlig aufdie Arzneimittelgesetzgebung und die Gesundheitspolitik hat-ten

In der Bundesrepublik wurden zu Beginn der Aktivitaumltendes Dr Scholl jaumlhrlich etwa acht Milliarden DM fuumlr Arzneimit-tel ausgegeben Als seine Taumltigkeit Anfang der achtziger Jahreendete waren es jaumlhrlich rund 17 Milliarden DM also mehr alsdas Doppelte raquoFast die Haumllfte dieser gigantischen Steigerungdie alle Bundesbuumlrger belastet haumlttelaquo so raquoDer Spiegellaquo imJuni 1985 - raquosich einsparen lassenlaquo waumlren damals nicht dieKernpunkte der geplanten Reform der Arzneimittelgesetzge-bung raquovon der Pillen-Lobby herausgeschossenlaquo worden

Die vom damaligen Pharmaverbands-HauptgeschaumlftsfuumlhrerDr Scholl mit sehr viel Geld betriebene Beeinflussung desGesetzgebungsverfahrens hat sich fuumlr die Arzneimittelherstel-ler also glaumlnzend gelohnt Sie lohnte sich aber auch fuumlr DrScholls Freunde von der CDU

So hatte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep raquozugleichim Namen von Herrn Dr Kohl und Herrn Professor Bieden-kopflaquo runde 70 000 DM kassiert von Curt Engelhorn Chef

des Familienunternehmens raquoBoehringer Mannheim GmbHlaquo(damaliger Pharma-Umsatz Milliarden DM) und zwaruumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo Der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende Alfred Dregger hatte die Staatsanwaltschaft raquoeinigehunderttausend Mark abkassiertlaquo bei der raquoWella AGlaquo inDarmstadt und ebenfalls uumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo VomPharma-Werk E Merck in Darmstadt erhielt die CDU-Promi-nenz rund eine Million DM und waumlren die Spendenlistenzumal deren wichtigste Teile nicht durch besondere Umstaumlndedem Einblick der Oumlffentlichkeit entzogen worden lieszligen sichgewiszlig noch weitere zusammen mehr als 20 Millionen DMnachweisen die Dr Scholl an CDU- und FDP-Prominenzzumal an seine engsten Spezis groszligzuumlgig verteilt hat

Indessen war Dr Scholl mit dem Pharma-spendengeld mit-unter allzu groszligzuumlgig zumal sich selbst gegenuumlber Alsbandsvorstand dies bemerkte wurde Dr Scholl raquowegen zu

eigenmaumlchtigen Umgangs mit dem Verbandsvermoumlgenlaquo gefeu-ert und muszligte sich verpflichten dem Verband MillionenDM zuruumlckzuerstatten Erstaunlicherweise erhielt Dr Schollaber dennoch nach seiner Entlassung eine monatliche Pensionvom Pharma-Verband in Houmlhe von 5700 DM -raquoSchweigegeldlaquofragte raquoDer Spiegellaquo damals und solche Vermutung erscheintnicht ganz abwegig zumal im Lichte spaumlterer Erkenntnisse

Noch erstaunlicher war es daszlig der gefeuerte Verbandsge-schaumlftsfuumlhrer der 1981 auch als FDP-Landesvorsitzenderzuruumlcktreten muszligte wenig spaumlter im Mainzer Landtag von denFreidemokraten wieder zum Fraktionsvorsitzenden gewaumlhltwurde Aber bei den Neuwahlen vom Maumlrz 1983 kam die FDPmit nur noch Prozent nicht mehr in denMainzer Landtag Dr Scholl war damit auch als Politikerarbeitslos brauchte aber nicht zu darben Als ehemaliger Abge-ordneter bezog er ein Uumlbergangsgeld von monatlich 5 400 DMmit seiner Pension vom Pharmaverband also zusammen 11100DM im Monat

Indessen sah er sich selbst und dann sahen ihn auch seinepolitischen Freunde -als dringend unterstuumltzungsbeduumlrftig anCDU-Ministerpraumlsident Bernhard Vogel damals noch nicht inThuumlringen sondern in Rheinland-Pfalz Kohl-Nachfolger undebenfalls Empfaumlnger betraumlchtlicher Pharma-Spenden aus derHand des Dr Scholl besorgte dem nun arbeitslosen Freunddeshalb einen mit 5000 DM monatlich honorierten Berater-vertrag bei der raquoDeutschen Anlagen-Leasinglaquo (DAL) in Mainzan der die rheinpfalzische Landesbank erheblich beteiligt istAber auch mit den auf 16 100 DM monatlich gestiegenengen war Dr Scholl noch nicht zufrieden Er wandte sich hilfesu-chend an seinen langjaumlhrigen Freund und Nachbarn HelmutKohl seit 1982 Bundeskanzler in Bonn

Klugerweise so stellt es jedenfalls ein mit der Angelegen-heit bestens vertrauter Bonner Beamter dar-waumlhlte Dr Scholleinen privaten Weg dem Kanzler seine Not zu schildern Uumlberjene Frau Juliane Weber die wir schon fluumlchtig kennengelernthaben aus den Notizen des Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard vBrauchitsch und zwar als Abholerin der offenbar verlorenge-gangenen raquoNikolaus-Spendelaquo von 30 000 DM Kohllaquo lieszlig

er Helmut Kohl wissen daszlig nun er es sei der finanzielle Unter-stuumltzung benoumltige

Ob nun Frau Weber ein gutes Wort fuumlr den Freund aus Main-zer Tagen eingelegt hat oder ob Kohl aus eigenem Antrieb taumltigwurde Jedenfalls setzte sich der Bundeskanzler sofort und ineiner Weise fuumlr Dr Scholl ein daszlig bei dem Kohl nahestehen-den und treuergebenen Beamten die Befuumlrchtung aufkam derKanzler koumlnnte erpreszligbar sein Denn dieser verschaffte demlaumlngst nicht mehr in bestem Ruf stehenden Duzfreund den er1982 noch mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausge-zeichnet hatte unverzuumlglich einen Beratervertrag bei der Deut-schen Lufthansa (an der der Bund mit mehr als 50 Prozent be-teiligt ist) Dadurch erhoumlhten sich Dr Scholls feste Bezuumlge umweitere 10 000 DM Monatsgehalt sowie 5000 DM monatlicheraquoAufwandsentschaumldigunglaquo auf nunmehr insgesamt 31100 DM

Die Befuumlrchtungen des um Kohl besorgten Beamten warenjedoch sicherlich unbegruumlndet Kohl hat sich wohl lediglichdem Spezi Dr Scholl der ihm und Seinerpartei jahrelang finan-ziell so uumlberaus behilflich gewesen warpflichtet gefuumlhlt Auch konnte Helmut Kohlja nicht ahnen daszligihn der Freund herb enttaumluschen wuumlrde

Gut ein Jahr nachdem Dr Scholls Bezuumlge dank des KanzlersFuumlrsorge auf uumlber 31000 DM monatlich erhoumlht worden warenereignete sich ein auf den ersten Blick ganz gewoumlhnlicher Raub-uumlberfall Am 28 Dezember 1984 drang ein bewaffneter Mannin ein Baden-Badener Juweliergeschaumlft ein und entkam nach-dem er die Anwesenden bedroht und den Inhaber niederge-schlagen hatte mit einer Beute im Verkaufswert von Millio-nen DM Bei der Fahndung nach den geraubten Juwelen fanddie Polizei in einem Bankschlieszligfach in Zuumlrich nicht nur einenTeil des fehlenden Schmucks sondern auch eine MengePapiere die Einblick gaben in die Spendenpraxis der bundes-deutschen Pharma-Industrie Damit war klar daszlig der bereitsgefaszligte Verdaumlchtige tatsaumlchlich der Raumluber von Baden-Badenwar Rechtsanwalt Dr Scholl der zwei Jahrzehnte lang fuumlh-rende F D P-Politiker von Rheinland-Pfalz und ehemaligeHauptgeschaumlftsfuumlhrer des Pharma-Verbands ein Intimus desamtierenden Bundeskanzlers

Lassen wir diese fuumlr Helmut Kohl schockierende Angelegen-heit damit ihr Bewenden haben Dr Scholls Motive hatten mitPolitik nichts zu tun und er hat seine Freiheitsstrafe laumlngst ver-buumlszligt

Allerdings haumltte sich Helmut Kohl schon fruumlher daruumlber imklaren sein muumlssen daszlig groszligzuumlgige lsquoGeldspender nicht voumllligselbstlos handeln Lange vor dem ersten Haumlndedruck mit demdamaligen Pharma-Lobby-Haumluptling Dr Scholl haumltte Kohl wis-sen muumlssen Wenn steinreiche Industrielle dicke Geldbuumlndelverteilen oder durch ihre Beauftragten verteilen lassen so istdies im allgemeinen kein Ausdruck uneigennuumltziger Naumlchsten-liebe Vielmehr erwarten die Spender in aller Regel Gegendien-ste die ihnen ein Vielfaches dessen einbringen was sie gespen-det haben und dabei verlangen sie mituntervon den Beschenk-ten sogar Ungesetzliches ja schlimmer noch Sie fordern eineAumlnderung der Gesetze und Vorschriften zu ihren Gunsten undzum groszligen Schaden fuumlr die Allgemeinheit oder vereiteln -wiees der Pharma-Industrie mit Hilfe der von Dr Scholl verteiltenMillionen gelang ein dringend gebotenes Reformwerk

Helmut Kohls Verhalten gegenuumlber Spendenverteilern obsie Dr Scholl oder v Brauchitsch Flick Henkel oder Oetkerheiszligen setzt ihn dem Verdacht aus daszlig er den von ihm ge-schworenen Eid raquoSchaden abzuwenden und den Nutzen zumehrenlaquo nicht auf das deutsche Volk bezieht wie es die Eides-formel fordert sondern nur auf einen winzigen Teil dieses Vol-kes naumlmlich auf die spendablen Herren des Groszligen Geldessowie auf sich selbst und einige wenige Personen die ihmnahestehen

Das Ganze wird noch erheblich verschlimmert durch einBenehmen Helmut Kohls im privaten Umgang mit den Reprauml-sentanten des Groszligen Geldes das seinen Waumlhlerinnen undWaumlhlern wenn sie davon erfahren die Schamroumlte ins Gesichttreiben muumlszligte Nehmen wir als Beispiel einen scheinbar neben-saumlchlichen im Untersuchungsausschuszlig des Bundestages zurFlick-Spendenaffaumlre aktenkundig gewordenen Vorgang

Da rief Kanzler Kohl eines Tages bei Eberhard v Brauchitschan dem Flick-Generalbevollmaumlchtigten der seinem Konzernetliche Hundert Millionen Mark faumllliger Steuern sparen will

und dafuumlr mit Bargeldbuumlndeln den stets beduumlrftigen Politikerngefaumlllig ist Zweck des Anrufs ist die Mitteilung des Bundes-kanzlers raquoDu houmlr mal Eberhard ich komme morgen abendbei euch vorbei Ich wuumlrde gern mal wieder anstaumlndig Kaviare s s e n

Natuumlrlich ging v Brauchitsch sofort auf diesen Wunsch sei-nes Duzfreundes ein der sich bei nur knapp 40000 DMMonatsgehalt sein -neben Saumagen -liebstes Essen offenbarnicht leisten konnte oder wollte Aber damit nicht genug Einpaar Tage spaumlter wieder ein Anruf bei v Brauchitsch diesmalvon Frau Hannelore Kohl aus Oggersheim raquoDu weiszligt dochEberhard wie gern ich Kaviar esse aber den gibtrsquos bei euch janur wenn ich nicht dabei bin

was macht man dann als guterzogener Mensch Als ichdas naumlchste Mal mit Herrn Kohl zusammen warlaquo so berichteteHerr v Brauchitsch habe ich ihm eine Dose Kaviar mitge-geben Den moumlchte er doch bitte mit Frau Gemahlin essen

Auch damit noch nicht genug denn die Schilderung desFlick-Repraumlsentanten geht weiter

raquoNach einer gewissen Zeit gibt es wieder ein Telefonat zwi-schen Frau Kohl und mirlaquo Bei dieser Gelegenheit fragte vchitsch raquoDu haumlttest eigentlich was sagen koumlnnen -wie war dennder Kaviarlaquo Darauf Hannelore Kohl raquoKaviar Ich habe keinengekriegt Du kennst doch den Helmut Der hat ihn mit in seineWohnung in Bonn genommen und ihn selber aufgegessen laquo

Woraufhin der wohlerzogene v Brauchitsch das Haus Flickabermals in Unkosten stuumlrzte das halbe Kilo Kaviar kosteteseinerzeit 560 DM und seinen Fahrer beauftragte der Kanz-lergattin rasch eine Dose vom Feinsten nach Ludwigshafen-Oggersheim zu bringen Mit einen dreizeiligen Begleit-brief die russische Marmelade wirklich in DeineHaumlnde kommt anbei direkt herzliche Gruumlszligelt laquo

Uumlbrigens der Untersuchungsausschuszlig und damit auch diePresse und die Oumlffentlichkeit haumltten von alledem wohl nieetwas erfahren waumlre im Privatsekretariat des Flick-Beauftrag-ten eine kurze Danksagung fuumlr die erwiesene Aufmerksamkeiteingegangen Da diese ausblieb wurden die sonst laumlngst ver-nichteten Kopien und Belege saumluberlich abgeheftet und die

Staatsanwaumllte die den Vorgang fuumlr strafrechtlich relevant hiel-ten beschlagnahmten die Akte

Der Vorfall der ein Schlaglicht auf den miserablen Stil wirftder im Hause Kohl die Arroganz der Macht begleitet ist indes-sen nur ein typisches Beispiel fuumlr die Dreistigkeit mit der sichdieser Politiker und die Seinen uumlber alle Normen gesittetenZusammenlebens hinwegsetzen von der staumlndigen Miszligach-tung der Gesetze und Vorschriften durch den amtierendenKanzler ganz zu schweigen

Zum besseren Verstaumlndnis sei hier noch aus der Fuumllle derSkandale die fuumlr die bisherige Amtszeit des Kanzlers Kohlkennzeichnend waren einer herausgegriffen der ganz zu An-fang stand

Am 11 Januar 1983 also nur wenige Wochen nach GenschersBetrug am Waumlhler und dem konstruktiven Miszligtrauensvotumdurch das Helmut Schmidt (SPD) gestuumlrzt und Helmut Kohl(CDU) Bundeskanzler wurde drangen Beamte der Bundesan-waltschaft und des Bundeskriminalamts in die Redaktions-raumlume der Hamburger Monatszeitschrift raquokonkretlaquo ein Siedurchsuchten alle Buumlros und dann auch die Privatwohnungendes damaligen Chefredakteurs Manfred Bissinger und desraquokonkretlaquo-Autors Juumlrgen Saupe angeblich wegen des dringen-den Verdachts der raquoPreisgabe von Staatsgeheimnissenlaquo Siewiesen eine besondere Ermaumlchtigung des Bundeskanzleramtsvor unterschrieben von Kohls Schulfreund engem Vertrautenund damaligen Staatssekretaumlr fuumlr die Geheimdienste Walde-mar Schreckenberger

Dies lieszlig darauf schlieszligen daszlig Kohl selbst oder seine naumlch-ste Umgebung die spektakulaumlre Aktion veranlaszligt hatte dennuumlblicherweise ist es der Generalbundesanwalt der seine Be-houmlrde und die Beamten des BKA taumltig werden laumlszligt Tatsaumlchlichwurden aber die Durchsuchungen bei raquokonkretlaquo von der Bun-desanwaltschaft eilig zur raquoRoutineangelegenheitlaquo herunterge-spielt und der Presse gegenuumlber begruumlndet mit einer mehr alsein Jahr zuruumlckliegenden raquokonkretlaquo-Veroumlffentlichung uumlber denfruumlheren BND-Spitzenfunktionaumlr Hans Langemann eine zwie-lichtige Gestalt die unter Franz Josef Strauszlig zum Chef derbayerischen Staatsschutzdienste avanciert und spaumlter gefeuert

worden war teils wegen Unfaumlhigkeit und Geschwaumltzigkeitteils wegen des Sicherheitsrisikos das sein Privatleben bot

Indessen lag der Verdacht sehr nahe daszlig es sich in Wahrheitnicht um diese weit zuruumlckliegende Veroumlffentlichung handeltesondern um einen erst gerade erschienenen raquokonkretlaquo-Artikelund einen damit zusammenhaumlngenden privaten Racheakt Hel-mut Kohls In der Ausgabe vom Januar 1983 hatte Chefredak-teur Manfred Bissinger den Kanzler in einem Artikel scharfangegriffen und es hieszlig darin raquoWie ein Mann seine Familiebehandelt und uumlber die Familie spricht kann im Gegensatznicht krasser sein als bei Helmut Kohl Seine Worte sind schein-heilig und verlogen wenn man weiszlig wie er lebt

Gemeint war das Privatleben des Kanzlers im Bereich Eheund Familie den Lieblingsthemen des salbadernden Volksred-ners Kohl raquoIch spreche so leidenschaftlich zu diesem Themalaquohatte er gerade erst getoumlnt raquoweil fuumlr mich ganz ist daszlig dieimmer wieder notwendige geistig-moralische Erneuerungunseres Landes eben nur dann kommen kann wenn die Jun-gen ihr Beispiel zu Hause erfahren und eingeuumlbt werden indie Tugenden unseres Landes am Beispiel der eigenen Elternin der Waumlrme und Geborgenheit der eigenen Familielaquo Dochals Helmut Kohl von Mainz nach Bonn umgezogen war hatteer seine Frau Hannelore und seine beiden Soumlhne im Oggershei-mer Bungalow zuruumlckgelassen Seine Sekretaumlrin Juliane Weberaber war mit ihm umgezogen nicht nur ins Bonner Buumlro son-dern auch in sein neues Haus in Bonn-Pech Am 14 Oktober1982 zwei Wochen nach Kohls Einzug ins Bundeskanzleramthatte raquoBILDlaquo aus der raquogeheimnisvollen Welt der neuen Nr 1laquoder Kanzlergattin Hannelore Kohl gemeldet Sie raquokam nachBonn selten uumlbernachtet hat sie dort so gut wie nielaquo

raquoIn Bonn ist es ein offenes Geheimnislaquo hatte Bissinger inraquokonkretlaquo uumlber das Verhaumlltnis Kohls mit seiner Sekretaumlringeschrieben raquoDie Journalisten kennen nicht nur Juliane Weber(die uumlbrigens auch verheiratet ist)laquo sie wissen auch wie Kohlzu ihr steht raquoDie Wahrheit schreiben will keiner Das houmlch-ste der Gefuumlhle ist mal ein Scherz fuumlr Insider Der gtSpiegelltuumlber Juliane Weber schlaumlgt ihm auch die Eier auf weil der

Kanzler sie so heiszlig nicht anfassen maglt Normalerweise wuumlrdeman daruumlber zur Tagesordnung uumlbergehen

Soweit die wesentlichen Stellen aus dem fuumlr Helmut Kohlund seine Gefaumlhrtin so aumlrgerlichen raquokonkretlaquo-Artikel dergewiszlig nicht geschrieben - und bestimmt nicht hier zitiert - wor-den waumlre haumltte Kohl nicht selbst dafuumlr gesorgt daszlig man uumlberseine Intimsphaumlre eben nicht taktvoll schweigen kann

Der Kanzler selbst hat aus seiner privaten eine oumlffentlicheAngelegenheit gemacht denn zum erstenmal seit Bestehender Bundesrepublik ja wenn man die Hitler-Diktatur aus-nimmt in der ganzen neueren deutschen Geschichte hat einKanzler die Finanzierung seines Verhaumlltnisses nicht ausner Tasche vorgenommen sondern sie dreist dem Steuerzahleraufgebuumlrdet Damit nicht genug Helmut Kohl hat seiner Juli-ane Weber die fuumlr ihn wie wir bereits wissen auch oumlfters dasvon der Industrie gespendete Bargeld kassieren darf auch einePfruumlnde verschafft die ihr nicht zusteht Gegen das Beamten-recht und gegen die Einwaumlnde des Personalrats der darauf hin-wies daszlig Frau Weber sogar die in den Richtlinien vorgeschrie-bene Oberschul- und Universitaumltsbildung fehle ganz zuschweigen vom Staatsexamen wurde die Kanzler-Gefaumlhrtinmit den Bezuumlgen eines Regierungsdirektors als persoumlnlicheReferentin eingestellt weil Kohl das raquoeinzigartigelaquo VertrauenVerhaumlltnis geltend machte das zwischen ihm und JulianeWeber bestehe und sich damit durchsetzte

Erst diese von Kohl eingefuumlhrte raquoMaumltressenwirtschaftlaquo (wieBeamte des Kanzleramts seinen Regierungsstil nennen der esFrau Weber gestattet mit der einleitenden keinen Wider-spruch duldenden Formel raquoDer Kanzler wuumlnscht ihre eige-nen Forderungen durchzusetzen) hat dazu veran-laszligt die Oumlffentlichkeit daruumlber zu informieren

Kohl selbst informierte die Oumlffentlichkeit auf seine WeiseIn derselben Woche in der das Kanzleramt die Haussuchungenbei raquokonkretlaquo vornehmen lieszlig verkuumlndete er vollmundiggilt fuumlr uns der Satz Eine gesunde Familie ist die Vorausset-zung eines gesunden Staates und Staatspolitik muszlig sich taumlg-lich an diesen Satz erinnernlaquo

Ein paar Tage spaumlter bemuumlhten sich Kanzlergehilfen dieBonner Journalisten davon zu uumlberzeugen daszlig die Aktion ge-

raquokonkretlaquo nichts zu tun gehabt haumltte mit der dort veroumlffent-lichten Geschichte uumlber die zur Regierungdirektorin ernannteKanzler-Gefaumlhrtin Denn diese Veroumlffentlichung haumltte ja Kohlund Frau Weber noch gar nicht zur Kenntnis gelangt sein koumln-nen weil sie im Januar-Heft stand der Durchsuchungsbefehlaber sei bereits am 29 Dezember 1982 unterzeichnet wordenDie Wahrheit hingegen ist daszlig raquokonkretlaquo wegen der Feiertageseine Januar-Ausgabe bereits am 21 Dezember ausgelieferthatle So war also Zeit genug gewesen etwaige Rachegeluumlstereifen zu lassen und dann auch zu stillen

Indessen ist der Vorfall samt seinem skandaloumlsen Hinter-grund der Einsetzung der raquoeinzigartigenlaquo Gefaumlhrtin als Direk-torin ins Kanzleramt nur ein weiteres Beispiel fuumlr den misera-blen Stil des Politikers Helmut Kohl der staumlndig von raquogeistig-moralischer Erneuerunglaquo redet sich aber nicht scheut denSuperreichen Steuergeschenke in Milliardenhoumlhe auf Kostender Allgemeinheit vor allem der Lohnsteuerpflichtigen zumachen und dafuumlr bei den Herren des Groszligen Geldes abzukas-sieren Bleibt noch zu fragen welche unsittlichen Forderungenauszliger den bereits genannten speziellen Wuumlnschen des HausesFlick und denen der Pharma-Industrie die Konzerngewaltigenan Helmut Kohl und dessen Regierung noch gestellt habenund inwieweit diese Forderungen bereits erfuumlllt worden sindDenn natuumlrlich wollen die milliardenschweren Herren fuumlr ihrehohen Spenden auch wenn diese Betraumlge durch Schwinde-leien und Steuerhinterziehung ergaunert worden sind diegewuumlnschten Resultate sehen

Aber mit den vom Groszligen Geld erhofften Ergebnissen kanndie Regierung Kohl in reichem Maszlige aufwarten Ihre Bilanznach zwoumllf Jahren raquoWendelaquopolitik ist fuumlr die Superreichen derBundesrepublik so zufriedenstellend daszlig sie sich vergnuumlgt dieHaumlnde reiben koumlnnen

Sehen wir uns an wie Kohl sich ihnen gleich in seinen erstenRegierungsjahren nuumltzlich gemacht hat

Helmut Kohl finanziert und

von ihm bekommen hat

An nichts wird so glaumlnzend verdient wie am RuumlstungsgeschaumlftViele der groumlszligten Vermoumlgen der Bundesrepublik im Megamil-lionen- und Multimilliardenbereich stammen aus Kriegsgewin-nen aus Waffenlieferungen ins Ausland vor allem aber ausAuftraumlgen der Bundeswehr Die Erben von Harald und HerbertQuandt -geschaumltztes Vermoumlgen zusammen Milliarden DM- der Flick-Erbe Dr Friedrich Karl Flick und seine Neffen -zu-sammen mindestens Milliarden DM schwer - Familie vSiemens Milliarden DM - die Roumlchling-Erben etwaMilliarden oder um aus der Fuumllle der moumlglichen Beispielenoch einen weiteren Kroumlsus zu nennen Karl Diehl der aufMunition Zuumlnder Panzerketten und Kanonen spezialisiert istund auf Milliarden DM Vermoumlgen geschaumltzt wird - sie undviele andere verdanken ihr vieles Geld groszligenteils dem gewalti-gen Ruumlstungsbedarf nicht zuletzt dem der Bundeswehr

Um so erschrockener muumlssen die Konzernherren gewesensein als Kanzler Kohl kaum daszlig er trickreich in sein Amthievt worden war mit der Parole in den Bundestagswahlkampf1983 zog raquoFrieden schaffen mit immer weniger Waffenlaquo

Indessen beruhigten sich die Ruumlstungsmagnaten sehr raschals sie merkten daszlig Kohl ihnen nur eins seiner demagogischenKunststuumlckchen vorfuumlhrte Die damaligen Meinungsumfragenhatten erbracht daszlig die uumlberwaumlltigende Mehrheit der Bevoumllke-rung nichts sehnlicher wuumlnschte als einen sicheren Friedendurch eine massive Abruumlstung in Ost und West Fast 80 Prozentder Befragten sympathisierten mit der Friedensbewegung be-jahten deren Ziele und bekundeten ihr Vertrauen zu Gorba-tschow und die Glaubwuumlrdigkeit seiner Vorschlaumlge zur Beile-

gung des Ost-West-Konflikts und zur stufenweisen AbruumlstungAngesichts dieser breiten Zustimmung der Bundesbuumlrger zuden Bemuumlhungen den Ruumlstungswahnsinn zu beenden hattesich Helmut Kohl veranlaszligt gesehen ganz ungeniert mit demVersprechen auf Stimmenfang zu gehen ebenfalls fuumlr Abruuml-stung zu sorgen

Doch er tat das GegenteilDie Ruumlstungsausgaben der Bundesrepublik stiegen unter

Helmut Kohls Kanzlerschaft kontinuierlich weiter 1983 betru-gen sie 46751 Millionen DM 1986 uumlberschritten sie erstmalsdie 50-Milliarden-Grenze und 1990 erreichten sie mit mehr als54 Milliarden DM den houmlchsten Stand in Friedenszeiten denes in der deutschen Geschichte je gegeben hat

Obwohl von einer tatsaumlchlichen Bedrohung nicht mehr dieRede sein und spaumltestens seit der Jahreswende nie-mand mehr daran zweifeln kann daszlig Abruumlstung das Gebot derStunde ist und keinesfalls weiter aufgeruumlstet werden darf sahder Haushaltsentwurf der Kohl-Regierung fuumlr 1991 abermalsrund 50 Milliarden DM vor Die scheinbare Verminderung umetwa zwei Prozent beruht zudem auf einem Rechentrick DiePersonalverstaumlrkungsmittel wurden aus dem Wehr- in den Fi-nanzetat uumlbertragen Trotz Verringerung der Bundeswehr-Trup-penstaumlrke um fast ein Drittel sind die Verteidigungsausgabenbis heute nur wenig unter die 50-Milliarden-DM-Grenze ge-sunken

Diese gigantische Vergeudung von oumlffentlichen Mitteln ge-houmlrt zur Strategie der Regierung Kohl die das Ziel hat dasVolksvermoumlgen umzuverteilen zu Lasten fast aller Buumlrgerin-nen und Buumlrger und zum Nutzen der wenigen Superreichendenn wenn Groszligunternehmen Hunderte von Millionen Markinvestieren wie sie es taten als sie zwei Jahrzehnte lang sehrviel Geld in die Kassen von CDU CSU und F DP sowie in dieTaschen fuumlhrender Politiker flieszligen lieszligen dann wollen sie fuumlrihr Geld natuumlrlich auch Gegenleistung erbracht sehen die diehohen Ausgaben nachtraumlglich uumlberreichlich lohnen

Neben den Sonderwuumlnschen einzelner Groszligunternehmerbeispielsweise Flicks Wunsch nach Befreiung von allen Steuer-zahlungen fuumlr sein raquoMilliardendinglaquo die ihm dann ja auch

gewaumlhrt wurde oder einzelner Branchen -wie etwa die eben-falls gelungene Abwehr vernuumlnftiger Sparmaszlignahmen im Arz-neimittelbereich durch die Pharma-Industrie haben alle gro-szligen Bosse unseres Landes auch einige gemeinsame WuumlnscheSie wollen mehr Profit egal ob durch steuerliche Entlastungoder durch Befreiung von laumlstigen weil hohe Kosten verursa-chenden Auflagen etwa im Umwelt- oder Arbeitsschutzbe-reich ob durch Senkung ihrer Lohn- und Lohnnebenkostenoder durch hohe Subventionen

Es gibt noch vieles was den Profit kraumlftig steigert und amliebsten ist es den groszligen Bossen wenn ihnen die Regierungalles auf einmal und in moumlglichst reichem Maszlige beschert DieCDUCSUFDP-Regierung hat sich seit 1983 die groumlszligteMuumlhe gegeben den Konzernen nur ja alles recht zu machenDas ist freilich immer mit einem Problem verbunden Wennman so viel zugunsten von wenigen Superreichen tut geht diesleider zu Lasten der breiten Mehrheit Da die Regierung aberwenn sie uumlber den naumlchsten Wahltag hinaus am Ruder bleibenwill (und nach dem Willen ihrer Geldgeber aus der Konzern-welt auch soll) eine Mehrheit der Waumlhlerstimmen benoumltigtmuszlig sie das Kunststuumlck fertigbringen sich all denen uumlberzeu-gend als Wohltaumlterin anzupreisen die sie zugunsten des Gro-szligen Geldes benachteiligt und geschaumldigt hat Ihr Spezialist fuumlrdiese schwierige Aufgabe heiszligt Dr Norbert Bluumlm langjaumlhrigerVorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse auch Mitglied einerDGB-Gewerkschaft seit 1983 Bundesminister fuumlr Arbeit (wasaber wohl nur eine irrefuumlhrende Abkuumlrzung ist denn tatsaumlch-lich fungiert Dr Bluumlm als Minister fuumlr Arbeitgeberinteressen)raquoDen Opfern des Sozialabbaus in ihrer Sprache zu antwortenihnen die staatlichen Maszlignahmen mit ihren eigenen Worten alsWohltat zu verkaufen diesen Trick beherrscht kaum ein ande-rer Politiker so sicher und vertrauenerweckend wie NorbertBluumlmlaquo heiszligt es in der hervorragenden Studie von Hans UskeraquoDie Sprache der Wendelaquo uumlber diesen mit Roszligtaumluschermetho-den arbeitenden Demagogen der den Abbau der Sozialleistun-gen mit der Notwendigkeit rechtfertigt den Staat vor Verschul-dung zu bewahren und zwar folgendermaszligen

raquoDafuumlr brauche ich gar keine volkswirtschaftlichen TheorienDas entspricht auch dem Lebensgefuumlhl der Arbeiterfamilie

Die Arbeiterfamilie hat nie auf Pump gelebt Sie hat immergewuszligt Man kann nicht mehr essen als auf dem Tisch stehtund ein Staat kann nicht mehr ausgeben als er einnimmt Dasentspricht dem Lebensgefuumlhl der Arbeitnehmerlaquo So Dr Bluumlmim Bundestag am 18 Dezember 1983 zur Begruumlndung derdamals eingeleiteten Regierungspolitik die dann nicht nursystematisch Sozialleistungen kuumlrzte und Arbeitnehmerrechteeinschraumlnkte sondern zugleich die Staatsschulden mehr alsverdoppelte

raquoDer Staatlaquo merkt Hans Uske treffend an raquoist natuumlrlichkeine Arbeiterfamilie und Staatsschulden sind nicht miteinem Uumlberziehungskredit zu vergleichen Aber nehmen wirmal an sei tatsaumlchlich in so tiefer Not wie eine Arbei-terfamilie Wieso nimmt Bluumlm dann den armen Familienmit-gliedern Geld weg um es dem reichen Onkel als Steuerge-schenk in den Rachen zu werfen Wenn er uns schon alle zueiner riesigen Arbeiterfamilie macht waumlre es klar daszlig uns dieWohlhabenden aus der Patsche helfen muumlszligten In richtigenArbeiterfamilien gehoumlrt das zum guten Benehmen

In derselben Bundestagsrede vom 8 Dezember 1983 gabsich Dr Bluumlm sogar noch ein biszligchen proletarischerraquoDie Zinsen der staatlichen Schuldenpolitik bekommennicht die Rentenempfaumlnger die Sozialhilfeempfaumlnger sonderndiejenigen die dem Staat das Geld leihen konntenlaquo erklaumlrte ermehr fuumlr das Fernsehpublikum das seine Rabulistik in derraquoTagesschaulaquo serviert bekam als fuumlr seine wenigen Zuhoumlrer imBundestag raquoDas sind nicht die armen Leute das sind dieOumllscheichs die Banken und die Besserverdienenden Schuldenabbauen ist soziale Politiklaquo

raquoIst das nicht klassenkaumlmpferischlaquo heiszligt es dazu in dem bis-sigen Kommentar von Hans Uske raquowie Kollege Bluumlm hiergegen Oumllscheichs Banken und Besserverdienende vorgeht InWirklichkeit benutzt er ein paar proletarische Reizworte umden Klassenkampf von oben den er selbst mit vorantreibtsprachlich in einen angeblichen Kampf gegen Oumllscheichs undBanken zu verwandeln Seine Arbeitersprache setzt Bluumlm einwie es ihm gerade paszligtlaquo

Denn bei anderer Gelegenheit kann er genauso geschicktdie - angeblich faulenzenden Sozialhilfeempfaumlnger die er

eben noch als raquoarme Leutelaquo fuumlr seine Scheinargumentationbenutzt hat in Parasiten und raquoAusbeuterlaquo verwandeln und fol-gendermaszligen -in seinem Buch raquoDie Arbeit geht weiterlaquo Muumln-chen 1983 Seite 9 verunglimpfen

raquoAber ist es nicht eine moderne Form der Ausbeutung sichunter den Palmen Balis in der Haumlngematte zu sonnen alterna-tiv vor sich hin zu leben im Wissen daszlig eine Sozialhilfe vonArbeitergroschen finanziert im Notfall fuumlr Lebensunterhaltzur Verfuumlgung stehtlaquo

Dazu noch einmal der Kommentar von Hans Uske an-dere Politiker stuumltzt sich bluumlm auf schon vorhandene Vorurteilegegen gtDruumlckebergerlt Bluumlms Spezialitaumlt ist jedoch der Appellans Klassenbewuszligtsein gtAusbeutunglt Machen die Unter-nehmer muszlig der Arbeiter gegen kaumlmpfen gtArbeitergroschenltSind sauerverdient wollen die Reichen wegnehmen muszlig manverteidigen den Palmen Balislt Da liegen die Playboysam Strand sonnen sich Ausbeuter von sauer verdienten Arbei-tergroschen Waumlhrend er so die Opfer seines Sozialabbausdenunziert hofft Bluumlm auf Applaus von Arbeitern -was beson-ders makaber ist da die ja selbst zu seinen Opfern gehoumlrenlaquo

Norbert Bluumlm geht sogar noch einen Schritt weiter Im Som-mer 1986 lieszlig sein Ministerium verbreiten von einem Sozialab-bau koumlnne uumlberhaupt nicht die Rede sein im Gegenteil DieSozialausgaben haumltten vielmehr seit der raquoWendelaquo eine kraumlftigeSteigerung erfahren Und tatsaumlchlich Wenn man wie es ein zudieser dreisten Behauptung geliefertes Schaubild tat alle Aus-gaben im Gesundheitswesen vor allem die von der raquoPillen-lobbylaquo unter vormaliger Fuumlhrung des spaumlteren JuwelenraumlubersDr Scholl herbeigefuumlhrte - Kostenexplosion bei Arzneimittelnhinzurechnete ebenso die den Gemeinden aufgebuumlrdeten So-zialhilfe-Lasten dann hatten sich allerdings schon in diesenersten Jahren der Regierungstaumltigkeit von Kohl und Bluumlm dieSozialausgaben drastisch erhoumlht nur waren die Leistungenauf die der oder die einzelne Anspruch hatten keineswegsgestiegen sondern hatten sich real vermindert Kraumlftig ver-mehrt hatten sich hingegen die Profite beispielsweise die derPharma-Industrie aber auch die Honorareinnahmen etwa beiden Zahnaumlrzten

Tatsaumlchlich haben zwoumllf Jahre Kohlscher raquoWendelaquopolitikMillionen in die Armut getrieben dafuumlr die Reichen noch umvieles reicher gemacht

Beguumlnstigt durch die bis Anfang der neunziger Jahre anhal-tende Hochkonjunktur sind die Unternehmergewinne und Ver-moumlgensrenditen explosionsartig gestiegen aber gleichzeitighat die Kohl-Regierung den Groszligverdienern immer neue Steu-ergeschenke gemacht Das hat diese aber nicht davon abgehal-ten in steigendem Maszlige Steuern zu hinterziehen Wie derwegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskraumlftig verur-teilte Ex-Bundeswirtschaftsminister und inzwischen Ex-FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff dazu bemerkt hat befindeter sich mit diesem Delikt raquoin allerfeinster Gesellschaftlaquo In derTat Steuerhinterziehungen groszligen Stils und Kapitalflucht insAusland werden nicht von Otto Normalverbraucher nicht vonLohnsteuerpflichtigen und auch nicht von kleinen und mittle-ren Beamten Rentnern Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfaumln-gern begangen

Was die beiden letzten groszligen Gruppen der Bevoumllkerungbetrifft so haben Kanzler Kohl und sein Arbeitsminister Bluumlmzur Verminderung der Arbeitslosigkeit und Armut bislang nureines getan unermuumldlich eine Verschoumlnerung der Statistikbetrieben Schon mit der 7 Novelle zum Arbeitsfoumlrderungsge-setz wurde die Moumlglichkeit geschaffen rund 100 000 Arbeits-lose zwischen 50 und 59 Jahren endguumlltig aus der Statistik ver-schwinden zu lassen ebenso rund 40 000 arbeitslose FrauenEine statistische Absenkung der Arbeitslosenquote kam spaumlterauf folgende Weise zustande Man setzte die Arbeitslosennicht mehr ins Verhaumlltnis zu den abhaumlngig Beschaumlftigten son-dern zu allen Erwerbspersonen Das fuumlhrte dazu daszlig sich dieArbeitslosenquote von einem Tag auf den anderen um fasteinen Prozentpunkt verringerte ohne daszlig ein einziger Arbeits-loser Arbeit bekommen haumltte

Doch solche Methoden genuumlgten nicht um das so Kohlleidige Thema raquoArbeitslosigkeitlaquo zu raquoentschaumlrfenlaquo Deshalbdachte sich die Leiterin des Allensbacher Instituts fuumlr Demo-skopie Frau Professor Noelle-Neumann etwas Neues ausKohls Hof-Demoskopin machte dem Kanzer schon 1986 den

im Hinblick auf die Bundestagswahlen vom Januarraquoden Block der Arbeitslosen aufzuteilenlaquo Rund 700 000

Arbeitslose sollten raquoals Alkoholiker Drogensuumlchtige sozialeAussteigerlaquo oder schlicht als raquofreiwillig arbeitsloslaquo diffamiertund zumindest auf dem Papier von der erschreckendenGesamtzahl in Abzug gebracht der immer noch gewaltige Restunterteilt werden in raquoAlleinernaumlhrer Arbeitslose in Haushal-ten in denen es einen zweiten Hauptverdiener gibt undArbeitslose die Nebenverdiener sindlaquo

Frau Noelle-Neumann hat damals der Bundesregierunggeraten diese Zahlenakrobatik nicht selbst vorzunehmen Einsolches Rechenkunststuumlck raquodas vor der heiszligen Phase des Wahl-kampfes abgeschlossen werden solllaquo muumlszligte raquoaus privaterInitiativelaquo in Auftrag gegeben werden wie es dann auchgeschah Arbeitgeberverbaumlnde Konzerne und raquoandere privateGeldgeberlaquo beauftragten die Allensbacher tatsaumlchlich mit derDurchfuumlhrung dieses Roszligtaumluschertricks werden dieArbeitslosigkeit einigermaszligen wegerklaumlrenlaquo versicherte dazuim Sommer 1986 ein Allensbach-Mitarbeiter raquoLeicht wird dasnicht gerade sein aber es wird hoffentlich reichen der Bundes-regierung im Wahlkampf uumlber die Runden zu helfenlaquo

Diese und andere Taumluschungsmanoumlver die seitdem in rei-chem Maszlige angewendet worden sind aumlnderten natuumlrlich nichtdas geringste am tatsaumlchlichen Ausmaszlig der Dauermassenar-beitslosigkeit die sich nicht verringerte sondern vergroumlszligerteDoch vor allem wenn Wahlen anstanden war es der Kohl-Regierung jedesmal besonders wichtig den Waumlhlerinnen undWaumlhlern Sand in die Augen zu streuen damit ihnen das Aus-maszlig vor allem aber die Gruumlnde der Arbeitslosigkeit nicht deut-lich werden Sie sollen nicht merken warum wohl Arbeitgeber-verbaumlnde Konzerne raquound andere private Geldgeberlaquo daraninteressiert sind daszlig Millionen Menschen ohne festen Arbeits-platz bleiben und dafuumlr auch noch diffamiert und mit Verach-tung bestraft werden Mit der Massenarbeitslosigkeit wird naumlm-lich die Voraussetzung geschaffen Loumlhne und Gehaumllter imunteren Bereich zu druumlcken und die Beschaumlftigten zu raquofreiwilli-gemlaquo Verzicht auf wohlerworbene Anspruumlche und hart er-kaumlmpfte Rechte zu bewegen Durch die Diffamierung der raquoFrei-

gestelltenlaquo sollen die Solidaritaumlt mit den Arbeitslosen untergra-ben und die Aumlngste der noch Beschaumlftigten vor Entlassung undsozialem Abstieg geschuumlrt werden

raquoJe mehr Arbeitslose wir haben und je schlechter es ihnengeht desto besser wird die Arbeitsmoral desto weniger druumlk-ken uns die Lohnkostenlaquo Diese Grundregel der groszligen Bossestellte der Groumlszligte von ihnen Friedrich Flick bereits 1931 waumlh-rend der Weltwirtschaftskrise auf einer Aktionaumlrsversamm-lung in Duumlsseldorf auf und an der Guumlltigkeit dieser Regel undihrer immer rigoroseren Anwendung hat sich bis heute nichtsgeaumlndert

Am schlechtesten dran sind jene jugendlichen Arbeitslosenohne Ausbildung denen Kanzler Kohl vollmundig raquofuumlr jedenund jede eine Lehrstellelaquo versprochen hat (woran er aber nichtmehr erinnert werden moumlchte) Um der Statistik willen werdenmaumlnnliche Dauerarbeitslose im wehrpflichtigen Alter zu kur-zen Uumlbungen einberufen die Unterbrechung genuumlgt sie ausder Rubrik raquoDauerarbeitsloselaquo verschwinden zu lassen

Auch das sogenannte Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz derRegierung Kohl brachte gerade fuumlrjunge Leute drastische Ver-schlechterungen Zur Freude der Bosse foumlrdert das Gesetz dasHeuern und Feuern und erlaubt ohne sachliche Begruumlndungbefristete Arbeitsvertraumlge bis zu 18monatiger Dauer Auszliger-dem wurde die zulaumlssige Dauer der ohnehin houmlchst bedenk-lichen ausbeuterischen Leiharbeit verlaumlngert

Mit dem 1985 ausgerechnet zum 1 Mai in Kraft getretenenGesetz wurde der Kuumlndigungsschutz durchloumlchert Houmlchst um-strittene von den Gewerkschaften bekaumlmpfte Formen der Teil-zeitarbeit wurden gesetzlich verankert sowohl die Arbeits-platzteilung das sogenannte raquoJob-sharinglaquo als auch die raquokapa-zitaumltsorientierte variable Arbeitszeitlaquo (KAPOVAZ) Die Ju-gendschutzbestimmungen wurden eingeschraumlnkt die erlaubteSchichtzeit auf Bau- und Montagestellen wurde fuumlr Jugendli-che auf elf Stunden verlaumlngert der Arbeitsbeginn von siebenauf sechs Uhr vorverlegt in Baumlckereien sogar auf vier Uhr

Das Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz das entgegen seinemverheiszligungsvollen Namen nicht zur Schaffung von Arbeitsplaumlt-zen beitrug sondern im Gegenteil zu verstaumlrkter Ausbeutung

von Arbeitskraft fuumlhrte wurde ergaumlnzt durch etliche Novellenzum Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) Dieses aus den sechzi-ger Jahren stammende Gesetz hatte urspruumlnglich den Zweckdaszlig die Bundesanstalt fuumlr Arbeit nicht bloszlig diejenigen finan-ziell unterstuumltzt die arbeitslos sind sondern der Arbeitslosig-keit auch aktiv entgegenwirkt Die von Dr Kohl gefuumlhrte Regie-rung bewerkstelligte mit mehreren Novellen zum AFG sowohleinen Abbau der Leistungen fuumlr die Arbeitslosen als auch einedrastische Einschraumlnkung der Moumlglichkeiten aktiver Arbeits-marktpolitik zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsmaszlignahmen

Wenn man wie es die Regierung Kohl sich zum Ziel gesetzthat massiven Sozialabbau und Umverteilung von unten nachganz oben copymiddotacuteacuteocircdann ist ein scheinheiliger Spruumlcheklopfer wieNorbert Bluumlm unentbehrlich Neben den von ihm betriebenendrastischen Kuumlrzungen der Sozialleistungen fallt ihm ja auchnoch die Aufgabe zu die reiche Bundesrepublik allmaumlhlich inein Billiglohnland umzuwandeln wo allein die Bosse dasSagen haben und die Lohn- und Gehaltsempfaumlnger schutzlossind

Alle bisherigen Maszlignahmen der Regierung Kohl und ihresArbeits- und Sozialministers Bluumlm die angeblich dem raquoAbbauder Arbeitslosigkeitlaquo dienen sollen zielen darauf in hundert-jaumlhrigem Kampf muumlhsam errungene Rechte der Arbeiter undAngestellten Schritt fuumlr Schritt abzubauen Bluumlms Begruumlndungim Bundestag raquoDas Arbeitsrecht unter den Bedingungen derArbeitslosigkeit muszlig Bruumlcken bauen und darf nicht dazu fuumlh-ren daszlig die Privilegierten die Arbeitsbesitzer sich in dieFestung zuruumlckziehen und die Beute unter sich verteilenlaquo

Statt gezielt die Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen wie es seineAufgabe waumlre will Bluumlm denn das meint er in Wahrheit daszligdie raquoArbeitsbesitzerlaquo auf ihre raquoBeutelaquo naumlmlich auf ihren inharten Tarifkaumlmpfen errungenen Besitzstand an gesichertemLohn und ertraumlglichen Arbeitsbedingungen verzichten lernenund ihre raquoPrivilegienlaquo naumlmlich in jahrzehntelangem politi-schen Kampf durchgesetzte Rechte zum Beispiel auf Kuumlndi-gungsschutz einfach aufgeben

Ex-Bundesminister Graf Lambsdorff resozialisierter Geld-waumlscher Steuerhinterzieher und Flick-Helfer einerseits lang-

jaumlhriger FD P-Chef und Gralshuumlter der superfreien Marktwirt-schaft andererseits verkuumlndete das Gleiche wie Norbert Bluumlmnur unverbluumlmter In einem Interview in dem auf Volksver-dummung spezialisierten Achtgroschenblatt das sich ambesten fuumlr solche Verlautbarungen eignet lieszlig der Graf sichherbei sein Patentrezept zur Bekaumlmpfung der Arbeitslosigkeitzu verraten

raquoDagegen gibt es nur eine Medizin Disziplin bei kuumlnftigenLohnvereinbarungen Denn fuumlr niedrige Loumlhne gibtrsquos genugArbeitlaquo

Als raquoschlimmsten Fehlerlaquo bezeichnete Graf Lambsdorff dervom Hause Flick so reich Bedachte die Anhebung der Loumlhneund Gehaumllter in den raquounteren Einkommensstufenlaquo da sichgerade die einfachste Arbeit raquoam besten durch Maschinenersetzenlaquo lieszlige

Ganz abgesehen davon daszlig Loumlhne gleichzeitig KaufkraftSteuern und Sozialversicherungsbeitraumlge bedeuten wird derZynismus der graumlflichen Argumentation wie Hans Uske in sei-ner Untersuchung raquoDie Sprache der Wendelaquo anmerkt erst rich-tig deutlich raquowenn wir uns in die Zukunft versetzen und an-nehmen Lambsdorffs Rezept waumlre bereits verwirklicht Nehmen wir also an die Loumlhne seien gesenkt worden sagenwir um 20 Prozent Sofort sinken die Kosten der Unterneh-mer in den lohnintensiven Bereichen dort wo viele Arbeits-kraumlfte noumltig sind Die Verlockung Maschinen anzuschaffenwird geringer Dank der Wende-Regierung koumlnnten wir end-lich wieder mit den Computern konkurrieren Die meistenLeute waumlren aumlrmer einige sogar sehr viel aumlrmer aber viele haumlt-ten wieder Arbeit Nun gehoumlrt aber zur Wirtschaftsplanungder Bundesregierung die Foumlrderung des technischen Fort-schritts Milliarden flieszligen in EDV-Forschung und Computer-Entwicklung Groszligkonzerne engagieren sich im Elektronik-markt Dieser geballte Einsatz muszlig sich bezahlt machen Was tun wir jetzt Die vernuumlnftigste Loumlsung Unsere Arbeits-kraft muszlig noch billiger werden auszligerdem lernen wir noch bes-ser computern und dann muumlssen wir noch billiger werdenund dann -leben wir in einem Billiglohnland Und wenn dienaumlchste konjunkturelle Krise kommt und wenn durch die

rasante Entwicklung des technischen Fortschritts die Arbeits-losenzahl weiter ansteigt dann wird diese Sorte von Vernunftdarauf nur eine Antwort wissen Das Opfer der Bevoumllkerungwar nicht groszlig genug der Guumlrtel muszlig noch enger geschnalltwerdenlaquo

Auf dem Wege zur Verwirklichung solcher Absichten sahendie groszligen Bosse und die von ihnen mit Millionenspendengefoumlrderte Regierung Kohl ein Hindernis den DGB und die indiesem Buumlndnis zusammengeschlossenen Einheitsgewerk-schaften Folgerichtig setzte die Regierung Kohl kaum daszlig siedurch den Waumlhlerbetrug der FDP an die Macht gekommenwar die Schwaumlchung der Gewerkschaften auf ihr ProgrammIhr erstes Ziel war die Streikfahigkeit und damit das Grund-recht auf Streik als legitimes Kampfmittel der wirtschaftlichSchwaumlcheren auszuhoumlhlen Durch eine Aumlnderung des Paragra-phen 116 Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) sollte zunaumlchst ein-mal die Durchsetzungsfaumlhigkeit der Gewerkschaften in derTarifpolitik beendet werden

Worum es dabei ging erlaumluterte der DGB am Beispiel desArbeitskampfes mit dem die IG Metall das Tabu der 40-Stund-den-Wochen brach raquoWaumlhrend dieses Arbeitskampfes haben inder Metallindustrie 55 000 Arbeitnehmer gestreikt 170 000Arbeitnehmer wurden in den umkaumlmpften Tarifgebieten ausge-sperrt Uumlber 300 000 Arbeitnehmer wurden bundesweit kaltausgesperrt Das heiszligt Von zehn Arbeitnehmern die in denArbeitskampf einbezogen waren waren neun ausgesperrt undeiner streikte Die Arbeitgeber haben durch massenhafte Aus-sperrung im umkaumlmpften Tarifgebiet bundesweit kalte Aus-sperrungen verursacht oder willkuumlrlich herbeigefuumlhrt unddiese Praxis wollen sie sich in Zukunft von den Sozialaumlmternbezahlen lassen Sie wollen mit der Existenzangst der Arbeit-nehmer und ihrer Familien Tarifpolitik machen Wenn Gesetzwird was die Arbeitgeber wollen und die Regierung vollziehtwird das Streikrecht zwar auf dem Papier erhalten bleiben aberin der Praxis bis zur Unkenntlichkeit verstuumlmmelt seinlaquo

Dennoch wurde die Aumlnderung des Paragraphen 116 AFGgegen den millionenfachen Protest der organisierten Arbeit-nehmer von der Regierung Kohl durchgepeitscht Weit groumlszliger

als ihr Respekt vor den demokratischen Grundrechten war dieRucksicht auf ihre Geldspender in den Chefetagen der Groszlig-konzerne im Falle des Grafen damals noch Flick inzwischendie maumlchtige Allianz-Versicherung die sich im Fruumlhsommer

das DDR-Versicherungswesen unter den Nagel gerissendessen Verpflichtungen in Milliardenhoumlhe aber den Steuerzah-lern uumlberlassen hat

Unter der Federfuumlhrung von Minister Dr Bluumlm wurde mitden Stimmen der schwarz-goldenen Koalition von CDUCSUund F D P der Paragraph 116 im Sinne der Konzernherren abge-aumlndert Graf Lambsdorff aumluszligerte vollste Zufriedenheit Mitden kleinen Korrekturen die den Gewerkschaften am Endenoch bewilligt worden waren raquolieszlige sich lebenlaquo meinte er ImKlartext Das raquoAnti-Gewerkschaftsgesetzlaquo wie es der dama-lige DGB-Vorsitzende Ernst Breit genannt hat entsprachdurchaus den Forderungen der Konzerne deren Bestreben dar-auf gerichtet war und ist die Gewerkschaften vor allem tarifpo-litisch handlungsunfaumlhig zu machen

Tatsaumlchlich hat die Regierung Kohl mit der von ihr durchge-fuumlhrten Aumlnderung des Streik-Paragraphen 116 AFG einen derdringendsten Wuumlnsche ihrer Geldgeber erfuumlllt der so einBDI-Festredner im Jahresruumlckblick - raquozum Vermaumlchtnis vonHanns Martin Schleyerlaquo gehoumlrte

Auch bei den Feierlichkeiten zum 10 Todestag des Kohl-Ent-deckers Dr Fritz Ries im Juli 1987 in Frankenthal an denenKanzler Kohl seinem langjaumlhrigen Foumlrderer trotz dessenSchandtaten um und in Auschwitz uneingeschraumlnktes Lobspendete und die raquovorbildliche Unternehmerpersoumlnlichkeitlaquodes verewigten Groszligraquoarisiererslaquo und Kondom-Koumlnigs prieswaren die versammelten Freunde aus Industrie und Bankweltsich darin einig daszlig die gegluumlckte Aumlnderung des AFGraquoein richtiger Schritt auf dem richtigen Wegelaquo gewesen sei

immer reicher und dieArmen immer aumlrmer werden

Wie sich der Sozialabbau bereits nach vier Jahren raquoWendelaquo-Politik ausgewirkt hatte beschrieb der SPD-SozialexperteEgon Lutz 1986 im Bundestag raquoDer Sozialabbau der Regie-rung Kohl hat zu einer neuen Armut gefuumlhrt Durch Kuumlrzun-gen von Sozialleistungen und Anhebung von Sozialversiche-rungsbeitraumlgen wurden die sozial Schwaumlcheren in groszligemUmfang belastet Mitte 1985 haben nahezu 40 Prozent (derArbeitslosen) uumlberhaupt keine Leistungen mehr aus derArbeitslosenversicherung erhalten Nur noch ein Drittel allerArbeitslosen bezog Arbeitslosengeld und zugleich sank dasdurchschnittlich gezahlte Arbeitslosengeld um annaumlhernd vierProzent obwohl die durchschnittlichen Lebenshaltungs-kosten im selben Zeitraum um Prozent gestiegen sindlaquo

Auch in der Folgezeit am Ende der achtziger Jahre besser-ten sich trotz damals noch anhaltender Hochkonjunktur undgutgefuumlllter Kassen diese katastrophalen Verhaumlltnisse um kei-nen Deut Infolge des Anstiegs der Lebenshaltungskosten ver-schlechterten sie sich noch Langzeitarbeitslosigkeit anstei-gende Uumlberschuldung vieler Familien und drastische Verknap-pung preisguumlnstigen Wohnraums lieszligen immer mehr Mittel-schichtfamilien in die Armut absinken Die Regierung Kohlbrachte den sozialen Wohnungsbau zum Erliegen und trug mitihrer Gesetzgebung kraumlftig dazu bei daszlig die Mieter in wach-sende Bedraumlngnis gerieten und die Wohnungsnot sich vergrouml-szligerte Sie erleichterte die Umwandlung preisguumlnstiger Woh-nungen in Buumlros oder unerschwinglich teure Eigentumswoh-nungen und lieszlig den Abstand zwischen Mietkosten und Haus-haltseinkommen immer kleiner werden was auch zur Folgehat daszlig sich die Sozialstruktur ganzer Stadtviertel aumlndert dieMenschen aus ihrer gewohnten Umgebung in ferne raquoSchlafstaumlt-

tenlaquo und raquoWohnsiloslaquo in Randlagen abgedraumlngt werden unddie Obdachlosigkeit dramatisch zunimmt

Ausgerechnet bei ohnehin benachteiligten Gruppen wieFrauen mit niedrigen Renten oder Schwerbehinderten setzteder im Kabinett Kohl fuumlr Arbeit und Soziales zustaumlndige Mini-ster Norbert Bluumlm den Rotstift an So wurde den Hausfrauender Invaliditaumltsschutz trotz oft jahrelanger Beitragszahlung indie Rentenversicherung einfach gestrichen

Alles was der Regierung Kohl zum Thema Armut einfalltsind dumme Spruumlche Dreist behauptete Norbert Bluumlm imBundestag raquoAltenarmut ist nicht Rentenarmut Ich bestreitedaszlig die Ursachen von Armut in der Rentenversicherung liegenArmut kann auch das Ergebnis von wenigen Beitragsjahrenvon geringem Lohn seinlaquo -was gewiszlig niemand leugnen kannnur waumlre es die Aufgabe einer sozialen Demokratie zumal ineinem so uumlberaus reichen Land wie der Bundesrepublik jenesich aus der ungerechten Entlohnung der Frauen ergebendenviel zu niedrigen Renten nicht als Resultat eines Naturgesetzeshinzunehmen sondern auszugleichen Gerade die heute imRentenalter stehenden Frauen von denen sich die meisten einJahrzehnt lang durch Kriegs- und Nachkriegsnotjahre alleindurchschlagen muszligten oft die ganze Last der Kindererzie-hung des Haushalts und der Erwerbsarbeit trugen von ihrenPfennigloumlhnen nur Mindestbeitraumlge zur Rentenversicherungleisten und niemals Nachzahlungen aufbringen konnten ver-dienten im Alter die solidarische Hilfe der westdeutschenWohlstandsgesellschaft Niemand koumlnnte die Bundesregierungdaran hindern ihre Milliardengeschenke an die Superreichenin betraumlchtliche Rentenerhoumlhungen umzuwandeln so daszligkeine und keiner die oder der sein Leben lang hart gearbeitetaber wenig verdient hat nun auch noch im Alter darben muszligES waumlre dann nicht einmal noumltig die Versicherungsbeitraumlge zuerhoumlhen Aber dazu meinte Kohls Sozialminister Dr Bluumlm

raquoWir wollen die Rente lohn- und leistungsbezogen lassenWirwollen nicht die Einheitsrente die Sockelrente Wirwollennicht die groszlige sozialistische Gulaschkanone von deren Ein-heitsbrei jeder einen Schlag bekommtlaquo

Solche Rabulistik eines Mannes der sich und seine Politikraquochristlichlaquo und raquosoziallaquo nennt laumlszligt einen schaudern Dennniemand verlangt eine raquoEinheitsrentelaquo wohl aber waumlre es drin-gend erforderlich und finanziell durchaus moumlglich - einedeutlich uumlber der Armutsgrenze liegende Mindestrente einzu-fuumlhren Und wenn man auf die Steuergeschenke an die Super-reichen durchaus nicht verzichten will genuumlgte zur Finanzie-rung auch die Vergeudungen im Ruumlstungsbereich oder beiam Ende fallengelassenen Prestigeobjekten wie derdorfer Plutonium-WAA einzuschraumlnken

Als Folge der Massenarbeitslosigkeit und des Sozialabbausist seit der raquoWendelaquo die Zahl der Sozialhilfeempfaumlnger staumlndiggestiegen in den ersten zwei Jahren um rund 500 000 aufMillionen bis Ende 1987 abermals um 500 000 auf 31 Millio-nen 1991 gab es in Westdeutschland Millionen Sozialhilfe-empfaumlnger Eine halbe Million kam kurzfristig in Ostdeutsch-land hinzu nachdem die DDR der Bundesrepublik raquobeigetre-tenlaquo war Und diese Zahlen wachsen weiter

In dem Ende 1989 veroumlffentlichten raquoArmutsberichtlaquo der Pari-taumltischen Wohlfahrtsverbaumlnde mit der Uumlberschrift raquoWessen wiruns schaumlmen muumlssen in einem reichen Landlaquo wurde daraufhingewiesen daszlig die Unternehmer-Nettoeinkommen zwi-schen 1982 und 1988 um 74 Prozent gestiegen waren in absolu-ten Zahlen um etwa 180 Milliarden DM auf MilliardenDM Demgegenuumlber betrug der Zuwachs der Netto-Lohn- undGehaltssumme nur Prozent der Anstieg in absoluten Zah-len nur Milliarden DM Der Anteil des Bruttoeinkommensaus Unternehmertaumltigkeit und Vermoumlgen am gesamten Volks-einkommen wuchs zwischen 1982 und 1988 von auf 32 Pro-zent Die Lohnquote entwickelte sich dagegen im gleichenZeitraum von auf 68 Prozent zuruumlck

Die Reichen wurden also sehr viel reicher die Armen nurzahlreicher und noch aumlrmer Etwa Millionen Bundesbuumlrge-rinnen und -buumlrger das waren zehn Prozent der Bevoumllkerungder Bundesrepublik lebten 1988 an oder unterhalb dessen wasder Bericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandes diemutsschwellelaquo nannte unterhalb derer sich Hunger men-schenunwuumlrdige Wohnverhaumlltnisse drohende Obdachlosig-

keit Mangelkrankheiten Verelendung und Hoffnungslosig-keit ausbreiten

Die Entwicklung die laumlngst vor Eingliederung der DDR indie BRD zu diesen Ergebnissen fuumlhrte ging seitdem weiterund beschleunigte sich noch Die Lohnquote in Westdeutsch-land sank 1991 auf Prozent Die abhaumlngig Beschaumlftigtenkonnten im Gegensatz zu den Unternehmern ihre realenNettoeinkommen gar nicht mehr verbessern sondern erlittenEinbuszligen Im Gesamtzeitraum von 1982 bis 1992 stiegen dieNettoloumlhne und -gehaumllter daher nur um Prozent die realenEinkommen der Unternehmer dagegen um 123 Prozent

Besonders stolz pries die Regierung Kohl in den achtzigerJahren ihr Steuersenkungsgesetz Es entlastete die Steuerzah-ler in zwei Stufen zwar um fast 20 Milliarden DM doch warendiese Entlastungen so sozial ungerecht wie irgend moumlglich ver-teilt Sie kamen in erster Linie den Beziehern hoher und houmlch-ster Einkommen zugute

Verheiratete Durchschnittsverdiener hatten eine steuerlicheErsparnis von etwa zwoumllf DM monatlich Hingegen fiel die Ent-lastung von Spitzenverdienern 50mal houmlher aus obwohl siebei Jahreseinkommen von einer Million DM und mehr nur20mal mehr Steuerlast zu tragen hatten als ein Durchschnitts-verdiener Die Erhoumlhung des Kinderfreibetrags brachte denEinkommensmillionaumlren eine etwa 22mal houmlhere Entlastungals dem Durchschnittsverdiener

Selbst die geringfuumlgigen oft schon durch die erhoumlhten Bei-traumlge zur Kranken- und Sozialversicherung ausgeglichenenoder gar ins Gegenteil verkehrten Steuererleichterungen fuumlrDurchschnittsverdiener waren eine Taumluschung da zugleich dieMehrwertsteuer angehoben wurde Diese Steuer muszlig letztlichvon der Masse der Verbraucher aufgebracht werden auf die alleanderen vom Produzenten bis zum Groszlig- und Einzelhandelsie abwaumllzen koumlnnen

Was die Mehrwertsteuererhoumlhung um einen Prozentpunktan zusaumltzlichen Einnahmen erbrachte annaumlhernd acht Milliar-den DM wurde denen die von der Einkommensteuersenkungohnehin am meisten profitierten als zusaumltzliches Steuerge-schenk zuteil Das mehrstufige Programm der Regierung Kohl

zur Senkung der Unternehmenssteuern kostete naumlmlich eben-falls acht Milliarden DM-durch massiven Abbau der Gewerbe-steuer durch Senkung der Vermoumlgenssteuer und durch

bei den AbschreibungsmoumlglichkeitenDas sind nur einige Beispiele fuumlr die steuerliche Umvertei-

lung von unten nach oben Die direkte Besteuerung der Unter-nehmensgewinne vor Kohls Amtsantritt gut 33 Prozent ver-ringerte sich bis Anfang der neunziger Jahre auf kaum mehr als20 Prozent Die Abzuumlge von den Arbeitseinkommen dagegenstiegen zwischen 1980 und 1991 von Prozent der Brutto-loumlhne und -gehaumllter auf Prozent und wurden inzwischennoch weiter angehoben

Die Unternehmerverbaumlnde und ihre regierungsamtlichenPropagandisten vom Schlage solcher Bundeswirtschaftsmini-ster wie Otto Graf Lambsdorff oder Guumlnther Rexrodt verbrei-ten unentwegt die Maumlr Deutschland sei ein viel zu teurer Indu-striestandort geworden die Unternehmer seien mit viel zuhohen Kosten belastet das muumlsse sich endlich aumlndern Sie spe-kulieren darauf daszlig jede Behauptung wenn sie sie nur oftgenug wiederholen irgendwann geglaubt wird Massenver-dummungsblaumltterwie BILD aus dem Springer-Konzern wirkendaran eifrig mit Die Wahrheit bleibt dem verraquobildlaquoeten Publi-kum verborgen den Unternehmerverbaumlnden und Ministernhingegen ist sie wohlbekannt Nachzulesen ist sie in einerUntersuchung der Deutschen Bundesbank die gewiszlig nichtim Verdacht steht dem Kapitalismus feindlich gegenuumlberzu-stehen

In einer Auswertung der Bilanzen von 18 000 Unternehmenkommt die Bundesbank zu dem Ergebnis daszlig seit Ende dersiebziger Jahr der Anteil der Ausgaben fuumlr Steuern am Umsatzder Unternehmen nicht gestiegen sondern gesunken ist undzwar um etwa ein Sechstel Der gleichen Untersuchung zufolgeist auch der Anteil der Personalkosten am Umsatz zuruumlckge-gangen Beide zusammen Personalkosten und Steuerbela-stung machten 1989 kaum mehr als 20 Prozent des Gesamtum-satzes aus und verringerten sich inzwischen weiter Das heiszligtRund 80 Prozent des Umsatzes dienen anderen Zwecken nichtzuletzt den Unternehmergewinnen

Das reale Sozialprodukt je Beschaumlftigten (Arbeitsproduktivi-taumlt) erhoumlhte sich 1980 bis 1992 um 18 Prozent je Beschaumlftigten-stunde um 27 Prozent Aufgrund von Erfindungen und Ratio-nahsierungen koumlnnen industrielle Guumlter jetzt mit geringeremArbeitsaufwand also erheblich schneller hergestellt werdenDie Gewerkschaften reagierten fruumlhzeitig darauf indem sieArbeitszeitverkuumlrzungen forderten Helmut Kohl widersetztesich Diese Forderung sei raquodumm und toumlrichtlaquo wetterte erErst in harten Kaumlmpfen gelang es den Gewerkschaften in klei-nen Schritten uumlber lange Zeitraumlume die Arbeitszeit zu verkuumlr-zen und dadurch der sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit entge-genzuwirken So kam die Erhoumlhung der Arbeitsproduktivitaumltwenigstens zu einem Teil den arbeitenden Menschen selbstzugute wofuumlr sie allerdings auch mit Lohn- und Gehaltsver-zichten zahlen muszligten Hauptnutznieszliger der Rationalisierun-gen waren und blieben die Unternehmer

Der Korrektheit halber muumlssen wir hier freilich einschraumln-ken daszlig nicht alle Unternehmer gleichermaszligen von der Politikder Regierung Kohl profitieren Den groumlszligten Nutzen haben inder Regel diejenigen die ohnehin schon die Reichsten undMaumlchtigsten sind Vor allem die Groszligbanken deren Frankfur-ter Verwaltungspalaumlste nicht zufaumlllig die houmlchsten im Landesind In den Jahren 1990 bis 1992 verbuchte die Kreditwirt-schaft einen Bilanzgewinn von mehr als 20 Milliarden DMwovon allein Milliarden auf die Groszligbanken entfielen 1993konnten die Finanzkonzerne neue Gewinnrekorde vermeldenwaumlhrend andere kleinere Unternehmen uumlber die Rezessionstoumlhnten und uumlbers Jahr mehr als 15 000 Firmen zahlungsunfauml-hig wurden Dem Volk wurden raquoSolidaritaumltsopferlaquo abverlangtdas Groszlige Geld wuchs und wucherte wie nie zuvor

1989 hatten die Groszligbanken fast fuumlnf Milliarden Mark Zins-uumlberschuszlig kassiert Das war schon ein stattliches Ergebnis1993 aber in der Krise gelang es ihnen einen Zinsuumlberschuszligvon 23 Milliarden DM einzuheimsen In der tiefsten Rezessionseit Bestehen der Bundesrepublik profitierten sie vom steigen-den Kreditbedarf des Staates der Kommunen der Gewerbe-treibenden und der Privathaushalte Waumlhrend zum Beispielvom Herbst 1992 bis Herbst 1993 die Bundesbank den Diskont-

und den Lombardsatz die Leitzinsen um Prozentpunktereduzierte senkten die Banken die Kontokurrentzinsen nurum und die Ratenkredite fuumlr Kleinkunden um Prozent-punkte dagegen die Guthabenzinsen um 25 Prozent Das ver-anlaszligte selbst die raquoWirtschaftswochelaquo vom 13 Dezember 1993zum Murren raquoDie Banken stoszligen sich an Zinssenkungengesund die Wirtschaft kommt nicht auf die Beinelaquo- eine Kritikdie indessen in zweifacher Hinsicht praumlzisiert werden muszligdenn erstens brauchten sich die Banken nicht gesundzustoszligenweil sie ohnehin vor Gesundheit strotzten und zweitens hatdie Krise zwar viele einzelne Betriebe erwischt aber raquodie Wirt-schaftlaquo im allgemeinen steht auf festen Beinen wie ein Blickauf die Boumlrsenkurse zeigt Der Deutsche Aktienindex (DAX)kletterte 1993 zum Jahresende auf 2267 Punkte Ein Jahr zuvorhatte dieser aus 30 Standardwerten errechnete Boumlrsenkurs bei1545 Punkten gestanden Das war uumlbers Jahr eine Steigerungum Prozent Die Aktionaumlre wurden zwischen Neujahr undWeihnachten fast um die Haumllfte reicher allein durch ihre andeutschen Boumlrsen getaumltigten Geschaumlfte Groszligaktionaumlre erleb-ten also eine praumlchtige Weihnachtsbescherung am Ende einesJahres in dem im vereinigten Deutschland die Arbeitslosigkeitin eine Groumlszligenordnung aumlhnlich wie in der Schluszligphase derWeimarer Republik hineinwuchs und Armut zum Massen-schicksal wurde

Der Zusammenbruch des SED-Regimes in der DDR imNovember 1989 hat Helmut Kohls ohnehin sehr hohe Selbst-einschaumltzung ins Gigantische wachsen lassen Laumlngst ist eruumlberzeugt davon daszlig nicht Michail Gorbatschow nicht dieBeispiele Polens Ungarns und der Tschechoslowakei die fried-liche Revolution im anderen Teil Deutschlands in Gang gesetztund den mutigen Maumlnnern und Frauen der demokratischenOpposition zum Sieg verholfen haben sondern daszlig er alleinvermutlich durch sein Anstimmen des Deutschlandliedes vomBalkon des Dresdner Rathauses unter Miszligachtung der Haydn-schen Melodie -Honecker verjagt und die Mauer zum Einsturzgebracht haumltte wofuumlr ihm das deutsche Volk diesseits und jen-seits von Elbe und Saale auf den Knien danken sollte Er beruftsich auf den preuszligischen Strategen Moltke der meinte raquoGluumlckhat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tuumlchtigelaquo (womitdieser freilich eingeraumlumt hat daszlig auch dem MittelmaumlszligigenErfolg winken koumlnne) Dagegen empfahl ihm die raquoSuumlddeut-sche Zeitunglaquo schon im Sommer 1990 raquoeher davon zuchen daszlig er einfach Schwein gehabt hatlaquo

Aber Einsicht und Bescheidenheit sind Helmut Kohl we-sensfremd weshalb er auch die glaumlnzende Konjunktur zu An-fang der neunziger Jahre fuumlr das Werk seiner weisen Regierunghielt desgleichen die deutsche Fuszligball-Weltmeisterschaft imSommer 1990 Im Bundestagswahlkampf im Herbst 1990 bot erdiese nationale Erfolgsserie Einheit Aufschwung WMgleichsam im Dreierpack mit dem Aufdruck raquoAlles von Kohllaquoan Die Mogelpackung sollte im nationalen Rausch durchge-hen weil raquodie Maumlnnchen drauszligen im Landlaquo (womit er aber alle

Maumlnner und Frauen meint die auszligerhalb des Kanzler-Bunga-lows leben) so vergeszliglich oder so wenig informiert sind

In Wahrheit war von den Ereignissen in der DDR im Herbstniemand so sehr uumlberrascht worden wie die Kohl-Regie-

rung die dann allerdings die sich ihr so unverhofft bietendeChance eiligst ergriff Innerhalb weniger Wochen waren diemutigen Frauen und Maumlnner die das Honecker-Regime ge-stuumlrzt hatten ruumlcksichtslos vom Platz gedraumlngt und durch einevon Bonn aus an immer kuumlrzerer Leine gehaltene Uumlbergangsre-gierung ersetzt worden Mit Versprechungen Kohls der DDRein unverzuumlgliches Wirtschaftswunder zu bescheren und ihrdurch reichen DM-Segen den Einzug ins Paradies der freienMarktwirtschaft zur reinen Lustpartie werden zu lassen wur-den die Volkskammerwahlen vom 18 Maumlrz 1990 zu einemTriumph jener Blockparteien die vierzig Jahre lang von derSED ausgehalten worden waren und nun ihr Heil bei Kohlamp Co sahen

Damit war der Weg frei fuumlr den Einzug des Groszligen Geldes indie DDR und deren eilige Vereinnahmung Aber der verspro-chene reiche und sofortige Segen blieb natuumlrlich aus Vielmehrmuszligte die Regierung Helmut Kohls so sehr sie dies auch zuvertuschen suchte zunaumlchst einmal fuumlr einen drastischen So-zialabbau sorgen denn natuumlrlich waren und sind die Herrendes Groszligen Geldes vorrangig daran interessiert Profit zumachen und dabei ist all das was sie raquoSozialklimbimlaquo zu nen-nen belieben nur hinderlich

So muszligte die Regierung Kohl jetzt eine wahre Sisyphusar-beit leisten zum einen rasch alles beseitigen was ihren Auf-traggebern laumlstig ist vom Kuumlndigungsschutz uumlber das Aussper-rungsverbot und das bezahlte Babyjahrbis zum letzten betrieb-lichen Kinderhort zum anderen ein immer schnelleres Tempoeinschlagen um Fakten zu schaffen bevor sich diejenigen diedabei auf der Strecke bleiben muszligten uumlber die unvermeidli-chen katastrophalen Folgen der hastigen Vereinnahmung klar-werden konnten

So hieszlig es denn fuumlr Helmut Kohl und seine Ministerriegeimmer neue Ausreden erfinden und Beschwichtigungen ver-breiten beispielsweise behaupten daszlig niemand im Lande zu

befuumlrchten brauche die Zeche bezahlen zu muumlssen Dabei warvon vornherein klar daszlig es gewaltige Summen kosten wuumlrdeOstdeutschland den westlichen Standards anzugleichen alsozum Beispiel das Straszligen- und das Telefonnetz auszubauenWohngebaumlude und Industrieanlagen zu modernisieren und soweiter Auszligerdem konnte sich jeder Einsichtige an fuumlnf Fin-gern abzaumlhlen daszlig sich diese Kosten vervielfachen muszligtenwenn funktionierende Strukturen einfach ruumlcksichtslos zer-schlagen wurden An fruumlhzeitigen Warnungen kompetenterWirtschaftswissenschaftler und auch des damaligen Praumlsiden-ten der Deutschen Bundesbank fehlte es nicht Doch Kohlbehauptete dreist alles lasse sich ohne Steuererhoumlhungenfinanzieren Und damit ihm Kritik nicht hinderlich werdenkonnte beschleunigte er sein Tempo

Nach dem Willen Kohls und seiner Geldgeber verwandeltensich die Laumlnder der DDR in eine Art raquoKronkolonie Ostelbienlaquoso Jens Reich als Sprecher der demokratischen Buumlrgerbewegun-gen in der damals neu gewaumlhlten Volkskammer wo sie rasch indie Opposition gedraumlngt wurden

Die Rolle der Gounverneurin durfte nach der Ermordungdes ersten Praumlsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwed-der die CDU-Politikerin Birgit Breuel uumlbernehmen KohlsVertraute gerantierte fuumlr die Anwendung fruumlhkapitalistischerMethoden der Ausbeutung des Ramsch-Einkaufs von Grundund Boden und des sozialen und kulturellen Kahlschlags

Als wessen Treuhaumlnderin betaumltigte sich Birgit Breuel Galtihre Treue etwa den Genossenschaftsbauern Den Beschaumlftig-ten der Industriebetriebe Dem Volk dem die Betriebe nomi-nell gehoumlrten Oder dem Bundesfinanzminister dem CSU-Vorsitzenden Theo Waigel dem die Treuhandanstalt unter-stellt ist

Genossenschaftsbauern wurden aumlhnlich verdraumlngt wie Indu-strie-Beschaumlftigte Das Volkseigentum wurde privatisiert undder Bundeshaushalt zog aus den Verkaumlufen keinen Gewinnsondern die Treuhandanstalt erwies sich als Weltmeisterin imSchuldenmachen In dreieinhalb Jahren vermehrte sie die Bun-desschulden um die mit keinem Hochgebirge der Welt mehr zuveranschaulichende Summe von Milliarden Mark

dem es der Regierung des Dr Kohl in Bonn schon gelungenwar die 1982 bei der raquoWendelaquo uumlbernommenen Bundesschul-den auf mehr als das Doppelte anwachsen zu lassen

Als Folge des Vernichtungswerks der raquoTreuhandanstaltlaquoliegt Ostdeutschlands Wirtschaft vier Jahre nach dem Fall derMauer am Boden etwa auf dem Niveau eines Entwicklungslan-des wie Sri Lanka Nur noch etwa drei Prozent steuerten 1992die neuen Laumlnder zur deutschen Industrieproduktion beiOhne Ruumlcksicht auf die Beduumlrfnisse der Menschen wurde alleszerschlagen was dem Groszligen Geld beim Einzug in Ost-deutschland als hinderlich oder unbrauchbar erschien und dieAnstalt belohnte diejenigen denen sie das DDR-Volkseigen-tum uumlbereignete noch mit uumlppigen Zusatzgeschenken DieKonditionen der Uumlbereignungsvertraumlge zum Beispiel Freistel-lung der Erwerber von Verpflichtungen und Risiken wurdenvon der Breuel-Anstalt in manchen Faumlllen so guumlnstig gestaltetdaszlig der Buumlndnis 90-Abgeordnete Ulrich-Karl Engel im Landtagvon Sachsen-Anhalt dafuumlr nur diese Erklaumlrung fand raquoOrgani-sierte Kriminalitaumlt beginnt im Nadelstreifenlaquo Nach alarmie-renden Feststellungen des Bundesrechnungshofes und nachEinleitung etlicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfah-ren sah schlieszliglich Ende 1993 der Bundestag Anlaszlig einen Treu-hand-Untersuchungsausschuszlig einzusetzen

Angesichts der von dieser Behoumlrde hinterlassenen Schuldendie noch kuumlnftige Generationen belasten werden wandte sichder Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Gerald Thal-heim gegen raquopolitische Legendenbildunglaquo in Bonn raquoDort wirdausschlieszliglich die sozialistische DDR-Miszligwirtschaft fuumlr die-heutige Lage verantwortlich gemachtlaquo

Gerade im raquoSuperwahljahrlaquo 1994 wird die Regierungspropa-ganda krampfhaft an dieser Legende festhalten Die Wahrheitaber ist daszlig ein groszliger Teil der Treuhand-Schulden erst nachDDR-Zeiten durch eine raquoAufbau-Politiklaquo entstand mit der vielzerstoumlrt aber wenig aufgebaut wurde

Wem so fragten wir galt die Treue der Treuhand-Praumlsiden-tin Wo ist sie verwurzelt

Birgit Breuel Kohls Statthalterin fuumlr den Osten ist Tochterund Erbin des Hamburger Bankiers Alwin Muumlnchmeyer der

jahrzehntelang Boszlig des Bankhauses Schroumlder MuumlnchmeyerCo war All seine Amter in Vorstaumlnden Aufsichtsrauml-

ten und Beiraumlten aufzuzaumlhlen fehlt hier der Platz Erwaumlhnunggebuumlhrt aber zumindest der Tatsache daszlig die deutschen Ban-kiers als es galt den Praumlsidenten des Bundesverbandes derdeutschen Banken zu waumlhlen dieses Amt Alwin Muumlnchmeyerantrugen der es jahrelang ausuumlbte An der Hamburger

ist es kein Geheimnis Der ganze Ehrgeiz von TochterBirgit war es seit eh und je diesem Vater zu beweisen daszlig sieseiner wuumlrdig sei eine nicht nur sondern 150prozentigeSachwalterin des Groszligen Geldes

Privatisierung oder raquoEntstaatlichunglaquo wie sie es gernnennt war und blieb immer das Hauptbestreben der CDU-Politikerin zuerst in der Hamburger Buumlrgerschaft dann in dervon Ernst Albrecht geleiteten niedersaumlchsischen CDUFDP-Regierung der sie zwischen 1978 und 1990 anfangs als Wirt-schafts- spaumlter als Finanzministerin angehoumlrte In vielenReden und Schriften stritt sie wacker gegen Subventionen vorallem bei der CDU-Mittelstandsvereinigung zu deren nieder-saumlchsischen Landesvorsitzenden sie sich waumlhlen lieszlig Mittel-staumlndischen Unternehmern redete sie ein es vertrage sichnicht mit den Prinzipien der Marktwirtschaft wenn sich derStaat um die Wirtschaft kuumlmmere und deswegen duumlrften sieauch unter keinen Umstaumlnden Subventionen beanspruchenGroszligunternehmen dagegen wurden unter Breuels Minister-Verantwortung in Niedersachsen reichlich mit Subventionenbedacht beispielsweise das zum Roumlchling-Konzern gehoumlrendeRuumlstungsunternehmen Rheinmetall dem sie ein groszligenteilsmit oumlffentlichen Mitteln finanziertes Zentrum zur Entwicklungneuer Kriegswaffentechniken bauen lieszlig

Bereits 1979 formulierte Birgit Breuel ein umfassendes Priva-tisierungsprogramm das wie sie verhieszlig zu einem raquoMehr anindividueller Freiheitlaquo fuumlhren werde Das Programm nannteSchlachthoumlfe und kommunale WohnraumvermittlungsstellenSportstadien und Verkehrseinrichtungen Krankentransportund Muumlllabfuhr Kuumlchen in Kliniken und Reinigungsdienstefuumlr Schulen oder fuumlr Behoumlrden -wobei es sich guumlnstig traf daszligsich der niedersaumlchsische Landesvorsitzende des CDU-Wirt-

schaftsrats Hartwig Piepenbrock mit seinem groszligen Gebaumlude-reinigungsunternehmen das dann schnell noch viel groumlszligerwurde fuumlr solche Aufgaben bereithielt meist mit stunden-weise beschaumlftigten Frauen unter schlechteren Arbeitsbedin-gungen mit niedrigeren Loumlhnen und unzureichenden Soziallei-stungen

Es gehe aber nicht allein um Kostenguumlnstigkeit erlaumlutertedie niedersaumlchsische Ministerin in ihrem Programm Die Uumlber-tragung oumlffentlicher Aufgaben auf private Traumlger koumlnne auchdann in Betracht kommen private Leistungserstellungteurer ist als die verwaltungseigenelaquo Hier muumlsse raquodas Gebotder Sparsamkeit gegen das ordnungspolitisch erstrebte Zielabgewogen werdenlaquo - und dieses Ziel hieszlig eben Privatisie-rung

Ausdruumlcklich erlaumluterte die niedersaumlchsische Ministerindaszlig manche Leistungen raquoin der Regel nicht kostendeckenderstellt werden koumlnnen (zum Beispiel Theater MuseenSchwimmbaumlder)laquo Diese Einsicht hinderte sie nicht sich auchfuumlr die Privatisierung von Theatern Museen Schwimmbaumldernwie auch von Schulen Universitaumlten und Postaumlmtern einzuset-zen raquoNotfallslaquo meinte sie in ihrem Programm muumlsse dieoumlffentliche Hand raquoZuschuumlsse gewaumlhrenlaquo

Nach Birgit Breuels Verstaumlndnis sollen sich also die Aufga-ben des Staates nicht aus allgemeinen Beduumlrfnissen herleitensondern aus den Gewinninteressen einzelner denen sie letzt-lich alles was der Allgemeinheit gehoumlrt zuschieben willraquoSelbst bei der Steuerverwaltunglaquo schrieb sie koumlnne sie sichraquoin wesentlichen Teilen eine privatwirtschaftliche Struktur vor-stellenlaquo

In Niedersachsen konnte die Bankierstochter jedoch mitihren Kampagnen gegen raquouumlberzogene Sozialstaatlichkeitlaquo undihren Tiraden gegen die Gewerkschaften (raquoVater Staat ist gefor-dert sein wachsames Auge und wenn noumltig seine strafendeHand gegen die Organisationen der Arbeitnehmer zu richtenlaquo)noch wenig ausrichten Die zur Privatisierung ausersehenenAbteilungen von Krankenhaumlusern und Stadtverwaltungenwehrten sich kraumlftig und Putzfrauen sowie Friedhofs-gaumlrtner lieszligen durch ihren Widerstand manchen Breuel-Plan

scheitern Und als die CDU-Politikerin im von ihr geleitetenWirtschaftsministerium eine Botenstelle teilen wollte unter-sagte ihr das eine Einigungsstelle unter Vorsitz des hannover-schen Landgerichtspraumlsidenten Birgit Breuels Job-sharing-Modell haumltte die Stelleninhaber mit einem halbierten Boten-Gehalt an die Sozialhilfegrenze rutschen lassen

Unmittelbar nachdem 1990 die niedersaumlchsischen Waumlhlerin-nen und Waumlhler die Regierung Albrecht abgewaumlhlt hatten fandBirgit Breuel mit dem Segen des Kanzlers und derer denen eres immer recht machen will ihre neue Verwendung als Vor-standsmitglied und bald als Praumlsidentin der TreuhandanstaltNun konnte sie sich endlich als raquoEntstaatlicherinlaquo austobenwie sie es sich in ihrem Programm von 1979 gewuumlnscht hatteEifriger Mittaumlter im Vorstand war von 1991 bis 1993 GuumlntherRexrodt (FDP) jetzt Kohls Wirtschaftsminister

Wer warum welche ehemaligen DDR-Betriebe uumlbernehmendurfte ist ein Raumltsel das wohl auch der vom Bundestag aufDraumlngen der Opposition eingesetzte Untersuchungsausschuszlighoumlchstens partiell wird loumlsen koumlnnen Nehmen wir als Beispieldie Eisen- und Huumlttenwerke in Thale wo in DDR-Zeiten fast7 000 Menschen arbeiteten Dieser Betrieb der einst zwei juumldi-schen Familien bis zu deren Verdraumlngung durch die Nazis ge-houmlrt hatte repraumlsentiert allein schon durch seine Lage aufeinem groszligen Areal inmitten der Stadt Thale einen betraumlchtli-chen Wert-ganz abgesehen von den teilweise noch in den acht-ziger Jahren mit westlichen Maschinen modernisierten Produk-tionsstaumltten

Fuumlr Sanierungsmaszlignahmen und als Liquiditaumltshilfen zahltedie Treuhandanstalt Zigmillionen Das Land Sachsen-Anhaltgab Buumlrgschaften Das Eigentum wurde ohne daszlig sich dieAnstalt lange mit Anspruumlchen der juumldischen Vorbesitzer auf-hielt einem westdeutschen raquoInvestorlaquo uumlberschrieben DieWahl der Treuhandanstalt fiel auf den durch Waumlhlerentscheidbeschaumlftigungslos gewordenen indessen nicht am Hungertuchnagenden sondern bestens versorgten ehemaligen niedersaumlch-sischen Ministerpraumlsidenten Ernst Albrecht mit dem BirgitBreuel zwoumllf Jahre lang in Hannover zusammen regiert hatteDer Preis den Dr Albrecht zahlen muszligte belief sich auf 1 (in

Worten eine) DM Da er als Kompagnon einen Bremer Rechts-anwalt mit fuumlnf Prozent beteiligte brauchte der hannoverscheCDU-Politiker der jahrelang als stellvertretender Parteivorsit-zender neben Dr Kohl dem CDU-Praumlsidium angehoumlrt hattegenau gesagt nur 95 Pfennig aufzubringen

Angeblich durch ein raquoVersehenlaquo uumlberschrieb ihm die Treu-handanstalt auch ein groszliges Suumldhang-Gelaumlnde im Harz mitBeherbergungs- und Freizeit-Einrichtungen die fruumlher denBeschaumlftigten der Eisen- und Huumlttenwerke und ihren Familien-angehoumlrigen zur Verfuumlgung gestanden hatten Das raquoVersehenlaquowurde nicht etwa korrigiert sondern Firmenchef Albrechtdurfte diese Immobilie alsbald weiterverkaufen fuumlr mehr alsvier Millionen Mark

In einem programmatischen Buch mit dem Titel raquoDer Staatlaquohatte Ernst Albrecht einst beklagt den Deutschen fehle soetwas wie es die Briten in den Kolonien gehabt haumltten und dieUS-Amerikaner im Wilden Westen Nun kann Albrecht an derprivatwirtschaftlichen Erschlieszligung des deutschen Ostens mit-wirken dank Treuhandanstalt die ihn zunaumlchst zum Auf-sichtsratsvorsitzenden der Eisen- und Huumlttenwerke Thaleberief und ihn dann zum Eigentuumlmer machte eine Entschei-dung die auch dann fragwuumlrdig wirkt wenn Albrecht glaub-haft versichert keinen persoumlnlichen Nutzen aus dem Eigen-tum zu ziehen sondern sich mit den Aufsichtsratstantiemenzu begnuumlgen Die Belegschaft in Thale schrumpfte inzwischenauf einige hundert Beschaumlftigte

Im allgemeinen sorgte die Treuhandanstalt dafuumlr daszlig die-jenigen die schon in Westdeutschland monopolartige Wirt-schaftsmacht besitzen diese auf Ostdeutschland ausdehnenkonnten So wurde die Presse Beute westdeutscher Groszligver-lage wie Springer Bauer Burda und Bertelsmann BauerBranchenerster auf dem Markt bunter Wochenblaumltter zweiein-halbfacher Vermoumlgensmilliardaumlr Hauptbeteiligter an Schmutz-Wahlkampagnen der CDUCSU hatte seit langem denWunsch gehabt auch ins Tageszeitungsgeschaumlft einzusteigenwas ihm jedoch in Westdeutschland miszliglang weil hier derMarkt aufgeteilt besetzt also gar kein freier Markt mehr istDie Treuhandanstalt erfuumlllte ihm seinen Wunsch Er erhielt die

ehemalige SED-Bezirkszeitung raquoVolksstimmelaquo in Magdeburgeine der auflagenstaumlrksten deutschen Regionalzeitungen

Westdeutsche Fuumlrsten die nach dem Zweiten Weltkriegdurch die Bodenreform ihre ostelbischen Latifundien verlorenhatten ergreifen nun nach und nach wieder Besitz einige wieder schwerreiche und erzkonservative Philipp Ernst Fuumlrst vonSchaumburg-Lippe zunaumlchst als Paumlchter der TreuhandanstaltAls Ende 1993 die Breuel-Behoumlrde erstmals ein ostdeutschesWald- und Forstgebiet privatisierte schlug sie den 828 Hektargroszligen Forst Schleiz-Langenbuch in Thuumlringen dem hessi-schen raquoInvestorlaquo Franz Alexander Fuumlrst von Isenburg zu

Im Sinne der raquoAlteigentuumlmerlaquo die freilich im Westen laumlngstauf Steuerzahlers Kosten Lastenausgleich erhalten hatten ver-fuhren die Regierung Kohl und die Treuhandanstalt nach demPrinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo- was fuumlr diejenigen dieinzwischen in der DDR gelebt und gearbeitet hatten Wegnah-me ohne Entschaumldigung bedeutet Zu den raquoAlteigentuumlmernlaquodie sich bei der Treuhandanstalt und oumlrtlichen Vermoumlgensaumlm-tern draumlngelten gehoumlrten sofort etliche raquoArisierungslaquogewinnlerler vom Typ unseres alten Bekannten Dr Fritz Ries die geradewegen der Umstaumlnde unter denen sie einst in der Nazi-Zeitjuumldischen Besitz erlangt hatten nach dem Zweiten Weltkrieg inOstdeutschland enteignet worden waren Die Klaumlrung vonEigentumsanspruumlchen erwies sich oft als sehr muumlhsam Anungeklaumlrten Vermoumlgensfragen gingen inzwischen viele tausen-de Industrie- Handwerks- und Agrarbetriebe zugrunde Beam-te des Bundesfinanzministeriums entwickelten ein Konzeptwonach Alteigentuumlmer denen ein unerwarteter Gluumlcksfall derGeschichte laumlngst verlorengeglaubte ostelbische Besitztuumlmerbeschert verpflichtet werden sollten eine Vermoumlgensabgabezu zahlen und damit das fuumlr die Entschaumldigung anderereigentuumlmerbenoumltigte Geld aufzubringen Aber die Bonner Re-gierung entschied anders naumlmlich so wie sie es im Dienste desGroszligen Geldes als ihre Aufgabe ansieht Die Vermoumlgendenbrauchen keine Abgabe zu entrichten Fuumlr Entschaumldigungenmuumlssen die Steuerzahler aufkommen -jedoch erst vom Jahre2004 an Die Regierung Kohl plant die weitere Umverteilungvon unten nach oben schon bis ins naumlchste Jahrhundert voraus

In vielen Faumlllen waren westdeutsche Konzerne nur deswe-gen an der Uumlbernahme ostdeutscher Betriebe interessiert weilsie Konkurrenz ausschalten wollten Bekanntestes Beispiel istdie Kaligrube Bischofferode Das von den uumlber 700 Bischoffe-roumlder Bergleuten gefoumlrderte besonders hochwertige Kalisalzwar international nachgefragt bis zur Schlieszligung der GrubeEnde 1993 muszligten Uumlberstunden geleistet werden Ein Kauf-interessent stand bereit der sich gute Gewinne ausrechnenkonnte Doch der Ludwigshafener Chemie-Riese BASF beidem einst der Nachwuchspolitiker Helmut Kohl als Praktikanterste Erfahrungen hatte sammeln duumlrfen setzte sich mit sei-nem Interesse an einem gesamtdeutschen Kali-Monopol durch

Wirtschaftlich gestaltete sich die Eingliederung Ostdeutsch-lands in die Bundesrepublik wofuumlr sich Dr Kohl so gern alsEinheitskanzler feiern laumlszligt im wesentlichen als Eroberung desMarktes und Ausschaltung potentieller Konkurrenz in denneuen Bundeslaumlndern Statt Sanierung ruumlckstaumlndiger Teile derDDR-Wirtschaft Vernichtung von drei Vierteln des dortigenIndustriepotentials preisguumlnstige Aneignung interessanterProduktionskapazitaumlten und Immobilien Privatisierung vonProfiten Verstaatlichung von Verlusten alles zuverlaumlssig prak-tiziert durch die Treuhandanstalt

Die verheiszligenen Investitionen im Osten blieben in allerRegel aus Das lag nicht etwa daran daszlig es in Westdeutschlandan Kapital gefehlt haumltte das in den raquoNeuen Laumlndernlaquo haumltteinvestiert werden koumlnnen Wie wir schon gesehen haben hattesich das Groszlige Geld in den achtziger Jahren gewaltig vermehrtund Anfang der neunziger Jahre machte es noch groumlszligereGewinnspruumlnge Weil Jahr fuumlr Jahr viel mehr eingenommen alsinvestiert wurde staute sich Liquiditaumlt in einem fruumlher unbe-kannten Ausmaszlig raquoDas Liquiditaumltspolster der westdeutschenProduktionsunternehmenlaquo schrieb im Mai 1991 die DeutscheBundesbank sei reichlich bisher noch nie gewesenlaquo Aberdie westdeutschen Konzerne hatten wenig Interesse im Ostenneue Betriebe zu errichten

Ende 1993 legte der Paritaumltische Wohlfahrtsverband gemein-sam mit dem DGB erneut einen raquoArmutsbericht vorlaquo worin ervor allem die Lage in Ostdeutschland untersucht Zur Treu-

handpolitik heiszligt es dort raquoGroszlige Bedeutung fuumlr die Wirt-schafts- und Beschaumlftigungsentwicklung in den neuen Bundes-laumlndern hatte die Politik der Treuhandanstalt ihr kam nachdem Treuhandgesetz primaumlr die Aufgabe zu das volkseigeneVermoumlgen der ehemaligen DDR zu privatisieren und zu ver-werten nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft Diebestehenden Unternehmen sollten so rasch als moumlglich zer-schlagen und in Privateigentum uumlberfuumlhrt werdenlaquo Dagegensei es raquoweder urspruumlngliches Ziel noch bisherige Praxis derTreuhandlaquo gewesen Betriebe raquomit der Zielsetzung einer Erhal-tung von Produktions- und Beschaumlftigungsstandortenlaquo zusanieren Deswegen sei raquoein Groszligteil der zum Zeitpunkt derMaueroumlffnung vorhandenen Arbeitsplaumltze inzwischen verlo-rengegangenlaquo Ergebnis raquoAuf jeweils zwei Beschaumlftigtekommt derzeit in Ostdeutschland ein Erwerbsloserlaquo

1990 im Jahre des raquoBeitrittslaquo der DDR zur BundesrepublikDeutschland hatte die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland

Prozent betragen zwei Jahre spaumlter war sie bereits aufProzent gestiegen in den Bevoumllkerungsgruppen der Alleiner-ziehenden und der bis 64jaumlhrigen sogar schon auf 25 Pro-zent Die Zerschlagung von Betrieben betrifft in besonderemMaszlige auch die Jugendlichen die sich um Ausbildungsplaumltzebewerben 1992 fanden von den im Osten als Bewerber regi-strierten Jungen und Maumldchen nur Prozent einen betriebli-chen Ausbildungsplatz teilweise im Westen Das Defizit ver-groumlszligerte sich 1993 dadurch daszlig sich staatliche Subventionenfuumlr auszligerbetriebliche Ausbildungsplaumltze verringerten

Alleinerziehende gab es in der ehemaligen DDR deutlichmehr als in Westdeutschland Prozent aller Familienhaus-halte Die Untersuchung des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandsfuumlhrt das zuruumlck raquoauf zahlreiche soziale Erleichterungen undVerguumlnstigungen sowie die Tatsache daszlig Alleinerziehende inihrem Status gesellschaftlich akzeptiert warenlaquo- was sich inzwi-schen gruumlndlich geaumlndert hat raquoIm Zuge Vereinigunghaben sich die Rahmenbedingungen fuumlr Allemerziehende imOsten deutlich verschlechtert und das Risiko der gesellschaftli-chen Ausgrenzung und Verarmung dieser Gruppe hat sichebenso deutlich erhoumlhtlaquo

Um zu illustrieren wie tief Kohls Einheitspolitik gerade dieMuumltter in den neuen Laumlndern hat stuumlrzen lassen erinnert derParitaumltische Wohlfahrtsverband in seinem Bericht an die Lei-stungen auf die sie in der DDR Anspruch hatten raquoSo erhieltenMuumltter von zwei und mehr Kindern sowie Alleinerziehendeeinen zusaumltzlich bezahlten Hausarbeitstag pro Monat DerAnspruch auf einen Schwangerschaftsurlaub betrug sechsWochen vor und 20 Wochen nach der Geburt mit einem Ein-kommen in Houmlhe des Nettoverdienstes Daneben konnte nachGeburt des ersten Kindes ein Babyjahr in Form bezahltenUrlaubs bei einer Unterstuumltzung zwischen 65 und 90 Prozentdes Nettoeinkommens genommen werden nach Geburt desdritten Kindes und der folgenden Kinder sogar eineinhalbJahre und bis zu drei Jahren wenn das Kind nicht versorgt wer-den konnte oder krank war Unabhaumlngig von einer Freistellungwurde den Frauen pro Kind ein Jahr bei der Rentenversiche-rung angerechnet ab dem dritten Kind erhoumlhte sich dieZurechnungszeit auf drei Jahre pro Kind Fuumlr die Betreuungkranker Kinder waren je nach Familienstand und Kinderzahlvier bis maximal dreizehn Wochen bezahlter Freistellungs-urlaub pro Jahr moumlglich Zur finanziellen Entlastung von Fami-lien und alleinstehenden Muumlttern trugen weitere Leistungenbei wie ein im Vergleich zur BRD deutlich houmlheres KindergeldUnterhalts- und Ausbildungsbeihilfen und eine Geburtenbei-hilfe in Houmlhe von 1000 Mark Studierende Muumltter hatten An-spruch auf umfassende Unterstuumltzung unter anderem bei derWohnraumversorgung und Kinderbetreuung VertreterInnenvon Familienverbaumlnden gehen davon aus daszlig in der DDR 75bis 80 Prozent aller Kosten die ein Kind von der Geburt biszum 18 Lebensjahr verursacht von Staat und Gesellschaftgetragen wurden gegenuumlber maximal einem Viertel in derBRD Gleichzeitig stand ein umfassendes hochsubventionier-tes und damit fuumlr die Mutter kostenloses Angebot staatlicherKinderbetreuung bei taumlglichen Oumlffnungszeiten zwischen neunund zwoumllf Stunden zur Verfuumlgung das bereits in der zehntenLebenswoche ansetzte und je nach Alter zwischen 81 und 94Prozent der Kinder erfaszligte laquo Hinzu kamen noch ein speziel-

ler Kuumlndigungsschutz fuumlr Alleinerziehende und manche weite-ren Verguumlnstigungen

Obwohl Dr Kohl und sein Sozialminister Dr Bluumlm immerdas Wort raquoFamilielaquo im Munde fuumlhren hatten sie fuumlr sol-

che Errungenschaften nichts uumlbrig und sorgten fuumlr deren Besei-tigung

Von den Ende 1989 in der DDR ausgewiesenen 340 000alleinerziehenden Muumlttern war schon Ende 1991 jede sechsteohne Erwerbsarbeit Das fruumlher in der DDR unbekannteDilemma sich zwischen Beruf und Kind entscheiden zu muumls-sen und die nun rasch angestiegenen Kosten von Mutterschaftund Kinderbetreuung fuumlhrten laut Armutsbericht zu einer ein-deutigen Reaktion raquoFrauen entscheiden sich mit zunehmen-der Tendenz gegen Kinder Die Geburtenrate sank zwischen1989 und 1991 um die Haumllfte Sterilisationen stiegen sprunghaftan ihr Nachweis stellt im Kampf um die raren Arbeitsplaumltzeoffensichtlich einen Konkurrenzvorteil darlaquo Wie vertraumlgt sichdas mit den staumlndigen Bekenntnissen der CDUCSU zumSchutz der Familien mit ihren wuumltenden Attacken gegen dieunter Willy Brandts Kanzlerschaft eingefuumlhrte Liberalisierungdes $218 (Schwangerschaftsabbruch) Die Antwort ist einfachFuumlr die Unionschristen endet die Fuumlrsorgepflicht des Staatesan der Kasse und Unternehmerinteressen haben stets Vorrangvor denen der Lohnabhaumlngigen

Wegen der unzureichenden Foumlrderung von Familien mitKindern steigt in Deutschland die Kinderarmut steil an Der

weist fuumlr 1992 fuumlr Westdeutschland den Anteilder in Armut lebenden Kinder unter 16 Jahren mit Prozentin Ostdeutschland mit Prozent aus Als raquowohnraumunter-versorgtlaquo registriert er Prozent aller westdeutschen und391 Prozent aller ostdeutschen Kinder und Jugendlichen undresuumlmiert raquoKindheit insbesonder in groumlszligeren Familien istin beiden Teilen der Bundesrepublik mit einemauszligerordentli-chen Armutsrisiko verknuumlpftlaquo Jedesmal wenn Kohl und Bluumlmmit reichlich Spucke das Wort raquoFamilljelaquo uumlber die Lippen brin-gen sollen wir ihnen diese Feststellung entgegenhalten

raquoDie Chance im Zuge der Sozialunion eine umfassende So-zialreform einzuleiten um die jeweiligen Staumlrken der beiden

Systeme sozialer Sicherung zu erhalten und die vorhandenenDefizite zugunsten eines umfassenderen und houmlheren Siche-rungsniveaus zu korrigieren ist aus politischen Gruumlnden nichtgenutzt wordenlaquo beklagt der Armutsbericht Und er zaumlhlt vie-les auf was in Ostdeutschland guumlnstiger geregelt war als inWestdeutschland Armut in dem Sinne daszlig arm ist wer weni-ger als die Haumlfte des Durchschnittseinkommens erhaumllt habe esin der DDR wegen der gleichmaumlszligigen Verteilung der Einkom-men auf niedrigem Niveau nicht gegeben zumal die Guumlter desGrundbedarfs stark subventioniert waren In DDR-Zeitenhabe man zwar verdeckte Wohnungsnot gekannt aber keineoffene Obdachlosigkeit Nur neun Prozent der Erwerbstaumltigenin der DDR haumltten keinen Ausbildungsabschluszlig gehabt (gegen-uumlber 19 Prozent in Westdeutschland) raquoBehinderte Menschenwaren in der DDR uumlber verschiedene Schutzvorschriftenwesentlich staumlrker in das Alltagsleben integriert als es dieBestimmungen des bundesdeutschen Schwerbehindertenge-setzes verlangen Die deutsche Einigung ging fuumlr behinderteMenschen mit einer schlagartigen Ausgrenzung aus demArbeitsleben Hinzu kaumlmen jetzt soziale Diskriminie-rungen und eine raquoeklatante Verschlechterunglaquo im Rentenrechtder Behinderten

Pflegebeduumlrftige hatten in der DDR einen individuellenAnspruch auf Pflegegeld den sie durch die Vereinigung verlo-ren Pflegeheimaufenthalt und medizinische Betreuung warengratis Jetzt muumlssen die Pflegebeduumlrftigen selbst zahlen DerWeg ins Heim ist fuumlr die meisten ein Weg in die Sozialhilfe Dasbedeutet auch daszlig Angehoumlrige finanziell herangezogen wer-den -raquoein gravierender Bruch fuumlr ostdeutsche Pflegebeduumlrftigeund ihre Angehoumlrigen nach uumlber 40 Jahren prinzipiellerKostenfreiheit im Gesundheitssystemlaquo Was Pflegebeduumlrfti-gen nach der Waumlhrungsunion auf ihren Sparbuumlchern verblie-ben war wurde ihnen von den Sozialhilfe-Behoumlrden bis aufeinen Restbetrag genommen Weitgehend zerschlagen wurdendie Strukturen der raquoVolkssolidaritaumltlaquo einer in der DDR staat-lich gefoumlrderten Organisation die mit 6 500 Gemeindeschwe-stern vielen weiteren hauptamtlichen und rund 200 000 ehren-amtlichen Kraumlften vor allem fuumlr die ambulante Betreuung von

Pflegebeduumlrftigen zustaumlndig war und zum Beispiel fuumlr symboli-sche 50 Pfennig am Tag denjenigen Essen brachte die nichtselbst kochen konnten Wegen Auslaufens von Arbeitsbeschaf-fungsmaszlignahmen sind jetzt auch die rund 1000 Altenklubs inOstdeutschland in ihrem Bestand gefaumlhrdet

Viel schneller als die Angleichung der Einkommen (1992betrug das durchschnittliche Einkommen pro Person in einemOst-Haushalt Prozent im Verhaumlltnis zum Westen) vollzogsich die Angleichung der Mietpreise Allein im Jahre 1991 stie-gen die Mieten im Osten um das 35- bis Vierfache Inzwischensetzte sich der Anstieg fort einzig aus Spekulationsgruumlndennicht etwa zum Ausgleich fuumlr Modernisierungsmaszlignahmendie bisher meist unterblieben Wegen auflaufender Mietschul-den kommt es zu vielen Raumlumungsklagen So waren allein inMagdeburg Anfang 1993 rund 1900 Raumlumungsklagen anhaumln-gig Obdachlosigkeit entsteht laut Armutsbericht vielfach auchdurch rabiate Methoden alter oder neuer Hausbesitzer diebestrebt sind Wohnungen zu raquoentmietenlaquo Notwendige Ver-besserungen des Wohnungsbestands scheiterten bisher aucham Prinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo in etwa einer Mil-lion Faumllle waren 1993 die Besitzverhaumlltnisse noch nicht geklaumlrtdie uumlberforderten Gerichte und Behoumlrden werden damit wohlnoch Jahre beschaumlftigt sein

Als psychosoziale Folgen dieser Entwicklung nennt derArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB Wachsende Verunsicherung Empfindung von Nichtge-brauchtsein und Leere Gefuumlhle des Ausgeliefertseins und dereigenen Ohnmacht sich ausdehnende Hoffnungslosigkeit undSinnlosigkeit sich verfestigende seelische Probleme (Schlaf-stoumlrungen) Ruumlckzug ins Private und zunehmende politischeUninteressiertheit Empfinden eines grundlegenden Statusver-lustes sich einstellende Inaktivitaumlt und zunehmende Neigungzum Alkoholkonsum Auffaumlllig seien zudem verstaumlrkt auftre-tende Gesundheitsstoumlrungen als Reaktion auf soziale und kul-turelle Ausgrenzung (Auch Kinokarten verteuerten sich raschum 700 Prozent und wurden fuumlr viele unerschwinglich)

Das Versprechen des Kanzlers Dr Kohl daszlig es niemandemschlechter gehen werde erwies sich bald nach der von ihm

gewonnenen Bundestagswahl vom Dezember 1990 als hohlUm so groumlszliger waren die Hoffnungen nach einer Uumlbergangs-zeit von allenfalls drei oder vier Jahren werde es allen Ostdeut-schen besser gehen Doch auch diese Hoffnung erfuumlllte sichnicht Im Gegenteil Fuumlr betraumlchtliche Teile der Bevoumllkerung istein Ende der Abwaumlrtsentwicklung nicht absehbar Im Armuts-bericht von Ende 1993 heiszligt es dazu raquoIn einer Vielzahl vonLebensbereichen droht die Versorgung in den neuen Bundes-laumlndern weit hinter den im Westen der Republik vorhandenenStandards zuruumlckzubleiben Dies gilt vorrangig fuumlr die Versor-gung im Arbeitsmarkt- und Beschaumlftigungssystem Dies giltjedoch auch fuumlr die Versorgung mit Bildungsguumltern mit Woh-nungen und mit Sozial- und GesundheitsdienstleistungenlaquoKommunale Kostentraumlger seien raquoaufgrund ihrer prekaumlrenHaushaltssituation kaum in der Lage die laufenden Kosten fuumlrdie soziale Infrastruktur vor Ort zu bestreitenlaquo Die Autorendes Armutsberichts zitieren Prognosen wonach eine Anglei-chung der Lebensverhaumlltnisse zwischen Ost und West nocheinen Zeitraum von raquomindestens zehn Jahrenlaquo erfordern wirdSie selbst halten es fuumlr raquooffen ob eine solche Angleichung tat-saumlchlich stattfinden oder ob das Beitrittsgebiet nicht vielleichtuumlber einen laumlngeren Zeitraum eine Armutsregion im vereintenDeutschland bleiben wirdlaquo

Halten wir fest Als sich Buumlrgerinnen und Buumlrger der DDRlange entbehrte Freiheiten erkaumlmpften als das SED-Regimezusammenbrach als das uumlble Spitzelsystem des Staatssicher-heitsdienstes beseitigt wurde da handelten die Ostdeutschensouveraumln und der westdeutsche Kanzler hatte auszliger Spruumlchenwenig beizutragen Die Einheit aber inszenierte er dann -nichtohne ostdeutsche Helfer namentlich den Staatssekretaumlr Guumln-ther Krause der spaumlter zur Belohnung zeitweilig Bundesver-kehrsminister sein durfte als groszligen Volksbetrug Betrogenund gedemuumltigt stehen jetzt nicht nur Millionen Ostdeutscheda sondern fuumlr materielle und politische Kosten muumlssen mehrund mehr auch die Westdeutschen aufkommen nicht die Rei-chen die noch viel reicher wurden sondern die Armen Wasder raquoEinheitskanzlerlaquo angerichtet hat ist die tiefe sozialeSpaltung Deutschlands

Mit den raquoSolidarpaktlaquo-Beschluumlssen von 1993 deren Inhaltso zynisch ist wie der Name und mit den raquoSpar- und Konsoli-dierungsbeschluumlssenlaquo fuumlr 1994 wurde zu Lasten der Armen inganz Deutschland tief in die Leistungen des Arbeitsfoumlrderungs-und des Sozialhilfegesetzes eingegriffen Kuumlrzungen des Ar-beitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe des Kurzarbeiter-und des Schlechtwettergeldes Verteuerungen fuumlr die Krankenund andere Zumutungen treiben wie der Praumlsident des Verban-des der Kriegs- und Wehrdienstopfer Behinderten und Sozial-rentner Deutschlands (VdK) Walter Hirrlinger feststellte er-neut raquohunderttausende Menschen und deren Familien in dieArmutlaquo diese Maszlignahmen seien deshalb raquosozial unverant-wortlichlaquo Der Deutsche Kinderschutzbund wies zu Jahres-beginn 1994 darauf hin daszlig in Deutschland inzwischen schoneine halbe Million Kinder in Obdachlosen-Unterkuumlnften lebenDas Resuumlmee im Armutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrts-verbands und des DGB lautet Die von der Regierung Kohlfavorisierte wirtschaftsliberale Strategie der Lastenverteilungbedeute raquodaszlig die Lasten allein von den Arbeitnehmern undSozialleistungsempfaumlngern uumlbernommen werden muumlssenlaquoNach einem Jahrzehnt der Umverteilung zu Lasten der sozialSchwaumlchsten nehme die Zahl der Armen im Westen unveraumln-dert zu und die derzeitige Wirtschafts- und Sozialpolitik lauferaquodarauf hinaus daszlig heute und in den kommenden Jahren dieLasten der Vereinigung vorrangig zwischen den Armen imWesten und im Osten geteilt werdenlaquo Daher sei es raquokaumverwunderlich daszlig die Politikverdrossenheit in der Bevoumllke-rung zunimmtlaquo Obwohl raquodas neue Gesamtdeutschland einesder reichsten Laumlnder der Erdelaquo sei koumlnne diese Politik zurFolge haben raquodaszlig die soziale und politische Stabilitaumlt derBundesrepublik in den neunziger Jahren ernsthaft gefaumlhrdetwirdlaquo

Das Groszlige Geld aber wurde bestens bedient Es konnte sichin Ostdeutschland alles und jedes aneignen was ihm brauch-bar erschien es konnte die dortigen Absatzmaumlrkte in Besitznehmen es konnte seine Gewinne sprunghaft steigern und inengem Zusammenwirken mit der Regierung des Dr HelmutKohl konnte es die wachsende Veraumlngstigung vieler Menschen

auch noch zum Abbau zahlreicher in fruumlheren Jahrzehntenmuumlhsam erkaumlmpfter Arbeitnehmer- und Buumlrgerrechte nutzen

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gelang esden Metall-Industriellen einen geltenden Tarifvertrag auszu-hebeln Mit raquoOumlffnungsklauselnlaquo soll das gesamte Tarifrechtzum Einsturz gebracht die Gewerkschaftsbewegung entmach-tet werden Mit sogenannten raquoBeschleunigungs-laquochungs-laquo und raquoEntlastungsgesetzenlaquo schraumlnkte die von Kohlgefuumlhrte Bonner Koalition wesentliche Mitspracherechte derBuumlrgerinnen und Buumlrger ein so daszlig jetzt uumlber die Koumlpfe vonBetroffenen hinweg aumluszligerst zweifelhafte umweltgefaumlhrdendeGroszligprojekte beispielsweise in der Gentechnik verwirklichtwerden koumlnnen Zur Begruumlndung muumlssen immer wieder dieraquodeutsche oder der raquoStandort Deutschlandlaquo herhaltenDas raquoStandortsicherungsgesetzlaquo und weitere angeblich ausnationalen Interessen notwendige Beschluumlsse tun ein uumlbrigesum die Reichen und Superreichen im Lande von sozial- undrechtsstaatlichen Fesseln zu befreien

Der Verantwortung fuumlr die Folgen dieser Politik entledigtsich der Bund aufs vornehmste indem er sie an die Kommunendelegiert Deren Sache ist es dann fuumlr die explodierende Zahlvon Sozialhilfe-Abhaumlngigen zu sorgen In finanzieller Bedraumlng-nis unter zunehmendem Schuldendruck schlieszligen die Kommu-nen jetzt Theater Buumlchereien und Schwimmbaumlder erhoumlhenKindergarten-Beitraumlge der Eltern ins Unbezahlbare oder fuumlh-ren Gebuumlhren fuumlrs Betreten von Parkanlagen ein Was kuumlm-mertrsquos die Reichen Sie haben private Schwimmbaumlder und koumln-nen rasch nach Mailand oder Monte Carlo fliegen um dort indie Oper zu gehen

raquoDiese neue Regierung ist notwendig geworden weil sich diealte die bisherige Regierung als unfaumlhig erwies gemeinsamdie Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen das Netz sozialer Sicherheitzu gewaumlhrleisten und die zerruumltteten Staatsfinanzen wieder inOrdnung zu bringenlaquo So begruumlndete Dr Helmut Kohl nach-dem er durch den Wortbruch der FDP Kanzler geworden wardie damalige raquoWendelaquo Mehr als ein Jahrzehnt spaumlter ist dieMassenarbeitslosigkeit zur Dauerplage geworden die sichimmer weiter ausbreitet In das Netz sozialer Sicherheit hat dieRegierung des Groszligen Geldes ein Loch nach dem anderengerissen so daszlig mehr und mehr Menschen hindurchfallenUnd die Staatsfinanzen sind so zerruumlttet daszlig noch Generatio-nen zu schuften haben werden um den gigantischen Schulden-berg abzutragen

Daszlig eine neue Regierung notwendig geworden ist wirdjetzt auch in Kreisen der Wirtschaft eroumlrtert und zwar imZusammenhang mit den Folgen der Rezession die 199293viele mittelstaumlndische Unternehmen in rote Zahlen oder ganzin den Ruin gestuumlrzt hat

Die Krise gehoumlrt zum Kapitalismus wie die KonjunkturBeide loumlsen sich regelmaumlszligig ab In der Rezession macht dasGroszlige Geld jedesmal reiche Beute denn was die kleinen undmittleren Unternehmer aufgeben muumlssen krallen sich die gro-szligen Die jeweilige Regierung ist an der Tatsache zyklischer Kri-sen unschuldig Insofern muumlssen wir ausdruumlcklich auch dieRegierung des Dr Helmut Kohl in Schutz nehmen Dochdamit sich der Zorn des Mittelstandes nicht etwa gegen dasGroszlige Geld richtet muszlig in Krisenzeiten die jeweilige Regie-rung als Suumlndenbock herhalten Daher droht Kohl jetzt auchGefahr aus den Kreisen denen er immer treu gedient hat

In der ersten schweren Wirtschaftskrise der Bundesrepublikmuszligte der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard

abtreten in der sogenannten raquoOumllkriselaquo Willy Brandtfuumlr die Krise wurde Helmut Schmidt verantwortlichgemacht Ist jetzt infolge der vierten Wirtschaftskrise seitGruumlndung der Bundesrepublik Helmut Kohl an der ReiheNotfalls werden seine Auftraggeber ihn fallenlassen Abernicht deswegen weil sie mit seiner Politik nicht mehr einver-standen waumlren im Gegenteil Fuumlr sie ist die Hauptsache daszligKohls Politik weitergefuumlhrt wird notfalls auch ohne Kohl

Die Opfer dieser Politik hingegen haumltten davon nur weiterenSchaden In ihrem Interesse kommt es also hauptsaumlchlich dar-auf an daszlig in Bonn endlich eine grundlegend andere Politikeingeleitet wird eine Politik die auf soziale Gerechtigkeit ori-entiert ist auf mehr Demokratie auf Schutz der Menschen-rechte und Schutz der natuumlrlichen Lebensgrundlagen

Mit einem bloszligen Austausch des Personals in Bonn ist esnicht getan Er ist ohnehin laumlngst im Gange Immer schnellerdreht sich das Personalkarussell Insgesamt 20 Minister sindseit 1982 aus den von Helmut Kohl gefuumlhrten Bundeskabinet-ten vorzeitig ausgeschieden Anfangs geschah das selten inzwi-schen immer haumlufiger 1992 traten vier Minister zuruumlck 1993fuumlnf darunter Juumlrgen Moumlllemann (FDP) nach seiner Brief-bogenaffaumlre und Guumlnther Krause (CDU) nach seinen diversenAutobahnbau- Raststaumlttenkonzessions- Umzugs- und Putz-frauenaffaumlren

Auch in den unionsgefuumlhrten Laumlnderregierungen in West-deutschland sind es noch zwei in Ostdeutschland (Berlin ein-geschlossen) fuumlnf - broumlckelt es Bayerns Ministerpraumlsident MaxStreibl (CSU) stolperte uumlber die Amigo-Affaumlre In Baden-Wuumlrt-temberg muszligte Lothar Spaumlth unter dem Verdacht der Bestech-lichkeit abtreten und sein Nachfolger muszligte weil die FDPbei der Landtagswahl durchfiel mit der SPD koalieren Spaumlthwurde dann zum Trost aumlhnlich wie sein abgewaumlhlter nieder-saumlchsischer Amtskollege Ernst Albrecht von der Treuhandan-stalt mit dem Aufsichtsratsvorsitz eines fruumlher volkseigenenUnternehmens betraut In Sachsen konnte sich der Schwieger-sohn von Konsul Dr Fritz Ries Prof Dr Kurt Biedenkopf als

Ministerpraumlsident fest etablieren Aber in Thuumlringen Mecklen-burg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sah sich die CDUschon nach kurzer Zeit zur Auswechslung der von ihr gestelltenRegierungschefs gezwungen in Sachsen-Anhalt inzwischensogar zweimal Beim zweiten Male muszligte gleich das ganzeKabinett umgebildet werden Mehrere westdeutsche CDU-und FDP-Politiker die in Magdeburg als Minister eingesetztworden waren um die raquoOssislaquo fachmaumlnnisch in demokratischeRechtsstaatlichkeit einzuuumlben hatten zusaumltzlich zu ihrenziellen Amtsbezuumlgen raquoBesitzstandswahrunglaquo beansprucht undzu diesem Zweck unter anderem fruumlhere EisenbahnfreikartenTagegelder Aufsichtsratstantiemen Vortragshonorare steuer-freie Kostenpauschalen oder den Geldwert der Gratisbenut-zung eines Dienstwagens anrechnen lassen So hatte sich zumBeispiel der fruumlhere Fachhochschullehrer und Europaparla-mentarier Werner Muumlnch aus dem niedersaumlchsischen Vechtazum Spitzenverdiener hochgerechnet so dreist daszlig er sichals der Landesrechnungshof nachzurechnen begann nichtmehr im Amt halten konnte Eine Schluumlsselrolle in der Zula-gen-Affaumlre spielte der Staatssekretaumlr im Magdeburger Finanz-ministerium Eberhard Schmiege den Muumlnch dort eingesetzthatte Bis 1990 hatte Schmiege unter Ministerin Birgit Breueldie Haushaltsabteilung des niedersaumlchsischen Finanzministeri-ums geleitet Kaum waren diverse Minister ausgewechseltabtreten muszligte zum Beispiel Sozialminister Werner SchreiberBundesvorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse der an sichselbst besonders sozial gedacht hatte - da stellte sich herausdaszlig auch Schmiege und die anderen dreizehn Staatssekretaumlrestattliche raquoAmtszulagenlaquo kassiert hatten

Solche Affaumlren lieszligen sich propagandistisch allzu schlechtmit Bescheidenheits- Spar- Opfer- und Solidaritaumltsappellender raquoWendelaquo-Koalition an die Bevoumllkerung vereinbaren Aucharglose gutglaumlubige bisherige CDU-Waumlhlerinnen und -Waumlhlerschaumlrften inzwischen ihr Gehoumlr fuumlr die zynischen Untertoumlne inKohl-Reden Beispiel die Rede des Kanzlers am 21 Oktober1993 im Bundestag die nur als Verhoumlhnung der Opfer seinerPolitik der nunmehr (ohne statistische Tricks gerechneten)mehr als fuumlnf Millionen Arbeitslosen verstanden werden

konnte raquoWir koumlnnen die Zukunft nicht dadurch sichern daszligwir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisie-renlaquo toumlnte Dr Kohl Zugleich propagierte der Chef derraquoWendelaquo-Koalition die Ruumlckkehr zur 40-Stunden-Woche unddie Abschaffung von zwei Feiertagen Beides zusammenge-nommen wuumlrde die Arbeitslosenzahl in Deutschland noch-mals um nahezu eine Million hochschnellen lassen

Der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes hat zur Genuumlgegezeigt wie man einen Staat ruiniert Er ist reif zur Abloumlsungdie aber schwerlich gelingen kann wenn viele Waumlhlerinnenund Waumlhler verbittert zu Hause bleiben und besonders gefaumlhr-lich wuumlrde es wenn sie ihr Heil rechtsauszligen suchen wuumlrdenNotwendig ist jetzt eine selbstbewuszligte Antwort des betroge-nen Volkes

Um es zu einem solchen demokratischen Urteil nicht kom-men zu lassen versuchen die Bonner Regierenden und ihreHintermaumlnner mit Hilfe ihres Propaganda-Apparats die Waumlh-lerinnen und Waumlhler irrezufuumlhren und einzuschuumlchtern Ex-perten dafuumlr sind der CDUCSU-Fraktionsvorsitzende imBundestag Wolfgang Schaumluble Innenminister Manfred Kan-ther Finanzminister Theo Waigel und ihre Verbuumlndeten in derSpringer-Presse Nach der Methode raquoHaltet den wollensie Angst und Zorn die sich in der Bevoumllkerung angestauthaben ausgerechnet auf diejenigen Menschen lenken dieschon ganz unten gelandet sind auf die Opfer denen es amschlechtesten geht auf die Sozialhilfeempfaumlnger die pauschalverdaumlchtigt werden Sozialleistungen zu miszligbrauchen auf diemit ihrer duumlrftigen Habe in Haumlusernischen kampierendenObdachlosen denen vorgeworfen wird sie stoumlrten das Stadt-bild auf Ausgegrenzte die im Alkohol letzte Zuflucht suchenoder auf Auslaumlnder Beispiel die generalstabsmaumlszligig geplanteKampagne des zeitweiligen CDU-Generalsekretaumlrs (jetzt Bun-desverteidigungsministers) Volker Ruumlhe gegen das Asylrecht

Als die sozialen Folgen der hastigen DDR-Vereinnahmungspuumlrbar wurden luden die CDUCSU und die publizistischenWegbereiter ihrer Politik zu denen an erster Stelle der Springer-Konzern gehoumlrt den Asylbewerbern die Schuld auf Wohn-raum wurde knapp am wenigsten durch Asylbewerber weit

mehr durch Aussiedler und Uumlbersiedler die jetzt nicht mehrUumlbersiedler genannt und uumlberhaupt nicht mehr registriert wer-den (aber es sind immer noch jaumlhrlich Hunderttausende) ammeisten aber durch die katastrophale Bonner Wohnungspolitikdie immer mehr Wohnraum von unten nach oben umverteiltDieses soziale Problem wurde nun ins Nationalistische ge-dreht Springers BILD-Zeitung beteiligte sich daran mit Schlag-zeilen wie raquoMiethai kuumlndigt Deutschen fuumlr Asylantenlaquo Manbedenke daszlig BILD gewoumlhnlich nicht dazu neigt Hausbesitzerals Miethaie zu bezeichnen In diesem Zusammenhang abergeschah es als Mittel zum Zweck die Leserinnen und Leser zuaumlngstigen eine Verdraumlngung durch Fluumlchtlinge als akute Be-drohung vorzuspiegeln und auf solche Weise Aggressionenanzustacheln

Im Sommer und Herbst 1991 brachte dieses Blatt (gedruckteAuflage etwa fuumlnf Millionen Exemplare) eine Serie uumlber raquoDieAsylantenlaquo Dort war beispielsweise zu lesen raquoStellen Sie sichdiesen Fall vor Ein Mann klingelt bei Ihnen moumlchte herein-kommen Der Mann sagt daszlig er maumlchtige Feinde habe dieihm ans Leben wollen Sie gewaumlhren ihm Unterschlupf Dochschnell stellen Sie fest Der Mann wurde gar nicht verfolgt erwollte nur in Ihrem Haus leben Und Er benimmt sich sehrsehr schlecht Schlaumlgt Ihre Kinder Stiehlt Ihr Geld Putzt sichseine Schuhe an Ihren Gardinen Sie wuumlrden ihn gerne los Siewerden ihn aber nicht los Deutsche Asyl-Wirklichkeit 1991laquo

Parallel zur BILD-Serie mit gleicher Stoszligrichtung setztehe seine Kampagne in Gang Er schrieb an alle Untergliederun-gen der CDU raquoIch bitte Sie in den Kreisverbaumlnden in denGemeinde- und Stadtraumlten den Kreistagen und Laumlnderparla-menten die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPDdort herauszufordernlaquo Ruumlhe lieferte mit diesem Rundschrei-ben Argumentationsleitfaden Vorlagen fuumlr Antraumlge und Anfra-gen in Kommunal- und sonstigen Parlamenten sowie eineMuster-Presseerklaumlrung Zum Beispiel sollte landauf landabgefragt werden ob Asylbewerber etwa in Hotels untergebrachtseien was das kosten koumlnne und ob Auslaumlnder womoumlglichzuviel staatliche Unterstuumltzung in Anspruch naumlhmen und soweiter

Der SPD-Vorstand prangerte diese Kampagne in einer uumlber-zeugenden Broschuumlre an Unter der Uumlberschrift raquoGrundrechtauf Asyl Das anstaumlndige Deutschland zeigt Flaggelaquo hieszlig es amSchluszlig der Broschuumlre raquoEiner Aumlnderung des Grundgesetzesstimmt die SPD nicht zu laquo Doch nach einigen Monaten gab derParteivorstand der Sozialdemokraten der Kampagne nach DieBroschuumlre wurde nicht weiterverbreitet Ein Teil der SPD-Frak-tion im Bundestag stimmte der Grundgesetzaumlnderung zu undverhalf ihr damit zur Zweidrittelmehrheit

Die Kampagne hatte noch einen zweiten Effekt den der Prauml-sident des Bundesamtes fuumlr Verfassungsschutz Eckart Werthe-bach folgendermaszligen beschreibt raquoHier wurde ein Ackerbestellt auf dem der Rechtsextremismus seine fremdenfeindli-che Ernte noch auf geraume Zeit einfahren wirdlaquo (raquoDie Weltlaquo30 November 1993) Das ist offenkundig Die Propaganda fuumlrdie Aushebelung von Grund- und Menschenrechten ermun-terte Neonazis zur Gewalt Nach Angaben des Vorsitzendender Vereinigung raquoGegen Vergessen fuumlr Demokratielaquo HansJochen Vogel kamen innerhalb von gut zwei Jahren bis Herbst1993 durch 4761 rechtsextremistische Gewalttaten in Deutsch-land 26 Menschen ums Leben und 1783 wurden verletzt

wurden Anschlaumlge auf Asylbewerber-Wohnungen ver-uumlbt 209mal auf juumldische Einrichtungen 13mal wurden KZ-Gedenkstaumltten geschaumlndet (raquoDie Zeitlaquo 5 November 1993)

Den Kanzler der raquogeistig-moralischen Erneuerunglaquo kuumlm-merte das wenig Neonazi-Aufmaumlrsche wie in Rostock undFulda auch die Ermordung tuumlrkischer Frauen und Kinder inMoumllln und Solingen durch neonazistische Brandstifter tat er abals waumlren sie kaum der Erwaumlhnung wert Von den Orten derUntaten hielt er sich fern und er vermied es auch an den Trau-erfeiern teilzunehmen was er durch seinen Regierungsspre-cher damit begruumlnden lieszlig daszlig er raquoBeileidstourismuslaquo ab-lehne (Bei Trauerfeiern fuumlr ermordete Industriemanager hatteer nie gefehlt auch nicht bei der Trauerfeier fuumlr einen in Kam-bodscha ermordeten Bundeswehr-Feldwebel und der patheti-sche Staatsakt zu dem er den damaligen US-PraumlsidentenRonald Reagan vor den Graumlbern von SS-Maumlnnern auf demFriedhof von Bitburg noumltigte erregte Aufsehen in aller Welt)

Systematisch bemuumlhte sich die Bundesregierung denRechtsextremismus herunterzuspielen So verbreitete das Bun-desinnenministerium eine Studie unter dem Titel raquoHat Rechts-extremismus in Deutschland eine Chancelaquo Sie kam zu demErgebnis raquodaszlig Rechtsextremismus in Deutschland bedeutungs-los istlaquo Seine Bedeutung so hieszlig es dort raquoscheint nur in denVorstellungen seiner Gegner zu liegenlaquo Das raquorechtsextremisti-sche Schreckbildlaquo diene den Antifaschisten als Mittel zurDestabilisierung der Demokratie erfuhr man aus der BonnerPublikation Zu einem Zeitpunkt als die Blutspur des braunenTerrors gegen Fluumlchtlinge aber auch gegen Behinderte undandere Minderheiten laumlngst nicht mehr zu uumlbersehen war sug-gerierte die Studie (Verfasser Prof Dr H H Knuumltter) derRechtsextremismus sei kaum mehr als eine bloszlige Behauptungder Antifaschisten die eigentliche Gefahr liege im Antifaschis-mus Aumlhnlich leugnete Generalbundesanwalt Alexander vonStahl (FDP) bevor er uumlber einen Wust von Widerspruumlchen beider Verfolgung mutmaszliglicher RAF-Terroristen stolperte be-harrlich jeden organisierten Terror von rechts und unterlieszligdeswegen auch dessen Bekaumlmpfung obwohl in Neonazi-Grup-pen laumlngst steckbriefartige Dossiers uumlber GewerkschafterGruumlne Jungsozialisten und andere Antifaschisten kursierten

Den Kanzler selbst der seinen Aufstieg den einstigen NazisDr Ries Dr Schleyer und Dr Taubert verdankt interessiertdie Bedrohung von rechts uumlberhaupt nicht Vor Herausforde-rungen sich ernsthaft mit der Nazi-Vergangenheit auseinan-derzusetzen schuumltzt er sich mit der raquoGnade der spaumltenGeburtlaquo Den Opfern des von seinen Mentoren mitbetriebe-nen staatlichen Terrors versagt er ehrendes und mahnendesGedenken indem er sie wie bei der Neugestaltung der raquoAltenWachelaquo unter den Linden in Berlin - einfach unter die raquoOpfervon Krieg und Gewaltherrschaftlaquo subsumiert Zu solchemGedenken koumlnnen dann auch die Traditionsverbaumlnde von SSund Ritterkreuz-Orden aufmarschieren

Zu den raquoRepublikanernlaquo des ehemaligen Waffen-SS-Man-nes Franz Schoumlnhuber zur Deutschen Volks-Union (DVU) desschwerreichen Muumlnchener Verlegers (raquoDeutsche National-Zei-tunglaquo) und Immobilienspekulanten Dr Gerhard Frey und zu

anderen Rechtsauszligen-Gruppen haben CDU und CSU mancheuntergruumlndigen Beziehungen Gelegentlich deckt Frey sie nachdem Tode von Verbindungsmaumlnnern auf denen er dann stolzeNachrufe widmet wie dem einstigen bayerischen Kultusmini-ster und Verfassungsrechtslehrer Prof Dr Theodor Maunz(CSU) oder dem ehemaligen Geheimdienst-Chef ReinhardGehlen In eigens gegruumlndeten Akademien Foren oder in Zeit-schriften wie raquoMutlaquo kommunizieren CDUCSU-Rechte undUltrarechte miteinander Wer mit wem gemeinsame Sachemacht und gegen wen ist da laumlngst keine Frage mehr MichaelGlos Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Bonn sagt es soraquoDie linksradikale PDS und die Gruumlnen sind eine groumlszligereGefahr fuumlr unser Land als die Republikaner und die RechtenlaquoEin Neonazi-Fuumlhrer wie der Hamburger Christian Worchmacht sich solche Ermunterungen sofort zunutze und leistetseinerseits Unterstuumltzung In einem Aufruf fuumlr den saumlchsischenJustizminister Steffen Heitmann (CDU) den Kohl fuumlr das Amtdes Bundespraumlsidenten nominiert hatte schrieb Worch raquoWerwill uns wegen unserer strikten Einstellung zum Auslaumlnder-und vor allem Asylantenproblem noch alsund gtextremistische Minderheitlt disqualifizieren wenn zumin-dest Ansaumltze unserer Vorstellungen selbst vom ersten Mann imStaate oumlffentlich verbreitet werdenlaquo

Wenn CDUCSU-Politiker den raquostarken Staatlaquo propagierenalso den Abbau von Buumlrgerrechten (zum Beispiel durch die Er-maumlchtigung des Staates zur Verwanzung von Privatraumlumen dienicht dadurch harmloser wird daszlig ihr jetzt auch Sozialdemo-kraten zustimmen) und wenn der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende im Bundestag Wolfgang Schaumluble vor Weihnachten1993 sogar vorschlaumlgt bei einer raquogroumlszligeren Sicherheitsbedro-hung im Innernlaquo die Bundeswehr einzusetzen (es gehe darumdurch eine entsprechende Grundgesetzaumlnderung raquodas Hauswetterfest zu machenlaquo erlaumluterte Schaumluble) wenn schlieszliglichder Kanzler und sein jetziger Bundesverteidigungsminister Vol-ker Ruumlhe immer offener fuumlr die Beteiligung deutscher Truppenan Militaumlraktionen eintreten die mit dem Verfassungsauftragder Bundeswehr zur Landesverteidigung nichts zu tun habendann ist das alles ganz im Sinne der Ultrarechten

Fruumlhere Bonner Bekenntnisse zur Friedensstaatlichkeit sindimmer leiser geworden Das Ruumlstungsgeschaumlft hat sich unterder Kanzlerschaft von Helmut Kohl kraumlftig weiterentwickeltund ist auch nach dem Ende der Sowjetunion und des War-schauer Paktes die bis dahin als einzige Bedrohung der Bun-desrepublik und als alleinige regierungsamtliche Begruumlndungfuumlr Bundeswehr und Ruumlstungsausgaben gegolten hatten nichtzum Erliegen gekommen Daimler-Benz gehoumlrt zwar nichtmehr zum Flick-Konzern aber auch jetzt unter der Regie derDeutschen Bank dringt dieses Unternehmen weiterhin aufBonner Milliarden fuumlr Projekte wie den raquoJaumlger 90laquo inzwischenumbenannt in raquoEurofighter 2000laquo Deutsche Waffen im Wertevon mehreren Milliarden Mark werden seit Jahren zum Bei-spiel an die Tuumlrkei und an Indonesien geliefert wo das Militaumlrsie zur blutigen Unterdruumlckung und Ausrottung nationalerMinderheiten verwendet

Laut UN-Waffenregister geht weltweit der Waffenhandelseit einigen Jahren zuruumlck die deutschen Waffenexporte dage-gen nehmen zu In dieser Branche ist Deutschland an diezweite Stelle nach den USA aufgeruumlckt Beim Export von Waf-fensystemen zur Landkriegfuumlhrung (groszligkalibrige ArtilleriePanzer und gepanzerte Kampffahrzeuge) fuumlhrt Deutschland inStuumlckzahlen etwa ebenso viel aus wie Ruszligland FrankreichGroszligbritannien und China zusammengenommen Bei Rake-ten und Raketenwerfern nimmt es bereits die Spitzenstellungein

Mit 18 Milliarden Mark beteiligte sich die auf sozialem Ge-biet so sparsame Bundesregierung am Golf-Krieg mit demder zeitweilige US-Praumlsident George Bush eine raquoneue Weltord-nunglaquo herbeifuumlhren wollte Sie aumluszligerte bei dieser Gelegenheitihr Bedauern daruumlber daszlig das Grundgesetz sie hindere sichauch mit Bundeswehreinheiten zu beteiligen Diese Bedenkenwurden dann bald aufgegeben Inzwischen setzte die Bundes-regierung wiederholt deutsche Militaumlrverbaumlnde auszligerhalb desNATO-Gebietes ein wobei sie sich immer weiter vom grund-gesetzlichen Auftrag der Bundeswehr entfernte Die Expedi-tion von 1500 Bundeswehrsoldaten nach Somalia hatte mitLandesverteidigung nicht das geringste zu tun Zweck war

angeblich die Versorgung indischer UN-Truppen die jedochnie in Somalia auftauchten Einige Wochen vor der Expeditionhatte Minister Ruumlhe noch versichert vor einem solchen Bun-deswehreinsatz werde selbstverstaumlndlich die Zustimmung desBundestages eingeholt Aber dann wartete die Bundesregie-rung ab bis der Bundestag in die Weihnachtsferien 1992193gegangen war Das Parlament erhielt keine Gelegenheit uumlberdiesen ersten Auslandseinsatz einer geschlossenen Einheit seitGruumlndung der Bundeswehr auch nur zu diskutieren Nicht ein-mal der Auswaumlrtige Ausschuszlig wurde unterrichtet Die Kostendes Einsatzes summierten sich innerhalb eines Jahres auf rund300 Millionen Mark wofuumlr wie die Stellvertretende SPD-Vor-sitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul vorrechnete in Deutsch-land jeden Tag eine Kindertagesstaumltte haumltte gebaut werdenkoumlnnen

Bei den europaumlischen Nachbarn und langjaumlhrigen Verbuumlnde-ten der Bundesrepublik waumlchst unuumlberhoumlrbar das Miszligtrauengegenuumlber dem von Kohl regierten Deutschland das sich ehr-geizig reckt um neben den USA zweiter oder gar erster Weltpo-lizist zu werden Wenn der griechische Vize-AuszligenministerTheodoros Pangalos 1994 Vorsitzender des Ministerrats derEuropaumlischen Union Deutschland raquoeinen Riesen mit bestiali-scher Kraft und dem Hirn eines Kindeslaquo nennt dann ist dasnicht als Beleidigung des deutschen Volkes gemeint wohl aberals Charakterisierung der gegenwaumlrtigen Bonner Politik We-sentlichen Anlaszlig zu solchem Miszligtrauen gab das Vorpreschender Bundesregierung bei der Anerkennung Sloweniens undKroatiens als eigenstaumlndige Staaten womit Jugoslawien zer-schlagen und ein furchtbarer Konflikt zwischen den vermischtlebenden Voumllkern angefacht wurde Waffenschmieden wie dieGewehrfabrik Heckler Koch in Oberndorf am Neckar profi-tieren jetzt direkt oder indirekt von dem Krieg aller gegenalle im ehemaligen Jugoslawien

Griechenland muszligte als besondere Provokation die Aner-kennung des eigenstaumlndigen Staates raquoMazedonienlaquo verstehendenn die Masse der Mazedonier wohnt in Griechenland

Auf auslaumlndische Aumluszligerungen des Miszligtrauens pflegt Kohlpatzig mit der Bemerkung zu reagieren daszlig sich dahinter

raquoNeidlaquo verberge Und wenn er an den von Deutschland begon-nenen Zweiten Weltkrieg erinnert wird verbittet er sich jedenVergleich mit dem heutigen von ihm regierten DeutschlandAber niemand anderes als die Bundesregierung ist dafuumlrverant-wortlich daszlig in der Bundeswehr Nazi-Traditionen wachgehal-ten werden daszlig zum Beispiel die raquoDietl-Kasernelaquo in Fuumlssennach jenem Generaloberst benannt ist von dem Hitler sagteraquoDietl hat den Typ des nationalsozialistischen Offiziers geschaf-fen eines Offiziers der nicht weichlich ist im Verlangen undFordern nicht schwaumlchlich im Einsatz der Menschen sondernder genau weiszlig daszlig fuumlr diesen Kampf kein Opfer zu groszlig oderzu teuer istlaquo

Weil nach dem Ende der Sowjetunion und des WarschauerPaktes von einer militaumlrischen Bedrohung des deutschen Terri-toriums keine Rede mehr sein konnte entstand im Januar 1992ein Positionspapier des Bundesverteidigungsministeriumsunter dem Titel und militaumlrstrategischeGrundlagen und konzeptionelle Grundrichtung der Neugestal-tung der Bundeswehrlaquo Darin ist zu lesen raquounter Zugrundele-gung eines weiten Sicherheitsbegriffslaquo koumlnnten raquodie Sicher-heitsinteressen fuumlr den Zweck dieser militaumlrpolitischen Lagebe-urteilunglaquo unter anderem wie folgt definiert werden raquoAuf-rechterhaltung des freien Welthandels und des Zuganges zustrategischen Rohstoffenlaquo Von derartigen Aufgaben der Bun-deswehr steht im Grundgesetz kein Wort

Mit dem Streben nach einer Weltpolizisten-Rolle verbindetsich auch der dringende Wunsch nach einem staumlndigen Sitz imSicherheitsrat der Vereinten Nationen Bei Gruumlndung der UN1945 hatten deren Mitglieder den fuumlnf Hauptsiegermaumlchten desZweiten Weltkrieges das Privileg zugesprochen staumlndig imSicherheitsrat vertreten zu sein dessen zehn andere Mitgliederwechselweise gewaumlhlt werden Damit wurde vor allem die Ver-antwortung dieser fuumlnf Staaten anerkannt eine stabile Nach-kriegsordnung zu schaffen und ein Wiederaufleben des deut-schen Militarismus zu verhindern Es mag jetzt Gruumlnde gebendieses Privileg abzuschaffen Das koumlnnte der Demokratisie-rung der Vereinten Nationen dienen Den gegenteiligen Effektaber haumltte es wenn wie Dr Kohl wuumlnscht der UN-Sicherheits-

rat zu einer Art Weltregierung der wirtschaftlich Maumlchtigstengemacht wuumlrde

Laumlngst ist Deutschland Exportweltmeister Je Beschaumlftigtenist die Exportleistung dreimal so hoch wie in den USA oder inJapan Doch das genuumlgt Kohl und seinen Hintermaumlnnern nochnicht Darum bestehen sie darauf daszlig die Sozialpolitik demangeblichen Erfordernis Deutschlands Position in der Welt-wirtschaft zu staumlrken untergeordnet werden muumlsse

Was hilft es der eingangs erwaumlhnten arbeitslos gewordenenalleinerziehenden Mutter Katrin Krause in Halle an der Saaleund ihrem Kind wenn sich die Regierung des Dr Helmut Kohlimstande zeigt trotz gegenteiliger Verfassungsgebote ein Bun-deswehr-Bataillon in Ostafrika zu stationieren Was wuumlrde esdem unter Druck groszliger Konzerne geratenen mittelstaumlndi-schen Unternehmen in Limburg an der Lahn wo Katrin Krau-ses Vetter Norbert um seinen Arbeitsplatz zu fuumlrchten beginntnuumltzen wenn es Kohl und seinem Auszligenminister dem fruumlhe-ren Geheimdienstchef Klaus Kinkel (FDP) gelaumlnge einenstaumlndigen Sitz im UN-Weltsicherheitsrat zu erlangen

Die unsoziale Auspowerung der eigenen Bevoumllkerungangeblich notwendig zur raquoStandortsicherunglaquo kann fruumlheroder spaumlter genau das Gegenteil bewirken Die Wirtschaft kannmit den Mitteln die sie staumlrken sollen ruiniert werden DieUntauglichkeit der von Kohl Lambsdorff Rexrodt Waigel undBluumlm angewendeten Mittel ist in den USA durch Reagan undBush und in Groszligbritannien durch den Thatcherismus laumlngsterwiesen

Wenn immer mehr Menschen arbeitslos sind weil sie fuumlr dieWarenproduktion nicht mehr gebraucht werden wenn zu-gleich Loumlhne und Gehaumllter stagnieren oder real sinken wennSozialabgaben wachsen und Leistungen gekuumlrzt werden dannsinken zwangslaumlufig Kaufkraft und Absatz Wenn zugleich diearmen Laumlnder der Erde auf Grund ungerechter von den rei-chen Laumlndern diktierter Handelsbeziehungen noch aumlrmer wer-den fallen sie als Absatzmaumlrkte aus Die Industrie stoumlszligt da-durch an Expansionsgrenzen Der Konkurrenzkampf wird haumlr-ter Hauptwaffe in diesem Kampf ist die weitere Absenkung der

Kosten sprich Personalabbau Laumlszligt sich so auf die Dauer diedeutsche Wirtschaft staumlrken

Kohl Waigel Rexrodt beklagen in Deutschland werde zuwenig in Forschung Entwicklung und Berufsbildung inve-stiert Aber sie selbst streichen den Forschungshaushalt zusam-men Solche Widerspruumlche mehren sich und werden zu einerakuten Gefahr fuumlr die wirtschaftliche Entwicklung

Jahrelang versprach der Kanzler den Deutschen die Ge-winne von heute seien die Investitionen von morgen und dieArbeitsplaumltze von uumlbermorgen Seine Politik erlaubte den Un-ternehmen wor allem den groszligen Konzernen gewaltige Ge-winnsteigerungen aber von den Gewinnen wurde nur weniginvestiert und die Investitionen dienten hauptsaumlchlich zurWegrationalisierung von Beschaumlftigten Arbeitsplaumltze wurdenso nicht geschaffen sondern vernichtet Und wenn die Massen-kaufkraft weiter sinkt wenn also noch weniger Waren abgesetztwerden koumlnnen als bisher dann werden noch viel mehr Men-schen arbeitslos werden

Das ist es was wir bei einer Fortsetzung der Politik des DrHelmut Kohl zu erwarten haben Und sein WirtschaftsministerRexrodt qualifiziert durch seine Treuhand-Erfahrungen imPlattmachen hat nun tatsaumlchlich eine Idee wie er Arbeitslosig-keit bekaumlmpfen will durch staumlrkere steuerliche Entlastung rei-cher Leute die Dienstmaumldchen einstellen

Was wir zu erwarten haben ist weitere Privatisierung nachdem Programm von Birgit Breuel trotz solcher niederschmet-ternder Erfahrungen wie mit dem raquoGruumlnen Punktlaquo der allePrinzipien des Umweltschutzes verhoumlhnt und die Verbraucherzusaumltzlich belastet Allerletzte Koalitionsabsicht Anfang 1994Privatisierung von Arbeitsaumlmtern

Die Folgen der bisherigen Umverteilung von unten nachoben sind schon schlimm genug als daszlig diese Politik fortge-fuumlhrt werden duumlrfte Nach zwoumllf Jahren Kohl-Regierung ist esin Deutschland dahin gekommen daszlig Hospitaumller Patientenmit schweren Krankheiten ablehnen weil die Behandlung zuteuer waumlre Und dahin daszlig in den Staumldten die Mieten fuumlr Neu-bauwohnungen das heiszligt fuumlr nach 1948 gebaute WohnungenJahr fuumlr Jahr um rund zehn Prozent steigen waumlhrend die Netto-

Einkommen stagnieren oder sinken Und dahin daszlig immermehr Menschen um uumlberhaupt arbeiten zu koumlnnen gering-fuumlgige Beschaumlftigungsverhaumlltnisse ohne Sozialversicherungs-schutz annehmen (was auch die Einnahmen von Krankenkas-sen und Rentenversicherungen mindert)

raquoFuumlr den weiteren Verlauf der neunziger Jahrelaquo heiszligt es imArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB sei raquodavon auszugehen daszlig sich durch die anhaltendeMassenarbeitslosigkeit und die fehlenden beziehungsweiseauslaufenden Mindestsicherungselemente in der Sozialversi-cherung das Problem der arbeitsmarktbedingten Armut imSinne von Sozialhilfebeduumlrftigkeit zu einem sozialpolitischenProblem ersten Ranges entwickeln wirdlaquo

Aber dieser Fortgang der Geschichte ist nicht zwangslaumlufigIhm muszlig Einhalt geboten werden Und das muumlssen wir selbertun

Selbst im schicken Muumlnchen lebten Ende 1993 bereits140 000 Menschen in Armut 50 000 waren arbeitslos 60 000Familien uumlberschuldet 12 000 hatten keine Bleibe 1200 lebtenauf der Straszlige Angesichts solcher Zustaumlnde machte ein erfah-rener Kommunalpolitiker der fruumlhere Muumlnchener Oberbuumlrger-meister Georg Kronawitter (SPD) folgenden Vorschlag Wennsich der Staat endlich entschlieszlige Einkommen aus Arbeit undaus Vermoumlgen gleichwertig zu besteuern koumlnne er von denSuperreichen mit einer 15prozentigen Sondersteuerjaumlhrlich 60Milliarden Mark holen in zehn Jahren also 600 MilliardenMark Das sei ihnen durchaus zuzumuten erklaumlrte Kronawit-ter denn seit 1970 habe sich das Privatvermoumlgen der Westdeut-schen auf 9492 Milliarden Mark versechsfacht Die Haumllftedavon gehoumlre den oberen zehn Prozent der Haushalte Kleineund mittlere Vermoumlgen beispielsweise derjenigen die sich einHaumluschen vom Mund abgespart oder geerbt haben koumlnntenund muumlszligten von der Sondersteuer freigestellt bleiben (raquoDerSpiegellaquo 22 November 1993)

Dieservorschlag bedeutet Umverteilung andersherum vonoben nach unten Darauf kommt es jetzt an Von Kohl und sei-ner Koalition koumlnnen wir eine solche Abkehr von ihrer bisheri-gen Politik nicht erwarten Was wir von anderen Parteien zu

erwarten haben sollten wir deren Kandidaten eingehend fra-gen Und wir sollten sie ebenfalls an ihrem bisherigen Verhal-ten messen

Am Wahltag ist dreierlei noumltig um die Mehrheitsverhaumlltnissein Deutschland zu aumlndern damit Helmut Kohl seine verhaumlng-nisvolle Politik nicht fortsetzen kann

1 Keine Stimme darf dadurch verloren gehen daszlig Wahlbe-rechtigte der Wahl fernbleiben Wer Politik zu raquodooflaquo oder zuraquoschmutziglaquo findet soll wissen daszlig sie erst wirklich aumlrgerlichund schmutzig wird wenn sich die Verantwortlichen nichtselbst darum kuumlmmern Verantwortlich aber ist jeder und jedeWahlberechtigte Das gilt besonders fuumlr die Jungwaumlhler umderen eigene Zukunft es geht

2 Keine Stimme darf einer Partei gegeben werden die nichteindeutig klargestellt hat daszlig sie gegen Kohl und dessen Poli-tik angetreten ist und keinesfalls mit der CDUCSU ein Regie-rungsbuumlndnis eingehen wird

3 Den Rechtsauszligen-Parteien darf es nicht gelingen in denBundestag einzuziehen Wie einst am Ende der WeimarerRepublik wuumlrden sie sich als Trumpf in der Hinterhand desGroszligen Geldes erweisen

Aber die Bundesbuumlrgerinnen und -buumlrger haben noch mehrMoumlglichkeiten als am Wahltag ihre Stimme abzugeben AlsDemokraten koumlnnen und muumlssen sie zum Beispiel den Mundaufmachen wenn in ihrer Gegenwart soziale menschenverach-tende Parolen aufkommen Das heiszligt Zivilcourage beweisenAuszligerdem hat jede und jeder von uns die Moumlglichkeit imBekanntenkreis Informationen weiterzugeben was um sonoumltiger ist wenn aufwendige Propaganda zu vernebeln ver-sucht was der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes bisher ange-richtet hat Nicht zuletzt gilt es in Mieter- und Verbraucherver-baumlnden in Umwelt- und Friedensinitiativen und vor allem inden Gewerkschaften demokratischen Widerstand gegen ruumlck-sichtslose Ausbeutung und Entrechtung zu leisten

Solche Moumlglichkeiten gibt es nicht nur einmal alle vier Jahresondern jeden Tag

B E RNT E NGE L MANN

Eacute middotreg Eumlsup2 notraquoregnotiquestsup2 raquosup2

Ein deutsches GeschichtsbuchErster Teil

464 Seiten stb 24 NeuausgabeDM

Wir Untertanen ist Engelmanns kritischezutiefst demokratische Darstellung einesJahrtausends deutscher VergangenheitEngelmann schreibt Geschichte vonunten steht auf der Seite des Volkesnimmt dessen Perspektive ein wenn esum die groszligen Maumlnner und ihre ver-meintlich groszligen Taten geht die immermit dem Schweiszlig und dem Blut der

Namenlosen errungen wurden

Bitte fordern Sie das kostenlose Gesamtverzeichnis anSteidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

B E RNT E NGE L MANN

Ucircmiddotsup2 middotsup1 sup1 raquosup1 raquosup2 Icirc raquofrac12 not laquo sup2 frac14 Uacuteregraquomiddot raquomiddotnot

Ein deutsches GeschichtsbuchZweiter Teil

336 Seiten stb 57 NeuausgabeDM 1880

In diesem Buch behandelt Bernt Engel-mann die Jahre zwischen 1918 und 1938

in denen mehr Legenden und Luumlgenverbreitet wurden als je zuvor in einemvergleichbaren Zeitraum raquoim Feldeunbesiegtlaquo raquoKriegsschuldluumlgelaquo raquoSchand-

von Versailleslaquo raquoJudenrepubliklaquoraquoVolk ohne Raumlaquo Engelmann ver-gleicht die Legenden mit dem wasdamals wirklich geschah und entziehtdamit auch den neuen Rechten denBoden fuumlr ihre altbekannten Helden-

denkmaler

Steidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

DO R OT HE E B E C KHARTMUT ME I NE

Eacute iquestshy shy raquoregdeg regraquofrac14middotsup1 raquoreg laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoreg

Wie Reichtum vertuschtund Armut verdrangt wird

240 Seiten gebunden DM 3400

Die Zahl der Arbeitslosen Sozialhilfe-empfaumlnger und Obdachlosen steigtGleichzeitig gibt es immer mehr Reicheund Superreiche In Krisenzeiten mah-nen die politischen und wirtschaftlichenEliten Kuumlrzungen zuallererst bei denkleinen Leuten an Politiker mit fuumlrst-licher Altersversorgung predigen dieAbsenkung des Rentenniveaus gutge-hende Unternehmen Lohnsenkung undArbeitsplatzabbau alte und neue Reichedie Abschaffung der VermoumlgenssteuerDorothee Beck und Hartmut Meine nen-nen Namen und Zahlen Wer sind diefuumlnfzig reichsten Familien in Deutsch-land Was koumlnnen sich Arbeitslose undSozialhilfeempfaumlnger heute noch lei-sten Und sie stellen sich die Frage wieeine Reformperspektive aussehen kanndie wieder mehr Verteilungsgerechtig-keit und sozialen Ausgleich zum Ziel hat

Steidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

Page 2: Bernt Engelmann,

Bernt Engelmann

Helmut Kohloder Wie man einen Staat ruiniert

Unter Mitarbeit von Eckart Spoo

Mit einem Vorwort von Klaus

Wir senden Ihnen gern unser kostenlosesGesamtverzeichnis zuSteidl Verlag Duumlstere Straszlige 4 D-37073 Goumlttingen

98 99 01 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Copyright fuumlr diese AusgabeSteidlVerlag Goumlttingen 1998Alle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung Klaus DetjenUnterverwendung einer Collage von (Stern)Satz Druck BindungSteidl Duumlstere Straszlige 4 D-37073 GoumlttingenGedruckt auf Oumlko 2001 RC-Papierzur oumlkologischen Buchherstellung(80 Prozent Altpapier 20 Prozent Durchforstungsholzaus nachhaltiger Forstwirtschaftohne Faumlrbung ohne optische Aufheller)Printed in GermanyISBN 3-88243-570-4

Inhalt

Vorwort von Klaus Staeck

Editorische Notiz

Was ist raquoGroszliges Geldlaquo

Die Weichenstellung fuumlr den AufstiegHelmut Kohls

Kurzer Ausflug in die deutsche Geschichte

Mittelfristige Planung eines Kanzlerwechsels

Flick Musterbeispiel fuumlr den Miszligbrauchwirtschaftlicher Macht

Die seltsamen Vorspiele der raquogeistig-moralischen

Warum das Groszligkapital Helmut Kohl finanziertund was es dafuumlr gleich von ihm bekommen hat

Wie mit Kohls Hilfe die Reichen immer reicherund die Armen immer aumlrmer werden 102

raquoDer Kanzler der nationalen EinheitlaquoDer Kanzler der sozialen Spaltung 109

Was wir von Kohl noch alles zu erwarten habenund wie wir es verhindern koumlnnen 127

Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnot reglaquomiddotsup2 middotraquoregnot der Untertitel zur ersten Auflagevon Bernt Engelmanns Iacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 mag einigen Lesernzunaumlchst als reichlich uumlbertrieben vorgekommen sein Inzwi-schen ist diese Behauptung laumlngst zur bitteren Realitaumlt gewor-den Im Sinne von Engelmanns Anklage war Helmut Kohl alsKanzler ungewoumlhnlich erfolgreich Bund Laumlnder und Kommu-nen verhoumlkern inzwischen alles was Aussicht hat einenAbnehmer zu finden Laumlngst ist bei den Notverkaumlufen dassprichwoumlrtliche Tafelsilber an der Reihe Was oft genug Genera-tionen vor uns uumlber Steuern Schenkungen und Vererbung zuoumlffentlichem Eigentum anwachsen lieszligen wird jetzt hem-mungslos unter dem harmlos klingenden Begriff raquoPrivatisie-runglaquo zum Zwecke der Schuldentilgung verschleudert Inzwi-schen hat diese Auszehrung des Staates eine derartige Dyna-mik erreicht daszlig die Gestaltungsmoumlglichkeiten der nach unskommenden Generationen gegen Null tendieren Neben einerzerstoumlrten Umwelt werden unsere Schulden sie noch lange anuns erinnern

Ein von der Regierung Kohl gewollt ungerecht gestaltetesSteuersystem sorgt mit dafuumlr daszlig unser demokratischesGemeinwesen immer schneller einem Staatsbankrott entge-gentreibt Stuumlnde Kanzler Kohl an der Spitze eines normalenHandelsunternehmens liefe er Gefahr sich wegen Konkurs-verschleppung strafbar zu machen

Dem Sprecher des Finanzamtes der Taunusgemeinde BadHomburg einem Ort an dem sich besonders viele Millionaumlrebesonders wohl fuumlhlen verdanken wir jetzt die Veroumlffent-lichung einer besonders deprimierenden Bilanz Konnte dieGemeinde 1990 Einkommensteuern in Houmlhe von 439 Millio-nen Mark verbuchen muszligte sie im Jahre 1996 an die Reichendes Ortes noch 3 Millionen auszahlen Anderes Beispiel

Zahlte die weltweit uumlberaus erfolgreich agierende Siemens AGnoch 371 Millionen Mark Gewinnsteuern bekam der

Fiskus keine Mark mehr Und das alles ganz legalunter der Obhut einer Regierung die zwar ein immer lauteresLamento uumlber die leider so leeren Kassen des Staates an-stimmt aber nichts unternimmt um die Uumlberschuldung wenig-stens in Grenzen zu halten Im Gegenteil Die Superreichender Republik die sich ihren gesellschaftlichen Verpflichtungenimmer haumlufiger und immer geschickter entziehen werdenhofiert und umworben waumlhrend ganze Bevoumllkerungsschichtensich in ihrer Existenz unmittelbar bedroht fuumlhlen und der Mit-telstand jener oft unterschaumltzte Kitt einer demokratisch funk-tionierenden Gesellschaft an akuter Schwindsucht leidet

All das geschieht unter Assistenz einer kleinen Klientelpar-tei namens FDP die sich konsequent nach der MethoderaquoNehmt was ihr kriegen koumlnntlaquo von einer Partei der Besserver-dienenden zum Anwalt der Besserkassierenden entwickelt hatObwohl politisch seit geraumer Zeit nichts mehr geht klam-mern sich die Regierungskoalitionaumlre mit der Verzweiflungangeschlagener Boxer an die verbliebene Macht auf die Ver-geszliglichkeit und Resignation des muumlde gewordenen Wahlvol-kes vertrauend

Bernt Engelmann hat das System Kohl schon fruumlh praumlziseanalysiert und in seinen Konsequenzen uumlberzeugend darge-stellt Deshalb ist die Neuauflage seines anlaumlszliglich des Bundes-tagswahlkampfes 1994 erschienenen Buches von bedruumlckenderAktualitaumlt Moumlgen auch wenige Zahlen inzwischen uumlberholtsein so hat Engelmanns Beschreibung einer verhaumlngnisvollenPolitik der nun schon ganze 15 Jahre waumlhrenden Aumlra Kohlnichts an Wirksamkeit eingebuumlszligt Andeutungen sind dagegeninzwischen zur Gewiszligheit geworden Warnungen von der Wirk-lichkeit eingeholt

Engelmann weist in seinem Schwarzbuch nach daszlig derScherbenhaufen Kohlscher Politik nicht der in langen Amtsjah-ren schicksalhaften Haumlufung widriger Umstaumlnde geschuldet istsondern Folge einer systematisch betriebenen Interessenpoli-tik zugunsten der Reichen und zum Nachteil der immer groumlszligerwerdenden Schar Armer und Beduumlrftiger Als Ergebnis dieser

gezielt betriebenen Umverteilung ist die Masse des Geldesendguumlltig wieder bei denen gelandet die schon immer den laut-staumlrksten Anspruch darauf erhoben haben

Bernt Engelmann war stets ein kritischer Begleiter seinerZeit gepraumlgt von historischem Bewuszligtsein Vor allem durchseinen an deutscher Geschichte geschulten Blick hat er stetsaufs Neue das Leben der Leute unten beschrieben und sich sozum Sprachrohr und Anwalt jener gemacht die nicht gelernthaben sich auszudruumlcken und fuumlr ihre Rechte zu kaumlmpfenEngelmann hat durch seine Recherche sehr fruumlh erkannt daszligdas Prinzip der Regierung Kohl auf die Verarmung des Staateshinauslaumluft mit all den Folgen die wir jetzt landauf landabbeklagen Wenn sich inzwischen Vorstaumlnde von Konzernen aufAktionaumlrsversammlungen oumlffentlich bruumlsten trotz hoher Ge-winne in Deutschland keine Steuern mehr zu zahlen ist energi-sche Gegenwehr an der Zeit soweit man unsere Demokratienoch als beste aller Staatsformen und verteidigungswertes Gutbetrachtet

Wenn sich allerdings das notwendige Vertrauen der Buumlrgerdessen jede Regierung bedarf inzwischen nur noch aus der Lei-besfuumllle des Kanzlers und seinem schon ans Wahnhafte gren-zenden Optimismus speist der eine Niederlage nach der ande-ren zu immer neuen Erfolgen umluumlgt ist es um die Politik inunserem Lande miserabel bestellt Und als habe er nicht selbstall die Jahre die Richtlinien der Politik am Standort Deutsch-land bestimmt mahnt er mit einem sich steigernden Brusttonder Empoumlrung die Beseitigung all jener Miszligstaumlnde an fuumlrderen Entstehung er selbst die Verantwortung traumlgt

Bernt Engelmann hat das Ende der Kohl-Zeit nicht mehrerlebt Wir sind verpflichtet diesen laumlhmenden Zustand inden unser Land dank einer unbarmherzigen Politik geraten istmoumlglichst bald zu beenden Kohl hat seine Zeit gehabt ZurAbwendung des Anschluszligkonkurses ist die Auswechslung desGeschaumlftsfuumlhrers zu einer Uumlberlebensfrage im raquoFreizeitparkDeutschlandlaquo geworden

Klaus Staeck

Bernt Engelmann hat die Arbeit am Schwarzbuch 1994 unmit-telbar vor seinem Tod beendet Der Verlag hat sich entschlos-sen das Buch 1998 vier Jahre spaumlter erneut aufzulegen weilKohl seirsquos geklagt der Text nichts an seiner bedruumlckendenAktualitaumlt eingebuumlszligt hat Im Gegenteil Was sich 1994 noch alsgewagte Prognose als provokanter Beitrag zur Bundestagswahlauffassen lieszlig sieht sich nun taumlglich in den Wirtschaftsteilender Zeitungen bestaumltigt So hatte es Engelmann nun auch nichtgemeint als er dem Buch den Untertitel Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnotreglaquomiddotsup2 middotraquoregnot gab die CDUFDP-Koalition gleichwohl Denn dieUmverteilung von unten nach oben die Konservative undLiberale im letzten Wahlkampf zu ihrem Programm machtenhaben sie in der zuruumlckliegenden Legislaturperiode mit bestenKraumlften angepackt Wer heute sagt er habe es damals nichtgewuszligt habe es nicht wissen koumlnnen der lese EngelmannsIacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 -und vermag dann auch zu erahnen was die naumlch-sten vier Jahre bringen koumlnnen wenn sich das Wahlvolk erneutverkohlen laumlszligt

Die in diesem Buch angegebenen Zahlen sind nicht aktuali-siert worden mit Ausnahme der Liste der reichsten Deut-schen die auf einer Zusammenstellung von Dorothee Beckund Hartmut Meine beruht veroumlffentlicht in dem Band

laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoregocirc der im Herbst 1997 im Steidl Verlagerschienen ist Dort findet sich das derzeit aktuellste undumfangreichste Zahlenmaterial zur Verteilung des Reichtumsin der Bundesrepublik

Die Deutschen gelten als reich reicher als ihre Nachbarn vondenen allenfalls die Schweizer sich mit ihnen messen koumlnnenund erst recht im internationalen Vergleich Wie enorm derWohlstand in den alten und neuen Laumlndern ist (oder zu seinscheint) zeigt die amtliche Statistik

Das Geldvermoumlgen der privaten Haushalte (ohne derenHaus- und Grundbesitz Wertsachen und sonstige Vermoumlgens-werte) erbrachte ihnen 1992 etwas mehr als 200 Milliarden DMan Zinsen und Dividenden Das sind grob gerechnet 2500DM jaumlhrliche Einnahmen aus angelegtem Geldvermoumlgen fuumlrjede und jeden im vereinten Deutschland ob Saumlugling oderGreis Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt Ehepaarmit zwei Kindern -hat also laut Statistik zusaumltzliche Jahresein-kuumlnfte von 10000 DM (und im Hintergrund eine angelegteGeldreserve von 180000 bis 200000 DM die diese Zinsenerbringt) ein schoumlnes Zubrot beispielsweise fuumlr einen jun-gen Familienvater der als Beamter mit 1850 DM netto imMonat die Wohnungsmiete in einer Groszligstadt aufbringen undalle Ausgaben der vierkoumlpfigen Familie bestreiten muszlig

Nun wissen wir allerdings daszlig solch ein dem statistischenDurchschnitt genau entsprechender Fall in der Praxis nur ganzselten vorkommt Die allermeisten Arbeitnehmerfamilienhaben naumlmlich keine sechsstelligen Geldreserven und wennbei ihnen von Zinsen die Rede ist so handelt es sich in derRegel um solche die sie fuumlr aufgenommene Kleinkredite undDarlehen seufzend zu zahlen haben

Die Statistik luumlgt dennoch nicht sie wirft nur Arm und Reichin einen Topf Schon ein einziger Bewohner eines Mietshausesvielleicht dessen Eigentuumlmer der uumlber zwei Millionen DMGeldvermoumlgen verfuumlgt schafft im Verein mit den uumlbrigenHausbewohnern einem Dutzend Familien von Habenichtsen

jenen truumlgerischen statistischen Durchschnitt der uns einenallgemeinen Wohlstand vorgaukelt

Wenn wir uns daruumlber im Klaren sind kann uns auch ein wei-teres statistisches Ergebnis nicht mehr taumluschen naumlmlich daszligsich die Ertraumlge der privaten Geldvermoumlgen der Deutschen imLaufe des letzten Jahrzehnts nahezu verdreifacht haben Diesefuumlr uns scheinbar so erfreuliche Tatsache sagt uumlber die Vertei-lung des so stark vermehrten Wohlstands gar nichts aus Siekann beispielsweise bedeuten daszlig nur die ohnehin sehr Wohl-habenden noch um vieles reicher geworden sind die groszligeMehrheit der Unbemittelten aber unveraumlndert arm gebliebenund noch um einige soziale Absteiger vermehrt worden ist Ge-nau dieser Fall ist wie wir noch sehen werden tatsaumlchlich ein-getreten Profitiert von dieser Entwicklung haben im wesentli-chen nur die Herren des Groszligen Geldes

Was ist das eigentlich das raquoGroszlige GeldlaquoDie allermeisten Deutschen gleich ob in Ost oder West

haben davon keine oder nur eine ganz blasse Ahnung JedesMultimillionenvermoumlgen gilt ihnen schon als raquoGroszliges GeldlaquoUnd wenn sie selbst einmal im Lotto gewinnen sollten sagenwir knapp sechs Millionen DM steuerfrei - dann ist das nachMeinung der Freunde und Nachbarn und wohl auch nach ihrereigenen Einschaumltzung bereits das Groszlige Geld

Stellen wir uns nun einmal vor der oder die Gluumlckliche laumlszligtsich den ganzen Lottogewinn bar auszahlen dicke Packen vondruckfrischen Tausendern dazu noch etliche Buumlndel von200- und 100-DM-Scheinen saumluberlich aufgestapelt wobei einMeter Houmlhe jeweils genau einer Million DM entspricht derLottogewinn von knapp sechs Millionen Mark als Banknoten-stapel also vom Fuszligboden bis fast zur Decke der sechs Meterhohen Schalterhalle reicht

Doch so eindrucksvoll der Anblick dieses hohen Stapels auchsein mag als das raquoGroszlige Geldlaquo kann der Banknoten-Turm nochlaumlngst nicht gelten Unsere wirklichen Superreichen koumlnntensolche Vorstellung nur mitleidig belaumlcheln die Dimension die-ses scheinbaren Reichtums waumlre ihnen gar zu winzig

Als das amerikanische laumlngst auch hierzulande in deut-scher Sprache erscheinende Wirtschaftsmagazin raquoForbeslaquo im

Sommer 1990 die 400 reichsten deutschen Unternehmer vor-stellte da gab sich das Blatt mit gewoumlhnlichen Multimillionauml-ren gar nicht erst ab raquoForbeslaquo begann seine Aufzaumlhlung erst imraquoMultimegalaquo-Bereich also bei den mehr als hundertfachenDM-Millionaumlren

Die Summe der Vermoumlgen aller 400 Personen oder Familiendie raquoForbeslaquo vorstellte belief sich damals im Sommer 1990auf rund 200 Milliarden DM das Doppelte dessen was dieRegierung Kohl an Staatsanleihe aufzunehmen gedachte undfuumlr ausreichend hielt die ruinierte Wirtschaft der gerade verein-nahmten DDR zu sanieren und wieder in Schwung zu brin-gen Anders ausgedruumlckt Schon die Haumllfte des Vermoumlgensder 400 reichsten Westdeutschen haumltte nach offizieller Mei-nung gereicht fuumlr uumlber 16 Millionen raquoBruumlder und Schwesterndruumlbenlaquo gesunde wirtschaftliche Verhaumlltnisse zu schaffen

400 Privatvermoumlgen von zusammen 200 Milliarden DMergeben einen durchschnittlichen Reichtum der von raquoForbes1990 vorgestellten westdeutschen raquoSpitzenklasselaquo von je 500Millionen DM Stapelte man diese Summe nach Art des Lotto-gewinns in Banknoten waumlre ein solcher Bargeldturm 500Meter hoch mehr als dreimal so hoch wie der Koumllner Dom

Indessen gab es schon vor vier Jahren als das Wirtschaftsma-gazin die Superreichen der BRD vorzustellen begann nichtwenige deutsche Multimilliardaumlre die ihr Geld houmlher haumlttenstapeln koumlnnen als die Zugspitze (2 963 Meter) houmlher noch alsdas Gipfelkreuz des Mont Blanc (4 810 Meter) ja die mit ihremgebuumlndelten Baren sogar den Mount Everest (8 848 Meter)uumlberragt haumltten Von solchen gewaltigen Houmlhen aus betrachtetsind die Banknotenstapel der Lottogewinner aber auch die derzehn- zwoumllf- oder auch 25fachen Multimillionaumlre eine mit blo-szligem Auge gar nicht mehr wahrnehmbare Bagatelle und damitsollte nun auch klar sein was Geldlaquo wirklich bedeutet

Uumlbrigens seit 1990 sind die Kassen von Bund Laumlndern undGemeinden immer leerer geworden eine Schuldenlast vonastronomischer Houmlhe zwingt die oumlffentlichen Haumlnde zu rigo-rosen Sparmaszlignahmen und der Konjunktureinbruch der zuverzeichnen war (und noch ist) hat fuumlr Millionen Deutscheerhebliche Einkommenseinbuszligen mit sich gebracht (wovon im

einzelnen noch ausfuumlhrlich die Rede sein wird) Der Super-reichtum indessen hat keineswegs gelitten im Gegenteil

Das Groszlige Geld in den Haumlnden einiger deutscher Multimil-liardaumlre hat sich seit 1990 weiter kraumlftig vermehrt Hier nur einBeispiel Deutschlands Reichster der der breiten Oumlffentlich-keit nahezu unbekannte Erivan Haub aus MuumllheimRuhr (Ten-gelmann Kaiserrsquos Plus KD und nicht zuletzt was hierzu-lande nur Preiswert zu bedeuten scheint jedochzugleich die konzerneigene groumlszligte Einzelhandelskette derUSA Atlantic kennzeichnet) wurde im Sommer1990 auf deutlich uumlber sechs Milliarden DM Vermoumlgen taxiertdrei Jahre spaumlter im Sommer 1993 aber bereits auf mehr alszehn Milliarden DM Und so wie bei Haub ist es auch bei denzwei Dutzend anderen Deutschen die 1993 in die raquoForbeslaquo-Liste der raquoHundert Reichsten der Weltlaquo aufgenommen wur-den Ihre gigantischen Vermoumlgen sind in den Rezessionsjahrennicht kleiner sondern noch betraumlchtlich groumlszliger geworden(Eine Liste dieser deutschen Multimilliardaumlre findet sich aufden folgenden Seiten)

Wollten wir die Vermoumlgen der in den internationalen Spit-zenreichtum aufgestiegenen Deutschen durch gewaltige Bar-geldstapel (1 Meter = 1 Million DM) anschaulich machen sohaumltten wir ein Hochgebirgspanorama vergleichbar mit demHimalaya wobei der niedrigste Gipfel 3 400 Meter hoch diedrei houmlchsten gar Zehntausender waumlren houmlher als der houmlchsteBerg unserer Erde

Nachdem wir mit Hilfe dieser in Wirklichkeit ja niemalsvorkommenden gigantischen Banknotentuumlrme eine unge-

vom Groszligen Geld bekommen haben kehrenwir zuruumlck auf den Boden der Tatsachen beispielsweise derBonner Politik Da stellt sich dann heraus daszlig die erdachtenBargeldstapel als Ausdruck der Macht des Groszligen Geldes garnicht so unrealistisch sind wie man meinen koumlnnte

Mitunter nehmen naumlmlich auch bundesdeutsche Superrei-che statt ihres Scheckbuchs Bargeldstapel vorzugsweise solchevon druckfrischen Tausendern stecken davon einige Buumlndel inneutrale Umschlaumlge und uumlberreichen diese dann dem einenoder anderen ihrer Bekannten als Geschenk

Curt Engelhornund Familie Mrd DM

Familie Quandt Beteiligungen Mrd DM

Theo undKarl Albrecht Einzelhandel Mrd DM

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Familie Merck

Handel Mrd DM

ChemiePharma Mrd DM

Familie Henkel Chemie Mrd DM

Erivan Haubund Familie Einzelhandel Mrd DM

Otto Beisheim GroszlighandelBeteiligungen Mrd DM

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Friedrich Karl Flick jr Beteiligungen Mrd DM

Michael Ottound Familie Versandhandel 765 Mrd DM

FamilieSchmidt-Kuthenbeck Groszlighandel Mrd DM

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Familie Schickedanz Versandhandel Mrd DM

Natuumlrlich geschieht dies nicht in aller Oumlffentlichkeit wo-moumlglich vor laufenden Fernsehkameras vielmehr sehr diskretund stets handelt es sich bei den von Superreichen mit solchenGeldgeschenken groszligzuumlgig Bedachten um einfluszligreiche Politi-ker die zwar sehr uumlppige regulaumlre Einkuumlnfte haben aber trotz-dem immer Geld brauchen weil sie kostspielige Wahlkaumlmpfezu fuumlhren haben und fuumlrchten muumlssen nicht wiedergewaumlhlt zuwerden wenn ihnen das Geld ausgeht

Von diesen unterstuumltzungsbeduumlrftigen Politikern erwartendie superreichen Spender der gebuumlndelten Tausendmarkschei-ne dann ihrerseits allerlei Gefaumllligkeiten und diese werdenihnen in aller Regel auch schon bald nach der Gelduumlbergabevon den dankbaren Politikern erwiesen

Indessen sind solche fuumlr die Spender belanglos winzigenfuumlr die Empfaumlnger sehr stattlichen und hochwillkommenenGeldgeschenke meist in Raten von 50000 bis 250000 DMund die im Gegenzug erwiesenen Gefaumllligkeiten beileibe nichtals kriminelle Vergehen etwa als aktive und passive Beste-chung im Sinne der Paragraphen 331 ff des Strafgesetzbuchesgedacht oder zu verstehen Dergleichen kommt nur in wenigerreichen und weniger maumlchtigen Kreisen mitunter vor und wirdwenn es ruchbar wird sehr streng bestraft

Ganz anders liegt der Fall bei uumlppigen Geldgeschenken vonSuperreichen an Mitglieder des Bundeskabinetts und Vorsit-zende von Koalitionsparteien

Erstens wuumlrden bundesdeutsche Multimillionaumlre niemalsgegen Gesetze und Vorschriften verstoszligen wollen Sie wuumln-schen sich vielmehr eine Anpassung der Gesetze und Ausfuumlh-rungsbestimmungen an ihre auf groszlige Gewinne gerichtetenPlaumlne Der eine will beispielsweise ein Gesetz das inlaumlndischeVerkaufserloumlse die er in den USA profitabel anlegen will vonetlichen hundert Millionen Mark Steuern befreit Der andereverlangt eine Lockerung von Umweltschutzbestimmungenwodurch ihm enorme Ausgaben fuumlr die Umruumlstung von Che-mie-werken und Papierfabriken erspart werden Ein Dritterwuumlnscht die Streichung einiger zwar gesundheitsschaumldlicheraber sehr gut verkaumluflicher Chemikalien von einer Verbotslisteund alle gemeinsam fordern die Aumlnderung eines Paragraphen

der bislang die Beschaumlftigten eines indirekt durch Streikgelaumlhmten Werks beguumlnstigt hat also lauter fuumlr Superreicheganz natuumlrliche Verlangen die ihren Interessen dienen undihren Profit steigern so daszlig es nur gilt die Gesetze und Vor-schriften den Beduumlrfnissen des Groszligen Geldes entsprechendabzuaumlndern damit alles ganz legal vor sich gehen kann

Zweitens aber sind die Zuwendungen die die Superreichenden an der Gesetzgebung maszliggeblich beteiligten Politikernmachen (oder machen lassen) so geringfuumlgig im Vergleich zuden enormen Vorteilen die sie sich damit verschaffen daszlig keinbundesdeutscher Staatsanwalt sie als strafrechtlich relevantansehen koumlnnte

Wenn beispielsweise ein Multimilliardaumlr wie Herr Flick zurErlangung von etlichen hundert Millionen Mark Steuererspar-nis nur lumpige zwei drei Millionen an diverse Spitzenpoli-tiker verteilt hat weniger als ein Prozent des Gewinns - sovermochte keiner der Beteiligten darin etwas Unrechtes zuerkennen raquoJede Sparkasse verschenkt doch Pfennigartikel wieKugelschreiber oder Wandkalender selbst an Kunden die nurein paar Mark an jaumlhrlichen Kontogebuumlhren einbringenlaquo mein-te einer der Flick-Bediensteten treuherzig

Doch mit der Erwaumlhnung einer der vielen Flick-Millionen-spenden sind wir schon mitten in der Praxis des Bonner Alltagsund koumlnnen die theoretischen Erwaumlgungen abschlieszligen Dennnun sollte jeder und jedem klar sein was Groszliges Geld ist undwelche Macht damit ausgeuumlbt wird

Gewiszlig laut Verfassung wird der die Richtlinien der Politikbestimmende Kanzler von der Bundestagsmehrheit gewaumlhltund uumlber deren Zusammensetzung entscheiden die Waumlhlerin-nen und Waumlhler in allgemeiner gleicher direkter und gehei-mer Wahl So bestimmt es das Grundgesetz in dessen Artikel20 Absatz 2 es folgerichtig heiszligt raquoAlle Staatsgewalt geht vomVolke auslaquo

Doch das war nicht immer so (wie das Kapitel raquoKurzerflug in die deutsche Geschichtelaquo es noch naumlher beschreibenwird) Hier soll es genuumlgen daran zu erinnern daszlig noch bis vorwenig mehr als 75 Jahren im groumlszligten Teil Deutschlands dassogenannte Dreiklassenwahlrecht galt bei dem es die Superrei-

chen weitaus bequemer hatten Es gab einigen wenigen Multi-millionaumlren ebenso viele Stimmen wie Zigtausenden von Nor-malverdienern und es entrechtete die Armen voumlllig ebensoalle Frauen und Jugendlichen Kurz die Superreichen brauch-ten keine Abgeordneten zu bestechen sondern bestimmtenselbst die Mehrheitsverhaumlltnisse

Dieser fuumlr das Groszlige Geld so angenehme Zustand endete1918 als das vom raquoEisernen Kanzlerlaquo Bismarck geschaffeneKaiserreich ruhmlos unterging

Indessen ging nur der Kaiser die Superreichen bliebenunter ihnen auch die Familie der Fuumlrsten Bismarck und dieHohenzollernprinzen als neu hinzugekommener Kriegsge-winnler des Ersten Weltkriegs auch Friedrich Flick Sie alle(oder ihre Erben) brachten ihre riesigen Vermoumlgen sicher durchdie Nachkriegswirren und die totale Geldentwertung die dendeutschen Mittelstand verarmen lieszlig und fanden neue Wegeder Machtausuumlbung zwecks weiterer Vermehrung ihres Reich-tums

Sie uumlberstanden die vierzehn Jahre der Weimarer Republikwurden in den folgenden zwoumllf Jahren der Nazi-Diktatur unddes Zweiten Weltkriegs noch um vieles reicher vor allemdurch Ruumlstungsauftraumlge Ausbeutung von Millionen Sklaven-arbeitern Pluumlnderung der eroberten Gebiete und raquoArisierunglaquojuumldischen Vermoumlgens und hatten auch nach der vollstaumlndigenNiederlage der groszligdeutschen Wehrmacht und dem Untergangder Hitler-Diktatur in den westlichen Besatzungszonen derspaumlteren Bundesrepublik keinen Grund zur Klage Das GroszligeGeld blieb unangetastet kam sicher durch die Krisenjahre derersten Nachkriegszeit wurde von der Waumlhrungsreform ver-schont und vermehrte sich dann geradezu explosionsartig alsdas raquoWirtschaftswunderlaquo einsetzte

Zwanzig Jahre lang wurde die Bundesrepublik im Zeichendes Kalten Krieges und der massiven Aufruumlstung von konserva-tiven Kanzlern regiert und zu einem Paradies der Superreichendie sich fuumlr Groszligverdiener maszliggeschneiderte Gesetze undSteuergeschenke noch und noch machen lieszligen und ihrerseitsden sie so gut bedienenden Politikern die Wahlkaumlmpfe finan-zierten

Ende der sechziger Jahre kam endlich ein Umschwung DieStudenten rebellierten gegen das konservative Establishmentgegen die von der Springer-Presse betriebene Volksverdum-mung gegen die zutiefst unmoralische undemokratische undunsoziale Herrschaft des Groszligen Geldes Mit Willy Brandtkam erstmals ein Kanzler ans Ruder der das Eis des KaltenKrieges zu brechen begann eine Friedenspolitik einleitete undein inneres Reformwerk in Gang setzte Seine ParoleDemokratie wagenlaquo fand groszligen Widerhall

Indessen sorgte der kleine Koalitionspartner des Bundes-kanzlers Willy Brandt (SPD) die FDP stets dafuumlr daszlig dieBaumlume nicht in den Himmel wuchsen sprich daszlig die Politikden Interessen des Groszligen Geldes nicht abtraumlglich war unddennoch betrieben damals rechtskonservative Kreise der Wirt-schaft bereits wenn auch zunaumlchst vergeblich den Sturz WillyBrandts indem sie Abgeordnete der Koalition mit betraumlchtli-chen Summen zum Abfall vom sozialliberalen Regierungslagerbewogen

Die damaligen Vorgaumlnge sind geradezu ein Musterbeispielfuumlr das direkte Einwirken des Groszligen Geldes auf die BonnerPolitik und deshalb seien sie zum besseren Verstaumlndnis dergegenwaumlrtigen Verhaumlltnisse im folgenden Kapitel kurz be-schrieben

Nichts zeigt deutlicher wie hohl Helmut Kohls staumlndig imMunde gefuumlhrte Phrase von der raquogeistig-moralischen Wendelaquoin Wahrheit ist als das Vorgehen seiner engsten Freunde undFoumlrderer (und sein eigenes Verhalten) im Fruumlhjahr 1972 alsschon die Weichen fuumlr den Aufstieg des raquoSchwarzen Riesenlaquoins Kanzleramt von den Repraumlsentanten des Groszligen Geldesgestellt wurden

In den spaumlten 1960er und fruumlhen siebziger Jahren war imWesten Deutschlands viel die Rede von raquomehr Mitbestim-munglaquo Genauer Alle Groszligunternehmen sollten nicht alleinvon den Kapitalgebern sondern im gleichen Umfang also pari-taumltisch auch von den Arbeitern und Angestellten in ihrergesamten Unternehmenspolitik bestimmt werden so wie esim Montanbereich bei Kohle und Stahl von der britischenBesatzungsmacht eingefuumlhrt worden war und sich glaumlnzendbewaumlhrt hatte

Allerdings waren den seit 1969 in Bonn regierenden Sozial-demokraten in dieser Frage die Haumlnde gebunden ihr Koaliti-onspartner die FDP hatte sich ausbedungen das ThemaraquoMitbestimmunglaquo fuumlr die Dauer des Regierungsbuumlndnissesraquoauszuklammernlaquo Um so intensiver nahmen sich die nun inder Opposition stehenden Christdemokraten der gewerkschaft-lichen Forderung an zumindest ihr damals starker raquolinkerlaquo Fluuml-gel unter Fuumlhrung von Norbert Bluumlm Gemeinsam mit demaufstrebenden Helmut Kohl damals schon Ministerpraumlsidentin Rheinland-Pfalz erarbeitete Bluumlm einen Mitbestimmungs-Entwurf fuumlr das CDU-Parteiprogramm der dann auf heftigenWiderstand der Herren des Groszligen Geldes stieszlig Der CSU-Schatzmeister und Mitgesellschafter des Flick-Konzerns DrWolfgang Pohle sah in dem BluumlmKohl-Entwurf bereits raquodieGrenzen zur Planwirtschaft gefaumlhrlich verwischtlaquo der dama-lige IIenkel-Konzernmanager Kurt Biedenkopf stieszlig ins selbeHorn und CDU-Rechtsauszligen Alfred Dregger sah schon denraquoKommunismus durch die Hintertuumlrlaquo in die Groszligunternehmendringen

Dennoch gab man dem BluumlmKohl-Entwurf reelle Chan-cen auf dem CDU-Parteitag vom Januar 1971 eine Mehrheit zuerhalten und ins Wahlprogramm der Union aufgenommen zu

werden zumal auch der damalige CDU-Vorsitzende RainerBarzel Mitbestimmungs-Sympathien zu hegen schien

Aber dann kam alles ganz anders Nachdem Kohl von einemFlick-Vertrauensmann dem Daimler-Personalchef Dr HannsMartin Schleyer aufgesucht und ins Gebet genommen wordenwar machte er sich daran ein raquoKompromiszlig-Papierlaquo zu entwer-fen Kohls neuer Entwurf sicherte dem Kapital die Herschaftraumlumte aber den Arbeitnehmern gewisse Mitwirkungsrechteein Es lohnt indessen nicht die Einzelheiten zu schildernDenn kaum war der urspruumlngliche BluumlmKohl-Entwurf aufdem Parteitag erwartungsgemaumlszlig gescheitert weil sich herum-gesprochen hatte daszlig Kohls allgemeine Zustim-mung linden wuumlrde da erwies es sich daszlig nicht einmal Hel-mut Kohl selbst fuumlr seinen eigenen Plan einzutreten bereit warEr empfahl statt dessen einen Entwurf der Industrie undstimmte fuumlr diesen

Damit hatte Helmut Kohl -vom Standpunkt der Herren desGroszligen Geldes gesehen seine Bewaumlhrungsprobe bestandenauch wenn er dann bei der Kandidatur fuumlr den CDU-Parteivor-sitz gegen Rainer Barzel ein letztes Mal unterlag Der erbosteNorbert Bluumlm aber lieszlig sich vor der Presse zu der Aumluszligerunghinreiszligen raquoWir sind eben doch eine Unternehmerparteilaquo

Rainer Barzel erkannte nun in Helmut Kohl seinenlichsten Rivalen den es abzuschuumltteln galt So wagte er imFruumlhjahr 1972 den Versuch Kanzler Willy Brandt durch ein kon-struktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzen

Der kuumlhne Versuch anstelle von Brandt Kanzler zu werdenund damit jede innerparteiliche Konkurrenz auszustechen miszlig-lang und uumlberdies verlor die von Barzel gefuumlhrte Union auchdie Bundestagswahl vom November 1972 Der raquogluumlckloselaquozel den seine Partei und deren Geldgeber daraufhin gern kalt-gestellt haumltten war aber keineswegs bereit freiwillig einem an-deren Platz zu machen und er hielt auch noch einige Truumlmpfebereit die er auszuspielen drohte falls man versuchen wuumlrdeihn beiseite zu schieben Seine Drohungen zeigten erheblicheWirkung und nun war guter Rat wirklich sehr teuer

Es begann was in den geheimen erst zehn Jahre spaumlteroumlffentlich bekanntgewordenen Aufzeichnungen des

gen Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard v Brauchitsch als raquokon-zertierte Aktionlaquo bezeichnet wurde Von CDU-Seite wurdenHeinrich Koumlppler und Helmut Kohl aktiv auf Unternehmer-seite Professor Kurt Biedenkopf vom Henkel-Konzern derunvermeidliche Flick-Vertrauensmann Dr Hanns MartinSchleyer und natuumlrlich auch vBrauchitsch sodann GuidoSandler vom Oetker-Konzern endlich auch Konrad Henkelder Chef des Henkel-Konzerns Das Ergebnis war daszlig RainerBarzel ein raquoweicher Falllaquo angeboten werden konnte Zu seinenstattlichen regulaumlren Bezuumlgen sollten jaumlhrlich 250 bis300000 DM Honorare kommen die ihm der FrankfurterRechtsanwalt Dr Paul zukommen lassen wuumlrde der seinerseitsdas Geld von raquoIndustriemandantenlaquo bekaumlme Und genausogeschah es

Zehn Jahre spaumlter schrieb Erich Boumlhme daruumlber im raquoSpiegellaquounter der Uumlberschrift Dr Kohllaquo

raquoRainer Candidus Barzel der gescheiterte Kanzleraspirantdes Jahres 1972 dessen salbungsvolle Tiraden die DeutschenAnfang der siebziger Jahre uumlberreichlich genervt hatten undden die Union schlieszliglich aus Fraktions- und Parteivorsitzhebelte waumlre nie zum gtsozialen Falllt geworden Trotz einschlauml-giger Sorgen die der damalige Kohl-Intimus Kurt Biedenkopfdem Barzel-Nachfolger Kohl aktenkundig machte Durch-schlag an das Haus Flick versteht sich Das Haus Flickzahlte Barzel kassierte (mit zusaumltzlichen Garnierungen vonder Chase Manhattan Bank und vom Hause Oetker) der erfolg-lose CDU-Chef raumlumte ohne Gezeter das Feld Das Flick-Kuumlrzel Dr hatte seinen Zweck erfuumlllt wg DrKohl dessen Chefstuhl mit eintausendsiebenhundert Flick-Tausendern Millionen DM) freigefaumlchelt worden warlaquo

Auch Barzel-Nachfolger Kohl war zunaumlchst gluumlcklos 1976trat er als Kanzlerkandidat der Union an und unterlag bei denBundestagswahlen 1980 wurde Kohls Rivale Franz JosefStrauszlig als Kanzlerkandidat nominiert und scheiterte ebenfallsAber dann am 1 Oktober 1982 kam Helmut Kohls groszligeStunde Mit Hilfe der abgefallenen raquoGruppe Genscher-Lambs-dorfflaquo der FDP wurde der gewaumlhlte Bundeskanzler HelmutSchmidt (SPD) durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum

gestuumlrzt Kohl zum Kanzler gewaumlhlt mit einer Mehrheit vonsieben Stimmen und gegen den erklaumlrten Willen jener Waumlhlerdenen Genscher im Herbst 1980 feierlich versprochen hatte erwerde raquovier Jahre als zuverlaumlssiger und aufrichtiger Partnerlaquomit Helmut Schmidt und der SPD die Koalition fortsetzen

Ein Drittel der FDP-Bundestagsfraktion darunter fast alleFrauen verweigerte Genscher und dem Grafen Lambsdorffdie Gefolgschaft bei diesem Betrug am Waumlhler Aber seither istKohl Bundeskanzler und regiert die BRD auf eine Weise diehaargenau den Wuumlnschen derer entspricht die mit Hilfe derMacht des Groszligen Geldes den Kanzlerwechsel langfristig vor-bereitet und dann herbeigefuumlhrt hatten

Warum war ihre Wahl auf den Pfaumllzer Helmut Kohl gefallenWodurch hatte er sich vor anderen Bewerbern um das Kanzler-amt ausgezeichnet und die Gunst der Herren des Groszligen Gel-des erworben so daszlig sie ihm zunaumlchst den Chef-Sessel derCDU mit fast zwei Millionen Mark Barzel-Abfindung raquofreigefauml-cheltlaquo und schlieszliglich auch die zur Kanzlerwahl fehlendenStimmen raquobeschafftlaquo hatten Ja wer war uumlberhaupt dieser Hel-mut Kohl den die meisten Bundesbuumlrger nur als jungen Lan-desvater von Rheinland-Pfalz und als Wahlverlierer von 1976kannten

Helmut Kohls politische Karriere begann in seiner wirtschaft-lich vom Chemie-Riesen BASF beherrschten traditionell vonder SPD regierten -Heimatstadt Ludwigshafen Dort war er am3 April 1930 als Sohn eines kleinbuumlrgerlichen Finanzbeamtenzur Welt gekommen

Kohls autorisierter Biograph Karl Guumlnter Simon der demheutigen Kanzler in seinem 1969 erschienenen Buch raquoDieKronprinzenlaquo immerhin schon ein knappes Dutzend Seitengewidmet hat berichtet darin daszlig Helmut (raquoHellelaquo) Kohl raquoausschwarzem Elternhauslaquo stamme daszlig der kraumlftige hochgewach-sene Oberrealschuumller schon 1949 im ersten Bundestagswahl-kampf fuumlr die CDU als Redner aufgetreten sei (und zwar wieFreunde und Gegner uumlbereinstimmend sich erinnern raquolauthemdsaumlrmelig und naszligforschlaquo) und daszlig er dann langsamraquoSchritt fuumlr Schrittlaquo Karriere gemacht habe

Schon als 17jaumlhriger war Kohl der Jungen Union beigetretenmit 25 Jahren wurde er bereits Mitglied des rheinland-pfaumllzi-schen CDU-Landesvorstands mit 28 Jahren Kreisvorsitzenderin Ludwigshafen und juumlngster Landtagsabgeordneter im Main-zer Parlament Nach dem Wunsch seiner Eltern studierte erzunaumlchst Rechtswissenschaft in Heidelberg denn er solltehoumlherer Beamter werden Aber er interessierte sich nur fuumlr Poli-tik genauer fuumlr seine eigene politische Karriere Geld ver-diente er sich nebenher erst als Praktikant bei der BASF alsDirektionsassistent bei der Eisengieszligerei Mock als kaufmaumlnni-scher Volontaumlr bei der Miederwarenfabrik raquoFelinalaquo dann alsReferent des Landesverbands der chemischen Industrie vonRheinland-Pfalz-Saar in Ludwigshafen Ehe er dort -mit einemAnfangsgehalt von DM spaumlter 3 000 DM-seine Taumltigkeitaufnahm erwarb er nach immerhin neun Jahren oder 18Semestern die seit seinem Abitur vergangen waren den Dok-torgrad nicht den juristischen denn er hatte im 5 Semesterumgesattelt sondern den Dr phil des Fachs Geschichte miteiner 160 Schreibmaschinenseiten umfassenden vornehmlichaus sorgsam gesammelten Zeitungsmeldungen bestehendenArbeit zum Thema raquoDie politische Entwicklung in der Pfalzund das Wiedererstehen der Parteien nach

Dr Kohls Sternstunde kam wenn man seinen BiographenGlauben schenken darf am 3 April 1959 seinem 29 Geburts-tag mitten im rheinpfalzischen Landtagswahlkampf Kohl kan-didierte zum ersten Mal und nun stand ihm so beschrieb esLothar Wittmann raquoein groszliger Auftritt bevor Konrad Ade-nauer wird zu einer Groszligveranstaltung erwartet Im hochrotenLudwigshafen soll der Besuch des Kanzlers zu einer eindrucks-vollen Demonstration der Schwarzenlaquo werden Zu diesemBehuf hat CDU-Geschaumlftsfuumlhrer Fritze Keller zwei gewal-tige Wurstmarktzelte aus Bad Duumlrkheim auf dem Marktplatzaufstellen lassen (Sie) fassen 8 000 Besucher KleinmuumltigeZweifler haben Kohl vor solchen Ausmaszligen gewarnt 20Minuten vor Beginn der auf 20 Uhr angesetzten Versammlungist die Nervositaumlt groszlig Uumlber Polizeifunk wird angekuumlndigt daszligder Kanzlerwagen bereits Darmstadt passiert hat und die Zeltesind erst zu houmlchstens 20 Prozent gefuumlllt Wenn der Besucher-

strom so duumlnn bleibt wird es eine Blamage geben Kurz ent-schlossen dirigiert Kohl den Kanzlerkonvoi ins Hotel St Hu-bertus um Der geplagte Kanzler muszlig die Moumlglichkeit habensich vor dem Auftritt noch etwas frisch zu machen

Als der Kanzler dann eintrifft sind die Zelte brechendvoll Der Zustrom hat in letzter Minute und schlagartig ein-gesetzt Drei Redner an diesem Abend Helmut Kohl haumllt eineschwungvolle Begruumlszligungsrede dann Peter Altmeier der(rheinland-pfalzische) Ministerpraumlsident dann Konrad Ade-nauer Helmut Kohl bringt enthusiastische Stimmung ins Zelter spricht angriffslustig wettert gegen Herbert Wehners Agitati-onsbesuch in der BASF Droht die Politisierung der BetriebeKonrad Adenauer wird aufmerksam mustert interessiert denlangaufgeschossenen Nachwuchsredner fragt seinen Nach-barn Peter Altmeier wer denn dieser hoffnungsvolle jungeMann seilaquo und ernennt so moumlchte man vermuten wennman dieser eindrucksvollen Schilderung gefolgt ist HelmutKohl sogleich zu seinem politischen Enkel und spaumlteren Nach-folger

Dies war jedoch keineswegs der Fall die Ernennung zumAdenauer-Enkel nahm Helmut Kohl spaumlter selber vor undauch die wunderbare Publikumsvermehrung in den Ludwigs-hafener Zelten kam nicht von ungefaumlhr Sie hatte viel ArbeitAnstrengung und Hilfe von den Unternehmern aus demUmland erfordert von denen einer sich ruumlhmte er habe es sich12 000 DM kosten lassen raquoseine Leutelaquo in Bussen raquoheranzukar-ren ihnen 5 Mark pro Kopf spendiert fuumlr Verzehr und damitKohls Schau gerettetlaquo

Wie dem auch sei Jedenfalls ist eines sicher naumlmlich daszligHelmut Kohl damals schon einen millionenschweren Industri-ellen zum Freund und Foumlrderer hatte der Kohls Talente ZU

schaumltzen wuszligte und wie er spaumlter wiederholt erklaumlrte raquoeinenguten Riecherlaquo fuumlr kommende Spitzenpolitiker hatte die sichihren Maumlzenen dann als sehr nuumltzlich erweisen konnten

Helmut Kohls damaliger reicher Goumlnner war uumlbrigens derGroszligaktionaumlr und Vorstandsvorsitzende eines aufbluumlhendenUnternehmens mit uumlber zweitausend Beschaumlftigten in der vonLudwigshafen nur acht Kilometer entfernten pfaumllzischen

stadt Frankenthal Fast zwei Jahrzehnte lang waumlhrend ausdem Ludwigshafener JU-Fuumlhrer ein Stadtrat dann ein CDU-Landtagsabgeordneter Fraktionsvorsitzender schlieszliglich so-gar ein rheinland-pfaumllzischer Ministerpraumlsident CDU-Bun-desvorsitzender und Kanzlerkandidat wurde war Helmut Kohlein haumlufiger Gast in der Frankenthaler Industriellen-Villa Inallen diesen Jahren gab es zwischen Kohl und seinem reichenGoumlnner viele Gespraumlche uumlber politische und wirtschaftlicheFragen Der junge Politiker Kohl holte sich manchen Rat vonseinem um 23 Jahre aumllteren beinahe vaumlterlichen Freund lieszligsich von diesem erzaumlhlen wie man aus sehr bescheidenenAnfangen uumlber Krieg Niederlage und Waumlhrungsreform hin-weg zu Multimillionaumlrs- und Konzernherren-Houmlhen aufsteigtund er scheint sich damals vorgenommen zu haben es seinemFoumlrderer gleichzutun zumindest hinsichtlich eines ruumlcksichts-losen Gebrauchs der Ellbogen und eines Mindestmaszliges anmoralischen Skrupeln sowie einer sorgfaumlltigen Pflege dessenwas sein erfahrener Goumlnner raquonuumltzliche Beziehungenlaquo zu nen-nen pflegte

Tatsaumlchlich hatte dieser Frankenthaler Industrielle glaumln-zende Verbindungen und sogar enge freundschaftliche Bezie-hungen zu bereits arrivierten und kommenden Spitzenleutenaus Politik und Wirtschaft Einigen davon praumlsentierte undempfahl er seinen Schuumltzling Helmut Kohl und auch sonstkonnte der steinreiche Konzernchef dem aufsteigenden Jung-politiker auf mancherlei Weise behilflich sein

Natuumlrlich stellte Helmut Kohl seinem Foumlrderer auch dasMaumldchen vor mit dem er sich zu verloben und wie es fuumlreinen christlichen Politiker obligatorisch war in Baumllde zu ver-heiraten gedachte und erst nachdem Kohls einstige Tanzstun-denfreundin und zukuumlnftige Ehefrau Hannelore von der Fami-lie des Frankenthaler Industriellen in Augenschein genommenworden war traf der angehende Landespolitiker Vorbereitun-gen fuumlr die Gruumlndung eines eigenen Hausstands Zwei Monatenach seinem Einzug ins Mainzer Landesparlament verheira-tete er sich mit Hannelore Renner

Nun konnte Helmut Kohl seinem Foumlrderer hie und da auchschon ein paar Gefaumllligkeiten erweisen denn sein Einfluszlig in

der Mainzer CDU-Fraktion war von Anfang an groszlig und ande-rerseits steigerte der reiche Industrielle das Ansehen des juumlng-sten Abgeordneten indem er diesen mitnahm auf eine Afrika-reise wie sie sich damals Anfang der sechziger Jahre ein nochunbekannter Provinzpolitiker kaum zu ertraumlumen wagte FrauHannelore durfte derweilen mit der Gattin des IndustriellenFerien im schweizerischen Zermatt machen wo den Damenein luxurioumlses Chalet Zurverfuumlgung stand Die Traumreise aufdie Kohl damals von seinem noblen Goumlnner mitgenommenwurde ging ins Koumlnigreich Marokko dessen Honorarkonsulfuumlr Rheinland-Pfalz sein vaumlterlicher Freund geworden war undsie wurde fuumlr Helmut Kohl zu einem Erlebnis wie aus Tausend-undeiner Nacht Uumlbrigens es sei hier nur am Rand vermerktweil es das harte Urteil vieler anderer politischer Freunde wieGegner uumlber den jungen Politiker Kohl bestaumltigt Auch der ihmso wohlwollende Industrielle ruumlgte gerade im Anschluszlig andiese Marokkoreise die miserablen Umgangsformen seinesSchuumltzlings Wie schon gelegentlich zuvor und noch oftmalsspaumlter als Kohl schon laumlngst Ministerpraumlsident in Mainz gewor-den war bedauerte der Herr Konsul wenngleich nur im enge-ren Familien- und Freundeskreis das raquoungehobelte Beneh-menlaquo Kohls und sein raquoschrecklich ruumlcksichts- und taktlosesAuftretenlaquo Der engste Freund des Herrn Konsuls dem erdavon erzaumlhlte lachte indessen nur und sagte wie er spaumlterdem Autor selbst erzaumlhlte - raquoLaszlig man Fritz wenn er werdensoll was wir uns ausgedacht haben kann er gar nicht ruumlcksichts-los genug seinlaquo

Uumlbrigens der bislang verschwiegene Name des Kohl-Ent-deckers und langjaumlhrigen -Goumlnners war Dr Fritz Ries damali-ger Chef und Groszligaktionaumlr des raquoPegulanlaquo-Konzerns mitHauptsitz in Frankenthal Dessen alter Freund einstiger Kom-militone und bei der Heidelberger schlagendenVerbindung raquoSuevialaquo und spaumlterer stellvertretender Vorsitzen-der des raquoPegulanlaquo-Aufsichtsrats aber hieszlig Dr Hanns MartinSchleyer war bereits der Vertrauensmann des Daimler-Groszlig-aktionaumlrs Friedrich Flick in der Untertuumlrkheimer Konzernzen-trale und bald auch stellvertretender Vorsitzender vonsamtmetalllaquo sowie Vizepraumlsident der Arbeitgebervereinigung

Er sollte noch houmlher aufsteigen ehe er im Herbst 1977 von Ter-roristen entfuumlhrt und ermordet wurde doch in unseremZusammenhang ist zunaumlchst nur von Bedeutung daszlig es DrRies und Dr Schleyer waren die den Jungpolitiker HelmutKohl raquovormerktenlaquo fuumlr zukuumlnftige Jahre wenn eine raquoBundes-regierung nach Maszliglaquo und nach dem Herzen der groszligen Kon-zerne aufzustellen sein wuumlrde

Wir werden auf Dr Fritz Ries und Dr Hanns MartinSchleyer noch einmal zuruumlckkommen doch hier sei uumlber Riesnur noch angemerkt daszlig es fuumlr den raquoPegulanlaquo-Konzern unddessen Produkte vor allem Fuszligbodenbelaumlge aus Kunststoff1975 eine Absatzkrise gab Nur durch eine Landesbuumlrgschaft inMillionenhoumlhe konnten die Banken bewogen werden demUnternehmen noch einmal uumlber die Runden zu helfen DasFachblatt raquoWirtschaftswochelaquo meldete dazu am 5 Maumlrz 1976raquoTatsaumlchlich muumlssen die Finanzkalamitaumlten bei Ries und den

Pegulan-Werken noch gravierender sein als in der vom23 Januar 1976 dargestellt Der rheinland-pfalzische Finanzmi-nister Johann Wilhelm Gaddum muszligte dem SPD-Abgeordne-ten Rainer Rund auf eine Anfrage zur Pegulan-Krise denn aucheingestehen Landesbuumlrgschaften werden nur dann gewaumlhrtwenn die Sicherheiten im Sinne der Beleihungsgrundsaumltze derKreditinstitute nicht ausreichen Im Klartext heiszligt das lan haumltte ohne die Buumlrgschaft des Landes keinen Kredit mehrbekommen Ob indes diese Landeshilfe allein wegen dergefaumlhrdeten Arbeitsplaumltze zugesagt wurde oder ob der CDU-Kanzlerkandidat und Rheinland-Pfalz-Chef Kohl zusaumltzlichein gutes Wort fuumlr Ries einlegte bleibt offenlaquo

Offen bleibt auch ob der sowohl von der serioumlsen raquoWirt-schaftswochelaquo als auch vom exklusiven raquoManager-Magazinlaquoverbreitete angebliche Ries-Ausspruch uumlber Kohl -raquoAuch ich ihn nachts um drei anrufe muss er springen laquo- korrekt wieder-gegeben worden ist Immerhin bezeichneten Ries-TochterMonika und deren Ehemann Rechtsanwalt Herbert Krall die-

Mit Gewiszligheit laumlszligt sich nur sagen daszlig das damals von Hel-mut Kohl gefuumlhrte Land Rheinland-Pfalz den Konzern des Dr

Ries durch Uumlbernahme von Buumlrgschaften in Millionenhoumlhelange vor dem Zusammenbruch bewahrt hat Dabei hat moumlgli-cherweise der Umstand eine Rolle gespielt daszlig dem Ries-Kon-zern schon zuvor bedeutende Landesmittel zuteil gewordenwaren deren Gesamthoumlhe von Fachleuten auf zig MillionenDM veranschlagt wurde

Ebenfalls durch Kohl zuteil geworden war Dr Fritz Ries imFebruar 1972 der Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuzeine ungewoumlhnliche Ehrung fuumlr einen Mann dessen raquounter-nehmerische Leistung und Engagement fuumlr die Gesellschaftlaquowie es in der Verleihungsurkunde hieszlig wahrlich nicht unum-stritten waren Denn Fritz Ries Kohls raquoWeichenstellerlaquo vonihm auch manchmal als raquoder gute Mensch von Frankenthallaquobezeichnet hatte eine recht dunkle unternehmerische Vergan-genheit Der am 4 Februar 1907 in Saarbruumlcken geborene FritzRies Sohn des Inhabers einer Moumlbelhandlung hatte nach demAbitur ein Jurastudium begonnen erst in Koumlln dann in Heidel-berg wo er-wie schon kurz erwaumlhnt den acht Jahre juumlngerenKorpsstudenten Hanns Martin Schleyer als raquoLeibfuchslaquo unterseine Fittiche nahm

Schleyer es sei hier nur am Rande angemerkt war als Sohneines Landgerichtsdirektors in OffenburgBaden 1915 geborenworden und bereits als Schuumller 1931 der Hitlerjugend beigetre-ten 1933 in die SS aufgenommen worden (Mitgliedsnummer227014) und galt mit 19 Jahren schon als raquoAlter Kaumlmpferlaquo dervon 1934 an die Universitaumlt Heidelberg in eine raquoForschungs-und Erziehungsanstalt nationalsozialistischer Praumlgunglaquo zu ver-wandeln sich bemuumlhte Er leitete dort spaumlter auch in Inns-bruck dann in Prag das sogenannte raquoStudentenwerklaquo aus des-sen SS-Mannschaftshaumlusern der Sicherheitsdienst (SD) derNazis seinen Nachwuchs rekrutierte Von 1939 an stand derSS-Fuumlhrer Dr Schleyer im neuen raquoProtektorat Boumlhmen undMaumlhrenlaquo an der Spitze der gesamten SS-raquoHochschularbeitlaquoihm unterstanden rund 160 Angestellte und sein Jahresetatbetrug rund zehn Millionen Reichsmark

Von 1939 an war SS-Hauptsturmfuumlhrer Dr Schleyer einemMann direkt unterstellt der als Chef des raquoReichssicherheits-hauptamteslaquo an der Spitze des SD der Gestapo und der

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ten Polizei stand SS-Obergruppenfuumlhrer Reinhard HeydrichIm September 1941 wurde Heydrich unter Beibehaltung seinerMachtstellung im Reich auch noch Stellvertreter des Reichspro-tektors von Boumlhmen und Maumlhren und damit der eigentlicheHerrscher in der Tschechoslowakei Dr Schleyer seine rechteHand und Kontrolleur der tschechoslowakischen Industrie biszum letzten Tag der deutschen Besatzung Erst am 8 Mai 1945schlug er sich mit den letzten SS-Verbaumlnden unter Mitnahmevon Geiseln tschechischen Frauen und Kindern zu den schonkurz vor Prag stehenden Amerikanern durch und wurde vondiesen interniert und einige Jahre lang gefangengehalten

Doch zuruumlck zu Fritz Ries der sich beim HeidelbergerKorps raquoSuevialaquo bei Mensuren jene raquoSchmisselaquo genanntenFechtnarben holte die fuumlr eine Karriere damals sehr foumlrderlichwaren Unmittelbar vor dem Verbot der korpsstudentischenMensuren forderte Ries noch einen Kommilitonen der seineEhre verletzt hatte auf Pistolen wobei ihm sein raquoLeibfuchslaquoSchleyer wie dieser sich erinnerte und dem Autor lachenderzaumlhlte die Waffe zum Kampfplatz trug

Schon kurz darauf beendete Fritz Ries sein Studium als Drjur und begann sogleich -im Herbst 1934 seine Unternehmer-karriere nachdem er im Jahr zuvor der Nazipartei beigetretenwar und die Tochter des wohlhabenden Rheydter ZahnarztesDr Heinemann geheiratet hatte Mit schwiegervaumlterlichemGeld entfaltete er wie er selbst in einem Schreiben an einehohe Nazi-Parteistelle ohne falsche Bescheidenheit anfuumlhrte raquoeine auszligerordentliche unternehmerische Aktivitaumltlaquo Er hatteeine Leipziger Gummiwarenfabrik Fluumlgel Polter erworbenund diesen 120-Mann-Betrieb in wenigen Jahren zu einem mitt-leren Konzern ausgebaut fast ausschlieszliglich mit Hilfe soge-nannter raquoArisierungenlaquo

Durch die judenfeindliche Politik der Nazis waren die fruumlhe-ren Eigentuumlmer gezwungen ihre Unternehmen weit unterdem tatsaumlchlichen Wert und zu demuumltigenden Bedingungen anraquoArierlaquo wie Dr Ries zu verkaufen Anzumerken ist daszlig DrRies innerhalb kuumlrzester Zeit zum branchenbeherrschendenPraumlservativ-Hersteller des raquoGroszligdeutschen Reicheslaquo aufruumlckteund fuumlr seine ruumlde auch im raquoangeschlossenenlaquo Oumlsterreich prak-

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tizierte raquoArisierungslaquopolitik starke Ruumlckendeckung durch dieNazi-Partei erhielt

Vom Herbst 1939 an also gleich nach Beginn des ZweitenWeltkrieges wurde der Ries-Konzern raquoauf den Kriegsbedarfder Wehrmacht umgestellt und stark erweitertlaquo Die Beschaumlftig-tenzahl hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt verzehnfacht derUmsatz war auf mehr als das Zwanzigfache gestiegen und balderreichten die Umsaumltze und Gewinne geradezu schwindelndeHoumlhen Denn von 1941 an konnte Dr Ries seinen Gummikon-zern auf die eroberten polnischen Gebiete ausdehnen immerneue Betriebe raquouumlbernehmenlaquo dabei unterstuumltzt von einemeigens fuumlr solche Aufgaben engagierten SS-Standartenfuumlhrerim Sicherheitsdienst (SD) Herbert Packebusch

Packebusch nach dem die Staatsanwaltschaft Kiel wegendringenden Verdachts des Mordes in zahlreichen Faumlllen nochJahrzehnte nach Kriegsende vergeblich fahndete half Dr Riesauch bei der Beschaffung von Arbeitskraumlften So arbeitetenallein in einem der Ries-Betriebe im eroberten Polen denraquoOberschlesischen Gummiwerkenlaquo in Trzebiniazien) laut einer raquoGefolgschaftsuumlbersichtlaquo vom 30 Juni 1942insgesamt 2 653 juumldische Zwangsarbeiter davon 2 160 Frauenund Maumldchen Vornehmlich mit deren Hilfe sprich aufgrundruumlcksichtsloser Ausbeutung stieg der Umsatz in Trzebinia von101861 RM im Dezember 1941 auf 1300 619 RM im April 1942also binnen vier Monaten auf mehr als das Zwoumllffache

Die erhalten gebliebenen Berichte des deutschen Aufsichts-personals geben Einblick in die im Ries-Werk Trzebinia damalsherrschenden schrecklichen Zustaumlnde zeigen die rigorose Aus-beutung und die taumlglichen Miszlighandlungen der fuumlr Dr Riesschuftenden Frauen und Maumldchen

So erging folgende Anordnung raquoWir haben den Arbeitskraumlf-ten erklaumlrt daszlig die Arbeitsleistung in den naumlchsten Tagenwesentlich gesteigert werden muszlig da wir sonst annehmendaszlig die Arbeit sabotiert wirdlaquo was nach Lage der Dinge eineklare Morddrohung war denn nachlassende Leistung oder garSabotage wurde mit sofortiger raquoUmsiedlunglaquo in das knapp 20Kilometer entfernte KZ Auschwitz geahndet wo raquoArbeitsunfauml-higelaquo sofort vergast wurden

Da die deutschen Behoumlrden aber bereits damit begannenalle Juden der Gegend ohne Ruumlcksicht auf ihren Wert alsArbeitskraumlfte der raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquo des DrRies nach Auschwitz zu schaffen beschloszlig dieser raquoVollblutun-ternehmerlaquo aus der Not eine Tugend zu machen zumindestfuumlr sich selbst Weil am Ende sicherlich auch diese letzten Fach-kraumlfte raquoumgesiedeltlaquo werden wuumlrden zwecks spaumlterer Ermor-dung wie alle Beteiligten wuszligten - galt es Vorsorge fuumlr seinenKonzern zu treffen Da hatte nun ein trefflicher Ries-Mitarbei-ter die Idee die nach Auschwitz raquoumgesiedeltenlaquo und dort aufihren Tod wartenden Juden nicht unproduktiv im KZ herumsit-zen zu lassen sondern ihre Wartezeit mit nutzbringenderArbeit fuumlr den Ries-Konzern auszufuumlllen

Und so geschah es Im Lager Auschwitz wurde eine raquoGroszlig-nebenstellelaquo errichtet raquoEs stehen in Kuumlrze etwa 3 000 bis 5 000weibliche Arbeitskraumlfte zur Verfuumlgunglaquo heiszligt es in der Mel-dung vom 10 Juli 1942 Die erforderlichen Naumlh- und sonstigenMaschinen aus dem Besitz schon ermordeter juumldischer Hand-werker kaufte der Ries-Konzern der SS billig ab und fortanbrauchte sich Dr Ries der in einer schoumlnen eigens fuumlr ihn

in Trzebinia wohnte um diemorallaquo seiner Belegschaft nicht mehr zu sorgen Darum kuumlm-merte sich die SS und die raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquolieferten nur das zu verarbeitende Material und holten die fer-tige Ware im KZ ab um sie mit sattem Gewinn an die Wehr-macht und andere Abnehmer zu verkaufen

Wie in Ostoberschlesien und Galizien so hatte Dr Riesnoch einige weitere Produktionsstaumltten im annektierten Polenin Konzernbesitz gebracht unter anderen einen Groszligbetriebin Lodz das die Deutschen in raquoLitzmannstadtlaquo umgetaufthatten

Natuumlrlich arbeiteten auch die raquoGummiwerke Warthelandlaquowie Dr Ries seine Lodzer Erwerbung nannte erst mit juumldi-schen dann mit polnischen Zwangsarbeitern nur die Aufseherund das Wachpersonal erhielten regulaumlre Bezahlung

Nebenbei bemerkt auch die deutschen raquoGefolgschaftsmit-gliederlaquo wurden bespitzelt und raquovertraulichlaquo gemeldet etwawenn sie den katholischen Gottesdienst besucht hatten Und

schlieszliglich ging die Brutalitaumlt im Ries-Konzern so weit daszlig diepolnischen Arbeitskraumlfte zumeist junge Frauen und Maumldchennicht nur nach beendeter Schicht in einem Barackenlager unterAufsicht gestellt sondern auch waumlhrend der Arbeitszeit imSaal eingeschlossen und nach Schluszlig der Arbeit durchsuchtwurden Verantwortlich fuumlr diese und andere raquoenergischelaquoMaszlignahmen war ein von Dr Ries im zweiten Halbjahr 1944 ein-gestellter neuer Direktor der am 30 Oktober 1944 auch schrift-lich anordnete daszlig jeder der mehr als einmal anseinem Arbeitsplatz unentschuldigt fehlte zur raquoauszligerbetrieb-lichen Bestrafunglaquo durch die Gestapo zu bringen sei

Zu dieser Zeit war die raquoVerlagerunglaquo- das heiszligt der Abtrans-port nach Westen von allem was nicht niet- und nagelfest war bereits in vollem Gange und der neue Direktor erwarb sich beider Rettung des Ries-Besitzes vor der anruumlckenden RotenArmee raquodurch Umsicht Schneidigkeit und Haumlrtelaquo wie Dr Riesihm bescheinigte groszlige Verdienste

Der Name dieses neuen Direktors der ein Kaumlmpferlaquoder Nazipartei und zuletzt Leiter einer Dienststelle im schongeraumlumten Krakau gewesen war soll hier nicht verschwiegenwerden Es handelte sich um Artur Missbach einen spaumlterenCDU-Bundestagsabgeordneten der als solcher vor allem da-durch von sich reden machte daszlig er Ende der sechziger Jahreauf amtlichem Papier des Bundestags Werbebriefe fuumlr dieInvestment-Schwindelfirma IOS verschickte Mit dem Bundes-adler im Briefkopf pries MdB Missbach damals die IOS-Zertifi-kate als raquodie derzeit beste und sicherste Anlage mit der houmlch-sten Renditelaquo an und gleichzeitig verkaufte er unter demDecknamen raquoSebastian Bachlaquo fuumlr mindestens drei MillionenDollar IOS-Anteile an deutsche Sparer die den -wegen Steuer-hinterziehung landesfluumlchtigen raquoSebastian Bachlaquo dann eben-so verfluchten wie ihre wertlos gewordenen Papiere

Doch zuruumlck zu Dr Ries dem mit seinem Direktor Miss-bach sehr zufriedenen Konzernchef der im Winterseine riesige Beute aus Polen mit Lastwagen-Konvois undGuumlterzuumlgen weit nach Westen raquoverlagertelaquo und was die Bar-geldbestaumlnde des Konzerns betraf so erinnerte sich Ries-Toch-ter Monika der 17 Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart im

Prozeszlig um das Buch raquoGroszliges Bundesverdienstkreuzlaquo als Zeu-gin benannt deutlich daran wie sich ihr Vater im Familien-kreis am abendlichen Kaminfeuer haumlufig mit Stolz dazubekannt hat anno 1945 raquoRiesensummen persoumlnlich und koffer-weise nach Westen geschafftlaquo zu haben

Fuumlnf Jahre spaumlter indessen am 28 November 1950 schil-derte Dr Ries seine Lage gegen und nach Kriegsende folgen-dermaszligen raquo1944 gruumlndete ich die Gummiwerke Hoya GmbHMit dieser Gruumlndung wollte ich lediglich einen Teil der Maschi-nen aus den mir gefaumlhrdet erscheinenden oumlstlichen Gebietenretten Tatsaumlchlich waren bei Kriegsende in Hoya neue Maschi-nen fuumlr etwa 15 Millionen RM gelagert Weiterhin standenmir bei Beendigung des Krieges einige hunderttausend MeterStoff zur Verfuumlgunglaquo Um einen Teil des kofferweise gerette-ten aber immer wertloser werdenden Bargelds anzulegenerwarb Dr Ries kurz nach Kriegsende auf der am weitestenwestlich gelegenen deutschen Nordseeinsel Borkum raquoKoumlhlersStrandhotellaquo das groumlszligte Haus am Platze Es stellte nach heuti-gen Maszligstaumlben ein Multimillionenobjekt dar Was aber derBesitz von raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo in den Not-jahren 1945-48 bedeutete laumlszligt sich heute uumlberhaupt nicht mehrermessen Schon mit drei Metern Anzug- oder Mantelstoffkonnte man bis zur Wahrungsreform vom Juni 1948 durchTausch oder Verkauf auf dem Schwarzen Markt die Ernaumlhrungeiner fuumlnfkoumlpfigen Familie fuumlr mindestens zwei Monate sicher-stellen Mit raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo haumltte mandie Lebensmittelversorgung einer Groszligstadt waumlhrend sechsDekaden gewaumlhrleisten koumlnnen als die amtlichen Rationenwie 1947 in Wuppertal bei nur noch 650 Kalorien pro Tag lagen

Jedenfalls darf man sagen daszlig Dr Ries die Nazi-Diktaturund den Zweiten Weltkrieg nicht nur heil sondern geradezuglaumlnzend uumlberstanden hatte ebenso die Wirren das Elend undden Hunger der ersten Nachkriegsjahre In Polen waren ihm

Die Machenschaften des Dr Fritz Ries deren Entdeckung und Veroumlffentli-chung durch den Autor dieses Schwarzbuches und die Auswirkungen der Ver-oumlffentlichung sind ausfuumlhrlich dargestellt in dem Taschenbuch raquoGroszliges Bun-desverdienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

Abermillionen an Kriegsbeute zuteil geworden nicht nur wert-volle zum Teil fabrikneue Maschinen waggonweise TextilienAutoreifen Gummistiefel -schuhe und Maumlntel sondern auchkofferweise Bargeld dazu Unmengen von KunstgegenstaumlndenTeppichen und Juwelen sowie wie die erhalten gebliebenenDokumente beweisen die Wertsachen seiner Arbeitssklavender Schmuck und das Zahngold der geschundenen MaumlnnerFrauen und Kinder

Um so erstaunlicher ist es daszlig Dr Ries obwohl aus Saar-bruumlcken und spaumlter in Leipzig beheimatet zeitweise in Trzebi-nia bei Auschwitz und zuletzt auf Borkum wohnhaft mit Kon-zernsitz in Leipzig dann in Hoya an der Weser und schlieszliglichin Frankenthal von den dortigen rheinpfalzischen Behoumlrdendennoch als raquoHeimatvertriebenerlaquo anerkannt wurde Ja manbescheinigte ihm dem groszligen Beutemacher sogar einen treibungsschadenlaquo Am 10 Oktober 1953 sein Schuumltzling Hel-mut Kohl war bereits ein Lokalmatador der CDU mit gutenBeziehungen bestaumltigte ihm das Ausgleichsamt bei der Stadt-verwaltung Frankenthal Aktenzeichen 16Mke - daszlig raquoderAntragsteller Dr Fritz Ries hier die Feststellung der folgendenVertreibungsschaumlden beantragt hat1 Geschaumlftsanteil an der Oberschlesischen

Gummiwerke GmbH Trzebinia uumlberNennbetrag (Kapitalforderung) 1445 000 RM

2 Geschaumlftsanteil an der raquoGummiwerkeWartheland AGlaquo Litzmannstadt uumlber 500 000 RM

3 Verlust eines Einfamilienhauses mit10 Zimmern in Trzebinia Kreis Krenau(Oberschlesien) Grundvermoumlgen

Weiter wird bestaumltigt daszlig die Angaben des Antragstellers indem Feststellungsantrag hinreichend dargetan sindlaquo

Mit anderen Worten Einem Saarlaumlnder der mit Wohn- undKonzernsitz in Leipzig das eroberte Polen ausgepluumlndert Skla-venarbeiter aufs grausamste ausgebeutet und sich deren Besitzwiderrechtlich angeeignet hatte wurde amtlich bescheinigtdaszlig nicht seine Opfer sondern er selbst zu entschaumldigen seiund daszlig seine dreisten Behauptungen als Beweis ausreichtenUnd so wie in diesem Fall ging es dutzendfach weiter

An jeder Finanzquelle die die oumlffentliche Hand damalseinem schuldlos verarmten und unterstuumltzungsbeduumlrftigenHeimatvertriebenen sprudeln lieszlig wenn er einerseits im OstenMillionenverluste erlitten hatte andererseits an seinem Auf-nahmeort neue Arbeitsplaumltze zu schaffen bereit war labte sichDr Ries mit Hilfe seiner politischen Freunde von der CDU inreichem Maszlige

Gluumlcklicherweise fuumlr ihn hatte man Dr Fritz Ries als blo-szligen raquoMitlaumluferlaquo der Nazi-Partei eingestuft und damit galt dermillionenschwere Kriegsgewinnler und als V-Mann derGestapo auserwaumlhlte raquoabsolut zuverlaumlssige NationalsozialistlaquoDr Ries in Rheinland-Pfalz (und damit in der ganzen Bundes-republik) als politisch voumlllig unbelasteter Ehrenmann

Wann immer sich bei den Lastenausgleichs- und anderenAumlmtern Zweifel regten etwa was die behauptete Houmlhe der raquoVer-treibungsschaumlden laquo des Dr Ries betraf wurden sie so nachzu-lesen in den Akten des damaligen Ries-Generalbevollmaumlchtig-ten fuumlr die Regelung seiner raquoAnspruumlchelaquo Dr Grote-Mismahl durch starken politischen Druck von oben beseitigt

Wer diesen Druck ausuumlbte laumlszligt sich nicht mehr mit Sicher-heit feststellen und es waumlre unfair diese Machenschaftenallein dem 1953 gerade erst zum Mitglied des Geschaumlftsfuumlhren-den Landesvorstands der regierenden CDU aufgeruumlckten Ries-Guumlnstling Helmut Kohl anzulasten von dem allerdings fest-steht daszlig er in den folgenden Jahren als er zum einfluszligreich-sten Politiker des fest in der Hand seiner Partei befindlichenBundeslands Rheinland-Pfalz aufstieg seinem langjaumlhrigenFoumlrderer Dr Ries wiederholt sehr behilflich gewesen ist

So stellt sich die Frage ob Helmut Kohl uumlber die duumlstere Ver-gangenheit seines groszligzuumlgigen Foumlrderers und dessen dreisteLuumlgen hinsichtlich seiner angeblichen raquoVertreibungsschaumldenlaquogenau Bescheid gewuszligt hat Ries-Tochter Monika Krall anwalt-lich als Zeugin gehoumlrt war sich nicht absolut sicher ob ihrraquoVater auch in Gegenwart von Dr Kohl sich seiner so profitab-len Unternehmertaumltigkeit in Polen geruumlhmt hat und wenn jaob dann nur so allgemein oder mit genauen Einzelheitenlaquo

Eine damalige Ries-Angestellte die sich ihrerseits genaudaran erinnert gab indessen zu Protokoll daszlig raquoHerr Konsul

Dr Ries dem Herrn Dr Kohl stolz von seinen Betrieben in Polen und von den gluumlcklicherweiselaquo in groszligerAnzahl zur Verfuumlgung stehenden juumldischen und polnischenZwangsarbeitern erzaumlhlt hatlaquo Sie wuszligte sogar noch das fahre Datum war im Fruumlhjahr 1967 der Herr Konsul DrRies bekam das Groszlige Bundesverdienstkreuz das Herr DrKohl damals CDU-Landesvorsitzender ihm verschafft hatteDr Ries erzaumlhlte ihm dann er haumltte schon damals in Polen dasKriegsverdienstkreuz verliehen bekommen laquo Diese Zeugindie in Frankenthal beschaumlftigt ist wollte begreiflicherweisenicht namentlich genannt werden

Indessen spielt die Frage ob Helmut Kohl schon damals imFruumlhjahr 1967 die ganze scheuszligliche Wahrheit uumlber die Vergan-genheit seines langjaumlhrigen Foumlrderers kannte keine groszligeRolle Denn schon fuumlnf Jahre spaumlter heftete Kohl seit 1969 Mi-nisterpraumlsident von Rheinland-Pfalz dem Dr Ries auch nochden Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuz an die Brust undzu diesem Zeitpunkt war Helmut Kohl wie sich beweisen laumlszligtvoll unterrichtet uumlber den Werdegang dieses Mannes der ihnals jungen Politiker raquoentdecktlaquo nach Kraumlften gefoumlrdert und dieKarriere erst ermoumlglicht hatte Kohl wuszligte Bescheid uumlber dieskrupellose raquoArisierungenlaquo des raquoKondom-Koumlnigslaquo Ries des-sen Beziehungen zur Gestapo und uumlber dessen Raubzuumlge in Po-len Er war daruumlber im Bilde daszlig sich Ries bei und in Auschwitzbereichert und Tausende von Arbeitssklavinnen fuumlr sich hatteschuften lassen Desgleichen wuszligte er daszlig die Entschaumldigun-gen fuumlr angebliche raquoVertreibungsschaumldenlaquo seines Goumlnners er-schwindelt waren Trotzdem zeichnete er ihn mit dem zweit-houmlchsten Orden aus den die Bundesrepublik zu vergeben hattepries oumlffentlich raquodas staunenswerte Lebenswerklaquo und raquodie vor-bildlichen unternehmerischen Leistungenlaquo des Dr Ries undwar ihm weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefaumlllig

Helmut Kohl warjedoch zu dieser Zeit laumlngst nicht mehr dereinzige Spitzenpolitiker der Unionsparteien von dem Dr Riesstolz behaupten zu koumlnnen meinte raquoWenn ich den nachts umdrei anrufe muszlig er springenlaquo

Dazu muszlig man wissen daszlig sich Konsul Dr Ries dessenraquoPegulanlaquo-Konzern damals noch florierte einen -wie er fand

raquostandesgemaumlszligenlaquo Landsitz nebst Jagdrevier Golfplatz undSchloszlig zugelegt hatte das als der Steiermarklaquo geruumlhmteSchloszliggut Pichlarn eine der schoumlnsten Besitzungen Oumlster-reichs Dort verkehrten als Gaumlste des Schloszligherrn Dr Ries nach den Veroumlffentlichungen der Lokalpresse in den fruumlhensiebziger Jahren etliche fuumlhrende Persoumlnlichkeiten der bun-desdeutschen Wirtschaft und Politik von denen wir hier einknappes Dutzend als repraumlsentative Auswahl nennen und zujedem Namen ein paar Erlaumluterungen geben wollen

raquoHerr Generalbevollmaumlchtigter Tesmann (es handelte sich umRudolf Tesmann geboren 1910 in Stettin einen fruumlherenhohen SS-Fuumlhrer letzter bekannter DienstgradSS-Obersturmbannfuumlhrer - vom Maumlrz 1944 bis KriegsendeVerbindungsmann zu Reichsleiter Martin Bormann Tesmannwurde 1945 von den Englaumlndern interniert und von seinem Mit-gefangenen dem Kaufhauskoumlnig Helmut Horten nach beiderEntlassung 1948 in den Horten-Konzern zuletzt als Generalbe-vollmaumlchtigter uumlbernommen Tesmann war auszligerdem damalsPraumlsidiumsmitglied des gtWirtschaftsrats der

Herr Dr Hanns Martin Vorstandsmitglied der Daim-ler-Benz AG mit Frau (den wir bereits kennengelernt habenund von dem noch im Zusammenhang mit der weiteren politi-schen Karriere Helmut Kohls die Rede sein wird)

Herr Dr Alfred Dregger mit Frau (damals Vorsitzender derhessischen CDU seit 1982 Fraktionsvorsitzender der CDUCSU im Bundestag und inoffiziell Fuumlhrer des rechten soge-nannten raquoStahlhelmlaquo-Fluumlgels der Union)

Herr Bundestagsabgeordneter Siegfried Zoglmann (geboren1913 in Boumlhmen seit 1928 Mitglied der in der CSR illegalen Hitlerjugend (HJ) 1934 HJ-Fuumlhrer in der Reichsjugendfuumlh-rung in Berlin 1939 Oberster HJ-Fuumlhrer im Boumlh-men und Maumlhren und Abteilungsleiter des 1940 erbat und erhielt Zoglmann vom Hein-rich Himmler persoumlnlich die Erlaubnis als SS-Fuumlhrer in diegtLeibstandarte SS Adolf Hitlerlt einzutreten Nach 1945 Werbe-fachmann im Rheinland 1950 Mitglied des NRW-Landesvor-stands der FDP bis 1958 Landtagsabgeordneter von 1957 biszu seinem Ausscheiden aus Altersgruumlnden Mitglied des Bun-

destags zunaumlchst FDP- seit 1972 CSU-Abgeordneter MitHilfe Zoglmanns und anderer FDP-Uumlberlaumlufer sollte damalsWilly Brandt gestuumlrzt werden die Verhandlungen hieruumlberwurden auf dem Ries-Schloszlig Pichlarn gefuumlhrt)

1931 Mitglied der NSDAP seit 1932 enger Mitarbeiter des Nazi-Propagandachefs und damaligen gtGauleiterslt von Groszlig-Berlin Dr Josef Goebbels in dessen Reichsministerium gtfuumlr Volksauf-klaumlrung und Propagandalt Taubert 1933 eintrat zunaumlchst alsReferatsleiter zustaumlndig fuumlr gtAktivpropaganda gegen dieJudenlt Von 1942 an Chef des gtGeneralreferats Ostraumlt dane-ben seit 1938 auch Richter am 1 Senat des beruumlchtigten gtVolks- gerichtshofslt und beteiligt an Todesurteilen gegen Wider-standskaumlmpfer Auszligerdem lieferte Ministerialrat Dr TaubertText und Idee zu dem 1940 uraufgefuumlhrten Hetzfilm raquoDer ewigeJudelaquo worin die in KZs und Gettos eingepferchten Juden mitRatten und anderem raquolebensunwertemlaquo Ungeziefer verglichenwurden 1945 tauchte der als Kriegsverbrecher gesuchte DrTaubert mit Hilfe westlicher Geheimdienste zunaumlchst unterum 1950 jedoch in Bonn wieder auf leitete die Kalte Kriegs-Propaganda gegen die DDR dann fuumlr VerteidigungsministerFranz Josef Strauszlig den Aufbau der psychologischen Kriegfuumlh-rung bei der Bundeswehr Scharfe Proteste des Zentralrats derJuden fuumlhrten dazu daszlig Strauszlig sich von Dr Taubert offizielltrennen muszligte und dieser trat dann als Leiter der Rechtsabtei-lung und des Persoumlnlichen Buumlros von Konsul Dr Fritz Riesbeim raquoPegulanlaquo-Konzern in Frankenthal ein In enger Abstim-mung mit Ries und sowie mit finanzieller Hilfe ausBonn und von etlichen Industriellen leitete Dr Taubert dieHetzkampagnen gegen Willy Brandt und den Aufbau ultrarech-ter und neonazistischer Gruppen und Presseorgane)

Und schlieszliglich zaumlhlte zu den Gaumlsten des Dr Ries aufSchloszlig Pichlarn auch

dent in Muumlnchen und er fand in der Berichterstattung deroumlsterreichischen Presse uumlber die Gaumlste auf Schloszlig Pichlarndamals die meiste

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Was die steiermaumlrkischen Zeitungen indessen nicht wuszligtenDer CSU-Chef Strauszlig und Konsul Dr Ries waren damalslaumlngst Duzfreunde und uumlberdies hatte Dr Ries die Ehefrau sei-nes Spezis Frau Marianne Strauszlig geborene Zwicknagl zu sei-ner Teilhaberin gewonnen dies uumlbrigens ohne daszlig es FrauStrauszlig einen Pfennig gekostet haumltte

Frau Strauszlig war in die am 23 Februar 1971 gegruumlndete Ries-Gesellschaft raquoDyna-Plastiklaquo in Bergisch-Gladbach eingetretenlaut Handelsregister zunaumlchst mit einer Kommanditeinlagevon 304 500 DM was damals einer Beteiligung von etwa 14 Pro-zent entsprach 1973 wurde das raquoDyna-Plastiklaquo-Kapitel erhoumlhtwobei der Anteil von Frau Strauszlig auf 406 000 DM oder 16 Pro-zent Kapitalanteil stieg Frau Strauszlig hatte jedoch weder dieerste Einlage noch die spaumltere Erhoumlhung einzuzahlen brau-chen diese sollten sich vielmehr raquoaus den Gewinnen auffuumlllenlaquo

im Klartext Dr Ries hatte der Frau seines so einfluszligreichenDuzfreundes ein kleines Geschenk gemacht eine erst 14-dann 16prozentige Beteiligung an einer gutgehenden Konzern-Tochtergesellschaft wohl in der richtigen Annahme daszlig kleineGeschenke die Freundschaft erhalten weshalb weitere aumlhnli-

Beteiligungen der Frau Marianne Strauszlig an bluumlhendenUnternehmen der Ries-Gruppe folgten

Die enge Freundschaft des CSU-Bosses dessen Bewunde-rung fuumlr die unternehmerischen Leistungen des Dr Ries unddie Beteiligung von Frau Marianne Strauszlig am Ries-Konzerndessen finanzielle Grundlagen ja wie wir bereits wissen min-destens teilweise in Auschwitz im Getto von Lodz (Litzmann-

sowie in weiteren Leidensstaumltten der versklavten Judengelegt worden waren erklaumlren vielleicht das von der raquoFrankfur-ter Rundschaulaquo 1969 zitierte Strauszlig-Wort (von dem er erst etwazwei Jahre vor seinem Tod abgeruumlckt ist) raquoEin Volk das diesewirtschaftlichen Leistungen erbracht hat hat ein Recht

Helmut Kohl beobachtete das raquoTechtelmechtellaquo seinesFreundes Dr Ries mit dem CSU-Boszlig Strauszlig von Mainz ausmit sehr gemischten Gefuumlhlen Nicht zuletzt dank der Start-hilfe und langjaumlhrigen Foumlrderung durch Dr Ries hatte er esdort inzwischen zum Ministerpraumlsidenten gebracht Ende Mai

1970 auch schon seine Kandidatur fuumlr den CDU-Bundesvorsitzangemeldet sich aber im Oktober 1971 auf dem CDU-Parteitageine Abfuhr geholt statt seiner war Rainer Barzel gewaumlhlt wor-den Kohl war jedoch entschlossen es nochmals zu probierenund 1975 zugleich ein noch houmlheres Ziel anzustreben naumlmlichKanzlerkandidat der Union zu werden und spaumltestens dannwuumlrde er in Strauszlig seinen gefaumlhrlichsten Rivalen haben

Indessen haumltte ihn sein langjaumlhriger Goumlnner Dr Ries schondamals beruhigen koumlnnen Ries und seine Freunde aus derbundesdeutschen Konzernwelt hatten bereits ganz bestimmtePlaumlne und tatsaumlchlich waren sie sich schon darin einig gewor-den es mit Helmut Kohl als Kanzlerkandidaten zu versuchenwogegen sie nach langem Hin und Her den CSU-Chef FranzJosef Strauszlig als zwar sehr nuumltzlich im Ruumlstungszentrum Muumln-chen aber als raquowenig geeignetlaquo als Regierungschef in Bonnangesehen und von der Liste der moumlglichen Kanzlerkandida-ten gestrichen hatten Allerdings auch darin waren sich dieHerren des Groszligen Geldes einig geworden sollte HelmutKohl raquoeine intellektuelle Stuumltzelaquo erhalten Denn so unbestrit-ten Kohls demagogische Talente und sein ruumlcksichtsloser Ge-brauch der Ellenbogen waren so wenig vertraute man seinengeistigen Faumlhigkeiten

Deshalb war ebenfalls auf Schloszlig Pichlarn schon zuBeginn der siebziger Jahre entschieden worden dem Dr Kohlfuumlrs kuumlnftige Kanzleramt eine raquoNummer zweilaquo an die Seite zustellen einen wie der damalige Hauptbeteiligte es nannte raquoIntelligenzbolzenlaquo der Kohls erkennbares intellektuellesDefizit ausgleichen und in Wahrheit raquodie Richtlinien der Poli-tiklaquo bestimmen sollte Wieder war es Dr Fritz Ries der von denganz groszligen Bossen dazu ausersehen wurde einerseits dieschon erkorene raquoNummer zweilaquo auf den gemeinsam gefaszligtenPlan raquoeinzustimmenlaquo andererseits seinem Schuumltzling Kohlklarzumachen daszlig er solche raquointellektuelle Stuumltzelaquo brauchenwuumlrde und zu akzeptieren haumltte denn schlieszliglich wolle er dochder Nachfolger Adenauers und womoumlglich sogar Bismarckswerden Auch diese so erklaumlrte der gewiefte GeschaumlftsmannDr Ries dem unbedarften Doktor der Geschichte Kohl haumltteneine graue Eminenz im Kanzleramt gehabt der eine seinen

Staatssekretaumlr Dr Globke der anderen seinen Geheimrat vHolstein

Helmut Kohl schien-wie eine Zeugin dieses Gespraumlchs sichdeutlich erinnert zwar uumlber Adenauers Staatssekretaumlr imKanzleramt Dr Hans Maria Globke Bescheid zu wissen eswar ihm wohl nicht entgangen daszlig dieser Dr Globke bis zuAdenauers Ruumlcktritt im Jahre 1963 die Bonner Personalpolitikvon der Gruumlndung der BRD an maszliggeblich beeinfluszligt auchdie westdeutschen Geheimdienste geleitet und zugleich dasVertrauen des hohen katholischen Klerus genossen hatte (diesuumlbrigens auch schon zur Zeit der Nazi-Diktatur als damaligerJudenreferent des Reichsinnenministeriums erst unter dem1946 in Nuumlrnberg als Hauptkriegsverbrecher hingerichteten -Dr Wilhelm Frick dann unter dessen Nachfolger dem raquoReichs-fuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler weshalb er selbst als Nr 101 aufder Kriegsverbrecherliste der Alliierten verzeichnet gewesenwar)

Aber Helmut Kohl hatte wie er dem Konsul Dr Ries freimuuml-tig gestand von einer raquograuen Eminenzlaquo Bismarcks namensFriedrich v Holstein noch nie etwas gehoumlrt was von seinemvaumlterlichen Freund und Goumlnner schmunzelnd zur Kenntnisgenommen worden war und er hatte dann gesagt Kohl muumlssenoch einiges lernen Spitzenpolitiker brauchten genau wie dieInhaber groszliger Unternehmen hochintelligente und fleiszligigeRatgeber zumal dann wenn diplomatische Meisterstuumlckegefordert seien Dabei gab er Kohl augenzwinkernd zu verste-hen daszlig Intelligenz Fleiszlig und diplomatisches Geschick nichtgerade zu dessen hervorstechenden Eigenschaften zaumlhlten

Wie Konsul Dr Ries dann die heikle Aufgabe loumlste demkuumlnftigen Kanzlerkandidaten des Groszligen Geldes eine vonihm und seinen maumlchtigen Freunden ausgesuchte -raquoNummerzweilaquo schmackhaft zu machen verdient uneingeschraumlnkteBewunderung und wird im uumlbernaumlchsten Kapitel geschildertwerden

Doch zunaumlchst lieszlig Ries seinen Schuumltzling Kohl im unklarendaruumlber wen er fuumlr ihn als raquointellektuelle Stuumltzelaquo im Augehatte Er ging statt dessen so erinnert sich die Zeugin deutlichzu seinem Lieblingsthema uumlber und lobte die geniale Strategie

des raquoReichsgruumlnderslaquo Bismarck Man muumlsse sie den gewandel-ten Verhaumlltnissen und der abermaligen Notwendigkeit wirt-schaftlicher Expansion diesmal nicht mit militaumlrischen Mit-teln geschickt anpassen Ein raquoUumlberrollen der Zone bei derersten Gelegenheitlaquo bezeichnete Dr Ries damals als raquodurchausmachbarlaquo und er sah sein aufmerksam lauschendes politischesZiehkind Helmut Kohl bereits als raquomoumlglichen Eisernen Kanz-ler dieser neuen oumlkonomischen Groszligmachtlaquo

Was nun diese heute fast prophetisch anmutenden Visio-nen des Dr Fritz Ries zu Beginn der siebziger Jahre angeht sowaren sie damals bei westdeutschen Industriellen seines Altersund Schlages durchaus keine Seltenheit Ratgeberwie Dr Eber-hard Taubert und andere fruumlhere raquoOstraumlaquo-Experten bestaumlrk-ten ihre Brotherren fleiszligig in solchen Wunschtraumlumen undwas die Bismarck-Schwaumlrmerei des Dr Ries betraf so war sieebenfalls in Mode zumal in konservativen Kreisen und bei

raquoAlten Herrenlaquo schlagender StudentenverbindungenWarum das bedarf einer kurzen Erlaumluterung

Kurzer Ausflug in die deutscheGeschichte

Der erste deutsche Reichskanzler der Neuzeit Otto v Bis-marck mit dem Helmut Kohl gern verglichen werden moumlchtefuumlhrt in manchen Geschichtsbuumlchern den Beinamen raquoEisernerKanzlerlaquo weil er mit groszliger Energie und meist im Alleingangoft gegen die Volksmeinung und die Parlamentsmehrheit mit-unter auch gegen die Wuumlnsche und Absichten des Staatsober-haupts seine eigene Politik verfolgte Diese war darauf gerich-tet durch eine Reihe von Eroberungskriegen und geschickteraquoVereinnahmungenlaquo das Koumlnigreich Preuszligen dessen Regie-rungsgeschaumlfte er von 1862 an fuumlhrte zur staumlrksten Macht inEuropa werden zu lassen

Dieses Preuszligen war bis zum Untergang der Hohenzollern-Monarchie im Jahre 1918 ein besonders reaktionaumlrer und milita-ristischer Obrigkeitsstaat wo adlige Groszliggrundbesitzer soge-nannte Junker zu denen auch Bismarck gehoumlrte den Ton anga-ben und alle houmlheren Posten in Staat und Armee besetzt hiel-ten Bei seinem Eintritt in die Politik machte sich der junge Bis-marck mit der Feststellung bekannt raquoIch bin ein Junker undwill meinen Vorteil davon habenlaquo Indessen war er trotz dieserArroganz sehr intelligent und weit gebildeter als die allermei-sten seiner Standesgenossen

Fuumlr das Abgeordnetenhaus des Junkerstaats Preuszligen demer angehoumlrte galt - bis 1918 - ein Dreiklassenwahlrecht ZweiDrittel aller Erwachsenen durften ohnehin nicht waumlhlen weilsie entweder Frauen oder unter 25 oder Empfaumlnger oumlffentlicherBeihilfen waren oder keinem eigenen Haushalt vorstandenDas uumlbrige Drittel war in drei Klassen eingeteilt Die wenigenHoumlchstbesteuerten die mittleren Steuerklassen und die Masseder Niedrigstbesteuerten waumlhlten jeweils die gleiche Anzahlvon Wahlmaumlnnern die ihrerseits gemeinsam den Abgeordne-ten des Bezirks bestimmten Damit war garantiert daszlig die Rei-

und Wohlhabenden immer das Sagen hatten der breiteMittelstand unterlegen blieb und die Masse des Volkes gar kein-nen Einfluszlig auf die Zusammensetzung des Parlaments aus-uumlben konnte

Trotz dieser voumlllig undemokratischen Verhaumlltnisse vermoch-te Bismarck als er 1862 preuszligischer Ministerpraumlsident gewor-den war in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit nur gegendas Parlament und an diesem vorbei zu regieren weil auch denwohlhabenden Buumlrgern Preuszligens seine auf Krieg gerichtetePolitik und die enormen Ruumlstungsausgaben verhaszligt warenErst als Bismarck ihnen durch umfangreiche Eroberungen denersehnten groumlszligeren Markt und stark vermehrten Profit be-schert hatte waren auch die meist nationalliberalen Besitz-buumlrger von ihm begeistert

Durch drei Angriffskriege 1864 im Buumlndnis mit Oumlsterreichgegen das kleine Daumlnemark 1866 gegen den Deutschen Bundund dessen Vormacht Oumlsterreich gegen Frankreich verwirklichte Bismarck seine kuumlhnen Plaumlne und man nanntedies (und nennt es wohl noch heute) sein raquoEinigungswerklaquoDabei hatte er in Wahrheit keineswegs alle Deutschen in einemNationalstaat vereinigt vielmehr rund ein Fuumlnftel aller Deut-schen Mitteleuropas ausgesperrt Die uumlber zehn MillionenDeutschoumlsterreicher von Nordboumlhmen bis Suumldtirol waren alsgeschlagene raquoFeindelaquo nicht in das 1871 gegruumlndete DeutscheReich aufgenommen worden Dafuumlr zaumlhlte das Bismarck-Reichunter seinen damals 42 Millionen Einwohnern uumlber vier Millio-nen Nichtdeutsche darunter knapp drei Millionen raquoMuszligpreu-szligenlaquo polnischer Muttersprache je rund 150 000 Litauer ren und Kaschuben knapp 200000 Daumlnen sowie annaumlhernd300 000 Franzosen und Wallonen Sie waren durch Eroberun-gen preuszligische Untertanen geworden oder lebten im annek-tierten von Preuszligen beherrschten raquoReichslandlaquo Elsaszlig-Lothrin-gen Uumlberhaupt war das von Bismarck geschaffene DeutscheReich in Wahrheit nur ein vom stark vergroumlszligerten Preuszligen be-herrschtes Wirtschaftsgebiet dessen nichtpreuszligische Teile einegewisse Scheinsouveraumlnitaumlt genossen Die Bezeichnung raquoDeut-

Reichlaquo war eine geschickte Taumluschung weil das mittel-europaumlische Reich des Mittelalters das in der Neuzeit

gen worden und 1806 auch formal untergegangen war einegaumlnzlich andere Struktur und Bedeutung auch keine wirklicheZentralgewalt keine staumlndige Hauptstadt zudem flieszligendeGrenzen gehabt hatte und weder zum Reich noch zum Deut-schen Bund der von 1815 bis 1866 bestanden hatte war daseigentliche Preuszligen je gerechnet worden

Mit dem raquoBlitzkrieglaquo Preuszligens gegen den Deutschen Bundhatte Bismarck diesen zerschlagen Oumlsterreich in Deutschlandentmachtet und daraus verdraumlngt Preuszligen aber stark vergrouml-szligert um Schleswig-Holstein das Koumlnigreich Hannover Hes-sen-Kassel Hessen-Nassau und die Reichsstadt Frankfurt amMain - so daszlig dieser von ihm regierte Hohenzollernstaat dersich einige Jahrzehnte zuvor schon halb Sachsen und dasRheinland einverleibt hatte nun zu einer Mitteleuropa beherr-

gegen Frankreich wurde Preuszligen-Deutschland zur staumlrkstenMacht auf dem Kontinent vereinnahmte Lothringen und dasElsaszlig gruumlndete das nun von Berlin aus regierte DeutscheReich und gliederte diesem zur Verstaumlrkung des preuszligischenUumlbergewichts Ost- und Westpreuszligen sowie das Groszligherzog-tum Posen an

Noch 23 Jahre zuvor nach der Maumlrzrevolution von 1848 warder damalige Preuszligenkoumlnig Friedrich Wilhelm IV unter demDruck der demokratischen Erhebung der Berliner zu der Erklauml-rung gezwungen gewesen raquoPreuszligen geht fortan in Deutsch-land auflaquo Das hatte dem Wunsch der groszligen Mehrheit entspro-chen die ein demokratisches im Frieden mit den Nachbarnlebendes Deutschland ohne Fuumlrsten und Kleinstaaterei gefor-dert hatte

Aber die demokratische Revolution war dann von preuszligi-schem Militaumlr niedergewalzt worden unter dem Befehl jenesPrinzen Wilhelm den Bismarck 1871 zum Deutschen Kaiserproklamieren lieszlig als es ihm gelungen war Deutschland inPreuszligen aufgehen zu lassen unter Fortbestand der Adelspri-vilegien und der Scheinsouveraumlnitaumlt von 26 deutschen Klein-

Dieses von Bismarck geschaffene und dann noch fast zweiJahrzehnte lang regierte Hohenzollernreich erfuumlllte die

der Industrie und Handels war aber nach obrigkeits-staatlichen autoritaumlren gaumlnzlich undemokratischen Grundsaumlt-zen aufgebaut Adel Militaumlr und im Bunde mit diesen die Her-ren der sich stuumlrmisch entwickelnden Industrie gaben den Tonan Die immer staumlrker werdende Opposition der ausgebeutetenIndustriearbeiterschaft versuchte Bismarck durch die raquoSoziali-stengesetzelaquo mundtot zu machen und die Sozialdemokratiesamt ihren Gewerkschaften zu zerschlagen vergeblich dennbeide wurden noch um vieles staumlrker Deshalb wurde dieArmee abermals vermehrt denn sie sollte auch den raquoinnerenFeindlaquo in Schach halten

Erfolgreich war Bismarck hingegen mit seiner DiplomatieSie war darauf gerichtet sein raquoDeutsches Reichlaquo genanntesGroszligpreuszligen zu festigen und das Risiko weiterer Kriege zu ver-meiden Diese kluge Zuruumlckhaltung wurde nach BismarcksSturz im Jahre 1890 schon bald aufgegeben Kaiser Generalitaumltund Groszligkapital draumlngten auf weitere Machtausdehnung Siewollten die Vorherrschaft nicht allein auf dem europaumlischenKontinent sondern auch auf den Meeren Dem unausweichli-chen Konflikt mit allen anderen Groszligmaumlchten den dieses Stre-ben nach Weltherrschaft heraufbeschwor sah die deutscheFuumlhrung siegesgewiszlig

Indessen endete der Erste Weltkrieg 1918 mit der militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Zusammenbruch derHohenzollern-Monarchie Im selben Spiegelsaal des VersaillerSchlosses wo das Bismarck-Reich gegruumlndet worden warwurde 47 Jahre spaumlter dessen Untergang besiegelt und Deutsch-land auf die Grenzen zurechtgestutzt die dann bis 1937 galten

Die Kriegstreiber von 1914 und die konservative deutscheRechte wollten sich jedoch weder mit diesen raquounrechtmaumlszligigenlaquoGrenzen noch mit den uumlbrigen Folgen der militaumlrischen Nie-derlage von 1918 abfinden Deutschlands Abruumlstung und dieHerstellung demokratischer und sozial gerechterer Verhaumllt-nisse waren ihnen ein Greuel Die Herren des Groszligen Geldeszumal die der Ruumlstungsindustrie im Bunde mit den Militaumlrsund den um ihre verlorenen Privilegien trauernden preuszligi-schen Junkern betrieben fortan den Sturz der Republik Siefinanzierten rechte und ultrarechte Kampforganisationen vom

raquoStahlhelmlaquo bis zur SS schufen einen deutschnationa-len Presse und Filmindustrie weitgehend beherrschenden Pro-pagandaapparat und nutzten die Weltwirtschaftskrise die inDeutschland ihren Houmlhepunkt erreichte der durchMassenarbeitslosigkeit und Elend geschwaumlchten Republiknach nur vierzehn Jahren ihres Bestehens den Garaus zumachen

Die Nazi-Diktatur die sie Anfang 1933 errichteten unddurch rechtskonservative Fachleute ihres Vertrauens unterKontrolle zu halten hofften war aber von noch kuumlrzerer DauerAnfangs erfuumlllten die Nazis zwar die vom Groszligen Geld in siegesetzten Erwartungen Sie zerschlugen sofort und mit aumluszliger-ster Brutalitaumlt die Gewerkschaften und die miteinander verfein-deten Linksparteien beseitigten die Tarifautonomie dieBetriebsraumlte das Streikrecht und begannen sogleich mit massi-ver Aufruumlstung Auch der Krieg den Hitler 1939 vom Zaunbrach brachte anfangs die erhofften Eroberungen und Ausbeu-tungsmoumlglichkeiten Aber er endete wie nicht anders zu erwar-ten gewesen war nach sechs Jahren des Grauens und der Ver-wuumlstung groszliger Teile Europas mit der vollstaumlndigen militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Untergang der Nazi-Diktatur in Schutt und Schande

45 Jahre lang war das uumlbriggebliebene Deutschland erst invier Besatzungszonen dann in zwei selbstaumlndige jahrzehnte-lang keine Beziehungen zueinander unterhaltende Staaten auf-geteilt die entgegengesetzten gesellschaftlichen und politi-schen Systemen angehoumlrten

Konrad Adenauer erster Bundeskanzler von 1949 bis 1963zog aus den Gegebenheiten politische Konsequenzen die sei-ner Herkunft Erfahrung und Grundeinstellung entsprachenEr wurzelte noch im 19 Jahrhundert und hatte die ersten 42Jahre seines Lebens unter dem autoritaumlren Regime des wilhel-minischen Kaiserreichs verbracht Er war Rheinlaumlnder Katho-lik Mitglied der katholischen Zentrumspartei wo er dem eherrechten Fluumlgel angehoumlrte der im Sozialismus den Erzfeind imFaschismus einen moumlglichen Verbuumlndeten sah 1929 als Mus-solini der den italienischen Arbeiterfuumlhrer Giacomo Mateottikurz zuvor hatte ermorden lassen seinen Frieden mit dem

Vatikan machte telegrafierte ihm Adenauer damals Koumllner

staben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragenlaquo1919 nach dem Untergang der Hohenzollern-Monarchie hatteAdenauer schon mit dem Gedanken geliebaumlugelt Westdeutsch-land vom sozialistisch regierten Reich abzuspalten und es alsstarken Partner in eine katholisch-konservative Wirtschafts-union der westlichen Nachbarn Belgien Luxemburg undFrankreich einzubringen 1945 nahm er diese Plaumlne sogleichwieder auf

raquoNach meiner Ansichtlaquo erklaumlrte Adenauer am 5 Oktober1945 raquosollten die Westmaumlchte die drei Zonen die sie besetzt hal-ten tunlichst in einem rechtsstaatlichen Verhaumlltnis zueinanderbelassen Das Beste waumlre wenn die Russen nicht mittun wollensofort wenigstens aus den drei westlichen Zonen einen Bundes-staat zu bildenlaquo Es konnte ihm also mit der Teilung Deutsch-lands gar nicht schnell genug gehen und er fuumlgte dann noch

einem solchen westdeutschen Bundesstaat zu genuumlgen muumlszligteman die Wirtschaft dieses westdeutschen Gebiets mit der Frank-reichs und Belgiens so eng wie moumlglich verflechtenlaquo

Es war indessen nicht allein Adenauers Sympathie fuumlr einenges Buumlndnis mit den katholischen Nachbarn oder seine tiefeAbneigung gegen alles auch nur entfernt Sozialistische die ihnauf eine Spaltung Restdeutschlands in einen kapitalistischenWeststaat und einen den Sowjets uumlberlassenen Oststaat hinar-beiten lieszlig Vielmehr war er auch obwohl zwoumllf Jahre lang Prauml-sident des Preuszligischen Staatsrats der Weimarer Republik einentschiedener Gegner Preuszligens

raquoWir im Westen lehnen vieles was gemeinhinGeistlt genannt wird ablaquo so hatte er in der raquoWeltlaquo vom 30 vember 1946 erklaumlrt raquoIch glaube daszlig die deutsche Hauptstadteher im Suumldwesten liegen soll als im weit oumlstlich gelegenen Ber-

Sobald aber Berlin wieder Hauptstadt wird wird das Miszlig-trauen im Ausland unausloumlschlich werden Wer Berlin zur neuenHauptstadt macht schafft geistig ein neues Preuszligenlaquo Schon fruuml-her hatte Adenauer Berlin eine raquoheidnische Stadtlaquo genanntPreuszligen als raquoAnfang Asienslaquo bezeichnet Die Schaffung der

Bundesrepublik mit dem linksrheinischen buumlrgerlich-konser-vativen und gutkatholischen Bonn als Hauptstadt und die Ent-muumlndigung der Westberliner in Bundestag und Bundesratwaren ganz nach seinem Herzen und sicherten die Herrschaftseiner Union denn die Hochburgen des katholischen Zen-trums hatten vor 1933 in Gebieten gelegen die nun zur BRDgehoumlrten die der Sozialdemokraten aber uumlberwiegend in dernunmehrigen DDR und in Ostberlin

Wenn Adenauer als Bundeskanzler dennoch bei jeder Gele-genheit von einer zu erhoffenden und zu erstrebenden raquoWie-dervereinigunglaquo sprach und auch raquodie Grenzen vonforderte so waren dies notwendige Zugestaumlndnisse an dieGefuumlhle der fast zwoumllf Millionen Fluumlchtlinge und Vertriebenendie sich in den ersten zehn Jahren in Westdeutschland fremdund benachteiligt fuumlhlten und damals noch auf eine baldigeRuumlckkehr in die fruumlhere Heimat hofften Aber seine tatsaumlchli-che Politik war keineswegs auf eine Wiedervereinigung ausge-richtet vielmehr auf die rasche und alle Bereiche umfassendeIntegration der BRD in das westliche Buumlndnis die er ja auchmit erstaunlichem Erfolg betrieb wogegen er jeden Vorschlagvon oumlstlicher Seite die Einheit Deutschlands wiederherzustel-len dafuumlr auf Aufruumlstung NATO-Mitgliedschaft und Stationie-rung von Atomwaffen zu verzichten als raquokommunistischesBlendwerklaquo energisch zuruumlckwies auch Viermaumlchtegarantienfuumlr ein neutralisiertes Gesamtdeutschland (nach dem MusterOumlsterreichs) als raquoFirlefanzlaquo abtat

Unter Adenauer wurde Anfang der fuumlnfziger Jahre die soge-nannte Hallstein-Doktrin entwickelt Sie beruhte auf demAnspruch der Bundesrepublik allein die Rechtsnachfolge desuntergegangenen Deutschen Reiches angetreten zu haben unddie Interessen aller Deutschen zu vertreten Die DDR war die-ser Doktrin zufolge raquonichtexistentlaquo also staatsrechtlich garnicht vorhanden

Dieser Unfug der auch keinerlei Kontakte auf Regierungs-ebene zwischen Bonn und Ostberlin zulieszlig zementierte dieTeilung Deutschlands und machte es dem stalinistischenRegime Walter Ulbrichts leicht ja uumlberhaupt erst moumlglich sichvoumlllig abzukapseln und einzumauern immer unter Hinweis

eumleth

auf die kompromiszliglos feindselige Haltung Bonns die wach-sende militaumlrische Bedrohung durch die Bundesrepublik unddie Notwendigkeit sich gegen die westdeutsche Propagandaund Agentenflut zu schuumltzen Erst durch Willy Brandt denersten sozialdemokratischen Kanzler wurde von 1969 an eineneue Ostpolitik gewagt und die Hallstein-Doktrin fallengelas-

Die neue von der CDUCSU heftig bekaumlmpfte OstpolitikWilly Brandts mit dem Ziel die friedensgefaumlhrdende Hochruuml-stung abzubauen und die innerdeutschen Beziehungen nichtzuletzt den Reiseverkehr allmaumlhlich zu normalisieren machtedem Kalten Krieg ein Ende und setzte auf raquoWandel durchAnnaumlherunglaquo

Diese Hoffnung erfuumlllte sich im Herbst 1989 Aber es warennun Helmut Kohl dessen Union und deren freidemokratischeKoalitionspartner die ernten konnten was Willy Brandt unddessen politische Freunde nach muumlhseliger Abtragung der inJahrzehnten des Kalten Krieges angehaumluften Hindernissegesaumlt hatten Kohl ohne eigenes Zutun ploumltzlich zum raquoKanzlerder deutschen Einheitlaquo aufgestiegen nutzte seine ChanceNachdem sich die DDR aus eigener Kraft vom Honecker-Regime befreit hatte versprach Kohl deren Buumlrgerinnen undBuumlrgern goldene Berge raquobluumlhende Landschaftenlaquo und gren-zenlose Konsumfreiheit und tatsaumlchlich gelang ihm so derkaum noch erhoffte Wahlsieg im Dezember 1990

Seither haben die Menschen im raquoBeitrittsgebietlaquo der neuenBundeslaumlnder erfahren was es heiszligt brutal und ruumlcksichtslosvereinnahmt und dem raquofreien Spiel der Kraumlftelaquo ausgeliefert zuwerden Sie konnten nicht ahnen daszlig es Helmut Kohl und sei-ner Regierungskoalition nur darum ging (und noch geht) auchoumlstlich der Elbe jene Umverteilung von unten nach ganz obendurchzufuumlhren die in Westdeutschland schon seit Jahren imGange war Dieser Prozeszlig der keinerlei Ruumlcksicht auf die so-zial Schwachen zulaumlszligt dient allein den Interessen der Super-reichen

Denn dafuumlr wurde Helmut Kohl von Konsul Dr Ries derihn von der Schulbank an gefoumlrdert und ihm spaumlter umfangrei-che Hilfe bei seinem politischen Aufstieg verschafft hatte im

Auftrag der Herren des Groszligen Geldes auserwaumlhlt Dafuumlrwurde Kohl an die Spitze der CDU gehievt und mit einem klu-gen Ratgeber versehen der ihn ins Kanzleramt begleiten undKohls Maumlngel zumal die an Intelligenz und Takt ausgleichensollte

Nachdem wie bereits geschildert Rainer Barzels CDU-Chefsessel fuumlr Helmut Kohl mit Hilfe von viel Flick-Geld raquofrei-gefaumlcheltlaquo worden war hatte Dr Ries 1972173 die delikate Auf-gabe den kuumlnftigen Ratgeber behutsam auf dieses Amt vorzu-bereiten seinen Schuumltzling Helmut Kohl auf die fuumlr ihn auser-sehene raquoNummer einzustimmen und beide unter seineFittiche zu nehmen

Zum besseren Verstaumlndnis vorausgeschickt Im Juli 1976 nur13 Monate vor der Entfuumlhrung und schlieszliglichen ErmordungDr Hanns Martin Schleyers durch RAF-Terroristen hatte derAutor dieses Schwarzbuchs ein laumlngeres Gespraumlch mit diesemraquoBoszlig der Bosselaquo der damals Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG Praumlsident der Bundesvereinigung der DeutschenArbeitgeberverbaumlnde (BDA) und Vertrauensmann der Flick-Gruppe war bald darauf auch noch Praumlsident des Bundesver-bands der Deutschen Industrie (BDI) wurde Die Unterhal-tung war auf Wunsch Dr Schleyers zustande gekommen

Bei dem gemeinsamen Mittagessen in einem MuumlnchenerHotel zeigte sich Dr Schleyer ungewoumlhnlich offen Soweit esseine und seiner Freunde politischen Plaumlne betraf erklaumlrte eres sei ein Irrtum zu glauben Franz Josef Strauszlig sei ihr Favoritfuumlr das Kanzleramt raquoEr hat groszlige Qualitaumltenlaquo meinte damalsSchleyer uumlber Strauszlig raquoaber er ist zu unkontrolliert und zuangreifbar laquo

Nun gab es wahrlich Gruumlnde genug den damaligen CSU-Chef fuumlr raquozu angreifbarlaquo zu halten Er stand wie das Landge-richt Muumlnchen ihm bescheinigt hatte raquoim Ruch der Korrup-tionlaquo und seine Laufbahn war seit den fruumlhen fuumlnfziger Jahrenals er Bundesverteidigungsminister Adenauers wurde eineKette von Skandalen und Affaumlren Aber Dr Schleyer hatte wiesich dann herausstellte mit der raquoAngreifbarkeitlaquo des FJS etwasanderes gemeint und dessen skandaloumlse Verquickung von poli-tischer Amtsfuumlhrung und privaten Geschaumlften unter die Rubrikraquozu unkontrolliertlaquo eingeordnet Das ergab sich aus einemZusatz der sinngemaumlszlig etwa besagte Ihm Schleyer sei es egal

Naumlheres daruumlber ist nachzulesen in Bernt Engelmann raquoGroszliges Bundesver-dienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

daszlig die Leute nun wuumlszligten daszlig er mal SS-Fuumlhrer gewesen seiaber er wolle ja nicht Bundeskanzler werden

Schleyers Bemerkung Strauszlig waumlre als Kanzler raquozu angreif-barlaquo hatte sich also auf dessen Nazi-Vergangenheit bezogenund zwar etwa in der Bedeutung Als Ministerpraumlsident in Bay-ern kann ein Mann wie Strauszlig noch durchgehen aber nicht alsBundeskanzler in Bonn

Zur weiteren Klarstellung Franz Josef Strauszlig leugnete zeit-lebens seine Nazi-Vergangenheit er hatte fuumlr alles ganz harm-lose Erklaumlrungen Gewiszlig er habe dem NSKK angehoumlrt aberdieses NS-Kraftfahrkorps sei unpolitisch gewesen er selbst nurMitglied wegen seiner Leidenschaft fuumlrs Motorradfahren alsStudent habe er einer raquoPflichtorganisationlaquo dem NS Deut-schen Studentenbund (NSDStB) als einfaches Mitglied ange-houmlrt schlieszliglich sei er gegen Kriegsende raquoOffizier fuumlr wehrgei-stige Fuumlhrunglaquo gewesen habe den Soldaten Geschichtsunter-richt erteilt aber als er dann NSFO NS-Fuumlhrungsoffizierhatte werden sollen da habe er abgelehnt und sich dem heimli-chen Widerstand angeschlossen

Tatsaumlchlich ist urkundlich erwiesen daszlig es mit alledem eineganz andere Bewandtnis gehabt hat und Dr Schleyer wuszligteaus eigener Erfahrung daszlig der NSDStB alles andere war alseine harmlose raquoPflichtorganisationlaquo naumlmlich die auf nur5 000 Mitglieder im ganzen Groszligdeutschen Reich strikt be-grenzte Kaderschule fuumlr den SD den gefuumlrchteten Sicher-heitsdienst der SS dem ja auch Dr Schleyer selbst angehoumlrthatte

Wenn aber Hanns Martin Schleyer und die ihm nahestehen-den Kreise damals 1976 von Franz Josef Strauszlig als Kanzler-kandidat nichts hielten wen mochten er und seine Freundedann im Auge haben

Der Autor stellte ihm diese Frage und uumlberraschenderweiseerwiderte Dr Schleyer ohne ZoumlgernraquoWir setzen auf das Tandem KohlBiedenkopflaquo

Professor Kurt Biedenkopf der 1973 zur allgemeinen Uumlber-raschung Generalsekretaumlr des CDU-Bundesvorstands gewor-den war galt als raquoVordenkerlaquo der Union Im uumlbrigen war er fuumlrdie bundesdeutsche Oumlffentlichkeit im Wahljahr 1976 noch ein

unbeschriebenes Blatt Wer sich uumlber den Professor der bislangkein Bundestagsmandat gehabt hatte naumlher informierenwollte fand im raquoWer ist werlaquo folgenden auf eigenen Angabendes Professors beruhenden Eintrag

am 28 Januar 1930 in (Vater Wilhelm -

mitglied der C Rudolf Poensgen-Stiftung Vorsitzender des

- Buchveroumlffentlichungen Aktuelle Grundsatzfragen des Kartell-

beschraumlnkungen und Wirtschaft 1958 Unternehmer und Gewerk-

Diese Angaben waren nicht sehr aufschluszligreich Zunaumlchst lie-szligen sie vermuten daszlig es sich bei Professor Biedenkopf umeinen stillen Gelehrten handelte der im In- und Ausland flei-szligig studiert hatte um dann eine steile Universitaumltskarriere ein-zuschlagen In rascher Folge war er Privatdozent Ordinariusund sogar Rektor der Bochumer Ruhruniversitaumlt gewordendaneben mit zahlreichen Buchveroumlffentlichungen hervorgetre-ten und in Stifterverbaumlnden aktiv gewesen Aber dann hatte ihnploumltzlich die Politik in Beschlag genommen und er war sozusa-gen aus dem Stand CDU-Generalsekretaumlr geworden

Noch ein weiterer Umstand gab dem Leser der Kurzbiogra-phie Raumltsel auf denn es fehlte darin selbst der kleinste Hinweisauf Herkunft Schulzeit Beruf des Vaters und dergleichenMan konnte vermuten daszlig da vielleicht ein schlichtes Proleta-rierkind aus Bescheidenheit oder falscher Scham seinenraschen Aufstieg ein wenig zu verschleiern trachtete

Indessen war Professor Dr Kurt H Biedenkopf beileibe keinsozialer Aufsteiger vielmehr der Sohn des Dipl Ing Wilhelm

Biedenkopf aus Chemnitz Jahrgang 1900 der bis zu seiner Pen-sionierung ordentliches Vorstandsmitglied einer Perle unterden zur Flick-Gruppe gehoumlrenden Unternehmen naumlmlich derraquoDynamit-Nobel AGlaquo in Troisdorf gewesen war zuvor techni-scher Direktor vielfacher Aufsichts- und Beirat waumlhrend desZweiten Weltkriegs auch ein vom raquoFuumlhrerlaquo besonders belo-bigter und belohnter raquoWehrwirtschaftsfuumlhrerlaquo Ganz zufaumllli-gerweise war Vater Wilhelm Biedenkopf zuletzt auch Mitglieddes Beirats jenes Unternehmens in Bergisch-Gladbach daswesentlich zu den Gewinnen des raquoPegulanlaquo-Konzerns beigetra-gen hatte und an dem Frau Marianne Strauszlig die Gattin desCSU-Chefs von Konsul Dr Ries hochherzigerweise mitzuletzt etwa 16 Prozent beteiligt worden war

Ein weiterer Zufall Sohn Kurt der spaumltere CDU-General-sekretaumlr war waumlhrend eines beruflich bedingten Aufenthaltsseines Vaters als die BASF dessen Dienste in Anspruchgenommen hatte anno 1930 in LudwigshafenRh zur Weltgekommen genau wie Helmut Kohl und mit diesem hatte erauch gemeinsam die Volksschule besucht

Dann aber hatten sich ihre Wege getrennt Der aus unbemit-telter Beamtenfamilie stammende Helmut Kohl muszligte sichwie wir bereits wissen recht muumlhsam nach oben hangeln unddabei spielte sein Foumlrderer Dr Ries eine wichtige Rolle KurtBiedenkopf hingegen hatte in den USA politische Wissenschaf-ten in Muumlnchen und Frankfurt Jura und Volkswirtschaft stu-diert zum Doktor der Rechte und zum Master of Law promo-viert sich mit einer Arbeit uumlber raquoDie Grenzen der Tarifautono-mielaquo habilitiert (und damit zugleich die Aufmerksamkeit derKonzernherren und des Arbeitgeberverbands erregt) und war1967 juumlngster Rektor der Bundesrepublik in Bochum gewordenIn den folgenden Jahren hatte er sich gesellschafts- und wirt-schaftspolitisch zu profilieren begonnen raquoIn seinem BekenntnisZU einer funktionsfaumlhigen Marktwirtschaft mit Wettbewerb und

schrieb damals raquoDer Spiegellaquo uumlber ihn raquolaumlszligt ersich von niemandem uumlberbietenlaquo

Weithin bekannt geworden war der Professor aber erst 1968als ihn Bundeskanzler Kiesinger mit der Leitung einer Kommis-sion beauftragte die fuumlr die Bundesregierung die Frage der

betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer untersuchensollte Diese raquoBiedenkopf-Kommissionlaquo wie sie dann genanntwurde rang sich zwar zu einer Wuumlrdigung der gut funktionie-renden paritaumltischen Mitbestimmung in der Montanindustriedurch entschied sich aber gegen die Ausdehnung diesesModells auf die gesamte Wirtschaft wie es GewerkschaftenSPD und CDU-Sozialausschuumlsse gefordert die Unternehmerjedoch als raquoruinoumls fuumlr die Wirtschaftlaquo abgelehnt hatten Iacute raquomiddotnot raquoreg

iquestfrac34raquoreg iquestlaquofrac12 frac14raquosup2 deg iquestregnotraquomiddotraquomiddotsup1 raquosup2 raquosup2 YacuteUumlEuml oacuteIacute plusmnbrvbar middotiquestacuteiquestlaquoshyshy frac12 $shyshy raquosup2 iquest shyfrac14raquoreg pararaquofrac14raquo Uumlraquosup3 plusmnmicroregiquestnotmiddotshy middotraquoreglaquosup2 sup1 frac14raquoreg Eacute middotregnotoacute

shyfrac12 iquestordmnot brvbar laquo frac34raquomicroltsup3 deg ordmraquosup2 shylaquofrac12cedil raquoograveu Umgekehrt fand nun einer dergroumlszligten bundesdeutschen Konzerne die Henkel-Gruppe daszligdieser so unternehmerfreundliche Professor genau der richtigeMann fuumlr sein Topmanagement sei Anfang 1971 konntedenkopf seine akademische Laufbahn vorerst beenden undGeschaumlftsfuumlhrer der Henkel GmbH werden Von diesem Kom-mandoposten des nicht nur im Waschmittelbereich fuumlhrendenChemie-Riesen dessen Eigentuumlmer als Groszligaktionaumlre desDEGUSSA-Konzerns und der NUKEM-Reaktorbau-Holdingbetraumlchtlichen Einfluszlig auf die Wirtschaft und die Politik derBundesrepublik ausuumlben lieszlig sich Professor Biedenkopf zwei-einhalb Jahre spaumlter weglocken und uumlbernahm den Posten desGeneralsekretaumlrs der in die Opposition verbannten CDU

Niemand vermutlich nicht einmal Kurt Biedenkopf selbstwird mit Bestimmtheit sagen koumlnnen wer oder was den Profes-sor dazu bewogen hat sich von der sicheren Kommandobruumlcke

Die NUKEM GmbH in Hanau gehoumlrt zu 35 Prozent der DEGUSSA derenGroszligaktionaumlr die Familie Henkel (raquoPersillaquo usw) ist Die NUKEM GmbH istihrerseits mit 40 Prozent des Kapitals an der ALKEM GmbH Hanau betei-ligt Der Geschaumlftsfuumlhrer dieser Brennelementefabrik Dr Alexanderkoff seit 1963 CDU-Bundestagsabgeordneter sowie vier weitere ALKEM-Manager wurden im Sommer 1986 von der Staatsanwaltschaft beschuldigtraquowesentliche technische Aumlnderungen im Produktionsablauf ohne atomrecht-liche Genehmigungsverfahren vorgenommen und damit die Sicherheit derAnlage verringert zu Warrikoff fanden sich dann andere Verwen-dungsmoumlglichkeiten Geschaumlftsfuumlhrendes Vorstandsmitglied des Wirtschafts-verbandes Kernbrennstoff-Kreislauf Vorsitzender des Verwaltungsrates derNVD -Nukleare Versicherungsdienst GmbH Bundesvorstandsmitglied desCDU-Wirtschaftsrates

des Henkel-Konzerns in die Wogen der Politik zu stuumlrzen Ver-buumlrgt ist jedoch daszlig Konsul Dr Fritz Ries dem Wunsch seinerGaumlste auf Schloszlig Pichlarn und inbesondere dem seines altenFreundes Hanns Martin Schleyer doch einen raquoIntelligenzbol-zenlaquo zu finden der bereit und imstande waumlre Helmut Kohlsdeutliche Maumlngel auszugleichen sowie beide auf ihre gemein-same Rolle raquoeinzustimmenlaquo mit Eifer und Geschick nachge-kommen ist

Vom Herbst 1972 an organisierte Dr Ries auf seiner steier-maumlrkischen Besitzung sogenannte raquoPichlarner TopmanagerGipfeltreffenlaquo die sich bald groszliger Beliebtheit erfreutenDenn die zur Ries-Besitzung gehoumlrende ProminentenherbergeraquoSchloszlighotel Pichlarnlaquo eignete sich vorzuumlglich dazu das Ange-nehme mit dem Nuumltzlichen zu verbinden

Nuumltzlich waren die Bekanntschaften die man dort machenkonnte denn zu den Pichlarner Gaumlsten gehoumlrten PolitikerIndustriekapitaumlne Bankiers Praumllaten und Militaumlrs nuumltzlichwaren auch die Vortraumlge die man dort houmlren konnte und dieanschlieszligenden Diskussionen und nuumltzlich war schlieszliglichauch die Moumlglichkeit die Pichlarn bot sich im Fitness-Zen-trum in der Schwimmhalle beim Golfspiel zu Pferde oder imJagdrevier vom Streszlig des Alltags zu erholen und die uumlberfluumlssi-gen Pfunde wegzutrimmen Angenehm waren die schoumlne Um-gebung die gepflegte Gastronomie und nicht zuletzt die rei-zende Betreuung teils durch attraktive Hostessen teils durchdie nicht minder liebenswuumlrdigen Toumlchter des Hauses

Kein Wunder also daszlig auch Professor Kurt Biedenkopf gernder Einladung folgte an solchen raquoPichlarner Topmanager-Gip-feltreffenlaquo teilzunehmen und da er wie man der steiermaumlrki-schen raquoSuumld-Ost-Tagespostlaquo damals entnehmen konnte dermit Abstand raquoprominenteste auslaumlndische Teilnehmer und Vor-tragendelaquo dieser Veranstaltungen war ist es leicht begreiflichdaszlig ihm die ganz besondere Fuumlrsorge des Schloszligherrn Dr Riesund seiner bei diesen Treffen stets anwesenden Tochter IngridKuhbier galt Beide lieszligen es sich nicht nehmen Professordenkopf nicht nur als bloszligen Dozenten prominenten Teilneh-mer der raquoGipfeltreffenlaquo und Hotelgast zu behandeln sondernvielmehr als einen engen Freund der Familie

In der Folgezeit - Kurt Biedenkopf war nun schon General-sekretaumlr der CDU geworden vertieften sich diese Beziehun-gen noch Man besuchte sich haumlufiger man telefonierte vielmiteinander und fuumlr die Zeit nach der Bundestagswahl 1976wurden in Pichlarn Frankenthal und Bonn gewisse Uumlberra-schungen erwartet die des ruumlhrigen Konsuls Ansehen und Ein-fluszligmoumlglichkeiten weiter vermehren wuumlrden

Es dauerte jedoch bis 1980 die Wahlen des Herbstes 1976brachten der von Helmut Kohl als Kanzlerkandidat von KurtBiedenkopf als CDU-Generalsekretaumlr gefuumlhrten Union nichtden erhofften Wahlsieg und sowohl Konsul Dr Ries als auchHanns Martin Schleyer weilten schon nicht mehr unter denLebenden bis die Beziehungen Biedenkopfs zur Ries-TochterIngrid nunmehr geschiedener Kuhbier auch standesamtlichbeurkundet wurden Professor Biedenkopf inzwischen eben-falls geschieden von seiner Ehefrau Sabine die ihm vier Kindergeboren hatte heiratete also die mit ihm schon so langebefreundete Ries-Tochter (und Mitgesellschafterin von FrauMarianne Strauszlig bei der raquoDyna-Plastiklaquo und anderen raquoPegu- lanlaquo-Konzerntoumlchtern) In damaligen Ausgaben des Prominen-ten-Lexikons raquoWer ist werlaquo verschwieg Kurt Biedenkopf aller-dings (und verschweigt noch immer) daszlig seine zweite Ehefrauebenfalls geschieden und eine Tochter des verstorbenen Kon-suls Dr Ries ist Dort lautete der auf eigenen Angaben beru-hende Eintrag verheiratet in 2 Ehe mit Ingrid geborenerKuhbierlaquo wo es doch richtig heiszligen muumlszligte raquo mit Ingridgeb Ries gesch Kuhbier raquoOb er sich nun seiner neuen fami-liaumlren Beziehungen zu dem toten Industriellen schaumlmte dereinen bedeutenden Teil seines Vermoumlgens der Ausbeutung vonZwangsarbeitern in und um Auschwitz und Lodz zu verdankenhatte oder ob es ihm fuumlr einen prominenten Christdemokratenunschicklich erschien allzu viele Scheidungen bekannt werdenzu lassen bleibt Kurt Biedenkopfs Geheimnis

Nach Auskunft des Testamentsvollstreckers des 1977 verstor-benen Konsuls Dr Fritz Ries sind heute weder Frau Ingrid Bie-denkopf geborene Ries oder deren Geschwisternoch die Erbender toumldlich verungluumlckten Frau Marianne Strauszlig am raquoPegulanlaquo- Konzern oder dessen Tochterfirmen beteiligt die raquoPegulan

AGlaquo gehoumlrt heute mehrheitlich der bundesdeutschen Holding-gesellschaft der British American Tobacco Co (BAT) BesagterTestamentsvollstrecker ist uumlbrigens der Muumlnchener Fachanwaltfuumlr Steuerrecht langjaumlhrige CSU-Bundestagsabgeordnete (seit1969 ohne eigenen Wahlkreis aber mit stets sicherem Listen-platz) und heutige GEMA-Chef Professor Dr Reinhold Kreile(zeitweilig Mitglied des CSU-Parteivorstands und -Praumlsidi-ums) der bis zum Verkauf des bundesdeutschen Flick-Imperi-ums auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Konzern-Holding-gesellschaft der raquoFriedrich Flick Industrieverwaltung Kom-manditgesellschaft auf Aktienlaquo in Duumlsseldorf war

Und damit schlieszligt sich nun der Kreis Denn es war der Per-sonalchef der Daimler-Benz AG (damaliger HauptaktionaumlrFlick) zugleich BDI- und BDA-Praumlsident Dr Hanns MartinSchleyer der seinen alten Freund und Bundesbruder KonsulDr Fritz Ries 1972 nach den vergeblichen Versuchen WillyBrandt durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzenin die Plaumlne einweihte wie der zweite Versuch einer raquoWendelaquogestartet werden sollte

Der gluumlcklose Barzel muszligte Kanzlerkandidatur und CDU-Parteivorsitz aufgeben bekam zum Trost viel Geld groumlszligten-teils von Flick dazu das Groszligkreuz des Verdienstordens derBundesrepublik (spaumlter auch noch einen Ministersessel undsogar das Amt des Bundestagspraumlsidenten bis die Flick-Zah-lungen ruchbar wurden und er zuruumlcktreten muszligte) statt Rai-ner Barzel sollte Helmut Kohl antreten aber nicht allein son-dern auf dem raquoTandemlaquo mit Biedenkopf Dabei war demraquoSchwarzen Riesenlaquo Kohl von dessen Planungs- und Lenkfauml-higkeiten auch die Herren des Groszligen Geldes nicht so rechtuumlberzeugt waren die Rolle des sich abstrampelnden und dabeiimmer froumlhlich laumlchelnden Lieferanten der Antriebskraft zuge-dacht hingegen dem unternehmerfreundlichen und konzern-verbundenen raquoIntelligenzbolzenlaquo Biedenkopf die Rolle desStrategen und Steuermanns

Das raquoTandemlaquo-Team verfehlte aber 1976 das Wahlziel undzerstritt sich auf der Oppositionsbank bei gegenseitigen Schuld-zuweisungen Als Helmut Kohl 1982 im dritten Anlauf und wie-derum durch ein-nun knapp gewonnenes -konstruktives Miszlig-

trauensvotum Helmut Schmidt (SPD) stuumlrzen und endlichim Kanzleramt abloumlsen konnte vollzog er was er vollmundigeine raquogeistig-moralische Wendelaquo nannte ohne Biedenkopfder von 1990 an als Gastprofessor in Leipzig die Studenten dieMarktwirtschaft (und das Fuumlrchten) lehrte und heute Minister-praumlsident von Sachsen ist

Die Erfinder und Bastler des raquoTandemslaquo Ries und Schleyerstarben 1977 Den Nachlaszlig des Kohl-Entdeckers MarianneStrauszlig-Partners und Biedenkopf-Schwiegervaters Ries (undauch den von Marianne Strauszlig die toumldlich verungluumlckte) aberregelte dann wieder der Ranghoumlchste im Flick-Aufsichtsratwas die Frage aufwirft ob es in deutschen Landen seit demErsten Weltkrieg uumlberhaupt irgend etwas in Politik und Wirt-schaft Bedeutsames gegeben hat oder gibt worauf das HausFlick nicht auf die eine oder andere Weise Einfluszlig genommenhat

Natuumlrlich sind sehr reiche Leute daran interessiert daszlig die poli-tischen Entscheidungen ihnen nicht schaden sondern nuumltzendaszlig sie ihre Macht erhalten und ihren Profit mehren beidesnicht einschraumlnken oder gar beseitigen Deshalb versuchen sieauf die politischen Entscheidungsprozesse Einfluszlig zu nehmenteils indirekt beispielsweise uumlber die von ihnen beherrschtenMedien teils direkt und mit dem ihnen vertrautesten Mittelmit viel Geld das sie den Parteien und Politikern spenden vondenen sie sich die beste Vertretung ihrer eigenen Interessenversprechen

Die Grenzen zwischen legitimer Interessenwahrung undmiszligbraumluchlicher oder gar gesetzwidriger Ausuumlbung wirtschaft-licher Macht sind flieszligend Die moralische Beurteilung dessenwas noch als statthaft gelten kann und was nicht wird in derRegel strenger ausfallen als die juristische Wertung die anGesetze gebunden ist und diese werden ja von Politikern for-muliert und beschlossen die nicht nur gewaumlhlte Volksvertretersind sondern auch haumlufig den Einfluumlssen der wirtschaftlichMaumlchtigen unterliegen

Dies vorausgeschickt wollen wir uns nun mit einem Super-reichen beschaumlftigen der sechs Jahrzehnte lang starken Ein-fluszlig auf die deutsche Politik genommen hat Er hat in der Poli-tik stets nur ein Mittel zur Erhaltung der gesellschaftlichenMachtverhaumlltnisse und zur Vergroumlszligerung des eigenen Profitsgesehen Noch heute uumlber seinen Tod hinaus beeinfluszligt dasGeld das er zu Lebzeiten in Politiker und Parteien investiertein erheblichem Maszlige die Bonner Szene und von dort aus dasgesamte politische Geschehen in Deutschland Der Name die-ses Superreichen Friedrich Flick ist zugleich zum Synonymfuumlr den Miszligbrauch wirtschaftlicher Macht geworden

Friedrich Flick kam 1883 in Ernsdorf bei Siegen als Holz-haumlndlersohn zur Welt Mit dem Zeugnis der mittleren Reifeund dem Kaufmannsdiplom begann er 1906 als Prokurist derBremer Huumltte in Geisweid seine Karriere 1913 gerade 30 Jahrealt wurde er Direktor der raquoEisenindustrie zu Menden undSchwertelaquo 1915 im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs wech-selte der zwar wehrpflichtige und kerngesunde Meterlange Direktor Flick der aber als raquounabkoumlmmlichlaquo vom Militaumlr-dienst befreit war in den Vorstand der Charlottenhuumltte zu Nie-derschelden und wurde 1917 deren Generaldirektor

Mit eigenen Ersparnissen und Bankkrediten verschaffte ersich bis 1918 die Mehrheit der Anteile an der Charlottenhuumlttedie am Krieg glaumlnzend verdient hatte Er nutzte diese Gewinnezu Modernisierungen zum Ankauf kleinerer Unternehmensowie zur Anlage riesiger Reserven an Schrott der im Kriegespottbillig zu haben war Auch sparte er Steuern indem er ins-gesamt 17 Millionen Mark Kriegsanleihe zeichnete Genauzwei Tage vor Waffenstillstand als jedem klar wurde daszligDeutschland den Krieg verloren hatte verkaufte Flick diegesamte von seiner Charlottenhuumltte gezeichnete Kriegsan-leihe die dann wertlos wurde zu noch guumlnstigem Kurs underwarb mit dem Erloumls Aktien oberschlesischer Zechen Erkonnte also mit dem Verlauf des Ersten Weltkriegs bei dem diemeisten schwerste Opfer hatten bringen muumlssen fuumlr sich per-soumlnlich sehr zufrieden sein

In den folgenden Jahren der totalen Geldentwertung setzteFlickjede Mark die er einnahm oder sichvon den Banken nochborgen konnte sofort in Sachwerte um tilgte dann seine Schul-den mit voumlllig wertlosem Bargeld ruumlckte aber die heiszligbegehr-ten staatlich subventionierten Erzeugnisse seiner Betriebe nurnoch gegen Devisen Rohstoffe oder Aktien heraus 1924 alsdie deutsche Inflation endete zaumlhlte er zu deren groszligenGewinnern Er war 41 Jahre alt und bereits ein Industriemagnatmit einigen hundert Millionen Mark neuer stabiler Waumlhrungund weitgestreutem Konzernbesitz

geriet die deutsche Stahlindustrie in eine Absatz-krise und muszligte sich in Notgemeinschaftenszligen Der wichtigste Zusammenschluszlig war die raquoVereinigte

Stahlwerke AGlaquo kurz raquoStahlvereinlaquo genannt zu dem sichThyssen Rheinstahl Phoenix und auch Flick zusammenfan-den Fuumlr die Einbringung aller raquoCharlottenhuumlttelaquo-Betriebebekam Flick 20 Prozent der Stahlvereins-Aktien und damitgehoumlrte ihm genau ein Fuumlnftel des neuen Konzerns der seiner-seits fast die Haumllfte der gesamten Stahlerzeugung und rund einDrittel der Kohlefoumlrderung des Deutschen Reiches be-herrschte

Noch erstaunlicher war was folgte Knapp vier Jahre spaumltermitten in der Weltwirtschaftskrise die fast 10 Millionen Deut-sche arbeitslos machte gehoumlrte Flick ploumltzlich die Mehrheitdes raquoStahlvereinlaquo-Kapitals ohne daszlig er auch nur eine Markzusaumltzlich investiert haumltte Er hatte sich dazu eines Tricksbedient der im Grunde ganz simpel war

Die Mehrheit der raquoStahlvereinlaquo-Aktien war im Besitz derraquoGelsenkirchener Bergwerks-AGlaquo (raquoGelsenberglaquo) gewesenWer raquoGelsenberglaquo beherrschte hatte damit auch den raquoStahlver-einlaquo in der Tasche Also verkaufte Flick heimlich seinen raquoStahl-vereinlaquo-Anteil und erwarb mit dem Erloumls raquoGelsenberglaquo-Aktien Das reichte vollauf sich die Kontrolle uumlber raquoGelsen-berglaquo und damit uumlber den ganzen raquoStahlvereinlaquo zu verschaffenund so hatte er ploumltzlich die beherrschende Stellung in derMontanindustrie und damit im gesamten Wirtschaftsleben deskrisengeschuumlttelten Reiches

Das war aber erst ein Zwischenziel seines Plans der groszligeCoup stand noch aus der ihn in den Jahren des Elends und derMassenarbeitslosigkeit zum reichsten Mann Deutschlandsmachen sollte Im November 1931 kam an den Boumlrsen dasGeruumlcht auf der Creacutedit Lyonnais die staumlrkste Bank Frank-reichs wolle sich die deutsche Not zunutze machen und miteinem Schlag die Kontrolle uumlber die Industrie des Ruhrgebietserobern-mit Hilfe der raquoGelsenberglaquo-Mehrheit raquoGelsenberglaquo-Aktien wurden an den Boumlrsen zu nur noch 20 Prozent desNennwerts notiert und die Franzosen sollten schon 100 Pro-zent geboten haben

Diese Geruumlchte an denen kein wahres Wort war alarmier-ten die Presse Alle buumlrgerlichen Blaumltter forderten ein soforti-ges Eingreifen der Reichsregierung die auch eilig zu einer Son-

dersitzung zusammentrat und beschloszlig den Ausverkauf desRuhrgebiets um jeden Preis zu verhindern

Zwar waren die Kassen leer Renten Beamtengehaumllter undUnterstuumltzungssaumltze waren schon drastisch gekuumlrzt wordenAber dennoch darin waren sich Regierung und Reichswehr-Generalitaumlt einig - die Ruhrindustrie durfte nicht den Fran-zosen ausgeliefert werden Also verhandelte Reichsfinanzmi-nister Dr Dietrich ein Liberaler mit Flick und am Endekaufte das arme Reich die raquoGelsenberglaquo-Mehrheit zum Vier-fachen des Kurses (aber immer noch unter dem Preis den dieFranzosen angeblich geboten hatten) Denn Flick wollte alsguter Patriot erscheinen Auszligerdem spendete er dem Finanz-minister Dietrich und dem Kanzler Bruumlning (Katholisches Zen-trum) zusammen rund eine Million Reichsmark fuumlr derenWahlfonds

Dazu ist etwas Grundsaumltzliches anzumerken das nochheute gilt Wenn ein Superreicher einem Politiker viel Geldraquofuumlr Wahlkampfzweckelaquo spendet dann ist es so auch dieAbsicht des Spenders dem Empfaumlnger uumlberlassen was erdamit macht Er kann alles seiner Partei zukommen lassen sichdamit beliebt machen Wahlplakate drucken und kleben lassenHandgelder an Wahlhelfer verteilen doch er kann auch dieSumme fuumlr sich behalten und sein Gewissen -falls vorhandendamit beruhigen daszlig sein des Spitzenkandidaten persoumln-liches Wohl letztlich auch dem Wahlkampf dient Es empfiehltsich dann von erhaltenen 900 000 Mark zunaumlchst 100 000 Markdem Partei-Schatzmeister zu geben mit der Erklaumlrung dies seieine Abschlagszahlung auf eine zu erwartende noch groumlszligereSumme Spaumlter wenn der Wahlkampf vorbei die Parteikasseleer ist kann er dem Schatzmeister noch etwas zukommen las-sen und diesem raten den genauen Gesamtbetrag zu verges-sen und sich nur zu merken daszlig es sich um eine sechsstelligeSumme gehandelt habe die der Parteiboszlig von einem edlenSpender raquobeschafftlaquo und an die Parteikasse abgefuumlhrt haumltteDas eroumlffnet dem Schatzmeister ebenfalls Moumlglichkeitenseine Zweifel und sein etwa vorhandenes Gewissen zu beruhi-gen Alles was der Spender derurspruumlnglichen Summe fuumlr seinGeld erwartet ist die Erfuumlllung seiner Wuumlnsche

Bei der raquoGelsenberglaquo-Transaktion von 1931 bekam Flick fastalles was erwollte das etwa Vierfache dessen was sein Aktien-paket wert war dazu zunaumlchst den Ruhm ungemein patrio-tisch gehandelt und auf den moumlglichen Mehrerloumls in Paris ver-zichtet zu haben Dieser Ruhm verflog jedoch als durchsik-kerte daszlig es ein franzoumlsisches Angebot gar nicht gegebenhatte raquoDie einzig moumlgliche Antwortlaquo schrieb damals ein fuumlh-render Wirtschaftsjournalist raquowaumlre gewesen daszlig die Reichsre-gierung den Schachtelkonzern Charlottenhuumltte-GelsenbergVereinigte Stahlwerke umgehend verstaatlicht haumltte Daruumlberhinaus haumltte der vorliegende Tatbestand Anlaszlig genug gebotenHerrn Flick als Schaumldiger der Interessen des Deutschen Rei-ches zu enteignen

(Dieser Artikel stammte uumlbrigens von dem konservativenProfessor Friedrich Zimmermann der schon damals das Pseu-donym raquoFerdinand Friedlaquo benutzte wie spaumlter als Leitartiklerder Springer-Presse Obwohl sich noch mancher Anlaszlig gebotenhaumltte forderte er nie wieder die Enteignung Flicks was mit des-sen Methoden der raquoPressepflegelaquo zusammenhaumlngen mochte)

Nachdem Friedrich Flick 1931 die Staatskasse um rund 100Millionen Mark aumlrmer gemacht hatte betaumltigte er sich als raquoWirt-

Die ihm verbliebene Unternehmensgruppewurde zum drittgroumlszligten Stahlerzeuger Deutschlands (nachdem raquoStahlvereinlaquo und Krupp) mit eigener Koks- und Kohlen-basis im Ruhrgebiet und knapp 100000 Beschaumlftigten Auchtrat Flick kaum waren die Nazis an der Macht dem exklusivenraquoFreundeskreis des Reichsfuumlhrers SSlaquo bei pflegte dort Bezie-hungen zu den neuen Machthabern besichtigte zusammenmit anderen Wirtschaftsbossen Ordensburgen und KZ-Lagerund uumlberwies alljaumlhrlich dem immer maumlchtiger werdendenraquoReichsfuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler sechsstellige Betraumlge fuumlrdessen private Hobbies Dies war sein bescheidener Dank fuumlrdie vielen Vorteile die die Nazis ihm und den anderen Bossenverschafften die Zerschlagung der Gewerkschaften und Arbei-terparteien von Streiks die Beseitigung der Tarifau-tonomie die Festsetzung niedriger Loumlhne die Einfuumlhrung desraquoFuumlhrerprinzipslaquo in der Industrie wo es nur noch Befehl undGehorsam gab die Steuererleichterungen und Subventionen

zur Foumlrderung der heimischen Wirtschaft und nicht zuletzt diestuumlrmische Nachfrage nach Stahl infolge der von den Nazisbetriebenen Aufruumlstung

Von 1938 an konnte sich Flick auch an der raquoArisierunglaquo juumldi-scher Unternehmen in Deutschland dann auch in Oumlsterreichund der Tschechoslowakei beteiligen ja wurde mit GoumlringsHilfe zum groumlszligten raquoArisierungslaquogewinnler des raquoDritten Rei-cheslaquo (Noch im Nuumlrnberger Kriegsverbrecherprozeszlig lobteGoumlring Herrn Flick sehr zu dessen Leidwesen als raquoabsolut ver-trauenswuumlrdiglaquo und raquosehr groszligzuumlgiglaquo)

Insgesamt spendete Flick den obersten Nazis rund Mil-lionen Mark Dafuumlr bekam er raquoArmisierungslaquomoumlglichkeitennoch und noch Arbeitssklaven fuumlr seine Huumltten und Zechen zuZigtausenden gebot uumlber das groumlszligte private Industrie-Impe-rium Mitteleuropas und wurde der Reichste im GroszligdeutschenReich raquoNiemandlaquo so lobte ihn damals das NS-WochenblattraquoDas Reichlaquo raquohat die Ernennung zum Wehrwirtschaftsfuumlhrermehr verdient als Friedrich Flicklaquo

Allerdings traf Flick schon von 1943 an Vorkehrungen fuumlrden Fall einer deutschen Niederlage Er kannte durch seinenkonzerneigenen Nachrichtendienst die Plaumlne der Alliierten fuumlreine Aufteilung Deutschlands und etwa 16 Monate vor Kriegs-ende begann sein Konzern mit der heimlichen raquoVerlagerunglaquoseiner wertvollsten Besitztuumlmer von Osten nach Westen vorallem in die kuumlnftige amerikanische Zone Waumlhrend der vonGoebbels proklamierte raquototale Krieglaquo noch andauerte und taumlg-lich mehr Opfer an Gut und Blut forderte packten Flick undseine engsten Mitarbeiter bereits ihre Koffer und setzten sichvon Berlin ab Familie Flick (und mit ihr der Sandkastenfreunddes juumlngsten Sohns Friedrich Karl Eberhard v Brauchitsch)zog auf das Hofgut Sauersberg bei Bad Toumllz das als Ausweich-quartier angekauft worden war und dort erwartete Flick dieAnkunft der Amerikaner

Am 13 Juni 1945 wurde der Konzernherr der weit oben aufder Kriegsverbrecherliste stand verhaftet Nach zweieinhalb-jaumlhriger Untersuchungshaft kam er vor das Nuumlrnberger Militaumlr-tribunal zusammen mit seinem Vetter und Vertrauten KonradKaletsch und dem Chef seines Nachrichtendienstes Otto

Steinbrinck Kaletsch wurde freigesprochen Steinbrinck zufuumlnf Flick zu sieben Jahren Gefaumlngnis verurteilt aber schonMitte 1950 waren beide wieder frei Flick hatte seinen 67Geburtstag schon hinter sich aber das Beste in seinem Indu-striellenleben sollte erst noch kommen

Schon im Gefaumlngnis hatte sich Flick mit Hilfe der Unterla-gen die ihm Vetter Kaletsch und sein Anwalt Dr WolfgangPohle (spaumlter Schatzmeister der CSU) allwoumlchentlich brachtenGedanken uumlber den Wiederaufbau seines Konzerns gemachtvon dem im Westen einiges uumlbriggeblieben war derhuumlttelaquo-Konzern in der Oberpfalz die ehedem raquoarisiertenlaquo Hochofenwerke Luumlbeck AG sowie Mehrheitsbeteiligungen ander Harpener Bergbau AG und der Essener Steinkohlenberg-werks AG Treuhaumlnder und Verwalter dieser Reste war uumlbrigensder Bankier Robert Pferdmenges ein enger Freund und Bera-ter Adenauers und Flicks langjaumlhriger Privatsekretaumlr RobertTillmanns saszlig seit 1949 als CDU-Bundestagsabgeordneter inBonn wenig spaumlter als Bundesminister fuumlr besondere Aufga-ben im Kabinett gluumlckliche Umstaumlnde fuumlr den gerade haftent-lassenen fast 70jaumlhrigen Kriegsverbrecher

Der hatte schon von der Gefaumlngniszelle aus den Verkauf sei-ner Ruhrkohlen-Interessen eingeleitet konnte sie sogleichguumlnstig abstoszligen und verfuumlgte im Herbst 1950 uumlber fast eineViertelmilliarde DM an fluumlssigen Mitteln mit denen er sich inzukunftstraumlchtige Industriezweige einkaufte vor allem in dieAutomobil- Maschinen- Papier- und Kunststoff-Industrie

Es wuumlrde Baumlnde fuumlllen wollte man alle Transaktionen schil-dern mit deren Hilfe Flick sein Nachkriegs-Imperium auf-baute Am Ende seines Lebens gehoumlrten ihm jedenfalls dieFeldmuumlhle AG die Maximilianshuumltte eine starke Mehrheit ander Buderus AG in Wetzlar zu deren Konzern auch die Muumln-chener Panzerschmiede Krauss-Maffei zaumlhlte die Dynamit-Nobel AG in Troisdorf sowie ein dickes Paket Daimler-Benz(raquoMercedeslaquo)-Aktien das Anfang der siebziger Jahre alleineinen Wert von mehr als zwei Milliarden DM darstellte

Schon 1958 nur acht Jahre nach Flicks Haftentlassung hatteBundeskanzler Adenauer ihm zum 75 Geburtstag und raquozumgroszligen und staunenswerten Lebenswerklaquo gratuliert

lich konnte man nur staunen was der durch fuumlnfjaumlhrige Kriegs-verbrecherhaft ungebrochene alte Herr in so kurzer Zeit wiederzusammengerafft und wie fest er sein Industriereich im Griffhatte Dagegen war es schlecht bestellt um die Erbfolge Mitseinen beiden Soumlhnen Otto-Ernst und Friedrich-Karl standsich der autokratische Uumlbervater miserabel Erst sollte Otto-Ernst (raquoOElaquo) alles uumlbernehmen Friedrich-Karl (raquoFKlaquo) vomVater raquodas Biirschchenlaquo genannt sollte mit ein paar hundertMillionen abgefunden werden Dann gab es Krach mit raquoOElaquo mehrfache Aumlnderungen des Testaments jahrelange Prozessein denen Vater und Sohn Groszligvater und Enkel Bruumlder undSchwaumlgerinnen vor den Gerichten stritten was Hunderte vonMillionen verschlang schlieszliglich einen Vergleich durch denraquoOElaquo hoch abgefunden endguumlltig ausschied seine beidenSoumlhne sollten sobald sie 28 Jahre alt waren ihre Beteiligungenam Konzern selbst vertreten (wurden aber spaumlter von ihremOnkel raquoFKlaquo abgefunden und ausgebootet) Uumlbrig blieb alskuumlnftiger Alleinherrscher raquodas Buumlrschchenlaquo raquoFKlaquo Er erbtebeim Tode des fast 90jaumlhrigen Vaters im Jahre 1972 das gesamteFlick-Imperium

Zweifel an der Befaumlhigung seines Juumlngsten hatte FriedrichFlick stets gehabt und deshalb Eberhard v Brauchitsch raquoFKslaquoJugendfreund diesem als Generalbevollmaumlchtigten an dieSeite gestellt Aber 1971 ein Jahr vor dem Tod des alten Flickwar es zum Krach zwischen den Freunden gekommen Brau-chitsch hatte ein Angebot von Axel Springer angenommen undwar dessen Generalbevollmaumlchtigter geworden Ein Jahr spauml-ter vom Totenbett des Vaters aus rief raquoFKlaquo wie er nungenannt wurde v Brauchitsch zuruumlck

raquoIn den fruumlhen siebziger Jahrenlaquo so raquoDer Spiegellaquo raquoarbeite-ten gtFKFlt und zunaumlchst bestens zusammen Nach demTod des Alten halfv B die Alleinherrschaft des Sohnes abzusi-chern Dann setzte das Duo zu seinem Herkules-Werk an Umdie Steuerbefreiung fuumlr die Daimler-Milliardenlaquo den Erloumlsdes Verkaufs eines Teils von Flicks Daimler-Benz-Aktienraquodurchzudruumlcken muszligte die traditionelle Spenden-Maschine-rie des Hauses Flick auf houmlchste Touren gebracht werden Geld spielte keine Rolle Die schwarze Kasse quoll uumlber von

jenen Millionen die v Brauchitsch uumlber die katholische SteylerMission dem Staat direkt abgeluchst hatte Doch fehlte es demKonzernchef und seinem Helfer auch nicht an herkoumlmmlichverdientem Geld Kein Wunder denn auch nach dem Ver-kauf der Mehrzahl seiner Daimler-Aktien an einen Oumllscheichwar raquoFKFlaquo noch mit zehn Prozent am Daimler-Konzern betei-ligt es gehoumlrte ihm ein Drittel des US-Konzerns Grace dieFeldmuumlhle AG samt riesigem Auslandsbesitz war 100prozentigin Flick-Eigentum und er hielt weiterhin eine starke Mehrheitam Buderus-Konzern An dessen Muumlnchener Tochter Krauss-Maffei blieb Flick auch nach Verkauf der Waffenschmiede anMBB und den Diehl-Konzern mit zehn Prozent beteiligt undschlieszliglich war auch die Dynamit-Nobel AG zu fast 100 Prozentin Flick-Eigentum

Was aber die laut raquoSpiegellaquo uumlberquellende schwarze Kasseund die beim Auffuumlllen hilfreiche Steyler Mission betraf sowaren die Steuerfahnder Anfang 1982 einem abenteuerlichenGegengeschaumlft auf die Spur gekommen Ein Unternehmendas die Finanzen der katholischen Steyler Mission verwaltetdie raquoSoverdia Gesellschaft fuumlr Gemeinwohl mbHlaquo hatte vomHaus Flick rund 10 Millionen DM an Spenden erhalten aufden ersten Blick ein frommes Werk wie man es von Flick garnicht erwartet haumltte Doch bei naumlherem Hinsehen fanden dieFahnder heraus daszlig Pater Josef Schroumlder der raquoSoverdialaquo-Geschaumlftsfuumlhrer 80 Prozent der erhaltenen Summe gleich wie-der an den Spender bar zuruumlckgezahlt hatte

Dazu damals raquoDer Spiegellaquo raquoFlick-Chefbuchhalter Diehlerinnert sich wurde ich erstmals von (dem da-maligen Flick-Generalbevollmaumlchtigten) Kaletsch angewiesenvon Herrn Pater Schroumlder Geld in Empfang zu nehmen Eshandelte sich um einen Betrag von 800000 DM Mir wardamals klar daszlig zwischen diesem Betrag und der vorher gege-benen Spende (von 1000 000 DM) ein unmittelbarer Zusam-menhang bestand Im folgenden Jahr ereignete sich der gleicheVorgang mit demselben Betrag Insgesamt zehn MillionenMark flossen innerhalb von zehn Jahren an die Soverdiaacht Millionen kamen wieder in Flicks schwarze Kasse zu-ruumlck laquo

Zehn Prozent der Spendensumme durfte die Steyler Mis-sion behalten weitere zehn Prozent gingen an den damaligenCDU-Bundestagsabgeordneten Walter Loumlhr der raquodie Sachelaquoausgetuumlftelt hatte raquoDen besten Schnittlaquo - so raquoDer Spiegellaquoraquoaber machte die Flick-Gruppe Sie strich nicht nur die gehei-men Ruumlckfluumlsse in Houmlhe von 80 Prozent der Spenden ein (undkonnte damit die schwarze Kasse fuumlllen) sondern konnte auchSpendenbescheinigungen uumlber 10 Millionen DM beim Finanz-amt vorlegen Die Steuerverguumlnstigung betrug damals bis zu 51Prozent der Spendensummelaquo im Falle Flick also nochmals einraquoVerdienstlaquo von mehr als fuumlnf Millionen DM

Dennoch war diese krumme Spenden-Angelegenheit nurein vergleichsweise unbedeutender Nebenaspekt des eigentli-chen Skandals des raquoMilliardendingslaquo Denn so die Staatsan-waumllte -mit Unterstuumltzung der zustaumlndigen Bundesminister Fri-derichs und Graf Lambsdorff gewiszlig aber unter Vorspiegelungfalscher Tatsachen erreichte die Flick-Gruppe zu Unrecht eineSteuerbefreiung in Houmlhe von 450 Millionen DM Um 800 Mil-lionen DM aus dem Verkauf von Daimler-Aktien steuerfrei ineine starke Beteiligung an dem US-Chemiekonzern Graceinvestieren zu koumlnnen gab sie dieses Geschaumlft die Verschie-bung der Riesensumme ins Ausland als volkswirtschaftlicheGroszligtat aus

Zum Segen fuumlr die deutsche Wirtschaft so behaupteten dieFlick-Bosse treuherzig verschaffe diese Geldanlage der BRDden ersehnten Zugang zu neuesten amerikanischen Technolo-gien raquoIn Wahrheitlaquo so Spiegellaquo raquopassierte gar nichtsGrate-Praumlsident Peter Grace kehrte von einer Deutschland-Reise mit der Erkenntnis zuruumlck daszlig mit den neuen Eigentuuml-mern zwar Spesen zu machen waumlren aber kein Technologie-transferlaquo

Der Bonner Staatsanwaltschaft die in den Flick-Chefetagenuumlber hundert Aktenordner beschlagnahmte wurde bald auchklar von wem viele der steuersparenden Ratschlaumlge stammtennaumlmlich von einem alten Freund des Hauses Flick Franz JosefStrauszlig Aus dessen Vernehmungsprotokoll konnte raquoDer Spie-gellaquo folgendes zitieren

raquoIch (Franz Josef Strauszlig) habe wie angegeben HerrnFlick vor etwa acht Jahren geraten in Nordamerika zu investie-ren Ich habe ihm geraten seine inlaumlndischen Betriebe zu ent-schulden und zu modernisieren Ich habe in diesem Zusam-menhang ihm einmal wahrscheinlich im Jahre 1978 einenBrief geschrieben in dem ich ihm geraten habe die Vorausset-zung des sect 6b (Einkommensteuergesetz) und sect 4 (Auslandsin-vestitionsgesetz) sehr genau zu nehmen Ich war damals derMeinung daszlig fuumlr die Erfuumlllung der Kriterien unter anderemein Kooperationsabkommen mit der Firma Grace die Pruumlfungder hiermit verbundenen steuerrechtlichen Frage erleichternwuumlrdelaquo

Auf den Vorhalt des Staatsanwalts raquo Herr Ministerpraumlsi-dent wir haben Sie nunmehr davon in Kenntnis gesetzt daszligsich aus den im Jahre 1974 beginnenden Aufzeichnungen desFlick-Konzerns aus dem Hefter gtCSUlt der sich im Gewahrsamder Staatsanwaltschaft befindet folgende Vermerke ergebengt214 (75)KavB wg FJS12 7 (76) Dr FKF wg FJS11 7 (78) Dr FKF wg FJS2410 (79) Dr FKF wg FJSKoumlnnen Sie dazu irgendeine Erklaumlrung abgebenlaquo

Antwort von Ministerpraumlsident Strauszligraquo1 Ich bin am Zustandekommen keiner dieser Unterlagenbeteiligt

2 Offensichtlich gibt es auch keine Quittungen die ichselbstverstaumlndlich bei eventuellen Auszahlungen wenngewuumlnscht ausgestellt haumltte zumal steuerlich relevante Vor-gaumlnge offensichtlich uumlberhaupt nicht zugrunde liegen

3 Der Beginn Ihrer Unterlagen ist deshalb verwirrend oderirrefuumlhrend womit ich keine Absicht unterstelle weil nebenunzaumlhligen Kleinspendern auch einige Groszligspender darunterdie Flick-Unternehmungen die CSU immer wieder unter-stuumltzt haben Ich darf nebenbei bemerken daszlig es sich hier

Gemeint sind offensichtlich mit raquoKalaquo Konrad Kaletsch mit raquovBlaquo Eberhard vBrauchitsch mit raquoDr FKFlaquo Dr Friedrich Karl Flick mit raquoFJSlaquo Franz JosefStrauszlig damals bayerischer Ministerpraumlsident und CSU-Parteivorsitzender

nicht um die Honorierung von Ratschlaumlgen handelt sondernum eine bestimmte politische Linie im In- und Ausland laquo

Diese Aussage des inzwischen verstorbenen Franz JosefStrauszlig der sich wenn er Gefahr witterte wie ein Tintenfischeinzunebeln pflegte laumlszligt-wenn man den Schwall von Phrasenund Schutzbehauptungen beiseite laumlszligt - zweierlei deutlicherkennen

Strauszlig konnte nicht bestreiten von Flick viel Geld bekom-men zu haben Aber er wollte das nicht als raquoHonorierung vonRatschlaumlgenlaquo verstanden wissen weil ihn dies in den Verdachtder Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten haumltte bringen koumln-nen Statt dessen sollte es sich um eine raquoUnterstuumltzunglaquo einerund zwar doch wohl seiner -raquopolitischen Linie im In- und Aus-landlaquo gehandelt haben wozu angemerkt sei daszlig die auslaumlndi-schen Politiker mit denen Strauszlig enge Beziehungen unter-hielt meist Ultrarechte Faschisten und Rassisten waren Pino-chet in Chile dessen Regime er lobte Suumldafrikas Apartheids-Fanatiker spanische Neofaschisten und sogar die Fuumlhrer dertuumlrkischen Grauen Woumllfe die fuumlr ihre Bluttaten beruumlchtigtwaren

Noch seltsamer als die Erklaumlrung die Strauszlig der Justiz fuumlrdas viele Flick-Geld gab das er erhalten hatte war die Aussagevon Dr Friedrich Karl Flick im Prozeszlig gegen die Ex-MinisterFriderichs und Graf Lambsdorff Als der Richter den ZeugenDr Flick nach Wesen und Zweck der Spenden an raquoFJSlaquo befragte erwiderte dieser von Spenden verstehe er nichts erkoumlnne da raquonur mutmaszligenlaquo

Und das tat er dann auch raquoSpendenlaquo so gab er zu Protokollraquodas war das berechtigte Anliegen von demokratischen Par-teien wiersquos auch beim Vater fruumlher oder beim Onkel Kaletschuumlblich gewesen sein mag um ein offenes Ohr zu findenlaquo

Aber so wollte der Richter wissen ob er nie daran gedachthabe sich damit Vorteile fuumlr den eigenen Betrieb zu verschaf-fen

Darauf Dr Flick raquoDiese Uumlberlegungen sind mir unbe-kanntlaquo

Alsdann sollte dieser offenbarvoumlllig selbstlose Spender demGericht erklaumlren wie denn so eine Spendenzahlung an einen

Spitzenpolitiker vor sich gegangen sei zum Beispiel wenn DrFlick dem Ministerpraumlsidenten Strauszlig 250 Tausendmark-scheine uumlberreicht habe

Ausnahmsweise konnte Dr Flick in diesem Fall mit einerklaren Antwort dienen raquoDa ist er (Strauszlig) beim erstenmal insNebenzimmer gegangen und hat nachgezaumlhlt Und dann ist erzuruumlckgekommen und hat sich bedanktlaquo

Beim zweitenmal so fuumlgte er noch stolz hinzu raquohat er dannnicht mehr nachgezaumlhltlaquo

Nun wollte der Richter auch noch wissen warum das HausFlick seine uumlppigen Spenden an Politiker stets in bar entrich-tete

Dr Flick raquoMeines Wissens hat sich das einfach so ergebenWenn man sich im suumlddeutschen Raum so begegnet ist hatman das Geld der Einfachheit halber gleich uumlbergebenlaquo

Kein Gedanke an die Moumlglichkeit einer Steuerhinterzie-hung auch nicht an die Eventualitaumlt daszlig vielleicht die Empfaumln-ger lieber Bargeld nahmen raquoumlaquo- so fragte der offenbar durch-aus mit dem praktischen Leben vertraute Richter raquonichtimmer Rechenschaft bei ihren Schatzmeistern ablegen zu muumls-senlaquo Flick wuszligte es nicht

Er erklaumlrte dem Gericht daszlig er eigentlich von gar nichtsgewuszligt habe schon uumlberhaupt nichts von den angedeutetenMoumlglichkeiten Kurz Multimilliardaumlr Dr Flick uumlberzog mitun-ter - so raquoDer Spiegellaquo raquoallzu erkennbar seine Rolle als Kon-zerndepplaquo Uumlbertroffen wurde er nur noch von einem seinerGroszligspenden-Empfaumlnger dessen Rolle vor Untersuchungsaus-schuumlssen Justiz und Presse man analog die eines raquoPolitdep-penlaquo nennen muumlszligte Bundeskanzler Dr Helmut Kohl

Bei seiner Vernehmung durch die Bonner Staatsanwalt-schaft am 5 Juli 1982 hatte Dr Kohl damals noch nicht Bundes-kanzler zugegeben vom Haus Flick gelegentlich groumlszligere Bar-geld-spenden erhalten zu haben Daszlig es insgesamt 565000DM gewesen waren die Flick-Chefbuchhalter Diehl zwischen1974 und 1980 exakt verbucht hatte war Kohl indessen wie ersagte raquovoumlllig unbekanntlaquo

Befragt was ihm denn raquovoumlllig unbekanntlaquo gewesen sei dieHoumlhe der Summe oder die Verbuchung durch Diehl erwiderte

Helmut Kohl pikiert er koumlnne raquouumlber Einzelheiten aus der Er-innerung keine Angaben machenlaquo

Indessen erinnerte er sich zwei Jahre spaumlter am 7 Novem-ber 1984 vor dem Flick-Untersuchungsausschuszlig des Bundesta-ges genau daran daszlig eine raquokleinerelaquo Flick-Spende lumpige30 000 DM raquobei uns nicht eingetroffenlaquo sei - eine Zahlung dieder akribische Flick-Chefbuchhalter Diehl mit Datum vom6 Dezember 1977 verbucht hatte

Fuumlr diese raquoNikolaus-Spendelaquo wie sie genannt wurde gab esjedoch ganz besonders viele und starke Indizien Am Nikolaus-Tag 1977 waren 60 000 DM von einem raquoinoffiziellenlaquo Konto desHauses Flick bei einer Duumlsseldorfer Filiale der DeutschenBank bar abgehoben worden Die Abbuchung bei der Bank undder Eintrag ins schwarze Kassenbuch bei Flick stimmten uumlber-ein und dazu paszligte auch der Vermerk des pingelig genauenChefbuchhalters vom 6 Dezember 1977 raquovB wg Kohl 30 000DM wg Graf Lambsdorff 30 000 DMlaquo macht zusammen60 000 DM Parallel dazu hatte v Brauchitsch am 6 Dezember1977 den Erhalt eines Barbetrags von 60 000 DM korrekt quit-tiert und auf der Ruumlckseite der Quittung war vermerkt raquo30 Ko30 GrLalaquo womit ja auch nur gemeint sein konnte das Geldginge je zur Haumllfte an Helmut Kohl und an Otto Graf Lambs-dorff

Uumlberdies trug der vorbildliche Flick-Chefbuchhalter ins Kas-senbuch fuumlr raquoInoffizielle Zahlungenlaquo am 6 Dezember 1977 einraquovB wg Kohl und Lambsdorff 60 000laquo und man darf wohlannehmen daszlig mit der Zahl keine roten Rosen weiszligen Maumluseoder gruumlnen Aumlpfel gemeint waren sondern bare DMark

Doch auch damit noch nicht genug Am Vorabend des Niko-laus-Tages 1977 am 5 Dezember hatte eine Brauchitsch-Sekre-taumlrin ihrem Chef folgende Notiz vorgelegt die sich bei denGerichtsakten befindet raquoFrau Weber Sekr Kohl fragt an obes Ihnen recht ist wenn sie morgen Dienstag gegen 16Uhr kurz bei Ihnen vorbeikommtlaquo und dazu hat Eberhard vBrauchitsch im Dezember 1985 vor dem Bonner Landgerichtausgesagt raquoSielaquo Frau Weber vom Sekretariat Kohl raquohatschon mal fuumlr Herrn Kohl Geld empfangen und dies wiedie Akten zeigen nicht gerade selten Mindestens vier Besuche

Frau Webers bei v Brauchitsch sind vermerkt die mit Zahlun-gen von je 50000 DM und einer von 30000 DM alle raquowgKohllaquo uumlbereinstimmten

Das fuumlr Helmut Kohl Aumlrgerliche ist daszlig es fuumlr die meistenFlick-Spenden raquowg Kohllaquo entsprechende Eingangsbuchungenbei der CDU-Schatzmeisterei gibt nicht jedoch fuumlr die raquoNiko-laus-Spendelaquo und auch nicht fuumlr weitere 25 000 DM die eben-falls fehlen Schlieszliglich fehlt inzwischen noch etwas naumlmlichHelmut Kohls Erinnerung an die Geldwaschanlagen vonRheinland-Pfalz die die von der Industrie kommenden sehrgroszligzuumlgigen Parteispenden am Finanzamt vorbei (und fuumlr dieSpender enorm steuersparend) in die richtigen Troumlge lenktenPater Josef von der Steyler Mission konnte ja nur einen Teil desenormen Bedarfs an raquogewaschenemlaquo Geld befriedigen mitdem die Herren des Groszligen Geldes allen voran das HausFlick die raquogeistig-moralische Wendelaquo in Bonn vorfinanzierten

Helmut Kohl seit 1966 Landesvorsitzender der CDU seit1969 auch Ministerpraumlsident in Rheinland-Pfalz und seit 1975Bundesvorsitzender der CDU die neben CSU und FDP vondem Spenden-Unwesen am meisten profitiert hatte erinnertesich als Kanzler an rein gar nichts mehr uumlberhaupt nicht an dieGeldwaschanlagen in Rheinland-Pfalz Kohl hatte als es umvergleichsweise Bagatellen ging die 30 000 DM der raquoNikolaus-Spendelaquo und die ebenfalls fehlenden 25 000 DM von Flick -alles vergessen Allenfalls fielen ihm wenn die Staatsanwaumlltenach der raquoStaatsbuumlrgerlichen Vereinigunglaquo (SV) in Koblenzfragten die lustigen Abende ein die er dort nachvortraumlgen mit-unter verbracht hatte Kohl hatte aber raquokeinerlei Erinnerunglaquodaran daszlig diese Koblenzer SV die wichtigste Geldsammel-und -Waschanlage nicht nur fuumlr Rheinland-Pfalz sondern fuumlrdie ganze Bundesrepublik gewesen war und daszlig man inKoblenz auch deshalb feucht-froumlhlich gefeiert hatte weil dankder raquobesonderen Foumlrderungswuumlrdigkeitlaquo die der raquogemeinnuumlt-zigenlaquo SV von der Landesregierung bescheinigt worden warseiner CDU etliche hundert Millionen DM heimlicher Spen-den der Industrie steuerbeguumlnstigt zugeflossen waren

Vielleicht hatte Helmut Kohl so vermutete sein damaligerSchnelldenker und Wahlkampf-Manager der von ihm inzwi-

schen gefeuerte Heiner Geiszligler etwas vorlaut -bei seinen Aus-sagen uumlber die raquoSVlaquo aber auch nur Erinnerungsluumlcken und gabirrige und unvollstaumlndige Antworten als Opfer eines raquoBlack-outlaquo Diese von dem klugen von Kohl ungnaumldig entlassenenGeneralsekretaumlr Heiner Geiszligler erwogene Moumlglichkeit daszligdem Kanzler mitunter wenn auch nur voruumlbergehend der Ver-stand abhanden komme sollten die Waumlhlerinnen und Waumlhlerbedenken denn ein Regierungschef mit gelegentlichen Aus-fallerscheinungen ist keine angenehme Vorstellung fuumlr dieMenschen in raquodiesem unserem Landelaquo

Indessen gibt es fuumlr Helmut Kohls Vergeszliglichkeit hinsicht-lich des Verbleibs der raquoNikolaus-Spendelaquo oder auch derMachenschaften der Koblenzer raquoSVlaquo noch eine andere Erklauml-rung als die von Geiszligler vermuteten Gedaumlchtnisluumlcken infolgeeines Blackouts Um Kohls Zoumlgern zu verstehen daruumlber dieWahrheit zu sagen muszlig man noch einmal zuruumlck zu denUrspruumlngen der steilen Karriere des Schwarzen Riesen nachLudwigshafen-Oggersheim und nach Frankenthal

Im Fruumlhjahr 1933 als sich die Hitler-Diktatur gerade etablierthatte und mit immer neuen Wellen des Terrors zu konsolidie-ren begann bereiteten sich drei Heidelberger Juristen geradeauf ihre unterschiedlichen Karrieren vor Dr Eberhard Taubertsah seiner Berufung ins neue Reichspropagandaministeriumentgegen wo er als juumlngster Ministerialrat zunaumlchst die raquoAktiv-propaganda gegen die Judenlaquo leiten sollte SS-Fuumlhrer DrHanns Martin Schleyer nahm die raquoGleichschaltunglaquo der Hei-delberger Universitaumlt vor und betrieb ihre Einstimmung auf dieam 10 Mai durchgefuumlhrte Buumlcherverbrennung sein Freund DrFritz Ries der an diesem Akt der Barbarei als junger Dokto-rand teilnahm schmiedete bereits Plaumlne wie er auf Kosten derJuden rasch reich werden und zunaumlchst zum Kondom-Koumlnigdes raquoDritten Reicheslaquo aufsteigen koumlnnte tatsaumlchlich lieszlig erschon ein Jahr spaumlter die Verpackungen der Erzeugnisse einesgerade raquouumlbernommenenlaquo Betriebs mit dem stolzen Aufdruckversehen

Im selben Fruumlhjahr 1933 am 13 Maumlrz kam im nahen Mann-heim ein Knabe zur Welt dessen spektakulaumlre Laufbahn sichmit den abenteuerlichen Karrieren der drei genannten Heidel-berger Juristen durchaus messen kann Auch kreuzten sichseine Wege wiederholt mit denen der Herren Doktoren RiesSchleyer und Taubert und fast unvermeidlicherweise auch mitdenen Helmut Kohls der drei Jahre zuvor 1930 im Mannheimgegenuumlberliegenden Ludwigshafen geboren war

Der junge Mannheimer des Jahrgangs 1933 hieszlig Hans-OttoScholl besuchte wie Kohl und auch Biedenkopf die Schulein Ludwigshafen studierte dann ebenfalls in HeidelbergRechtswissenschaft und begann auch kaum daszlig er sein Stu-dium beendet hatte Anfang der sechziger Jahre eine politischeKarriere in Rheinland-Pfalz Allerdings stellte Dr Hans-Otto

Scholl seine unbestreitbaren Talente nicht der CDU zur Verfu-gung sondern der in Rheinland-Pfalz seit 1951 mit der CDUzusammen die Regierung bildenden FDP daneben demBundesverband der pharmazeutischen Industrie dessenHauptgeschaumlftsfuumlhrer er wurde Daszlig sich die maumlchtige Pharma-Industrie der Bundesrepublik den jungen Rechtsanwalt undProvinzpolitiker Dr Scholl zum Cheflobbyisten erkor hing mitden besonderen Verhaumlltnissen in Rheinland-Pfalz zusammenwo Dr Scholl in kuumlrzester Zeit zum FDP-Fraktionsvorsitzen-den im Landtag und dann auch zum Landesvorsitzenden auf-steigen konnte und eng befreundet war mit dem CDU-Nach-wuchspolitiker Dr Kohl der 1963 ebenfalls Fraktions- und 1965auch Landesvorsitzender seiner Partei wurde So eng war dasVerhaumlltnis Dr Scholl zum Dr Kohl daszlig die beiden sogar Villaan Villa wohnten der eine in der Marbacher Straszlige9 derandere in Nummer 11 und die beiden Matadore der das Laumlnd-chen Rheinland-Pfalz regierenden Parteien machten sichgegenseitig auch mit ihren finanzstarken Goumlnnern und mitderen einfluszligreichen Freunden bekannt Durch Helmut Kohllernte Hans-Otto Scholl den Konsul Dr Fritz Ries im nahenFrankenthal kennen und in dessen Haus die Duzfreunde desHausherrn Dr Hanns Martin Schleyer und Franz Josef Strauszligsowie die graubraune Eminenz Dr Eberhard Taubert umge-kehrt wurde Helmut Kohl durch Dr Scholl mit allen groszligenund steinreichen Unternehmern der Pharma-Industrie be-kannt von denen im einzelnen noch die Rede sein wird

Es laumlszligt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen weraus diesem Freundes- und Bekanntenkreis den Einfall hatteim Schutze der mit gesicherter Mehrheit das Land Rheinland-Pfalz regierenden Parteien eine Geldwaschanlage zu etablie-ren aber vieles spricht dafuumlr daszlig es Dr Fritz Ries gewesen istund daszlig Kohl im Bunde mit Scholl die Idee in die Tat umsetze

Die Grundidee war einfach Die Industriellen wollten eineihnen genehme Politik und Gesetzgebung die dazu bereitenPolitiker wollten dafuumlr Geld Die Wirtschaftsbosse waren zwarwillens fuumlr volle Kassen zu sorgen nur sollte sie das moumlglichstwenig kosten sondern zu Lasten der Allgemeinheit gehenNun gab es ja bereits Gesetze die Spenden an Parteien steuer-

abzugsfaumlhig machten Aber es gab da Houmlchstgrenzen und diePolitiker wollten weit mehr als die Bestimmungen zulieszligenund auszligerdem war bei regelrechten Parteispenden die Anony-mitaumlt der Spender nicht zu wahren die begreiflicherweise gernunbekannt bleiben wollten Also brauchte man eine Einrich-tung die jede Menge Geld entgegennehmen dafuumlr voll steuer-abzugsfaumlhige Quittungen ausstellen und die empfangenenBetraumlge diskret an diejenigen weiterleiten konnte die sie letzt-lich bekommen sollten weil sie die Entscheidungen trafenoder herbeifuumlhrten die die Spender sich erhofften

Alle diesevoraussetzungen erfuumlllte die dann ins Leben geru-fene raquoStaatsbuumlrgerliche Vereinigunglaquo (SV) in Koblenz undnatuumlrlich bekam diese SV nicht nur sofort die staatliche Aner-kennung als raquogemeinnuumltzig und besonders foumlrderungswuumlrdiglaquosondern wurde auch so ausgestattet daszlig sie ihre Goumlnner undFoumlrderer aufs trefflichste bewirten konnte zumal nachdemeiner der Gruumlndervaumlter Helmut Kohl Ministerpraumlsident vonRheinland-Pfalz geworden war und sein Spezi Nachbar undKoalitionspartner Dr Scholl als Landesfuumlrst der zum Zuumlng-lein an der Waage gewordenen FDP fuumlr Dr Ries DrSchleyer und deren Freunde an Bedeutung enorm hinzuge-wonnen hatte

In Bonn war naumlmlich im Herbst 1969 erstmals seit Bestehender Bundesrepublik ein Sozialdemokrat im Kanzleramt InKoalition mit der FDP regierte nun Willy Brandt Konsul DrRies war von den besorgten Herren des Groszligen Geldes beauf-tragt worden die FDP-Politiker raquoumzustimmenlaquo und dieungeliebte neue Regierung bei naumlchster Gelegenheit zu stuumlr-zen

Fuumlr Dr Scholl gab es zudem eine spezielle Aufgabe ZumRegierungsprogramm der sozialliberalen Bonner Koalitiongehoumlrte im Rahmen der Gesundheitsreform auch eine gruumlndli-che Novellierung der Arzneimittelgesetzgebung und dies tan-gierte die wichtigsten Interessen (sprich die enormen Profite)der Pharma-Industrie deren Verbandshauptgeschaumlftsfuumlhrer er

Von der Pharma-Industrie wurden deshalb hohe Millionen-betraumlge bereitgestellt die Dr Scholl nachdem sie bei der raquoSVlaquo

in Koblenz raquogewaschenlaquo und steuerabzugsfaumlhig gemacht wor-den waren gezielt zu verteilen hatte Es ging darum diejeni-gen Politiker und auch Beamten zu raquofoumlrdernlaquo die Einfluszlig aufdie Arzneimittelgesetzgebung und die Gesundheitspolitik hat-ten

In der Bundesrepublik wurden zu Beginn der Aktivitaumltendes Dr Scholl jaumlhrlich etwa acht Milliarden DM fuumlr Arzneimit-tel ausgegeben Als seine Taumltigkeit Anfang der achtziger Jahreendete waren es jaumlhrlich rund 17 Milliarden DM also mehr alsdas Doppelte raquoFast die Haumllfte dieser gigantischen Steigerungdie alle Bundesbuumlrger belastet haumlttelaquo so raquoDer Spiegellaquo imJuni 1985 - raquosich einsparen lassenlaquo waumlren damals nicht dieKernpunkte der geplanten Reform der Arzneimittelgesetzge-bung raquovon der Pillen-Lobby herausgeschossenlaquo worden

Die vom damaligen Pharmaverbands-HauptgeschaumlftsfuumlhrerDr Scholl mit sehr viel Geld betriebene Beeinflussung desGesetzgebungsverfahrens hat sich fuumlr die Arzneimittelherstel-ler also glaumlnzend gelohnt Sie lohnte sich aber auch fuumlr DrScholls Freunde von der CDU

So hatte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep raquozugleichim Namen von Herrn Dr Kohl und Herrn Professor Bieden-kopflaquo runde 70 000 DM kassiert von Curt Engelhorn Chef

des Familienunternehmens raquoBoehringer Mannheim GmbHlaquo(damaliger Pharma-Umsatz Milliarden DM) und zwaruumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo Der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende Alfred Dregger hatte die Staatsanwaltschaft raquoeinigehunderttausend Mark abkassiertlaquo bei der raquoWella AGlaquo inDarmstadt und ebenfalls uumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo VomPharma-Werk E Merck in Darmstadt erhielt die CDU-Promi-nenz rund eine Million DM und waumlren die Spendenlistenzumal deren wichtigste Teile nicht durch besondere Umstaumlndedem Einblick der Oumlffentlichkeit entzogen worden lieszligen sichgewiszlig noch weitere zusammen mehr als 20 Millionen DMnachweisen die Dr Scholl an CDU- und FDP-Prominenzzumal an seine engsten Spezis groszligzuumlgig verteilt hat

Indessen war Dr Scholl mit dem Pharma-spendengeld mit-unter allzu groszligzuumlgig zumal sich selbst gegenuumlber Alsbandsvorstand dies bemerkte wurde Dr Scholl raquowegen zu

eigenmaumlchtigen Umgangs mit dem Verbandsvermoumlgenlaquo gefeu-ert und muszligte sich verpflichten dem Verband MillionenDM zuruumlckzuerstatten Erstaunlicherweise erhielt Dr Schollaber dennoch nach seiner Entlassung eine monatliche Pensionvom Pharma-Verband in Houmlhe von 5700 DM -raquoSchweigegeldlaquofragte raquoDer Spiegellaquo damals und solche Vermutung erscheintnicht ganz abwegig zumal im Lichte spaumlterer Erkenntnisse

Noch erstaunlicher war es daszlig der gefeuerte Verbandsge-schaumlftsfuumlhrer der 1981 auch als FDP-Landesvorsitzenderzuruumlcktreten muszligte wenig spaumlter im Mainzer Landtag von denFreidemokraten wieder zum Fraktionsvorsitzenden gewaumlhltwurde Aber bei den Neuwahlen vom Maumlrz 1983 kam die FDPmit nur noch Prozent nicht mehr in denMainzer Landtag Dr Scholl war damit auch als Politikerarbeitslos brauchte aber nicht zu darben Als ehemaliger Abge-ordneter bezog er ein Uumlbergangsgeld von monatlich 5 400 DMmit seiner Pension vom Pharmaverband also zusammen 11100DM im Monat

Indessen sah er sich selbst und dann sahen ihn auch seinepolitischen Freunde -als dringend unterstuumltzungsbeduumlrftig anCDU-Ministerpraumlsident Bernhard Vogel damals noch nicht inThuumlringen sondern in Rheinland-Pfalz Kohl-Nachfolger undebenfalls Empfaumlnger betraumlchtlicher Pharma-Spenden aus derHand des Dr Scholl besorgte dem nun arbeitslosen Freunddeshalb einen mit 5000 DM monatlich honorierten Berater-vertrag bei der raquoDeutschen Anlagen-Leasinglaquo (DAL) in Mainzan der die rheinpfalzische Landesbank erheblich beteiligt istAber auch mit den auf 16 100 DM monatlich gestiegenengen war Dr Scholl noch nicht zufrieden Er wandte sich hilfesu-chend an seinen langjaumlhrigen Freund und Nachbarn HelmutKohl seit 1982 Bundeskanzler in Bonn

Klugerweise so stellt es jedenfalls ein mit der Angelegen-heit bestens vertrauter Bonner Beamter dar-waumlhlte Dr Scholleinen privaten Weg dem Kanzler seine Not zu schildern Uumlberjene Frau Juliane Weber die wir schon fluumlchtig kennengelernthaben aus den Notizen des Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard vBrauchitsch und zwar als Abholerin der offenbar verlorenge-gangenen raquoNikolaus-Spendelaquo von 30 000 DM Kohllaquo lieszlig

er Helmut Kohl wissen daszlig nun er es sei der finanzielle Unter-stuumltzung benoumltige

Ob nun Frau Weber ein gutes Wort fuumlr den Freund aus Main-zer Tagen eingelegt hat oder ob Kohl aus eigenem Antrieb taumltigwurde Jedenfalls setzte sich der Bundeskanzler sofort und ineiner Weise fuumlr Dr Scholl ein daszlig bei dem Kohl nahestehen-den und treuergebenen Beamten die Befuumlrchtung aufkam derKanzler koumlnnte erpreszligbar sein Denn dieser verschaffte demlaumlngst nicht mehr in bestem Ruf stehenden Duzfreund den er1982 noch mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausge-zeichnet hatte unverzuumlglich einen Beratervertrag bei der Deut-schen Lufthansa (an der der Bund mit mehr als 50 Prozent be-teiligt ist) Dadurch erhoumlhten sich Dr Scholls feste Bezuumlge umweitere 10 000 DM Monatsgehalt sowie 5000 DM monatlicheraquoAufwandsentschaumldigunglaquo auf nunmehr insgesamt 31100 DM

Die Befuumlrchtungen des um Kohl besorgten Beamten warenjedoch sicherlich unbegruumlndet Kohl hat sich wohl lediglichdem Spezi Dr Scholl der ihm und Seinerpartei jahrelang finan-ziell so uumlberaus behilflich gewesen warpflichtet gefuumlhlt Auch konnte Helmut Kohlja nicht ahnen daszligihn der Freund herb enttaumluschen wuumlrde

Gut ein Jahr nachdem Dr Scholls Bezuumlge dank des KanzlersFuumlrsorge auf uumlber 31000 DM monatlich erhoumlht worden warenereignete sich ein auf den ersten Blick ganz gewoumlhnlicher Raub-uumlberfall Am 28 Dezember 1984 drang ein bewaffneter Mannin ein Baden-Badener Juweliergeschaumlft ein und entkam nach-dem er die Anwesenden bedroht und den Inhaber niederge-schlagen hatte mit einer Beute im Verkaufswert von Millio-nen DM Bei der Fahndung nach den geraubten Juwelen fanddie Polizei in einem Bankschlieszligfach in Zuumlrich nicht nur einenTeil des fehlenden Schmucks sondern auch eine MengePapiere die Einblick gaben in die Spendenpraxis der bundes-deutschen Pharma-Industrie Damit war klar daszlig der bereitsgefaszligte Verdaumlchtige tatsaumlchlich der Raumluber von Baden-Badenwar Rechtsanwalt Dr Scholl der zwei Jahrzehnte lang fuumlh-rende F D P-Politiker von Rheinland-Pfalz und ehemaligeHauptgeschaumlftsfuumlhrer des Pharma-Verbands ein Intimus desamtierenden Bundeskanzlers

Lassen wir diese fuumlr Helmut Kohl schockierende Angelegen-heit damit ihr Bewenden haben Dr Scholls Motive hatten mitPolitik nichts zu tun und er hat seine Freiheitsstrafe laumlngst ver-buumlszligt

Allerdings haumltte sich Helmut Kohl schon fruumlher daruumlber imklaren sein muumlssen daszlig groszligzuumlgige lsquoGeldspender nicht voumllligselbstlos handeln Lange vor dem ersten Haumlndedruck mit demdamaligen Pharma-Lobby-Haumluptling Dr Scholl haumltte Kohl wis-sen muumlssen Wenn steinreiche Industrielle dicke Geldbuumlndelverteilen oder durch ihre Beauftragten verteilen lassen so istdies im allgemeinen kein Ausdruck uneigennuumltziger Naumlchsten-liebe Vielmehr erwarten die Spender in aller Regel Gegendien-ste die ihnen ein Vielfaches dessen einbringen was sie gespen-det haben und dabei verlangen sie mituntervon den Beschenk-ten sogar Ungesetzliches ja schlimmer noch Sie fordern eineAumlnderung der Gesetze und Vorschriften zu ihren Gunsten undzum groszligen Schaden fuumlr die Allgemeinheit oder vereiteln -wiees der Pharma-Industrie mit Hilfe der von Dr Scholl verteiltenMillionen gelang ein dringend gebotenes Reformwerk

Helmut Kohls Verhalten gegenuumlber Spendenverteilern obsie Dr Scholl oder v Brauchitsch Flick Henkel oder Oetkerheiszligen setzt ihn dem Verdacht aus daszlig er den von ihm ge-schworenen Eid raquoSchaden abzuwenden und den Nutzen zumehrenlaquo nicht auf das deutsche Volk bezieht wie es die Eides-formel fordert sondern nur auf einen winzigen Teil dieses Vol-kes naumlmlich auf die spendablen Herren des Groszligen Geldessowie auf sich selbst und einige wenige Personen die ihmnahestehen

Das Ganze wird noch erheblich verschlimmert durch einBenehmen Helmut Kohls im privaten Umgang mit den Reprauml-sentanten des Groszligen Geldes das seinen Waumlhlerinnen undWaumlhlern wenn sie davon erfahren die Schamroumlte ins Gesichttreiben muumlszligte Nehmen wir als Beispiel einen scheinbar neben-saumlchlichen im Untersuchungsausschuszlig des Bundestages zurFlick-Spendenaffaumlre aktenkundig gewordenen Vorgang

Da rief Kanzler Kohl eines Tages bei Eberhard v Brauchitschan dem Flick-Generalbevollmaumlchtigten der seinem Konzernetliche Hundert Millionen Mark faumllliger Steuern sparen will

und dafuumlr mit Bargeldbuumlndeln den stets beduumlrftigen Politikerngefaumlllig ist Zweck des Anrufs ist die Mitteilung des Bundes-kanzlers raquoDu houmlr mal Eberhard ich komme morgen abendbei euch vorbei Ich wuumlrde gern mal wieder anstaumlndig Kaviare s s e n

Natuumlrlich ging v Brauchitsch sofort auf diesen Wunsch sei-nes Duzfreundes ein der sich bei nur knapp 40000 DMMonatsgehalt sein -neben Saumagen -liebstes Essen offenbarnicht leisten konnte oder wollte Aber damit nicht genug Einpaar Tage spaumlter wieder ein Anruf bei v Brauchitsch diesmalvon Frau Hannelore Kohl aus Oggersheim raquoDu weiszligt dochEberhard wie gern ich Kaviar esse aber den gibtrsquos bei euch janur wenn ich nicht dabei bin

was macht man dann als guterzogener Mensch Als ichdas naumlchste Mal mit Herrn Kohl zusammen warlaquo so berichteteHerr v Brauchitsch habe ich ihm eine Dose Kaviar mitge-geben Den moumlchte er doch bitte mit Frau Gemahlin essen

Auch damit noch nicht genug denn die Schilderung desFlick-Repraumlsentanten geht weiter

raquoNach einer gewissen Zeit gibt es wieder ein Telefonat zwi-schen Frau Kohl und mirlaquo Bei dieser Gelegenheit fragte vchitsch raquoDu haumlttest eigentlich was sagen koumlnnen -wie war dennder Kaviarlaquo Darauf Hannelore Kohl raquoKaviar Ich habe keinengekriegt Du kennst doch den Helmut Der hat ihn mit in seineWohnung in Bonn genommen und ihn selber aufgegessen laquo

Woraufhin der wohlerzogene v Brauchitsch das Haus Flickabermals in Unkosten stuumlrzte das halbe Kilo Kaviar kosteteseinerzeit 560 DM und seinen Fahrer beauftragte der Kanz-lergattin rasch eine Dose vom Feinsten nach Ludwigshafen-Oggersheim zu bringen Mit einen dreizeiligen Begleit-brief die russische Marmelade wirklich in DeineHaumlnde kommt anbei direkt herzliche Gruumlszligelt laquo

Uumlbrigens der Untersuchungsausschuszlig und damit auch diePresse und die Oumlffentlichkeit haumltten von alledem wohl nieetwas erfahren waumlre im Privatsekretariat des Flick-Beauftrag-ten eine kurze Danksagung fuumlr die erwiesene Aufmerksamkeiteingegangen Da diese ausblieb wurden die sonst laumlngst ver-nichteten Kopien und Belege saumluberlich abgeheftet und die

Staatsanwaumllte die den Vorgang fuumlr strafrechtlich relevant hiel-ten beschlagnahmten die Akte

Der Vorfall der ein Schlaglicht auf den miserablen Stil wirftder im Hause Kohl die Arroganz der Macht begleitet ist indes-sen nur ein typisches Beispiel fuumlr die Dreistigkeit mit der sichdieser Politiker und die Seinen uumlber alle Normen gesittetenZusammenlebens hinwegsetzen von der staumlndigen Miszligach-tung der Gesetze und Vorschriften durch den amtierendenKanzler ganz zu schweigen

Zum besseren Verstaumlndnis sei hier noch aus der Fuumllle derSkandale die fuumlr die bisherige Amtszeit des Kanzlers Kohlkennzeichnend waren einer herausgegriffen der ganz zu An-fang stand

Am 11 Januar 1983 also nur wenige Wochen nach GenschersBetrug am Waumlhler und dem konstruktiven Miszligtrauensvotumdurch das Helmut Schmidt (SPD) gestuumlrzt und Helmut Kohl(CDU) Bundeskanzler wurde drangen Beamte der Bundesan-waltschaft und des Bundeskriminalamts in die Redaktions-raumlume der Hamburger Monatszeitschrift raquokonkretlaquo ein Siedurchsuchten alle Buumlros und dann auch die Privatwohnungendes damaligen Chefredakteurs Manfred Bissinger und desraquokonkretlaquo-Autors Juumlrgen Saupe angeblich wegen des dringen-den Verdachts der raquoPreisgabe von Staatsgeheimnissenlaquo Siewiesen eine besondere Ermaumlchtigung des Bundeskanzleramtsvor unterschrieben von Kohls Schulfreund engem Vertrautenund damaligen Staatssekretaumlr fuumlr die Geheimdienste Walde-mar Schreckenberger

Dies lieszlig darauf schlieszligen daszlig Kohl selbst oder seine naumlch-ste Umgebung die spektakulaumlre Aktion veranlaszligt hatte dennuumlblicherweise ist es der Generalbundesanwalt der seine Be-houmlrde und die Beamten des BKA taumltig werden laumlszligt Tatsaumlchlichwurden aber die Durchsuchungen bei raquokonkretlaquo von der Bun-desanwaltschaft eilig zur raquoRoutineangelegenheitlaquo herunterge-spielt und der Presse gegenuumlber begruumlndet mit einer mehr alsein Jahr zuruumlckliegenden raquokonkretlaquo-Veroumlffentlichung uumlber denfruumlheren BND-Spitzenfunktionaumlr Hans Langemann eine zwie-lichtige Gestalt die unter Franz Josef Strauszlig zum Chef derbayerischen Staatsschutzdienste avanciert und spaumlter gefeuert

worden war teils wegen Unfaumlhigkeit und Geschwaumltzigkeitteils wegen des Sicherheitsrisikos das sein Privatleben bot

Indessen lag der Verdacht sehr nahe daszlig es sich in Wahrheitnicht um diese weit zuruumlckliegende Veroumlffentlichung handeltesondern um einen erst gerade erschienenen raquokonkretlaquo-Artikelund einen damit zusammenhaumlngenden privaten Racheakt Hel-mut Kohls In der Ausgabe vom Januar 1983 hatte Chefredak-teur Manfred Bissinger den Kanzler in einem Artikel scharfangegriffen und es hieszlig darin raquoWie ein Mann seine Familiebehandelt und uumlber die Familie spricht kann im Gegensatznicht krasser sein als bei Helmut Kohl Seine Worte sind schein-heilig und verlogen wenn man weiszlig wie er lebt

Gemeint war das Privatleben des Kanzlers im Bereich Eheund Familie den Lieblingsthemen des salbadernden Volksred-ners Kohl raquoIch spreche so leidenschaftlich zu diesem Themalaquohatte er gerade erst getoumlnt raquoweil fuumlr mich ganz ist daszlig dieimmer wieder notwendige geistig-moralische Erneuerungunseres Landes eben nur dann kommen kann wenn die Jun-gen ihr Beispiel zu Hause erfahren und eingeuumlbt werden indie Tugenden unseres Landes am Beispiel der eigenen Elternin der Waumlrme und Geborgenheit der eigenen Familielaquo Dochals Helmut Kohl von Mainz nach Bonn umgezogen war hatteer seine Frau Hannelore und seine beiden Soumlhne im Oggershei-mer Bungalow zuruumlckgelassen Seine Sekretaumlrin Juliane Weberaber war mit ihm umgezogen nicht nur ins Bonner Buumlro son-dern auch in sein neues Haus in Bonn-Pech Am 14 Oktober1982 zwei Wochen nach Kohls Einzug ins Bundeskanzleramthatte raquoBILDlaquo aus der raquogeheimnisvollen Welt der neuen Nr 1laquoder Kanzlergattin Hannelore Kohl gemeldet Sie raquokam nachBonn selten uumlbernachtet hat sie dort so gut wie nielaquo

raquoIn Bonn ist es ein offenes Geheimnislaquo hatte Bissinger inraquokonkretlaquo uumlber das Verhaumlltnis Kohls mit seiner Sekretaumlringeschrieben raquoDie Journalisten kennen nicht nur Juliane Weber(die uumlbrigens auch verheiratet ist)laquo sie wissen auch wie Kohlzu ihr steht raquoDie Wahrheit schreiben will keiner Das houmlch-ste der Gefuumlhle ist mal ein Scherz fuumlr Insider Der gtSpiegelltuumlber Juliane Weber schlaumlgt ihm auch die Eier auf weil der

Kanzler sie so heiszlig nicht anfassen maglt Normalerweise wuumlrdeman daruumlber zur Tagesordnung uumlbergehen

Soweit die wesentlichen Stellen aus dem fuumlr Helmut Kohlund seine Gefaumlhrtin so aumlrgerlichen raquokonkretlaquo-Artikel dergewiszlig nicht geschrieben - und bestimmt nicht hier zitiert - wor-den waumlre haumltte Kohl nicht selbst dafuumlr gesorgt daszlig man uumlberseine Intimsphaumlre eben nicht taktvoll schweigen kann

Der Kanzler selbst hat aus seiner privaten eine oumlffentlicheAngelegenheit gemacht denn zum erstenmal seit Bestehender Bundesrepublik ja wenn man die Hitler-Diktatur aus-nimmt in der ganzen neueren deutschen Geschichte hat einKanzler die Finanzierung seines Verhaumlltnisses nicht ausner Tasche vorgenommen sondern sie dreist dem Steuerzahleraufgebuumlrdet Damit nicht genug Helmut Kohl hat seiner Juli-ane Weber die fuumlr ihn wie wir bereits wissen auch oumlfters dasvon der Industrie gespendete Bargeld kassieren darf auch einePfruumlnde verschafft die ihr nicht zusteht Gegen das Beamten-recht und gegen die Einwaumlnde des Personalrats der darauf hin-wies daszlig Frau Weber sogar die in den Richtlinien vorgeschrie-bene Oberschul- und Universitaumltsbildung fehle ganz zuschweigen vom Staatsexamen wurde die Kanzler-Gefaumlhrtinmit den Bezuumlgen eines Regierungsdirektors als persoumlnlicheReferentin eingestellt weil Kohl das raquoeinzigartigelaquo VertrauenVerhaumlltnis geltend machte das zwischen ihm und JulianeWeber bestehe und sich damit durchsetzte

Erst diese von Kohl eingefuumlhrte raquoMaumltressenwirtschaftlaquo (wieBeamte des Kanzleramts seinen Regierungsstil nennen der esFrau Weber gestattet mit der einleitenden keinen Wider-spruch duldenden Formel raquoDer Kanzler wuumlnscht ihre eige-nen Forderungen durchzusetzen) hat dazu veran-laszligt die Oumlffentlichkeit daruumlber zu informieren

Kohl selbst informierte die Oumlffentlichkeit auf seine WeiseIn derselben Woche in der das Kanzleramt die Haussuchungenbei raquokonkretlaquo vornehmen lieszlig verkuumlndete er vollmundiggilt fuumlr uns der Satz Eine gesunde Familie ist die Vorausset-zung eines gesunden Staates und Staatspolitik muszlig sich taumlg-lich an diesen Satz erinnernlaquo

Ein paar Tage spaumlter bemuumlhten sich Kanzlergehilfen dieBonner Journalisten davon zu uumlberzeugen daszlig die Aktion ge-

raquokonkretlaquo nichts zu tun gehabt haumltte mit der dort veroumlffent-lichten Geschichte uumlber die zur Regierungdirektorin ernannteKanzler-Gefaumlhrtin Denn diese Veroumlffentlichung haumltte ja Kohlund Frau Weber noch gar nicht zur Kenntnis gelangt sein koumln-nen weil sie im Januar-Heft stand der Durchsuchungsbefehlaber sei bereits am 29 Dezember 1982 unterzeichnet wordenDie Wahrheit hingegen ist daszlig raquokonkretlaquo wegen der Feiertageseine Januar-Ausgabe bereits am 21 Dezember ausgelieferthatle So war also Zeit genug gewesen etwaige Rachegeluumlstereifen zu lassen und dann auch zu stillen

Indessen ist der Vorfall samt seinem skandaloumlsen Hinter-grund der Einsetzung der raquoeinzigartigenlaquo Gefaumlhrtin als Direk-torin ins Kanzleramt nur ein weiteres Beispiel fuumlr den misera-blen Stil des Politikers Helmut Kohl der staumlndig von raquogeistig-moralischer Erneuerunglaquo redet sich aber nicht scheut denSuperreichen Steuergeschenke in Milliardenhoumlhe auf Kostender Allgemeinheit vor allem der Lohnsteuerpflichtigen zumachen und dafuumlr bei den Herren des Groszligen Geldes abzukas-sieren Bleibt noch zu fragen welche unsittlichen Forderungenauszliger den bereits genannten speziellen Wuumlnschen des HausesFlick und denen der Pharma-Industrie die Konzerngewaltigenan Helmut Kohl und dessen Regierung noch gestellt habenund inwieweit diese Forderungen bereits erfuumlllt worden sindDenn natuumlrlich wollen die milliardenschweren Herren fuumlr ihrehohen Spenden auch wenn diese Betraumlge durch Schwinde-leien und Steuerhinterziehung ergaunert worden sind diegewuumlnschten Resultate sehen

Aber mit den vom Groszligen Geld erhofften Ergebnissen kanndie Regierung Kohl in reichem Maszlige aufwarten Ihre Bilanznach zwoumllf Jahren raquoWendelaquopolitik ist fuumlr die Superreichen derBundesrepublik so zufriedenstellend daszlig sie sich vergnuumlgt dieHaumlnde reiben koumlnnen

Sehen wir uns an wie Kohl sich ihnen gleich in seinen erstenRegierungsjahren nuumltzlich gemacht hat

Helmut Kohl finanziert und

von ihm bekommen hat

An nichts wird so glaumlnzend verdient wie am RuumlstungsgeschaumlftViele der groumlszligten Vermoumlgen der Bundesrepublik im Megamil-lionen- und Multimilliardenbereich stammen aus Kriegsgewin-nen aus Waffenlieferungen ins Ausland vor allem aber ausAuftraumlgen der Bundeswehr Die Erben von Harald und HerbertQuandt -geschaumltztes Vermoumlgen zusammen Milliarden DM- der Flick-Erbe Dr Friedrich Karl Flick und seine Neffen -zu-sammen mindestens Milliarden DM schwer - Familie vSiemens Milliarden DM - die Roumlchling-Erben etwaMilliarden oder um aus der Fuumllle der moumlglichen Beispielenoch einen weiteren Kroumlsus zu nennen Karl Diehl der aufMunition Zuumlnder Panzerketten und Kanonen spezialisiert istund auf Milliarden DM Vermoumlgen geschaumltzt wird - sie undviele andere verdanken ihr vieles Geld groszligenteils dem gewalti-gen Ruumlstungsbedarf nicht zuletzt dem der Bundeswehr

Um so erschrockener muumlssen die Konzernherren gewesensein als Kanzler Kohl kaum daszlig er trickreich in sein Amthievt worden war mit der Parole in den Bundestagswahlkampf1983 zog raquoFrieden schaffen mit immer weniger Waffenlaquo

Indessen beruhigten sich die Ruumlstungsmagnaten sehr raschals sie merkten daszlig Kohl ihnen nur eins seiner demagogischenKunststuumlckchen vorfuumlhrte Die damaligen Meinungsumfragenhatten erbracht daszlig die uumlberwaumlltigende Mehrheit der Bevoumllke-rung nichts sehnlicher wuumlnschte als einen sicheren Friedendurch eine massive Abruumlstung in Ost und West Fast 80 Prozentder Befragten sympathisierten mit der Friedensbewegung be-jahten deren Ziele und bekundeten ihr Vertrauen zu Gorba-tschow und die Glaubwuumlrdigkeit seiner Vorschlaumlge zur Beile-

gung des Ost-West-Konflikts und zur stufenweisen AbruumlstungAngesichts dieser breiten Zustimmung der Bundesbuumlrger zuden Bemuumlhungen den Ruumlstungswahnsinn zu beenden hattesich Helmut Kohl veranlaszligt gesehen ganz ungeniert mit demVersprechen auf Stimmenfang zu gehen ebenfalls fuumlr Abruuml-stung zu sorgen

Doch er tat das GegenteilDie Ruumlstungsausgaben der Bundesrepublik stiegen unter

Helmut Kohls Kanzlerschaft kontinuierlich weiter 1983 betru-gen sie 46751 Millionen DM 1986 uumlberschritten sie erstmalsdie 50-Milliarden-Grenze und 1990 erreichten sie mit mehr als54 Milliarden DM den houmlchsten Stand in Friedenszeiten denes in der deutschen Geschichte je gegeben hat

Obwohl von einer tatsaumlchlichen Bedrohung nicht mehr dieRede sein und spaumltestens seit der Jahreswende nie-mand mehr daran zweifeln kann daszlig Abruumlstung das Gebot derStunde ist und keinesfalls weiter aufgeruumlstet werden darf sahder Haushaltsentwurf der Kohl-Regierung fuumlr 1991 abermalsrund 50 Milliarden DM vor Die scheinbare Verminderung umetwa zwei Prozent beruht zudem auf einem Rechentrick DiePersonalverstaumlrkungsmittel wurden aus dem Wehr- in den Fi-nanzetat uumlbertragen Trotz Verringerung der Bundeswehr-Trup-penstaumlrke um fast ein Drittel sind die Verteidigungsausgabenbis heute nur wenig unter die 50-Milliarden-DM-Grenze ge-sunken

Diese gigantische Vergeudung von oumlffentlichen Mitteln ge-houmlrt zur Strategie der Regierung Kohl die das Ziel hat dasVolksvermoumlgen umzuverteilen zu Lasten fast aller Buumlrgerin-nen und Buumlrger und zum Nutzen der wenigen Superreichendenn wenn Groszligunternehmen Hunderte von Millionen Markinvestieren wie sie es taten als sie zwei Jahrzehnte lang sehrviel Geld in die Kassen von CDU CSU und F DP sowie in dieTaschen fuumlhrender Politiker flieszligen lieszligen dann wollen sie fuumlrihr Geld natuumlrlich auch Gegenleistung erbracht sehen die diehohen Ausgaben nachtraumlglich uumlberreichlich lohnen

Neben den Sonderwuumlnschen einzelner Groszligunternehmerbeispielsweise Flicks Wunsch nach Befreiung von allen Steuer-zahlungen fuumlr sein raquoMilliardendinglaquo die ihm dann ja auch

gewaumlhrt wurde oder einzelner Branchen -wie etwa die eben-falls gelungene Abwehr vernuumlnftiger Sparmaszlignahmen im Arz-neimittelbereich durch die Pharma-Industrie haben alle gro-szligen Bosse unseres Landes auch einige gemeinsame WuumlnscheSie wollen mehr Profit egal ob durch steuerliche Entlastungoder durch Befreiung von laumlstigen weil hohe Kosten verursa-chenden Auflagen etwa im Umwelt- oder Arbeitsschutzbe-reich ob durch Senkung ihrer Lohn- und Lohnnebenkostenoder durch hohe Subventionen

Es gibt noch vieles was den Profit kraumlftig steigert und amliebsten ist es den groszligen Bossen wenn ihnen die Regierungalles auf einmal und in moumlglichst reichem Maszlige beschert DieCDUCSUFDP-Regierung hat sich seit 1983 die groumlszligteMuumlhe gegeben den Konzernen nur ja alles recht zu machenDas ist freilich immer mit einem Problem verbunden Wennman so viel zugunsten von wenigen Superreichen tut geht diesleider zu Lasten der breiten Mehrheit Da die Regierung aberwenn sie uumlber den naumlchsten Wahltag hinaus am Ruder bleibenwill (und nach dem Willen ihrer Geldgeber aus der Konzern-welt auch soll) eine Mehrheit der Waumlhlerstimmen benoumltigtmuszlig sie das Kunststuumlck fertigbringen sich all denen uumlberzeu-gend als Wohltaumlterin anzupreisen die sie zugunsten des Gro-szligen Geldes benachteiligt und geschaumldigt hat Ihr Spezialist fuumlrdiese schwierige Aufgabe heiszligt Dr Norbert Bluumlm langjaumlhrigerVorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse auch Mitglied einerDGB-Gewerkschaft seit 1983 Bundesminister fuumlr Arbeit (wasaber wohl nur eine irrefuumlhrende Abkuumlrzung ist denn tatsaumlch-lich fungiert Dr Bluumlm als Minister fuumlr Arbeitgeberinteressen)raquoDen Opfern des Sozialabbaus in ihrer Sprache zu antwortenihnen die staatlichen Maszlignahmen mit ihren eigenen Worten alsWohltat zu verkaufen diesen Trick beherrscht kaum ein ande-rer Politiker so sicher und vertrauenerweckend wie NorbertBluumlmlaquo heiszligt es in der hervorragenden Studie von Hans UskeraquoDie Sprache der Wendelaquo uumlber diesen mit Roszligtaumluschermetho-den arbeitenden Demagogen der den Abbau der Sozialleistun-gen mit der Notwendigkeit rechtfertigt den Staat vor Verschul-dung zu bewahren und zwar folgendermaszligen

raquoDafuumlr brauche ich gar keine volkswirtschaftlichen TheorienDas entspricht auch dem Lebensgefuumlhl der Arbeiterfamilie

Die Arbeiterfamilie hat nie auf Pump gelebt Sie hat immergewuszligt Man kann nicht mehr essen als auf dem Tisch stehtund ein Staat kann nicht mehr ausgeben als er einnimmt Dasentspricht dem Lebensgefuumlhl der Arbeitnehmerlaquo So Dr Bluumlmim Bundestag am 18 Dezember 1983 zur Begruumlndung derdamals eingeleiteten Regierungspolitik die dann nicht nursystematisch Sozialleistungen kuumlrzte und Arbeitnehmerrechteeinschraumlnkte sondern zugleich die Staatsschulden mehr alsverdoppelte

raquoDer Staatlaquo merkt Hans Uske treffend an raquoist natuumlrlichkeine Arbeiterfamilie und Staatsschulden sind nicht miteinem Uumlberziehungskredit zu vergleichen Aber nehmen wirmal an sei tatsaumlchlich in so tiefer Not wie eine Arbei-terfamilie Wieso nimmt Bluumlm dann den armen Familienmit-gliedern Geld weg um es dem reichen Onkel als Steuerge-schenk in den Rachen zu werfen Wenn er uns schon alle zueiner riesigen Arbeiterfamilie macht waumlre es klar daszlig uns dieWohlhabenden aus der Patsche helfen muumlszligten In richtigenArbeiterfamilien gehoumlrt das zum guten Benehmen

In derselben Bundestagsrede vom 8 Dezember 1983 gabsich Dr Bluumlm sogar noch ein biszligchen proletarischerraquoDie Zinsen der staatlichen Schuldenpolitik bekommennicht die Rentenempfaumlnger die Sozialhilfeempfaumlnger sonderndiejenigen die dem Staat das Geld leihen konntenlaquo erklaumlrte ermehr fuumlr das Fernsehpublikum das seine Rabulistik in derraquoTagesschaulaquo serviert bekam als fuumlr seine wenigen Zuhoumlrer imBundestag raquoDas sind nicht die armen Leute das sind dieOumllscheichs die Banken und die Besserverdienenden Schuldenabbauen ist soziale Politiklaquo

raquoIst das nicht klassenkaumlmpferischlaquo heiszligt es dazu in dem bis-sigen Kommentar von Hans Uske raquowie Kollege Bluumlm hiergegen Oumllscheichs Banken und Besserverdienende vorgeht InWirklichkeit benutzt er ein paar proletarische Reizworte umden Klassenkampf von oben den er selbst mit vorantreibtsprachlich in einen angeblichen Kampf gegen Oumllscheichs undBanken zu verwandeln Seine Arbeitersprache setzt Bluumlm einwie es ihm gerade paszligtlaquo

Denn bei anderer Gelegenheit kann er genauso geschicktdie - angeblich faulenzenden Sozialhilfeempfaumlnger die er

eben noch als raquoarme Leutelaquo fuumlr seine Scheinargumentationbenutzt hat in Parasiten und raquoAusbeuterlaquo verwandeln und fol-gendermaszligen -in seinem Buch raquoDie Arbeit geht weiterlaquo Muumln-chen 1983 Seite 9 verunglimpfen

raquoAber ist es nicht eine moderne Form der Ausbeutung sichunter den Palmen Balis in der Haumlngematte zu sonnen alterna-tiv vor sich hin zu leben im Wissen daszlig eine Sozialhilfe vonArbeitergroschen finanziert im Notfall fuumlr Lebensunterhaltzur Verfuumlgung stehtlaquo

Dazu noch einmal der Kommentar von Hans Uske an-dere Politiker stuumltzt sich bluumlm auf schon vorhandene Vorurteilegegen gtDruumlckebergerlt Bluumlms Spezialitaumlt ist jedoch der Appellans Klassenbewuszligtsein gtAusbeutunglt Machen die Unter-nehmer muszlig der Arbeiter gegen kaumlmpfen gtArbeitergroschenltSind sauerverdient wollen die Reichen wegnehmen muszlig manverteidigen den Palmen Balislt Da liegen die Playboysam Strand sonnen sich Ausbeuter von sauer verdienten Arbei-tergroschen Waumlhrend er so die Opfer seines Sozialabbausdenunziert hofft Bluumlm auf Applaus von Arbeitern -was beson-ders makaber ist da die ja selbst zu seinen Opfern gehoumlrenlaquo

Norbert Bluumlm geht sogar noch einen Schritt weiter Im Som-mer 1986 lieszlig sein Ministerium verbreiten von einem Sozialab-bau koumlnne uumlberhaupt nicht die Rede sein im Gegenteil DieSozialausgaben haumltten vielmehr seit der raquoWendelaquo eine kraumlftigeSteigerung erfahren Und tatsaumlchlich Wenn man wie es ein zudieser dreisten Behauptung geliefertes Schaubild tat alle Aus-gaben im Gesundheitswesen vor allem die von der raquoPillen-lobbylaquo unter vormaliger Fuumlhrung des spaumlteren JuwelenraumlubersDr Scholl herbeigefuumlhrte - Kostenexplosion bei Arzneimittelnhinzurechnete ebenso die den Gemeinden aufgebuumlrdeten So-zialhilfe-Lasten dann hatten sich allerdings schon in diesenersten Jahren der Regierungstaumltigkeit von Kohl und Bluumlm dieSozialausgaben drastisch erhoumlht nur waren die Leistungenauf die der oder die einzelne Anspruch hatten keineswegsgestiegen sondern hatten sich real vermindert Kraumlftig ver-mehrt hatten sich hingegen die Profite beispielsweise die derPharma-Industrie aber auch die Honorareinnahmen etwa beiden Zahnaumlrzten

Tatsaumlchlich haben zwoumllf Jahre Kohlscher raquoWendelaquopolitikMillionen in die Armut getrieben dafuumlr die Reichen noch umvieles reicher gemacht

Beguumlnstigt durch die bis Anfang der neunziger Jahre anhal-tende Hochkonjunktur sind die Unternehmergewinne und Ver-moumlgensrenditen explosionsartig gestiegen aber gleichzeitighat die Kohl-Regierung den Groszligverdienern immer neue Steu-ergeschenke gemacht Das hat diese aber nicht davon abgehal-ten in steigendem Maszlige Steuern zu hinterziehen Wie derwegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskraumlftig verur-teilte Ex-Bundeswirtschaftsminister und inzwischen Ex-FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff dazu bemerkt hat befindeter sich mit diesem Delikt raquoin allerfeinster Gesellschaftlaquo In derTat Steuerhinterziehungen groszligen Stils und Kapitalflucht insAusland werden nicht von Otto Normalverbraucher nicht vonLohnsteuerpflichtigen und auch nicht von kleinen und mittle-ren Beamten Rentnern Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfaumln-gern begangen

Was die beiden letzten groszligen Gruppen der Bevoumllkerungbetrifft so haben Kanzler Kohl und sein Arbeitsminister Bluumlmzur Verminderung der Arbeitslosigkeit und Armut bislang nureines getan unermuumldlich eine Verschoumlnerung der Statistikbetrieben Schon mit der 7 Novelle zum Arbeitsfoumlrderungsge-setz wurde die Moumlglichkeit geschaffen rund 100 000 Arbeits-lose zwischen 50 und 59 Jahren endguumlltig aus der Statistik ver-schwinden zu lassen ebenso rund 40 000 arbeitslose FrauenEine statistische Absenkung der Arbeitslosenquote kam spaumlterauf folgende Weise zustande Man setzte die Arbeitslosennicht mehr ins Verhaumlltnis zu den abhaumlngig Beschaumlftigten son-dern zu allen Erwerbspersonen Das fuumlhrte dazu daszlig sich dieArbeitslosenquote von einem Tag auf den anderen um fasteinen Prozentpunkt verringerte ohne daszlig ein einziger Arbeits-loser Arbeit bekommen haumltte

Doch solche Methoden genuumlgten nicht um das so Kohlleidige Thema raquoArbeitslosigkeitlaquo zu raquoentschaumlrfenlaquo Deshalbdachte sich die Leiterin des Allensbacher Instituts fuumlr Demo-skopie Frau Professor Noelle-Neumann etwas Neues ausKohls Hof-Demoskopin machte dem Kanzer schon 1986 den

im Hinblick auf die Bundestagswahlen vom Januarraquoden Block der Arbeitslosen aufzuteilenlaquo Rund 700 000

Arbeitslose sollten raquoals Alkoholiker Drogensuumlchtige sozialeAussteigerlaquo oder schlicht als raquofreiwillig arbeitsloslaquo diffamiertund zumindest auf dem Papier von der erschreckendenGesamtzahl in Abzug gebracht der immer noch gewaltige Restunterteilt werden in raquoAlleinernaumlhrer Arbeitslose in Haushal-ten in denen es einen zweiten Hauptverdiener gibt undArbeitslose die Nebenverdiener sindlaquo

Frau Noelle-Neumann hat damals der Bundesregierunggeraten diese Zahlenakrobatik nicht selbst vorzunehmen Einsolches Rechenkunststuumlck raquodas vor der heiszligen Phase des Wahl-kampfes abgeschlossen werden solllaquo muumlszligte raquoaus privaterInitiativelaquo in Auftrag gegeben werden wie es dann auchgeschah Arbeitgeberverbaumlnde Konzerne und raquoandere privateGeldgeberlaquo beauftragten die Allensbacher tatsaumlchlich mit derDurchfuumlhrung dieses Roszligtaumluschertricks werden dieArbeitslosigkeit einigermaszligen wegerklaumlrenlaquo versicherte dazuim Sommer 1986 ein Allensbach-Mitarbeiter raquoLeicht wird dasnicht gerade sein aber es wird hoffentlich reichen der Bundes-regierung im Wahlkampf uumlber die Runden zu helfenlaquo

Diese und andere Taumluschungsmanoumlver die seitdem in rei-chem Maszlige angewendet worden sind aumlnderten natuumlrlich nichtdas geringste am tatsaumlchlichen Ausmaszlig der Dauermassenar-beitslosigkeit die sich nicht verringerte sondern vergroumlszligerteDoch vor allem wenn Wahlen anstanden war es der Kohl-Regierung jedesmal besonders wichtig den Waumlhlerinnen undWaumlhlern Sand in die Augen zu streuen damit ihnen das Aus-maszlig vor allem aber die Gruumlnde der Arbeitslosigkeit nicht deut-lich werden Sie sollen nicht merken warum wohl Arbeitgeber-verbaumlnde Konzerne raquound andere private Geldgeberlaquo daraninteressiert sind daszlig Millionen Menschen ohne festen Arbeits-platz bleiben und dafuumlr auch noch diffamiert und mit Verach-tung bestraft werden Mit der Massenarbeitslosigkeit wird naumlm-lich die Voraussetzung geschaffen Loumlhne und Gehaumllter imunteren Bereich zu druumlcken und die Beschaumlftigten zu raquofreiwilli-gemlaquo Verzicht auf wohlerworbene Anspruumlche und hart er-kaumlmpfte Rechte zu bewegen Durch die Diffamierung der raquoFrei-

gestelltenlaquo sollen die Solidaritaumlt mit den Arbeitslosen untergra-ben und die Aumlngste der noch Beschaumlftigten vor Entlassung undsozialem Abstieg geschuumlrt werden

raquoJe mehr Arbeitslose wir haben und je schlechter es ihnengeht desto besser wird die Arbeitsmoral desto weniger druumlk-ken uns die Lohnkostenlaquo Diese Grundregel der groszligen Bossestellte der Groumlszligte von ihnen Friedrich Flick bereits 1931 waumlh-rend der Weltwirtschaftskrise auf einer Aktionaumlrsversamm-lung in Duumlsseldorf auf und an der Guumlltigkeit dieser Regel undihrer immer rigoroseren Anwendung hat sich bis heute nichtsgeaumlndert

Am schlechtesten dran sind jene jugendlichen Arbeitslosenohne Ausbildung denen Kanzler Kohl vollmundig raquofuumlr jedenund jede eine Lehrstellelaquo versprochen hat (woran er aber nichtmehr erinnert werden moumlchte) Um der Statistik willen werdenmaumlnnliche Dauerarbeitslose im wehrpflichtigen Alter zu kur-zen Uumlbungen einberufen die Unterbrechung genuumlgt sie ausder Rubrik raquoDauerarbeitsloselaquo verschwinden zu lassen

Auch das sogenannte Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz derRegierung Kohl brachte gerade fuumlrjunge Leute drastische Ver-schlechterungen Zur Freude der Bosse foumlrdert das Gesetz dasHeuern und Feuern und erlaubt ohne sachliche Begruumlndungbefristete Arbeitsvertraumlge bis zu 18monatiger Dauer Auszliger-dem wurde die zulaumlssige Dauer der ohnehin houmlchst bedenk-lichen ausbeuterischen Leiharbeit verlaumlngert

Mit dem 1985 ausgerechnet zum 1 Mai in Kraft getretenenGesetz wurde der Kuumlndigungsschutz durchloumlchert Houmlchst um-strittene von den Gewerkschaften bekaumlmpfte Formen der Teil-zeitarbeit wurden gesetzlich verankert sowohl die Arbeits-platzteilung das sogenannte raquoJob-sharinglaquo als auch die raquokapa-zitaumltsorientierte variable Arbeitszeitlaquo (KAPOVAZ) Die Ju-gendschutzbestimmungen wurden eingeschraumlnkt die erlaubteSchichtzeit auf Bau- und Montagestellen wurde fuumlr Jugendli-che auf elf Stunden verlaumlngert der Arbeitsbeginn von siebenauf sechs Uhr vorverlegt in Baumlckereien sogar auf vier Uhr

Das Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz das entgegen seinemverheiszligungsvollen Namen nicht zur Schaffung von Arbeitsplaumlt-zen beitrug sondern im Gegenteil zu verstaumlrkter Ausbeutung

von Arbeitskraft fuumlhrte wurde ergaumlnzt durch etliche Novellenzum Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) Dieses aus den sechzi-ger Jahren stammende Gesetz hatte urspruumlnglich den Zweckdaszlig die Bundesanstalt fuumlr Arbeit nicht bloszlig diejenigen finan-ziell unterstuumltzt die arbeitslos sind sondern der Arbeitslosig-keit auch aktiv entgegenwirkt Die von Dr Kohl gefuumlhrte Regie-rung bewerkstelligte mit mehreren Novellen zum AFG sowohleinen Abbau der Leistungen fuumlr die Arbeitslosen als auch einedrastische Einschraumlnkung der Moumlglichkeiten aktiver Arbeits-marktpolitik zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsmaszlignahmen

Wenn man wie es die Regierung Kohl sich zum Ziel gesetzthat massiven Sozialabbau und Umverteilung von unten nachganz oben copymiddotacuteacuteocircdann ist ein scheinheiliger Spruumlcheklopfer wieNorbert Bluumlm unentbehrlich Neben den von ihm betriebenendrastischen Kuumlrzungen der Sozialleistungen fallt ihm ja auchnoch die Aufgabe zu die reiche Bundesrepublik allmaumlhlich inein Billiglohnland umzuwandeln wo allein die Bosse dasSagen haben und die Lohn- und Gehaltsempfaumlnger schutzlossind

Alle bisherigen Maszlignahmen der Regierung Kohl und ihresArbeits- und Sozialministers Bluumlm die angeblich dem raquoAbbauder Arbeitslosigkeitlaquo dienen sollen zielen darauf in hundert-jaumlhrigem Kampf muumlhsam errungene Rechte der Arbeiter undAngestellten Schritt fuumlr Schritt abzubauen Bluumlms Begruumlndungim Bundestag raquoDas Arbeitsrecht unter den Bedingungen derArbeitslosigkeit muszlig Bruumlcken bauen und darf nicht dazu fuumlh-ren daszlig die Privilegierten die Arbeitsbesitzer sich in dieFestung zuruumlckziehen und die Beute unter sich verteilenlaquo

Statt gezielt die Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen wie es seineAufgabe waumlre will Bluumlm denn das meint er in Wahrheit daszligdie raquoArbeitsbesitzerlaquo auf ihre raquoBeutelaquo naumlmlich auf ihren inharten Tarifkaumlmpfen errungenen Besitzstand an gesichertemLohn und ertraumlglichen Arbeitsbedingungen verzichten lernenund ihre raquoPrivilegienlaquo naumlmlich in jahrzehntelangem politi-schen Kampf durchgesetzte Rechte zum Beispiel auf Kuumlndi-gungsschutz einfach aufgeben

Ex-Bundesminister Graf Lambsdorff resozialisierter Geld-waumlscher Steuerhinterzieher und Flick-Helfer einerseits lang-

jaumlhriger FD P-Chef und Gralshuumlter der superfreien Marktwirt-schaft andererseits verkuumlndete das Gleiche wie Norbert Bluumlmnur unverbluumlmter In einem Interview in dem auf Volksver-dummung spezialisierten Achtgroschenblatt das sich ambesten fuumlr solche Verlautbarungen eignet lieszlig der Graf sichherbei sein Patentrezept zur Bekaumlmpfung der Arbeitslosigkeitzu verraten

raquoDagegen gibt es nur eine Medizin Disziplin bei kuumlnftigenLohnvereinbarungen Denn fuumlr niedrige Loumlhne gibtrsquos genugArbeitlaquo

Als raquoschlimmsten Fehlerlaquo bezeichnete Graf Lambsdorff dervom Hause Flick so reich Bedachte die Anhebung der Loumlhneund Gehaumllter in den raquounteren Einkommensstufenlaquo da sichgerade die einfachste Arbeit raquoam besten durch Maschinenersetzenlaquo lieszlige

Ganz abgesehen davon daszlig Loumlhne gleichzeitig KaufkraftSteuern und Sozialversicherungsbeitraumlge bedeuten wird derZynismus der graumlflichen Argumentation wie Hans Uske in sei-ner Untersuchung raquoDie Sprache der Wendelaquo anmerkt erst rich-tig deutlich raquowenn wir uns in die Zukunft versetzen und an-nehmen Lambsdorffs Rezept waumlre bereits verwirklicht Nehmen wir also an die Loumlhne seien gesenkt worden sagenwir um 20 Prozent Sofort sinken die Kosten der Unterneh-mer in den lohnintensiven Bereichen dort wo viele Arbeits-kraumlfte noumltig sind Die Verlockung Maschinen anzuschaffenwird geringer Dank der Wende-Regierung koumlnnten wir end-lich wieder mit den Computern konkurrieren Die meistenLeute waumlren aumlrmer einige sogar sehr viel aumlrmer aber viele haumlt-ten wieder Arbeit Nun gehoumlrt aber zur Wirtschaftsplanungder Bundesregierung die Foumlrderung des technischen Fort-schritts Milliarden flieszligen in EDV-Forschung und Computer-Entwicklung Groszligkonzerne engagieren sich im Elektronik-markt Dieser geballte Einsatz muszlig sich bezahlt machen Was tun wir jetzt Die vernuumlnftigste Loumlsung Unsere Arbeits-kraft muszlig noch billiger werden auszligerdem lernen wir noch bes-ser computern und dann muumlssen wir noch billiger werdenund dann -leben wir in einem Billiglohnland Und wenn dienaumlchste konjunkturelle Krise kommt und wenn durch die

rasante Entwicklung des technischen Fortschritts die Arbeits-losenzahl weiter ansteigt dann wird diese Sorte von Vernunftdarauf nur eine Antwort wissen Das Opfer der Bevoumllkerungwar nicht groszlig genug der Guumlrtel muszlig noch enger geschnalltwerdenlaquo

Auf dem Wege zur Verwirklichung solcher Absichten sahendie groszligen Bosse und die von ihnen mit Millionenspendengefoumlrderte Regierung Kohl ein Hindernis den DGB und die indiesem Buumlndnis zusammengeschlossenen Einheitsgewerk-schaften Folgerichtig setzte die Regierung Kohl kaum daszlig siedurch den Waumlhlerbetrug der FDP an die Macht gekommenwar die Schwaumlchung der Gewerkschaften auf ihr ProgrammIhr erstes Ziel war die Streikfahigkeit und damit das Grund-recht auf Streik als legitimes Kampfmittel der wirtschaftlichSchwaumlcheren auszuhoumlhlen Durch eine Aumlnderung des Paragra-phen 116 Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) sollte zunaumlchst ein-mal die Durchsetzungsfaumlhigkeit der Gewerkschaften in derTarifpolitik beendet werden

Worum es dabei ging erlaumluterte der DGB am Beispiel desArbeitskampfes mit dem die IG Metall das Tabu der 40-Stund-den-Wochen brach raquoWaumlhrend dieses Arbeitskampfes haben inder Metallindustrie 55 000 Arbeitnehmer gestreikt 170 000Arbeitnehmer wurden in den umkaumlmpften Tarifgebieten ausge-sperrt Uumlber 300 000 Arbeitnehmer wurden bundesweit kaltausgesperrt Das heiszligt Von zehn Arbeitnehmern die in denArbeitskampf einbezogen waren waren neun ausgesperrt undeiner streikte Die Arbeitgeber haben durch massenhafte Aus-sperrung im umkaumlmpften Tarifgebiet bundesweit kalte Aus-sperrungen verursacht oder willkuumlrlich herbeigefuumlhrt unddiese Praxis wollen sie sich in Zukunft von den Sozialaumlmternbezahlen lassen Sie wollen mit der Existenzangst der Arbeit-nehmer und ihrer Familien Tarifpolitik machen Wenn Gesetzwird was die Arbeitgeber wollen und die Regierung vollziehtwird das Streikrecht zwar auf dem Papier erhalten bleiben aberin der Praxis bis zur Unkenntlichkeit verstuumlmmelt seinlaquo

Dennoch wurde die Aumlnderung des Paragraphen 116 AFGgegen den millionenfachen Protest der organisierten Arbeit-nehmer von der Regierung Kohl durchgepeitscht Weit groumlszliger

als ihr Respekt vor den demokratischen Grundrechten war dieRucksicht auf ihre Geldspender in den Chefetagen der Groszlig-konzerne im Falle des Grafen damals noch Flick inzwischendie maumlchtige Allianz-Versicherung die sich im Fruumlhsommer

das DDR-Versicherungswesen unter den Nagel gerissendessen Verpflichtungen in Milliardenhoumlhe aber den Steuerzah-lern uumlberlassen hat

Unter der Federfuumlhrung von Minister Dr Bluumlm wurde mitden Stimmen der schwarz-goldenen Koalition von CDUCSUund F D P der Paragraph 116 im Sinne der Konzernherren abge-aumlndert Graf Lambsdorff aumluszligerte vollste Zufriedenheit Mitden kleinen Korrekturen die den Gewerkschaften am Endenoch bewilligt worden waren raquolieszlige sich lebenlaquo meinte er ImKlartext Das raquoAnti-Gewerkschaftsgesetzlaquo wie es der dama-lige DGB-Vorsitzende Ernst Breit genannt hat entsprachdurchaus den Forderungen der Konzerne deren Bestreben dar-auf gerichtet war und ist die Gewerkschaften vor allem tarifpo-litisch handlungsunfaumlhig zu machen

Tatsaumlchlich hat die Regierung Kohl mit der von ihr durchge-fuumlhrten Aumlnderung des Streik-Paragraphen 116 AFG einen derdringendsten Wuumlnsche ihrer Geldgeber erfuumlllt der so einBDI-Festredner im Jahresruumlckblick - raquozum Vermaumlchtnis vonHanns Martin Schleyerlaquo gehoumlrte

Auch bei den Feierlichkeiten zum 10 Todestag des Kohl-Ent-deckers Dr Fritz Ries im Juli 1987 in Frankenthal an denenKanzler Kohl seinem langjaumlhrigen Foumlrderer trotz dessenSchandtaten um und in Auschwitz uneingeschraumlnktes Lobspendete und die raquovorbildliche Unternehmerpersoumlnlichkeitlaquodes verewigten Groszligraquoarisiererslaquo und Kondom-Koumlnigs prieswaren die versammelten Freunde aus Industrie und Bankweltsich darin einig daszlig die gegluumlckte Aumlnderung des AFGraquoein richtiger Schritt auf dem richtigen Wegelaquo gewesen sei

immer reicher und dieArmen immer aumlrmer werden

Wie sich der Sozialabbau bereits nach vier Jahren raquoWendelaquo-Politik ausgewirkt hatte beschrieb der SPD-SozialexperteEgon Lutz 1986 im Bundestag raquoDer Sozialabbau der Regie-rung Kohl hat zu einer neuen Armut gefuumlhrt Durch Kuumlrzun-gen von Sozialleistungen und Anhebung von Sozialversiche-rungsbeitraumlgen wurden die sozial Schwaumlcheren in groszligemUmfang belastet Mitte 1985 haben nahezu 40 Prozent (derArbeitslosen) uumlberhaupt keine Leistungen mehr aus derArbeitslosenversicherung erhalten Nur noch ein Drittel allerArbeitslosen bezog Arbeitslosengeld und zugleich sank dasdurchschnittlich gezahlte Arbeitslosengeld um annaumlhernd vierProzent obwohl die durchschnittlichen Lebenshaltungs-kosten im selben Zeitraum um Prozent gestiegen sindlaquo

Auch in der Folgezeit am Ende der achtziger Jahre besser-ten sich trotz damals noch anhaltender Hochkonjunktur undgutgefuumlllter Kassen diese katastrophalen Verhaumlltnisse um kei-nen Deut Infolge des Anstiegs der Lebenshaltungskosten ver-schlechterten sie sich noch Langzeitarbeitslosigkeit anstei-gende Uumlberschuldung vieler Familien und drastische Verknap-pung preisguumlnstigen Wohnraums lieszligen immer mehr Mittel-schichtfamilien in die Armut absinken Die Regierung Kohlbrachte den sozialen Wohnungsbau zum Erliegen und trug mitihrer Gesetzgebung kraumlftig dazu bei daszlig die Mieter in wach-sende Bedraumlngnis gerieten und die Wohnungsnot sich vergrouml-szligerte Sie erleichterte die Umwandlung preisguumlnstiger Woh-nungen in Buumlros oder unerschwinglich teure Eigentumswoh-nungen und lieszlig den Abstand zwischen Mietkosten und Haus-haltseinkommen immer kleiner werden was auch zur Folgehat daszlig sich die Sozialstruktur ganzer Stadtviertel aumlndert dieMenschen aus ihrer gewohnten Umgebung in ferne raquoSchlafstaumlt-

tenlaquo und raquoWohnsiloslaquo in Randlagen abgedraumlngt werden unddie Obdachlosigkeit dramatisch zunimmt

Ausgerechnet bei ohnehin benachteiligten Gruppen wieFrauen mit niedrigen Renten oder Schwerbehinderten setzteder im Kabinett Kohl fuumlr Arbeit und Soziales zustaumlndige Mini-ster Norbert Bluumlm den Rotstift an So wurde den Hausfrauender Invaliditaumltsschutz trotz oft jahrelanger Beitragszahlung indie Rentenversicherung einfach gestrichen

Alles was der Regierung Kohl zum Thema Armut einfalltsind dumme Spruumlche Dreist behauptete Norbert Bluumlm imBundestag raquoAltenarmut ist nicht Rentenarmut Ich bestreitedaszlig die Ursachen von Armut in der Rentenversicherung liegenArmut kann auch das Ergebnis von wenigen Beitragsjahrenvon geringem Lohn seinlaquo -was gewiszlig niemand leugnen kannnur waumlre es die Aufgabe einer sozialen Demokratie zumal ineinem so uumlberaus reichen Land wie der Bundesrepublik jenesich aus der ungerechten Entlohnung der Frauen ergebendenviel zu niedrigen Renten nicht als Resultat eines Naturgesetzeshinzunehmen sondern auszugleichen Gerade die heute imRentenalter stehenden Frauen von denen sich die meisten einJahrzehnt lang durch Kriegs- und Nachkriegsnotjahre alleindurchschlagen muszligten oft die ganze Last der Kindererzie-hung des Haushalts und der Erwerbsarbeit trugen von ihrenPfennigloumlhnen nur Mindestbeitraumlge zur Rentenversicherungleisten und niemals Nachzahlungen aufbringen konnten ver-dienten im Alter die solidarische Hilfe der westdeutschenWohlstandsgesellschaft Niemand koumlnnte die Bundesregierungdaran hindern ihre Milliardengeschenke an die Superreichenin betraumlchtliche Rentenerhoumlhungen umzuwandeln so daszligkeine und keiner die oder der sein Leben lang hart gearbeitetaber wenig verdient hat nun auch noch im Alter darben muszligES waumlre dann nicht einmal noumltig die Versicherungsbeitraumlge zuerhoumlhen Aber dazu meinte Kohls Sozialminister Dr Bluumlm

raquoWir wollen die Rente lohn- und leistungsbezogen lassenWirwollen nicht die Einheitsrente die Sockelrente Wirwollennicht die groszlige sozialistische Gulaschkanone von deren Ein-heitsbrei jeder einen Schlag bekommtlaquo

Solche Rabulistik eines Mannes der sich und seine Politikraquochristlichlaquo und raquosoziallaquo nennt laumlszligt einen schaudern Dennniemand verlangt eine raquoEinheitsrentelaquo wohl aber waumlre es drin-gend erforderlich und finanziell durchaus moumlglich - einedeutlich uumlber der Armutsgrenze liegende Mindestrente einzu-fuumlhren Und wenn man auf die Steuergeschenke an die Super-reichen durchaus nicht verzichten will genuumlgte zur Finanzie-rung auch die Vergeudungen im Ruumlstungsbereich oder beiam Ende fallengelassenen Prestigeobjekten wie derdorfer Plutonium-WAA einzuschraumlnken

Als Folge der Massenarbeitslosigkeit und des Sozialabbausist seit der raquoWendelaquo die Zahl der Sozialhilfeempfaumlnger staumlndiggestiegen in den ersten zwei Jahren um rund 500 000 aufMillionen bis Ende 1987 abermals um 500 000 auf 31 Millio-nen 1991 gab es in Westdeutschland Millionen Sozialhilfe-empfaumlnger Eine halbe Million kam kurzfristig in Ostdeutsch-land hinzu nachdem die DDR der Bundesrepublik raquobeigetre-tenlaquo war Und diese Zahlen wachsen weiter

In dem Ende 1989 veroumlffentlichten raquoArmutsberichtlaquo der Pari-taumltischen Wohlfahrtsverbaumlnde mit der Uumlberschrift raquoWessen wiruns schaumlmen muumlssen in einem reichen Landlaquo wurde daraufhingewiesen daszlig die Unternehmer-Nettoeinkommen zwi-schen 1982 und 1988 um 74 Prozent gestiegen waren in absolu-ten Zahlen um etwa 180 Milliarden DM auf MilliardenDM Demgegenuumlber betrug der Zuwachs der Netto-Lohn- undGehaltssumme nur Prozent der Anstieg in absoluten Zah-len nur Milliarden DM Der Anteil des Bruttoeinkommensaus Unternehmertaumltigkeit und Vermoumlgen am gesamten Volks-einkommen wuchs zwischen 1982 und 1988 von auf 32 Pro-zent Die Lohnquote entwickelte sich dagegen im gleichenZeitraum von auf 68 Prozent zuruumlck

Die Reichen wurden also sehr viel reicher die Armen nurzahlreicher und noch aumlrmer Etwa Millionen Bundesbuumlrge-rinnen und -buumlrger das waren zehn Prozent der Bevoumllkerungder Bundesrepublik lebten 1988 an oder unterhalb dessen wasder Bericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandes diemutsschwellelaquo nannte unterhalb derer sich Hunger men-schenunwuumlrdige Wohnverhaumlltnisse drohende Obdachlosig-

keit Mangelkrankheiten Verelendung und Hoffnungslosig-keit ausbreiten

Die Entwicklung die laumlngst vor Eingliederung der DDR indie BRD zu diesen Ergebnissen fuumlhrte ging seitdem weiterund beschleunigte sich noch Die Lohnquote in Westdeutsch-land sank 1991 auf Prozent Die abhaumlngig Beschaumlftigtenkonnten im Gegensatz zu den Unternehmern ihre realenNettoeinkommen gar nicht mehr verbessern sondern erlittenEinbuszligen Im Gesamtzeitraum von 1982 bis 1992 stiegen dieNettoloumlhne und -gehaumllter daher nur um Prozent die realenEinkommen der Unternehmer dagegen um 123 Prozent

Besonders stolz pries die Regierung Kohl in den achtzigerJahren ihr Steuersenkungsgesetz Es entlastete die Steuerzah-ler in zwei Stufen zwar um fast 20 Milliarden DM doch warendiese Entlastungen so sozial ungerecht wie irgend moumlglich ver-teilt Sie kamen in erster Linie den Beziehern hoher und houmlch-ster Einkommen zugute

Verheiratete Durchschnittsverdiener hatten eine steuerlicheErsparnis von etwa zwoumllf DM monatlich Hingegen fiel die Ent-lastung von Spitzenverdienern 50mal houmlher aus obwohl siebei Jahreseinkommen von einer Million DM und mehr nur20mal mehr Steuerlast zu tragen hatten als ein Durchschnitts-verdiener Die Erhoumlhung des Kinderfreibetrags brachte denEinkommensmillionaumlren eine etwa 22mal houmlhere Entlastungals dem Durchschnittsverdiener

Selbst die geringfuumlgigen oft schon durch die erhoumlhten Bei-traumlge zur Kranken- und Sozialversicherung ausgeglichenenoder gar ins Gegenteil verkehrten Steuererleichterungen fuumlrDurchschnittsverdiener waren eine Taumluschung da zugleich dieMehrwertsteuer angehoben wurde Diese Steuer muszlig letztlichvon der Masse der Verbraucher aufgebracht werden auf die alleanderen vom Produzenten bis zum Groszlig- und Einzelhandelsie abwaumllzen koumlnnen

Was die Mehrwertsteuererhoumlhung um einen Prozentpunktan zusaumltzlichen Einnahmen erbrachte annaumlhernd acht Milliar-den DM wurde denen die von der Einkommensteuersenkungohnehin am meisten profitierten als zusaumltzliches Steuerge-schenk zuteil Das mehrstufige Programm der Regierung Kohl

zur Senkung der Unternehmenssteuern kostete naumlmlich eben-falls acht Milliarden DM-durch massiven Abbau der Gewerbe-steuer durch Senkung der Vermoumlgenssteuer und durch

bei den AbschreibungsmoumlglichkeitenDas sind nur einige Beispiele fuumlr die steuerliche Umvertei-

lung von unten nach oben Die direkte Besteuerung der Unter-nehmensgewinne vor Kohls Amtsantritt gut 33 Prozent ver-ringerte sich bis Anfang der neunziger Jahre auf kaum mehr als20 Prozent Die Abzuumlge von den Arbeitseinkommen dagegenstiegen zwischen 1980 und 1991 von Prozent der Brutto-loumlhne und -gehaumllter auf Prozent und wurden inzwischennoch weiter angehoben

Die Unternehmerverbaumlnde und ihre regierungsamtlichenPropagandisten vom Schlage solcher Bundeswirtschaftsmini-ster wie Otto Graf Lambsdorff oder Guumlnther Rexrodt verbrei-ten unentwegt die Maumlr Deutschland sei ein viel zu teurer Indu-striestandort geworden die Unternehmer seien mit viel zuhohen Kosten belastet das muumlsse sich endlich aumlndern Sie spe-kulieren darauf daszlig jede Behauptung wenn sie sie nur oftgenug wiederholen irgendwann geglaubt wird Massenver-dummungsblaumltterwie BILD aus dem Springer-Konzern wirkendaran eifrig mit Die Wahrheit bleibt dem verraquobildlaquoeten Publi-kum verborgen den Unternehmerverbaumlnden und Ministernhingegen ist sie wohlbekannt Nachzulesen ist sie in einerUntersuchung der Deutschen Bundesbank die gewiszlig nichtim Verdacht steht dem Kapitalismus feindlich gegenuumlberzu-stehen

In einer Auswertung der Bilanzen von 18 000 Unternehmenkommt die Bundesbank zu dem Ergebnis daszlig seit Ende dersiebziger Jahr der Anteil der Ausgaben fuumlr Steuern am Umsatzder Unternehmen nicht gestiegen sondern gesunken ist undzwar um etwa ein Sechstel Der gleichen Untersuchung zufolgeist auch der Anteil der Personalkosten am Umsatz zuruumlckge-gangen Beide zusammen Personalkosten und Steuerbela-stung machten 1989 kaum mehr als 20 Prozent des Gesamtum-satzes aus und verringerten sich inzwischen weiter Das heiszligtRund 80 Prozent des Umsatzes dienen anderen Zwecken nichtzuletzt den Unternehmergewinnen

Das reale Sozialprodukt je Beschaumlftigten (Arbeitsproduktivi-taumlt) erhoumlhte sich 1980 bis 1992 um 18 Prozent je Beschaumlftigten-stunde um 27 Prozent Aufgrund von Erfindungen und Ratio-nahsierungen koumlnnen industrielle Guumlter jetzt mit geringeremArbeitsaufwand also erheblich schneller hergestellt werdenDie Gewerkschaften reagierten fruumlhzeitig darauf indem sieArbeitszeitverkuumlrzungen forderten Helmut Kohl widersetztesich Diese Forderung sei raquodumm und toumlrichtlaquo wetterte erErst in harten Kaumlmpfen gelang es den Gewerkschaften in klei-nen Schritten uumlber lange Zeitraumlume die Arbeitszeit zu verkuumlr-zen und dadurch der sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit entge-genzuwirken So kam die Erhoumlhung der Arbeitsproduktivitaumltwenigstens zu einem Teil den arbeitenden Menschen selbstzugute wofuumlr sie allerdings auch mit Lohn- und Gehaltsver-zichten zahlen muszligten Hauptnutznieszliger der Rationalisierun-gen waren und blieben die Unternehmer

Der Korrektheit halber muumlssen wir hier freilich einschraumln-ken daszlig nicht alle Unternehmer gleichermaszligen von der Politikder Regierung Kohl profitieren Den groumlszligten Nutzen haben inder Regel diejenigen die ohnehin schon die Reichsten undMaumlchtigsten sind Vor allem die Groszligbanken deren Frankfur-ter Verwaltungspalaumlste nicht zufaumlllig die houmlchsten im Landesind In den Jahren 1990 bis 1992 verbuchte die Kreditwirt-schaft einen Bilanzgewinn von mehr als 20 Milliarden DMwovon allein Milliarden auf die Groszligbanken entfielen 1993konnten die Finanzkonzerne neue Gewinnrekorde vermeldenwaumlhrend andere kleinere Unternehmen uumlber die Rezessionstoumlhnten und uumlbers Jahr mehr als 15 000 Firmen zahlungsunfauml-hig wurden Dem Volk wurden raquoSolidaritaumltsopferlaquo abverlangtdas Groszlige Geld wuchs und wucherte wie nie zuvor

1989 hatten die Groszligbanken fast fuumlnf Milliarden Mark Zins-uumlberschuszlig kassiert Das war schon ein stattliches Ergebnis1993 aber in der Krise gelang es ihnen einen Zinsuumlberschuszligvon 23 Milliarden DM einzuheimsen In der tiefsten Rezessionseit Bestehen der Bundesrepublik profitierten sie vom steigen-den Kreditbedarf des Staates der Kommunen der Gewerbe-treibenden und der Privathaushalte Waumlhrend zum Beispielvom Herbst 1992 bis Herbst 1993 die Bundesbank den Diskont-

und den Lombardsatz die Leitzinsen um Prozentpunktereduzierte senkten die Banken die Kontokurrentzinsen nurum und die Ratenkredite fuumlr Kleinkunden um Prozent-punkte dagegen die Guthabenzinsen um 25 Prozent Das ver-anlaszligte selbst die raquoWirtschaftswochelaquo vom 13 Dezember 1993zum Murren raquoDie Banken stoszligen sich an Zinssenkungengesund die Wirtschaft kommt nicht auf die Beinelaquo- eine Kritikdie indessen in zweifacher Hinsicht praumlzisiert werden muszligdenn erstens brauchten sich die Banken nicht gesundzustoszligenweil sie ohnehin vor Gesundheit strotzten und zweitens hatdie Krise zwar viele einzelne Betriebe erwischt aber raquodie Wirt-schaftlaquo im allgemeinen steht auf festen Beinen wie ein Blickauf die Boumlrsenkurse zeigt Der Deutsche Aktienindex (DAX)kletterte 1993 zum Jahresende auf 2267 Punkte Ein Jahr zuvorhatte dieser aus 30 Standardwerten errechnete Boumlrsenkurs bei1545 Punkten gestanden Das war uumlbers Jahr eine Steigerungum Prozent Die Aktionaumlre wurden zwischen Neujahr undWeihnachten fast um die Haumllfte reicher allein durch ihre andeutschen Boumlrsen getaumltigten Geschaumlfte Groszligaktionaumlre erleb-ten also eine praumlchtige Weihnachtsbescherung am Ende einesJahres in dem im vereinigten Deutschland die Arbeitslosigkeitin eine Groumlszligenordnung aumlhnlich wie in der Schluszligphase derWeimarer Republik hineinwuchs und Armut zum Massen-schicksal wurde

Der Zusammenbruch des SED-Regimes in der DDR imNovember 1989 hat Helmut Kohls ohnehin sehr hohe Selbst-einschaumltzung ins Gigantische wachsen lassen Laumlngst ist eruumlberzeugt davon daszlig nicht Michail Gorbatschow nicht dieBeispiele Polens Ungarns und der Tschechoslowakei die fried-liche Revolution im anderen Teil Deutschlands in Gang gesetztund den mutigen Maumlnnern und Frauen der demokratischenOpposition zum Sieg verholfen haben sondern daszlig er alleinvermutlich durch sein Anstimmen des Deutschlandliedes vomBalkon des Dresdner Rathauses unter Miszligachtung der Haydn-schen Melodie -Honecker verjagt und die Mauer zum Einsturzgebracht haumltte wofuumlr ihm das deutsche Volk diesseits und jen-seits von Elbe und Saale auf den Knien danken sollte Er beruftsich auf den preuszligischen Strategen Moltke der meinte raquoGluumlckhat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tuumlchtigelaquo (womitdieser freilich eingeraumlumt hat daszlig auch dem MittelmaumlszligigenErfolg winken koumlnne) Dagegen empfahl ihm die raquoSuumlddeut-sche Zeitunglaquo schon im Sommer 1990 raquoeher davon zuchen daszlig er einfach Schwein gehabt hatlaquo

Aber Einsicht und Bescheidenheit sind Helmut Kohl we-sensfremd weshalb er auch die glaumlnzende Konjunktur zu An-fang der neunziger Jahre fuumlr das Werk seiner weisen Regierunghielt desgleichen die deutsche Fuszligball-Weltmeisterschaft imSommer 1990 Im Bundestagswahlkampf im Herbst 1990 bot erdiese nationale Erfolgsserie Einheit Aufschwung WMgleichsam im Dreierpack mit dem Aufdruck raquoAlles von Kohllaquoan Die Mogelpackung sollte im nationalen Rausch durchge-hen weil raquodie Maumlnnchen drauszligen im Landlaquo (womit er aber alle

Maumlnner und Frauen meint die auszligerhalb des Kanzler-Bunga-lows leben) so vergeszliglich oder so wenig informiert sind

In Wahrheit war von den Ereignissen in der DDR im Herbstniemand so sehr uumlberrascht worden wie die Kohl-Regie-

rung die dann allerdings die sich ihr so unverhofft bietendeChance eiligst ergriff Innerhalb weniger Wochen waren diemutigen Frauen und Maumlnner die das Honecker-Regime ge-stuumlrzt hatten ruumlcksichtslos vom Platz gedraumlngt und durch einevon Bonn aus an immer kuumlrzerer Leine gehaltene Uumlbergangsre-gierung ersetzt worden Mit Versprechungen Kohls der DDRein unverzuumlgliches Wirtschaftswunder zu bescheren und ihrdurch reichen DM-Segen den Einzug ins Paradies der freienMarktwirtschaft zur reinen Lustpartie werden zu lassen wur-den die Volkskammerwahlen vom 18 Maumlrz 1990 zu einemTriumph jener Blockparteien die vierzig Jahre lang von derSED ausgehalten worden waren und nun ihr Heil bei Kohlamp Co sahen

Damit war der Weg frei fuumlr den Einzug des Groszligen Geldes indie DDR und deren eilige Vereinnahmung Aber der verspro-chene reiche und sofortige Segen blieb natuumlrlich aus Vielmehrmuszligte die Regierung Helmut Kohls so sehr sie dies auch zuvertuschen suchte zunaumlchst einmal fuumlr einen drastischen So-zialabbau sorgen denn natuumlrlich waren und sind die Herrendes Groszligen Geldes vorrangig daran interessiert Profit zumachen und dabei ist all das was sie raquoSozialklimbimlaquo zu nen-nen belieben nur hinderlich

So muszligte die Regierung Kohl jetzt eine wahre Sisyphusar-beit leisten zum einen rasch alles beseitigen was ihren Auf-traggebern laumlstig ist vom Kuumlndigungsschutz uumlber das Aussper-rungsverbot und das bezahlte Babyjahrbis zum letzten betrieb-lichen Kinderhort zum anderen ein immer schnelleres Tempoeinschlagen um Fakten zu schaffen bevor sich diejenigen diedabei auf der Strecke bleiben muszligten uumlber die unvermeidli-chen katastrophalen Folgen der hastigen Vereinnahmung klar-werden konnten

So hieszlig es denn fuumlr Helmut Kohl und seine Ministerriegeimmer neue Ausreden erfinden und Beschwichtigungen ver-breiten beispielsweise behaupten daszlig niemand im Lande zu

befuumlrchten brauche die Zeche bezahlen zu muumlssen Dabei warvon vornherein klar daszlig es gewaltige Summen kosten wuumlrdeOstdeutschland den westlichen Standards anzugleichen alsozum Beispiel das Straszligen- und das Telefonnetz auszubauenWohngebaumlude und Industrieanlagen zu modernisieren und soweiter Auszligerdem konnte sich jeder Einsichtige an fuumlnf Fin-gern abzaumlhlen daszlig sich diese Kosten vervielfachen muszligtenwenn funktionierende Strukturen einfach ruumlcksichtslos zer-schlagen wurden An fruumlhzeitigen Warnungen kompetenterWirtschaftswissenschaftler und auch des damaligen Praumlsiden-ten der Deutschen Bundesbank fehlte es nicht Doch Kohlbehauptete dreist alles lasse sich ohne Steuererhoumlhungenfinanzieren Und damit ihm Kritik nicht hinderlich werdenkonnte beschleunigte er sein Tempo

Nach dem Willen Kohls und seiner Geldgeber verwandeltensich die Laumlnder der DDR in eine Art raquoKronkolonie Ostelbienlaquoso Jens Reich als Sprecher der demokratischen Buumlrgerbewegun-gen in der damals neu gewaumlhlten Volkskammer wo sie rasch indie Opposition gedraumlngt wurden

Die Rolle der Gounverneurin durfte nach der Ermordungdes ersten Praumlsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwed-der die CDU-Politikerin Birgit Breuel uumlbernehmen KohlsVertraute gerantierte fuumlr die Anwendung fruumlhkapitalistischerMethoden der Ausbeutung des Ramsch-Einkaufs von Grundund Boden und des sozialen und kulturellen Kahlschlags

Als wessen Treuhaumlnderin betaumltigte sich Birgit Breuel Galtihre Treue etwa den Genossenschaftsbauern Den Beschaumlftig-ten der Industriebetriebe Dem Volk dem die Betriebe nomi-nell gehoumlrten Oder dem Bundesfinanzminister dem CSU-Vorsitzenden Theo Waigel dem die Treuhandanstalt unter-stellt ist

Genossenschaftsbauern wurden aumlhnlich verdraumlngt wie Indu-strie-Beschaumlftigte Das Volkseigentum wurde privatisiert undder Bundeshaushalt zog aus den Verkaumlufen keinen Gewinnsondern die Treuhandanstalt erwies sich als Weltmeisterin imSchuldenmachen In dreieinhalb Jahren vermehrte sie die Bun-desschulden um die mit keinem Hochgebirge der Welt mehr zuveranschaulichende Summe von Milliarden Mark

dem es der Regierung des Dr Kohl in Bonn schon gelungenwar die 1982 bei der raquoWendelaquo uumlbernommenen Bundesschul-den auf mehr als das Doppelte anwachsen zu lassen

Als Folge des Vernichtungswerks der raquoTreuhandanstaltlaquoliegt Ostdeutschlands Wirtschaft vier Jahre nach dem Fall derMauer am Boden etwa auf dem Niveau eines Entwicklungslan-des wie Sri Lanka Nur noch etwa drei Prozent steuerten 1992die neuen Laumlnder zur deutschen Industrieproduktion beiOhne Ruumlcksicht auf die Beduumlrfnisse der Menschen wurde alleszerschlagen was dem Groszligen Geld beim Einzug in Ost-deutschland als hinderlich oder unbrauchbar erschien und dieAnstalt belohnte diejenigen denen sie das DDR-Volkseigen-tum uumlbereignete noch mit uumlppigen Zusatzgeschenken DieKonditionen der Uumlbereignungsvertraumlge zum Beispiel Freistel-lung der Erwerber von Verpflichtungen und Risiken wurdenvon der Breuel-Anstalt in manchen Faumlllen so guumlnstig gestaltetdaszlig der Buumlndnis 90-Abgeordnete Ulrich-Karl Engel im Landtagvon Sachsen-Anhalt dafuumlr nur diese Erklaumlrung fand raquoOrgani-sierte Kriminalitaumlt beginnt im Nadelstreifenlaquo Nach alarmie-renden Feststellungen des Bundesrechnungshofes und nachEinleitung etlicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfah-ren sah schlieszliglich Ende 1993 der Bundestag Anlaszlig einen Treu-hand-Untersuchungsausschuszlig einzusetzen

Angesichts der von dieser Behoumlrde hinterlassenen Schuldendie noch kuumlnftige Generationen belasten werden wandte sichder Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Gerald Thal-heim gegen raquopolitische Legendenbildunglaquo in Bonn raquoDort wirdausschlieszliglich die sozialistische DDR-Miszligwirtschaft fuumlr die-heutige Lage verantwortlich gemachtlaquo

Gerade im raquoSuperwahljahrlaquo 1994 wird die Regierungspropa-ganda krampfhaft an dieser Legende festhalten Die Wahrheitaber ist daszlig ein groszliger Teil der Treuhand-Schulden erst nachDDR-Zeiten durch eine raquoAufbau-Politiklaquo entstand mit der vielzerstoumlrt aber wenig aufgebaut wurde

Wem so fragten wir galt die Treue der Treuhand-Praumlsiden-tin Wo ist sie verwurzelt

Birgit Breuel Kohls Statthalterin fuumlr den Osten ist Tochterund Erbin des Hamburger Bankiers Alwin Muumlnchmeyer der

jahrzehntelang Boszlig des Bankhauses Schroumlder MuumlnchmeyerCo war All seine Amter in Vorstaumlnden Aufsichtsrauml-

ten und Beiraumlten aufzuzaumlhlen fehlt hier der Platz Erwaumlhnunggebuumlhrt aber zumindest der Tatsache daszlig die deutschen Ban-kiers als es galt den Praumlsidenten des Bundesverbandes derdeutschen Banken zu waumlhlen dieses Amt Alwin Muumlnchmeyerantrugen der es jahrelang ausuumlbte An der Hamburger

ist es kein Geheimnis Der ganze Ehrgeiz von TochterBirgit war es seit eh und je diesem Vater zu beweisen daszlig sieseiner wuumlrdig sei eine nicht nur sondern 150prozentigeSachwalterin des Groszligen Geldes

Privatisierung oder raquoEntstaatlichunglaquo wie sie es gernnennt war und blieb immer das Hauptbestreben der CDU-Politikerin zuerst in der Hamburger Buumlrgerschaft dann in dervon Ernst Albrecht geleiteten niedersaumlchsischen CDUFDP-Regierung der sie zwischen 1978 und 1990 anfangs als Wirt-schafts- spaumlter als Finanzministerin angehoumlrte In vielenReden und Schriften stritt sie wacker gegen Subventionen vorallem bei der CDU-Mittelstandsvereinigung zu deren nieder-saumlchsischen Landesvorsitzenden sie sich waumlhlen lieszlig Mittel-staumlndischen Unternehmern redete sie ein es vertrage sichnicht mit den Prinzipien der Marktwirtschaft wenn sich derStaat um die Wirtschaft kuumlmmere und deswegen duumlrften sieauch unter keinen Umstaumlnden Subventionen beanspruchenGroszligunternehmen dagegen wurden unter Breuels Minister-Verantwortung in Niedersachsen reichlich mit Subventionenbedacht beispielsweise das zum Roumlchling-Konzern gehoumlrendeRuumlstungsunternehmen Rheinmetall dem sie ein groszligenteilsmit oumlffentlichen Mitteln finanziertes Zentrum zur Entwicklungneuer Kriegswaffentechniken bauen lieszlig

Bereits 1979 formulierte Birgit Breuel ein umfassendes Priva-tisierungsprogramm das wie sie verhieszlig zu einem raquoMehr anindividueller Freiheitlaquo fuumlhren werde Das Programm nannteSchlachthoumlfe und kommunale WohnraumvermittlungsstellenSportstadien und Verkehrseinrichtungen Krankentransportund Muumlllabfuhr Kuumlchen in Kliniken und Reinigungsdienstefuumlr Schulen oder fuumlr Behoumlrden -wobei es sich guumlnstig traf daszligsich der niedersaumlchsische Landesvorsitzende des CDU-Wirt-

schaftsrats Hartwig Piepenbrock mit seinem groszligen Gebaumlude-reinigungsunternehmen das dann schnell noch viel groumlszligerwurde fuumlr solche Aufgaben bereithielt meist mit stunden-weise beschaumlftigten Frauen unter schlechteren Arbeitsbedin-gungen mit niedrigeren Loumlhnen und unzureichenden Soziallei-stungen

Es gehe aber nicht allein um Kostenguumlnstigkeit erlaumlutertedie niedersaumlchsische Ministerin in ihrem Programm Die Uumlber-tragung oumlffentlicher Aufgaben auf private Traumlger koumlnne auchdann in Betracht kommen private Leistungserstellungteurer ist als die verwaltungseigenelaquo Hier muumlsse raquodas Gebotder Sparsamkeit gegen das ordnungspolitisch erstrebte Zielabgewogen werdenlaquo - und dieses Ziel hieszlig eben Privatisie-rung

Ausdruumlcklich erlaumluterte die niedersaumlchsische Ministerindaszlig manche Leistungen raquoin der Regel nicht kostendeckenderstellt werden koumlnnen (zum Beispiel Theater MuseenSchwimmbaumlder)laquo Diese Einsicht hinderte sie nicht sich auchfuumlr die Privatisierung von Theatern Museen Schwimmbaumldernwie auch von Schulen Universitaumlten und Postaumlmtern einzuset-zen raquoNotfallslaquo meinte sie in ihrem Programm muumlsse dieoumlffentliche Hand raquoZuschuumlsse gewaumlhrenlaquo

Nach Birgit Breuels Verstaumlndnis sollen sich also die Aufga-ben des Staates nicht aus allgemeinen Beduumlrfnissen herleitensondern aus den Gewinninteressen einzelner denen sie letzt-lich alles was der Allgemeinheit gehoumlrt zuschieben willraquoSelbst bei der Steuerverwaltunglaquo schrieb sie koumlnne sie sichraquoin wesentlichen Teilen eine privatwirtschaftliche Struktur vor-stellenlaquo

In Niedersachsen konnte die Bankierstochter jedoch mitihren Kampagnen gegen raquouumlberzogene Sozialstaatlichkeitlaquo undihren Tiraden gegen die Gewerkschaften (raquoVater Staat ist gefor-dert sein wachsames Auge und wenn noumltig seine strafendeHand gegen die Organisationen der Arbeitnehmer zu richtenlaquo)noch wenig ausrichten Die zur Privatisierung ausersehenenAbteilungen von Krankenhaumlusern und Stadtverwaltungenwehrten sich kraumlftig und Putzfrauen sowie Friedhofs-gaumlrtner lieszligen durch ihren Widerstand manchen Breuel-Plan

scheitern Und als die CDU-Politikerin im von ihr geleitetenWirtschaftsministerium eine Botenstelle teilen wollte unter-sagte ihr das eine Einigungsstelle unter Vorsitz des hannover-schen Landgerichtspraumlsidenten Birgit Breuels Job-sharing-Modell haumltte die Stelleninhaber mit einem halbierten Boten-Gehalt an die Sozialhilfegrenze rutschen lassen

Unmittelbar nachdem 1990 die niedersaumlchsischen Waumlhlerin-nen und Waumlhler die Regierung Albrecht abgewaumlhlt hatten fandBirgit Breuel mit dem Segen des Kanzlers und derer denen eres immer recht machen will ihre neue Verwendung als Vor-standsmitglied und bald als Praumlsidentin der TreuhandanstaltNun konnte sie sich endlich als raquoEntstaatlicherinlaquo austobenwie sie es sich in ihrem Programm von 1979 gewuumlnscht hatteEifriger Mittaumlter im Vorstand war von 1991 bis 1993 GuumlntherRexrodt (FDP) jetzt Kohls Wirtschaftsminister

Wer warum welche ehemaligen DDR-Betriebe uumlbernehmendurfte ist ein Raumltsel das wohl auch der vom Bundestag aufDraumlngen der Opposition eingesetzte Untersuchungsausschuszlighoumlchstens partiell wird loumlsen koumlnnen Nehmen wir als Beispieldie Eisen- und Huumlttenwerke in Thale wo in DDR-Zeiten fast7 000 Menschen arbeiteten Dieser Betrieb der einst zwei juumldi-schen Familien bis zu deren Verdraumlngung durch die Nazis ge-houmlrt hatte repraumlsentiert allein schon durch seine Lage aufeinem groszligen Areal inmitten der Stadt Thale einen betraumlchtli-chen Wert-ganz abgesehen von den teilweise noch in den acht-ziger Jahren mit westlichen Maschinen modernisierten Produk-tionsstaumltten

Fuumlr Sanierungsmaszlignahmen und als Liquiditaumltshilfen zahltedie Treuhandanstalt Zigmillionen Das Land Sachsen-Anhaltgab Buumlrgschaften Das Eigentum wurde ohne daszlig sich dieAnstalt lange mit Anspruumlchen der juumldischen Vorbesitzer auf-hielt einem westdeutschen raquoInvestorlaquo uumlberschrieben DieWahl der Treuhandanstalt fiel auf den durch Waumlhlerentscheidbeschaumlftigungslos gewordenen indessen nicht am Hungertuchnagenden sondern bestens versorgten ehemaligen niedersaumlch-sischen Ministerpraumlsidenten Ernst Albrecht mit dem BirgitBreuel zwoumllf Jahre lang in Hannover zusammen regiert hatteDer Preis den Dr Albrecht zahlen muszligte belief sich auf 1 (in

Worten eine) DM Da er als Kompagnon einen Bremer Rechts-anwalt mit fuumlnf Prozent beteiligte brauchte der hannoverscheCDU-Politiker der jahrelang als stellvertretender Parteivorsit-zender neben Dr Kohl dem CDU-Praumlsidium angehoumlrt hattegenau gesagt nur 95 Pfennig aufzubringen

Angeblich durch ein raquoVersehenlaquo uumlberschrieb ihm die Treu-handanstalt auch ein groszliges Suumldhang-Gelaumlnde im Harz mitBeherbergungs- und Freizeit-Einrichtungen die fruumlher denBeschaumlftigten der Eisen- und Huumlttenwerke und ihren Familien-angehoumlrigen zur Verfuumlgung gestanden hatten Das raquoVersehenlaquowurde nicht etwa korrigiert sondern Firmenchef Albrechtdurfte diese Immobilie alsbald weiterverkaufen fuumlr mehr alsvier Millionen Mark

In einem programmatischen Buch mit dem Titel raquoDer Staatlaquohatte Ernst Albrecht einst beklagt den Deutschen fehle soetwas wie es die Briten in den Kolonien gehabt haumltten und dieUS-Amerikaner im Wilden Westen Nun kann Albrecht an derprivatwirtschaftlichen Erschlieszligung des deutschen Ostens mit-wirken dank Treuhandanstalt die ihn zunaumlchst zum Auf-sichtsratsvorsitzenden der Eisen- und Huumlttenwerke Thaleberief und ihn dann zum Eigentuumlmer machte eine Entschei-dung die auch dann fragwuumlrdig wirkt wenn Albrecht glaub-haft versichert keinen persoumlnlichen Nutzen aus dem Eigen-tum zu ziehen sondern sich mit den Aufsichtsratstantiemenzu begnuumlgen Die Belegschaft in Thale schrumpfte inzwischenauf einige hundert Beschaumlftigte

Im allgemeinen sorgte die Treuhandanstalt dafuumlr daszlig die-jenigen die schon in Westdeutschland monopolartige Wirt-schaftsmacht besitzen diese auf Ostdeutschland ausdehnenkonnten So wurde die Presse Beute westdeutscher Groszligver-lage wie Springer Bauer Burda und Bertelsmann BauerBranchenerster auf dem Markt bunter Wochenblaumltter zweiein-halbfacher Vermoumlgensmilliardaumlr Hauptbeteiligter an Schmutz-Wahlkampagnen der CDUCSU hatte seit langem denWunsch gehabt auch ins Tageszeitungsgeschaumlft einzusteigenwas ihm jedoch in Westdeutschland miszliglang weil hier derMarkt aufgeteilt besetzt also gar kein freier Markt mehr istDie Treuhandanstalt erfuumlllte ihm seinen Wunsch Er erhielt die

ehemalige SED-Bezirkszeitung raquoVolksstimmelaquo in Magdeburgeine der auflagenstaumlrksten deutschen Regionalzeitungen

Westdeutsche Fuumlrsten die nach dem Zweiten Weltkriegdurch die Bodenreform ihre ostelbischen Latifundien verlorenhatten ergreifen nun nach und nach wieder Besitz einige wieder schwerreiche und erzkonservative Philipp Ernst Fuumlrst vonSchaumburg-Lippe zunaumlchst als Paumlchter der TreuhandanstaltAls Ende 1993 die Breuel-Behoumlrde erstmals ein ostdeutschesWald- und Forstgebiet privatisierte schlug sie den 828 Hektargroszligen Forst Schleiz-Langenbuch in Thuumlringen dem hessi-schen raquoInvestorlaquo Franz Alexander Fuumlrst von Isenburg zu

Im Sinne der raquoAlteigentuumlmerlaquo die freilich im Westen laumlngstauf Steuerzahlers Kosten Lastenausgleich erhalten hatten ver-fuhren die Regierung Kohl und die Treuhandanstalt nach demPrinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo- was fuumlr diejenigen dieinzwischen in der DDR gelebt und gearbeitet hatten Wegnah-me ohne Entschaumldigung bedeutet Zu den raquoAlteigentuumlmernlaquodie sich bei der Treuhandanstalt und oumlrtlichen Vermoumlgensaumlm-tern draumlngelten gehoumlrten sofort etliche raquoArisierungslaquogewinnlerler vom Typ unseres alten Bekannten Dr Fritz Ries die geradewegen der Umstaumlnde unter denen sie einst in der Nazi-Zeitjuumldischen Besitz erlangt hatten nach dem Zweiten Weltkrieg inOstdeutschland enteignet worden waren Die Klaumlrung vonEigentumsanspruumlchen erwies sich oft als sehr muumlhsam Anungeklaumlrten Vermoumlgensfragen gingen inzwischen viele tausen-de Industrie- Handwerks- und Agrarbetriebe zugrunde Beam-te des Bundesfinanzministeriums entwickelten ein Konzeptwonach Alteigentuumlmer denen ein unerwarteter Gluumlcksfall derGeschichte laumlngst verlorengeglaubte ostelbische Besitztuumlmerbeschert verpflichtet werden sollten eine Vermoumlgensabgabezu zahlen und damit das fuumlr die Entschaumldigung anderereigentuumlmerbenoumltigte Geld aufzubringen Aber die Bonner Re-gierung entschied anders naumlmlich so wie sie es im Dienste desGroszligen Geldes als ihre Aufgabe ansieht Die Vermoumlgendenbrauchen keine Abgabe zu entrichten Fuumlr Entschaumldigungenmuumlssen die Steuerzahler aufkommen -jedoch erst vom Jahre2004 an Die Regierung Kohl plant die weitere Umverteilungvon unten nach oben schon bis ins naumlchste Jahrhundert voraus

In vielen Faumlllen waren westdeutsche Konzerne nur deswe-gen an der Uumlbernahme ostdeutscher Betriebe interessiert weilsie Konkurrenz ausschalten wollten Bekanntestes Beispiel istdie Kaligrube Bischofferode Das von den uumlber 700 Bischoffe-roumlder Bergleuten gefoumlrderte besonders hochwertige Kalisalzwar international nachgefragt bis zur Schlieszligung der GrubeEnde 1993 muszligten Uumlberstunden geleistet werden Ein Kauf-interessent stand bereit der sich gute Gewinne ausrechnenkonnte Doch der Ludwigshafener Chemie-Riese BASF beidem einst der Nachwuchspolitiker Helmut Kohl als Praktikanterste Erfahrungen hatte sammeln duumlrfen setzte sich mit sei-nem Interesse an einem gesamtdeutschen Kali-Monopol durch

Wirtschaftlich gestaltete sich die Eingliederung Ostdeutsch-lands in die Bundesrepublik wofuumlr sich Dr Kohl so gern alsEinheitskanzler feiern laumlszligt im wesentlichen als Eroberung desMarktes und Ausschaltung potentieller Konkurrenz in denneuen Bundeslaumlndern Statt Sanierung ruumlckstaumlndiger Teile derDDR-Wirtschaft Vernichtung von drei Vierteln des dortigenIndustriepotentials preisguumlnstige Aneignung interessanterProduktionskapazitaumlten und Immobilien Privatisierung vonProfiten Verstaatlichung von Verlusten alles zuverlaumlssig prak-tiziert durch die Treuhandanstalt

Die verheiszligenen Investitionen im Osten blieben in allerRegel aus Das lag nicht etwa daran daszlig es in Westdeutschlandan Kapital gefehlt haumltte das in den raquoNeuen Laumlndernlaquo haumltteinvestiert werden koumlnnen Wie wir schon gesehen haben hattesich das Groszlige Geld in den achtziger Jahren gewaltig vermehrtund Anfang der neunziger Jahre machte es noch groumlszligereGewinnspruumlnge Weil Jahr fuumlr Jahr viel mehr eingenommen alsinvestiert wurde staute sich Liquiditaumlt in einem fruumlher unbe-kannten Ausmaszlig raquoDas Liquiditaumltspolster der westdeutschenProduktionsunternehmenlaquo schrieb im Mai 1991 die DeutscheBundesbank sei reichlich bisher noch nie gewesenlaquo Aberdie westdeutschen Konzerne hatten wenig Interesse im Ostenneue Betriebe zu errichten

Ende 1993 legte der Paritaumltische Wohlfahrtsverband gemein-sam mit dem DGB erneut einen raquoArmutsbericht vorlaquo worin ervor allem die Lage in Ostdeutschland untersucht Zur Treu-

handpolitik heiszligt es dort raquoGroszlige Bedeutung fuumlr die Wirt-schafts- und Beschaumlftigungsentwicklung in den neuen Bundes-laumlndern hatte die Politik der Treuhandanstalt ihr kam nachdem Treuhandgesetz primaumlr die Aufgabe zu das volkseigeneVermoumlgen der ehemaligen DDR zu privatisieren und zu ver-werten nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft Diebestehenden Unternehmen sollten so rasch als moumlglich zer-schlagen und in Privateigentum uumlberfuumlhrt werdenlaquo Dagegensei es raquoweder urspruumlngliches Ziel noch bisherige Praxis derTreuhandlaquo gewesen Betriebe raquomit der Zielsetzung einer Erhal-tung von Produktions- und Beschaumlftigungsstandortenlaquo zusanieren Deswegen sei raquoein Groszligteil der zum Zeitpunkt derMaueroumlffnung vorhandenen Arbeitsplaumltze inzwischen verlo-rengegangenlaquo Ergebnis raquoAuf jeweils zwei Beschaumlftigtekommt derzeit in Ostdeutschland ein Erwerbsloserlaquo

1990 im Jahre des raquoBeitrittslaquo der DDR zur BundesrepublikDeutschland hatte die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland

Prozent betragen zwei Jahre spaumlter war sie bereits aufProzent gestiegen in den Bevoumllkerungsgruppen der Alleiner-ziehenden und der bis 64jaumlhrigen sogar schon auf 25 Pro-zent Die Zerschlagung von Betrieben betrifft in besonderemMaszlige auch die Jugendlichen die sich um Ausbildungsplaumltzebewerben 1992 fanden von den im Osten als Bewerber regi-strierten Jungen und Maumldchen nur Prozent einen betriebli-chen Ausbildungsplatz teilweise im Westen Das Defizit ver-groumlszligerte sich 1993 dadurch daszlig sich staatliche Subventionenfuumlr auszligerbetriebliche Ausbildungsplaumltze verringerten

Alleinerziehende gab es in der ehemaligen DDR deutlichmehr als in Westdeutschland Prozent aller Familienhaus-halte Die Untersuchung des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandsfuumlhrt das zuruumlck raquoauf zahlreiche soziale Erleichterungen undVerguumlnstigungen sowie die Tatsache daszlig Alleinerziehende inihrem Status gesellschaftlich akzeptiert warenlaquo- was sich inzwi-schen gruumlndlich geaumlndert hat raquoIm Zuge Vereinigunghaben sich die Rahmenbedingungen fuumlr Allemerziehende imOsten deutlich verschlechtert und das Risiko der gesellschaftli-chen Ausgrenzung und Verarmung dieser Gruppe hat sichebenso deutlich erhoumlhtlaquo

Um zu illustrieren wie tief Kohls Einheitspolitik gerade dieMuumltter in den neuen Laumlndern hat stuumlrzen lassen erinnert derParitaumltische Wohlfahrtsverband in seinem Bericht an die Lei-stungen auf die sie in der DDR Anspruch hatten raquoSo erhieltenMuumltter von zwei und mehr Kindern sowie Alleinerziehendeeinen zusaumltzlich bezahlten Hausarbeitstag pro Monat DerAnspruch auf einen Schwangerschaftsurlaub betrug sechsWochen vor und 20 Wochen nach der Geburt mit einem Ein-kommen in Houmlhe des Nettoverdienstes Daneben konnte nachGeburt des ersten Kindes ein Babyjahr in Form bezahltenUrlaubs bei einer Unterstuumltzung zwischen 65 und 90 Prozentdes Nettoeinkommens genommen werden nach Geburt desdritten Kindes und der folgenden Kinder sogar eineinhalbJahre und bis zu drei Jahren wenn das Kind nicht versorgt wer-den konnte oder krank war Unabhaumlngig von einer Freistellungwurde den Frauen pro Kind ein Jahr bei der Rentenversiche-rung angerechnet ab dem dritten Kind erhoumlhte sich dieZurechnungszeit auf drei Jahre pro Kind Fuumlr die Betreuungkranker Kinder waren je nach Familienstand und Kinderzahlvier bis maximal dreizehn Wochen bezahlter Freistellungs-urlaub pro Jahr moumlglich Zur finanziellen Entlastung von Fami-lien und alleinstehenden Muumlttern trugen weitere Leistungenbei wie ein im Vergleich zur BRD deutlich houmlheres KindergeldUnterhalts- und Ausbildungsbeihilfen und eine Geburtenbei-hilfe in Houmlhe von 1000 Mark Studierende Muumltter hatten An-spruch auf umfassende Unterstuumltzung unter anderem bei derWohnraumversorgung und Kinderbetreuung VertreterInnenvon Familienverbaumlnden gehen davon aus daszlig in der DDR 75bis 80 Prozent aller Kosten die ein Kind von der Geburt biszum 18 Lebensjahr verursacht von Staat und Gesellschaftgetragen wurden gegenuumlber maximal einem Viertel in derBRD Gleichzeitig stand ein umfassendes hochsubventionier-tes und damit fuumlr die Mutter kostenloses Angebot staatlicherKinderbetreuung bei taumlglichen Oumlffnungszeiten zwischen neunund zwoumllf Stunden zur Verfuumlgung das bereits in der zehntenLebenswoche ansetzte und je nach Alter zwischen 81 und 94Prozent der Kinder erfaszligte laquo Hinzu kamen noch ein speziel-

ler Kuumlndigungsschutz fuumlr Alleinerziehende und manche weite-ren Verguumlnstigungen

Obwohl Dr Kohl und sein Sozialminister Dr Bluumlm immerdas Wort raquoFamilielaquo im Munde fuumlhren hatten sie fuumlr sol-

che Errungenschaften nichts uumlbrig und sorgten fuumlr deren Besei-tigung

Von den Ende 1989 in der DDR ausgewiesenen 340 000alleinerziehenden Muumlttern war schon Ende 1991 jede sechsteohne Erwerbsarbeit Das fruumlher in der DDR unbekannteDilemma sich zwischen Beruf und Kind entscheiden zu muumls-sen und die nun rasch angestiegenen Kosten von Mutterschaftund Kinderbetreuung fuumlhrten laut Armutsbericht zu einer ein-deutigen Reaktion raquoFrauen entscheiden sich mit zunehmen-der Tendenz gegen Kinder Die Geburtenrate sank zwischen1989 und 1991 um die Haumllfte Sterilisationen stiegen sprunghaftan ihr Nachweis stellt im Kampf um die raren Arbeitsplaumltzeoffensichtlich einen Konkurrenzvorteil darlaquo Wie vertraumlgt sichdas mit den staumlndigen Bekenntnissen der CDUCSU zumSchutz der Familien mit ihren wuumltenden Attacken gegen dieunter Willy Brandts Kanzlerschaft eingefuumlhrte Liberalisierungdes $218 (Schwangerschaftsabbruch) Die Antwort ist einfachFuumlr die Unionschristen endet die Fuumlrsorgepflicht des Staatesan der Kasse und Unternehmerinteressen haben stets Vorrangvor denen der Lohnabhaumlngigen

Wegen der unzureichenden Foumlrderung von Familien mitKindern steigt in Deutschland die Kinderarmut steil an Der

weist fuumlr 1992 fuumlr Westdeutschland den Anteilder in Armut lebenden Kinder unter 16 Jahren mit Prozentin Ostdeutschland mit Prozent aus Als raquowohnraumunter-versorgtlaquo registriert er Prozent aller westdeutschen und391 Prozent aller ostdeutschen Kinder und Jugendlichen undresuumlmiert raquoKindheit insbesonder in groumlszligeren Familien istin beiden Teilen der Bundesrepublik mit einemauszligerordentli-chen Armutsrisiko verknuumlpftlaquo Jedesmal wenn Kohl und Bluumlmmit reichlich Spucke das Wort raquoFamilljelaquo uumlber die Lippen brin-gen sollen wir ihnen diese Feststellung entgegenhalten

raquoDie Chance im Zuge der Sozialunion eine umfassende So-zialreform einzuleiten um die jeweiligen Staumlrken der beiden

Systeme sozialer Sicherung zu erhalten und die vorhandenenDefizite zugunsten eines umfassenderen und houmlheren Siche-rungsniveaus zu korrigieren ist aus politischen Gruumlnden nichtgenutzt wordenlaquo beklagt der Armutsbericht Und er zaumlhlt vie-les auf was in Ostdeutschland guumlnstiger geregelt war als inWestdeutschland Armut in dem Sinne daszlig arm ist wer weni-ger als die Haumlfte des Durchschnittseinkommens erhaumllt habe esin der DDR wegen der gleichmaumlszligigen Verteilung der Einkom-men auf niedrigem Niveau nicht gegeben zumal die Guumlter desGrundbedarfs stark subventioniert waren In DDR-Zeitenhabe man zwar verdeckte Wohnungsnot gekannt aber keineoffene Obdachlosigkeit Nur neun Prozent der Erwerbstaumltigenin der DDR haumltten keinen Ausbildungsabschluszlig gehabt (gegen-uumlber 19 Prozent in Westdeutschland) raquoBehinderte Menschenwaren in der DDR uumlber verschiedene Schutzvorschriftenwesentlich staumlrker in das Alltagsleben integriert als es dieBestimmungen des bundesdeutschen Schwerbehindertenge-setzes verlangen Die deutsche Einigung ging fuumlr behinderteMenschen mit einer schlagartigen Ausgrenzung aus demArbeitsleben Hinzu kaumlmen jetzt soziale Diskriminie-rungen und eine raquoeklatante Verschlechterunglaquo im Rentenrechtder Behinderten

Pflegebeduumlrftige hatten in der DDR einen individuellenAnspruch auf Pflegegeld den sie durch die Vereinigung verlo-ren Pflegeheimaufenthalt und medizinische Betreuung warengratis Jetzt muumlssen die Pflegebeduumlrftigen selbst zahlen DerWeg ins Heim ist fuumlr die meisten ein Weg in die Sozialhilfe Dasbedeutet auch daszlig Angehoumlrige finanziell herangezogen wer-den -raquoein gravierender Bruch fuumlr ostdeutsche Pflegebeduumlrftigeund ihre Angehoumlrigen nach uumlber 40 Jahren prinzipiellerKostenfreiheit im Gesundheitssystemlaquo Was Pflegebeduumlrfti-gen nach der Waumlhrungsunion auf ihren Sparbuumlchern verblie-ben war wurde ihnen von den Sozialhilfe-Behoumlrden bis aufeinen Restbetrag genommen Weitgehend zerschlagen wurdendie Strukturen der raquoVolkssolidaritaumltlaquo einer in der DDR staat-lich gefoumlrderten Organisation die mit 6 500 Gemeindeschwe-stern vielen weiteren hauptamtlichen und rund 200 000 ehren-amtlichen Kraumlften vor allem fuumlr die ambulante Betreuung von

Pflegebeduumlrftigen zustaumlndig war und zum Beispiel fuumlr symboli-sche 50 Pfennig am Tag denjenigen Essen brachte die nichtselbst kochen konnten Wegen Auslaufens von Arbeitsbeschaf-fungsmaszlignahmen sind jetzt auch die rund 1000 Altenklubs inOstdeutschland in ihrem Bestand gefaumlhrdet

Viel schneller als die Angleichung der Einkommen (1992betrug das durchschnittliche Einkommen pro Person in einemOst-Haushalt Prozent im Verhaumlltnis zum Westen) vollzogsich die Angleichung der Mietpreise Allein im Jahre 1991 stie-gen die Mieten im Osten um das 35- bis Vierfache Inzwischensetzte sich der Anstieg fort einzig aus Spekulationsgruumlndennicht etwa zum Ausgleich fuumlr Modernisierungsmaszlignahmendie bisher meist unterblieben Wegen auflaufender Mietschul-den kommt es zu vielen Raumlumungsklagen So waren allein inMagdeburg Anfang 1993 rund 1900 Raumlumungsklagen anhaumln-gig Obdachlosigkeit entsteht laut Armutsbericht vielfach auchdurch rabiate Methoden alter oder neuer Hausbesitzer diebestrebt sind Wohnungen zu raquoentmietenlaquo Notwendige Ver-besserungen des Wohnungsbestands scheiterten bisher aucham Prinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo in etwa einer Mil-lion Faumllle waren 1993 die Besitzverhaumlltnisse noch nicht geklaumlrtdie uumlberforderten Gerichte und Behoumlrden werden damit wohlnoch Jahre beschaumlftigt sein

Als psychosoziale Folgen dieser Entwicklung nennt derArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB Wachsende Verunsicherung Empfindung von Nichtge-brauchtsein und Leere Gefuumlhle des Ausgeliefertseins und dereigenen Ohnmacht sich ausdehnende Hoffnungslosigkeit undSinnlosigkeit sich verfestigende seelische Probleme (Schlaf-stoumlrungen) Ruumlckzug ins Private und zunehmende politischeUninteressiertheit Empfinden eines grundlegenden Statusver-lustes sich einstellende Inaktivitaumlt und zunehmende Neigungzum Alkoholkonsum Auffaumlllig seien zudem verstaumlrkt auftre-tende Gesundheitsstoumlrungen als Reaktion auf soziale und kul-turelle Ausgrenzung (Auch Kinokarten verteuerten sich raschum 700 Prozent und wurden fuumlr viele unerschwinglich)

Das Versprechen des Kanzlers Dr Kohl daszlig es niemandemschlechter gehen werde erwies sich bald nach der von ihm

gewonnenen Bundestagswahl vom Dezember 1990 als hohlUm so groumlszliger waren die Hoffnungen nach einer Uumlbergangs-zeit von allenfalls drei oder vier Jahren werde es allen Ostdeut-schen besser gehen Doch auch diese Hoffnung erfuumlllte sichnicht Im Gegenteil Fuumlr betraumlchtliche Teile der Bevoumllkerung istein Ende der Abwaumlrtsentwicklung nicht absehbar Im Armuts-bericht von Ende 1993 heiszligt es dazu raquoIn einer Vielzahl vonLebensbereichen droht die Versorgung in den neuen Bundes-laumlndern weit hinter den im Westen der Republik vorhandenenStandards zuruumlckzubleiben Dies gilt vorrangig fuumlr die Versor-gung im Arbeitsmarkt- und Beschaumlftigungssystem Dies giltjedoch auch fuumlr die Versorgung mit Bildungsguumltern mit Woh-nungen und mit Sozial- und GesundheitsdienstleistungenlaquoKommunale Kostentraumlger seien raquoaufgrund ihrer prekaumlrenHaushaltssituation kaum in der Lage die laufenden Kosten fuumlrdie soziale Infrastruktur vor Ort zu bestreitenlaquo Die Autorendes Armutsberichts zitieren Prognosen wonach eine Anglei-chung der Lebensverhaumlltnisse zwischen Ost und West nocheinen Zeitraum von raquomindestens zehn Jahrenlaquo erfordern wirdSie selbst halten es fuumlr raquooffen ob eine solche Angleichung tat-saumlchlich stattfinden oder ob das Beitrittsgebiet nicht vielleichtuumlber einen laumlngeren Zeitraum eine Armutsregion im vereintenDeutschland bleiben wirdlaquo

Halten wir fest Als sich Buumlrgerinnen und Buumlrger der DDRlange entbehrte Freiheiten erkaumlmpften als das SED-Regimezusammenbrach als das uumlble Spitzelsystem des Staatssicher-heitsdienstes beseitigt wurde da handelten die Ostdeutschensouveraumln und der westdeutsche Kanzler hatte auszliger Spruumlchenwenig beizutragen Die Einheit aber inszenierte er dann -nichtohne ostdeutsche Helfer namentlich den Staatssekretaumlr Guumln-ther Krause der spaumlter zur Belohnung zeitweilig Bundesver-kehrsminister sein durfte als groszligen Volksbetrug Betrogenund gedemuumltigt stehen jetzt nicht nur Millionen Ostdeutscheda sondern fuumlr materielle und politische Kosten muumlssen mehrund mehr auch die Westdeutschen aufkommen nicht die Rei-chen die noch viel reicher wurden sondern die Armen Wasder raquoEinheitskanzlerlaquo angerichtet hat ist die tiefe sozialeSpaltung Deutschlands

Mit den raquoSolidarpaktlaquo-Beschluumlssen von 1993 deren Inhaltso zynisch ist wie der Name und mit den raquoSpar- und Konsoli-dierungsbeschluumlssenlaquo fuumlr 1994 wurde zu Lasten der Armen inganz Deutschland tief in die Leistungen des Arbeitsfoumlrderungs-und des Sozialhilfegesetzes eingegriffen Kuumlrzungen des Ar-beitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe des Kurzarbeiter-und des Schlechtwettergeldes Verteuerungen fuumlr die Krankenund andere Zumutungen treiben wie der Praumlsident des Verban-des der Kriegs- und Wehrdienstopfer Behinderten und Sozial-rentner Deutschlands (VdK) Walter Hirrlinger feststellte er-neut raquohunderttausende Menschen und deren Familien in dieArmutlaquo diese Maszlignahmen seien deshalb raquosozial unverant-wortlichlaquo Der Deutsche Kinderschutzbund wies zu Jahres-beginn 1994 darauf hin daszlig in Deutschland inzwischen schoneine halbe Million Kinder in Obdachlosen-Unterkuumlnften lebenDas Resuumlmee im Armutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrts-verbands und des DGB lautet Die von der Regierung Kohlfavorisierte wirtschaftsliberale Strategie der Lastenverteilungbedeute raquodaszlig die Lasten allein von den Arbeitnehmern undSozialleistungsempfaumlngern uumlbernommen werden muumlssenlaquoNach einem Jahrzehnt der Umverteilung zu Lasten der sozialSchwaumlchsten nehme die Zahl der Armen im Westen unveraumln-dert zu und die derzeitige Wirtschafts- und Sozialpolitik lauferaquodarauf hinaus daszlig heute und in den kommenden Jahren dieLasten der Vereinigung vorrangig zwischen den Armen imWesten und im Osten geteilt werdenlaquo Daher sei es raquokaumverwunderlich daszlig die Politikverdrossenheit in der Bevoumllke-rung zunimmtlaquo Obwohl raquodas neue Gesamtdeutschland einesder reichsten Laumlnder der Erdelaquo sei koumlnne diese Politik zurFolge haben raquodaszlig die soziale und politische Stabilitaumlt derBundesrepublik in den neunziger Jahren ernsthaft gefaumlhrdetwirdlaquo

Das Groszlige Geld aber wurde bestens bedient Es konnte sichin Ostdeutschland alles und jedes aneignen was ihm brauch-bar erschien es konnte die dortigen Absatzmaumlrkte in Besitznehmen es konnte seine Gewinne sprunghaft steigern und inengem Zusammenwirken mit der Regierung des Dr HelmutKohl konnte es die wachsende Veraumlngstigung vieler Menschen

auch noch zum Abbau zahlreicher in fruumlheren Jahrzehntenmuumlhsam erkaumlmpfter Arbeitnehmer- und Buumlrgerrechte nutzen

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gelang esden Metall-Industriellen einen geltenden Tarifvertrag auszu-hebeln Mit raquoOumlffnungsklauselnlaquo soll das gesamte Tarifrechtzum Einsturz gebracht die Gewerkschaftsbewegung entmach-tet werden Mit sogenannten raquoBeschleunigungs-laquochungs-laquo und raquoEntlastungsgesetzenlaquo schraumlnkte die von Kohlgefuumlhrte Bonner Koalition wesentliche Mitspracherechte derBuumlrgerinnen und Buumlrger ein so daszlig jetzt uumlber die Koumlpfe vonBetroffenen hinweg aumluszligerst zweifelhafte umweltgefaumlhrdendeGroszligprojekte beispielsweise in der Gentechnik verwirklichtwerden koumlnnen Zur Begruumlndung muumlssen immer wieder dieraquodeutsche oder der raquoStandort Deutschlandlaquo herhaltenDas raquoStandortsicherungsgesetzlaquo und weitere angeblich ausnationalen Interessen notwendige Beschluumlsse tun ein uumlbrigesum die Reichen und Superreichen im Lande von sozial- undrechtsstaatlichen Fesseln zu befreien

Der Verantwortung fuumlr die Folgen dieser Politik entledigtsich der Bund aufs vornehmste indem er sie an die Kommunendelegiert Deren Sache ist es dann fuumlr die explodierende Zahlvon Sozialhilfe-Abhaumlngigen zu sorgen In finanzieller Bedraumlng-nis unter zunehmendem Schuldendruck schlieszligen die Kommu-nen jetzt Theater Buumlchereien und Schwimmbaumlder erhoumlhenKindergarten-Beitraumlge der Eltern ins Unbezahlbare oder fuumlh-ren Gebuumlhren fuumlrs Betreten von Parkanlagen ein Was kuumlm-mertrsquos die Reichen Sie haben private Schwimmbaumlder und koumln-nen rasch nach Mailand oder Monte Carlo fliegen um dort indie Oper zu gehen

raquoDiese neue Regierung ist notwendig geworden weil sich diealte die bisherige Regierung als unfaumlhig erwies gemeinsamdie Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen das Netz sozialer Sicherheitzu gewaumlhrleisten und die zerruumltteten Staatsfinanzen wieder inOrdnung zu bringenlaquo So begruumlndete Dr Helmut Kohl nach-dem er durch den Wortbruch der FDP Kanzler geworden wardie damalige raquoWendelaquo Mehr als ein Jahrzehnt spaumlter ist dieMassenarbeitslosigkeit zur Dauerplage geworden die sichimmer weiter ausbreitet In das Netz sozialer Sicherheit hat dieRegierung des Groszligen Geldes ein Loch nach dem anderengerissen so daszlig mehr und mehr Menschen hindurchfallenUnd die Staatsfinanzen sind so zerruumlttet daszlig noch Generatio-nen zu schuften haben werden um den gigantischen Schulden-berg abzutragen

Daszlig eine neue Regierung notwendig geworden ist wirdjetzt auch in Kreisen der Wirtschaft eroumlrtert und zwar imZusammenhang mit den Folgen der Rezession die 199293viele mittelstaumlndische Unternehmen in rote Zahlen oder ganzin den Ruin gestuumlrzt hat

Die Krise gehoumlrt zum Kapitalismus wie die KonjunkturBeide loumlsen sich regelmaumlszligig ab In der Rezession macht dasGroszlige Geld jedesmal reiche Beute denn was die kleinen undmittleren Unternehmer aufgeben muumlssen krallen sich die gro-szligen Die jeweilige Regierung ist an der Tatsache zyklischer Kri-sen unschuldig Insofern muumlssen wir ausdruumlcklich auch dieRegierung des Dr Helmut Kohl in Schutz nehmen Dochdamit sich der Zorn des Mittelstandes nicht etwa gegen dasGroszlige Geld richtet muszlig in Krisenzeiten die jeweilige Regie-rung als Suumlndenbock herhalten Daher droht Kohl jetzt auchGefahr aus den Kreisen denen er immer treu gedient hat

In der ersten schweren Wirtschaftskrise der Bundesrepublikmuszligte der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard

abtreten in der sogenannten raquoOumllkriselaquo Willy Brandtfuumlr die Krise wurde Helmut Schmidt verantwortlichgemacht Ist jetzt infolge der vierten Wirtschaftskrise seitGruumlndung der Bundesrepublik Helmut Kohl an der ReiheNotfalls werden seine Auftraggeber ihn fallenlassen Abernicht deswegen weil sie mit seiner Politik nicht mehr einver-standen waumlren im Gegenteil Fuumlr sie ist die Hauptsache daszligKohls Politik weitergefuumlhrt wird notfalls auch ohne Kohl

Die Opfer dieser Politik hingegen haumltten davon nur weiterenSchaden In ihrem Interesse kommt es also hauptsaumlchlich dar-auf an daszlig in Bonn endlich eine grundlegend andere Politikeingeleitet wird eine Politik die auf soziale Gerechtigkeit ori-entiert ist auf mehr Demokratie auf Schutz der Menschen-rechte und Schutz der natuumlrlichen Lebensgrundlagen

Mit einem bloszligen Austausch des Personals in Bonn ist esnicht getan Er ist ohnehin laumlngst im Gange Immer schnellerdreht sich das Personalkarussell Insgesamt 20 Minister sindseit 1982 aus den von Helmut Kohl gefuumlhrten Bundeskabinet-ten vorzeitig ausgeschieden Anfangs geschah das selten inzwi-schen immer haumlufiger 1992 traten vier Minister zuruumlck 1993fuumlnf darunter Juumlrgen Moumlllemann (FDP) nach seiner Brief-bogenaffaumlre und Guumlnther Krause (CDU) nach seinen diversenAutobahnbau- Raststaumlttenkonzessions- Umzugs- und Putz-frauenaffaumlren

Auch in den unionsgefuumlhrten Laumlnderregierungen in West-deutschland sind es noch zwei in Ostdeutschland (Berlin ein-geschlossen) fuumlnf - broumlckelt es Bayerns Ministerpraumlsident MaxStreibl (CSU) stolperte uumlber die Amigo-Affaumlre In Baden-Wuumlrt-temberg muszligte Lothar Spaumlth unter dem Verdacht der Bestech-lichkeit abtreten und sein Nachfolger muszligte weil die FDPbei der Landtagswahl durchfiel mit der SPD koalieren Spaumlthwurde dann zum Trost aumlhnlich wie sein abgewaumlhlter nieder-saumlchsischer Amtskollege Ernst Albrecht von der Treuhandan-stalt mit dem Aufsichtsratsvorsitz eines fruumlher volkseigenenUnternehmens betraut In Sachsen konnte sich der Schwieger-sohn von Konsul Dr Fritz Ries Prof Dr Kurt Biedenkopf als

Ministerpraumlsident fest etablieren Aber in Thuumlringen Mecklen-burg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sah sich die CDUschon nach kurzer Zeit zur Auswechslung der von ihr gestelltenRegierungschefs gezwungen in Sachsen-Anhalt inzwischensogar zweimal Beim zweiten Male muszligte gleich das ganzeKabinett umgebildet werden Mehrere westdeutsche CDU-und FDP-Politiker die in Magdeburg als Minister eingesetztworden waren um die raquoOssislaquo fachmaumlnnisch in demokratischeRechtsstaatlichkeit einzuuumlben hatten zusaumltzlich zu ihrenziellen Amtsbezuumlgen raquoBesitzstandswahrunglaquo beansprucht undzu diesem Zweck unter anderem fruumlhere EisenbahnfreikartenTagegelder Aufsichtsratstantiemen Vortragshonorare steuer-freie Kostenpauschalen oder den Geldwert der Gratisbenut-zung eines Dienstwagens anrechnen lassen So hatte sich zumBeispiel der fruumlhere Fachhochschullehrer und Europaparla-mentarier Werner Muumlnch aus dem niedersaumlchsischen Vechtazum Spitzenverdiener hochgerechnet so dreist daszlig er sichals der Landesrechnungshof nachzurechnen begann nichtmehr im Amt halten konnte Eine Schluumlsselrolle in der Zula-gen-Affaumlre spielte der Staatssekretaumlr im Magdeburger Finanz-ministerium Eberhard Schmiege den Muumlnch dort eingesetzthatte Bis 1990 hatte Schmiege unter Ministerin Birgit Breueldie Haushaltsabteilung des niedersaumlchsischen Finanzministeri-ums geleitet Kaum waren diverse Minister ausgewechseltabtreten muszligte zum Beispiel Sozialminister Werner SchreiberBundesvorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse der an sichselbst besonders sozial gedacht hatte - da stellte sich herausdaszlig auch Schmiege und die anderen dreizehn Staatssekretaumlrestattliche raquoAmtszulagenlaquo kassiert hatten

Solche Affaumlren lieszligen sich propagandistisch allzu schlechtmit Bescheidenheits- Spar- Opfer- und Solidaritaumltsappellender raquoWendelaquo-Koalition an die Bevoumllkerung vereinbaren Aucharglose gutglaumlubige bisherige CDU-Waumlhlerinnen und -Waumlhlerschaumlrften inzwischen ihr Gehoumlr fuumlr die zynischen Untertoumlne inKohl-Reden Beispiel die Rede des Kanzlers am 21 Oktober1993 im Bundestag die nur als Verhoumlhnung der Opfer seinerPolitik der nunmehr (ohne statistische Tricks gerechneten)mehr als fuumlnf Millionen Arbeitslosen verstanden werden

konnte raquoWir koumlnnen die Zukunft nicht dadurch sichern daszligwir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisie-renlaquo toumlnte Dr Kohl Zugleich propagierte der Chef derraquoWendelaquo-Koalition die Ruumlckkehr zur 40-Stunden-Woche unddie Abschaffung von zwei Feiertagen Beides zusammenge-nommen wuumlrde die Arbeitslosenzahl in Deutschland noch-mals um nahezu eine Million hochschnellen lassen

Der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes hat zur Genuumlgegezeigt wie man einen Staat ruiniert Er ist reif zur Abloumlsungdie aber schwerlich gelingen kann wenn viele Waumlhlerinnenund Waumlhler verbittert zu Hause bleiben und besonders gefaumlhr-lich wuumlrde es wenn sie ihr Heil rechtsauszligen suchen wuumlrdenNotwendig ist jetzt eine selbstbewuszligte Antwort des betroge-nen Volkes

Um es zu einem solchen demokratischen Urteil nicht kom-men zu lassen versuchen die Bonner Regierenden und ihreHintermaumlnner mit Hilfe ihres Propaganda-Apparats die Waumlh-lerinnen und Waumlhler irrezufuumlhren und einzuschuumlchtern Ex-perten dafuumlr sind der CDUCSU-Fraktionsvorsitzende imBundestag Wolfgang Schaumluble Innenminister Manfred Kan-ther Finanzminister Theo Waigel und ihre Verbuumlndeten in derSpringer-Presse Nach der Methode raquoHaltet den wollensie Angst und Zorn die sich in der Bevoumllkerung angestauthaben ausgerechnet auf diejenigen Menschen lenken dieschon ganz unten gelandet sind auf die Opfer denen es amschlechtesten geht auf die Sozialhilfeempfaumlnger die pauschalverdaumlchtigt werden Sozialleistungen zu miszligbrauchen auf diemit ihrer duumlrftigen Habe in Haumlusernischen kampierendenObdachlosen denen vorgeworfen wird sie stoumlrten das Stadt-bild auf Ausgegrenzte die im Alkohol letzte Zuflucht suchenoder auf Auslaumlnder Beispiel die generalstabsmaumlszligig geplanteKampagne des zeitweiligen CDU-Generalsekretaumlrs (jetzt Bun-desverteidigungsministers) Volker Ruumlhe gegen das Asylrecht

Als die sozialen Folgen der hastigen DDR-Vereinnahmungspuumlrbar wurden luden die CDUCSU und die publizistischenWegbereiter ihrer Politik zu denen an erster Stelle der Springer-Konzern gehoumlrt den Asylbewerbern die Schuld auf Wohn-raum wurde knapp am wenigsten durch Asylbewerber weit

mehr durch Aussiedler und Uumlbersiedler die jetzt nicht mehrUumlbersiedler genannt und uumlberhaupt nicht mehr registriert wer-den (aber es sind immer noch jaumlhrlich Hunderttausende) ammeisten aber durch die katastrophale Bonner Wohnungspolitikdie immer mehr Wohnraum von unten nach oben umverteiltDieses soziale Problem wurde nun ins Nationalistische ge-dreht Springers BILD-Zeitung beteiligte sich daran mit Schlag-zeilen wie raquoMiethai kuumlndigt Deutschen fuumlr Asylantenlaquo Manbedenke daszlig BILD gewoumlhnlich nicht dazu neigt Hausbesitzerals Miethaie zu bezeichnen In diesem Zusammenhang abergeschah es als Mittel zum Zweck die Leserinnen und Leser zuaumlngstigen eine Verdraumlngung durch Fluumlchtlinge als akute Be-drohung vorzuspiegeln und auf solche Weise Aggressionenanzustacheln

Im Sommer und Herbst 1991 brachte dieses Blatt (gedruckteAuflage etwa fuumlnf Millionen Exemplare) eine Serie uumlber raquoDieAsylantenlaquo Dort war beispielsweise zu lesen raquoStellen Sie sichdiesen Fall vor Ein Mann klingelt bei Ihnen moumlchte herein-kommen Der Mann sagt daszlig er maumlchtige Feinde habe dieihm ans Leben wollen Sie gewaumlhren ihm Unterschlupf Dochschnell stellen Sie fest Der Mann wurde gar nicht verfolgt erwollte nur in Ihrem Haus leben Und Er benimmt sich sehrsehr schlecht Schlaumlgt Ihre Kinder Stiehlt Ihr Geld Putzt sichseine Schuhe an Ihren Gardinen Sie wuumlrden ihn gerne los Siewerden ihn aber nicht los Deutsche Asyl-Wirklichkeit 1991laquo

Parallel zur BILD-Serie mit gleicher Stoszligrichtung setztehe seine Kampagne in Gang Er schrieb an alle Untergliederun-gen der CDU raquoIch bitte Sie in den Kreisverbaumlnden in denGemeinde- und Stadtraumlten den Kreistagen und Laumlnderparla-menten die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPDdort herauszufordernlaquo Ruumlhe lieferte mit diesem Rundschrei-ben Argumentationsleitfaden Vorlagen fuumlr Antraumlge und Anfra-gen in Kommunal- und sonstigen Parlamenten sowie eineMuster-Presseerklaumlrung Zum Beispiel sollte landauf landabgefragt werden ob Asylbewerber etwa in Hotels untergebrachtseien was das kosten koumlnne und ob Auslaumlnder womoumlglichzuviel staatliche Unterstuumltzung in Anspruch naumlhmen und soweiter

Der SPD-Vorstand prangerte diese Kampagne in einer uumlber-zeugenden Broschuumlre an Unter der Uumlberschrift raquoGrundrechtauf Asyl Das anstaumlndige Deutschland zeigt Flaggelaquo hieszlig es amSchluszlig der Broschuumlre raquoEiner Aumlnderung des Grundgesetzesstimmt die SPD nicht zu laquo Doch nach einigen Monaten gab derParteivorstand der Sozialdemokraten der Kampagne nach DieBroschuumlre wurde nicht weiterverbreitet Ein Teil der SPD-Frak-tion im Bundestag stimmte der Grundgesetzaumlnderung zu undverhalf ihr damit zur Zweidrittelmehrheit

Die Kampagne hatte noch einen zweiten Effekt den der Prauml-sident des Bundesamtes fuumlr Verfassungsschutz Eckart Werthe-bach folgendermaszligen beschreibt raquoHier wurde ein Ackerbestellt auf dem der Rechtsextremismus seine fremdenfeindli-che Ernte noch auf geraume Zeit einfahren wirdlaquo (raquoDie Weltlaquo30 November 1993) Das ist offenkundig Die Propaganda fuumlrdie Aushebelung von Grund- und Menschenrechten ermun-terte Neonazis zur Gewalt Nach Angaben des Vorsitzendender Vereinigung raquoGegen Vergessen fuumlr Demokratielaquo HansJochen Vogel kamen innerhalb von gut zwei Jahren bis Herbst1993 durch 4761 rechtsextremistische Gewalttaten in Deutsch-land 26 Menschen ums Leben und 1783 wurden verletzt

wurden Anschlaumlge auf Asylbewerber-Wohnungen ver-uumlbt 209mal auf juumldische Einrichtungen 13mal wurden KZ-Gedenkstaumltten geschaumlndet (raquoDie Zeitlaquo 5 November 1993)

Den Kanzler der raquogeistig-moralischen Erneuerunglaquo kuumlm-merte das wenig Neonazi-Aufmaumlrsche wie in Rostock undFulda auch die Ermordung tuumlrkischer Frauen und Kinder inMoumllln und Solingen durch neonazistische Brandstifter tat er abals waumlren sie kaum der Erwaumlhnung wert Von den Orten derUntaten hielt er sich fern und er vermied es auch an den Trau-erfeiern teilzunehmen was er durch seinen Regierungsspre-cher damit begruumlnden lieszlig daszlig er raquoBeileidstourismuslaquo ab-lehne (Bei Trauerfeiern fuumlr ermordete Industriemanager hatteer nie gefehlt auch nicht bei der Trauerfeier fuumlr einen in Kam-bodscha ermordeten Bundeswehr-Feldwebel und der patheti-sche Staatsakt zu dem er den damaligen US-PraumlsidentenRonald Reagan vor den Graumlbern von SS-Maumlnnern auf demFriedhof von Bitburg noumltigte erregte Aufsehen in aller Welt)

Systematisch bemuumlhte sich die Bundesregierung denRechtsextremismus herunterzuspielen So verbreitete das Bun-desinnenministerium eine Studie unter dem Titel raquoHat Rechts-extremismus in Deutschland eine Chancelaquo Sie kam zu demErgebnis raquodaszlig Rechtsextremismus in Deutschland bedeutungs-los istlaquo Seine Bedeutung so hieszlig es dort raquoscheint nur in denVorstellungen seiner Gegner zu liegenlaquo Das raquorechtsextremisti-sche Schreckbildlaquo diene den Antifaschisten als Mittel zurDestabilisierung der Demokratie erfuhr man aus der BonnerPublikation Zu einem Zeitpunkt als die Blutspur des braunenTerrors gegen Fluumlchtlinge aber auch gegen Behinderte undandere Minderheiten laumlngst nicht mehr zu uumlbersehen war sug-gerierte die Studie (Verfasser Prof Dr H H Knuumltter) derRechtsextremismus sei kaum mehr als eine bloszlige Behauptungder Antifaschisten die eigentliche Gefahr liege im Antifaschis-mus Aumlhnlich leugnete Generalbundesanwalt Alexander vonStahl (FDP) bevor er uumlber einen Wust von Widerspruumlchen beider Verfolgung mutmaszliglicher RAF-Terroristen stolperte be-harrlich jeden organisierten Terror von rechts und unterlieszligdeswegen auch dessen Bekaumlmpfung obwohl in Neonazi-Grup-pen laumlngst steckbriefartige Dossiers uumlber GewerkschafterGruumlne Jungsozialisten und andere Antifaschisten kursierten

Den Kanzler selbst der seinen Aufstieg den einstigen NazisDr Ries Dr Schleyer und Dr Taubert verdankt interessiertdie Bedrohung von rechts uumlberhaupt nicht Vor Herausforde-rungen sich ernsthaft mit der Nazi-Vergangenheit auseinan-derzusetzen schuumltzt er sich mit der raquoGnade der spaumltenGeburtlaquo Den Opfern des von seinen Mentoren mitbetriebe-nen staatlichen Terrors versagt er ehrendes und mahnendesGedenken indem er sie wie bei der Neugestaltung der raquoAltenWachelaquo unter den Linden in Berlin - einfach unter die raquoOpfervon Krieg und Gewaltherrschaftlaquo subsumiert Zu solchemGedenken koumlnnen dann auch die Traditionsverbaumlnde von SSund Ritterkreuz-Orden aufmarschieren

Zu den raquoRepublikanernlaquo des ehemaligen Waffen-SS-Man-nes Franz Schoumlnhuber zur Deutschen Volks-Union (DVU) desschwerreichen Muumlnchener Verlegers (raquoDeutsche National-Zei-tunglaquo) und Immobilienspekulanten Dr Gerhard Frey und zu

anderen Rechtsauszligen-Gruppen haben CDU und CSU mancheuntergruumlndigen Beziehungen Gelegentlich deckt Frey sie nachdem Tode von Verbindungsmaumlnnern auf denen er dann stolzeNachrufe widmet wie dem einstigen bayerischen Kultusmini-ster und Verfassungsrechtslehrer Prof Dr Theodor Maunz(CSU) oder dem ehemaligen Geheimdienst-Chef ReinhardGehlen In eigens gegruumlndeten Akademien Foren oder in Zeit-schriften wie raquoMutlaquo kommunizieren CDUCSU-Rechte undUltrarechte miteinander Wer mit wem gemeinsame Sachemacht und gegen wen ist da laumlngst keine Frage mehr MichaelGlos Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Bonn sagt es soraquoDie linksradikale PDS und die Gruumlnen sind eine groumlszligereGefahr fuumlr unser Land als die Republikaner und die RechtenlaquoEin Neonazi-Fuumlhrer wie der Hamburger Christian Worchmacht sich solche Ermunterungen sofort zunutze und leistetseinerseits Unterstuumltzung In einem Aufruf fuumlr den saumlchsischenJustizminister Steffen Heitmann (CDU) den Kohl fuumlr das Amtdes Bundespraumlsidenten nominiert hatte schrieb Worch raquoWerwill uns wegen unserer strikten Einstellung zum Auslaumlnder-und vor allem Asylantenproblem noch alsund gtextremistische Minderheitlt disqualifizieren wenn zumin-dest Ansaumltze unserer Vorstellungen selbst vom ersten Mann imStaate oumlffentlich verbreitet werdenlaquo

Wenn CDUCSU-Politiker den raquostarken Staatlaquo propagierenalso den Abbau von Buumlrgerrechten (zum Beispiel durch die Er-maumlchtigung des Staates zur Verwanzung von Privatraumlumen dienicht dadurch harmloser wird daszlig ihr jetzt auch Sozialdemo-kraten zustimmen) und wenn der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende im Bundestag Wolfgang Schaumluble vor Weihnachten1993 sogar vorschlaumlgt bei einer raquogroumlszligeren Sicherheitsbedro-hung im Innernlaquo die Bundeswehr einzusetzen (es gehe darumdurch eine entsprechende Grundgesetzaumlnderung raquodas Hauswetterfest zu machenlaquo erlaumluterte Schaumluble) wenn schlieszliglichder Kanzler und sein jetziger Bundesverteidigungsminister Vol-ker Ruumlhe immer offener fuumlr die Beteiligung deutscher Truppenan Militaumlraktionen eintreten die mit dem Verfassungsauftragder Bundeswehr zur Landesverteidigung nichts zu tun habendann ist das alles ganz im Sinne der Ultrarechten

Fruumlhere Bonner Bekenntnisse zur Friedensstaatlichkeit sindimmer leiser geworden Das Ruumlstungsgeschaumlft hat sich unterder Kanzlerschaft von Helmut Kohl kraumlftig weiterentwickeltund ist auch nach dem Ende der Sowjetunion und des War-schauer Paktes die bis dahin als einzige Bedrohung der Bun-desrepublik und als alleinige regierungsamtliche Begruumlndungfuumlr Bundeswehr und Ruumlstungsausgaben gegolten hatten nichtzum Erliegen gekommen Daimler-Benz gehoumlrt zwar nichtmehr zum Flick-Konzern aber auch jetzt unter der Regie derDeutschen Bank dringt dieses Unternehmen weiterhin aufBonner Milliarden fuumlr Projekte wie den raquoJaumlger 90laquo inzwischenumbenannt in raquoEurofighter 2000laquo Deutsche Waffen im Wertevon mehreren Milliarden Mark werden seit Jahren zum Bei-spiel an die Tuumlrkei und an Indonesien geliefert wo das Militaumlrsie zur blutigen Unterdruumlckung und Ausrottung nationalerMinderheiten verwendet

Laut UN-Waffenregister geht weltweit der Waffenhandelseit einigen Jahren zuruumlck die deutschen Waffenexporte dage-gen nehmen zu In dieser Branche ist Deutschland an diezweite Stelle nach den USA aufgeruumlckt Beim Export von Waf-fensystemen zur Landkriegfuumlhrung (groszligkalibrige ArtilleriePanzer und gepanzerte Kampffahrzeuge) fuumlhrt Deutschland inStuumlckzahlen etwa ebenso viel aus wie Ruszligland FrankreichGroszligbritannien und China zusammengenommen Bei Rake-ten und Raketenwerfern nimmt es bereits die Spitzenstellungein

Mit 18 Milliarden Mark beteiligte sich die auf sozialem Ge-biet so sparsame Bundesregierung am Golf-Krieg mit demder zeitweilige US-Praumlsident George Bush eine raquoneue Weltord-nunglaquo herbeifuumlhren wollte Sie aumluszligerte bei dieser Gelegenheitihr Bedauern daruumlber daszlig das Grundgesetz sie hindere sichauch mit Bundeswehreinheiten zu beteiligen Diese Bedenkenwurden dann bald aufgegeben Inzwischen setzte die Bundes-regierung wiederholt deutsche Militaumlrverbaumlnde auszligerhalb desNATO-Gebietes ein wobei sie sich immer weiter vom grund-gesetzlichen Auftrag der Bundeswehr entfernte Die Expedi-tion von 1500 Bundeswehrsoldaten nach Somalia hatte mitLandesverteidigung nicht das geringste zu tun Zweck war

angeblich die Versorgung indischer UN-Truppen die jedochnie in Somalia auftauchten Einige Wochen vor der Expeditionhatte Minister Ruumlhe noch versichert vor einem solchen Bun-deswehreinsatz werde selbstverstaumlndlich die Zustimmung desBundestages eingeholt Aber dann wartete die Bundesregie-rung ab bis der Bundestag in die Weihnachtsferien 1992193gegangen war Das Parlament erhielt keine Gelegenheit uumlberdiesen ersten Auslandseinsatz einer geschlossenen Einheit seitGruumlndung der Bundeswehr auch nur zu diskutieren Nicht ein-mal der Auswaumlrtige Ausschuszlig wurde unterrichtet Die Kostendes Einsatzes summierten sich innerhalb eines Jahres auf rund300 Millionen Mark wofuumlr wie die Stellvertretende SPD-Vor-sitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul vorrechnete in Deutsch-land jeden Tag eine Kindertagesstaumltte haumltte gebaut werdenkoumlnnen

Bei den europaumlischen Nachbarn und langjaumlhrigen Verbuumlnde-ten der Bundesrepublik waumlchst unuumlberhoumlrbar das Miszligtrauengegenuumlber dem von Kohl regierten Deutschland das sich ehr-geizig reckt um neben den USA zweiter oder gar erster Weltpo-lizist zu werden Wenn der griechische Vize-AuszligenministerTheodoros Pangalos 1994 Vorsitzender des Ministerrats derEuropaumlischen Union Deutschland raquoeinen Riesen mit bestiali-scher Kraft und dem Hirn eines Kindeslaquo nennt dann ist dasnicht als Beleidigung des deutschen Volkes gemeint wohl aberals Charakterisierung der gegenwaumlrtigen Bonner Politik We-sentlichen Anlaszlig zu solchem Miszligtrauen gab das Vorpreschender Bundesregierung bei der Anerkennung Sloweniens undKroatiens als eigenstaumlndige Staaten womit Jugoslawien zer-schlagen und ein furchtbarer Konflikt zwischen den vermischtlebenden Voumllkern angefacht wurde Waffenschmieden wie dieGewehrfabrik Heckler Koch in Oberndorf am Neckar profi-tieren jetzt direkt oder indirekt von dem Krieg aller gegenalle im ehemaligen Jugoslawien

Griechenland muszligte als besondere Provokation die Aner-kennung des eigenstaumlndigen Staates raquoMazedonienlaquo verstehendenn die Masse der Mazedonier wohnt in Griechenland

Auf auslaumlndische Aumluszligerungen des Miszligtrauens pflegt Kohlpatzig mit der Bemerkung zu reagieren daszlig sich dahinter

raquoNeidlaquo verberge Und wenn er an den von Deutschland begon-nenen Zweiten Weltkrieg erinnert wird verbittet er sich jedenVergleich mit dem heutigen von ihm regierten DeutschlandAber niemand anderes als die Bundesregierung ist dafuumlrverant-wortlich daszlig in der Bundeswehr Nazi-Traditionen wachgehal-ten werden daszlig zum Beispiel die raquoDietl-Kasernelaquo in Fuumlssennach jenem Generaloberst benannt ist von dem Hitler sagteraquoDietl hat den Typ des nationalsozialistischen Offiziers geschaf-fen eines Offiziers der nicht weichlich ist im Verlangen undFordern nicht schwaumlchlich im Einsatz der Menschen sondernder genau weiszlig daszlig fuumlr diesen Kampf kein Opfer zu groszlig oderzu teuer istlaquo

Weil nach dem Ende der Sowjetunion und des WarschauerPaktes von einer militaumlrischen Bedrohung des deutschen Terri-toriums keine Rede mehr sein konnte entstand im Januar 1992ein Positionspapier des Bundesverteidigungsministeriumsunter dem Titel und militaumlrstrategischeGrundlagen und konzeptionelle Grundrichtung der Neugestal-tung der Bundeswehrlaquo Darin ist zu lesen raquounter Zugrundele-gung eines weiten Sicherheitsbegriffslaquo koumlnnten raquodie Sicher-heitsinteressen fuumlr den Zweck dieser militaumlrpolitischen Lagebe-urteilunglaquo unter anderem wie folgt definiert werden raquoAuf-rechterhaltung des freien Welthandels und des Zuganges zustrategischen Rohstoffenlaquo Von derartigen Aufgaben der Bun-deswehr steht im Grundgesetz kein Wort

Mit dem Streben nach einer Weltpolizisten-Rolle verbindetsich auch der dringende Wunsch nach einem staumlndigen Sitz imSicherheitsrat der Vereinten Nationen Bei Gruumlndung der UN1945 hatten deren Mitglieder den fuumlnf Hauptsiegermaumlchten desZweiten Weltkrieges das Privileg zugesprochen staumlndig imSicherheitsrat vertreten zu sein dessen zehn andere Mitgliederwechselweise gewaumlhlt werden Damit wurde vor allem die Ver-antwortung dieser fuumlnf Staaten anerkannt eine stabile Nach-kriegsordnung zu schaffen und ein Wiederaufleben des deut-schen Militarismus zu verhindern Es mag jetzt Gruumlnde gebendieses Privileg abzuschaffen Das koumlnnte der Demokratisie-rung der Vereinten Nationen dienen Den gegenteiligen Effektaber haumltte es wenn wie Dr Kohl wuumlnscht der UN-Sicherheits-

rat zu einer Art Weltregierung der wirtschaftlich Maumlchtigstengemacht wuumlrde

Laumlngst ist Deutschland Exportweltmeister Je Beschaumlftigtenist die Exportleistung dreimal so hoch wie in den USA oder inJapan Doch das genuumlgt Kohl und seinen Hintermaumlnnern nochnicht Darum bestehen sie darauf daszlig die Sozialpolitik demangeblichen Erfordernis Deutschlands Position in der Welt-wirtschaft zu staumlrken untergeordnet werden muumlsse

Was hilft es der eingangs erwaumlhnten arbeitslos gewordenenalleinerziehenden Mutter Katrin Krause in Halle an der Saaleund ihrem Kind wenn sich die Regierung des Dr Helmut Kohlimstande zeigt trotz gegenteiliger Verfassungsgebote ein Bun-deswehr-Bataillon in Ostafrika zu stationieren Was wuumlrde esdem unter Druck groszliger Konzerne geratenen mittelstaumlndi-schen Unternehmen in Limburg an der Lahn wo Katrin Krau-ses Vetter Norbert um seinen Arbeitsplatz zu fuumlrchten beginntnuumltzen wenn es Kohl und seinem Auszligenminister dem fruumlhe-ren Geheimdienstchef Klaus Kinkel (FDP) gelaumlnge einenstaumlndigen Sitz im UN-Weltsicherheitsrat zu erlangen

Die unsoziale Auspowerung der eigenen Bevoumllkerungangeblich notwendig zur raquoStandortsicherunglaquo kann fruumlheroder spaumlter genau das Gegenteil bewirken Die Wirtschaft kannmit den Mitteln die sie staumlrken sollen ruiniert werden DieUntauglichkeit der von Kohl Lambsdorff Rexrodt Waigel undBluumlm angewendeten Mittel ist in den USA durch Reagan undBush und in Groszligbritannien durch den Thatcherismus laumlngsterwiesen

Wenn immer mehr Menschen arbeitslos sind weil sie fuumlr dieWarenproduktion nicht mehr gebraucht werden wenn zu-gleich Loumlhne und Gehaumllter stagnieren oder real sinken wennSozialabgaben wachsen und Leistungen gekuumlrzt werden dannsinken zwangslaumlufig Kaufkraft und Absatz Wenn zugleich diearmen Laumlnder der Erde auf Grund ungerechter von den rei-chen Laumlndern diktierter Handelsbeziehungen noch aumlrmer wer-den fallen sie als Absatzmaumlrkte aus Die Industrie stoumlszligt da-durch an Expansionsgrenzen Der Konkurrenzkampf wird haumlr-ter Hauptwaffe in diesem Kampf ist die weitere Absenkung der

Kosten sprich Personalabbau Laumlszligt sich so auf die Dauer diedeutsche Wirtschaft staumlrken

Kohl Waigel Rexrodt beklagen in Deutschland werde zuwenig in Forschung Entwicklung und Berufsbildung inve-stiert Aber sie selbst streichen den Forschungshaushalt zusam-men Solche Widerspruumlche mehren sich und werden zu einerakuten Gefahr fuumlr die wirtschaftliche Entwicklung

Jahrelang versprach der Kanzler den Deutschen die Ge-winne von heute seien die Investitionen von morgen und dieArbeitsplaumltze von uumlbermorgen Seine Politik erlaubte den Un-ternehmen wor allem den groszligen Konzernen gewaltige Ge-winnsteigerungen aber von den Gewinnen wurde nur weniginvestiert und die Investitionen dienten hauptsaumlchlich zurWegrationalisierung von Beschaumlftigten Arbeitsplaumltze wurdenso nicht geschaffen sondern vernichtet Und wenn die Massen-kaufkraft weiter sinkt wenn also noch weniger Waren abgesetztwerden koumlnnen als bisher dann werden noch viel mehr Men-schen arbeitslos werden

Das ist es was wir bei einer Fortsetzung der Politik des DrHelmut Kohl zu erwarten haben Und sein WirtschaftsministerRexrodt qualifiziert durch seine Treuhand-Erfahrungen imPlattmachen hat nun tatsaumlchlich eine Idee wie er Arbeitslosig-keit bekaumlmpfen will durch staumlrkere steuerliche Entlastung rei-cher Leute die Dienstmaumldchen einstellen

Was wir zu erwarten haben ist weitere Privatisierung nachdem Programm von Birgit Breuel trotz solcher niederschmet-ternder Erfahrungen wie mit dem raquoGruumlnen Punktlaquo der allePrinzipien des Umweltschutzes verhoumlhnt und die Verbraucherzusaumltzlich belastet Allerletzte Koalitionsabsicht Anfang 1994Privatisierung von Arbeitsaumlmtern

Die Folgen der bisherigen Umverteilung von unten nachoben sind schon schlimm genug als daszlig diese Politik fortge-fuumlhrt werden duumlrfte Nach zwoumllf Jahren Kohl-Regierung ist esin Deutschland dahin gekommen daszlig Hospitaumller Patientenmit schweren Krankheiten ablehnen weil die Behandlung zuteuer waumlre Und dahin daszlig in den Staumldten die Mieten fuumlr Neu-bauwohnungen das heiszligt fuumlr nach 1948 gebaute WohnungenJahr fuumlr Jahr um rund zehn Prozent steigen waumlhrend die Netto-

Einkommen stagnieren oder sinken Und dahin daszlig immermehr Menschen um uumlberhaupt arbeiten zu koumlnnen gering-fuumlgige Beschaumlftigungsverhaumlltnisse ohne Sozialversicherungs-schutz annehmen (was auch die Einnahmen von Krankenkas-sen und Rentenversicherungen mindert)

raquoFuumlr den weiteren Verlauf der neunziger Jahrelaquo heiszligt es imArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB sei raquodavon auszugehen daszlig sich durch die anhaltendeMassenarbeitslosigkeit und die fehlenden beziehungsweiseauslaufenden Mindestsicherungselemente in der Sozialversi-cherung das Problem der arbeitsmarktbedingten Armut imSinne von Sozialhilfebeduumlrftigkeit zu einem sozialpolitischenProblem ersten Ranges entwickeln wirdlaquo

Aber dieser Fortgang der Geschichte ist nicht zwangslaumlufigIhm muszlig Einhalt geboten werden Und das muumlssen wir selbertun

Selbst im schicken Muumlnchen lebten Ende 1993 bereits140 000 Menschen in Armut 50 000 waren arbeitslos 60 000Familien uumlberschuldet 12 000 hatten keine Bleibe 1200 lebtenauf der Straszlige Angesichts solcher Zustaumlnde machte ein erfah-rener Kommunalpolitiker der fruumlhere Muumlnchener Oberbuumlrger-meister Georg Kronawitter (SPD) folgenden Vorschlag Wennsich der Staat endlich entschlieszlige Einkommen aus Arbeit undaus Vermoumlgen gleichwertig zu besteuern koumlnne er von denSuperreichen mit einer 15prozentigen Sondersteuerjaumlhrlich 60Milliarden Mark holen in zehn Jahren also 600 MilliardenMark Das sei ihnen durchaus zuzumuten erklaumlrte Kronawit-ter denn seit 1970 habe sich das Privatvermoumlgen der Westdeut-schen auf 9492 Milliarden Mark versechsfacht Die Haumllftedavon gehoumlre den oberen zehn Prozent der Haushalte Kleineund mittlere Vermoumlgen beispielsweise derjenigen die sich einHaumluschen vom Mund abgespart oder geerbt haben koumlnntenund muumlszligten von der Sondersteuer freigestellt bleiben (raquoDerSpiegellaquo 22 November 1993)

Dieservorschlag bedeutet Umverteilung andersherum vonoben nach unten Darauf kommt es jetzt an Von Kohl und sei-ner Koalition koumlnnen wir eine solche Abkehr von ihrer bisheri-gen Politik nicht erwarten Was wir von anderen Parteien zu

erwarten haben sollten wir deren Kandidaten eingehend fra-gen Und wir sollten sie ebenfalls an ihrem bisherigen Verhal-ten messen

Am Wahltag ist dreierlei noumltig um die Mehrheitsverhaumlltnissein Deutschland zu aumlndern damit Helmut Kohl seine verhaumlng-nisvolle Politik nicht fortsetzen kann

1 Keine Stimme darf dadurch verloren gehen daszlig Wahlbe-rechtigte der Wahl fernbleiben Wer Politik zu raquodooflaquo oder zuraquoschmutziglaquo findet soll wissen daszlig sie erst wirklich aumlrgerlichund schmutzig wird wenn sich die Verantwortlichen nichtselbst darum kuumlmmern Verantwortlich aber ist jeder und jedeWahlberechtigte Das gilt besonders fuumlr die Jungwaumlhler umderen eigene Zukunft es geht

2 Keine Stimme darf einer Partei gegeben werden die nichteindeutig klargestellt hat daszlig sie gegen Kohl und dessen Poli-tik angetreten ist und keinesfalls mit der CDUCSU ein Regie-rungsbuumlndnis eingehen wird

3 Den Rechtsauszligen-Parteien darf es nicht gelingen in denBundestag einzuziehen Wie einst am Ende der WeimarerRepublik wuumlrden sie sich als Trumpf in der Hinterhand desGroszligen Geldes erweisen

Aber die Bundesbuumlrgerinnen und -buumlrger haben noch mehrMoumlglichkeiten als am Wahltag ihre Stimme abzugeben AlsDemokraten koumlnnen und muumlssen sie zum Beispiel den Mundaufmachen wenn in ihrer Gegenwart soziale menschenverach-tende Parolen aufkommen Das heiszligt Zivilcourage beweisenAuszligerdem hat jede und jeder von uns die Moumlglichkeit imBekanntenkreis Informationen weiterzugeben was um sonoumltiger ist wenn aufwendige Propaganda zu vernebeln ver-sucht was der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes bisher ange-richtet hat Nicht zuletzt gilt es in Mieter- und Verbraucherver-baumlnden in Umwelt- und Friedensinitiativen und vor allem inden Gewerkschaften demokratischen Widerstand gegen ruumlck-sichtslose Ausbeutung und Entrechtung zu leisten

Solche Moumlglichkeiten gibt es nicht nur einmal alle vier Jahresondern jeden Tag

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Ein deutsches GeschichtsbuchErster Teil

464 Seiten stb 24 NeuausgabeDM

Wir Untertanen ist Engelmanns kritischezutiefst demokratische Darstellung einesJahrtausends deutscher VergangenheitEngelmann schreibt Geschichte vonunten steht auf der Seite des Volkesnimmt dessen Perspektive ein wenn esum die groszligen Maumlnner und ihre ver-meintlich groszligen Taten geht die immermit dem Schweiszlig und dem Blut der

Namenlosen errungen wurden

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In diesem Buch behandelt Bernt Engel-mann die Jahre zwischen 1918 und 1938

in denen mehr Legenden und Luumlgenverbreitet wurden als je zuvor in einemvergleichbaren Zeitraum raquoim Feldeunbesiegtlaquo raquoKriegsschuldluumlgelaquo raquoSchand-

von Versailleslaquo raquoJudenrepubliklaquoraquoVolk ohne Raumlaquo Engelmann ver-gleicht die Legenden mit dem wasdamals wirklich geschah und entziehtdamit auch den neuen Rechten denBoden fuumlr ihre altbekannten Helden-

denkmaler

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Wie Reichtum vertuschtund Armut verdrangt wird

240 Seiten gebunden DM 3400

Die Zahl der Arbeitslosen Sozialhilfe-empfaumlnger und Obdachlosen steigtGleichzeitig gibt es immer mehr Reicheund Superreiche In Krisenzeiten mah-nen die politischen und wirtschaftlichenEliten Kuumlrzungen zuallererst bei denkleinen Leuten an Politiker mit fuumlrst-licher Altersversorgung predigen dieAbsenkung des Rentenniveaus gutge-hende Unternehmen Lohnsenkung undArbeitsplatzabbau alte und neue Reichedie Abschaffung der VermoumlgenssteuerDorothee Beck und Hartmut Meine nen-nen Namen und Zahlen Wer sind diefuumlnfzig reichsten Familien in Deutsch-land Was koumlnnen sich Arbeitslose undSozialhilfeempfaumlnger heute noch lei-sten Und sie stellen sich die Frage wieeine Reformperspektive aussehen kanndie wieder mehr Verteilungsgerechtig-keit und sozialen Ausgleich zum Ziel hat

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Page 3: Bernt Engelmann,

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Copyright fuumlr diese AusgabeSteidlVerlag Goumlttingen 1998Alle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung Klaus DetjenUnterverwendung einer Collage von (Stern)Satz Druck BindungSteidl Duumlstere Straszlige 4 D-37073 GoumlttingenGedruckt auf Oumlko 2001 RC-Papierzur oumlkologischen Buchherstellung(80 Prozent Altpapier 20 Prozent Durchforstungsholzaus nachhaltiger Forstwirtschaftohne Faumlrbung ohne optische Aufheller)Printed in GermanyISBN 3-88243-570-4

Inhalt

Vorwort von Klaus Staeck

Editorische Notiz

Was ist raquoGroszliges Geldlaquo

Die Weichenstellung fuumlr den AufstiegHelmut Kohls

Kurzer Ausflug in die deutsche Geschichte

Mittelfristige Planung eines Kanzlerwechsels

Flick Musterbeispiel fuumlr den Miszligbrauchwirtschaftlicher Macht

Die seltsamen Vorspiele der raquogeistig-moralischen

Warum das Groszligkapital Helmut Kohl finanziertund was es dafuumlr gleich von ihm bekommen hat

Wie mit Kohls Hilfe die Reichen immer reicherund die Armen immer aumlrmer werden 102

raquoDer Kanzler der nationalen EinheitlaquoDer Kanzler der sozialen Spaltung 109

Was wir von Kohl noch alles zu erwarten habenund wie wir es verhindern koumlnnen 127

Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnot reglaquomiddotsup2 middotraquoregnot der Untertitel zur ersten Auflagevon Bernt Engelmanns Iacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 mag einigen Lesernzunaumlchst als reichlich uumlbertrieben vorgekommen sein Inzwi-schen ist diese Behauptung laumlngst zur bitteren Realitaumlt gewor-den Im Sinne von Engelmanns Anklage war Helmut Kohl alsKanzler ungewoumlhnlich erfolgreich Bund Laumlnder und Kommu-nen verhoumlkern inzwischen alles was Aussicht hat einenAbnehmer zu finden Laumlngst ist bei den Notverkaumlufen dassprichwoumlrtliche Tafelsilber an der Reihe Was oft genug Genera-tionen vor uns uumlber Steuern Schenkungen und Vererbung zuoumlffentlichem Eigentum anwachsen lieszligen wird jetzt hem-mungslos unter dem harmlos klingenden Begriff raquoPrivatisie-runglaquo zum Zwecke der Schuldentilgung verschleudert Inzwi-schen hat diese Auszehrung des Staates eine derartige Dyna-mik erreicht daszlig die Gestaltungsmoumlglichkeiten der nach unskommenden Generationen gegen Null tendieren Neben einerzerstoumlrten Umwelt werden unsere Schulden sie noch lange anuns erinnern

Ein von der Regierung Kohl gewollt ungerecht gestaltetesSteuersystem sorgt mit dafuumlr daszlig unser demokratischesGemeinwesen immer schneller einem Staatsbankrott entge-gentreibt Stuumlnde Kanzler Kohl an der Spitze eines normalenHandelsunternehmens liefe er Gefahr sich wegen Konkurs-verschleppung strafbar zu machen

Dem Sprecher des Finanzamtes der Taunusgemeinde BadHomburg einem Ort an dem sich besonders viele Millionaumlrebesonders wohl fuumlhlen verdanken wir jetzt die Veroumlffent-lichung einer besonders deprimierenden Bilanz Konnte dieGemeinde 1990 Einkommensteuern in Houmlhe von 439 Millio-nen Mark verbuchen muszligte sie im Jahre 1996 an die Reichendes Ortes noch 3 Millionen auszahlen Anderes Beispiel

Zahlte die weltweit uumlberaus erfolgreich agierende Siemens AGnoch 371 Millionen Mark Gewinnsteuern bekam der

Fiskus keine Mark mehr Und das alles ganz legalunter der Obhut einer Regierung die zwar ein immer lauteresLamento uumlber die leider so leeren Kassen des Staates an-stimmt aber nichts unternimmt um die Uumlberschuldung wenig-stens in Grenzen zu halten Im Gegenteil Die Superreichender Republik die sich ihren gesellschaftlichen Verpflichtungenimmer haumlufiger und immer geschickter entziehen werdenhofiert und umworben waumlhrend ganze Bevoumllkerungsschichtensich in ihrer Existenz unmittelbar bedroht fuumlhlen und der Mit-telstand jener oft unterschaumltzte Kitt einer demokratisch funk-tionierenden Gesellschaft an akuter Schwindsucht leidet

All das geschieht unter Assistenz einer kleinen Klientelpar-tei namens FDP die sich konsequent nach der MethoderaquoNehmt was ihr kriegen koumlnntlaquo von einer Partei der Besserver-dienenden zum Anwalt der Besserkassierenden entwickelt hatObwohl politisch seit geraumer Zeit nichts mehr geht klam-mern sich die Regierungskoalitionaumlre mit der Verzweiflungangeschlagener Boxer an die verbliebene Macht auf die Ver-geszliglichkeit und Resignation des muumlde gewordenen Wahlvol-kes vertrauend

Bernt Engelmann hat das System Kohl schon fruumlh praumlziseanalysiert und in seinen Konsequenzen uumlberzeugend darge-stellt Deshalb ist die Neuauflage seines anlaumlszliglich des Bundes-tagswahlkampfes 1994 erschienenen Buches von bedruumlckenderAktualitaumlt Moumlgen auch wenige Zahlen inzwischen uumlberholtsein so hat Engelmanns Beschreibung einer verhaumlngnisvollenPolitik der nun schon ganze 15 Jahre waumlhrenden Aumlra Kohlnichts an Wirksamkeit eingebuumlszligt Andeutungen sind dagegeninzwischen zur Gewiszligheit geworden Warnungen von der Wirk-lichkeit eingeholt

Engelmann weist in seinem Schwarzbuch nach daszlig derScherbenhaufen Kohlscher Politik nicht der in langen Amtsjah-ren schicksalhaften Haumlufung widriger Umstaumlnde geschuldet istsondern Folge einer systematisch betriebenen Interessenpoli-tik zugunsten der Reichen und zum Nachteil der immer groumlszligerwerdenden Schar Armer und Beduumlrftiger Als Ergebnis dieser

gezielt betriebenen Umverteilung ist die Masse des Geldesendguumlltig wieder bei denen gelandet die schon immer den laut-staumlrksten Anspruch darauf erhoben haben

Bernt Engelmann war stets ein kritischer Begleiter seinerZeit gepraumlgt von historischem Bewuszligtsein Vor allem durchseinen an deutscher Geschichte geschulten Blick hat er stetsaufs Neue das Leben der Leute unten beschrieben und sich sozum Sprachrohr und Anwalt jener gemacht die nicht gelernthaben sich auszudruumlcken und fuumlr ihre Rechte zu kaumlmpfenEngelmann hat durch seine Recherche sehr fruumlh erkannt daszligdas Prinzip der Regierung Kohl auf die Verarmung des Staateshinauslaumluft mit all den Folgen die wir jetzt landauf landabbeklagen Wenn sich inzwischen Vorstaumlnde von Konzernen aufAktionaumlrsversammlungen oumlffentlich bruumlsten trotz hoher Ge-winne in Deutschland keine Steuern mehr zu zahlen ist energi-sche Gegenwehr an der Zeit soweit man unsere Demokratienoch als beste aller Staatsformen und verteidigungswertes Gutbetrachtet

Wenn sich allerdings das notwendige Vertrauen der Buumlrgerdessen jede Regierung bedarf inzwischen nur noch aus der Lei-besfuumllle des Kanzlers und seinem schon ans Wahnhafte gren-zenden Optimismus speist der eine Niederlage nach der ande-ren zu immer neuen Erfolgen umluumlgt ist es um die Politik inunserem Lande miserabel bestellt Und als habe er nicht selbstall die Jahre die Richtlinien der Politik am Standort Deutsch-land bestimmt mahnt er mit einem sich steigernden Brusttonder Empoumlrung die Beseitigung all jener Miszligstaumlnde an fuumlrderen Entstehung er selbst die Verantwortung traumlgt

Bernt Engelmann hat das Ende der Kohl-Zeit nicht mehrerlebt Wir sind verpflichtet diesen laumlhmenden Zustand inden unser Land dank einer unbarmherzigen Politik geraten istmoumlglichst bald zu beenden Kohl hat seine Zeit gehabt ZurAbwendung des Anschluszligkonkurses ist die Auswechslung desGeschaumlftsfuumlhrers zu einer Uumlberlebensfrage im raquoFreizeitparkDeutschlandlaquo geworden

Klaus Staeck

Bernt Engelmann hat die Arbeit am Schwarzbuch 1994 unmit-telbar vor seinem Tod beendet Der Verlag hat sich entschlos-sen das Buch 1998 vier Jahre spaumlter erneut aufzulegen weilKohl seirsquos geklagt der Text nichts an seiner bedruumlckendenAktualitaumlt eingebuumlszligt hat Im Gegenteil Was sich 1994 noch alsgewagte Prognose als provokanter Beitrag zur Bundestagswahlauffassen lieszlig sieht sich nun taumlglich in den Wirtschaftsteilender Zeitungen bestaumltigt So hatte es Engelmann nun auch nichtgemeint als er dem Buch den Untertitel Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnotreglaquomiddotsup2 middotraquoregnot gab die CDUFDP-Koalition gleichwohl Denn dieUmverteilung von unten nach oben die Konservative undLiberale im letzten Wahlkampf zu ihrem Programm machtenhaben sie in der zuruumlckliegenden Legislaturperiode mit bestenKraumlften angepackt Wer heute sagt er habe es damals nichtgewuszligt habe es nicht wissen koumlnnen der lese EngelmannsIacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 -und vermag dann auch zu erahnen was die naumlch-sten vier Jahre bringen koumlnnen wenn sich das Wahlvolk erneutverkohlen laumlszligt

Die in diesem Buch angegebenen Zahlen sind nicht aktuali-siert worden mit Ausnahme der Liste der reichsten Deut-schen die auf einer Zusammenstellung von Dorothee Beckund Hartmut Meine beruht veroumlffentlicht in dem Band

laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoregocirc der im Herbst 1997 im Steidl Verlagerschienen ist Dort findet sich das derzeit aktuellste undumfangreichste Zahlenmaterial zur Verteilung des Reichtumsin der Bundesrepublik

Die Deutschen gelten als reich reicher als ihre Nachbarn vondenen allenfalls die Schweizer sich mit ihnen messen koumlnnenund erst recht im internationalen Vergleich Wie enorm derWohlstand in den alten und neuen Laumlndern ist (oder zu seinscheint) zeigt die amtliche Statistik

Das Geldvermoumlgen der privaten Haushalte (ohne derenHaus- und Grundbesitz Wertsachen und sonstige Vermoumlgens-werte) erbrachte ihnen 1992 etwas mehr als 200 Milliarden DMan Zinsen und Dividenden Das sind grob gerechnet 2500DM jaumlhrliche Einnahmen aus angelegtem Geldvermoumlgen fuumlrjede und jeden im vereinten Deutschland ob Saumlugling oderGreis Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt Ehepaarmit zwei Kindern -hat also laut Statistik zusaumltzliche Jahresein-kuumlnfte von 10000 DM (und im Hintergrund eine angelegteGeldreserve von 180000 bis 200000 DM die diese Zinsenerbringt) ein schoumlnes Zubrot beispielsweise fuumlr einen jun-gen Familienvater der als Beamter mit 1850 DM netto imMonat die Wohnungsmiete in einer Groszligstadt aufbringen undalle Ausgaben der vierkoumlpfigen Familie bestreiten muszlig

Nun wissen wir allerdings daszlig solch ein dem statistischenDurchschnitt genau entsprechender Fall in der Praxis nur ganzselten vorkommt Die allermeisten Arbeitnehmerfamilienhaben naumlmlich keine sechsstelligen Geldreserven und wennbei ihnen von Zinsen die Rede ist so handelt es sich in derRegel um solche die sie fuumlr aufgenommene Kleinkredite undDarlehen seufzend zu zahlen haben

Die Statistik luumlgt dennoch nicht sie wirft nur Arm und Reichin einen Topf Schon ein einziger Bewohner eines Mietshausesvielleicht dessen Eigentuumlmer der uumlber zwei Millionen DMGeldvermoumlgen verfuumlgt schafft im Verein mit den uumlbrigenHausbewohnern einem Dutzend Familien von Habenichtsen

jenen truumlgerischen statistischen Durchschnitt der uns einenallgemeinen Wohlstand vorgaukelt

Wenn wir uns daruumlber im Klaren sind kann uns auch ein wei-teres statistisches Ergebnis nicht mehr taumluschen naumlmlich daszligsich die Ertraumlge der privaten Geldvermoumlgen der Deutschen imLaufe des letzten Jahrzehnts nahezu verdreifacht haben Diesefuumlr uns scheinbar so erfreuliche Tatsache sagt uumlber die Vertei-lung des so stark vermehrten Wohlstands gar nichts aus Siekann beispielsweise bedeuten daszlig nur die ohnehin sehr Wohl-habenden noch um vieles reicher geworden sind die groszligeMehrheit der Unbemittelten aber unveraumlndert arm gebliebenund noch um einige soziale Absteiger vermehrt worden ist Ge-nau dieser Fall ist wie wir noch sehen werden tatsaumlchlich ein-getreten Profitiert von dieser Entwicklung haben im wesentli-chen nur die Herren des Groszligen Geldes

Was ist das eigentlich das raquoGroszlige GeldlaquoDie allermeisten Deutschen gleich ob in Ost oder West

haben davon keine oder nur eine ganz blasse Ahnung JedesMultimillionenvermoumlgen gilt ihnen schon als raquoGroszliges GeldlaquoUnd wenn sie selbst einmal im Lotto gewinnen sollten sagenwir knapp sechs Millionen DM steuerfrei - dann ist das nachMeinung der Freunde und Nachbarn und wohl auch nach ihrereigenen Einschaumltzung bereits das Groszlige Geld

Stellen wir uns nun einmal vor der oder die Gluumlckliche laumlszligtsich den ganzen Lottogewinn bar auszahlen dicke Packen vondruckfrischen Tausendern dazu noch etliche Buumlndel von200- und 100-DM-Scheinen saumluberlich aufgestapelt wobei einMeter Houmlhe jeweils genau einer Million DM entspricht derLottogewinn von knapp sechs Millionen Mark als Banknoten-stapel also vom Fuszligboden bis fast zur Decke der sechs Meterhohen Schalterhalle reicht

Doch so eindrucksvoll der Anblick dieses hohen Stapels auchsein mag als das raquoGroszlige Geldlaquo kann der Banknoten-Turm nochlaumlngst nicht gelten Unsere wirklichen Superreichen koumlnntensolche Vorstellung nur mitleidig belaumlcheln die Dimension die-ses scheinbaren Reichtums waumlre ihnen gar zu winzig

Als das amerikanische laumlngst auch hierzulande in deut-scher Sprache erscheinende Wirtschaftsmagazin raquoForbeslaquo im

Sommer 1990 die 400 reichsten deutschen Unternehmer vor-stellte da gab sich das Blatt mit gewoumlhnlichen Multimillionauml-ren gar nicht erst ab raquoForbeslaquo begann seine Aufzaumlhlung erst imraquoMultimegalaquo-Bereich also bei den mehr als hundertfachenDM-Millionaumlren

Die Summe der Vermoumlgen aller 400 Personen oder Familiendie raquoForbeslaquo vorstellte belief sich damals im Sommer 1990auf rund 200 Milliarden DM das Doppelte dessen was dieRegierung Kohl an Staatsanleihe aufzunehmen gedachte undfuumlr ausreichend hielt die ruinierte Wirtschaft der gerade verein-nahmten DDR zu sanieren und wieder in Schwung zu brin-gen Anders ausgedruumlckt Schon die Haumllfte des Vermoumlgensder 400 reichsten Westdeutschen haumltte nach offizieller Mei-nung gereicht fuumlr uumlber 16 Millionen raquoBruumlder und Schwesterndruumlbenlaquo gesunde wirtschaftliche Verhaumlltnisse zu schaffen

400 Privatvermoumlgen von zusammen 200 Milliarden DMergeben einen durchschnittlichen Reichtum der von raquoForbes1990 vorgestellten westdeutschen raquoSpitzenklasselaquo von je 500Millionen DM Stapelte man diese Summe nach Art des Lotto-gewinns in Banknoten waumlre ein solcher Bargeldturm 500Meter hoch mehr als dreimal so hoch wie der Koumllner Dom

Indessen gab es schon vor vier Jahren als das Wirtschaftsma-gazin die Superreichen der BRD vorzustellen begann nichtwenige deutsche Multimilliardaumlre die ihr Geld houmlher haumlttenstapeln koumlnnen als die Zugspitze (2 963 Meter) houmlher noch alsdas Gipfelkreuz des Mont Blanc (4 810 Meter) ja die mit ihremgebuumlndelten Baren sogar den Mount Everest (8 848 Meter)uumlberragt haumltten Von solchen gewaltigen Houmlhen aus betrachtetsind die Banknotenstapel der Lottogewinner aber auch die derzehn- zwoumllf- oder auch 25fachen Multimillionaumlre eine mit blo-szligem Auge gar nicht mehr wahrnehmbare Bagatelle und damitsollte nun auch klar sein was Geldlaquo wirklich bedeutet

Uumlbrigens seit 1990 sind die Kassen von Bund Laumlndern undGemeinden immer leerer geworden eine Schuldenlast vonastronomischer Houmlhe zwingt die oumlffentlichen Haumlnde zu rigo-rosen Sparmaszlignahmen und der Konjunktureinbruch der zuverzeichnen war (und noch ist) hat fuumlr Millionen Deutscheerhebliche Einkommenseinbuszligen mit sich gebracht (wovon im

einzelnen noch ausfuumlhrlich die Rede sein wird) Der Super-reichtum indessen hat keineswegs gelitten im Gegenteil

Das Groszlige Geld in den Haumlnden einiger deutscher Multimil-liardaumlre hat sich seit 1990 weiter kraumlftig vermehrt Hier nur einBeispiel Deutschlands Reichster der der breiten Oumlffentlich-keit nahezu unbekannte Erivan Haub aus MuumllheimRuhr (Ten-gelmann Kaiserrsquos Plus KD und nicht zuletzt was hierzu-lande nur Preiswert zu bedeuten scheint jedochzugleich die konzerneigene groumlszligte Einzelhandelskette derUSA Atlantic kennzeichnet) wurde im Sommer1990 auf deutlich uumlber sechs Milliarden DM Vermoumlgen taxiertdrei Jahre spaumlter im Sommer 1993 aber bereits auf mehr alszehn Milliarden DM Und so wie bei Haub ist es auch bei denzwei Dutzend anderen Deutschen die 1993 in die raquoForbeslaquo-Liste der raquoHundert Reichsten der Weltlaquo aufgenommen wur-den Ihre gigantischen Vermoumlgen sind in den Rezessionsjahrennicht kleiner sondern noch betraumlchtlich groumlszliger geworden(Eine Liste dieser deutschen Multimilliardaumlre findet sich aufden folgenden Seiten)

Wollten wir die Vermoumlgen der in den internationalen Spit-zenreichtum aufgestiegenen Deutschen durch gewaltige Bar-geldstapel (1 Meter = 1 Million DM) anschaulich machen sohaumltten wir ein Hochgebirgspanorama vergleichbar mit demHimalaya wobei der niedrigste Gipfel 3 400 Meter hoch diedrei houmlchsten gar Zehntausender waumlren houmlher als der houmlchsteBerg unserer Erde

Nachdem wir mit Hilfe dieser in Wirklichkeit ja niemalsvorkommenden gigantischen Banknotentuumlrme eine unge-

vom Groszligen Geld bekommen haben kehrenwir zuruumlck auf den Boden der Tatsachen beispielsweise derBonner Politik Da stellt sich dann heraus daszlig die erdachtenBargeldstapel als Ausdruck der Macht des Groszligen Geldes garnicht so unrealistisch sind wie man meinen koumlnnte

Mitunter nehmen naumlmlich auch bundesdeutsche Superrei-che statt ihres Scheckbuchs Bargeldstapel vorzugsweise solchevon druckfrischen Tausendern stecken davon einige Buumlndel inneutrale Umschlaumlge und uumlberreichen diese dann dem einenoder anderen ihrer Bekannten als Geschenk

Curt Engelhornund Familie Mrd DM

Familie Quandt Beteiligungen Mrd DM

Theo undKarl Albrecht Einzelhandel Mrd DM

Familie Haniel

Familie Merck

Handel Mrd DM

ChemiePharma Mrd DM

Familie Henkel Chemie Mrd DM

Erivan Haubund Familie Einzelhandel Mrd DM

Otto Beisheim GroszlighandelBeteiligungen Mrd DM

Familie Boehringer ChemiePharma Mrd DM

Friedrich Karl Flick jr Beteiligungen Mrd DM

Michael Ottound Familie Versandhandel 765 Mrd DM

FamilieSchmidt-Kuthenbeck Groszlighandel Mrd DM

Rolf Gerling Versicherungen Mrd DM

Familie Schickedanz Versandhandel Mrd DM

Natuumlrlich geschieht dies nicht in aller Oumlffentlichkeit wo-moumlglich vor laufenden Fernsehkameras vielmehr sehr diskretund stets handelt es sich bei den von Superreichen mit solchenGeldgeschenken groszligzuumlgig Bedachten um einfluszligreiche Politi-ker die zwar sehr uumlppige regulaumlre Einkuumlnfte haben aber trotz-dem immer Geld brauchen weil sie kostspielige Wahlkaumlmpfezu fuumlhren haben und fuumlrchten muumlssen nicht wiedergewaumlhlt zuwerden wenn ihnen das Geld ausgeht

Von diesen unterstuumltzungsbeduumlrftigen Politikern erwartendie superreichen Spender der gebuumlndelten Tausendmarkschei-ne dann ihrerseits allerlei Gefaumllligkeiten und diese werdenihnen in aller Regel auch schon bald nach der Gelduumlbergabevon den dankbaren Politikern erwiesen

Indessen sind solche fuumlr die Spender belanglos winzigenfuumlr die Empfaumlnger sehr stattlichen und hochwillkommenenGeldgeschenke meist in Raten von 50000 bis 250000 DMund die im Gegenzug erwiesenen Gefaumllligkeiten beileibe nichtals kriminelle Vergehen etwa als aktive und passive Beste-chung im Sinne der Paragraphen 331 ff des Strafgesetzbuchesgedacht oder zu verstehen Dergleichen kommt nur in wenigerreichen und weniger maumlchtigen Kreisen mitunter vor und wirdwenn es ruchbar wird sehr streng bestraft

Ganz anders liegt der Fall bei uumlppigen Geldgeschenken vonSuperreichen an Mitglieder des Bundeskabinetts und Vorsit-zende von Koalitionsparteien

Erstens wuumlrden bundesdeutsche Multimillionaumlre niemalsgegen Gesetze und Vorschriften verstoszligen wollen Sie wuumln-schen sich vielmehr eine Anpassung der Gesetze und Ausfuumlh-rungsbestimmungen an ihre auf groszlige Gewinne gerichtetenPlaumlne Der eine will beispielsweise ein Gesetz das inlaumlndischeVerkaufserloumlse die er in den USA profitabel anlegen will vonetlichen hundert Millionen Mark Steuern befreit Der andereverlangt eine Lockerung von Umweltschutzbestimmungenwodurch ihm enorme Ausgaben fuumlr die Umruumlstung von Che-mie-werken und Papierfabriken erspart werden Ein Dritterwuumlnscht die Streichung einiger zwar gesundheitsschaumldlicheraber sehr gut verkaumluflicher Chemikalien von einer Verbotslisteund alle gemeinsam fordern die Aumlnderung eines Paragraphen

der bislang die Beschaumlftigten eines indirekt durch Streikgelaumlhmten Werks beguumlnstigt hat also lauter fuumlr Superreicheganz natuumlrliche Verlangen die ihren Interessen dienen undihren Profit steigern so daszlig es nur gilt die Gesetze und Vor-schriften den Beduumlrfnissen des Groszligen Geldes entsprechendabzuaumlndern damit alles ganz legal vor sich gehen kann

Zweitens aber sind die Zuwendungen die die Superreichenden an der Gesetzgebung maszliggeblich beteiligten Politikernmachen (oder machen lassen) so geringfuumlgig im Vergleich zuden enormen Vorteilen die sie sich damit verschaffen daszlig keinbundesdeutscher Staatsanwalt sie als strafrechtlich relevantansehen koumlnnte

Wenn beispielsweise ein Multimilliardaumlr wie Herr Flick zurErlangung von etlichen hundert Millionen Mark Steuererspar-nis nur lumpige zwei drei Millionen an diverse Spitzenpoli-tiker verteilt hat weniger als ein Prozent des Gewinns - sovermochte keiner der Beteiligten darin etwas Unrechtes zuerkennen raquoJede Sparkasse verschenkt doch Pfennigartikel wieKugelschreiber oder Wandkalender selbst an Kunden die nurein paar Mark an jaumlhrlichen Kontogebuumlhren einbringenlaquo mein-te einer der Flick-Bediensteten treuherzig

Doch mit der Erwaumlhnung einer der vielen Flick-Millionen-spenden sind wir schon mitten in der Praxis des Bonner Alltagsund koumlnnen die theoretischen Erwaumlgungen abschlieszligen Dennnun sollte jeder und jedem klar sein was Groszliges Geld ist undwelche Macht damit ausgeuumlbt wird

Gewiszlig laut Verfassung wird der die Richtlinien der Politikbestimmende Kanzler von der Bundestagsmehrheit gewaumlhltund uumlber deren Zusammensetzung entscheiden die Waumlhlerin-nen und Waumlhler in allgemeiner gleicher direkter und gehei-mer Wahl So bestimmt es das Grundgesetz in dessen Artikel20 Absatz 2 es folgerichtig heiszligt raquoAlle Staatsgewalt geht vomVolke auslaquo

Doch das war nicht immer so (wie das Kapitel raquoKurzerflug in die deutsche Geschichtelaquo es noch naumlher beschreibenwird) Hier soll es genuumlgen daran zu erinnern daszlig noch bis vorwenig mehr als 75 Jahren im groumlszligten Teil Deutschlands dassogenannte Dreiklassenwahlrecht galt bei dem es die Superrei-

chen weitaus bequemer hatten Es gab einigen wenigen Multi-millionaumlren ebenso viele Stimmen wie Zigtausenden von Nor-malverdienern und es entrechtete die Armen voumlllig ebensoalle Frauen und Jugendlichen Kurz die Superreichen brauch-ten keine Abgeordneten zu bestechen sondern bestimmtenselbst die Mehrheitsverhaumlltnisse

Dieser fuumlr das Groszlige Geld so angenehme Zustand endete1918 als das vom raquoEisernen Kanzlerlaquo Bismarck geschaffeneKaiserreich ruhmlos unterging

Indessen ging nur der Kaiser die Superreichen bliebenunter ihnen auch die Familie der Fuumlrsten Bismarck und dieHohenzollernprinzen als neu hinzugekommener Kriegsge-winnler des Ersten Weltkriegs auch Friedrich Flick Sie alle(oder ihre Erben) brachten ihre riesigen Vermoumlgen sicher durchdie Nachkriegswirren und die totale Geldentwertung die dendeutschen Mittelstand verarmen lieszlig und fanden neue Wegeder Machtausuumlbung zwecks weiterer Vermehrung ihres Reich-tums

Sie uumlberstanden die vierzehn Jahre der Weimarer Republikwurden in den folgenden zwoumllf Jahren der Nazi-Diktatur unddes Zweiten Weltkriegs noch um vieles reicher vor allemdurch Ruumlstungsauftraumlge Ausbeutung von Millionen Sklaven-arbeitern Pluumlnderung der eroberten Gebiete und raquoArisierunglaquojuumldischen Vermoumlgens und hatten auch nach der vollstaumlndigenNiederlage der groszligdeutschen Wehrmacht und dem Untergangder Hitler-Diktatur in den westlichen Besatzungszonen derspaumlteren Bundesrepublik keinen Grund zur Klage Das GroszligeGeld blieb unangetastet kam sicher durch die Krisenjahre derersten Nachkriegszeit wurde von der Waumlhrungsreform ver-schont und vermehrte sich dann geradezu explosionsartig alsdas raquoWirtschaftswunderlaquo einsetzte

Zwanzig Jahre lang wurde die Bundesrepublik im Zeichendes Kalten Krieges und der massiven Aufruumlstung von konserva-tiven Kanzlern regiert und zu einem Paradies der Superreichendie sich fuumlr Groszligverdiener maszliggeschneiderte Gesetze undSteuergeschenke noch und noch machen lieszligen und ihrerseitsden sie so gut bedienenden Politikern die Wahlkaumlmpfe finan-zierten

Ende der sechziger Jahre kam endlich ein Umschwung DieStudenten rebellierten gegen das konservative Establishmentgegen die von der Springer-Presse betriebene Volksverdum-mung gegen die zutiefst unmoralische undemokratische undunsoziale Herrschaft des Groszligen Geldes Mit Willy Brandtkam erstmals ein Kanzler ans Ruder der das Eis des KaltenKrieges zu brechen begann eine Friedenspolitik einleitete undein inneres Reformwerk in Gang setzte Seine ParoleDemokratie wagenlaquo fand groszligen Widerhall

Indessen sorgte der kleine Koalitionspartner des Bundes-kanzlers Willy Brandt (SPD) die FDP stets dafuumlr daszlig dieBaumlume nicht in den Himmel wuchsen sprich daszlig die Politikden Interessen des Groszligen Geldes nicht abtraumlglich war unddennoch betrieben damals rechtskonservative Kreise der Wirt-schaft bereits wenn auch zunaumlchst vergeblich den Sturz WillyBrandts indem sie Abgeordnete der Koalition mit betraumlchtli-chen Summen zum Abfall vom sozialliberalen Regierungslagerbewogen

Die damaligen Vorgaumlnge sind geradezu ein Musterbeispielfuumlr das direkte Einwirken des Groszligen Geldes auf die BonnerPolitik und deshalb seien sie zum besseren Verstaumlndnis dergegenwaumlrtigen Verhaumlltnisse im folgenden Kapitel kurz be-schrieben

Nichts zeigt deutlicher wie hohl Helmut Kohls staumlndig imMunde gefuumlhrte Phrase von der raquogeistig-moralischen Wendelaquoin Wahrheit ist als das Vorgehen seiner engsten Freunde undFoumlrderer (und sein eigenes Verhalten) im Fruumlhjahr 1972 alsschon die Weichen fuumlr den Aufstieg des raquoSchwarzen Riesenlaquoins Kanzleramt von den Repraumlsentanten des Groszligen Geldesgestellt wurden

In den spaumlten 1960er und fruumlhen siebziger Jahren war imWesten Deutschlands viel die Rede von raquomehr Mitbestim-munglaquo Genauer Alle Groszligunternehmen sollten nicht alleinvon den Kapitalgebern sondern im gleichen Umfang also pari-taumltisch auch von den Arbeitern und Angestellten in ihrergesamten Unternehmenspolitik bestimmt werden so wie esim Montanbereich bei Kohle und Stahl von der britischenBesatzungsmacht eingefuumlhrt worden war und sich glaumlnzendbewaumlhrt hatte

Allerdings waren den seit 1969 in Bonn regierenden Sozial-demokraten in dieser Frage die Haumlnde gebunden ihr Koaliti-onspartner die FDP hatte sich ausbedungen das ThemaraquoMitbestimmunglaquo fuumlr die Dauer des Regierungsbuumlndnissesraquoauszuklammernlaquo Um so intensiver nahmen sich die nun inder Opposition stehenden Christdemokraten der gewerkschaft-lichen Forderung an zumindest ihr damals starker raquolinkerlaquo Fluuml-gel unter Fuumlhrung von Norbert Bluumlm Gemeinsam mit demaufstrebenden Helmut Kohl damals schon Ministerpraumlsidentin Rheinland-Pfalz erarbeitete Bluumlm einen Mitbestimmungs-Entwurf fuumlr das CDU-Parteiprogramm der dann auf heftigenWiderstand der Herren des Groszligen Geldes stieszlig Der CSU-Schatzmeister und Mitgesellschafter des Flick-Konzerns DrWolfgang Pohle sah in dem BluumlmKohl-Entwurf bereits raquodieGrenzen zur Planwirtschaft gefaumlhrlich verwischtlaquo der dama-lige IIenkel-Konzernmanager Kurt Biedenkopf stieszlig ins selbeHorn und CDU-Rechtsauszligen Alfred Dregger sah schon denraquoKommunismus durch die Hintertuumlrlaquo in die Groszligunternehmendringen

Dennoch gab man dem BluumlmKohl-Entwurf reelle Chan-cen auf dem CDU-Parteitag vom Januar 1971 eine Mehrheit zuerhalten und ins Wahlprogramm der Union aufgenommen zu

werden zumal auch der damalige CDU-Vorsitzende RainerBarzel Mitbestimmungs-Sympathien zu hegen schien

Aber dann kam alles ganz anders Nachdem Kohl von einemFlick-Vertrauensmann dem Daimler-Personalchef Dr HannsMartin Schleyer aufgesucht und ins Gebet genommen wordenwar machte er sich daran ein raquoKompromiszlig-Papierlaquo zu entwer-fen Kohls neuer Entwurf sicherte dem Kapital die Herschaftraumlumte aber den Arbeitnehmern gewisse Mitwirkungsrechteein Es lohnt indessen nicht die Einzelheiten zu schildernDenn kaum war der urspruumlngliche BluumlmKohl-Entwurf aufdem Parteitag erwartungsgemaumlszlig gescheitert weil sich herum-gesprochen hatte daszlig Kohls allgemeine Zustim-mung linden wuumlrde da erwies es sich daszlig nicht einmal Hel-mut Kohl selbst fuumlr seinen eigenen Plan einzutreten bereit warEr empfahl statt dessen einen Entwurf der Industrie undstimmte fuumlr diesen

Damit hatte Helmut Kohl -vom Standpunkt der Herren desGroszligen Geldes gesehen seine Bewaumlhrungsprobe bestandenauch wenn er dann bei der Kandidatur fuumlr den CDU-Parteivor-sitz gegen Rainer Barzel ein letztes Mal unterlag Der erbosteNorbert Bluumlm aber lieszlig sich vor der Presse zu der Aumluszligerunghinreiszligen raquoWir sind eben doch eine Unternehmerparteilaquo

Rainer Barzel erkannte nun in Helmut Kohl seinenlichsten Rivalen den es abzuschuumltteln galt So wagte er imFruumlhjahr 1972 den Versuch Kanzler Willy Brandt durch ein kon-struktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzen

Der kuumlhne Versuch anstelle von Brandt Kanzler zu werdenund damit jede innerparteiliche Konkurrenz auszustechen miszlig-lang und uumlberdies verlor die von Barzel gefuumlhrte Union auchdie Bundestagswahl vom November 1972 Der raquogluumlckloselaquozel den seine Partei und deren Geldgeber daraufhin gern kalt-gestellt haumltten war aber keineswegs bereit freiwillig einem an-deren Platz zu machen und er hielt auch noch einige Truumlmpfebereit die er auszuspielen drohte falls man versuchen wuumlrdeihn beiseite zu schieben Seine Drohungen zeigten erheblicheWirkung und nun war guter Rat wirklich sehr teuer

Es begann was in den geheimen erst zehn Jahre spaumlteroumlffentlich bekanntgewordenen Aufzeichnungen des

gen Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard v Brauchitsch als raquokon-zertierte Aktionlaquo bezeichnet wurde Von CDU-Seite wurdenHeinrich Koumlppler und Helmut Kohl aktiv auf Unternehmer-seite Professor Kurt Biedenkopf vom Henkel-Konzern derunvermeidliche Flick-Vertrauensmann Dr Hanns MartinSchleyer und natuumlrlich auch vBrauchitsch sodann GuidoSandler vom Oetker-Konzern endlich auch Konrad Henkelder Chef des Henkel-Konzerns Das Ergebnis war daszlig RainerBarzel ein raquoweicher Falllaquo angeboten werden konnte Zu seinenstattlichen regulaumlren Bezuumlgen sollten jaumlhrlich 250 bis300000 DM Honorare kommen die ihm der FrankfurterRechtsanwalt Dr Paul zukommen lassen wuumlrde der seinerseitsdas Geld von raquoIndustriemandantenlaquo bekaumlme Und genausogeschah es

Zehn Jahre spaumlter schrieb Erich Boumlhme daruumlber im raquoSpiegellaquounter der Uumlberschrift Dr Kohllaquo

raquoRainer Candidus Barzel der gescheiterte Kanzleraspirantdes Jahres 1972 dessen salbungsvolle Tiraden die DeutschenAnfang der siebziger Jahre uumlberreichlich genervt hatten undden die Union schlieszliglich aus Fraktions- und Parteivorsitzhebelte waumlre nie zum gtsozialen Falllt geworden Trotz einschlauml-giger Sorgen die der damalige Kohl-Intimus Kurt Biedenkopfdem Barzel-Nachfolger Kohl aktenkundig machte Durch-schlag an das Haus Flick versteht sich Das Haus Flickzahlte Barzel kassierte (mit zusaumltzlichen Garnierungen vonder Chase Manhattan Bank und vom Hause Oetker) der erfolg-lose CDU-Chef raumlumte ohne Gezeter das Feld Das Flick-Kuumlrzel Dr hatte seinen Zweck erfuumlllt wg DrKohl dessen Chefstuhl mit eintausendsiebenhundert Flick-Tausendern Millionen DM) freigefaumlchelt worden warlaquo

Auch Barzel-Nachfolger Kohl war zunaumlchst gluumlcklos 1976trat er als Kanzlerkandidat der Union an und unterlag bei denBundestagswahlen 1980 wurde Kohls Rivale Franz JosefStrauszlig als Kanzlerkandidat nominiert und scheiterte ebenfallsAber dann am 1 Oktober 1982 kam Helmut Kohls groszligeStunde Mit Hilfe der abgefallenen raquoGruppe Genscher-Lambs-dorfflaquo der FDP wurde der gewaumlhlte Bundeskanzler HelmutSchmidt (SPD) durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum

gestuumlrzt Kohl zum Kanzler gewaumlhlt mit einer Mehrheit vonsieben Stimmen und gegen den erklaumlrten Willen jener Waumlhlerdenen Genscher im Herbst 1980 feierlich versprochen hatte erwerde raquovier Jahre als zuverlaumlssiger und aufrichtiger Partnerlaquomit Helmut Schmidt und der SPD die Koalition fortsetzen

Ein Drittel der FDP-Bundestagsfraktion darunter fast alleFrauen verweigerte Genscher und dem Grafen Lambsdorffdie Gefolgschaft bei diesem Betrug am Waumlhler Aber seither istKohl Bundeskanzler und regiert die BRD auf eine Weise diehaargenau den Wuumlnschen derer entspricht die mit Hilfe derMacht des Groszligen Geldes den Kanzlerwechsel langfristig vor-bereitet und dann herbeigefuumlhrt hatten

Warum war ihre Wahl auf den Pfaumllzer Helmut Kohl gefallenWodurch hatte er sich vor anderen Bewerbern um das Kanzler-amt ausgezeichnet und die Gunst der Herren des Groszligen Gel-des erworben so daszlig sie ihm zunaumlchst den Chef-Sessel derCDU mit fast zwei Millionen Mark Barzel-Abfindung raquofreigefauml-cheltlaquo und schlieszliglich auch die zur Kanzlerwahl fehlendenStimmen raquobeschafftlaquo hatten Ja wer war uumlberhaupt dieser Hel-mut Kohl den die meisten Bundesbuumlrger nur als jungen Lan-desvater von Rheinland-Pfalz und als Wahlverlierer von 1976kannten

Helmut Kohls politische Karriere begann in seiner wirtschaft-lich vom Chemie-Riesen BASF beherrschten traditionell vonder SPD regierten -Heimatstadt Ludwigshafen Dort war er am3 April 1930 als Sohn eines kleinbuumlrgerlichen Finanzbeamtenzur Welt gekommen

Kohls autorisierter Biograph Karl Guumlnter Simon der demheutigen Kanzler in seinem 1969 erschienenen Buch raquoDieKronprinzenlaquo immerhin schon ein knappes Dutzend Seitengewidmet hat berichtet darin daszlig Helmut (raquoHellelaquo) Kohl raquoausschwarzem Elternhauslaquo stamme daszlig der kraumlftige hochgewach-sene Oberrealschuumller schon 1949 im ersten Bundestagswahl-kampf fuumlr die CDU als Redner aufgetreten sei (und zwar wieFreunde und Gegner uumlbereinstimmend sich erinnern raquolauthemdsaumlrmelig und naszligforschlaquo) und daszlig er dann langsamraquoSchritt fuumlr Schrittlaquo Karriere gemacht habe

Schon als 17jaumlhriger war Kohl der Jungen Union beigetretenmit 25 Jahren wurde er bereits Mitglied des rheinland-pfaumllzi-schen CDU-Landesvorstands mit 28 Jahren Kreisvorsitzenderin Ludwigshafen und juumlngster Landtagsabgeordneter im Main-zer Parlament Nach dem Wunsch seiner Eltern studierte erzunaumlchst Rechtswissenschaft in Heidelberg denn er solltehoumlherer Beamter werden Aber er interessierte sich nur fuumlr Poli-tik genauer fuumlr seine eigene politische Karriere Geld ver-diente er sich nebenher erst als Praktikant bei der BASF alsDirektionsassistent bei der Eisengieszligerei Mock als kaufmaumlnni-scher Volontaumlr bei der Miederwarenfabrik raquoFelinalaquo dann alsReferent des Landesverbands der chemischen Industrie vonRheinland-Pfalz-Saar in Ludwigshafen Ehe er dort -mit einemAnfangsgehalt von DM spaumlter 3 000 DM-seine Taumltigkeitaufnahm erwarb er nach immerhin neun Jahren oder 18Semestern die seit seinem Abitur vergangen waren den Dok-torgrad nicht den juristischen denn er hatte im 5 Semesterumgesattelt sondern den Dr phil des Fachs Geschichte miteiner 160 Schreibmaschinenseiten umfassenden vornehmlichaus sorgsam gesammelten Zeitungsmeldungen bestehendenArbeit zum Thema raquoDie politische Entwicklung in der Pfalzund das Wiedererstehen der Parteien nach

Dr Kohls Sternstunde kam wenn man seinen BiographenGlauben schenken darf am 3 April 1959 seinem 29 Geburts-tag mitten im rheinpfalzischen Landtagswahlkampf Kohl kan-didierte zum ersten Mal und nun stand ihm so beschrieb esLothar Wittmann raquoein groszliger Auftritt bevor Konrad Ade-nauer wird zu einer Groszligveranstaltung erwartet Im hochrotenLudwigshafen soll der Besuch des Kanzlers zu einer eindrucks-vollen Demonstration der Schwarzenlaquo werden Zu diesemBehuf hat CDU-Geschaumlftsfuumlhrer Fritze Keller zwei gewal-tige Wurstmarktzelte aus Bad Duumlrkheim auf dem Marktplatzaufstellen lassen (Sie) fassen 8 000 Besucher KleinmuumltigeZweifler haben Kohl vor solchen Ausmaszligen gewarnt 20Minuten vor Beginn der auf 20 Uhr angesetzten Versammlungist die Nervositaumlt groszlig Uumlber Polizeifunk wird angekuumlndigt daszligder Kanzlerwagen bereits Darmstadt passiert hat und die Zeltesind erst zu houmlchstens 20 Prozent gefuumlllt Wenn der Besucher-

strom so duumlnn bleibt wird es eine Blamage geben Kurz ent-schlossen dirigiert Kohl den Kanzlerkonvoi ins Hotel St Hu-bertus um Der geplagte Kanzler muszlig die Moumlglichkeit habensich vor dem Auftritt noch etwas frisch zu machen

Als der Kanzler dann eintrifft sind die Zelte brechendvoll Der Zustrom hat in letzter Minute und schlagartig ein-gesetzt Drei Redner an diesem Abend Helmut Kohl haumllt eineschwungvolle Begruumlszligungsrede dann Peter Altmeier der(rheinland-pfalzische) Ministerpraumlsident dann Konrad Ade-nauer Helmut Kohl bringt enthusiastische Stimmung ins Zelter spricht angriffslustig wettert gegen Herbert Wehners Agitati-onsbesuch in der BASF Droht die Politisierung der BetriebeKonrad Adenauer wird aufmerksam mustert interessiert denlangaufgeschossenen Nachwuchsredner fragt seinen Nach-barn Peter Altmeier wer denn dieser hoffnungsvolle jungeMann seilaquo und ernennt so moumlchte man vermuten wennman dieser eindrucksvollen Schilderung gefolgt ist HelmutKohl sogleich zu seinem politischen Enkel und spaumlteren Nach-folger

Dies war jedoch keineswegs der Fall die Ernennung zumAdenauer-Enkel nahm Helmut Kohl spaumlter selber vor undauch die wunderbare Publikumsvermehrung in den Ludwigs-hafener Zelten kam nicht von ungefaumlhr Sie hatte viel ArbeitAnstrengung und Hilfe von den Unternehmern aus demUmland erfordert von denen einer sich ruumlhmte er habe es sich12 000 DM kosten lassen raquoseine Leutelaquo in Bussen raquoheranzukar-ren ihnen 5 Mark pro Kopf spendiert fuumlr Verzehr und damitKohls Schau gerettetlaquo

Wie dem auch sei Jedenfalls ist eines sicher naumlmlich daszligHelmut Kohl damals schon einen millionenschweren Industri-ellen zum Freund und Foumlrderer hatte der Kohls Talente ZU

schaumltzen wuszligte und wie er spaumlter wiederholt erklaumlrte raquoeinenguten Riecherlaquo fuumlr kommende Spitzenpolitiker hatte die sichihren Maumlzenen dann als sehr nuumltzlich erweisen konnten

Helmut Kohls damaliger reicher Goumlnner war uumlbrigens derGroszligaktionaumlr und Vorstandsvorsitzende eines aufbluumlhendenUnternehmens mit uumlber zweitausend Beschaumlftigten in der vonLudwigshafen nur acht Kilometer entfernten pfaumllzischen

stadt Frankenthal Fast zwei Jahrzehnte lang waumlhrend ausdem Ludwigshafener JU-Fuumlhrer ein Stadtrat dann ein CDU-Landtagsabgeordneter Fraktionsvorsitzender schlieszliglich so-gar ein rheinland-pfaumllzischer Ministerpraumlsident CDU-Bun-desvorsitzender und Kanzlerkandidat wurde war Helmut Kohlein haumlufiger Gast in der Frankenthaler Industriellen-Villa Inallen diesen Jahren gab es zwischen Kohl und seinem reichenGoumlnner viele Gespraumlche uumlber politische und wirtschaftlicheFragen Der junge Politiker Kohl holte sich manchen Rat vonseinem um 23 Jahre aumllteren beinahe vaumlterlichen Freund lieszligsich von diesem erzaumlhlen wie man aus sehr bescheidenenAnfangen uumlber Krieg Niederlage und Waumlhrungsreform hin-weg zu Multimillionaumlrs- und Konzernherren-Houmlhen aufsteigtund er scheint sich damals vorgenommen zu haben es seinemFoumlrderer gleichzutun zumindest hinsichtlich eines ruumlcksichts-losen Gebrauchs der Ellbogen und eines Mindestmaszliges anmoralischen Skrupeln sowie einer sorgfaumlltigen Pflege dessenwas sein erfahrener Goumlnner raquonuumltzliche Beziehungenlaquo zu nen-nen pflegte

Tatsaumlchlich hatte dieser Frankenthaler Industrielle glaumln-zende Verbindungen und sogar enge freundschaftliche Bezie-hungen zu bereits arrivierten und kommenden Spitzenleutenaus Politik und Wirtschaft Einigen davon praumlsentierte undempfahl er seinen Schuumltzling Helmut Kohl und auch sonstkonnte der steinreiche Konzernchef dem aufsteigenden Jung-politiker auf mancherlei Weise behilflich sein

Natuumlrlich stellte Helmut Kohl seinem Foumlrderer auch dasMaumldchen vor mit dem er sich zu verloben und wie es fuumlreinen christlichen Politiker obligatorisch war in Baumllde zu ver-heiraten gedachte und erst nachdem Kohls einstige Tanzstun-denfreundin und zukuumlnftige Ehefrau Hannelore von der Fami-lie des Frankenthaler Industriellen in Augenschein genommenworden war traf der angehende Landespolitiker Vorbereitun-gen fuumlr die Gruumlndung eines eigenen Hausstands Zwei Monatenach seinem Einzug ins Mainzer Landesparlament verheira-tete er sich mit Hannelore Renner

Nun konnte Helmut Kohl seinem Foumlrderer hie und da auchschon ein paar Gefaumllligkeiten erweisen denn sein Einfluszlig in

der Mainzer CDU-Fraktion war von Anfang an groszlig und ande-rerseits steigerte der reiche Industrielle das Ansehen des juumlng-sten Abgeordneten indem er diesen mitnahm auf eine Afrika-reise wie sie sich damals Anfang der sechziger Jahre ein nochunbekannter Provinzpolitiker kaum zu ertraumlumen wagte FrauHannelore durfte derweilen mit der Gattin des IndustriellenFerien im schweizerischen Zermatt machen wo den Damenein luxurioumlses Chalet Zurverfuumlgung stand Die Traumreise aufdie Kohl damals von seinem noblen Goumlnner mitgenommenwurde ging ins Koumlnigreich Marokko dessen Honorarkonsulfuumlr Rheinland-Pfalz sein vaumlterlicher Freund geworden war undsie wurde fuumlr Helmut Kohl zu einem Erlebnis wie aus Tausend-undeiner Nacht Uumlbrigens es sei hier nur am Rand vermerktweil es das harte Urteil vieler anderer politischer Freunde wieGegner uumlber den jungen Politiker Kohl bestaumltigt Auch der ihmso wohlwollende Industrielle ruumlgte gerade im Anschluszlig andiese Marokkoreise die miserablen Umgangsformen seinesSchuumltzlings Wie schon gelegentlich zuvor und noch oftmalsspaumlter als Kohl schon laumlngst Ministerpraumlsident in Mainz gewor-den war bedauerte der Herr Konsul wenngleich nur im enge-ren Familien- und Freundeskreis das raquoungehobelte Beneh-menlaquo Kohls und sein raquoschrecklich ruumlcksichts- und taktlosesAuftretenlaquo Der engste Freund des Herrn Konsuls dem erdavon erzaumlhlte lachte indessen nur und sagte wie er spaumlterdem Autor selbst erzaumlhlte - raquoLaszlig man Fritz wenn er werdensoll was wir uns ausgedacht haben kann er gar nicht ruumlcksichts-los genug seinlaquo

Uumlbrigens der bislang verschwiegene Name des Kohl-Ent-deckers und langjaumlhrigen -Goumlnners war Dr Fritz Ries damali-ger Chef und Groszligaktionaumlr des raquoPegulanlaquo-Konzerns mitHauptsitz in Frankenthal Dessen alter Freund einstiger Kom-militone und bei der Heidelberger schlagendenVerbindung raquoSuevialaquo und spaumlterer stellvertretender Vorsitzen-der des raquoPegulanlaquo-Aufsichtsrats aber hieszlig Dr Hanns MartinSchleyer war bereits der Vertrauensmann des Daimler-Groszlig-aktionaumlrs Friedrich Flick in der Untertuumlrkheimer Konzernzen-trale und bald auch stellvertretender Vorsitzender vonsamtmetalllaquo sowie Vizepraumlsident der Arbeitgebervereinigung

Er sollte noch houmlher aufsteigen ehe er im Herbst 1977 von Ter-roristen entfuumlhrt und ermordet wurde doch in unseremZusammenhang ist zunaumlchst nur von Bedeutung daszlig es DrRies und Dr Schleyer waren die den Jungpolitiker HelmutKohl raquovormerktenlaquo fuumlr zukuumlnftige Jahre wenn eine raquoBundes-regierung nach Maszliglaquo und nach dem Herzen der groszligen Kon-zerne aufzustellen sein wuumlrde

Wir werden auf Dr Fritz Ries und Dr Hanns MartinSchleyer noch einmal zuruumlckkommen doch hier sei uumlber Riesnur noch angemerkt daszlig es fuumlr den raquoPegulanlaquo-Konzern unddessen Produkte vor allem Fuszligbodenbelaumlge aus Kunststoff1975 eine Absatzkrise gab Nur durch eine Landesbuumlrgschaft inMillionenhoumlhe konnten die Banken bewogen werden demUnternehmen noch einmal uumlber die Runden zu helfen DasFachblatt raquoWirtschaftswochelaquo meldete dazu am 5 Maumlrz 1976raquoTatsaumlchlich muumlssen die Finanzkalamitaumlten bei Ries und den

Pegulan-Werken noch gravierender sein als in der vom23 Januar 1976 dargestellt Der rheinland-pfalzische Finanzmi-nister Johann Wilhelm Gaddum muszligte dem SPD-Abgeordne-ten Rainer Rund auf eine Anfrage zur Pegulan-Krise denn aucheingestehen Landesbuumlrgschaften werden nur dann gewaumlhrtwenn die Sicherheiten im Sinne der Beleihungsgrundsaumltze derKreditinstitute nicht ausreichen Im Klartext heiszligt das lan haumltte ohne die Buumlrgschaft des Landes keinen Kredit mehrbekommen Ob indes diese Landeshilfe allein wegen dergefaumlhrdeten Arbeitsplaumltze zugesagt wurde oder ob der CDU-Kanzlerkandidat und Rheinland-Pfalz-Chef Kohl zusaumltzlichein gutes Wort fuumlr Ries einlegte bleibt offenlaquo

Offen bleibt auch ob der sowohl von der serioumlsen raquoWirt-schaftswochelaquo als auch vom exklusiven raquoManager-Magazinlaquoverbreitete angebliche Ries-Ausspruch uumlber Kohl -raquoAuch ich ihn nachts um drei anrufe muss er springen laquo- korrekt wieder-gegeben worden ist Immerhin bezeichneten Ries-TochterMonika und deren Ehemann Rechtsanwalt Herbert Krall die-

Mit Gewiszligheit laumlszligt sich nur sagen daszlig das damals von Hel-mut Kohl gefuumlhrte Land Rheinland-Pfalz den Konzern des Dr

Ries durch Uumlbernahme von Buumlrgschaften in Millionenhoumlhelange vor dem Zusammenbruch bewahrt hat Dabei hat moumlgli-cherweise der Umstand eine Rolle gespielt daszlig dem Ries-Kon-zern schon zuvor bedeutende Landesmittel zuteil gewordenwaren deren Gesamthoumlhe von Fachleuten auf zig MillionenDM veranschlagt wurde

Ebenfalls durch Kohl zuteil geworden war Dr Fritz Ries imFebruar 1972 der Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuzeine ungewoumlhnliche Ehrung fuumlr einen Mann dessen raquounter-nehmerische Leistung und Engagement fuumlr die Gesellschaftlaquowie es in der Verleihungsurkunde hieszlig wahrlich nicht unum-stritten waren Denn Fritz Ries Kohls raquoWeichenstellerlaquo vonihm auch manchmal als raquoder gute Mensch von Frankenthallaquobezeichnet hatte eine recht dunkle unternehmerische Vergan-genheit Der am 4 Februar 1907 in Saarbruumlcken geborene FritzRies Sohn des Inhabers einer Moumlbelhandlung hatte nach demAbitur ein Jurastudium begonnen erst in Koumlln dann in Heidel-berg wo er-wie schon kurz erwaumlhnt den acht Jahre juumlngerenKorpsstudenten Hanns Martin Schleyer als raquoLeibfuchslaquo unterseine Fittiche nahm

Schleyer es sei hier nur am Rande angemerkt war als Sohneines Landgerichtsdirektors in OffenburgBaden 1915 geborenworden und bereits als Schuumller 1931 der Hitlerjugend beigetre-ten 1933 in die SS aufgenommen worden (Mitgliedsnummer227014) und galt mit 19 Jahren schon als raquoAlter Kaumlmpferlaquo dervon 1934 an die Universitaumlt Heidelberg in eine raquoForschungs-und Erziehungsanstalt nationalsozialistischer Praumlgunglaquo zu ver-wandeln sich bemuumlhte Er leitete dort spaumlter auch in Inns-bruck dann in Prag das sogenannte raquoStudentenwerklaquo aus des-sen SS-Mannschaftshaumlusern der Sicherheitsdienst (SD) derNazis seinen Nachwuchs rekrutierte Von 1939 an stand derSS-Fuumlhrer Dr Schleyer im neuen raquoProtektorat Boumlhmen undMaumlhrenlaquo an der Spitze der gesamten SS-raquoHochschularbeitlaquoihm unterstanden rund 160 Angestellte und sein Jahresetatbetrug rund zehn Millionen Reichsmark

Von 1939 an war SS-Hauptsturmfuumlhrer Dr Schleyer einemMann direkt unterstellt der als Chef des raquoReichssicherheits-hauptamteslaquo an der Spitze des SD der Gestapo und der

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ten Polizei stand SS-Obergruppenfuumlhrer Reinhard HeydrichIm September 1941 wurde Heydrich unter Beibehaltung seinerMachtstellung im Reich auch noch Stellvertreter des Reichspro-tektors von Boumlhmen und Maumlhren und damit der eigentlicheHerrscher in der Tschechoslowakei Dr Schleyer seine rechteHand und Kontrolleur der tschechoslowakischen Industrie biszum letzten Tag der deutschen Besatzung Erst am 8 Mai 1945schlug er sich mit den letzten SS-Verbaumlnden unter Mitnahmevon Geiseln tschechischen Frauen und Kindern zu den schonkurz vor Prag stehenden Amerikanern durch und wurde vondiesen interniert und einige Jahre lang gefangengehalten

Doch zuruumlck zu Fritz Ries der sich beim HeidelbergerKorps raquoSuevialaquo bei Mensuren jene raquoSchmisselaquo genanntenFechtnarben holte die fuumlr eine Karriere damals sehr foumlrderlichwaren Unmittelbar vor dem Verbot der korpsstudentischenMensuren forderte Ries noch einen Kommilitonen der seineEhre verletzt hatte auf Pistolen wobei ihm sein raquoLeibfuchslaquoSchleyer wie dieser sich erinnerte und dem Autor lachenderzaumlhlte die Waffe zum Kampfplatz trug

Schon kurz darauf beendete Fritz Ries sein Studium als Drjur und begann sogleich -im Herbst 1934 seine Unternehmer-karriere nachdem er im Jahr zuvor der Nazipartei beigetretenwar und die Tochter des wohlhabenden Rheydter ZahnarztesDr Heinemann geheiratet hatte Mit schwiegervaumlterlichemGeld entfaltete er wie er selbst in einem Schreiben an einehohe Nazi-Parteistelle ohne falsche Bescheidenheit anfuumlhrte raquoeine auszligerordentliche unternehmerische Aktivitaumltlaquo Er hatteeine Leipziger Gummiwarenfabrik Fluumlgel Polter erworbenund diesen 120-Mann-Betrieb in wenigen Jahren zu einem mitt-leren Konzern ausgebaut fast ausschlieszliglich mit Hilfe soge-nannter raquoArisierungenlaquo

Durch die judenfeindliche Politik der Nazis waren die fruumlhe-ren Eigentuumlmer gezwungen ihre Unternehmen weit unterdem tatsaumlchlichen Wert und zu demuumltigenden Bedingungen anraquoArierlaquo wie Dr Ries zu verkaufen Anzumerken ist daszlig DrRies innerhalb kuumlrzester Zeit zum branchenbeherrschendenPraumlservativ-Hersteller des raquoGroszligdeutschen Reicheslaquo aufruumlckteund fuumlr seine ruumlde auch im raquoangeschlossenenlaquo Oumlsterreich prak-

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tizierte raquoArisierungslaquopolitik starke Ruumlckendeckung durch dieNazi-Partei erhielt

Vom Herbst 1939 an also gleich nach Beginn des ZweitenWeltkrieges wurde der Ries-Konzern raquoauf den Kriegsbedarfder Wehrmacht umgestellt und stark erweitertlaquo Die Beschaumlftig-tenzahl hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt verzehnfacht derUmsatz war auf mehr als das Zwanzigfache gestiegen und balderreichten die Umsaumltze und Gewinne geradezu schwindelndeHoumlhen Denn von 1941 an konnte Dr Ries seinen Gummikon-zern auf die eroberten polnischen Gebiete ausdehnen immerneue Betriebe raquouumlbernehmenlaquo dabei unterstuumltzt von einemeigens fuumlr solche Aufgaben engagierten SS-Standartenfuumlhrerim Sicherheitsdienst (SD) Herbert Packebusch

Packebusch nach dem die Staatsanwaltschaft Kiel wegendringenden Verdachts des Mordes in zahlreichen Faumlllen nochJahrzehnte nach Kriegsende vergeblich fahndete half Dr Riesauch bei der Beschaffung von Arbeitskraumlften So arbeitetenallein in einem der Ries-Betriebe im eroberten Polen denraquoOberschlesischen Gummiwerkenlaquo in Trzebiniazien) laut einer raquoGefolgschaftsuumlbersichtlaquo vom 30 Juni 1942insgesamt 2 653 juumldische Zwangsarbeiter davon 2 160 Frauenund Maumldchen Vornehmlich mit deren Hilfe sprich aufgrundruumlcksichtsloser Ausbeutung stieg der Umsatz in Trzebinia von101861 RM im Dezember 1941 auf 1300 619 RM im April 1942also binnen vier Monaten auf mehr als das Zwoumllffache

Die erhalten gebliebenen Berichte des deutschen Aufsichts-personals geben Einblick in die im Ries-Werk Trzebinia damalsherrschenden schrecklichen Zustaumlnde zeigen die rigorose Aus-beutung und die taumlglichen Miszlighandlungen der fuumlr Dr Riesschuftenden Frauen und Maumldchen

So erging folgende Anordnung raquoWir haben den Arbeitskraumlf-ten erklaumlrt daszlig die Arbeitsleistung in den naumlchsten Tagenwesentlich gesteigert werden muszlig da wir sonst annehmendaszlig die Arbeit sabotiert wirdlaquo was nach Lage der Dinge eineklare Morddrohung war denn nachlassende Leistung oder garSabotage wurde mit sofortiger raquoUmsiedlunglaquo in das knapp 20Kilometer entfernte KZ Auschwitz geahndet wo raquoArbeitsunfauml-higelaquo sofort vergast wurden

Da die deutschen Behoumlrden aber bereits damit begannenalle Juden der Gegend ohne Ruumlcksicht auf ihren Wert alsArbeitskraumlfte der raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquo des DrRies nach Auschwitz zu schaffen beschloszlig dieser raquoVollblutun-ternehmerlaquo aus der Not eine Tugend zu machen zumindestfuumlr sich selbst Weil am Ende sicherlich auch diese letzten Fach-kraumlfte raquoumgesiedeltlaquo werden wuumlrden zwecks spaumlterer Ermor-dung wie alle Beteiligten wuszligten - galt es Vorsorge fuumlr seinenKonzern zu treffen Da hatte nun ein trefflicher Ries-Mitarbei-ter die Idee die nach Auschwitz raquoumgesiedeltenlaquo und dort aufihren Tod wartenden Juden nicht unproduktiv im KZ herumsit-zen zu lassen sondern ihre Wartezeit mit nutzbringenderArbeit fuumlr den Ries-Konzern auszufuumlllen

Und so geschah es Im Lager Auschwitz wurde eine raquoGroszlig-nebenstellelaquo errichtet raquoEs stehen in Kuumlrze etwa 3 000 bis 5 000weibliche Arbeitskraumlfte zur Verfuumlgunglaquo heiszligt es in der Mel-dung vom 10 Juli 1942 Die erforderlichen Naumlh- und sonstigenMaschinen aus dem Besitz schon ermordeter juumldischer Hand-werker kaufte der Ries-Konzern der SS billig ab und fortanbrauchte sich Dr Ries der in einer schoumlnen eigens fuumlr ihn

in Trzebinia wohnte um diemorallaquo seiner Belegschaft nicht mehr zu sorgen Darum kuumlm-merte sich die SS und die raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquolieferten nur das zu verarbeitende Material und holten die fer-tige Ware im KZ ab um sie mit sattem Gewinn an die Wehr-macht und andere Abnehmer zu verkaufen

Wie in Ostoberschlesien und Galizien so hatte Dr Riesnoch einige weitere Produktionsstaumltten im annektierten Polenin Konzernbesitz gebracht unter anderen einen Groszligbetriebin Lodz das die Deutschen in raquoLitzmannstadtlaquo umgetaufthatten

Natuumlrlich arbeiteten auch die raquoGummiwerke Warthelandlaquowie Dr Ries seine Lodzer Erwerbung nannte erst mit juumldi-schen dann mit polnischen Zwangsarbeitern nur die Aufseherund das Wachpersonal erhielten regulaumlre Bezahlung

Nebenbei bemerkt auch die deutschen raquoGefolgschaftsmit-gliederlaquo wurden bespitzelt und raquovertraulichlaquo gemeldet etwawenn sie den katholischen Gottesdienst besucht hatten Und

schlieszliglich ging die Brutalitaumlt im Ries-Konzern so weit daszlig diepolnischen Arbeitskraumlfte zumeist junge Frauen und Maumldchennicht nur nach beendeter Schicht in einem Barackenlager unterAufsicht gestellt sondern auch waumlhrend der Arbeitszeit imSaal eingeschlossen und nach Schluszlig der Arbeit durchsuchtwurden Verantwortlich fuumlr diese und andere raquoenergischelaquoMaszlignahmen war ein von Dr Ries im zweiten Halbjahr 1944 ein-gestellter neuer Direktor der am 30 Oktober 1944 auch schrift-lich anordnete daszlig jeder der mehr als einmal anseinem Arbeitsplatz unentschuldigt fehlte zur raquoauszligerbetrieb-lichen Bestrafunglaquo durch die Gestapo zu bringen sei

Zu dieser Zeit war die raquoVerlagerunglaquo- das heiszligt der Abtrans-port nach Westen von allem was nicht niet- und nagelfest war bereits in vollem Gange und der neue Direktor erwarb sich beider Rettung des Ries-Besitzes vor der anruumlckenden RotenArmee raquodurch Umsicht Schneidigkeit und Haumlrtelaquo wie Dr Riesihm bescheinigte groszlige Verdienste

Der Name dieses neuen Direktors der ein Kaumlmpferlaquoder Nazipartei und zuletzt Leiter einer Dienststelle im schongeraumlumten Krakau gewesen war soll hier nicht verschwiegenwerden Es handelte sich um Artur Missbach einen spaumlterenCDU-Bundestagsabgeordneten der als solcher vor allem da-durch von sich reden machte daszlig er Ende der sechziger Jahreauf amtlichem Papier des Bundestags Werbebriefe fuumlr dieInvestment-Schwindelfirma IOS verschickte Mit dem Bundes-adler im Briefkopf pries MdB Missbach damals die IOS-Zertifi-kate als raquodie derzeit beste und sicherste Anlage mit der houmlch-sten Renditelaquo an und gleichzeitig verkaufte er unter demDecknamen raquoSebastian Bachlaquo fuumlr mindestens drei MillionenDollar IOS-Anteile an deutsche Sparer die den -wegen Steuer-hinterziehung landesfluumlchtigen raquoSebastian Bachlaquo dann eben-so verfluchten wie ihre wertlos gewordenen Papiere

Doch zuruumlck zu Dr Ries dem mit seinem Direktor Miss-bach sehr zufriedenen Konzernchef der im Winterseine riesige Beute aus Polen mit Lastwagen-Konvois undGuumlterzuumlgen weit nach Westen raquoverlagertelaquo und was die Bar-geldbestaumlnde des Konzerns betraf so erinnerte sich Ries-Toch-ter Monika der 17 Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart im

Prozeszlig um das Buch raquoGroszliges Bundesverdienstkreuzlaquo als Zeu-gin benannt deutlich daran wie sich ihr Vater im Familien-kreis am abendlichen Kaminfeuer haumlufig mit Stolz dazubekannt hat anno 1945 raquoRiesensummen persoumlnlich und koffer-weise nach Westen geschafftlaquo zu haben

Fuumlnf Jahre spaumlter indessen am 28 November 1950 schil-derte Dr Ries seine Lage gegen und nach Kriegsende folgen-dermaszligen raquo1944 gruumlndete ich die Gummiwerke Hoya GmbHMit dieser Gruumlndung wollte ich lediglich einen Teil der Maschi-nen aus den mir gefaumlhrdet erscheinenden oumlstlichen Gebietenretten Tatsaumlchlich waren bei Kriegsende in Hoya neue Maschi-nen fuumlr etwa 15 Millionen RM gelagert Weiterhin standenmir bei Beendigung des Krieges einige hunderttausend MeterStoff zur Verfuumlgunglaquo Um einen Teil des kofferweise gerette-ten aber immer wertloser werdenden Bargelds anzulegenerwarb Dr Ries kurz nach Kriegsende auf der am weitestenwestlich gelegenen deutschen Nordseeinsel Borkum raquoKoumlhlersStrandhotellaquo das groumlszligte Haus am Platze Es stellte nach heuti-gen Maszligstaumlben ein Multimillionenobjekt dar Was aber derBesitz von raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo in den Not-jahren 1945-48 bedeutete laumlszligt sich heute uumlberhaupt nicht mehrermessen Schon mit drei Metern Anzug- oder Mantelstoffkonnte man bis zur Wahrungsreform vom Juni 1948 durchTausch oder Verkauf auf dem Schwarzen Markt die Ernaumlhrungeiner fuumlnfkoumlpfigen Familie fuumlr mindestens zwei Monate sicher-stellen Mit raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo haumltte mandie Lebensmittelversorgung einer Groszligstadt waumlhrend sechsDekaden gewaumlhrleisten koumlnnen als die amtlichen Rationenwie 1947 in Wuppertal bei nur noch 650 Kalorien pro Tag lagen

Jedenfalls darf man sagen daszlig Dr Ries die Nazi-Diktaturund den Zweiten Weltkrieg nicht nur heil sondern geradezuglaumlnzend uumlberstanden hatte ebenso die Wirren das Elend undden Hunger der ersten Nachkriegsjahre In Polen waren ihm

Die Machenschaften des Dr Fritz Ries deren Entdeckung und Veroumlffentli-chung durch den Autor dieses Schwarzbuches und die Auswirkungen der Ver-oumlffentlichung sind ausfuumlhrlich dargestellt in dem Taschenbuch raquoGroszliges Bun-desverdienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

Abermillionen an Kriegsbeute zuteil geworden nicht nur wert-volle zum Teil fabrikneue Maschinen waggonweise TextilienAutoreifen Gummistiefel -schuhe und Maumlntel sondern auchkofferweise Bargeld dazu Unmengen von KunstgegenstaumlndenTeppichen und Juwelen sowie wie die erhalten gebliebenenDokumente beweisen die Wertsachen seiner Arbeitssklavender Schmuck und das Zahngold der geschundenen MaumlnnerFrauen und Kinder

Um so erstaunlicher ist es daszlig Dr Ries obwohl aus Saar-bruumlcken und spaumlter in Leipzig beheimatet zeitweise in Trzebi-nia bei Auschwitz und zuletzt auf Borkum wohnhaft mit Kon-zernsitz in Leipzig dann in Hoya an der Weser und schlieszliglichin Frankenthal von den dortigen rheinpfalzischen Behoumlrdendennoch als raquoHeimatvertriebenerlaquo anerkannt wurde Ja manbescheinigte ihm dem groszligen Beutemacher sogar einen treibungsschadenlaquo Am 10 Oktober 1953 sein Schuumltzling Hel-mut Kohl war bereits ein Lokalmatador der CDU mit gutenBeziehungen bestaumltigte ihm das Ausgleichsamt bei der Stadt-verwaltung Frankenthal Aktenzeichen 16Mke - daszlig raquoderAntragsteller Dr Fritz Ries hier die Feststellung der folgendenVertreibungsschaumlden beantragt hat1 Geschaumlftsanteil an der Oberschlesischen

Gummiwerke GmbH Trzebinia uumlberNennbetrag (Kapitalforderung) 1445 000 RM

2 Geschaumlftsanteil an der raquoGummiwerkeWartheland AGlaquo Litzmannstadt uumlber 500 000 RM

3 Verlust eines Einfamilienhauses mit10 Zimmern in Trzebinia Kreis Krenau(Oberschlesien) Grundvermoumlgen

Weiter wird bestaumltigt daszlig die Angaben des Antragstellers indem Feststellungsantrag hinreichend dargetan sindlaquo

Mit anderen Worten Einem Saarlaumlnder der mit Wohn- undKonzernsitz in Leipzig das eroberte Polen ausgepluumlndert Skla-venarbeiter aufs grausamste ausgebeutet und sich deren Besitzwiderrechtlich angeeignet hatte wurde amtlich bescheinigtdaszlig nicht seine Opfer sondern er selbst zu entschaumldigen seiund daszlig seine dreisten Behauptungen als Beweis ausreichtenUnd so wie in diesem Fall ging es dutzendfach weiter

An jeder Finanzquelle die die oumlffentliche Hand damalseinem schuldlos verarmten und unterstuumltzungsbeduumlrftigenHeimatvertriebenen sprudeln lieszlig wenn er einerseits im OstenMillionenverluste erlitten hatte andererseits an seinem Auf-nahmeort neue Arbeitsplaumltze zu schaffen bereit war labte sichDr Ries mit Hilfe seiner politischen Freunde von der CDU inreichem Maszlige

Gluumlcklicherweise fuumlr ihn hatte man Dr Fritz Ries als blo-szligen raquoMitlaumluferlaquo der Nazi-Partei eingestuft und damit galt dermillionenschwere Kriegsgewinnler und als V-Mann derGestapo auserwaumlhlte raquoabsolut zuverlaumlssige NationalsozialistlaquoDr Ries in Rheinland-Pfalz (und damit in der ganzen Bundes-republik) als politisch voumlllig unbelasteter Ehrenmann

Wann immer sich bei den Lastenausgleichs- und anderenAumlmtern Zweifel regten etwa was die behauptete Houmlhe der raquoVer-treibungsschaumlden laquo des Dr Ries betraf wurden sie so nachzu-lesen in den Akten des damaligen Ries-Generalbevollmaumlchtig-ten fuumlr die Regelung seiner raquoAnspruumlchelaquo Dr Grote-Mismahl durch starken politischen Druck von oben beseitigt

Wer diesen Druck ausuumlbte laumlszligt sich nicht mehr mit Sicher-heit feststellen und es waumlre unfair diese Machenschaftenallein dem 1953 gerade erst zum Mitglied des Geschaumlftsfuumlhren-den Landesvorstands der regierenden CDU aufgeruumlckten Ries-Guumlnstling Helmut Kohl anzulasten von dem allerdings fest-steht daszlig er in den folgenden Jahren als er zum einfluszligreich-sten Politiker des fest in der Hand seiner Partei befindlichenBundeslands Rheinland-Pfalz aufstieg seinem langjaumlhrigenFoumlrderer Dr Ries wiederholt sehr behilflich gewesen ist

So stellt sich die Frage ob Helmut Kohl uumlber die duumlstere Ver-gangenheit seines groszligzuumlgigen Foumlrderers und dessen dreisteLuumlgen hinsichtlich seiner angeblichen raquoVertreibungsschaumldenlaquogenau Bescheid gewuszligt hat Ries-Tochter Monika Krall anwalt-lich als Zeugin gehoumlrt war sich nicht absolut sicher ob ihrraquoVater auch in Gegenwart von Dr Kohl sich seiner so profitab-len Unternehmertaumltigkeit in Polen geruumlhmt hat und wenn jaob dann nur so allgemein oder mit genauen Einzelheitenlaquo

Eine damalige Ries-Angestellte die sich ihrerseits genaudaran erinnert gab indessen zu Protokoll daszlig raquoHerr Konsul

Dr Ries dem Herrn Dr Kohl stolz von seinen Betrieben in Polen und von den gluumlcklicherweiselaquo in groszligerAnzahl zur Verfuumlgung stehenden juumldischen und polnischenZwangsarbeitern erzaumlhlt hatlaquo Sie wuszligte sogar noch das fahre Datum war im Fruumlhjahr 1967 der Herr Konsul DrRies bekam das Groszlige Bundesverdienstkreuz das Herr DrKohl damals CDU-Landesvorsitzender ihm verschafft hatteDr Ries erzaumlhlte ihm dann er haumltte schon damals in Polen dasKriegsverdienstkreuz verliehen bekommen laquo Diese Zeugindie in Frankenthal beschaumlftigt ist wollte begreiflicherweisenicht namentlich genannt werden

Indessen spielt die Frage ob Helmut Kohl schon damals imFruumlhjahr 1967 die ganze scheuszligliche Wahrheit uumlber die Vergan-genheit seines langjaumlhrigen Foumlrderers kannte keine groszligeRolle Denn schon fuumlnf Jahre spaumlter heftete Kohl seit 1969 Mi-nisterpraumlsident von Rheinland-Pfalz dem Dr Ries auch nochden Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuz an die Brust undzu diesem Zeitpunkt war Helmut Kohl wie sich beweisen laumlszligtvoll unterrichtet uumlber den Werdegang dieses Mannes der ihnals jungen Politiker raquoentdecktlaquo nach Kraumlften gefoumlrdert und dieKarriere erst ermoumlglicht hatte Kohl wuszligte Bescheid uumlber dieskrupellose raquoArisierungenlaquo des raquoKondom-Koumlnigslaquo Ries des-sen Beziehungen zur Gestapo und uumlber dessen Raubzuumlge in Po-len Er war daruumlber im Bilde daszlig sich Ries bei und in Auschwitzbereichert und Tausende von Arbeitssklavinnen fuumlr sich hatteschuften lassen Desgleichen wuszligte er daszlig die Entschaumldigun-gen fuumlr angebliche raquoVertreibungsschaumldenlaquo seines Goumlnners er-schwindelt waren Trotzdem zeichnete er ihn mit dem zweit-houmlchsten Orden aus den die Bundesrepublik zu vergeben hattepries oumlffentlich raquodas staunenswerte Lebenswerklaquo und raquodie vor-bildlichen unternehmerischen Leistungenlaquo des Dr Ries undwar ihm weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefaumlllig

Helmut Kohl warjedoch zu dieser Zeit laumlngst nicht mehr dereinzige Spitzenpolitiker der Unionsparteien von dem Dr Riesstolz behaupten zu koumlnnen meinte raquoWenn ich den nachts umdrei anrufe muszlig er springenlaquo

Dazu muszlig man wissen daszlig sich Konsul Dr Ries dessenraquoPegulanlaquo-Konzern damals noch florierte einen -wie er fand

raquostandesgemaumlszligenlaquo Landsitz nebst Jagdrevier Golfplatz undSchloszlig zugelegt hatte das als der Steiermarklaquo geruumlhmteSchloszliggut Pichlarn eine der schoumlnsten Besitzungen Oumlster-reichs Dort verkehrten als Gaumlste des Schloszligherrn Dr Ries nach den Veroumlffentlichungen der Lokalpresse in den fruumlhensiebziger Jahren etliche fuumlhrende Persoumlnlichkeiten der bun-desdeutschen Wirtschaft und Politik von denen wir hier einknappes Dutzend als repraumlsentative Auswahl nennen und zujedem Namen ein paar Erlaumluterungen geben wollen

raquoHerr Generalbevollmaumlchtigter Tesmann (es handelte sich umRudolf Tesmann geboren 1910 in Stettin einen fruumlherenhohen SS-Fuumlhrer letzter bekannter DienstgradSS-Obersturmbannfuumlhrer - vom Maumlrz 1944 bis KriegsendeVerbindungsmann zu Reichsleiter Martin Bormann Tesmannwurde 1945 von den Englaumlndern interniert und von seinem Mit-gefangenen dem Kaufhauskoumlnig Helmut Horten nach beiderEntlassung 1948 in den Horten-Konzern zuletzt als Generalbe-vollmaumlchtigter uumlbernommen Tesmann war auszligerdem damalsPraumlsidiumsmitglied des gtWirtschaftsrats der

Herr Dr Hanns Martin Vorstandsmitglied der Daim-ler-Benz AG mit Frau (den wir bereits kennengelernt habenund von dem noch im Zusammenhang mit der weiteren politi-schen Karriere Helmut Kohls die Rede sein wird)

Herr Dr Alfred Dregger mit Frau (damals Vorsitzender derhessischen CDU seit 1982 Fraktionsvorsitzender der CDUCSU im Bundestag und inoffiziell Fuumlhrer des rechten soge-nannten raquoStahlhelmlaquo-Fluumlgels der Union)

Herr Bundestagsabgeordneter Siegfried Zoglmann (geboren1913 in Boumlhmen seit 1928 Mitglied der in der CSR illegalen Hitlerjugend (HJ) 1934 HJ-Fuumlhrer in der Reichsjugendfuumlh-rung in Berlin 1939 Oberster HJ-Fuumlhrer im Boumlh-men und Maumlhren und Abteilungsleiter des 1940 erbat und erhielt Zoglmann vom Hein-rich Himmler persoumlnlich die Erlaubnis als SS-Fuumlhrer in diegtLeibstandarte SS Adolf Hitlerlt einzutreten Nach 1945 Werbe-fachmann im Rheinland 1950 Mitglied des NRW-Landesvor-stands der FDP bis 1958 Landtagsabgeordneter von 1957 biszu seinem Ausscheiden aus Altersgruumlnden Mitglied des Bun-

destags zunaumlchst FDP- seit 1972 CSU-Abgeordneter MitHilfe Zoglmanns und anderer FDP-Uumlberlaumlufer sollte damalsWilly Brandt gestuumlrzt werden die Verhandlungen hieruumlberwurden auf dem Ries-Schloszlig Pichlarn gefuumlhrt)

1931 Mitglied der NSDAP seit 1932 enger Mitarbeiter des Nazi-Propagandachefs und damaligen gtGauleiterslt von Groszlig-Berlin Dr Josef Goebbels in dessen Reichsministerium gtfuumlr Volksauf-klaumlrung und Propagandalt Taubert 1933 eintrat zunaumlchst alsReferatsleiter zustaumlndig fuumlr gtAktivpropaganda gegen dieJudenlt Von 1942 an Chef des gtGeneralreferats Ostraumlt dane-ben seit 1938 auch Richter am 1 Senat des beruumlchtigten gtVolks- gerichtshofslt und beteiligt an Todesurteilen gegen Wider-standskaumlmpfer Auszligerdem lieferte Ministerialrat Dr TaubertText und Idee zu dem 1940 uraufgefuumlhrten Hetzfilm raquoDer ewigeJudelaquo worin die in KZs und Gettos eingepferchten Juden mitRatten und anderem raquolebensunwertemlaquo Ungeziefer verglichenwurden 1945 tauchte der als Kriegsverbrecher gesuchte DrTaubert mit Hilfe westlicher Geheimdienste zunaumlchst unterum 1950 jedoch in Bonn wieder auf leitete die Kalte Kriegs-Propaganda gegen die DDR dann fuumlr VerteidigungsministerFranz Josef Strauszlig den Aufbau der psychologischen Kriegfuumlh-rung bei der Bundeswehr Scharfe Proteste des Zentralrats derJuden fuumlhrten dazu daszlig Strauszlig sich von Dr Taubert offizielltrennen muszligte und dieser trat dann als Leiter der Rechtsabtei-lung und des Persoumlnlichen Buumlros von Konsul Dr Fritz Riesbeim raquoPegulanlaquo-Konzern in Frankenthal ein In enger Abstim-mung mit Ries und sowie mit finanzieller Hilfe ausBonn und von etlichen Industriellen leitete Dr Taubert dieHetzkampagnen gegen Willy Brandt und den Aufbau ultrarech-ter und neonazistischer Gruppen und Presseorgane)

Und schlieszliglich zaumlhlte zu den Gaumlsten des Dr Ries aufSchloszlig Pichlarn auch

dent in Muumlnchen und er fand in der Berichterstattung deroumlsterreichischen Presse uumlber die Gaumlste auf Schloszlig Pichlarndamals die meiste

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Was die steiermaumlrkischen Zeitungen indessen nicht wuszligtenDer CSU-Chef Strauszlig und Konsul Dr Ries waren damalslaumlngst Duzfreunde und uumlberdies hatte Dr Ries die Ehefrau sei-nes Spezis Frau Marianne Strauszlig geborene Zwicknagl zu sei-ner Teilhaberin gewonnen dies uumlbrigens ohne daszlig es FrauStrauszlig einen Pfennig gekostet haumltte

Frau Strauszlig war in die am 23 Februar 1971 gegruumlndete Ries-Gesellschaft raquoDyna-Plastiklaquo in Bergisch-Gladbach eingetretenlaut Handelsregister zunaumlchst mit einer Kommanditeinlagevon 304 500 DM was damals einer Beteiligung von etwa 14 Pro-zent entsprach 1973 wurde das raquoDyna-Plastiklaquo-Kapitel erhoumlhtwobei der Anteil von Frau Strauszlig auf 406 000 DM oder 16 Pro-zent Kapitalanteil stieg Frau Strauszlig hatte jedoch weder dieerste Einlage noch die spaumltere Erhoumlhung einzuzahlen brau-chen diese sollten sich vielmehr raquoaus den Gewinnen auffuumlllenlaquo

im Klartext Dr Ries hatte der Frau seines so einfluszligreichenDuzfreundes ein kleines Geschenk gemacht eine erst 14-dann 16prozentige Beteiligung an einer gutgehenden Konzern-Tochtergesellschaft wohl in der richtigen Annahme daszlig kleineGeschenke die Freundschaft erhalten weshalb weitere aumlhnli-

Beteiligungen der Frau Marianne Strauszlig an bluumlhendenUnternehmen der Ries-Gruppe folgten

Die enge Freundschaft des CSU-Bosses dessen Bewunde-rung fuumlr die unternehmerischen Leistungen des Dr Ries unddie Beteiligung von Frau Marianne Strauszlig am Ries-Konzerndessen finanzielle Grundlagen ja wie wir bereits wissen min-destens teilweise in Auschwitz im Getto von Lodz (Litzmann-

sowie in weiteren Leidensstaumltten der versklavten Judengelegt worden waren erklaumlren vielleicht das von der raquoFrankfur-ter Rundschaulaquo 1969 zitierte Strauszlig-Wort (von dem er erst etwazwei Jahre vor seinem Tod abgeruumlckt ist) raquoEin Volk das diesewirtschaftlichen Leistungen erbracht hat hat ein Recht

Helmut Kohl beobachtete das raquoTechtelmechtellaquo seinesFreundes Dr Ries mit dem CSU-Boszlig Strauszlig von Mainz ausmit sehr gemischten Gefuumlhlen Nicht zuletzt dank der Start-hilfe und langjaumlhrigen Foumlrderung durch Dr Ries hatte er esdort inzwischen zum Ministerpraumlsidenten gebracht Ende Mai

1970 auch schon seine Kandidatur fuumlr den CDU-Bundesvorsitzangemeldet sich aber im Oktober 1971 auf dem CDU-Parteitageine Abfuhr geholt statt seiner war Rainer Barzel gewaumlhlt wor-den Kohl war jedoch entschlossen es nochmals zu probierenund 1975 zugleich ein noch houmlheres Ziel anzustreben naumlmlichKanzlerkandidat der Union zu werden und spaumltestens dannwuumlrde er in Strauszlig seinen gefaumlhrlichsten Rivalen haben

Indessen haumltte ihn sein langjaumlhriger Goumlnner Dr Ries schondamals beruhigen koumlnnen Ries und seine Freunde aus derbundesdeutschen Konzernwelt hatten bereits ganz bestimmtePlaumlne und tatsaumlchlich waren sie sich schon darin einig gewor-den es mit Helmut Kohl als Kanzlerkandidaten zu versuchenwogegen sie nach langem Hin und Her den CSU-Chef FranzJosef Strauszlig als zwar sehr nuumltzlich im Ruumlstungszentrum Muumln-chen aber als raquowenig geeignetlaquo als Regierungschef in Bonnangesehen und von der Liste der moumlglichen Kanzlerkandida-ten gestrichen hatten Allerdings auch darin waren sich dieHerren des Groszligen Geldes einig geworden sollte HelmutKohl raquoeine intellektuelle Stuumltzelaquo erhalten Denn so unbestrit-ten Kohls demagogische Talente und sein ruumlcksichtsloser Ge-brauch der Ellenbogen waren so wenig vertraute man seinengeistigen Faumlhigkeiten

Deshalb war ebenfalls auf Schloszlig Pichlarn schon zuBeginn der siebziger Jahre entschieden worden dem Dr Kohlfuumlrs kuumlnftige Kanzleramt eine raquoNummer zweilaquo an die Seite zustellen einen wie der damalige Hauptbeteiligte es nannte raquoIntelligenzbolzenlaquo der Kohls erkennbares intellektuellesDefizit ausgleichen und in Wahrheit raquodie Richtlinien der Poli-tiklaquo bestimmen sollte Wieder war es Dr Fritz Ries der von denganz groszligen Bossen dazu ausersehen wurde einerseits dieschon erkorene raquoNummer zweilaquo auf den gemeinsam gefaszligtenPlan raquoeinzustimmenlaquo andererseits seinem Schuumltzling Kohlklarzumachen daszlig er solche raquointellektuelle Stuumltzelaquo brauchenwuumlrde und zu akzeptieren haumltte denn schlieszliglich wolle er dochder Nachfolger Adenauers und womoumlglich sogar Bismarckswerden Auch diese so erklaumlrte der gewiefte GeschaumlftsmannDr Ries dem unbedarften Doktor der Geschichte Kohl haumltteneine graue Eminenz im Kanzleramt gehabt der eine seinen

Staatssekretaumlr Dr Globke der anderen seinen Geheimrat vHolstein

Helmut Kohl schien-wie eine Zeugin dieses Gespraumlchs sichdeutlich erinnert zwar uumlber Adenauers Staatssekretaumlr imKanzleramt Dr Hans Maria Globke Bescheid zu wissen eswar ihm wohl nicht entgangen daszlig dieser Dr Globke bis zuAdenauers Ruumlcktritt im Jahre 1963 die Bonner Personalpolitikvon der Gruumlndung der BRD an maszliggeblich beeinfluszligt auchdie westdeutschen Geheimdienste geleitet und zugleich dasVertrauen des hohen katholischen Klerus genossen hatte (diesuumlbrigens auch schon zur Zeit der Nazi-Diktatur als damaligerJudenreferent des Reichsinnenministeriums erst unter dem1946 in Nuumlrnberg als Hauptkriegsverbrecher hingerichteten -Dr Wilhelm Frick dann unter dessen Nachfolger dem raquoReichs-fuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler weshalb er selbst als Nr 101 aufder Kriegsverbrecherliste der Alliierten verzeichnet gewesenwar)

Aber Helmut Kohl hatte wie er dem Konsul Dr Ries freimuuml-tig gestand von einer raquograuen Eminenzlaquo Bismarcks namensFriedrich v Holstein noch nie etwas gehoumlrt was von seinemvaumlterlichen Freund und Goumlnner schmunzelnd zur Kenntnisgenommen worden war und er hatte dann gesagt Kohl muumlssenoch einiges lernen Spitzenpolitiker brauchten genau wie dieInhaber groszliger Unternehmen hochintelligente und fleiszligigeRatgeber zumal dann wenn diplomatische Meisterstuumlckegefordert seien Dabei gab er Kohl augenzwinkernd zu verste-hen daszlig Intelligenz Fleiszlig und diplomatisches Geschick nichtgerade zu dessen hervorstechenden Eigenschaften zaumlhlten

Wie Konsul Dr Ries dann die heikle Aufgabe loumlste demkuumlnftigen Kanzlerkandidaten des Groszligen Geldes eine vonihm und seinen maumlchtigen Freunden ausgesuchte -raquoNummerzweilaquo schmackhaft zu machen verdient uneingeschraumlnkteBewunderung und wird im uumlbernaumlchsten Kapitel geschildertwerden

Doch zunaumlchst lieszlig Ries seinen Schuumltzling Kohl im unklarendaruumlber wen er fuumlr ihn als raquointellektuelle Stuumltzelaquo im Augehatte Er ging statt dessen so erinnert sich die Zeugin deutlichzu seinem Lieblingsthema uumlber und lobte die geniale Strategie

des raquoReichsgruumlnderslaquo Bismarck Man muumlsse sie den gewandel-ten Verhaumlltnissen und der abermaligen Notwendigkeit wirt-schaftlicher Expansion diesmal nicht mit militaumlrischen Mit-teln geschickt anpassen Ein raquoUumlberrollen der Zone bei derersten Gelegenheitlaquo bezeichnete Dr Ries damals als raquodurchausmachbarlaquo und er sah sein aufmerksam lauschendes politischesZiehkind Helmut Kohl bereits als raquomoumlglichen Eisernen Kanz-ler dieser neuen oumlkonomischen Groszligmachtlaquo

Was nun diese heute fast prophetisch anmutenden Visio-nen des Dr Fritz Ries zu Beginn der siebziger Jahre angeht sowaren sie damals bei westdeutschen Industriellen seines Altersund Schlages durchaus keine Seltenheit Ratgeberwie Dr Eber-hard Taubert und andere fruumlhere raquoOstraumlaquo-Experten bestaumlrk-ten ihre Brotherren fleiszligig in solchen Wunschtraumlumen undwas die Bismarck-Schwaumlrmerei des Dr Ries betraf so war sieebenfalls in Mode zumal in konservativen Kreisen und bei

raquoAlten Herrenlaquo schlagender StudentenverbindungenWarum das bedarf einer kurzen Erlaumluterung

Kurzer Ausflug in die deutscheGeschichte

Der erste deutsche Reichskanzler der Neuzeit Otto v Bis-marck mit dem Helmut Kohl gern verglichen werden moumlchtefuumlhrt in manchen Geschichtsbuumlchern den Beinamen raquoEisernerKanzlerlaquo weil er mit groszliger Energie und meist im Alleingangoft gegen die Volksmeinung und die Parlamentsmehrheit mit-unter auch gegen die Wuumlnsche und Absichten des Staatsober-haupts seine eigene Politik verfolgte Diese war darauf gerich-tet durch eine Reihe von Eroberungskriegen und geschickteraquoVereinnahmungenlaquo das Koumlnigreich Preuszligen dessen Regie-rungsgeschaumlfte er von 1862 an fuumlhrte zur staumlrksten Macht inEuropa werden zu lassen

Dieses Preuszligen war bis zum Untergang der Hohenzollern-Monarchie im Jahre 1918 ein besonders reaktionaumlrer und milita-ristischer Obrigkeitsstaat wo adlige Groszliggrundbesitzer soge-nannte Junker zu denen auch Bismarck gehoumlrte den Ton anga-ben und alle houmlheren Posten in Staat und Armee besetzt hiel-ten Bei seinem Eintritt in die Politik machte sich der junge Bis-marck mit der Feststellung bekannt raquoIch bin ein Junker undwill meinen Vorteil davon habenlaquo Indessen war er trotz dieserArroganz sehr intelligent und weit gebildeter als die allermei-sten seiner Standesgenossen

Fuumlr das Abgeordnetenhaus des Junkerstaats Preuszligen demer angehoumlrte galt - bis 1918 - ein Dreiklassenwahlrecht ZweiDrittel aller Erwachsenen durften ohnehin nicht waumlhlen weilsie entweder Frauen oder unter 25 oder Empfaumlnger oumlffentlicherBeihilfen waren oder keinem eigenen Haushalt vorstandenDas uumlbrige Drittel war in drei Klassen eingeteilt Die wenigenHoumlchstbesteuerten die mittleren Steuerklassen und die Masseder Niedrigstbesteuerten waumlhlten jeweils die gleiche Anzahlvon Wahlmaumlnnern die ihrerseits gemeinsam den Abgeordne-ten des Bezirks bestimmten Damit war garantiert daszlig die Rei-

und Wohlhabenden immer das Sagen hatten der breiteMittelstand unterlegen blieb und die Masse des Volkes gar kein-nen Einfluszlig auf die Zusammensetzung des Parlaments aus-uumlben konnte

Trotz dieser voumlllig undemokratischen Verhaumlltnisse vermoch-te Bismarck als er 1862 preuszligischer Ministerpraumlsident gewor-den war in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit nur gegendas Parlament und an diesem vorbei zu regieren weil auch denwohlhabenden Buumlrgern Preuszligens seine auf Krieg gerichtetePolitik und die enormen Ruumlstungsausgaben verhaszligt warenErst als Bismarck ihnen durch umfangreiche Eroberungen denersehnten groumlszligeren Markt und stark vermehrten Profit be-schert hatte waren auch die meist nationalliberalen Besitz-buumlrger von ihm begeistert

Durch drei Angriffskriege 1864 im Buumlndnis mit Oumlsterreichgegen das kleine Daumlnemark 1866 gegen den Deutschen Bundund dessen Vormacht Oumlsterreich gegen Frankreich verwirklichte Bismarck seine kuumlhnen Plaumlne und man nanntedies (und nennt es wohl noch heute) sein raquoEinigungswerklaquoDabei hatte er in Wahrheit keineswegs alle Deutschen in einemNationalstaat vereinigt vielmehr rund ein Fuumlnftel aller Deut-schen Mitteleuropas ausgesperrt Die uumlber zehn MillionenDeutschoumlsterreicher von Nordboumlhmen bis Suumldtirol waren alsgeschlagene raquoFeindelaquo nicht in das 1871 gegruumlndete DeutscheReich aufgenommen worden Dafuumlr zaumlhlte das Bismarck-Reichunter seinen damals 42 Millionen Einwohnern uumlber vier Millio-nen Nichtdeutsche darunter knapp drei Millionen raquoMuszligpreu-szligenlaquo polnischer Muttersprache je rund 150 000 Litauer ren und Kaschuben knapp 200000 Daumlnen sowie annaumlhernd300 000 Franzosen und Wallonen Sie waren durch Eroberun-gen preuszligische Untertanen geworden oder lebten im annek-tierten von Preuszligen beherrschten raquoReichslandlaquo Elsaszlig-Lothrin-gen Uumlberhaupt war das von Bismarck geschaffene DeutscheReich in Wahrheit nur ein vom stark vergroumlszligerten Preuszligen be-herrschtes Wirtschaftsgebiet dessen nichtpreuszligische Teile einegewisse Scheinsouveraumlnitaumlt genossen Die Bezeichnung raquoDeut-

Reichlaquo war eine geschickte Taumluschung weil das mittel-europaumlische Reich des Mittelalters das in der Neuzeit

gen worden und 1806 auch formal untergegangen war einegaumlnzlich andere Struktur und Bedeutung auch keine wirklicheZentralgewalt keine staumlndige Hauptstadt zudem flieszligendeGrenzen gehabt hatte und weder zum Reich noch zum Deut-schen Bund der von 1815 bis 1866 bestanden hatte war daseigentliche Preuszligen je gerechnet worden

Mit dem raquoBlitzkrieglaquo Preuszligens gegen den Deutschen Bundhatte Bismarck diesen zerschlagen Oumlsterreich in Deutschlandentmachtet und daraus verdraumlngt Preuszligen aber stark vergrouml-szligert um Schleswig-Holstein das Koumlnigreich Hannover Hes-sen-Kassel Hessen-Nassau und die Reichsstadt Frankfurt amMain - so daszlig dieser von ihm regierte Hohenzollernstaat dersich einige Jahrzehnte zuvor schon halb Sachsen und dasRheinland einverleibt hatte nun zu einer Mitteleuropa beherr-

gegen Frankreich wurde Preuszligen-Deutschland zur staumlrkstenMacht auf dem Kontinent vereinnahmte Lothringen und dasElsaszlig gruumlndete das nun von Berlin aus regierte DeutscheReich und gliederte diesem zur Verstaumlrkung des preuszligischenUumlbergewichts Ost- und Westpreuszligen sowie das Groszligherzog-tum Posen an

Noch 23 Jahre zuvor nach der Maumlrzrevolution von 1848 warder damalige Preuszligenkoumlnig Friedrich Wilhelm IV unter demDruck der demokratischen Erhebung der Berliner zu der Erklauml-rung gezwungen gewesen raquoPreuszligen geht fortan in Deutsch-land auflaquo Das hatte dem Wunsch der groszligen Mehrheit entspro-chen die ein demokratisches im Frieden mit den Nachbarnlebendes Deutschland ohne Fuumlrsten und Kleinstaaterei gefor-dert hatte

Aber die demokratische Revolution war dann von preuszligi-schem Militaumlr niedergewalzt worden unter dem Befehl jenesPrinzen Wilhelm den Bismarck 1871 zum Deutschen Kaiserproklamieren lieszlig als es ihm gelungen war Deutschland inPreuszligen aufgehen zu lassen unter Fortbestand der Adelspri-vilegien und der Scheinsouveraumlnitaumlt von 26 deutschen Klein-

Dieses von Bismarck geschaffene und dann noch fast zweiJahrzehnte lang regierte Hohenzollernreich erfuumlllte die

der Industrie und Handels war aber nach obrigkeits-staatlichen autoritaumlren gaumlnzlich undemokratischen Grundsaumlt-zen aufgebaut Adel Militaumlr und im Bunde mit diesen die Her-ren der sich stuumlrmisch entwickelnden Industrie gaben den Tonan Die immer staumlrker werdende Opposition der ausgebeutetenIndustriearbeiterschaft versuchte Bismarck durch die raquoSoziali-stengesetzelaquo mundtot zu machen und die Sozialdemokratiesamt ihren Gewerkschaften zu zerschlagen vergeblich dennbeide wurden noch um vieles staumlrker Deshalb wurde dieArmee abermals vermehrt denn sie sollte auch den raquoinnerenFeindlaquo in Schach halten

Erfolgreich war Bismarck hingegen mit seiner DiplomatieSie war darauf gerichtet sein raquoDeutsches Reichlaquo genanntesGroszligpreuszligen zu festigen und das Risiko weiterer Kriege zu ver-meiden Diese kluge Zuruumlckhaltung wurde nach BismarcksSturz im Jahre 1890 schon bald aufgegeben Kaiser Generalitaumltund Groszligkapital draumlngten auf weitere Machtausdehnung Siewollten die Vorherrschaft nicht allein auf dem europaumlischenKontinent sondern auch auf den Meeren Dem unausweichli-chen Konflikt mit allen anderen Groszligmaumlchten den dieses Stre-ben nach Weltherrschaft heraufbeschwor sah die deutscheFuumlhrung siegesgewiszlig

Indessen endete der Erste Weltkrieg 1918 mit der militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Zusammenbruch derHohenzollern-Monarchie Im selben Spiegelsaal des VersaillerSchlosses wo das Bismarck-Reich gegruumlndet worden warwurde 47 Jahre spaumlter dessen Untergang besiegelt und Deutsch-land auf die Grenzen zurechtgestutzt die dann bis 1937 galten

Die Kriegstreiber von 1914 und die konservative deutscheRechte wollten sich jedoch weder mit diesen raquounrechtmaumlszligigenlaquoGrenzen noch mit den uumlbrigen Folgen der militaumlrischen Nie-derlage von 1918 abfinden Deutschlands Abruumlstung und dieHerstellung demokratischer und sozial gerechterer Verhaumllt-nisse waren ihnen ein Greuel Die Herren des Groszligen Geldeszumal die der Ruumlstungsindustrie im Bunde mit den Militaumlrsund den um ihre verlorenen Privilegien trauernden preuszligi-schen Junkern betrieben fortan den Sturz der Republik Siefinanzierten rechte und ultrarechte Kampforganisationen vom

raquoStahlhelmlaquo bis zur SS schufen einen deutschnationa-len Presse und Filmindustrie weitgehend beherrschenden Pro-pagandaapparat und nutzten die Weltwirtschaftskrise die inDeutschland ihren Houmlhepunkt erreichte der durchMassenarbeitslosigkeit und Elend geschwaumlchten Republiknach nur vierzehn Jahren ihres Bestehens den Garaus zumachen

Die Nazi-Diktatur die sie Anfang 1933 errichteten unddurch rechtskonservative Fachleute ihres Vertrauens unterKontrolle zu halten hofften war aber von noch kuumlrzerer DauerAnfangs erfuumlllten die Nazis zwar die vom Groszligen Geld in siegesetzten Erwartungen Sie zerschlugen sofort und mit aumluszliger-ster Brutalitaumlt die Gewerkschaften und die miteinander verfein-deten Linksparteien beseitigten die Tarifautonomie dieBetriebsraumlte das Streikrecht und begannen sogleich mit massi-ver Aufruumlstung Auch der Krieg den Hitler 1939 vom Zaunbrach brachte anfangs die erhofften Eroberungen und Ausbeu-tungsmoumlglichkeiten Aber er endete wie nicht anders zu erwar-ten gewesen war nach sechs Jahren des Grauens und der Ver-wuumlstung groszliger Teile Europas mit der vollstaumlndigen militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Untergang der Nazi-Diktatur in Schutt und Schande

45 Jahre lang war das uumlbriggebliebene Deutschland erst invier Besatzungszonen dann in zwei selbstaumlndige jahrzehnte-lang keine Beziehungen zueinander unterhaltende Staaten auf-geteilt die entgegengesetzten gesellschaftlichen und politi-schen Systemen angehoumlrten

Konrad Adenauer erster Bundeskanzler von 1949 bis 1963zog aus den Gegebenheiten politische Konsequenzen die sei-ner Herkunft Erfahrung und Grundeinstellung entsprachenEr wurzelte noch im 19 Jahrhundert und hatte die ersten 42Jahre seines Lebens unter dem autoritaumlren Regime des wilhel-minischen Kaiserreichs verbracht Er war Rheinlaumlnder Katho-lik Mitglied der katholischen Zentrumspartei wo er dem eherrechten Fluumlgel angehoumlrte der im Sozialismus den Erzfeind imFaschismus einen moumlglichen Verbuumlndeten sah 1929 als Mus-solini der den italienischen Arbeiterfuumlhrer Giacomo Mateottikurz zuvor hatte ermorden lassen seinen Frieden mit dem

Vatikan machte telegrafierte ihm Adenauer damals Koumllner

staben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragenlaquo1919 nach dem Untergang der Hohenzollern-Monarchie hatteAdenauer schon mit dem Gedanken geliebaumlugelt Westdeutsch-land vom sozialistisch regierten Reich abzuspalten und es alsstarken Partner in eine katholisch-konservative Wirtschafts-union der westlichen Nachbarn Belgien Luxemburg undFrankreich einzubringen 1945 nahm er diese Plaumlne sogleichwieder auf

raquoNach meiner Ansichtlaquo erklaumlrte Adenauer am 5 Oktober1945 raquosollten die Westmaumlchte die drei Zonen die sie besetzt hal-ten tunlichst in einem rechtsstaatlichen Verhaumlltnis zueinanderbelassen Das Beste waumlre wenn die Russen nicht mittun wollensofort wenigstens aus den drei westlichen Zonen einen Bundes-staat zu bildenlaquo Es konnte ihm also mit der Teilung Deutsch-lands gar nicht schnell genug gehen und er fuumlgte dann noch

einem solchen westdeutschen Bundesstaat zu genuumlgen muumlszligteman die Wirtschaft dieses westdeutschen Gebiets mit der Frank-reichs und Belgiens so eng wie moumlglich verflechtenlaquo

Es war indessen nicht allein Adenauers Sympathie fuumlr einenges Buumlndnis mit den katholischen Nachbarn oder seine tiefeAbneigung gegen alles auch nur entfernt Sozialistische die ihnauf eine Spaltung Restdeutschlands in einen kapitalistischenWeststaat und einen den Sowjets uumlberlassenen Oststaat hinar-beiten lieszlig Vielmehr war er auch obwohl zwoumllf Jahre lang Prauml-sident des Preuszligischen Staatsrats der Weimarer Republik einentschiedener Gegner Preuszligens

raquoWir im Westen lehnen vieles was gemeinhinGeistlt genannt wird ablaquo so hatte er in der raquoWeltlaquo vom 30 vember 1946 erklaumlrt raquoIch glaube daszlig die deutsche Hauptstadteher im Suumldwesten liegen soll als im weit oumlstlich gelegenen Ber-

Sobald aber Berlin wieder Hauptstadt wird wird das Miszlig-trauen im Ausland unausloumlschlich werden Wer Berlin zur neuenHauptstadt macht schafft geistig ein neues Preuszligenlaquo Schon fruuml-her hatte Adenauer Berlin eine raquoheidnische Stadtlaquo genanntPreuszligen als raquoAnfang Asienslaquo bezeichnet Die Schaffung der

Bundesrepublik mit dem linksrheinischen buumlrgerlich-konser-vativen und gutkatholischen Bonn als Hauptstadt und die Ent-muumlndigung der Westberliner in Bundestag und Bundesratwaren ganz nach seinem Herzen und sicherten die Herrschaftseiner Union denn die Hochburgen des katholischen Zen-trums hatten vor 1933 in Gebieten gelegen die nun zur BRDgehoumlrten die der Sozialdemokraten aber uumlberwiegend in dernunmehrigen DDR und in Ostberlin

Wenn Adenauer als Bundeskanzler dennoch bei jeder Gele-genheit von einer zu erhoffenden und zu erstrebenden raquoWie-dervereinigunglaquo sprach und auch raquodie Grenzen vonforderte so waren dies notwendige Zugestaumlndnisse an dieGefuumlhle der fast zwoumllf Millionen Fluumlchtlinge und Vertriebenendie sich in den ersten zehn Jahren in Westdeutschland fremdund benachteiligt fuumlhlten und damals noch auf eine baldigeRuumlckkehr in die fruumlhere Heimat hofften Aber seine tatsaumlchli-che Politik war keineswegs auf eine Wiedervereinigung ausge-richtet vielmehr auf die rasche und alle Bereiche umfassendeIntegration der BRD in das westliche Buumlndnis die er ja auchmit erstaunlichem Erfolg betrieb wogegen er jeden Vorschlagvon oumlstlicher Seite die Einheit Deutschlands wiederherzustel-len dafuumlr auf Aufruumlstung NATO-Mitgliedschaft und Stationie-rung von Atomwaffen zu verzichten als raquokommunistischesBlendwerklaquo energisch zuruumlckwies auch Viermaumlchtegarantienfuumlr ein neutralisiertes Gesamtdeutschland (nach dem MusterOumlsterreichs) als raquoFirlefanzlaquo abtat

Unter Adenauer wurde Anfang der fuumlnfziger Jahre die soge-nannte Hallstein-Doktrin entwickelt Sie beruhte auf demAnspruch der Bundesrepublik allein die Rechtsnachfolge desuntergegangenen Deutschen Reiches angetreten zu haben unddie Interessen aller Deutschen zu vertreten Die DDR war die-ser Doktrin zufolge raquonichtexistentlaquo also staatsrechtlich garnicht vorhanden

Dieser Unfug der auch keinerlei Kontakte auf Regierungs-ebene zwischen Bonn und Ostberlin zulieszlig zementierte dieTeilung Deutschlands und machte es dem stalinistischenRegime Walter Ulbrichts leicht ja uumlberhaupt erst moumlglich sichvoumlllig abzukapseln und einzumauern immer unter Hinweis

eumleth

auf die kompromiszliglos feindselige Haltung Bonns die wach-sende militaumlrische Bedrohung durch die Bundesrepublik unddie Notwendigkeit sich gegen die westdeutsche Propagandaund Agentenflut zu schuumltzen Erst durch Willy Brandt denersten sozialdemokratischen Kanzler wurde von 1969 an eineneue Ostpolitik gewagt und die Hallstein-Doktrin fallengelas-

Die neue von der CDUCSU heftig bekaumlmpfte OstpolitikWilly Brandts mit dem Ziel die friedensgefaumlhrdende Hochruuml-stung abzubauen und die innerdeutschen Beziehungen nichtzuletzt den Reiseverkehr allmaumlhlich zu normalisieren machtedem Kalten Krieg ein Ende und setzte auf raquoWandel durchAnnaumlherunglaquo

Diese Hoffnung erfuumlllte sich im Herbst 1989 Aber es warennun Helmut Kohl dessen Union und deren freidemokratischeKoalitionspartner die ernten konnten was Willy Brandt unddessen politische Freunde nach muumlhseliger Abtragung der inJahrzehnten des Kalten Krieges angehaumluften Hindernissegesaumlt hatten Kohl ohne eigenes Zutun ploumltzlich zum raquoKanzlerder deutschen Einheitlaquo aufgestiegen nutzte seine ChanceNachdem sich die DDR aus eigener Kraft vom Honecker-Regime befreit hatte versprach Kohl deren Buumlrgerinnen undBuumlrgern goldene Berge raquobluumlhende Landschaftenlaquo und gren-zenlose Konsumfreiheit und tatsaumlchlich gelang ihm so derkaum noch erhoffte Wahlsieg im Dezember 1990

Seither haben die Menschen im raquoBeitrittsgebietlaquo der neuenBundeslaumlnder erfahren was es heiszligt brutal und ruumlcksichtslosvereinnahmt und dem raquofreien Spiel der Kraumlftelaquo ausgeliefert zuwerden Sie konnten nicht ahnen daszlig es Helmut Kohl und sei-ner Regierungskoalition nur darum ging (und noch geht) auchoumlstlich der Elbe jene Umverteilung von unten nach ganz obendurchzufuumlhren die in Westdeutschland schon seit Jahren imGange war Dieser Prozeszlig der keinerlei Ruumlcksicht auf die so-zial Schwachen zulaumlszligt dient allein den Interessen der Super-reichen

Denn dafuumlr wurde Helmut Kohl von Konsul Dr Ries derihn von der Schulbank an gefoumlrdert und ihm spaumlter umfangrei-che Hilfe bei seinem politischen Aufstieg verschafft hatte im

Auftrag der Herren des Groszligen Geldes auserwaumlhlt Dafuumlrwurde Kohl an die Spitze der CDU gehievt und mit einem klu-gen Ratgeber versehen der ihn ins Kanzleramt begleiten undKohls Maumlngel zumal die an Intelligenz und Takt ausgleichensollte

Nachdem wie bereits geschildert Rainer Barzels CDU-Chefsessel fuumlr Helmut Kohl mit Hilfe von viel Flick-Geld raquofrei-gefaumlcheltlaquo worden war hatte Dr Ries 1972173 die delikate Auf-gabe den kuumlnftigen Ratgeber behutsam auf dieses Amt vorzu-bereiten seinen Schuumltzling Helmut Kohl auf die fuumlr ihn auser-sehene raquoNummer einzustimmen und beide unter seineFittiche zu nehmen

Zum besseren Verstaumlndnis vorausgeschickt Im Juli 1976 nur13 Monate vor der Entfuumlhrung und schlieszliglichen ErmordungDr Hanns Martin Schleyers durch RAF-Terroristen hatte derAutor dieses Schwarzbuchs ein laumlngeres Gespraumlch mit diesemraquoBoszlig der Bosselaquo der damals Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG Praumlsident der Bundesvereinigung der DeutschenArbeitgeberverbaumlnde (BDA) und Vertrauensmann der Flick-Gruppe war bald darauf auch noch Praumlsident des Bundesver-bands der Deutschen Industrie (BDI) wurde Die Unterhal-tung war auf Wunsch Dr Schleyers zustande gekommen

Bei dem gemeinsamen Mittagessen in einem MuumlnchenerHotel zeigte sich Dr Schleyer ungewoumlhnlich offen Soweit esseine und seiner Freunde politischen Plaumlne betraf erklaumlrte eres sei ein Irrtum zu glauben Franz Josef Strauszlig sei ihr Favoritfuumlr das Kanzleramt raquoEr hat groszlige Qualitaumltenlaquo meinte damalsSchleyer uumlber Strauszlig raquoaber er ist zu unkontrolliert und zuangreifbar laquo

Nun gab es wahrlich Gruumlnde genug den damaligen CSU-Chef fuumlr raquozu angreifbarlaquo zu halten Er stand wie das Landge-richt Muumlnchen ihm bescheinigt hatte raquoim Ruch der Korrup-tionlaquo und seine Laufbahn war seit den fruumlhen fuumlnfziger Jahrenals er Bundesverteidigungsminister Adenauers wurde eineKette von Skandalen und Affaumlren Aber Dr Schleyer hatte wiesich dann herausstellte mit der raquoAngreifbarkeitlaquo des FJS etwasanderes gemeint und dessen skandaloumlse Verquickung von poli-tischer Amtsfuumlhrung und privaten Geschaumlften unter die Rubrikraquozu unkontrolliertlaquo eingeordnet Das ergab sich aus einemZusatz der sinngemaumlszlig etwa besagte Ihm Schleyer sei es egal

Naumlheres daruumlber ist nachzulesen in Bernt Engelmann raquoGroszliges Bundesver-dienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

daszlig die Leute nun wuumlszligten daszlig er mal SS-Fuumlhrer gewesen seiaber er wolle ja nicht Bundeskanzler werden

Schleyers Bemerkung Strauszlig waumlre als Kanzler raquozu angreif-barlaquo hatte sich also auf dessen Nazi-Vergangenheit bezogenund zwar etwa in der Bedeutung Als Ministerpraumlsident in Bay-ern kann ein Mann wie Strauszlig noch durchgehen aber nicht alsBundeskanzler in Bonn

Zur weiteren Klarstellung Franz Josef Strauszlig leugnete zeit-lebens seine Nazi-Vergangenheit er hatte fuumlr alles ganz harm-lose Erklaumlrungen Gewiszlig er habe dem NSKK angehoumlrt aberdieses NS-Kraftfahrkorps sei unpolitisch gewesen er selbst nurMitglied wegen seiner Leidenschaft fuumlrs Motorradfahren alsStudent habe er einer raquoPflichtorganisationlaquo dem NS Deut-schen Studentenbund (NSDStB) als einfaches Mitglied ange-houmlrt schlieszliglich sei er gegen Kriegsende raquoOffizier fuumlr wehrgei-stige Fuumlhrunglaquo gewesen habe den Soldaten Geschichtsunter-richt erteilt aber als er dann NSFO NS-Fuumlhrungsoffizierhatte werden sollen da habe er abgelehnt und sich dem heimli-chen Widerstand angeschlossen

Tatsaumlchlich ist urkundlich erwiesen daszlig es mit alledem eineganz andere Bewandtnis gehabt hat und Dr Schleyer wuszligteaus eigener Erfahrung daszlig der NSDStB alles andere war alseine harmlose raquoPflichtorganisationlaquo naumlmlich die auf nur5 000 Mitglieder im ganzen Groszligdeutschen Reich strikt be-grenzte Kaderschule fuumlr den SD den gefuumlrchteten Sicher-heitsdienst der SS dem ja auch Dr Schleyer selbst angehoumlrthatte

Wenn aber Hanns Martin Schleyer und die ihm nahestehen-den Kreise damals 1976 von Franz Josef Strauszlig als Kanzler-kandidat nichts hielten wen mochten er und seine Freundedann im Auge haben

Der Autor stellte ihm diese Frage und uumlberraschenderweiseerwiderte Dr Schleyer ohne ZoumlgernraquoWir setzen auf das Tandem KohlBiedenkopflaquo

Professor Kurt Biedenkopf der 1973 zur allgemeinen Uumlber-raschung Generalsekretaumlr des CDU-Bundesvorstands gewor-den war galt als raquoVordenkerlaquo der Union Im uumlbrigen war er fuumlrdie bundesdeutsche Oumlffentlichkeit im Wahljahr 1976 noch ein

unbeschriebenes Blatt Wer sich uumlber den Professor der bislangkein Bundestagsmandat gehabt hatte naumlher informierenwollte fand im raquoWer ist werlaquo folgenden auf eigenen Angabendes Professors beruhenden Eintrag

am 28 Januar 1930 in (Vater Wilhelm -

mitglied der C Rudolf Poensgen-Stiftung Vorsitzender des

- Buchveroumlffentlichungen Aktuelle Grundsatzfragen des Kartell-

beschraumlnkungen und Wirtschaft 1958 Unternehmer und Gewerk-

Diese Angaben waren nicht sehr aufschluszligreich Zunaumlchst lie-szligen sie vermuten daszlig es sich bei Professor Biedenkopf umeinen stillen Gelehrten handelte der im In- und Ausland flei-szligig studiert hatte um dann eine steile Universitaumltskarriere ein-zuschlagen In rascher Folge war er Privatdozent Ordinariusund sogar Rektor der Bochumer Ruhruniversitaumlt gewordendaneben mit zahlreichen Buchveroumlffentlichungen hervorgetre-ten und in Stifterverbaumlnden aktiv gewesen Aber dann hatte ihnploumltzlich die Politik in Beschlag genommen und er war sozusa-gen aus dem Stand CDU-Generalsekretaumlr geworden

Noch ein weiterer Umstand gab dem Leser der Kurzbiogra-phie Raumltsel auf denn es fehlte darin selbst der kleinste Hinweisauf Herkunft Schulzeit Beruf des Vaters und dergleichenMan konnte vermuten daszlig da vielleicht ein schlichtes Proleta-rierkind aus Bescheidenheit oder falscher Scham seinenraschen Aufstieg ein wenig zu verschleiern trachtete

Indessen war Professor Dr Kurt H Biedenkopf beileibe keinsozialer Aufsteiger vielmehr der Sohn des Dipl Ing Wilhelm

Biedenkopf aus Chemnitz Jahrgang 1900 der bis zu seiner Pen-sionierung ordentliches Vorstandsmitglied einer Perle unterden zur Flick-Gruppe gehoumlrenden Unternehmen naumlmlich derraquoDynamit-Nobel AGlaquo in Troisdorf gewesen war zuvor techni-scher Direktor vielfacher Aufsichts- und Beirat waumlhrend desZweiten Weltkriegs auch ein vom raquoFuumlhrerlaquo besonders belo-bigter und belohnter raquoWehrwirtschaftsfuumlhrerlaquo Ganz zufaumllli-gerweise war Vater Wilhelm Biedenkopf zuletzt auch Mitglieddes Beirats jenes Unternehmens in Bergisch-Gladbach daswesentlich zu den Gewinnen des raquoPegulanlaquo-Konzerns beigetra-gen hatte und an dem Frau Marianne Strauszlig die Gattin desCSU-Chefs von Konsul Dr Ries hochherzigerweise mitzuletzt etwa 16 Prozent beteiligt worden war

Ein weiterer Zufall Sohn Kurt der spaumltere CDU-General-sekretaumlr war waumlhrend eines beruflich bedingten Aufenthaltsseines Vaters als die BASF dessen Dienste in Anspruchgenommen hatte anno 1930 in LudwigshafenRh zur Weltgekommen genau wie Helmut Kohl und mit diesem hatte erauch gemeinsam die Volksschule besucht

Dann aber hatten sich ihre Wege getrennt Der aus unbemit-telter Beamtenfamilie stammende Helmut Kohl muszligte sichwie wir bereits wissen recht muumlhsam nach oben hangeln unddabei spielte sein Foumlrderer Dr Ries eine wichtige Rolle KurtBiedenkopf hingegen hatte in den USA politische Wissenschaf-ten in Muumlnchen und Frankfurt Jura und Volkswirtschaft stu-diert zum Doktor der Rechte und zum Master of Law promo-viert sich mit einer Arbeit uumlber raquoDie Grenzen der Tarifautono-mielaquo habilitiert (und damit zugleich die Aufmerksamkeit derKonzernherren und des Arbeitgeberverbands erregt) und war1967 juumlngster Rektor der Bundesrepublik in Bochum gewordenIn den folgenden Jahren hatte er sich gesellschafts- und wirt-schaftspolitisch zu profilieren begonnen raquoIn seinem BekenntnisZU einer funktionsfaumlhigen Marktwirtschaft mit Wettbewerb und

schrieb damals raquoDer Spiegellaquo uumlber ihn raquolaumlszligt ersich von niemandem uumlberbietenlaquo

Weithin bekannt geworden war der Professor aber erst 1968als ihn Bundeskanzler Kiesinger mit der Leitung einer Kommis-sion beauftragte die fuumlr die Bundesregierung die Frage der

betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer untersuchensollte Diese raquoBiedenkopf-Kommissionlaquo wie sie dann genanntwurde rang sich zwar zu einer Wuumlrdigung der gut funktionie-renden paritaumltischen Mitbestimmung in der Montanindustriedurch entschied sich aber gegen die Ausdehnung diesesModells auf die gesamte Wirtschaft wie es GewerkschaftenSPD und CDU-Sozialausschuumlsse gefordert die Unternehmerjedoch als raquoruinoumls fuumlr die Wirtschaftlaquo abgelehnt hatten Iacute raquomiddotnot raquoreg

iquestfrac34raquoreg iquestlaquofrac12 frac14raquosup2 deg iquestregnotraquomiddotraquomiddotsup1 raquosup2 raquosup2 YacuteUumlEuml oacuteIacute plusmnbrvbar middotiquestacuteiquestlaquoshyshy frac12 $shyshy raquosup2 iquest shyfrac14raquoreg pararaquofrac14raquo Uumlraquosup3 plusmnmicroregiquestnotmiddotshy middotraquoreglaquosup2 sup1 frac14raquoreg Eacute middotregnotoacute

shyfrac12 iquestordmnot brvbar laquo frac34raquomicroltsup3 deg ordmraquosup2 shylaquofrac12cedil raquoograveu Umgekehrt fand nun einer dergroumlszligten bundesdeutschen Konzerne die Henkel-Gruppe daszligdieser so unternehmerfreundliche Professor genau der richtigeMann fuumlr sein Topmanagement sei Anfang 1971 konntedenkopf seine akademische Laufbahn vorerst beenden undGeschaumlftsfuumlhrer der Henkel GmbH werden Von diesem Kom-mandoposten des nicht nur im Waschmittelbereich fuumlhrendenChemie-Riesen dessen Eigentuumlmer als Groszligaktionaumlre desDEGUSSA-Konzerns und der NUKEM-Reaktorbau-Holdingbetraumlchtlichen Einfluszlig auf die Wirtschaft und die Politik derBundesrepublik ausuumlben lieszlig sich Professor Biedenkopf zwei-einhalb Jahre spaumlter weglocken und uumlbernahm den Posten desGeneralsekretaumlrs der in die Opposition verbannten CDU

Niemand vermutlich nicht einmal Kurt Biedenkopf selbstwird mit Bestimmtheit sagen koumlnnen wer oder was den Profes-sor dazu bewogen hat sich von der sicheren Kommandobruumlcke

Die NUKEM GmbH in Hanau gehoumlrt zu 35 Prozent der DEGUSSA derenGroszligaktionaumlr die Familie Henkel (raquoPersillaquo usw) ist Die NUKEM GmbH istihrerseits mit 40 Prozent des Kapitals an der ALKEM GmbH Hanau betei-ligt Der Geschaumlftsfuumlhrer dieser Brennelementefabrik Dr Alexanderkoff seit 1963 CDU-Bundestagsabgeordneter sowie vier weitere ALKEM-Manager wurden im Sommer 1986 von der Staatsanwaltschaft beschuldigtraquowesentliche technische Aumlnderungen im Produktionsablauf ohne atomrecht-liche Genehmigungsverfahren vorgenommen und damit die Sicherheit derAnlage verringert zu Warrikoff fanden sich dann andere Verwen-dungsmoumlglichkeiten Geschaumlftsfuumlhrendes Vorstandsmitglied des Wirtschafts-verbandes Kernbrennstoff-Kreislauf Vorsitzender des Verwaltungsrates derNVD -Nukleare Versicherungsdienst GmbH Bundesvorstandsmitglied desCDU-Wirtschaftsrates

des Henkel-Konzerns in die Wogen der Politik zu stuumlrzen Ver-buumlrgt ist jedoch daszlig Konsul Dr Fritz Ries dem Wunsch seinerGaumlste auf Schloszlig Pichlarn und inbesondere dem seines altenFreundes Hanns Martin Schleyer doch einen raquoIntelligenzbol-zenlaquo zu finden der bereit und imstande waumlre Helmut Kohlsdeutliche Maumlngel auszugleichen sowie beide auf ihre gemein-same Rolle raquoeinzustimmenlaquo mit Eifer und Geschick nachge-kommen ist

Vom Herbst 1972 an organisierte Dr Ries auf seiner steier-maumlrkischen Besitzung sogenannte raquoPichlarner TopmanagerGipfeltreffenlaquo die sich bald groszliger Beliebtheit erfreutenDenn die zur Ries-Besitzung gehoumlrende ProminentenherbergeraquoSchloszlighotel Pichlarnlaquo eignete sich vorzuumlglich dazu das Ange-nehme mit dem Nuumltzlichen zu verbinden

Nuumltzlich waren die Bekanntschaften die man dort machenkonnte denn zu den Pichlarner Gaumlsten gehoumlrten PolitikerIndustriekapitaumlne Bankiers Praumllaten und Militaumlrs nuumltzlichwaren auch die Vortraumlge die man dort houmlren konnte und dieanschlieszligenden Diskussionen und nuumltzlich war schlieszliglichauch die Moumlglichkeit die Pichlarn bot sich im Fitness-Zen-trum in der Schwimmhalle beim Golfspiel zu Pferde oder imJagdrevier vom Streszlig des Alltags zu erholen und die uumlberfluumlssi-gen Pfunde wegzutrimmen Angenehm waren die schoumlne Um-gebung die gepflegte Gastronomie und nicht zuletzt die rei-zende Betreuung teils durch attraktive Hostessen teils durchdie nicht minder liebenswuumlrdigen Toumlchter des Hauses

Kein Wunder also daszlig auch Professor Kurt Biedenkopf gernder Einladung folgte an solchen raquoPichlarner Topmanager-Gip-feltreffenlaquo teilzunehmen und da er wie man der steiermaumlrki-schen raquoSuumld-Ost-Tagespostlaquo damals entnehmen konnte dermit Abstand raquoprominenteste auslaumlndische Teilnehmer und Vor-tragendelaquo dieser Veranstaltungen war ist es leicht begreiflichdaszlig ihm die ganz besondere Fuumlrsorge des Schloszligherrn Dr Riesund seiner bei diesen Treffen stets anwesenden Tochter IngridKuhbier galt Beide lieszligen es sich nicht nehmen Professordenkopf nicht nur als bloszligen Dozenten prominenten Teilneh-mer der raquoGipfeltreffenlaquo und Hotelgast zu behandeln sondernvielmehr als einen engen Freund der Familie

In der Folgezeit - Kurt Biedenkopf war nun schon General-sekretaumlr der CDU geworden vertieften sich diese Beziehun-gen noch Man besuchte sich haumlufiger man telefonierte vielmiteinander und fuumlr die Zeit nach der Bundestagswahl 1976wurden in Pichlarn Frankenthal und Bonn gewisse Uumlberra-schungen erwartet die des ruumlhrigen Konsuls Ansehen und Ein-fluszligmoumlglichkeiten weiter vermehren wuumlrden

Es dauerte jedoch bis 1980 die Wahlen des Herbstes 1976brachten der von Helmut Kohl als Kanzlerkandidat von KurtBiedenkopf als CDU-Generalsekretaumlr gefuumlhrten Union nichtden erhofften Wahlsieg und sowohl Konsul Dr Ries als auchHanns Martin Schleyer weilten schon nicht mehr unter denLebenden bis die Beziehungen Biedenkopfs zur Ries-TochterIngrid nunmehr geschiedener Kuhbier auch standesamtlichbeurkundet wurden Professor Biedenkopf inzwischen eben-falls geschieden von seiner Ehefrau Sabine die ihm vier Kindergeboren hatte heiratete also die mit ihm schon so langebefreundete Ries-Tochter (und Mitgesellschafterin von FrauMarianne Strauszlig bei der raquoDyna-Plastiklaquo und anderen raquoPegu- lanlaquo-Konzerntoumlchtern) In damaligen Ausgaben des Prominen-ten-Lexikons raquoWer ist werlaquo verschwieg Kurt Biedenkopf aller-dings (und verschweigt noch immer) daszlig seine zweite Ehefrauebenfalls geschieden und eine Tochter des verstorbenen Kon-suls Dr Ries ist Dort lautete der auf eigenen Angaben beru-hende Eintrag verheiratet in 2 Ehe mit Ingrid geborenerKuhbierlaquo wo es doch richtig heiszligen muumlszligte raquo mit Ingridgeb Ries gesch Kuhbier raquoOb er sich nun seiner neuen fami-liaumlren Beziehungen zu dem toten Industriellen schaumlmte dereinen bedeutenden Teil seines Vermoumlgens der Ausbeutung vonZwangsarbeitern in und um Auschwitz und Lodz zu verdankenhatte oder ob es ihm fuumlr einen prominenten Christdemokratenunschicklich erschien allzu viele Scheidungen bekannt werdenzu lassen bleibt Kurt Biedenkopfs Geheimnis

Nach Auskunft des Testamentsvollstreckers des 1977 verstor-benen Konsuls Dr Fritz Ries sind heute weder Frau Ingrid Bie-denkopf geborene Ries oder deren Geschwisternoch die Erbender toumldlich verungluumlckten Frau Marianne Strauszlig am raquoPegulanlaquo- Konzern oder dessen Tochterfirmen beteiligt die raquoPegulan

AGlaquo gehoumlrt heute mehrheitlich der bundesdeutschen Holding-gesellschaft der British American Tobacco Co (BAT) BesagterTestamentsvollstrecker ist uumlbrigens der Muumlnchener Fachanwaltfuumlr Steuerrecht langjaumlhrige CSU-Bundestagsabgeordnete (seit1969 ohne eigenen Wahlkreis aber mit stets sicherem Listen-platz) und heutige GEMA-Chef Professor Dr Reinhold Kreile(zeitweilig Mitglied des CSU-Parteivorstands und -Praumlsidi-ums) der bis zum Verkauf des bundesdeutschen Flick-Imperi-ums auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Konzern-Holding-gesellschaft der raquoFriedrich Flick Industrieverwaltung Kom-manditgesellschaft auf Aktienlaquo in Duumlsseldorf war

Und damit schlieszligt sich nun der Kreis Denn es war der Per-sonalchef der Daimler-Benz AG (damaliger HauptaktionaumlrFlick) zugleich BDI- und BDA-Praumlsident Dr Hanns MartinSchleyer der seinen alten Freund und Bundesbruder KonsulDr Fritz Ries 1972 nach den vergeblichen Versuchen WillyBrandt durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzenin die Plaumlne einweihte wie der zweite Versuch einer raquoWendelaquogestartet werden sollte

Der gluumlcklose Barzel muszligte Kanzlerkandidatur und CDU-Parteivorsitz aufgeben bekam zum Trost viel Geld groumlszligten-teils von Flick dazu das Groszligkreuz des Verdienstordens derBundesrepublik (spaumlter auch noch einen Ministersessel undsogar das Amt des Bundestagspraumlsidenten bis die Flick-Zah-lungen ruchbar wurden und er zuruumlcktreten muszligte) statt Rai-ner Barzel sollte Helmut Kohl antreten aber nicht allein son-dern auf dem raquoTandemlaquo mit Biedenkopf Dabei war demraquoSchwarzen Riesenlaquo Kohl von dessen Planungs- und Lenkfauml-higkeiten auch die Herren des Groszligen Geldes nicht so rechtuumlberzeugt waren die Rolle des sich abstrampelnden und dabeiimmer froumlhlich laumlchelnden Lieferanten der Antriebskraft zuge-dacht hingegen dem unternehmerfreundlichen und konzern-verbundenen raquoIntelligenzbolzenlaquo Biedenkopf die Rolle desStrategen und Steuermanns

Das raquoTandemlaquo-Team verfehlte aber 1976 das Wahlziel undzerstritt sich auf der Oppositionsbank bei gegenseitigen Schuld-zuweisungen Als Helmut Kohl 1982 im dritten Anlauf und wie-derum durch ein-nun knapp gewonnenes -konstruktives Miszlig-

trauensvotum Helmut Schmidt (SPD) stuumlrzen und endlichim Kanzleramt abloumlsen konnte vollzog er was er vollmundigeine raquogeistig-moralische Wendelaquo nannte ohne Biedenkopfder von 1990 an als Gastprofessor in Leipzig die Studenten dieMarktwirtschaft (und das Fuumlrchten) lehrte und heute Minister-praumlsident von Sachsen ist

Die Erfinder und Bastler des raquoTandemslaquo Ries und Schleyerstarben 1977 Den Nachlaszlig des Kohl-Entdeckers MarianneStrauszlig-Partners und Biedenkopf-Schwiegervaters Ries (undauch den von Marianne Strauszlig die toumldlich verungluumlckte) aberregelte dann wieder der Ranghoumlchste im Flick-Aufsichtsratwas die Frage aufwirft ob es in deutschen Landen seit demErsten Weltkrieg uumlberhaupt irgend etwas in Politik und Wirt-schaft Bedeutsames gegeben hat oder gibt worauf das HausFlick nicht auf die eine oder andere Weise Einfluszlig genommenhat

Natuumlrlich sind sehr reiche Leute daran interessiert daszlig die poli-tischen Entscheidungen ihnen nicht schaden sondern nuumltzendaszlig sie ihre Macht erhalten und ihren Profit mehren beidesnicht einschraumlnken oder gar beseitigen Deshalb versuchen sieauf die politischen Entscheidungsprozesse Einfluszlig zu nehmenteils indirekt beispielsweise uumlber die von ihnen beherrschtenMedien teils direkt und mit dem ihnen vertrautesten Mittelmit viel Geld das sie den Parteien und Politikern spenden vondenen sie sich die beste Vertretung ihrer eigenen Interessenversprechen

Die Grenzen zwischen legitimer Interessenwahrung undmiszligbraumluchlicher oder gar gesetzwidriger Ausuumlbung wirtschaft-licher Macht sind flieszligend Die moralische Beurteilung dessenwas noch als statthaft gelten kann und was nicht wird in derRegel strenger ausfallen als die juristische Wertung die anGesetze gebunden ist und diese werden ja von Politikern for-muliert und beschlossen die nicht nur gewaumlhlte Volksvertretersind sondern auch haumlufig den Einfluumlssen der wirtschaftlichMaumlchtigen unterliegen

Dies vorausgeschickt wollen wir uns nun mit einem Super-reichen beschaumlftigen der sechs Jahrzehnte lang starken Ein-fluszlig auf die deutsche Politik genommen hat Er hat in der Poli-tik stets nur ein Mittel zur Erhaltung der gesellschaftlichenMachtverhaumlltnisse und zur Vergroumlszligerung des eigenen Profitsgesehen Noch heute uumlber seinen Tod hinaus beeinfluszligt dasGeld das er zu Lebzeiten in Politiker und Parteien investiertein erheblichem Maszlige die Bonner Szene und von dort aus dasgesamte politische Geschehen in Deutschland Der Name die-ses Superreichen Friedrich Flick ist zugleich zum Synonymfuumlr den Miszligbrauch wirtschaftlicher Macht geworden

Friedrich Flick kam 1883 in Ernsdorf bei Siegen als Holz-haumlndlersohn zur Welt Mit dem Zeugnis der mittleren Reifeund dem Kaufmannsdiplom begann er 1906 als Prokurist derBremer Huumltte in Geisweid seine Karriere 1913 gerade 30 Jahrealt wurde er Direktor der raquoEisenindustrie zu Menden undSchwertelaquo 1915 im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs wech-selte der zwar wehrpflichtige und kerngesunde Meterlange Direktor Flick der aber als raquounabkoumlmmlichlaquo vom Militaumlr-dienst befreit war in den Vorstand der Charlottenhuumltte zu Nie-derschelden und wurde 1917 deren Generaldirektor

Mit eigenen Ersparnissen und Bankkrediten verschaffte ersich bis 1918 die Mehrheit der Anteile an der Charlottenhuumlttedie am Krieg glaumlnzend verdient hatte Er nutzte diese Gewinnezu Modernisierungen zum Ankauf kleinerer Unternehmensowie zur Anlage riesiger Reserven an Schrott der im Kriegespottbillig zu haben war Auch sparte er Steuern indem er ins-gesamt 17 Millionen Mark Kriegsanleihe zeichnete Genauzwei Tage vor Waffenstillstand als jedem klar wurde daszligDeutschland den Krieg verloren hatte verkaufte Flick diegesamte von seiner Charlottenhuumltte gezeichnete Kriegsan-leihe die dann wertlos wurde zu noch guumlnstigem Kurs underwarb mit dem Erloumls Aktien oberschlesischer Zechen Erkonnte also mit dem Verlauf des Ersten Weltkriegs bei dem diemeisten schwerste Opfer hatten bringen muumlssen fuumlr sich per-soumlnlich sehr zufrieden sein

In den folgenden Jahren der totalen Geldentwertung setzteFlickjede Mark die er einnahm oder sichvon den Banken nochborgen konnte sofort in Sachwerte um tilgte dann seine Schul-den mit voumlllig wertlosem Bargeld ruumlckte aber die heiszligbegehr-ten staatlich subventionierten Erzeugnisse seiner Betriebe nurnoch gegen Devisen Rohstoffe oder Aktien heraus 1924 alsdie deutsche Inflation endete zaumlhlte er zu deren groszligenGewinnern Er war 41 Jahre alt und bereits ein Industriemagnatmit einigen hundert Millionen Mark neuer stabiler Waumlhrungund weitgestreutem Konzernbesitz

geriet die deutsche Stahlindustrie in eine Absatz-krise und muszligte sich in Notgemeinschaftenszligen Der wichtigste Zusammenschluszlig war die raquoVereinigte

Stahlwerke AGlaquo kurz raquoStahlvereinlaquo genannt zu dem sichThyssen Rheinstahl Phoenix und auch Flick zusammenfan-den Fuumlr die Einbringung aller raquoCharlottenhuumlttelaquo-Betriebebekam Flick 20 Prozent der Stahlvereins-Aktien und damitgehoumlrte ihm genau ein Fuumlnftel des neuen Konzerns der seiner-seits fast die Haumllfte der gesamten Stahlerzeugung und rund einDrittel der Kohlefoumlrderung des Deutschen Reiches be-herrschte

Noch erstaunlicher war was folgte Knapp vier Jahre spaumltermitten in der Weltwirtschaftskrise die fast 10 Millionen Deut-sche arbeitslos machte gehoumlrte Flick ploumltzlich die Mehrheitdes raquoStahlvereinlaquo-Kapitals ohne daszlig er auch nur eine Markzusaumltzlich investiert haumltte Er hatte sich dazu eines Tricksbedient der im Grunde ganz simpel war

Die Mehrheit der raquoStahlvereinlaquo-Aktien war im Besitz derraquoGelsenkirchener Bergwerks-AGlaquo (raquoGelsenberglaquo) gewesenWer raquoGelsenberglaquo beherrschte hatte damit auch den raquoStahlver-einlaquo in der Tasche Also verkaufte Flick heimlich seinen raquoStahl-vereinlaquo-Anteil und erwarb mit dem Erloumls raquoGelsenberglaquo-Aktien Das reichte vollauf sich die Kontrolle uumlber raquoGelsen-berglaquo und damit uumlber den ganzen raquoStahlvereinlaquo zu verschaffenund so hatte er ploumltzlich die beherrschende Stellung in derMontanindustrie und damit im gesamten Wirtschaftsleben deskrisengeschuumlttelten Reiches

Das war aber erst ein Zwischenziel seines Plans der groszligeCoup stand noch aus der ihn in den Jahren des Elends und derMassenarbeitslosigkeit zum reichsten Mann Deutschlandsmachen sollte Im November 1931 kam an den Boumlrsen dasGeruumlcht auf der Creacutedit Lyonnais die staumlrkste Bank Frank-reichs wolle sich die deutsche Not zunutze machen und miteinem Schlag die Kontrolle uumlber die Industrie des Ruhrgebietserobern-mit Hilfe der raquoGelsenberglaquo-Mehrheit raquoGelsenberglaquo-Aktien wurden an den Boumlrsen zu nur noch 20 Prozent desNennwerts notiert und die Franzosen sollten schon 100 Pro-zent geboten haben

Diese Geruumlchte an denen kein wahres Wort war alarmier-ten die Presse Alle buumlrgerlichen Blaumltter forderten ein soforti-ges Eingreifen der Reichsregierung die auch eilig zu einer Son-

dersitzung zusammentrat und beschloszlig den Ausverkauf desRuhrgebiets um jeden Preis zu verhindern

Zwar waren die Kassen leer Renten Beamtengehaumllter undUnterstuumltzungssaumltze waren schon drastisch gekuumlrzt wordenAber dennoch darin waren sich Regierung und Reichswehr-Generalitaumlt einig - die Ruhrindustrie durfte nicht den Fran-zosen ausgeliefert werden Also verhandelte Reichsfinanzmi-nister Dr Dietrich ein Liberaler mit Flick und am Endekaufte das arme Reich die raquoGelsenberglaquo-Mehrheit zum Vier-fachen des Kurses (aber immer noch unter dem Preis den dieFranzosen angeblich geboten hatten) Denn Flick wollte alsguter Patriot erscheinen Auszligerdem spendete er dem Finanz-minister Dietrich und dem Kanzler Bruumlning (Katholisches Zen-trum) zusammen rund eine Million Reichsmark fuumlr derenWahlfonds

Dazu ist etwas Grundsaumltzliches anzumerken das nochheute gilt Wenn ein Superreicher einem Politiker viel Geldraquofuumlr Wahlkampfzweckelaquo spendet dann ist es so auch dieAbsicht des Spenders dem Empfaumlnger uumlberlassen was erdamit macht Er kann alles seiner Partei zukommen lassen sichdamit beliebt machen Wahlplakate drucken und kleben lassenHandgelder an Wahlhelfer verteilen doch er kann auch dieSumme fuumlr sich behalten und sein Gewissen -falls vorhandendamit beruhigen daszlig sein des Spitzenkandidaten persoumln-liches Wohl letztlich auch dem Wahlkampf dient Es empfiehltsich dann von erhaltenen 900 000 Mark zunaumlchst 100 000 Markdem Partei-Schatzmeister zu geben mit der Erklaumlrung dies seieine Abschlagszahlung auf eine zu erwartende noch groumlszligereSumme Spaumlter wenn der Wahlkampf vorbei die Parteikasseleer ist kann er dem Schatzmeister noch etwas zukommen las-sen und diesem raten den genauen Gesamtbetrag zu verges-sen und sich nur zu merken daszlig es sich um eine sechsstelligeSumme gehandelt habe die der Parteiboszlig von einem edlenSpender raquobeschafftlaquo und an die Parteikasse abgefuumlhrt haumltteDas eroumlffnet dem Schatzmeister ebenfalls Moumlglichkeitenseine Zweifel und sein etwa vorhandenes Gewissen zu beruhi-gen Alles was der Spender derurspruumlnglichen Summe fuumlr seinGeld erwartet ist die Erfuumlllung seiner Wuumlnsche

Bei der raquoGelsenberglaquo-Transaktion von 1931 bekam Flick fastalles was erwollte das etwa Vierfache dessen was sein Aktien-paket wert war dazu zunaumlchst den Ruhm ungemein patrio-tisch gehandelt und auf den moumlglichen Mehrerloumls in Paris ver-zichtet zu haben Dieser Ruhm verflog jedoch als durchsik-kerte daszlig es ein franzoumlsisches Angebot gar nicht gegebenhatte raquoDie einzig moumlgliche Antwortlaquo schrieb damals ein fuumlh-render Wirtschaftsjournalist raquowaumlre gewesen daszlig die Reichsre-gierung den Schachtelkonzern Charlottenhuumltte-GelsenbergVereinigte Stahlwerke umgehend verstaatlicht haumltte Daruumlberhinaus haumltte der vorliegende Tatbestand Anlaszlig genug gebotenHerrn Flick als Schaumldiger der Interessen des Deutschen Rei-ches zu enteignen

(Dieser Artikel stammte uumlbrigens von dem konservativenProfessor Friedrich Zimmermann der schon damals das Pseu-donym raquoFerdinand Friedlaquo benutzte wie spaumlter als Leitartiklerder Springer-Presse Obwohl sich noch mancher Anlaszlig gebotenhaumltte forderte er nie wieder die Enteignung Flicks was mit des-sen Methoden der raquoPressepflegelaquo zusammenhaumlngen mochte)

Nachdem Friedrich Flick 1931 die Staatskasse um rund 100Millionen Mark aumlrmer gemacht hatte betaumltigte er sich als raquoWirt-

Die ihm verbliebene Unternehmensgruppewurde zum drittgroumlszligten Stahlerzeuger Deutschlands (nachdem raquoStahlvereinlaquo und Krupp) mit eigener Koks- und Kohlen-basis im Ruhrgebiet und knapp 100000 Beschaumlftigten Auchtrat Flick kaum waren die Nazis an der Macht dem exklusivenraquoFreundeskreis des Reichsfuumlhrers SSlaquo bei pflegte dort Bezie-hungen zu den neuen Machthabern besichtigte zusammenmit anderen Wirtschaftsbossen Ordensburgen und KZ-Lagerund uumlberwies alljaumlhrlich dem immer maumlchtiger werdendenraquoReichsfuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler sechsstellige Betraumlge fuumlrdessen private Hobbies Dies war sein bescheidener Dank fuumlrdie vielen Vorteile die die Nazis ihm und den anderen Bossenverschafften die Zerschlagung der Gewerkschaften und Arbei-terparteien von Streiks die Beseitigung der Tarifau-tonomie die Festsetzung niedriger Loumlhne die Einfuumlhrung desraquoFuumlhrerprinzipslaquo in der Industrie wo es nur noch Befehl undGehorsam gab die Steuererleichterungen und Subventionen

zur Foumlrderung der heimischen Wirtschaft und nicht zuletzt diestuumlrmische Nachfrage nach Stahl infolge der von den Nazisbetriebenen Aufruumlstung

Von 1938 an konnte sich Flick auch an der raquoArisierunglaquo juumldi-scher Unternehmen in Deutschland dann auch in Oumlsterreichund der Tschechoslowakei beteiligen ja wurde mit GoumlringsHilfe zum groumlszligten raquoArisierungslaquogewinnler des raquoDritten Rei-cheslaquo (Noch im Nuumlrnberger Kriegsverbrecherprozeszlig lobteGoumlring Herrn Flick sehr zu dessen Leidwesen als raquoabsolut ver-trauenswuumlrdiglaquo und raquosehr groszligzuumlgiglaquo)

Insgesamt spendete Flick den obersten Nazis rund Mil-lionen Mark Dafuumlr bekam er raquoArmisierungslaquomoumlglichkeitennoch und noch Arbeitssklaven fuumlr seine Huumltten und Zechen zuZigtausenden gebot uumlber das groumlszligte private Industrie-Impe-rium Mitteleuropas und wurde der Reichste im GroszligdeutschenReich raquoNiemandlaquo so lobte ihn damals das NS-WochenblattraquoDas Reichlaquo raquohat die Ernennung zum Wehrwirtschaftsfuumlhrermehr verdient als Friedrich Flicklaquo

Allerdings traf Flick schon von 1943 an Vorkehrungen fuumlrden Fall einer deutschen Niederlage Er kannte durch seinenkonzerneigenen Nachrichtendienst die Plaumlne der Alliierten fuumlreine Aufteilung Deutschlands und etwa 16 Monate vor Kriegs-ende begann sein Konzern mit der heimlichen raquoVerlagerunglaquoseiner wertvollsten Besitztuumlmer von Osten nach Westen vorallem in die kuumlnftige amerikanische Zone Waumlhrend der vonGoebbels proklamierte raquototale Krieglaquo noch andauerte und taumlg-lich mehr Opfer an Gut und Blut forderte packten Flick undseine engsten Mitarbeiter bereits ihre Koffer und setzten sichvon Berlin ab Familie Flick (und mit ihr der Sandkastenfreunddes juumlngsten Sohns Friedrich Karl Eberhard v Brauchitsch)zog auf das Hofgut Sauersberg bei Bad Toumllz das als Ausweich-quartier angekauft worden war und dort erwartete Flick dieAnkunft der Amerikaner

Am 13 Juni 1945 wurde der Konzernherr der weit oben aufder Kriegsverbrecherliste stand verhaftet Nach zweieinhalb-jaumlhriger Untersuchungshaft kam er vor das Nuumlrnberger Militaumlr-tribunal zusammen mit seinem Vetter und Vertrauten KonradKaletsch und dem Chef seines Nachrichtendienstes Otto

Steinbrinck Kaletsch wurde freigesprochen Steinbrinck zufuumlnf Flick zu sieben Jahren Gefaumlngnis verurteilt aber schonMitte 1950 waren beide wieder frei Flick hatte seinen 67Geburtstag schon hinter sich aber das Beste in seinem Indu-striellenleben sollte erst noch kommen

Schon im Gefaumlngnis hatte sich Flick mit Hilfe der Unterla-gen die ihm Vetter Kaletsch und sein Anwalt Dr WolfgangPohle (spaumlter Schatzmeister der CSU) allwoumlchentlich brachtenGedanken uumlber den Wiederaufbau seines Konzerns gemachtvon dem im Westen einiges uumlbriggeblieben war derhuumlttelaquo-Konzern in der Oberpfalz die ehedem raquoarisiertenlaquo Hochofenwerke Luumlbeck AG sowie Mehrheitsbeteiligungen ander Harpener Bergbau AG und der Essener Steinkohlenberg-werks AG Treuhaumlnder und Verwalter dieser Reste war uumlbrigensder Bankier Robert Pferdmenges ein enger Freund und Bera-ter Adenauers und Flicks langjaumlhriger Privatsekretaumlr RobertTillmanns saszlig seit 1949 als CDU-Bundestagsabgeordneter inBonn wenig spaumlter als Bundesminister fuumlr besondere Aufga-ben im Kabinett gluumlckliche Umstaumlnde fuumlr den gerade haftent-lassenen fast 70jaumlhrigen Kriegsverbrecher

Der hatte schon von der Gefaumlngniszelle aus den Verkauf sei-ner Ruhrkohlen-Interessen eingeleitet konnte sie sogleichguumlnstig abstoszligen und verfuumlgte im Herbst 1950 uumlber fast eineViertelmilliarde DM an fluumlssigen Mitteln mit denen er sich inzukunftstraumlchtige Industriezweige einkaufte vor allem in dieAutomobil- Maschinen- Papier- und Kunststoff-Industrie

Es wuumlrde Baumlnde fuumlllen wollte man alle Transaktionen schil-dern mit deren Hilfe Flick sein Nachkriegs-Imperium auf-baute Am Ende seines Lebens gehoumlrten ihm jedenfalls dieFeldmuumlhle AG die Maximilianshuumltte eine starke Mehrheit ander Buderus AG in Wetzlar zu deren Konzern auch die Muumln-chener Panzerschmiede Krauss-Maffei zaumlhlte die Dynamit-Nobel AG in Troisdorf sowie ein dickes Paket Daimler-Benz(raquoMercedeslaquo)-Aktien das Anfang der siebziger Jahre alleineinen Wert von mehr als zwei Milliarden DM darstellte

Schon 1958 nur acht Jahre nach Flicks Haftentlassung hatteBundeskanzler Adenauer ihm zum 75 Geburtstag und raquozumgroszligen und staunenswerten Lebenswerklaquo gratuliert

lich konnte man nur staunen was der durch fuumlnfjaumlhrige Kriegs-verbrecherhaft ungebrochene alte Herr in so kurzer Zeit wiederzusammengerafft und wie fest er sein Industriereich im Griffhatte Dagegen war es schlecht bestellt um die Erbfolge Mitseinen beiden Soumlhnen Otto-Ernst und Friedrich-Karl standsich der autokratische Uumlbervater miserabel Erst sollte Otto-Ernst (raquoOElaquo) alles uumlbernehmen Friedrich-Karl (raquoFKlaquo) vomVater raquodas Biirschchenlaquo genannt sollte mit ein paar hundertMillionen abgefunden werden Dann gab es Krach mit raquoOElaquo mehrfache Aumlnderungen des Testaments jahrelange Prozessein denen Vater und Sohn Groszligvater und Enkel Bruumlder undSchwaumlgerinnen vor den Gerichten stritten was Hunderte vonMillionen verschlang schlieszliglich einen Vergleich durch denraquoOElaquo hoch abgefunden endguumlltig ausschied seine beidenSoumlhne sollten sobald sie 28 Jahre alt waren ihre Beteiligungenam Konzern selbst vertreten (wurden aber spaumlter von ihremOnkel raquoFKlaquo abgefunden und ausgebootet) Uumlbrig blieb alskuumlnftiger Alleinherrscher raquodas Buumlrschchenlaquo raquoFKlaquo Er erbtebeim Tode des fast 90jaumlhrigen Vaters im Jahre 1972 das gesamteFlick-Imperium

Zweifel an der Befaumlhigung seines Juumlngsten hatte FriedrichFlick stets gehabt und deshalb Eberhard v Brauchitsch raquoFKslaquoJugendfreund diesem als Generalbevollmaumlchtigten an dieSeite gestellt Aber 1971 ein Jahr vor dem Tod des alten Flickwar es zum Krach zwischen den Freunden gekommen Brau-chitsch hatte ein Angebot von Axel Springer angenommen undwar dessen Generalbevollmaumlchtigter geworden Ein Jahr spauml-ter vom Totenbett des Vaters aus rief raquoFKlaquo wie er nungenannt wurde v Brauchitsch zuruumlck

raquoIn den fruumlhen siebziger Jahrenlaquo so raquoDer Spiegellaquo raquoarbeite-ten gtFKFlt und zunaumlchst bestens zusammen Nach demTod des Alten halfv B die Alleinherrschaft des Sohnes abzusi-chern Dann setzte das Duo zu seinem Herkules-Werk an Umdie Steuerbefreiung fuumlr die Daimler-Milliardenlaquo den Erloumlsdes Verkaufs eines Teils von Flicks Daimler-Benz-Aktienraquodurchzudruumlcken muszligte die traditionelle Spenden-Maschine-rie des Hauses Flick auf houmlchste Touren gebracht werden Geld spielte keine Rolle Die schwarze Kasse quoll uumlber von

jenen Millionen die v Brauchitsch uumlber die katholische SteylerMission dem Staat direkt abgeluchst hatte Doch fehlte es demKonzernchef und seinem Helfer auch nicht an herkoumlmmlichverdientem Geld Kein Wunder denn auch nach dem Ver-kauf der Mehrzahl seiner Daimler-Aktien an einen Oumllscheichwar raquoFKFlaquo noch mit zehn Prozent am Daimler-Konzern betei-ligt es gehoumlrte ihm ein Drittel des US-Konzerns Grace dieFeldmuumlhle AG samt riesigem Auslandsbesitz war 100prozentigin Flick-Eigentum und er hielt weiterhin eine starke Mehrheitam Buderus-Konzern An dessen Muumlnchener Tochter Krauss-Maffei blieb Flick auch nach Verkauf der Waffenschmiede anMBB und den Diehl-Konzern mit zehn Prozent beteiligt undschlieszliglich war auch die Dynamit-Nobel AG zu fast 100 Prozentin Flick-Eigentum

Was aber die laut raquoSpiegellaquo uumlberquellende schwarze Kasseund die beim Auffuumlllen hilfreiche Steyler Mission betraf sowaren die Steuerfahnder Anfang 1982 einem abenteuerlichenGegengeschaumlft auf die Spur gekommen Ein Unternehmendas die Finanzen der katholischen Steyler Mission verwaltetdie raquoSoverdia Gesellschaft fuumlr Gemeinwohl mbHlaquo hatte vomHaus Flick rund 10 Millionen DM an Spenden erhalten aufden ersten Blick ein frommes Werk wie man es von Flick garnicht erwartet haumltte Doch bei naumlherem Hinsehen fanden dieFahnder heraus daszlig Pater Josef Schroumlder der raquoSoverdialaquo-Geschaumlftsfuumlhrer 80 Prozent der erhaltenen Summe gleich wie-der an den Spender bar zuruumlckgezahlt hatte

Dazu damals raquoDer Spiegellaquo raquoFlick-Chefbuchhalter Diehlerinnert sich wurde ich erstmals von (dem da-maligen Flick-Generalbevollmaumlchtigten) Kaletsch angewiesenvon Herrn Pater Schroumlder Geld in Empfang zu nehmen Eshandelte sich um einen Betrag von 800000 DM Mir wardamals klar daszlig zwischen diesem Betrag und der vorher gege-benen Spende (von 1000 000 DM) ein unmittelbarer Zusam-menhang bestand Im folgenden Jahr ereignete sich der gleicheVorgang mit demselben Betrag Insgesamt zehn MillionenMark flossen innerhalb von zehn Jahren an die Soverdiaacht Millionen kamen wieder in Flicks schwarze Kasse zu-ruumlck laquo

Zehn Prozent der Spendensumme durfte die Steyler Mis-sion behalten weitere zehn Prozent gingen an den damaligenCDU-Bundestagsabgeordneten Walter Loumlhr der raquodie Sachelaquoausgetuumlftelt hatte raquoDen besten Schnittlaquo - so raquoDer Spiegellaquoraquoaber machte die Flick-Gruppe Sie strich nicht nur die gehei-men Ruumlckfluumlsse in Houmlhe von 80 Prozent der Spenden ein (undkonnte damit die schwarze Kasse fuumlllen) sondern konnte auchSpendenbescheinigungen uumlber 10 Millionen DM beim Finanz-amt vorlegen Die Steuerverguumlnstigung betrug damals bis zu 51Prozent der Spendensummelaquo im Falle Flick also nochmals einraquoVerdienstlaquo von mehr als fuumlnf Millionen DM

Dennoch war diese krumme Spenden-Angelegenheit nurein vergleichsweise unbedeutender Nebenaspekt des eigentli-chen Skandals des raquoMilliardendingslaquo Denn so die Staatsan-waumllte -mit Unterstuumltzung der zustaumlndigen Bundesminister Fri-derichs und Graf Lambsdorff gewiszlig aber unter Vorspiegelungfalscher Tatsachen erreichte die Flick-Gruppe zu Unrecht eineSteuerbefreiung in Houmlhe von 450 Millionen DM Um 800 Mil-lionen DM aus dem Verkauf von Daimler-Aktien steuerfrei ineine starke Beteiligung an dem US-Chemiekonzern Graceinvestieren zu koumlnnen gab sie dieses Geschaumlft die Verschie-bung der Riesensumme ins Ausland als volkswirtschaftlicheGroszligtat aus

Zum Segen fuumlr die deutsche Wirtschaft so behaupteten dieFlick-Bosse treuherzig verschaffe diese Geldanlage der BRDden ersehnten Zugang zu neuesten amerikanischen Technolo-gien raquoIn Wahrheitlaquo so Spiegellaquo raquopassierte gar nichtsGrate-Praumlsident Peter Grace kehrte von einer Deutschland-Reise mit der Erkenntnis zuruumlck daszlig mit den neuen Eigentuuml-mern zwar Spesen zu machen waumlren aber kein Technologie-transferlaquo

Der Bonner Staatsanwaltschaft die in den Flick-Chefetagenuumlber hundert Aktenordner beschlagnahmte wurde bald auchklar von wem viele der steuersparenden Ratschlaumlge stammtennaumlmlich von einem alten Freund des Hauses Flick Franz JosefStrauszlig Aus dessen Vernehmungsprotokoll konnte raquoDer Spie-gellaquo folgendes zitieren

raquoIch (Franz Josef Strauszlig) habe wie angegeben HerrnFlick vor etwa acht Jahren geraten in Nordamerika zu investie-ren Ich habe ihm geraten seine inlaumlndischen Betriebe zu ent-schulden und zu modernisieren Ich habe in diesem Zusam-menhang ihm einmal wahrscheinlich im Jahre 1978 einenBrief geschrieben in dem ich ihm geraten habe die Vorausset-zung des sect 6b (Einkommensteuergesetz) und sect 4 (Auslandsin-vestitionsgesetz) sehr genau zu nehmen Ich war damals derMeinung daszlig fuumlr die Erfuumlllung der Kriterien unter anderemein Kooperationsabkommen mit der Firma Grace die Pruumlfungder hiermit verbundenen steuerrechtlichen Frage erleichternwuumlrdelaquo

Auf den Vorhalt des Staatsanwalts raquo Herr Ministerpraumlsi-dent wir haben Sie nunmehr davon in Kenntnis gesetzt daszligsich aus den im Jahre 1974 beginnenden Aufzeichnungen desFlick-Konzerns aus dem Hefter gtCSUlt der sich im Gewahrsamder Staatsanwaltschaft befindet folgende Vermerke ergebengt214 (75)KavB wg FJS12 7 (76) Dr FKF wg FJS11 7 (78) Dr FKF wg FJS2410 (79) Dr FKF wg FJSKoumlnnen Sie dazu irgendeine Erklaumlrung abgebenlaquo

Antwort von Ministerpraumlsident Strauszligraquo1 Ich bin am Zustandekommen keiner dieser Unterlagenbeteiligt

2 Offensichtlich gibt es auch keine Quittungen die ichselbstverstaumlndlich bei eventuellen Auszahlungen wenngewuumlnscht ausgestellt haumltte zumal steuerlich relevante Vor-gaumlnge offensichtlich uumlberhaupt nicht zugrunde liegen

3 Der Beginn Ihrer Unterlagen ist deshalb verwirrend oderirrefuumlhrend womit ich keine Absicht unterstelle weil nebenunzaumlhligen Kleinspendern auch einige Groszligspender darunterdie Flick-Unternehmungen die CSU immer wieder unter-stuumltzt haben Ich darf nebenbei bemerken daszlig es sich hier

Gemeint sind offensichtlich mit raquoKalaquo Konrad Kaletsch mit raquovBlaquo Eberhard vBrauchitsch mit raquoDr FKFlaquo Dr Friedrich Karl Flick mit raquoFJSlaquo Franz JosefStrauszlig damals bayerischer Ministerpraumlsident und CSU-Parteivorsitzender

nicht um die Honorierung von Ratschlaumlgen handelt sondernum eine bestimmte politische Linie im In- und Ausland laquo

Diese Aussage des inzwischen verstorbenen Franz JosefStrauszlig der sich wenn er Gefahr witterte wie ein Tintenfischeinzunebeln pflegte laumlszligt-wenn man den Schwall von Phrasenund Schutzbehauptungen beiseite laumlszligt - zweierlei deutlicherkennen

Strauszlig konnte nicht bestreiten von Flick viel Geld bekom-men zu haben Aber er wollte das nicht als raquoHonorierung vonRatschlaumlgenlaquo verstanden wissen weil ihn dies in den Verdachtder Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten haumltte bringen koumln-nen Statt dessen sollte es sich um eine raquoUnterstuumltzunglaquo einerund zwar doch wohl seiner -raquopolitischen Linie im In- und Aus-landlaquo gehandelt haben wozu angemerkt sei daszlig die auslaumlndi-schen Politiker mit denen Strauszlig enge Beziehungen unter-hielt meist Ultrarechte Faschisten und Rassisten waren Pino-chet in Chile dessen Regime er lobte Suumldafrikas Apartheids-Fanatiker spanische Neofaschisten und sogar die Fuumlhrer dertuumlrkischen Grauen Woumllfe die fuumlr ihre Bluttaten beruumlchtigtwaren

Noch seltsamer als die Erklaumlrung die Strauszlig der Justiz fuumlrdas viele Flick-Geld gab das er erhalten hatte war die Aussagevon Dr Friedrich Karl Flick im Prozeszlig gegen die Ex-MinisterFriderichs und Graf Lambsdorff Als der Richter den ZeugenDr Flick nach Wesen und Zweck der Spenden an raquoFJSlaquo befragte erwiderte dieser von Spenden verstehe er nichts erkoumlnne da raquonur mutmaszligenlaquo

Und das tat er dann auch raquoSpendenlaquo so gab er zu Protokollraquodas war das berechtigte Anliegen von demokratischen Par-teien wiersquos auch beim Vater fruumlher oder beim Onkel Kaletschuumlblich gewesen sein mag um ein offenes Ohr zu findenlaquo

Aber so wollte der Richter wissen ob er nie daran gedachthabe sich damit Vorteile fuumlr den eigenen Betrieb zu verschaf-fen

Darauf Dr Flick raquoDiese Uumlberlegungen sind mir unbe-kanntlaquo

Alsdann sollte dieser offenbarvoumlllig selbstlose Spender demGericht erklaumlren wie denn so eine Spendenzahlung an einen

Spitzenpolitiker vor sich gegangen sei zum Beispiel wenn DrFlick dem Ministerpraumlsidenten Strauszlig 250 Tausendmark-scheine uumlberreicht habe

Ausnahmsweise konnte Dr Flick in diesem Fall mit einerklaren Antwort dienen raquoDa ist er (Strauszlig) beim erstenmal insNebenzimmer gegangen und hat nachgezaumlhlt Und dann ist erzuruumlckgekommen und hat sich bedanktlaquo

Beim zweitenmal so fuumlgte er noch stolz hinzu raquohat er dannnicht mehr nachgezaumlhltlaquo

Nun wollte der Richter auch noch wissen warum das HausFlick seine uumlppigen Spenden an Politiker stets in bar entrich-tete

Dr Flick raquoMeines Wissens hat sich das einfach so ergebenWenn man sich im suumlddeutschen Raum so begegnet ist hatman das Geld der Einfachheit halber gleich uumlbergebenlaquo

Kein Gedanke an die Moumlglichkeit einer Steuerhinterzie-hung auch nicht an die Eventualitaumlt daszlig vielleicht die Empfaumln-ger lieber Bargeld nahmen raquoumlaquo- so fragte der offenbar durch-aus mit dem praktischen Leben vertraute Richter raquonichtimmer Rechenschaft bei ihren Schatzmeistern ablegen zu muumls-senlaquo Flick wuszligte es nicht

Er erklaumlrte dem Gericht daszlig er eigentlich von gar nichtsgewuszligt habe schon uumlberhaupt nichts von den angedeutetenMoumlglichkeiten Kurz Multimilliardaumlr Dr Flick uumlberzog mitun-ter - so raquoDer Spiegellaquo raquoallzu erkennbar seine Rolle als Kon-zerndepplaquo Uumlbertroffen wurde er nur noch von einem seinerGroszligspenden-Empfaumlnger dessen Rolle vor Untersuchungsaus-schuumlssen Justiz und Presse man analog die eines raquoPolitdep-penlaquo nennen muumlszligte Bundeskanzler Dr Helmut Kohl

Bei seiner Vernehmung durch die Bonner Staatsanwalt-schaft am 5 Juli 1982 hatte Dr Kohl damals noch nicht Bundes-kanzler zugegeben vom Haus Flick gelegentlich groumlszligere Bar-geld-spenden erhalten zu haben Daszlig es insgesamt 565000DM gewesen waren die Flick-Chefbuchhalter Diehl zwischen1974 und 1980 exakt verbucht hatte war Kohl indessen wie ersagte raquovoumlllig unbekanntlaquo

Befragt was ihm denn raquovoumlllig unbekanntlaquo gewesen sei dieHoumlhe der Summe oder die Verbuchung durch Diehl erwiderte

Helmut Kohl pikiert er koumlnne raquouumlber Einzelheiten aus der Er-innerung keine Angaben machenlaquo

Indessen erinnerte er sich zwei Jahre spaumlter am 7 Novem-ber 1984 vor dem Flick-Untersuchungsausschuszlig des Bundesta-ges genau daran daszlig eine raquokleinerelaquo Flick-Spende lumpige30 000 DM raquobei uns nicht eingetroffenlaquo sei - eine Zahlung dieder akribische Flick-Chefbuchhalter Diehl mit Datum vom6 Dezember 1977 verbucht hatte

Fuumlr diese raquoNikolaus-Spendelaquo wie sie genannt wurde gab esjedoch ganz besonders viele und starke Indizien Am Nikolaus-Tag 1977 waren 60 000 DM von einem raquoinoffiziellenlaquo Konto desHauses Flick bei einer Duumlsseldorfer Filiale der DeutschenBank bar abgehoben worden Die Abbuchung bei der Bank undder Eintrag ins schwarze Kassenbuch bei Flick stimmten uumlber-ein und dazu paszligte auch der Vermerk des pingelig genauenChefbuchhalters vom 6 Dezember 1977 raquovB wg Kohl 30 000DM wg Graf Lambsdorff 30 000 DMlaquo macht zusammen60 000 DM Parallel dazu hatte v Brauchitsch am 6 Dezember1977 den Erhalt eines Barbetrags von 60 000 DM korrekt quit-tiert und auf der Ruumlckseite der Quittung war vermerkt raquo30 Ko30 GrLalaquo womit ja auch nur gemeint sein konnte das Geldginge je zur Haumllfte an Helmut Kohl und an Otto Graf Lambs-dorff

Uumlberdies trug der vorbildliche Flick-Chefbuchhalter ins Kas-senbuch fuumlr raquoInoffizielle Zahlungenlaquo am 6 Dezember 1977 einraquovB wg Kohl und Lambsdorff 60 000laquo und man darf wohlannehmen daszlig mit der Zahl keine roten Rosen weiszligen Maumluseoder gruumlnen Aumlpfel gemeint waren sondern bare DMark

Doch auch damit noch nicht genug Am Vorabend des Niko-laus-Tages 1977 am 5 Dezember hatte eine Brauchitsch-Sekre-taumlrin ihrem Chef folgende Notiz vorgelegt die sich bei denGerichtsakten befindet raquoFrau Weber Sekr Kohl fragt an obes Ihnen recht ist wenn sie morgen Dienstag gegen 16Uhr kurz bei Ihnen vorbeikommtlaquo und dazu hat Eberhard vBrauchitsch im Dezember 1985 vor dem Bonner Landgerichtausgesagt raquoSielaquo Frau Weber vom Sekretariat Kohl raquohatschon mal fuumlr Herrn Kohl Geld empfangen und dies wiedie Akten zeigen nicht gerade selten Mindestens vier Besuche

Frau Webers bei v Brauchitsch sind vermerkt die mit Zahlun-gen von je 50000 DM und einer von 30000 DM alle raquowgKohllaquo uumlbereinstimmten

Das fuumlr Helmut Kohl Aumlrgerliche ist daszlig es fuumlr die meistenFlick-Spenden raquowg Kohllaquo entsprechende Eingangsbuchungenbei der CDU-Schatzmeisterei gibt nicht jedoch fuumlr die raquoNiko-laus-Spendelaquo und auch nicht fuumlr weitere 25 000 DM die eben-falls fehlen Schlieszliglich fehlt inzwischen noch etwas naumlmlichHelmut Kohls Erinnerung an die Geldwaschanlagen vonRheinland-Pfalz die die von der Industrie kommenden sehrgroszligzuumlgigen Parteispenden am Finanzamt vorbei (und fuumlr dieSpender enorm steuersparend) in die richtigen Troumlge lenktenPater Josef von der Steyler Mission konnte ja nur einen Teil desenormen Bedarfs an raquogewaschenemlaquo Geld befriedigen mitdem die Herren des Groszligen Geldes allen voran das HausFlick die raquogeistig-moralische Wendelaquo in Bonn vorfinanzierten

Helmut Kohl seit 1966 Landesvorsitzender der CDU seit1969 auch Ministerpraumlsident in Rheinland-Pfalz und seit 1975Bundesvorsitzender der CDU die neben CSU und FDP vondem Spenden-Unwesen am meisten profitiert hatte erinnertesich als Kanzler an rein gar nichts mehr uumlberhaupt nicht an dieGeldwaschanlagen in Rheinland-Pfalz Kohl hatte als es umvergleichsweise Bagatellen ging die 30 000 DM der raquoNikolaus-Spendelaquo und die ebenfalls fehlenden 25 000 DM von Flick -alles vergessen Allenfalls fielen ihm wenn die Staatsanwaumlltenach der raquoStaatsbuumlrgerlichen Vereinigunglaquo (SV) in Koblenzfragten die lustigen Abende ein die er dort nachvortraumlgen mit-unter verbracht hatte Kohl hatte aber raquokeinerlei Erinnerunglaquodaran daszlig diese Koblenzer SV die wichtigste Geldsammel-und -Waschanlage nicht nur fuumlr Rheinland-Pfalz sondern fuumlrdie ganze Bundesrepublik gewesen war und daszlig man inKoblenz auch deshalb feucht-froumlhlich gefeiert hatte weil dankder raquobesonderen Foumlrderungswuumlrdigkeitlaquo die der raquogemeinnuumlt-zigenlaquo SV von der Landesregierung bescheinigt worden warseiner CDU etliche hundert Millionen DM heimlicher Spen-den der Industrie steuerbeguumlnstigt zugeflossen waren

Vielleicht hatte Helmut Kohl so vermutete sein damaligerSchnelldenker und Wahlkampf-Manager der von ihm inzwi-

schen gefeuerte Heiner Geiszligler etwas vorlaut -bei seinen Aus-sagen uumlber die raquoSVlaquo aber auch nur Erinnerungsluumlcken und gabirrige und unvollstaumlndige Antworten als Opfer eines raquoBlack-outlaquo Diese von dem klugen von Kohl ungnaumldig entlassenenGeneralsekretaumlr Heiner Geiszligler erwogene Moumlglichkeit daszligdem Kanzler mitunter wenn auch nur voruumlbergehend der Ver-stand abhanden komme sollten die Waumlhlerinnen und Waumlhlerbedenken denn ein Regierungschef mit gelegentlichen Aus-fallerscheinungen ist keine angenehme Vorstellung fuumlr dieMenschen in raquodiesem unserem Landelaquo

Indessen gibt es fuumlr Helmut Kohls Vergeszliglichkeit hinsicht-lich des Verbleibs der raquoNikolaus-Spendelaquo oder auch derMachenschaften der Koblenzer raquoSVlaquo noch eine andere Erklauml-rung als die von Geiszligler vermuteten Gedaumlchtnisluumlcken infolgeeines Blackouts Um Kohls Zoumlgern zu verstehen daruumlber dieWahrheit zu sagen muszlig man noch einmal zuruumlck zu denUrspruumlngen der steilen Karriere des Schwarzen Riesen nachLudwigshafen-Oggersheim und nach Frankenthal

Im Fruumlhjahr 1933 als sich die Hitler-Diktatur gerade etablierthatte und mit immer neuen Wellen des Terrors zu konsolidie-ren begann bereiteten sich drei Heidelberger Juristen geradeauf ihre unterschiedlichen Karrieren vor Dr Eberhard Taubertsah seiner Berufung ins neue Reichspropagandaministeriumentgegen wo er als juumlngster Ministerialrat zunaumlchst die raquoAktiv-propaganda gegen die Judenlaquo leiten sollte SS-Fuumlhrer DrHanns Martin Schleyer nahm die raquoGleichschaltunglaquo der Hei-delberger Universitaumlt vor und betrieb ihre Einstimmung auf dieam 10 Mai durchgefuumlhrte Buumlcherverbrennung sein Freund DrFritz Ries der an diesem Akt der Barbarei als junger Dokto-rand teilnahm schmiedete bereits Plaumlne wie er auf Kosten derJuden rasch reich werden und zunaumlchst zum Kondom-Koumlnigdes raquoDritten Reicheslaquo aufsteigen koumlnnte tatsaumlchlich lieszlig erschon ein Jahr spaumlter die Verpackungen der Erzeugnisse einesgerade raquouumlbernommenenlaquo Betriebs mit dem stolzen Aufdruckversehen

Im selben Fruumlhjahr 1933 am 13 Maumlrz kam im nahen Mann-heim ein Knabe zur Welt dessen spektakulaumlre Laufbahn sichmit den abenteuerlichen Karrieren der drei genannten Heidel-berger Juristen durchaus messen kann Auch kreuzten sichseine Wege wiederholt mit denen der Herren Doktoren RiesSchleyer und Taubert und fast unvermeidlicherweise auch mitdenen Helmut Kohls der drei Jahre zuvor 1930 im Mannheimgegenuumlberliegenden Ludwigshafen geboren war

Der junge Mannheimer des Jahrgangs 1933 hieszlig Hans-OttoScholl besuchte wie Kohl und auch Biedenkopf die Schulein Ludwigshafen studierte dann ebenfalls in HeidelbergRechtswissenschaft und begann auch kaum daszlig er sein Stu-dium beendet hatte Anfang der sechziger Jahre eine politischeKarriere in Rheinland-Pfalz Allerdings stellte Dr Hans-Otto

Scholl seine unbestreitbaren Talente nicht der CDU zur Verfu-gung sondern der in Rheinland-Pfalz seit 1951 mit der CDUzusammen die Regierung bildenden FDP daneben demBundesverband der pharmazeutischen Industrie dessenHauptgeschaumlftsfuumlhrer er wurde Daszlig sich die maumlchtige Pharma-Industrie der Bundesrepublik den jungen Rechtsanwalt undProvinzpolitiker Dr Scholl zum Cheflobbyisten erkor hing mitden besonderen Verhaumlltnissen in Rheinland-Pfalz zusammenwo Dr Scholl in kuumlrzester Zeit zum FDP-Fraktionsvorsitzen-den im Landtag und dann auch zum Landesvorsitzenden auf-steigen konnte und eng befreundet war mit dem CDU-Nach-wuchspolitiker Dr Kohl der 1963 ebenfalls Fraktions- und 1965auch Landesvorsitzender seiner Partei wurde So eng war dasVerhaumlltnis Dr Scholl zum Dr Kohl daszlig die beiden sogar Villaan Villa wohnten der eine in der Marbacher Straszlige9 derandere in Nummer 11 und die beiden Matadore der das Laumlnd-chen Rheinland-Pfalz regierenden Parteien machten sichgegenseitig auch mit ihren finanzstarken Goumlnnern und mitderen einfluszligreichen Freunden bekannt Durch Helmut Kohllernte Hans-Otto Scholl den Konsul Dr Fritz Ries im nahenFrankenthal kennen und in dessen Haus die Duzfreunde desHausherrn Dr Hanns Martin Schleyer und Franz Josef Strauszligsowie die graubraune Eminenz Dr Eberhard Taubert umge-kehrt wurde Helmut Kohl durch Dr Scholl mit allen groszligenund steinreichen Unternehmern der Pharma-Industrie be-kannt von denen im einzelnen noch die Rede sein wird

Es laumlszligt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen weraus diesem Freundes- und Bekanntenkreis den Einfall hatteim Schutze der mit gesicherter Mehrheit das Land Rheinland-Pfalz regierenden Parteien eine Geldwaschanlage zu etablie-ren aber vieles spricht dafuumlr daszlig es Dr Fritz Ries gewesen istund daszlig Kohl im Bunde mit Scholl die Idee in die Tat umsetze

Die Grundidee war einfach Die Industriellen wollten eineihnen genehme Politik und Gesetzgebung die dazu bereitenPolitiker wollten dafuumlr Geld Die Wirtschaftsbosse waren zwarwillens fuumlr volle Kassen zu sorgen nur sollte sie das moumlglichstwenig kosten sondern zu Lasten der Allgemeinheit gehenNun gab es ja bereits Gesetze die Spenden an Parteien steuer-

abzugsfaumlhig machten Aber es gab da Houmlchstgrenzen und diePolitiker wollten weit mehr als die Bestimmungen zulieszligenund auszligerdem war bei regelrechten Parteispenden die Anony-mitaumlt der Spender nicht zu wahren die begreiflicherweise gernunbekannt bleiben wollten Also brauchte man eine Einrich-tung die jede Menge Geld entgegennehmen dafuumlr voll steuer-abzugsfaumlhige Quittungen ausstellen und die empfangenenBetraumlge diskret an diejenigen weiterleiten konnte die sie letzt-lich bekommen sollten weil sie die Entscheidungen trafenoder herbeifuumlhrten die die Spender sich erhofften

Alle diesevoraussetzungen erfuumlllte die dann ins Leben geru-fene raquoStaatsbuumlrgerliche Vereinigunglaquo (SV) in Koblenz undnatuumlrlich bekam diese SV nicht nur sofort die staatliche Aner-kennung als raquogemeinnuumltzig und besonders foumlrderungswuumlrdiglaquosondern wurde auch so ausgestattet daszlig sie ihre Goumlnner undFoumlrderer aufs trefflichste bewirten konnte zumal nachdemeiner der Gruumlndervaumlter Helmut Kohl Ministerpraumlsident vonRheinland-Pfalz geworden war und sein Spezi Nachbar undKoalitionspartner Dr Scholl als Landesfuumlrst der zum Zuumlng-lein an der Waage gewordenen FDP fuumlr Dr Ries DrSchleyer und deren Freunde an Bedeutung enorm hinzuge-wonnen hatte

In Bonn war naumlmlich im Herbst 1969 erstmals seit Bestehender Bundesrepublik ein Sozialdemokrat im Kanzleramt InKoalition mit der FDP regierte nun Willy Brandt Konsul DrRies war von den besorgten Herren des Groszligen Geldes beauf-tragt worden die FDP-Politiker raquoumzustimmenlaquo und dieungeliebte neue Regierung bei naumlchster Gelegenheit zu stuumlr-zen

Fuumlr Dr Scholl gab es zudem eine spezielle Aufgabe ZumRegierungsprogramm der sozialliberalen Bonner Koalitiongehoumlrte im Rahmen der Gesundheitsreform auch eine gruumlndli-che Novellierung der Arzneimittelgesetzgebung und dies tan-gierte die wichtigsten Interessen (sprich die enormen Profite)der Pharma-Industrie deren Verbandshauptgeschaumlftsfuumlhrer er

Von der Pharma-Industrie wurden deshalb hohe Millionen-betraumlge bereitgestellt die Dr Scholl nachdem sie bei der raquoSVlaquo

in Koblenz raquogewaschenlaquo und steuerabzugsfaumlhig gemacht wor-den waren gezielt zu verteilen hatte Es ging darum diejeni-gen Politiker und auch Beamten zu raquofoumlrdernlaquo die Einfluszlig aufdie Arzneimittelgesetzgebung und die Gesundheitspolitik hat-ten

In der Bundesrepublik wurden zu Beginn der Aktivitaumltendes Dr Scholl jaumlhrlich etwa acht Milliarden DM fuumlr Arzneimit-tel ausgegeben Als seine Taumltigkeit Anfang der achtziger Jahreendete waren es jaumlhrlich rund 17 Milliarden DM also mehr alsdas Doppelte raquoFast die Haumllfte dieser gigantischen Steigerungdie alle Bundesbuumlrger belastet haumlttelaquo so raquoDer Spiegellaquo imJuni 1985 - raquosich einsparen lassenlaquo waumlren damals nicht dieKernpunkte der geplanten Reform der Arzneimittelgesetzge-bung raquovon der Pillen-Lobby herausgeschossenlaquo worden

Die vom damaligen Pharmaverbands-HauptgeschaumlftsfuumlhrerDr Scholl mit sehr viel Geld betriebene Beeinflussung desGesetzgebungsverfahrens hat sich fuumlr die Arzneimittelherstel-ler also glaumlnzend gelohnt Sie lohnte sich aber auch fuumlr DrScholls Freunde von der CDU

So hatte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep raquozugleichim Namen von Herrn Dr Kohl und Herrn Professor Bieden-kopflaquo runde 70 000 DM kassiert von Curt Engelhorn Chef

des Familienunternehmens raquoBoehringer Mannheim GmbHlaquo(damaliger Pharma-Umsatz Milliarden DM) und zwaruumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo Der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende Alfred Dregger hatte die Staatsanwaltschaft raquoeinigehunderttausend Mark abkassiertlaquo bei der raquoWella AGlaquo inDarmstadt und ebenfalls uumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo VomPharma-Werk E Merck in Darmstadt erhielt die CDU-Promi-nenz rund eine Million DM und waumlren die Spendenlistenzumal deren wichtigste Teile nicht durch besondere Umstaumlndedem Einblick der Oumlffentlichkeit entzogen worden lieszligen sichgewiszlig noch weitere zusammen mehr als 20 Millionen DMnachweisen die Dr Scholl an CDU- und FDP-Prominenzzumal an seine engsten Spezis groszligzuumlgig verteilt hat

Indessen war Dr Scholl mit dem Pharma-spendengeld mit-unter allzu groszligzuumlgig zumal sich selbst gegenuumlber Alsbandsvorstand dies bemerkte wurde Dr Scholl raquowegen zu

eigenmaumlchtigen Umgangs mit dem Verbandsvermoumlgenlaquo gefeu-ert und muszligte sich verpflichten dem Verband MillionenDM zuruumlckzuerstatten Erstaunlicherweise erhielt Dr Schollaber dennoch nach seiner Entlassung eine monatliche Pensionvom Pharma-Verband in Houmlhe von 5700 DM -raquoSchweigegeldlaquofragte raquoDer Spiegellaquo damals und solche Vermutung erscheintnicht ganz abwegig zumal im Lichte spaumlterer Erkenntnisse

Noch erstaunlicher war es daszlig der gefeuerte Verbandsge-schaumlftsfuumlhrer der 1981 auch als FDP-Landesvorsitzenderzuruumlcktreten muszligte wenig spaumlter im Mainzer Landtag von denFreidemokraten wieder zum Fraktionsvorsitzenden gewaumlhltwurde Aber bei den Neuwahlen vom Maumlrz 1983 kam die FDPmit nur noch Prozent nicht mehr in denMainzer Landtag Dr Scholl war damit auch als Politikerarbeitslos brauchte aber nicht zu darben Als ehemaliger Abge-ordneter bezog er ein Uumlbergangsgeld von monatlich 5 400 DMmit seiner Pension vom Pharmaverband also zusammen 11100DM im Monat

Indessen sah er sich selbst und dann sahen ihn auch seinepolitischen Freunde -als dringend unterstuumltzungsbeduumlrftig anCDU-Ministerpraumlsident Bernhard Vogel damals noch nicht inThuumlringen sondern in Rheinland-Pfalz Kohl-Nachfolger undebenfalls Empfaumlnger betraumlchtlicher Pharma-Spenden aus derHand des Dr Scholl besorgte dem nun arbeitslosen Freunddeshalb einen mit 5000 DM monatlich honorierten Berater-vertrag bei der raquoDeutschen Anlagen-Leasinglaquo (DAL) in Mainzan der die rheinpfalzische Landesbank erheblich beteiligt istAber auch mit den auf 16 100 DM monatlich gestiegenengen war Dr Scholl noch nicht zufrieden Er wandte sich hilfesu-chend an seinen langjaumlhrigen Freund und Nachbarn HelmutKohl seit 1982 Bundeskanzler in Bonn

Klugerweise so stellt es jedenfalls ein mit der Angelegen-heit bestens vertrauter Bonner Beamter dar-waumlhlte Dr Scholleinen privaten Weg dem Kanzler seine Not zu schildern Uumlberjene Frau Juliane Weber die wir schon fluumlchtig kennengelernthaben aus den Notizen des Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard vBrauchitsch und zwar als Abholerin der offenbar verlorenge-gangenen raquoNikolaus-Spendelaquo von 30 000 DM Kohllaquo lieszlig

er Helmut Kohl wissen daszlig nun er es sei der finanzielle Unter-stuumltzung benoumltige

Ob nun Frau Weber ein gutes Wort fuumlr den Freund aus Main-zer Tagen eingelegt hat oder ob Kohl aus eigenem Antrieb taumltigwurde Jedenfalls setzte sich der Bundeskanzler sofort und ineiner Weise fuumlr Dr Scholl ein daszlig bei dem Kohl nahestehen-den und treuergebenen Beamten die Befuumlrchtung aufkam derKanzler koumlnnte erpreszligbar sein Denn dieser verschaffte demlaumlngst nicht mehr in bestem Ruf stehenden Duzfreund den er1982 noch mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausge-zeichnet hatte unverzuumlglich einen Beratervertrag bei der Deut-schen Lufthansa (an der der Bund mit mehr als 50 Prozent be-teiligt ist) Dadurch erhoumlhten sich Dr Scholls feste Bezuumlge umweitere 10 000 DM Monatsgehalt sowie 5000 DM monatlicheraquoAufwandsentschaumldigunglaquo auf nunmehr insgesamt 31100 DM

Die Befuumlrchtungen des um Kohl besorgten Beamten warenjedoch sicherlich unbegruumlndet Kohl hat sich wohl lediglichdem Spezi Dr Scholl der ihm und Seinerpartei jahrelang finan-ziell so uumlberaus behilflich gewesen warpflichtet gefuumlhlt Auch konnte Helmut Kohlja nicht ahnen daszligihn der Freund herb enttaumluschen wuumlrde

Gut ein Jahr nachdem Dr Scholls Bezuumlge dank des KanzlersFuumlrsorge auf uumlber 31000 DM monatlich erhoumlht worden warenereignete sich ein auf den ersten Blick ganz gewoumlhnlicher Raub-uumlberfall Am 28 Dezember 1984 drang ein bewaffneter Mannin ein Baden-Badener Juweliergeschaumlft ein und entkam nach-dem er die Anwesenden bedroht und den Inhaber niederge-schlagen hatte mit einer Beute im Verkaufswert von Millio-nen DM Bei der Fahndung nach den geraubten Juwelen fanddie Polizei in einem Bankschlieszligfach in Zuumlrich nicht nur einenTeil des fehlenden Schmucks sondern auch eine MengePapiere die Einblick gaben in die Spendenpraxis der bundes-deutschen Pharma-Industrie Damit war klar daszlig der bereitsgefaszligte Verdaumlchtige tatsaumlchlich der Raumluber von Baden-Badenwar Rechtsanwalt Dr Scholl der zwei Jahrzehnte lang fuumlh-rende F D P-Politiker von Rheinland-Pfalz und ehemaligeHauptgeschaumlftsfuumlhrer des Pharma-Verbands ein Intimus desamtierenden Bundeskanzlers

Lassen wir diese fuumlr Helmut Kohl schockierende Angelegen-heit damit ihr Bewenden haben Dr Scholls Motive hatten mitPolitik nichts zu tun und er hat seine Freiheitsstrafe laumlngst ver-buumlszligt

Allerdings haumltte sich Helmut Kohl schon fruumlher daruumlber imklaren sein muumlssen daszlig groszligzuumlgige lsquoGeldspender nicht voumllligselbstlos handeln Lange vor dem ersten Haumlndedruck mit demdamaligen Pharma-Lobby-Haumluptling Dr Scholl haumltte Kohl wis-sen muumlssen Wenn steinreiche Industrielle dicke Geldbuumlndelverteilen oder durch ihre Beauftragten verteilen lassen so istdies im allgemeinen kein Ausdruck uneigennuumltziger Naumlchsten-liebe Vielmehr erwarten die Spender in aller Regel Gegendien-ste die ihnen ein Vielfaches dessen einbringen was sie gespen-det haben und dabei verlangen sie mituntervon den Beschenk-ten sogar Ungesetzliches ja schlimmer noch Sie fordern eineAumlnderung der Gesetze und Vorschriften zu ihren Gunsten undzum groszligen Schaden fuumlr die Allgemeinheit oder vereiteln -wiees der Pharma-Industrie mit Hilfe der von Dr Scholl verteiltenMillionen gelang ein dringend gebotenes Reformwerk

Helmut Kohls Verhalten gegenuumlber Spendenverteilern obsie Dr Scholl oder v Brauchitsch Flick Henkel oder Oetkerheiszligen setzt ihn dem Verdacht aus daszlig er den von ihm ge-schworenen Eid raquoSchaden abzuwenden und den Nutzen zumehrenlaquo nicht auf das deutsche Volk bezieht wie es die Eides-formel fordert sondern nur auf einen winzigen Teil dieses Vol-kes naumlmlich auf die spendablen Herren des Groszligen Geldessowie auf sich selbst und einige wenige Personen die ihmnahestehen

Das Ganze wird noch erheblich verschlimmert durch einBenehmen Helmut Kohls im privaten Umgang mit den Reprauml-sentanten des Groszligen Geldes das seinen Waumlhlerinnen undWaumlhlern wenn sie davon erfahren die Schamroumlte ins Gesichttreiben muumlszligte Nehmen wir als Beispiel einen scheinbar neben-saumlchlichen im Untersuchungsausschuszlig des Bundestages zurFlick-Spendenaffaumlre aktenkundig gewordenen Vorgang

Da rief Kanzler Kohl eines Tages bei Eberhard v Brauchitschan dem Flick-Generalbevollmaumlchtigten der seinem Konzernetliche Hundert Millionen Mark faumllliger Steuern sparen will

und dafuumlr mit Bargeldbuumlndeln den stets beduumlrftigen Politikerngefaumlllig ist Zweck des Anrufs ist die Mitteilung des Bundes-kanzlers raquoDu houmlr mal Eberhard ich komme morgen abendbei euch vorbei Ich wuumlrde gern mal wieder anstaumlndig Kaviare s s e n

Natuumlrlich ging v Brauchitsch sofort auf diesen Wunsch sei-nes Duzfreundes ein der sich bei nur knapp 40000 DMMonatsgehalt sein -neben Saumagen -liebstes Essen offenbarnicht leisten konnte oder wollte Aber damit nicht genug Einpaar Tage spaumlter wieder ein Anruf bei v Brauchitsch diesmalvon Frau Hannelore Kohl aus Oggersheim raquoDu weiszligt dochEberhard wie gern ich Kaviar esse aber den gibtrsquos bei euch janur wenn ich nicht dabei bin

was macht man dann als guterzogener Mensch Als ichdas naumlchste Mal mit Herrn Kohl zusammen warlaquo so berichteteHerr v Brauchitsch habe ich ihm eine Dose Kaviar mitge-geben Den moumlchte er doch bitte mit Frau Gemahlin essen

Auch damit noch nicht genug denn die Schilderung desFlick-Repraumlsentanten geht weiter

raquoNach einer gewissen Zeit gibt es wieder ein Telefonat zwi-schen Frau Kohl und mirlaquo Bei dieser Gelegenheit fragte vchitsch raquoDu haumlttest eigentlich was sagen koumlnnen -wie war dennder Kaviarlaquo Darauf Hannelore Kohl raquoKaviar Ich habe keinengekriegt Du kennst doch den Helmut Der hat ihn mit in seineWohnung in Bonn genommen und ihn selber aufgegessen laquo

Woraufhin der wohlerzogene v Brauchitsch das Haus Flickabermals in Unkosten stuumlrzte das halbe Kilo Kaviar kosteteseinerzeit 560 DM und seinen Fahrer beauftragte der Kanz-lergattin rasch eine Dose vom Feinsten nach Ludwigshafen-Oggersheim zu bringen Mit einen dreizeiligen Begleit-brief die russische Marmelade wirklich in DeineHaumlnde kommt anbei direkt herzliche Gruumlszligelt laquo

Uumlbrigens der Untersuchungsausschuszlig und damit auch diePresse und die Oumlffentlichkeit haumltten von alledem wohl nieetwas erfahren waumlre im Privatsekretariat des Flick-Beauftrag-ten eine kurze Danksagung fuumlr die erwiesene Aufmerksamkeiteingegangen Da diese ausblieb wurden die sonst laumlngst ver-nichteten Kopien und Belege saumluberlich abgeheftet und die

Staatsanwaumllte die den Vorgang fuumlr strafrechtlich relevant hiel-ten beschlagnahmten die Akte

Der Vorfall der ein Schlaglicht auf den miserablen Stil wirftder im Hause Kohl die Arroganz der Macht begleitet ist indes-sen nur ein typisches Beispiel fuumlr die Dreistigkeit mit der sichdieser Politiker und die Seinen uumlber alle Normen gesittetenZusammenlebens hinwegsetzen von der staumlndigen Miszligach-tung der Gesetze und Vorschriften durch den amtierendenKanzler ganz zu schweigen

Zum besseren Verstaumlndnis sei hier noch aus der Fuumllle derSkandale die fuumlr die bisherige Amtszeit des Kanzlers Kohlkennzeichnend waren einer herausgegriffen der ganz zu An-fang stand

Am 11 Januar 1983 also nur wenige Wochen nach GenschersBetrug am Waumlhler und dem konstruktiven Miszligtrauensvotumdurch das Helmut Schmidt (SPD) gestuumlrzt und Helmut Kohl(CDU) Bundeskanzler wurde drangen Beamte der Bundesan-waltschaft und des Bundeskriminalamts in die Redaktions-raumlume der Hamburger Monatszeitschrift raquokonkretlaquo ein Siedurchsuchten alle Buumlros und dann auch die Privatwohnungendes damaligen Chefredakteurs Manfred Bissinger und desraquokonkretlaquo-Autors Juumlrgen Saupe angeblich wegen des dringen-den Verdachts der raquoPreisgabe von Staatsgeheimnissenlaquo Siewiesen eine besondere Ermaumlchtigung des Bundeskanzleramtsvor unterschrieben von Kohls Schulfreund engem Vertrautenund damaligen Staatssekretaumlr fuumlr die Geheimdienste Walde-mar Schreckenberger

Dies lieszlig darauf schlieszligen daszlig Kohl selbst oder seine naumlch-ste Umgebung die spektakulaumlre Aktion veranlaszligt hatte dennuumlblicherweise ist es der Generalbundesanwalt der seine Be-houmlrde und die Beamten des BKA taumltig werden laumlszligt Tatsaumlchlichwurden aber die Durchsuchungen bei raquokonkretlaquo von der Bun-desanwaltschaft eilig zur raquoRoutineangelegenheitlaquo herunterge-spielt und der Presse gegenuumlber begruumlndet mit einer mehr alsein Jahr zuruumlckliegenden raquokonkretlaquo-Veroumlffentlichung uumlber denfruumlheren BND-Spitzenfunktionaumlr Hans Langemann eine zwie-lichtige Gestalt die unter Franz Josef Strauszlig zum Chef derbayerischen Staatsschutzdienste avanciert und spaumlter gefeuert

worden war teils wegen Unfaumlhigkeit und Geschwaumltzigkeitteils wegen des Sicherheitsrisikos das sein Privatleben bot

Indessen lag der Verdacht sehr nahe daszlig es sich in Wahrheitnicht um diese weit zuruumlckliegende Veroumlffentlichung handeltesondern um einen erst gerade erschienenen raquokonkretlaquo-Artikelund einen damit zusammenhaumlngenden privaten Racheakt Hel-mut Kohls In der Ausgabe vom Januar 1983 hatte Chefredak-teur Manfred Bissinger den Kanzler in einem Artikel scharfangegriffen und es hieszlig darin raquoWie ein Mann seine Familiebehandelt und uumlber die Familie spricht kann im Gegensatznicht krasser sein als bei Helmut Kohl Seine Worte sind schein-heilig und verlogen wenn man weiszlig wie er lebt

Gemeint war das Privatleben des Kanzlers im Bereich Eheund Familie den Lieblingsthemen des salbadernden Volksred-ners Kohl raquoIch spreche so leidenschaftlich zu diesem Themalaquohatte er gerade erst getoumlnt raquoweil fuumlr mich ganz ist daszlig dieimmer wieder notwendige geistig-moralische Erneuerungunseres Landes eben nur dann kommen kann wenn die Jun-gen ihr Beispiel zu Hause erfahren und eingeuumlbt werden indie Tugenden unseres Landes am Beispiel der eigenen Elternin der Waumlrme und Geborgenheit der eigenen Familielaquo Dochals Helmut Kohl von Mainz nach Bonn umgezogen war hatteer seine Frau Hannelore und seine beiden Soumlhne im Oggershei-mer Bungalow zuruumlckgelassen Seine Sekretaumlrin Juliane Weberaber war mit ihm umgezogen nicht nur ins Bonner Buumlro son-dern auch in sein neues Haus in Bonn-Pech Am 14 Oktober1982 zwei Wochen nach Kohls Einzug ins Bundeskanzleramthatte raquoBILDlaquo aus der raquogeheimnisvollen Welt der neuen Nr 1laquoder Kanzlergattin Hannelore Kohl gemeldet Sie raquokam nachBonn selten uumlbernachtet hat sie dort so gut wie nielaquo

raquoIn Bonn ist es ein offenes Geheimnislaquo hatte Bissinger inraquokonkretlaquo uumlber das Verhaumlltnis Kohls mit seiner Sekretaumlringeschrieben raquoDie Journalisten kennen nicht nur Juliane Weber(die uumlbrigens auch verheiratet ist)laquo sie wissen auch wie Kohlzu ihr steht raquoDie Wahrheit schreiben will keiner Das houmlch-ste der Gefuumlhle ist mal ein Scherz fuumlr Insider Der gtSpiegelltuumlber Juliane Weber schlaumlgt ihm auch die Eier auf weil der

Kanzler sie so heiszlig nicht anfassen maglt Normalerweise wuumlrdeman daruumlber zur Tagesordnung uumlbergehen

Soweit die wesentlichen Stellen aus dem fuumlr Helmut Kohlund seine Gefaumlhrtin so aumlrgerlichen raquokonkretlaquo-Artikel dergewiszlig nicht geschrieben - und bestimmt nicht hier zitiert - wor-den waumlre haumltte Kohl nicht selbst dafuumlr gesorgt daszlig man uumlberseine Intimsphaumlre eben nicht taktvoll schweigen kann

Der Kanzler selbst hat aus seiner privaten eine oumlffentlicheAngelegenheit gemacht denn zum erstenmal seit Bestehender Bundesrepublik ja wenn man die Hitler-Diktatur aus-nimmt in der ganzen neueren deutschen Geschichte hat einKanzler die Finanzierung seines Verhaumlltnisses nicht ausner Tasche vorgenommen sondern sie dreist dem Steuerzahleraufgebuumlrdet Damit nicht genug Helmut Kohl hat seiner Juli-ane Weber die fuumlr ihn wie wir bereits wissen auch oumlfters dasvon der Industrie gespendete Bargeld kassieren darf auch einePfruumlnde verschafft die ihr nicht zusteht Gegen das Beamten-recht und gegen die Einwaumlnde des Personalrats der darauf hin-wies daszlig Frau Weber sogar die in den Richtlinien vorgeschrie-bene Oberschul- und Universitaumltsbildung fehle ganz zuschweigen vom Staatsexamen wurde die Kanzler-Gefaumlhrtinmit den Bezuumlgen eines Regierungsdirektors als persoumlnlicheReferentin eingestellt weil Kohl das raquoeinzigartigelaquo VertrauenVerhaumlltnis geltend machte das zwischen ihm und JulianeWeber bestehe und sich damit durchsetzte

Erst diese von Kohl eingefuumlhrte raquoMaumltressenwirtschaftlaquo (wieBeamte des Kanzleramts seinen Regierungsstil nennen der esFrau Weber gestattet mit der einleitenden keinen Wider-spruch duldenden Formel raquoDer Kanzler wuumlnscht ihre eige-nen Forderungen durchzusetzen) hat dazu veran-laszligt die Oumlffentlichkeit daruumlber zu informieren

Kohl selbst informierte die Oumlffentlichkeit auf seine WeiseIn derselben Woche in der das Kanzleramt die Haussuchungenbei raquokonkretlaquo vornehmen lieszlig verkuumlndete er vollmundiggilt fuumlr uns der Satz Eine gesunde Familie ist die Vorausset-zung eines gesunden Staates und Staatspolitik muszlig sich taumlg-lich an diesen Satz erinnernlaquo

Ein paar Tage spaumlter bemuumlhten sich Kanzlergehilfen dieBonner Journalisten davon zu uumlberzeugen daszlig die Aktion ge-

raquokonkretlaquo nichts zu tun gehabt haumltte mit der dort veroumlffent-lichten Geschichte uumlber die zur Regierungdirektorin ernannteKanzler-Gefaumlhrtin Denn diese Veroumlffentlichung haumltte ja Kohlund Frau Weber noch gar nicht zur Kenntnis gelangt sein koumln-nen weil sie im Januar-Heft stand der Durchsuchungsbefehlaber sei bereits am 29 Dezember 1982 unterzeichnet wordenDie Wahrheit hingegen ist daszlig raquokonkretlaquo wegen der Feiertageseine Januar-Ausgabe bereits am 21 Dezember ausgelieferthatle So war also Zeit genug gewesen etwaige Rachegeluumlstereifen zu lassen und dann auch zu stillen

Indessen ist der Vorfall samt seinem skandaloumlsen Hinter-grund der Einsetzung der raquoeinzigartigenlaquo Gefaumlhrtin als Direk-torin ins Kanzleramt nur ein weiteres Beispiel fuumlr den misera-blen Stil des Politikers Helmut Kohl der staumlndig von raquogeistig-moralischer Erneuerunglaquo redet sich aber nicht scheut denSuperreichen Steuergeschenke in Milliardenhoumlhe auf Kostender Allgemeinheit vor allem der Lohnsteuerpflichtigen zumachen und dafuumlr bei den Herren des Groszligen Geldes abzukas-sieren Bleibt noch zu fragen welche unsittlichen Forderungenauszliger den bereits genannten speziellen Wuumlnschen des HausesFlick und denen der Pharma-Industrie die Konzerngewaltigenan Helmut Kohl und dessen Regierung noch gestellt habenund inwieweit diese Forderungen bereits erfuumlllt worden sindDenn natuumlrlich wollen die milliardenschweren Herren fuumlr ihrehohen Spenden auch wenn diese Betraumlge durch Schwinde-leien und Steuerhinterziehung ergaunert worden sind diegewuumlnschten Resultate sehen

Aber mit den vom Groszligen Geld erhofften Ergebnissen kanndie Regierung Kohl in reichem Maszlige aufwarten Ihre Bilanznach zwoumllf Jahren raquoWendelaquopolitik ist fuumlr die Superreichen derBundesrepublik so zufriedenstellend daszlig sie sich vergnuumlgt dieHaumlnde reiben koumlnnen

Sehen wir uns an wie Kohl sich ihnen gleich in seinen erstenRegierungsjahren nuumltzlich gemacht hat

Helmut Kohl finanziert und

von ihm bekommen hat

An nichts wird so glaumlnzend verdient wie am RuumlstungsgeschaumlftViele der groumlszligten Vermoumlgen der Bundesrepublik im Megamil-lionen- und Multimilliardenbereich stammen aus Kriegsgewin-nen aus Waffenlieferungen ins Ausland vor allem aber ausAuftraumlgen der Bundeswehr Die Erben von Harald und HerbertQuandt -geschaumltztes Vermoumlgen zusammen Milliarden DM- der Flick-Erbe Dr Friedrich Karl Flick und seine Neffen -zu-sammen mindestens Milliarden DM schwer - Familie vSiemens Milliarden DM - die Roumlchling-Erben etwaMilliarden oder um aus der Fuumllle der moumlglichen Beispielenoch einen weiteren Kroumlsus zu nennen Karl Diehl der aufMunition Zuumlnder Panzerketten und Kanonen spezialisiert istund auf Milliarden DM Vermoumlgen geschaumltzt wird - sie undviele andere verdanken ihr vieles Geld groszligenteils dem gewalti-gen Ruumlstungsbedarf nicht zuletzt dem der Bundeswehr

Um so erschrockener muumlssen die Konzernherren gewesensein als Kanzler Kohl kaum daszlig er trickreich in sein Amthievt worden war mit der Parole in den Bundestagswahlkampf1983 zog raquoFrieden schaffen mit immer weniger Waffenlaquo

Indessen beruhigten sich die Ruumlstungsmagnaten sehr raschals sie merkten daszlig Kohl ihnen nur eins seiner demagogischenKunststuumlckchen vorfuumlhrte Die damaligen Meinungsumfragenhatten erbracht daszlig die uumlberwaumlltigende Mehrheit der Bevoumllke-rung nichts sehnlicher wuumlnschte als einen sicheren Friedendurch eine massive Abruumlstung in Ost und West Fast 80 Prozentder Befragten sympathisierten mit der Friedensbewegung be-jahten deren Ziele und bekundeten ihr Vertrauen zu Gorba-tschow und die Glaubwuumlrdigkeit seiner Vorschlaumlge zur Beile-

gung des Ost-West-Konflikts und zur stufenweisen AbruumlstungAngesichts dieser breiten Zustimmung der Bundesbuumlrger zuden Bemuumlhungen den Ruumlstungswahnsinn zu beenden hattesich Helmut Kohl veranlaszligt gesehen ganz ungeniert mit demVersprechen auf Stimmenfang zu gehen ebenfalls fuumlr Abruuml-stung zu sorgen

Doch er tat das GegenteilDie Ruumlstungsausgaben der Bundesrepublik stiegen unter

Helmut Kohls Kanzlerschaft kontinuierlich weiter 1983 betru-gen sie 46751 Millionen DM 1986 uumlberschritten sie erstmalsdie 50-Milliarden-Grenze und 1990 erreichten sie mit mehr als54 Milliarden DM den houmlchsten Stand in Friedenszeiten denes in der deutschen Geschichte je gegeben hat

Obwohl von einer tatsaumlchlichen Bedrohung nicht mehr dieRede sein und spaumltestens seit der Jahreswende nie-mand mehr daran zweifeln kann daszlig Abruumlstung das Gebot derStunde ist und keinesfalls weiter aufgeruumlstet werden darf sahder Haushaltsentwurf der Kohl-Regierung fuumlr 1991 abermalsrund 50 Milliarden DM vor Die scheinbare Verminderung umetwa zwei Prozent beruht zudem auf einem Rechentrick DiePersonalverstaumlrkungsmittel wurden aus dem Wehr- in den Fi-nanzetat uumlbertragen Trotz Verringerung der Bundeswehr-Trup-penstaumlrke um fast ein Drittel sind die Verteidigungsausgabenbis heute nur wenig unter die 50-Milliarden-DM-Grenze ge-sunken

Diese gigantische Vergeudung von oumlffentlichen Mitteln ge-houmlrt zur Strategie der Regierung Kohl die das Ziel hat dasVolksvermoumlgen umzuverteilen zu Lasten fast aller Buumlrgerin-nen und Buumlrger und zum Nutzen der wenigen Superreichendenn wenn Groszligunternehmen Hunderte von Millionen Markinvestieren wie sie es taten als sie zwei Jahrzehnte lang sehrviel Geld in die Kassen von CDU CSU und F DP sowie in dieTaschen fuumlhrender Politiker flieszligen lieszligen dann wollen sie fuumlrihr Geld natuumlrlich auch Gegenleistung erbracht sehen die diehohen Ausgaben nachtraumlglich uumlberreichlich lohnen

Neben den Sonderwuumlnschen einzelner Groszligunternehmerbeispielsweise Flicks Wunsch nach Befreiung von allen Steuer-zahlungen fuumlr sein raquoMilliardendinglaquo die ihm dann ja auch

gewaumlhrt wurde oder einzelner Branchen -wie etwa die eben-falls gelungene Abwehr vernuumlnftiger Sparmaszlignahmen im Arz-neimittelbereich durch die Pharma-Industrie haben alle gro-szligen Bosse unseres Landes auch einige gemeinsame WuumlnscheSie wollen mehr Profit egal ob durch steuerliche Entlastungoder durch Befreiung von laumlstigen weil hohe Kosten verursa-chenden Auflagen etwa im Umwelt- oder Arbeitsschutzbe-reich ob durch Senkung ihrer Lohn- und Lohnnebenkostenoder durch hohe Subventionen

Es gibt noch vieles was den Profit kraumlftig steigert und amliebsten ist es den groszligen Bossen wenn ihnen die Regierungalles auf einmal und in moumlglichst reichem Maszlige beschert DieCDUCSUFDP-Regierung hat sich seit 1983 die groumlszligteMuumlhe gegeben den Konzernen nur ja alles recht zu machenDas ist freilich immer mit einem Problem verbunden Wennman so viel zugunsten von wenigen Superreichen tut geht diesleider zu Lasten der breiten Mehrheit Da die Regierung aberwenn sie uumlber den naumlchsten Wahltag hinaus am Ruder bleibenwill (und nach dem Willen ihrer Geldgeber aus der Konzern-welt auch soll) eine Mehrheit der Waumlhlerstimmen benoumltigtmuszlig sie das Kunststuumlck fertigbringen sich all denen uumlberzeu-gend als Wohltaumlterin anzupreisen die sie zugunsten des Gro-szligen Geldes benachteiligt und geschaumldigt hat Ihr Spezialist fuumlrdiese schwierige Aufgabe heiszligt Dr Norbert Bluumlm langjaumlhrigerVorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse auch Mitglied einerDGB-Gewerkschaft seit 1983 Bundesminister fuumlr Arbeit (wasaber wohl nur eine irrefuumlhrende Abkuumlrzung ist denn tatsaumlch-lich fungiert Dr Bluumlm als Minister fuumlr Arbeitgeberinteressen)raquoDen Opfern des Sozialabbaus in ihrer Sprache zu antwortenihnen die staatlichen Maszlignahmen mit ihren eigenen Worten alsWohltat zu verkaufen diesen Trick beherrscht kaum ein ande-rer Politiker so sicher und vertrauenerweckend wie NorbertBluumlmlaquo heiszligt es in der hervorragenden Studie von Hans UskeraquoDie Sprache der Wendelaquo uumlber diesen mit Roszligtaumluschermetho-den arbeitenden Demagogen der den Abbau der Sozialleistun-gen mit der Notwendigkeit rechtfertigt den Staat vor Verschul-dung zu bewahren und zwar folgendermaszligen

raquoDafuumlr brauche ich gar keine volkswirtschaftlichen TheorienDas entspricht auch dem Lebensgefuumlhl der Arbeiterfamilie

Die Arbeiterfamilie hat nie auf Pump gelebt Sie hat immergewuszligt Man kann nicht mehr essen als auf dem Tisch stehtund ein Staat kann nicht mehr ausgeben als er einnimmt Dasentspricht dem Lebensgefuumlhl der Arbeitnehmerlaquo So Dr Bluumlmim Bundestag am 18 Dezember 1983 zur Begruumlndung derdamals eingeleiteten Regierungspolitik die dann nicht nursystematisch Sozialleistungen kuumlrzte und Arbeitnehmerrechteeinschraumlnkte sondern zugleich die Staatsschulden mehr alsverdoppelte

raquoDer Staatlaquo merkt Hans Uske treffend an raquoist natuumlrlichkeine Arbeiterfamilie und Staatsschulden sind nicht miteinem Uumlberziehungskredit zu vergleichen Aber nehmen wirmal an sei tatsaumlchlich in so tiefer Not wie eine Arbei-terfamilie Wieso nimmt Bluumlm dann den armen Familienmit-gliedern Geld weg um es dem reichen Onkel als Steuerge-schenk in den Rachen zu werfen Wenn er uns schon alle zueiner riesigen Arbeiterfamilie macht waumlre es klar daszlig uns dieWohlhabenden aus der Patsche helfen muumlszligten In richtigenArbeiterfamilien gehoumlrt das zum guten Benehmen

In derselben Bundestagsrede vom 8 Dezember 1983 gabsich Dr Bluumlm sogar noch ein biszligchen proletarischerraquoDie Zinsen der staatlichen Schuldenpolitik bekommennicht die Rentenempfaumlnger die Sozialhilfeempfaumlnger sonderndiejenigen die dem Staat das Geld leihen konntenlaquo erklaumlrte ermehr fuumlr das Fernsehpublikum das seine Rabulistik in derraquoTagesschaulaquo serviert bekam als fuumlr seine wenigen Zuhoumlrer imBundestag raquoDas sind nicht die armen Leute das sind dieOumllscheichs die Banken und die Besserverdienenden Schuldenabbauen ist soziale Politiklaquo

raquoIst das nicht klassenkaumlmpferischlaquo heiszligt es dazu in dem bis-sigen Kommentar von Hans Uske raquowie Kollege Bluumlm hiergegen Oumllscheichs Banken und Besserverdienende vorgeht InWirklichkeit benutzt er ein paar proletarische Reizworte umden Klassenkampf von oben den er selbst mit vorantreibtsprachlich in einen angeblichen Kampf gegen Oumllscheichs undBanken zu verwandeln Seine Arbeitersprache setzt Bluumlm einwie es ihm gerade paszligtlaquo

Denn bei anderer Gelegenheit kann er genauso geschicktdie - angeblich faulenzenden Sozialhilfeempfaumlnger die er

eben noch als raquoarme Leutelaquo fuumlr seine Scheinargumentationbenutzt hat in Parasiten und raquoAusbeuterlaquo verwandeln und fol-gendermaszligen -in seinem Buch raquoDie Arbeit geht weiterlaquo Muumln-chen 1983 Seite 9 verunglimpfen

raquoAber ist es nicht eine moderne Form der Ausbeutung sichunter den Palmen Balis in der Haumlngematte zu sonnen alterna-tiv vor sich hin zu leben im Wissen daszlig eine Sozialhilfe vonArbeitergroschen finanziert im Notfall fuumlr Lebensunterhaltzur Verfuumlgung stehtlaquo

Dazu noch einmal der Kommentar von Hans Uske an-dere Politiker stuumltzt sich bluumlm auf schon vorhandene Vorurteilegegen gtDruumlckebergerlt Bluumlms Spezialitaumlt ist jedoch der Appellans Klassenbewuszligtsein gtAusbeutunglt Machen die Unter-nehmer muszlig der Arbeiter gegen kaumlmpfen gtArbeitergroschenltSind sauerverdient wollen die Reichen wegnehmen muszlig manverteidigen den Palmen Balislt Da liegen die Playboysam Strand sonnen sich Ausbeuter von sauer verdienten Arbei-tergroschen Waumlhrend er so die Opfer seines Sozialabbausdenunziert hofft Bluumlm auf Applaus von Arbeitern -was beson-ders makaber ist da die ja selbst zu seinen Opfern gehoumlrenlaquo

Norbert Bluumlm geht sogar noch einen Schritt weiter Im Som-mer 1986 lieszlig sein Ministerium verbreiten von einem Sozialab-bau koumlnne uumlberhaupt nicht die Rede sein im Gegenteil DieSozialausgaben haumltten vielmehr seit der raquoWendelaquo eine kraumlftigeSteigerung erfahren Und tatsaumlchlich Wenn man wie es ein zudieser dreisten Behauptung geliefertes Schaubild tat alle Aus-gaben im Gesundheitswesen vor allem die von der raquoPillen-lobbylaquo unter vormaliger Fuumlhrung des spaumlteren JuwelenraumlubersDr Scholl herbeigefuumlhrte - Kostenexplosion bei Arzneimittelnhinzurechnete ebenso die den Gemeinden aufgebuumlrdeten So-zialhilfe-Lasten dann hatten sich allerdings schon in diesenersten Jahren der Regierungstaumltigkeit von Kohl und Bluumlm dieSozialausgaben drastisch erhoumlht nur waren die Leistungenauf die der oder die einzelne Anspruch hatten keineswegsgestiegen sondern hatten sich real vermindert Kraumlftig ver-mehrt hatten sich hingegen die Profite beispielsweise die derPharma-Industrie aber auch die Honorareinnahmen etwa beiden Zahnaumlrzten

Tatsaumlchlich haben zwoumllf Jahre Kohlscher raquoWendelaquopolitikMillionen in die Armut getrieben dafuumlr die Reichen noch umvieles reicher gemacht

Beguumlnstigt durch die bis Anfang der neunziger Jahre anhal-tende Hochkonjunktur sind die Unternehmergewinne und Ver-moumlgensrenditen explosionsartig gestiegen aber gleichzeitighat die Kohl-Regierung den Groszligverdienern immer neue Steu-ergeschenke gemacht Das hat diese aber nicht davon abgehal-ten in steigendem Maszlige Steuern zu hinterziehen Wie derwegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskraumlftig verur-teilte Ex-Bundeswirtschaftsminister und inzwischen Ex-FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff dazu bemerkt hat befindeter sich mit diesem Delikt raquoin allerfeinster Gesellschaftlaquo In derTat Steuerhinterziehungen groszligen Stils und Kapitalflucht insAusland werden nicht von Otto Normalverbraucher nicht vonLohnsteuerpflichtigen und auch nicht von kleinen und mittle-ren Beamten Rentnern Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfaumln-gern begangen

Was die beiden letzten groszligen Gruppen der Bevoumllkerungbetrifft so haben Kanzler Kohl und sein Arbeitsminister Bluumlmzur Verminderung der Arbeitslosigkeit und Armut bislang nureines getan unermuumldlich eine Verschoumlnerung der Statistikbetrieben Schon mit der 7 Novelle zum Arbeitsfoumlrderungsge-setz wurde die Moumlglichkeit geschaffen rund 100 000 Arbeits-lose zwischen 50 und 59 Jahren endguumlltig aus der Statistik ver-schwinden zu lassen ebenso rund 40 000 arbeitslose FrauenEine statistische Absenkung der Arbeitslosenquote kam spaumlterauf folgende Weise zustande Man setzte die Arbeitslosennicht mehr ins Verhaumlltnis zu den abhaumlngig Beschaumlftigten son-dern zu allen Erwerbspersonen Das fuumlhrte dazu daszlig sich dieArbeitslosenquote von einem Tag auf den anderen um fasteinen Prozentpunkt verringerte ohne daszlig ein einziger Arbeits-loser Arbeit bekommen haumltte

Doch solche Methoden genuumlgten nicht um das so Kohlleidige Thema raquoArbeitslosigkeitlaquo zu raquoentschaumlrfenlaquo Deshalbdachte sich die Leiterin des Allensbacher Instituts fuumlr Demo-skopie Frau Professor Noelle-Neumann etwas Neues ausKohls Hof-Demoskopin machte dem Kanzer schon 1986 den

im Hinblick auf die Bundestagswahlen vom Januarraquoden Block der Arbeitslosen aufzuteilenlaquo Rund 700 000

Arbeitslose sollten raquoals Alkoholiker Drogensuumlchtige sozialeAussteigerlaquo oder schlicht als raquofreiwillig arbeitsloslaquo diffamiertund zumindest auf dem Papier von der erschreckendenGesamtzahl in Abzug gebracht der immer noch gewaltige Restunterteilt werden in raquoAlleinernaumlhrer Arbeitslose in Haushal-ten in denen es einen zweiten Hauptverdiener gibt undArbeitslose die Nebenverdiener sindlaquo

Frau Noelle-Neumann hat damals der Bundesregierunggeraten diese Zahlenakrobatik nicht selbst vorzunehmen Einsolches Rechenkunststuumlck raquodas vor der heiszligen Phase des Wahl-kampfes abgeschlossen werden solllaquo muumlszligte raquoaus privaterInitiativelaquo in Auftrag gegeben werden wie es dann auchgeschah Arbeitgeberverbaumlnde Konzerne und raquoandere privateGeldgeberlaquo beauftragten die Allensbacher tatsaumlchlich mit derDurchfuumlhrung dieses Roszligtaumluschertricks werden dieArbeitslosigkeit einigermaszligen wegerklaumlrenlaquo versicherte dazuim Sommer 1986 ein Allensbach-Mitarbeiter raquoLeicht wird dasnicht gerade sein aber es wird hoffentlich reichen der Bundes-regierung im Wahlkampf uumlber die Runden zu helfenlaquo

Diese und andere Taumluschungsmanoumlver die seitdem in rei-chem Maszlige angewendet worden sind aumlnderten natuumlrlich nichtdas geringste am tatsaumlchlichen Ausmaszlig der Dauermassenar-beitslosigkeit die sich nicht verringerte sondern vergroumlszligerteDoch vor allem wenn Wahlen anstanden war es der Kohl-Regierung jedesmal besonders wichtig den Waumlhlerinnen undWaumlhlern Sand in die Augen zu streuen damit ihnen das Aus-maszlig vor allem aber die Gruumlnde der Arbeitslosigkeit nicht deut-lich werden Sie sollen nicht merken warum wohl Arbeitgeber-verbaumlnde Konzerne raquound andere private Geldgeberlaquo daraninteressiert sind daszlig Millionen Menschen ohne festen Arbeits-platz bleiben und dafuumlr auch noch diffamiert und mit Verach-tung bestraft werden Mit der Massenarbeitslosigkeit wird naumlm-lich die Voraussetzung geschaffen Loumlhne und Gehaumllter imunteren Bereich zu druumlcken und die Beschaumlftigten zu raquofreiwilli-gemlaquo Verzicht auf wohlerworbene Anspruumlche und hart er-kaumlmpfte Rechte zu bewegen Durch die Diffamierung der raquoFrei-

gestelltenlaquo sollen die Solidaritaumlt mit den Arbeitslosen untergra-ben und die Aumlngste der noch Beschaumlftigten vor Entlassung undsozialem Abstieg geschuumlrt werden

raquoJe mehr Arbeitslose wir haben und je schlechter es ihnengeht desto besser wird die Arbeitsmoral desto weniger druumlk-ken uns die Lohnkostenlaquo Diese Grundregel der groszligen Bossestellte der Groumlszligte von ihnen Friedrich Flick bereits 1931 waumlh-rend der Weltwirtschaftskrise auf einer Aktionaumlrsversamm-lung in Duumlsseldorf auf und an der Guumlltigkeit dieser Regel undihrer immer rigoroseren Anwendung hat sich bis heute nichtsgeaumlndert

Am schlechtesten dran sind jene jugendlichen Arbeitslosenohne Ausbildung denen Kanzler Kohl vollmundig raquofuumlr jedenund jede eine Lehrstellelaquo versprochen hat (woran er aber nichtmehr erinnert werden moumlchte) Um der Statistik willen werdenmaumlnnliche Dauerarbeitslose im wehrpflichtigen Alter zu kur-zen Uumlbungen einberufen die Unterbrechung genuumlgt sie ausder Rubrik raquoDauerarbeitsloselaquo verschwinden zu lassen

Auch das sogenannte Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz derRegierung Kohl brachte gerade fuumlrjunge Leute drastische Ver-schlechterungen Zur Freude der Bosse foumlrdert das Gesetz dasHeuern und Feuern und erlaubt ohne sachliche Begruumlndungbefristete Arbeitsvertraumlge bis zu 18monatiger Dauer Auszliger-dem wurde die zulaumlssige Dauer der ohnehin houmlchst bedenk-lichen ausbeuterischen Leiharbeit verlaumlngert

Mit dem 1985 ausgerechnet zum 1 Mai in Kraft getretenenGesetz wurde der Kuumlndigungsschutz durchloumlchert Houmlchst um-strittene von den Gewerkschaften bekaumlmpfte Formen der Teil-zeitarbeit wurden gesetzlich verankert sowohl die Arbeits-platzteilung das sogenannte raquoJob-sharinglaquo als auch die raquokapa-zitaumltsorientierte variable Arbeitszeitlaquo (KAPOVAZ) Die Ju-gendschutzbestimmungen wurden eingeschraumlnkt die erlaubteSchichtzeit auf Bau- und Montagestellen wurde fuumlr Jugendli-che auf elf Stunden verlaumlngert der Arbeitsbeginn von siebenauf sechs Uhr vorverlegt in Baumlckereien sogar auf vier Uhr

Das Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz das entgegen seinemverheiszligungsvollen Namen nicht zur Schaffung von Arbeitsplaumlt-zen beitrug sondern im Gegenteil zu verstaumlrkter Ausbeutung

von Arbeitskraft fuumlhrte wurde ergaumlnzt durch etliche Novellenzum Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) Dieses aus den sechzi-ger Jahren stammende Gesetz hatte urspruumlnglich den Zweckdaszlig die Bundesanstalt fuumlr Arbeit nicht bloszlig diejenigen finan-ziell unterstuumltzt die arbeitslos sind sondern der Arbeitslosig-keit auch aktiv entgegenwirkt Die von Dr Kohl gefuumlhrte Regie-rung bewerkstelligte mit mehreren Novellen zum AFG sowohleinen Abbau der Leistungen fuumlr die Arbeitslosen als auch einedrastische Einschraumlnkung der Moumlglichkeiten aktiver Arbeits-marktpolitik zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsmaszlignahmen

Wenn man wie es die Regierung Kohl sich zum Ziel gesetzthat massiven Sozialabbau und Umverteilung von unten nachganz oben copymiddotacuteacuteocircdann ist ein scheinheiliger Spruumlcheklopfer wieNorbert Bluumlm unentbehrlich Neben den von ihm betriebenendrastischen Kuumlrzungen der Sozialleistungen fallt ihm ja auchnoch die Aufgabe zu die reiche Bundesrepublik allmaumlhlich inein Billiglohnland umzuwandeln wo allein die Bosse dasSagen haben und die Lohn- und Gehaltsempfaumlnger schutzlossind

Alle bisherigen Maszlignahmen der Regierung Kohl und ihresArbeits- und Sozialministers Bluumlm die angeblich dem raquoAbbauder Arbeitslosigkeitlaquo dienen sollen zielen darauf in hundert-jaumlhrigem Kampf muumlhsam errungene Rechte der Arbeiter undAngestellten Schritt fuumlr Schritt abzubauen Bluumlms Begruumlndungim Bundestag raquoDas Arbeitsrecht unter den Bedingungen derArbeitslosigkeit muszlig Bruumlcken bauen und darf nicht dazu fuumlh-ren daszlig die Privilegierten die Arbeitsbesitzer sich in dieFestung zuruumlckziehen und die Beute unter sich verteilenlaquo

Statt gezielt die Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen wie es seineAufgabe waumlre will Bluumlm denn das meint er in Wahrheit daszligdie raquoArbeitsbesitzerlaquo auf ihre raquoBeutelaquo naumlmlich auf ihren inharten Tarifkaumlmpfen errungenen Besitzstand an gesichertemLohn und ertraumlglichen Arbeitsbedingungen verzichten lernenund ihre raquoPrivilegienlaquo naumlmlich in jahrzehntelangem politi-schen Kampf durchgesetzte Rechte zum Beispiel auf Kuumlndi-gungsschutz einfach aufgeben

Ex-Bundesminister Graf Lambsdorff resozialisierter Geld-waumlscher Steuerhinterzieher und Flick-Helfer einerseits lang-

jaumlhriger FD P-Chef und Gralshuumlter der superfreien Marktwirt-schaft andererseits verkuumlndete das Gleiche wie Norbert Bluumlmnur unverbluumlmter In einem Interview in dem auf Volksver-dummung spezialisierten Achtgroschenblatt das sich ambesten fuumlr solche Verlautbarungen eignet lieszlig der Graf sichherbei sein Patentrezept zur Bekaumlmpfung der Arbeitslosigkeitzu verraten

raquoDagegen gibt es nur eine Medizin Disziplin bei kuumlnftigenLohnvereinbarungen Denn fuumlr niedrige Loumlhne gibtrsquos genugArbeitlaquo

Als raquoschlimmsten Fehlerlaquo bezeichnete Graf Lambsdorff dervom Hause Flick so reich Bedachte die Anhebung der Loumlhneund Gehaumllter in den raquounteren Einkommensstufenlaquo da sichgerade die einfachste Arbeit raquoam besten durch Maschinenersetzenlaquo lieszlige

Ganz abgesehen davon daszlig Loumlhne gleichzeitig KaufkraftSteuern und Sozialversicherungsbeitraumlge bedeuten wird derZynismus der graumlflichen Argumentation wie Hans Uske in sei-ner Untersuchung raquoDie Sprache der Wendelaquo anmerkt erst rich-tig deutlich raquowenn wir uns in die Zukunft versetzen und an-nehmen Lambsdorffs Rezept waumlre bereits verwirklicht Nehmen wir also an die Loumlhne seien gesenkt worden sagenwir um 20 Prozent Sofort sinken die Kosten der Unterneh-mer in den lohnintensiven Bereichen dort wo viele Arbeits-kraumlfte noumltig sind Die Verlockung Maschinen anzuschaffenwird geringer Dank der Wende-Regierung koumlnnten wir end-lich wieder mit den Computern konkurrieren Die meistenLeute waumlren aumlrmer einige sogar sehr viel aumlrmer aber viele haumlt-ten wieder Arbeit Nun gehoumlrt aber zur Wirtschaftsplanungder Bundesregierung die Foumlrderung des technischen Fort-schritts Milliarden flieszligen in EDV-Forschung und Computer-Entwicklung Groszligkonzerne engagieren sich im Elektronik-markt Dieser geballte Einsatz muszlig sich bezahlt machen Was tun wir jetzt Die vernuumlnftigste Loumlsung Unsere Arbeits-kraft muszlig noch billiger werden auszligerdem lernen wir noch bes-ser computern und dann muumlssen wir noch billiger werdenund dann -leben wir in einem Billiglohnland Und wenn dienaumlchste konjunkturelle Krise kommt und wenn durch die

rasante Entwicklung des technischen Fortschritts die Arbeits-losenzahl weiter ansteigt dann wird diese Sorte von Vernunftdarauf nur eine Antwort wissen Das Opfer der Bevoumllkerungwar nicht groszlig genug der Guumlrtel muszlig noch enger geschnalltwerdenlaquo

Auf dem Wege zur Verwirklichung solcher Absichten sahendie groszligen Bosse und die von ihnen mit Millionenspendengefoumlrderte Regierung Kohl ein Hindernis den DGB und die indiesem Buumlndnis zusammengeschlossenen Einheitsgewerk-schaften Folgerichtig setzte die Regierung Kohl kaum daszlig siedurch den Waumlhlerbetrug der FDP an die Macht gekommenwar die Schwaumlchung der Gewerkschaften auf ihr ProgrammIhr erstes Ziel war die Streikfahigkeit und damit das Grund-recht auf Streik als legitimes Kampfmittel der wirtschaftlichSchwaumlcheren auszuhoumlhlen Durch eine Aumlnderung des Paragra-phen 116 Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) sollte zunaumlchst ein-mal die Durchsetzungsfaumlhigkeit der Gewerkschaften in derTarifpolitik beendet werden

Worum es dabei ging erlaumluterte der DGB am Beispiel desArbeitskampfes mit dem die IG Metall das Tabu der 40-Stund-den-Wochen brach raquoWaumlhrend dieses Arbeitskampfes haben inder Metallindustrie 55 000 Arbeitnehmer gestreikt 170 000Arbeitnehmer wurden in den umkaumlmpften Tarifgebieten ausge-sperrt Uumlber 300 000 Arbeitnehmer wurden bundesweit kaltausgesperrt Das heiszligt Von zehn Arbeitnehmern die in denArbeitskampf einbezogen waren waren neun ausgesperrt undeiner streikte Die Arbeitgeber haben durch massenhafte Aus-sperrung im umkaumlmpften Tarifgebiet bundesweit kalte Aus-sperrungen verursacht oder willkuumlrlich herbeigefuumlhrt unddiese Praxis wollen sie sich in Zukunft von den Sozialaumlmternbezahlen lassen Sie wollen mit der Existenzangst der Arbeit-nehmer und ihrer Familien Tarifpolitik machen Wenn Gesetzwird was die Arbeitgeber wollen und die Regierung vollziehtwird das Streikrecht zwar auf dem Papier erhalten bleiben aberin der Praxis bis zur Unkenntlichkeit verstuumlmmelt seinlaquo

Dennoch wurde die Aumlnderung des Paragraphen 116 AFGgegen den millionenfachen Protest der organisierten Arbeit-nehmer von der Regierung Kohl durchgepeitscht Weit groumlszliger

als ihr Respekt vor den demokratischen Grundrechten war dieRucksicht auf ihre Geldspender in den Chefetagen der Groszlig-konzerne im Falle des Grafen damals noch Flick inzwischendie maumlchtige Allianz-Versicherung die sich im Fruumlhsommer

das DDR-Versicherungswesen unter den Nagel gerissendessen Verpflichtungen in Milliardenhoumlhe aber den Steuerzah-lern uumlberlassen hat

Unter der Federfuumlhrung von Minister Dr Bluumlm wurde mitden Stimmen der schwarz-goldenen Koalition von CDUCSUund F D P der Paragraph 116 im Sinne der Konzernherren abge-aumlndert Graf Lambsdorff aumluszligerte vollste Zufriedenheit Mitden kleinen Korrekturen die den Gewerkschaften am Endenoch bewilligt worden waren raquolieszlige sich lebenlaquo meinte er ImKlartext Das raquoAnti-Gewerkschaftsgesetzlaquo wie es der dama-lige DGB-Vorsitzende Ernst Breit genannt hat entsprachdurchaus den Forderungen der Konzerne deren Bestreben dar-auf gerichtet war und ist die Gewerkschaften vor allem tarifpo-litisch handlungsunfaumlhig zu machen

Tatsaumlchlich hat die Regierung Kohl mit der von ihr durchge-fuumlhrten Aumlnderung des Streik-Paragraphen 116 AFG einen derdringendsten Wuumlnsche ihrer Geldgeber erfuumlllt der so einBDI-Festredner im Jahresruumlckblick - raquozum Vermaumlchtnis vonHanns Martin Schleyerlaquo gehoumlrte

Auch bei den Feierlichkeiten zum 10 Todestag des Kohl-Ent-deckers Dr Fritz Ries im Juli 1987 in Frankenthal an denenKanzler Kohl seinem langjaumlhrigen Foumlrderer trotz dessenSchandtaten um und in Auschwitz uneingeschraumlnktes Lobspendete und die raquovorbildliche Unternehmerpersoumlnlichkeitlaquodes verewigten Groszligraquoarisiererslaquo und Kondom-Koumlnigs prieswaren die versammelten Freunde aus Industrie und Bankweltsich darin einig daszlig die gegluumlckte Aumlnderung des AFGraquoein richtiger Schritt auf dem richtigen Wegelaquo gewesen sei

immer reicher und dieArmen immer aumlrmer werden

Wie sich der Sozialabbau bereits nach vier Jahren raquoWendelaquo-Politik ausgewirkt hatte beschrieb der SPD-SozialexperteEgon Lutz 1986 im Bundestag raquoDer Sozialabbau der Regie-rung Kohl hat zu einer neuen Armut gefuumlhrt Durch Kuumlrzun-gen von Sozialleistungen und Anhebung von Sozialversiche-rungsbeitraumlgen wurden die sozial Schwaumlcheren in groszligemUmfang belastet Mitte 1985 haben nahezu 40 Prozent (derArbeitslosen) uumlberhaupt keine Leistungen mehr aus derArbeitslosenversicherung erhalten Nur noch ein Drittel allerArbeitslosen bezog Arbeitslosengeld und zugleich sank dasdurchschnittlich gezahlte Arbeitslosengeld um annaumlhernd vierProzent obwohl die durchschnittlichen Lebenshaltungs-kosten im selben Zeitraum um Prozent gestiegen sindlaquo

Auch in der Folgezeit am Ende der achtziger Jahre besser-ten sich trotz damals noch anhaltender Hochkonjunktur undgutgefuumlllter Kassen diese katastrophalen Verhaumlltnisse um kei-nen Deut Infolge des Anstiegs der Lebenshaltungskosten ver-schlechterten sie sich noch Langzeitarbeitslosigkeit anstei-gende Uumlberschuldung vieler Familien und drastische Verknap-pung preisguumlnstigen Wohnraums lieszligen immer mehr Mittel-schichtfamilien in die Armut absinken Die Regierung Kohlbrachte den sozialen Wohnungsbau zum Erliegen und trug mitihrer Gesetzgebung kraumlftig dazu bei daszlig die Mieter in wach-sende Bedraumlngnis gerieten und die Wohnungsnot sich vergrouml-szligerte Sie erleichterte die Umwandlung preisguumlnstiger Woh-nungen in Buumlros oder unerschwinglich teure Eigentumswoh-nungen und lieszlig den Abstand zwischen Mietkosten und Haus-haltseinkommen immer kleiner werden was auch zur Folgehat daszlig sich die Sozialstruktur ganzer Stadtviertel aumlndert dieMenschen aus ihrer gewohnten Umgebung in ferne raquoSchlafstaumlt-

tenlaquo und raquoWohnsiloslaquo in Randlagen abgedraumlngt werden unddie Obdachlosigkeit dramatisch zunimmt

Ausgerechnet bei ohnehin benachteiligten Gruppen wieFrauen mit niedrigen Renten oder Schwerbehinderten setzteder im Kabinett Kohl fuumlr Arbeit und Soziales zustaumlndige Mini-ster Norbert Bluumlm den Rotstift an So wurde den Hausfrauender Invaliditaumltsschutz trotz oft jahrelanger Beitragszahlung indie Rentenversicherung einfach gestrichen

Alles was der Regierung Kohl zum Thema Armut einfalltsind dumme Spruumlche Dreist behauptete Norbert Bluumlm imBundestag raquoAltenarmut ist nicht Rentenarmut Ich bestreitedaszlig die Ursachen von Armut in der Rentenversicherung liegenArmut kann auch das Ergebnis von wenigen Beitragsjahrenvon geringem Lohn seinlaquo -was gewiszlig niemand leugnen kannnur waumlre es die Aufgabe einer sozialen Demokratie zumal ineinem so uumlberaus reichen Land wie der Bundesrepublik jenesich aus der ungerechten Entlohnung der Frauen ergebendenviel zu niedrigen Renten nicht als Resultat eines Naturgesetzeshinzunehmen sondern auszugleichen Gerade die heute imRentenalter stehenden Frauen von denen sich die meisten einJahrzehnt lang durch Kriegs- und Nachkriegsnotjahre alleindurchschlagen muszligten oft die ganze Last der Kindererzie-hung des Haushalts und der Erwerbsarbeit trugen von ihrenPfennigloumlhnen nur Mindestbeitraumlge zur Rentenversicherungleisten und niemals Nachzahlungen aufbringen konnten ver-dienten im Alter die solidarische Hilfe der westdeutschenWohlstandsgesellschaft Niemand koumlnnte die Bundesregierungdaran hindern ihre Milliardengeschenke an die Superreichenin betraumlchtliche Rentenerhoumlhungen umzuwandeln so daszligkeine und keiner die oder der sein Leben lang hart gearbeitetaber wenig verdient hat nun auch noch im Alter darben muszligES waumlre dann nicht einmal noumltig die Versicherungsbeitraumlge zuerhoumlhen Aber dazu meinte Kohls Sozialminister Dr Bluumlm

raquoWir wollen die Rente lohn- und leistungsbezogen lassenWirwollen nicht die Einheitsrente die Sockelrente Wirwollennicht die groszlige sozialistische Gulaschkanone von deren Ein-heitsbrei jeder einen Schlag bekommtlaquo

Solche Rabulistik eines Mannes der sich und seine Politikraquochristlichlaquo und raquosoziallaquo nennt laumlszligt einen schaudern Dennniemand verlangt eine raquoEinheitsrentelaquo wohl aber waumlre es drin-gend erforderlich und finanziell durchaus moumlglich - einedeutlich uumlber der Armutsgrenze liegende Mindestrente einzu-fuumlhren Und wenn man auf die Steuergeschenke an die Super-reichen durchaus nicht verzichten will genuumlgte zur Finanzie-rung auch die Vergeudungen im Ruumlstungsbereich oder beiam Ende fallengelassenen Prestigeobjekten wie derdorfer Plutonium-WAA einzuschraumlnken

Als Folge der Massenarbeitslosigkeit und des Sozialabbausist seit der raquoWendelaquo die Zahl der Sozialhilfeempfaumlnger staumlndiggestiegen in den ersten zwei Jahren um rund 500 000 aufMillionen bis Ende 1987 abermals um 500 000 auf 31 Millio-nen 1991 gab es in Westdeutschland Millionen Sozialhilfe-empfaumlnger Eine halbe Million kam kurzfristig in Ostdeutsch-land hinzu nachdem die DDR der Bundesrepublik raquobeigetre-tenlaquo war Und diese Zahlen wachsen weiter

In dem Ende 1989 veroumlffentlichten raquoArmutsberichtlaquo der Pari-taumltischen Wohlfahrtsverbaumlnde mit der Uumlberschrift raquoWessen wiruns schaumlmen muumlssen in einem reichen Landlaquo wurde daraufhingewiesen daszlig die Unternehmer-Nettoeinkommen zwi-schen 1982 und 1988 um 74 Prozent gestiegen waren in absolu-ten Zahlen um etwa 180 Milliarden DM auf MilliardenDM Demgegenuumlber betrug der Zuwachs der Netto-Lohn- undGehaltssumme nur Prozent der Anstieg in absoluten Zah-len nur Milliarden DM Der Anteil des Bruttoeinkommensaus Unternehmertaumltigkeit und Vermoumlgen am gesamten Volks-einkommen wuchs zwischen 1982 und 1988 von auf 32 Pro-zent Die Lohnquote entwickelte sich dagegen im gleichenZeitraum von auf 68 Prozent zuruumlck

Die Reichen wurden also sehr viel reicher die Armen nurzahlreicher und noch aumlrmer Etwa Millionen Bundesbuumlrge-rinnen und -buumlrger das waren zehn Prozent der Bevoumllkerungder Bundesrepublik lebten 1988 an oder unterhalb dessen wasder Bericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandes diemutsschwellelaquo nannte unterhalb derer sich Hunger men-schenunwuumlrdige Wohnverhaumlltnisse drohende Obdachlosig-

keit Mangelkrankheiten Verelendung und Hoffnungslosig-keit ausbreiten

Die Entwicklung die laumlngst vor Eingliederung der DDR indie BRD zu diesen Ergebnissen fuumlhrte ging seitdem weiterund beschleunigte sich noch Die Lohnquote in Westdeutsch-land sank 1991 auf Prozent Die abhaumlngig Beschaumlftigtenkonnten im Gegensatz zu den Unternehmern ihre realenNettoeinkommen gar nicht mehr verbessern sondern erlittenEinbuszligen Im Gesamtzeitraum von 1982 bis 1992 stiegen dieNettoloumlhne und -gehaumllter daher nur um Prozent die realenEinkommen der Unternehmer dagegen um 123 Prozent

Besonders stolz pries die Regierung Kohl in den achtzigerJahren ihr Steuersenkungsgesetz Es entlastete die Steuerzah-ler in zwei Stufen zwar um fast 20 Milliarden DM doch warendiese Entlastungen so sozial ungerecht wie irgend moumlglich ver-teilt Sie kamen in erster Linie den Beziehern hoher und houmlch-ster Einkommen zugute

Verheiratete Durchschnittsverdiener hatten eine steuerlicheErsparnis von etwa zwoumllf DM monatlich Hingegen fiel die Ent-lastung von Spitzenverdienern 50mal houmlher aus obwohl siebei Jahreseinkommen von einer Million DM und mehr nur20mal mehr Steuerlast zu tragen hatten als ein Durchschnitts-verdiener Die Erhoumlhung des Kinderfreibetrags brachte denEinkommensmillionaumlren eine etwa 22mal houmlhere Entlastungals dem Durchschnittsverdiener

Selbst die geringfuumlgigen oft schon durch die erhoumlhten Bei-traumlge zur Kranken- und Sozialversicherung ausgeglichenenoder gar ins Gegenteil verkehrten Steuererleichterungen fuumlrDurchschnittsverdiener waren eine Taumluschung da zugleich dieMehrwertsteuer angehoben wurde Diese Steuer muszlig letztlichvon der Masse der Verbraucher aufgebracht werden auf die alleanderen vom Produzenten bis zum Groszlig- und Einzelhandelsie abwaumllzen koumlnnen

Was die Mehrwertsteuererhoumlhung um einen Prozentpunktan zusaumltzlichen Einnahmen erbrachte annaumlhernd acht Milliar-den DM wurde denen die von der Einkommensteuersenkungohnehin am meisten profitierten als zusaumltzliches Steuerge-schenk zuteil Das mehrstufige Programm der Regierung Kohl

zur Senkung der Unternehmenssteuern kostete naumlmlich eben-falls acht Milliarden DM-durch massiven Abbau der Gewerbe-steuer durch Senkung der Vermoumlgenssteuer und durch

bei den AbschreibungsmoumlglichkeitenDas sind nur einige Beispiele fuumlr die steuerliche Umvertei-

lung von unten nach oben Die direkte Besteuerung der Unter-nehmensgewinne vor Kohls Amtsantritt gut 33 Prozent ver-ringerte sich bis Anfang der neunziger Jahre auf kaum mehr als20 Prozent Die Abzuumlge von den Arbeitseinkommen dagegenstiegen zwischen 1980 und 1991 von Prozent der Brutto-loumlhne und -gehaumllter auf Prozent und wurden inzwischennoch weiter angehoben

Die Unternehmerverbaumlnde und ihre regierungsamtlichenPropagandisten vom Schlage solcher Bundeswirtschaftsmini-ster wie Otto Graf Lambsdorff oder Guumlnther Rexrodt verbrei-ten unentwegt die Maumlr Deutschland sei ein viel zu teurer Indu-striestandort geworden die Unternehmer seien mit viel zuhohen Kosten belastet das muumlsse sich endlich aumlndern Sie spe-kulieren darauf daszlig jede Behauptung wenn sie sie nur oftgenug wiederholen irgendwann geglaubt wird Massenver-dummungsblaumltterwie BILD aus dem Springer-Konzern wirkendaran eifrig mit Die Wahrheit bleibt dem verraquobildlaquoeten Publi-kum verborgen den Unternehmerverbaumlnden und Ministernhingegen ist sie wohlbekannt Nachzulesen ist sie in einerUntersuchung der Deutschen Bundesbank die gewiszlig nichtim Verdacht steht dem Kapitalismus feindlich gegenuumlberzu-stehen

In einer Auswertung der Bilanzen von 18 000 Unternehmenkommt die Bundesbank zu dem Ergebnis daszlig seit Ende dersiebziger Jahr der Anteil der Ausgaben fuumlr Steuern am Umsatzder Unternehmen nicht gestiegen sondern gesunken ist undzwar um etwa ein Sechstel Der gleichen Untersuchung zufolgeist auch der Anteil der Personalkosten am Umsatz zuruumlckge-gangen Beide zusammen Personalkosten und Steuerbela-stung machten 1989 kaum mehr als 20 Prozent des Gesamtum-satzes aus und verringerten sich inzwischen weiter Das heiszligtRund 80 Prozent des Umsatzes dienen anderen Zwecken nichtzuletzt den Unternehmergewinnen

Das reale Sozialprodukt je Beschaumlftigten (Arbeitsproduktivi-taumlt) erhoumlhte sich 1980 bis 1992 um 18 Prozent je Beschaumlftigten-stunde um 27 Prozent Aufgrund von Erfindungen und Ratio-nahsierungen koumlnnen industrielle Guumlter jetzt mit geringeremArbeitsaufwand also erheblich schneller hergestellt werdenDie Gewerkschaften reagierten fruumlhzeitig darauf indem sieArbeitszeitverkuumlrzungen forderten Helmut Kohl widersetztesich Diese Forderung sei raquodumm und toumlrichtlaquo wetterte erErst in harten Kaumlmpfen gelang es den Gewerkschaften in klei-nen Schritten uumlber lange Zeitraumlume die Arbeitszeit zu verkuumlr-zen und dadurch der sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit entge-genzuwirken So kam die Erhoumlhung der Arbeitsproduktivitaumltwenigstens zu einem Teil den arbeitenden Menschen selbstzugute wofuumlr sie allerdings auch mit Lohn- und Gehaltsver-zichten zahlen muszligten Hauptnutznieszliger der Rationalisierun-gen waren und blieben die Unternehmer

Der Korrektheit halber muumlssen wir hier freilich einschraumln-ken daszlig nicht alle Unternehmer gleichermaszligen von der Politikder Regierung Kohl profitieren Den groumlszligten Nutzen haben inder Regel diejenigen die ohnehin schon die Reichsten undMaumlchtigsten sind Vor allem die Groszligbanken deren Frankfur-ter Verwaltungspalaumlste nicht zufaumlllig die houmlchsten im Landesind In den Jahren 1990 bis 1992 verbuchte die Kreditwirt-schaft einen Bilanzgewinn von mehr als 20 Milliarden DMwovon allein Milliarden auf die Groszligbanken entfielen 1993konnten die Finanzkonzerne neue Gewinnrekorde vermeldenwaumlhrend andere kleinere Unternehmen uumlber die Rezessionstoumlhnten und uumlbers Jahr mehr als 15 000 Firmen zahlungsunfauml-hig wurden Dem Volk wurden raquoSolidaritaumltsopferlaquo abverlangtdas Groszlige Geld wuchs und wucherte wie nie zuvor

1989 hatten die Groszligbanken fast fuumlnf Milliarden Mark Zins-uumlberschuszlig kassiert Das war schon ein stattliches Ergebnis1993 aber in der Krise gelang es ihnen einen Zinsuumlberschuszligvon 23 Milliarden DM einzuheimsen In der tiefsten Rezessionseit Bestehen der Bundesrepublik profitierten sie vom steigen-den Kreditbedarf des Staates der Kommunen der Gewerbe-treibenden und der Privathaushalte Waumlhrend zum Beispielvom Herbst 1992 bis Herbst 1993 die Bundesbank den Diskont-

und den Lombardsatz die Leitzinsen um Prozentpunktereduzierte senkten die Banken die Kontokurrentzinsen nurum und die Ratenkredite fuumlr Kleinkunden um Prozent-punkte dagegen die Guthabenzinsen um 25 Prozent Das ver-anlaszligte selbst die raquoWirtschaftswochelaquo vom 13 Dezember 1993zum Murren raquoDie Banken stoszligen sich an Zinssenkungengesund die Wirtschaft kommt nicht auf die Beinelaquo- eine Kritikdie indessen in zweifacher Hinsicht praumlzisiert werden muszligdenn erstens brauchten sich die Banken nicht gesundzustoszligenweil sie ohnehin vor Gesundheit strotzten und zweitens hatdie Krise zwar viele einzelne Betriebe erwischt aber raquodie Wirt-schaftlaquo im allgemeinen steht auf festen Beinen wie ein Blickauf die Boumlrsenkurse zeigt Der Deutsche Aktienindex (DAX)kletterte 1993 zum Jahresende auf 2267 Punkte Ein Jahr zuvorhatte dieser aus 30 Standardwerten errechnete Boumlrsenkurs bei1545 Punkten gestanden Das war uumlbers Jahr eine Steigerungum Prozent Die Aktionaumlre wurden zwischen Neujahr undWeihnachten fast um die Haumllfte reicher allein durch ihre andeutschen Boumlrsen getaumltigten Geschaumlfte Groszligaktionaumlre erleb-ten also eine praumlchtige Weihnachtsbescherung am Ende einesJahres in dem im vereinigten Deutschland die Arbeitslosigkeitin eine Groumlszligenordnung aumlhnlich wie in der Schluszligphase derWeimarer Republik hineinwuchs und Armut zum Massen-schicksal wurde

Der Zusammenbruch des SED-Regimes in der DDR imNovember 1989 hat Helmut Kohls ohnehin sehr hohe Selbst-einschaumltzung ins Gigantische wachsen lassen Laumlngst ist eruumlberzeugt davon daszlig nicht Michail Gorbatschow nicht dieBeispiele Polens Ungarns und der Tschechoslowakei die fried-liche Revolution im anderen Teil Deutschlands in Gang gesetztund den mutigen Maumlnnern und Frauen der demokratischenOpposition zum Sieg verholfen haben sondern daszlig er alleinvermutlich durch sein Anstimmen des Deutschlandliedes vomBalkon des Dresdner Rathauses unter Miszligachtung der Haydn-schen Melodie -Honecker verjagt und die Mauer zum Einsturzgebracht haumltte wofuumlr ihm das deutsche Volk diesseits und jen-seits von Elbe und Saale auf den Knien danken sollte Er beruftsich auf den preuszligischen Strategen Moltke der meinte raquoGluumlckhat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tuumlchtigelaquo (womitdieser freilich eingeraumlumt hat daszlig auch dem MittelmaumlszligigenErfolg winken koumlnne) Dagegen empfahl ihm die raquoSuumlddeut-sche Zeitunglaquo schon im Sommer 1990 raquoeher davon zuchen daszlig er einfach Schwein gehabt hatlaquo

Aber Einsicht und Bescheidenheit sind Helmut Kohl we-sensfremd weshalb er auch die glaumlnzende Konjunktur zu An-fang der neunziger Jahre fuumlr das Werk seiner weisen Regierunghielt desgleichen die deutsche Fuszligball-Weltmeisterschaft imSommer 1990 Im Bundestagswahlkampf im Herbst 1990 bot erdiese nationale Erfolgsserie Einheit Aufschwung WMgleichsam im Dreierpack mit dem Aufdruck raquoAlles von Kohllaquoan Die Mogelpackung sollte im nationalen Rausch durchge-hen weil raquodie Maumlnnchen drauszligen im Landlaquo (womit er aber alle

Maumlnner und Frauen meint die auszligerhalb des Kanzler-Bunga-lows leben) so vergeszliglich oder so wenig informiert sind

In Wahrheit war von den Ereignissen in der DDR im Herbstniemand so sehr uumlberrascht worden wie die Kohl-Regie-

rung die dann allerdings die sich ihr so unverhofft bietendeChance eiligst ergriff Innerhalb weniger Wochen waren diemutigen Frauen und Maumlnner die das Honecker-Regime ge-stuumlrzt hatten ruumlcksichtslos vom Platz gedraumlngt und durch einevon Bonn aus an immer kuumlrzerer Leine gehaltene Uumlbergangsre-gierung ersetzt worden Mit Versprechungen Kohls der DDRein unverzuumlgliches Wirtschaftswunder zu bescheren und ihrdurch reichen DM-Segen den Einzug ins Paradies der freienMarktwirtschaft zur reinen Lustpartie werden zu lassen wur-den die Volkskammerwahlen vom 18 Maumlrz 1990 zu einemTriumph jener Blockparteien die vierzig Jahre lang von derSED ausgehalten worden waren und nun ihr Heil bei Kohlamp Co sahen

Damit war der Weg frei fuumlr den Einzug des Groszligen Geldes indie DDR und deren eilige Vereinnahmung Aber der verspro-chene reiche und sofortige Segen blieb natuumlrlich aus Vielmehrmuszligte die Regierung Helmut Kohls so sehr sie dies auch zuvertuschen suchte zunaumlchst einmal fuumlr einen drastischen So-zialabbau sorgen denn natuumlrlich waren und sind die Herrendes Groszligen Geldes vorrangig daran interessiert Profit zumachen und dabei ist all das was sie raquoSozialklimbimlaquo zu nen-nen belieben nur hinderlich

So muszligte die Regierung Kohl jetzt eine wahre Sisyphusar-beit leisten zum einen rasch alles beseitigen was ihren Auf-traggebern laumlstig ist vom Kuumlndigungsschutz uumlber das Aussper-rungsverbot und das bezahlte Babyjahrbis zum letzten betrieb-lichen Kinderhort zum anderen ein immer schnelleres Tempoeinschlagen um Fakten zu schaffen bevor sich diejenigen diedabei auf der Strecke bleiben muszligten uumlber die unvermeidli-chen katastrophalen Folgen der hastigen Vereinnahmung klar-werden konnten

So hieszlig es denn fuumlr Helmut Kohl und seine Ministerriegeimmer neue Ausreden erfinden und Beschwichtigungen ver-breiten beispielsweise behaupten daszlig niemand im Lande zu

befuumlrchten brauche die Zeche bezahlen zu muumlssen Dabei warvon vornherein klar daszlig es gewaltige Summen kosten wuumlrdeOstdeutschland den westlichen Standards anzugleichen alsozum Beispiel das Straszligen- und das Telefonnetz auszubauenWohngebaumlude und Industrieanlagen zu modernisieren und soweiter Auszligerdem konnte sich jeder Einsichtige an fuumlnf Fin-gern abzaumlhlen daszlig sich diese Kosten vervielfachen muszligtenwenn funktionierende Strukturen einfach ruumlcksichtslos zer-schlagen wurden An fruumlhzeitigen Warnungen kompetenterWirtschaftswissenschaftler und auch des damaligen Praumlsiden-ten der Deutschen Bundesbank fehlte es nicht Doch Kohlbehauptete dreist alles lasse sich ohne Steuererhoumlhungenfinanzieren Und damit ihm Kritik nicht hinderlich werdenkonnte beschleunigte er sein Tempo

Nach dem Willen Kohls und seiner Geldgeber verwandeltensich die Laumlnder der DDR in eine Art raquoKronkolonie Ostelbienlaquoso Jens Reich als Sprecher der demokratischen Buumlrgerbewegun-gen in der damals neu gewaumlhlten Volkskammer wo sie rasch indie Opposition gedraumlngt wurden

Die Rolle der Gounverneurin durfte nach der Ermordungdes ersten Praumlsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwed-der die CDU-Politikerin Birgit Breuel uumlbernehmen KohlsVertraute gerantierte fuumlr die Anwendung fruumlhkapitalistischerMethoden der Ausbeutung des Ramsch-Einkaufs von Grundund Boden und des sozialen und kulturellen Kahlschlags

Als wessen Treuhaumlnderin betaumltigte sich Birgit Breuel Galtihre Treue etwa den Genossenschaftsbauern Den Beschaumlftig-ten der Industriebetriebe Dem Volk dem die Betriebe nomi-nell gehoumlrten Oder dem Bundesfinanzminister dem CSU-Vorsitzenden Theo Waigel dem die Treuhandanstalt unter-stellt ist

Genossenschaftsbauern wurden aumlhnlich verdraumlngt wie Indu-strie-Beschaumlftigte Das Volkseigentum wurde privatisiert undder Bundeshaushalt zog aus den Verkaumlufen keinen Gewinnsondern die Treuhandanstalt erwies sich als Weltmeisterin imSchuldenmachen In dreieinhalb Jahren vermehrte sie die Bun-desschulden um die mit keinem Hochgebirge der Welt mehr zuveranschaulichende Summe von Milliarden Mark

dem es der Regierung des Dr Kohl in Bonn schon gelungenwar die 1982 bei der raquoWendelaquo uumlbernommenen Bundesschul-den auf mehr als das Doppelte anwachsen zu lassen

Als Folge des Vernichtungswerks der raquoTreuhandanstaltlaquoliegt Ostdeutschlands Wirtschaft vier Jahre nach dem Fall derMauer am Boden etwa auf dem Niveau eines Entwicklungslan-des wie Sri Lanka Nur noch etwa drei Prozent steuerten 1992die neuen Laumlnder zur deutschen Industrieproduktion beiOhne Ruumlcksicht auf die Beduumlrfnisse der Menschen wurde alleszerschlagen was dem Groszligen Geld beim Einzug in Ost-deutschland als hinderlich oder unbrauchbar erschien und dieAnstalt belohnte diejenigen denen sie das DDR-Volkseigen-tum uumlbereignete noch mit uumlppigen Zusatzgeschenken DieKonditionen der Uumlbereignungsvertraumlge zum Beispiel Freistel-lung der Erwerber von Verpflichtungen und Risiken wurdenvon der Breuel-Anstalt in manchen Faumlllen so guumlnstig gestaltetdaszlig der Buumlndnis 90-Abgeordnete Ulrich-Karl Engel im Landtagvon Sachsen-Anhalt dafuumlr nur diese Erklaumlrung fand raquoOrgani-sierte Kriminalitaumlt beginnt im Nadelstreifenlaquo Nach alarmie-renden Feststellungen des Bundesrechnungshofes und nachEinleitung etlicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfah-ren sah schlieszliglich Ende 1993 der Bundestag Anlaszlig einen Treu-hand-Untersuchungsausschuszlig einzusetzen

Angesichts der von dieser Behoumlrde hinterlassenen Schuldendie noch kuumlnftige Generationen belasten werden wandte sichder Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Gerald Thal-heim gegen raquopolitische Legendenbildunglaquo in Bonn raquoDort wirdausschlieszliglich die sozialistische DDR-Miszligwirtschaft fuumlr die-heutige Lage verantwortlich gemachtlaquo

Gerade im raquoSuperwahljahrlaquo 1994 wird die Regierungspropa-ganda krampfhaft an dieser Legende festhalten Die Wahrheitaber ist daszlig ein groszliger Teil der Treuhand-Schulden erst nachDDR-Zeiten durch eine raquoAufbau-Politiklaquo entstand mit der vielzerstoumlrt aber wenig aufgebaut wurde

Wem so fragten wir galt die Treue der Treuhand-Praumlsiden-tin Wo ist sie verwurzelt

Birgit Breuel Kohls Statthalterin fuumlr den Osten ist Tochterund Erbin des Hamburger Bankiers Alwin Muumlnchmeyer der

jahrzehntelang Boszlig des Bankhauses Schroumlder MuumlnchmeyerCo war All seine Amter in Vorstaumlnden Aufsichtsrauml-

ten und Beiraumlten aufzuzaumlhlen fehlt hier der Platz Erwaumlhnunggebuumlhrt aber zumindest der Tatsache daszlig die deutschen Ban-kiers als es galt den Praumlsidenten des Bundesverbandes derdeutschen Banken zu waumlhlen dieses Amt Alwin Muumlnchmeyerantrugen der es jahrelang ausuumlbte An der Hamburger

ist es kein Geheimnis Der ganze Ehrgeiz von TochterBirgit war es seit eh und je diesem Vater zu beweisen daszlig sieseiner wuumlrdig sei eine nicht nur sondern 150prozentigeSachwalterin des Groszligen Geldes

Privatisierung oder raquoEntstaatlichunglaquo wie sie es gernnennt war und blieb immer das Hauptbestreben der CDU-Politikerin zuerst in der Hamburger Buumlrgerschaft dann in dervon Ernst Albrecht geleiteten niedersaumlchsischen CDUFDP-Regierung der sie zwischen 1978 und 1990 anfangs als Wirt-schafts- spaumlter als Finanzministerin angehoumlrte In vielenReden und Schriften stritt sie wacker gegen Subventionen vorallem bei der CDU-Mittelstandsvereinigung zu deren nieder-saumlchsischen Landesvorsitzenden sie sich waumlhlen lieszlig Mittel-staumlndischen Unternehmern redete sie ein es vertrage sichnicht mit den Prinzipien der Marktwirtschaft wenn sich derStaat um die Wirtschaft kuumlmmere und deswegen duumlrften sieauch unter keinen Umstaumlnden Subventionen beanspruchenGroszligunternehmen dagegen wurden unter Breuels Minister-Verantwortung in Niedersachsen reichlich mit Subventionenbedacht beispielsweise das zum Roumlchling-Konzern gehoumlrendeRuumlstungsunternehmen Rheinmetall dem sie ein groszligenteilsmit oumlffentlichen Mitteln finanziertes Zentrum zur Entwicklungneuer Kriegswaffentechniken bauen lieszlig

Bereits 1979 formulierte Birgit Breuel ein umfassendes Priva-tisierungsprogramm das wie sie verhieszlig zu einem raquoMehr anindividueller Freiheitlaquo fuumlhren werde Das Programm nannteSchlachthoumlfe und kommunale WohnraumvermittlungsstellenSportstadien und Verkehrseinrichtungen Krankentransportund Muumlllabfuhr Kuumlchen in Kliniken und Reinigungsdienstefuumlr Schulen oder fuumlr Behoumlrden -wobei es sich guumlnstig traf daszligsich der niedersaumlchsische Landesvorsitzende des CDU-Wirt-

schaftsrats Hartwig Piepenbrock mit seinem groszligen Gebaumlude-reinigungsunternehmen das dann schnell noch viel groumlszligerwurde fuumlr solche Aufgaben bereithielt meist mit stunden-weise beschaumlftigten Frauen unter schlechteren Arbeitsbedin-gungen mit niedrigeren Loumlhnen und unzureichenden Soziallei-stungen

Es gehe aber nicht allein um Kostenguumlnstigkeit erlaumlutertedie niedersaumlchsische Ministerin in ihrem Programm Die Uumlber-tragung oumlffentlicher Aufgaben auf private Traumlger koumlnne auchdann in Betracht kommen private Leistungserstellungteurer ist als die verwaltungseigenelaquo Hier muumlsse raquodas Gebotder Sparsamkeit gegen das ordnungspolitisch erstrebte Zielabgewogen werdenlaquo - und dieses Ziel hieszlig eben Privatisie-rung

Ausdruumlcklich erlaumluterte die niedersaumlchsische Ministerindaszlig manche Leistungen raquoin der Regel nicht kostendeckenderstellt werden koumlnnen (zum Beispiel Theater MuseenSchwimmbaumlder)laquo Diese Einsicht hinderte sie nicht sich auchfuumlr die Privatisierung von Theatern Museen Schwimmbaumldernwie auch von Schulen Universitaumlten und Postaumlmtern einzuset-zen raquoNotfallslaquo meinte sie in ihrem Programm muumlsse dieoumlffentliche Hand raquoZuschuumlsse gewaumlhrenlaquo

Nach Birgit Breuels Verstaumlndnis sollen sich also die Aufga-ben des Staates nicht aus allgemeinen Beduumlrfnissen herleitensondern aus den Gewinninteressen einzelner denen sie letzt-lich alles was der Allgemeinheit gehoumlrt zuschieben willraquoSelbst bei der Steuerverwaltunglaquo schrieb sie koumlnne sie sichraquoin wesentlichen Teilen eine privatwirtschaftliche Struktur vor-stellenlaquo

In Niedersachsen konnte die Bankierstochter jedoch mitihren Kampagnen gegen raquouumlberzogene Sozialstaatlichkeitlaquo undihren Tiraden gegen die Gewerkschaften (raquoVater Staat ist gefor-dert sein wachsames Auge und wenn noumltig seine strafendeHand gegen die Organisationen der Arbeitnehmer zu richtenlaquo)noch wenig ausrichten Die zur Privatisierung ausersehenenAbteilungen von Krankenhaumlusern und Stadtverwaltungenwehrten sich kraumlftig und Putzfrauen sowie Friedhofs-gaumlrtner lieszligen durch ihren Widerstand manchen Breuel-Plan

scheitern Und als die CDU-Politikerin im von ihr geleitetenWirtschaftsministerium eine Botenstelle teilen wollte unter-sagte ihr das eine Einigungsstelle unter Vorsitz des hannover-schen Landgerichtspraumlsidenten Birgit Breuels Job-sharing-Modell haumltte die Stelleninhaber mit einem halbierten Boten-Gehalt an die Sozialhilfegrenze rutschen lassen

Unmittelbar nachdem 1990 die niedersaumlchsischen Waumlhlerin-nen und Waumlhler die Regierung Albrecht abgewaumlhlt hatten fandBirgit Breuel mit dem Segen des Kanzlers und derer denen eres immer recht machen will ihre neue Verwendung als Vor-standsmitglied und bald als Praumlsidentin der TreuhandanstaltNun konnte sie sich endlich als raquoEntstaatlicherinlaquo austobenwie sie es sich in ihrem Programm von 1979 gewuumlnscht hatteEifriger Mittaumlter im Vorstand war von 1991 bis 1993 GuumlntherRexrodt (FDP) jetzt Kohls Wirtschaftsminister

Wer warum welche ehemaligen DDR-Betriebe uumlbernehmendurfte ist ein Raumltsel das wohl auch der vom Bundestag aufDraumlngen der Opposition eingesetzte Untersuchungsausschuszlighoumlchstens partiell wird loumlsen koumlnnen Nehmen wir als Beispieldie Eisen- und Huumlttenwerke in Thale wo in DDR-Zeiten fast7 000 Menschen arbeiteten Dieser Betrieb der einst zwei juumldi-schen Familien bis zu deren Verdraumlngung durch die Nazis ge-houmlrt hatte repraumlsentiert allein schon durch seine Lage aufeinem groszligen Areal inmitten der Stadt Thale einen betraumlchtli-chen Wert-ganz abgesehen von den teilweise noch in den acht-ziger Jahren mit westlichen Maschinen modernisierten Produk-tionsstaumltten

Fuumlr Sanierungsmaszlignahmen und als Liquiditaumltshilfen zahltedie Treuhandanstalt Zigmillionen Das Land Sachsen-Anhaltgab Buumlrgschaften Das Eigentum wurde ohne daszlig sich dieAnstalt lange mit Anspruumlchen der juumldischen Vorbesitzer auf-hielt einem westdeutschen raquoInvestorlaquo uumlberschrieben DieWahl der Treuhandanstalt fiel auf den durch Waumlhlerentscheidbeschaumlftigungslos gewordenen indessen nicht am Hungertuchnagenden sondern bestens versorgten ehemaligen niedersaumlch-sischen Ministerpraumlsidenten Ernst Albrecht mit dem BirgitBreuel zwoumllf Jahre lang in Hannover zusammen regiert hatteDer Preis den Dr Albrecht zahlen muszligte belief sich auf 1 (in

Worten eine) DM Da er als Kompagnon einen Bremer Rechts-anwalt mit fuumlnf Prozent beteiligte brauchte der hannoverscheCDU-Politiker der jahrelang als stellvertretender Parteivorsit-zender neben Dr Kohl dem CDU-Praumlsidium angehoumlrt hattegenau gesagt nur 95 Pfennig aufzubringen

Angeblich durch ein raquoVersehenlaquo uumlberschrieb ihm die Treu-handanstalt auch ein groszliges Suumldhang-Gelaumlnde im Harz mitBeherbergungs- und Freizeit-Einrichtungen die fruumlher denBeschaumlftigten der Eisen- und Huumlttenwerke und ihren Familien-angehoumlrigen zur Verfuumlgung gestanden hatten Das raquoVersehenlaquowurde nicht etwa korrigiert sondern Firmenchef Albrechtdurfte diese Immobilie alsbald weiterverkaufen fuumlr mehr alsvier Millionen Mark

In einem programmatischen Buch mit dem Titel raquoDer Staatlaquohatte Ernst Albrecht einst beklagt den Deutschen fehle soetwas wie es die Briten in den Kolonien gehabt haumltten und dieUS-Amerikaner im Wilden Westen Nun kann Albrecht an derprivatwirtschaftlichen Erschlieszligung des deutschen Ostens mit-wirken dank Treuhandanstalt die ihn zunaumlchst zum Auf-sichtsratsvorsitzenden der Eisen- und Huumlttenwerke Thaleberief und ihn dann zum Eigentuumlmer machte eine Entschei-dung die auch dann fragwuumlrdig wirkt wenn Albrecht glaub-haft versichert keinen persoumlnlichen Nutzen aus dem Eigen-tum zu ziehen sondern sich mit den Aufsichtsratstantiemenzu begnuumlgen Die Belegschaft in Thale schrumpfte inzwischenauf einige hundert Beschaumlftigte

Im allgemeinen sorgte die Treuhandanstalt dafuumlr daszlig die-jenigen die schon in Westdeutschland monopolartige Wirt-schaftsmacht besitzen diese auf Ostdeutschland ausdehnenkonnten So wurde die Presse Beute westdeutscher Groszligver-lage wie Springer Bauer Burda und Bertelsmann BauerBranchenerster auf dem Markt bunter Wochenblaumltter zweiein-halbfacher Vermoumlgensmilliardaumlr Hauptbeteiligter an Schmutz-Wahlkampagnen der CDUCSU hatte seit langem denWunsch gehabt auch ins Tageszeitungsgeschaumlft einzusteigenwas ihm jedoch in Westdeutschland miszliglang weil hier derMarkt aufgeteilt besetzt also gar kein freier Markt mehr istDie Treuhandanstalt erfuumlllte ihm seinen Wunsch Er erhielt die

ehemalige SED-Bezirkszeitung raquoVolksstimmelaquo in Magdeburgeine der auflagenstaumlrksten deutschen Regionalzeitungen

Westdeutsche Fuumlrsten die nach dem Zweiten Weltkriegdurch die Bodenreform ihre ostelbischen Latifundien verlorenhatten ergreifen nun nach und nach wieder Besitz einige wieder schwerreiche und erzkonservative Philipp Ernst Fuumlrst vonSchaumburg-Lippe zunaumlchst als Paumlchter der TreuhandanstaltAls Ende 1993 die Breuel-Behoumlrde erstmals ein ostdeutschesWald- und Forstgebiet privatisierte schlug sie den 828 Hektargroszligen Forst Schleiz-Langenbuch in Thuumlringen dem hessi-schen raquoInvestorlaquo Franz Alexander Fuumlrst von Isenburg zu

Im Sinne der raquoAlteigentuumlmerlaquo die freilich im Westen laumlngstauf Steuerzahlers Kosten Lastenausgleich erhalten hatten ver-fuhren die Regierung Kohl und die Treuhandanstalt nach demPrinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo- was fuumlr diejenigen dieinzwischen in der DDR gelebt und gearbeitet hatten Wegnah-me ohne Entschaumldigung bedeutet Zu den raquoAlteigentuumlmernlaquodie sich bei der Treuhandanstalt und oumlrtlichen Vermoumlgensaumlm-tern draumlngelten gehoumlrten sofort etliche raquoArisierungslaquogewinnlerler vom Typ unseres alten Bekannten Dr Fritz Ries die geradewegen der Umstaumlnde unter denen sie einst in der Nazi-Zeitjuumldischen Besitz erlangt hatten nach dem Zweiten Weltkrieg inOstdeutschland enteignet worden waren Die Klaumlrung vonEigentumsanspruumlchen erwies sich oft als sehr muumlhsam Anungeklaumlrten Vermoumlgensfragen gingen inzwischen viele tausen-de Industrie- Handwerks- und Agrarbetriebe zugrunde Beam-te des Bundesfinanzministeriums entwickelten ein Konzeptwonach Alteigentuumlmer denen ein unerwarteter Gluumlcksfall derGeschichte laumlngst verlorengeglaubte ostelbische Besitztuumlmerbeschert verpflichtet werden sollten eine Vermoumlgensabgabezu zahlen und damit das fuumlr die Entschaumldigung anderereigentuumlmerbenoumltigte Geld aufzubringen Aber die Bonner Re-gierung entschied anders naumlmlich so wie sie es im Dienste desGroszligen Geldes als ihre Aufgabe ansieht Die Vermoumlgendenbrauchen keine Abgabe zu entrichten Fuumlr Entschaumldigungenmuumlssen die Steuerzahler aufkommen -jedoch erst vom Jahre2004 an Die Regierung Kohl plant die weitere Umverteilungvon unten nach oben schon bis ins naumlchste Jahrhundert voraus

In vielen Faumlllen waren westdeutsche Konzerne nur deswe-gen an der Uumlbernahme ostdeutscher Betriebe interessiert weilsie Konkurrenz ausschalten wollten Bekanntestes Beispiel istdie Kaligrube Bischofferode Das von den uumlber 700 Bischoffe-roumlder Bergleuten gefoumlrderte besonders hochwertige Kalisalzwar international nachgefragt bis zur Schlieszligung der GrubeEnde 1993 muszligten Uumlberstunden geleistet werden Ein Kauf-interessent stand bereit der sich gute Gewinne ausrechnenkonnte Doch der Ludwigshafener Chemie-Riese BASF beidem einst der Nachwuchspolitiker Helmut Kohl als Praktikanterste Erfahrungen hatte sammeln duumlrfen setzte sich mit sei-nem Interesse an einem gesamtdeutschen Kali-Monopol durch

Wirtschaftlich gestaltete sich die Eingliederung Ostdeutsch-lands in die Bundesrepublik wofuumlr sich Dr Kohl so gern alsEinheitskanzler feiern laumlszligt im wesentlichen als Eroberung desMarktes und Ausschaltung potentieller Konkurrenz in denneuen Bundeslaumlndern Statt Sanierung ruumlckstaumlndiger Teile derDDR-Wirtschaft Vernichtung von drei Vierteln des dortigenIndustriepotentials preisguumlnstige Aneignung interessanterProduktionskapazitaumlten und Immobilien Privatisierung vonProfiten Verstaatlichung von Verlusten alles zuverlaumlssig prak-tiziert durch die Treuhandanstalt

Die verheiszligenen Investitionen im Osten blieben in allerRegel aus Das lag nicht etwa daran daszlig es in Westdeutschlandan Kapital gefehlt haumltte das in den raquoNeuen Laumlndernlaquo haumltteinvestiert werden koumlnnen Wie wir schon gesehen haben hattesich das Groszlige Geld in den achtziger Jahren gewaltig vermehrtund Anfang der neunziger Jahre machte es noch groumlszligereGewinnspruumlnge Weil Jahr fuumlr Jahr viel mehr eingenommen alsinvestiert wurde staute sich Liquiditaumlt in einem fruumlher unbe-kannten Ausmaszlig raquoDas Liquiditaumltspolster der westdeutschenProduktionsunternehmenlaquo schrieb im Mai 1991 die DeutscheBundesbank sei reichlich bisher noch nie gewesenlaquo Aberdie westdeutschen Konzerne hatten wenig Interesse im Ostenneue Betriebe zu errichten

Ende 1993 legte der Paritaumltische Wohlfahrtsverband gemein-sam mit dem DGB erneut einen raquoArmutsbericht vorlaquo worin ervor allem die Lage in Ostdeutschland untersucht Zur Treu-

handpolitik heiszligt es dort raquoGroszlige Bedeutung fuumlr die Wirt-schafts- und Beschaumlftigungsentwicklung in den neuen Bundes-laumlndern hatte die Politik der Treuhandanstalt ihr kam nachdem Treuhandgesetz primaumlr die Aufgabe zu das volkseigeneVermoumlgen der ehemaligen DDR zu privatisieren und zu ver-werten nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft Diebestehenden Unternehmen sollten so rasch als moumlglich zer-schlagen und in Privateigentum uumlberfuumlhrt werdenlaquo Dagegensei es raquoweder urspruumlngliches Ziel noch bisherige Praxis derTreuhandlaquo gewesen Betriebe raquomit der Zielsetzung einer Erhal-tung von Produktions- und Beschaumlftigungsstandortenlaquo zusanieren Deswegen sei raquoein Groszligteil der zum Zeitpunkt derMaueroumlffnung vorhandenen Arbeitsplaumltze inzwischen verlo-rengegangenlaquo Ergebnis raquoAuf jeweils zwei Beschaumlftigtekommt derzeit in Ostdeutschland ein Erwerbsloserlaquo

1990 im Jahre des raquoBeitrittslaquo der DDR zur BundesrepublikDeutschland hatte die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland

Prozent betragen zwei Jahre spaumlter war sie bereits aufProzent gestiegen in den Bevoumllkerungsgruppen der Alleiner-ziehenden und der bis 64jaumlhrigen sogar schon auf 25 Pro-zent Die Zerschlagung von Betrieben betrifft in besonderemMaszlige auch die Jugendlichen die sich um Ausbildungsplaumltzebewerben 1992 fanden von den im Osten als Bewerber regi-strierten Jungen und Maumldchen nur Prozent einen betriebli-chen Ausbildungsplatz teilweise im Westen Das Defizit ver-groumlszligerte sich 1993 dadurch daszlig sich staatliche Subventionenfuumlr auszligerbetriebliche Ausbildungsplaumltze verringerten

Alleinerziehende gab es in der ehemaligen DDR deutlichmehr als in Westdeutschland Prozent aller Familienhaus-halte Die Untersuchung des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandsfuumlhrt das zuruumlck raquoauf zahlreiche soziale Erleichterungen undVerguumlnstigungen sowie die Tatsache daszlig Alleinerziehende inihrem Status gesellschaftlich akzeptiert warenlaquo- was sich inzwi-schen gruumlndlich geaumlndert hat raquoIm Zuge Vereinigunghaben sich die Rahmenbedingungen fuumlr Allemerziehende imOsten deutlich verschlechtert und das Risiko der gesellschaftli-chen Ausgrenzung und Verarmung dieser Gruppe hat sichebenso deutlich erhoumlhtlaquo

Um zu illustrieren wie tief Kohls Einheitspolitik gerade dieMuumltter in den neuen Laumlndern hat stuumlrzen lassen erinnert derParitaumltische Wohlfahrtsverband in seinem Bericht an die Lei-stungen auf die sie in der DDR Anspruch hatten raquoSo erhieltenMuumltter von zwei und mehr Kindern sowie Alleinerziehendeeinen zusaumltzlich bezahlten Hausarbeitstag pro Monat DerAnspruch auf einen Schwangerschaftsurlaub betrug sechsWochen vor und 20 Wochen nach der Geburt mit einem Ein-kommen in Houmlhe des Nettoverdienstes Daneben konnte nachGeburt des ersten Kindes ein Babyjahr in Form bezahltenUrlaubs bei einer Unterstuumltzung zwischen 65 und 90 Prozentdes Nettoeinkommens genommen werden nach Geburt desdritten Kindes und der folgenden Kinder sogar eineinhalbJahre und bis zu drei Jahren wenn das Kind nicht versorgt wer-den konnte oder krank war Unabhaumlngig von einer Freistellungwurde den Frauen pro Kind ein Jahr bei der Rentenversiche-rung angerechnet ab dem dritten Kind erhoumlhte sich dieZurechnungszeit auf drei Jahre pro Kind Fuumlr die Betreuungkranker Kinder waren je nach Familienstand und Kinderzahlvier bis maximal dreizehn Wochen bezahlter Freistellungs-urlaub pro Jahr moumlglich Zur finanziellen Entlastung von Fami-lien und alleinstehenden Muumlttern trugen weitere Leistungenbei wie ein im Vergleich zur BRD deutlich houmlheres KindergeldUnterhalts- und Ausbildungsbeihilfen und eine Geburtenbei-hilfe in Houmlhe von 1000 Mark Studierende Muumltter hatten An-spruch auf umfassende Unterstuumltzung unter anderem bei derWohnraumversorgung und Kinderbetreuung VertreterInnenvon Familienverbaumlnden gehen davon aus daszlig in der DDR 75bis 80 Prozent aller Kosten die ein Kind von der Geburt biszum 18 Lebensjahr verursacht von Staat und Gesellschaftgetragen wurden gegenuumlber maximal einem Viertel in derBRD Gleichzeitig stand ein umfassendes hochsubventionier-tes und damit fuumlr die Mutter kostenloses Angebot staatlicherKinderbetreuung bei taumlglichen Oumlffnungszeiten zwischen neunund zwoumllf Stunden zur Verfuumlgung das bereits in der zehntenLebenswoche ansetzte und je nach Alter zwischen 81 und 94Prozent der Kinder erfaszligte laquo Hinzu kamen noch ein speziel-

ler Kuumlndigungsschutz fuumlr Alleinerziehende und manche weite-ren Verguumlnstigungen

Obwohl Dr Kohl und sein Sozialminister Dr Bluumlm immerdas Wort raquoFamilielaquo im Munde fuumlhren hatten sie fuumlr sol-

che Errungenschaften nichts uumlbrig und sorgten fuumlr deren Besei-tigung

Von den Ende 1989 in der DDR ausgewiesenen 340 000alleinerziehenden Muumlttern war schon Ende 1991 jede sechsteohne Erwerbsarbeit Das fruumlher in der DDR unbekannteDilemma sich zwischen Beruf und Kind entscheiden zu muumls-sen und die nun rasch angestiegenen Kosten von Mutterschaftund Kinderbetreuung fuumlhrten laut Armutsbericht zu einer ein-deutigen Reaktion raquoFrauen entscheiden sich mit zunehmen-der Tendenz gegen Kinder Die Geburtenrate sank zwischen1989 und 1991 um die Haumllfte Sterilisationen stiegen sprunghaftan ihr Nachweis stellt im Kampf um die raren Arbeitsplaumltzeoffensichtlich einen Konkurrenzvorteil darlaquo Wie vertraumlgt sichdas mit den staumlndigen Bekenntnissen der CDUCSU zumSchutz der Familien mit ihren wuumltenden Attacken gegen dieunter Willy Brandts Kanzlerschaft eingefuumlhrte Liberalisierungdes $218 (Schwangerschaftsabbruch) Die Antwort ist einfachFuumlr die Unionschristen endet die Fuumlrsorgepflicht des Staatesan der Kasse und Unternehmerinteressen haben stets Vorrangvor denen der Lohnabhaumlngigen

Wegen der unzureichenden Foumlrderung von Familien mitKindern steigt in Deutschland die Kinderarmut steil an Der

weist fuumlr 1992 fuumlr Westdeutschland den Anteilder in Armut lebenden Kinder unter 16 Jahren mit Prozentin Ostdeutschland mit Prozent aus Als raquowohnraumunter-versorgtlaquo registriert er Prozent aller westdeutschen und391 Prozent aller ostdeutschen Kinder und Jugendlichen undresuumlmiert raquoKindheit insbesonder in groumlszligeren Familien istin beiden Teilen der Bundesrepublik mit einemauszligerordentli-chen Armutsrisiko verknuumlpftlaquo Jedesmal wenn Kohl und Bluumlmmit reichlich Spucke das Wort raquoFamilljelaquo uumlber die Lippen brin-gen sollen wir ihnen diese Feststellung entgegenhalten

raquoDie Chance im Zuge der Sozialunion eine umfassende So-zialreform einzuleiten um die jeweiligen Staumlrken der beiden

Systeme sozialer Sicherung zu erhalten und die vorhandenenDefizite zugunsten eines umfassenderen und houmlheren Siche-rungsniveaus zu korrigieren ist aus politischen Gruumlnden nichtgenutzt wordenlaquo beklagt der Armutsbericht Und er zaumlhlt vie-les auf was in Ostdeutschland guumlnstiger geregelt war als inWestdeutschland Armut in dem Sinne daszlig arm ist wer weni-ger als die Haumlfte des Durchschnittseinkommens erhaumllt habe esin der DDR wegen der gleichmaumlszligigen Verteilung der Einkom-men auf niedrigem Niveau nicht gegeben zumal die Guumlter desGrundbedarfs stark subventioniert waren In DDR-Zeitenhabe man zwar verdeckte Wohnungsnot gekannt aber keineoffene Obdachlosigkeit Nur neun Prozent der Erwerbstaumltigenin der DDR haumltten keinen Ausbildungsabschluszlig gehabt (gegen-uumlber 19 Prozent in Westdeutschland) raquoBehinderte Menschenwaren in der DDR uumlber verschiedene Schutzvorschriftenwesentlich staumlrker in das Alltagsleben integriert als es dieBestimmungen des bundesdeutschen Schwerbehindertenge-setzes verlangen Die deutsche Einigung ging fuumlr behinderteMenschen mit einer schlagartigen Ausgrenzung aus demArbeitsleben Hinzu kaumlmen jetzt soziale Diskriminie-rungen und eine raquoeklatante Verschlechterunglaquo im Rentenrechtder Behinderten

Pflegebeduumlrftige hatten in der DDR einen individuellenAnspruch auf Pflegegeld den sie durch die Vereinigung verlo-ren Pflegeheimaufenthalt und medizinische Betreuung warengratis Jetzt muumlssen die Pflegebeduumlrftigen selbst zahlen DerWeg ins Heim ist fuumlr die meisten ein Weg in die Sozialhilfe Dasbedeutet auch daszlig Angehoumlrige finanziell herangezogen wer-den -raquoein gravierender Bruch fuumlr ostdeutsche Pflegebeduumlrftigeund ihre Angehoumlrigen nach uumlber 40 Jahren prinzipiellerKostenfreiheit im Gesundheitssystemlaquo Was Pflegebeduumlrfti-gen nach der Waumlhrungsunion auf ihren Sparbuumlchern verblie-ben war wurde ihnen von den Sozialhilfe-Behoumlrden bis aufeinen Restbetrag genommen Weitgehend zerschlagen wurdendie Strukturen der raquoVolkssolidaritaumltlaquo einer in der DDR staat-lich gefoumlrderten Organisation die mit 6 500 Gemeindeschwe-stern vielen weiteren hauptamtlichen und rund 200 000 ehren-amtlichen Kraumlften vor allem fuumlr die ambulante Betreuung von

Pflegebeduumlrftigen zustaumlndig war und zum Beispiel fuumlr symboli-sche 50 Pfennig am Tag denjenigen Essen brachte die nichtselbst kochen konnten Wegen Auslaufens von Arbeitsbeschaf-fungsmaszlignahmen sind jetzt auch die rund 1000 Altenklubs inOstdeutschland in ihrem Bestand gefaumlhrdet

Viel schneller als die Angleichung der Einkommen (1992betrug das durchschnittliche Einkommen pro Person in einemOst-Haushalt Prozent im Verhaumlltnis zum Westen) vollzogsich die Angleichung der Mietpreise Allein im Jahre 1991 stie-gen die Mieten im Osten um das 35- bis Vierfache Inzwischensetzte sich der Anstieg fort einzig aus Spekulationsgruumlndennicht etwa zum Ausgleich fuumlr Modernisierungsmaszlignahmendie bisher meist unterblieben Wegen auflaufender Mietschul-den kommt es zu vielen Raumlumungsklagen So waren allein inMagdeburg Anfang 1993 rund 1900 Raumlumungsklagen anhaumln-gig Obdachlosigkeit entsteht laut Armutsbericht vielfach auchdurch rabiate Methoden alter oder neuer Hausbesitzer diebestrebt sind Wohnungen zu raquoentmietenlaquo Notwendige Ver-besserungen des Wohnungsbestands scheiterten bisher aucham Prinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo in etwa einer Mil-lion Faumllle waren 1993 die Besitzverhaumlltnisse noch nicht geklaumlrtdie uumlberforderten Gerichte und Behoumlrden werden damit wohlnoch Jahre beschaumlftigt sein

Als psychosoziale Folgen dieser Entwicklung nennt derArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB Wachsende Verunsicherung Empfindung von Nichtge-brauchtsein und Leere Gefuumlhle des Ausgeliefertseins und dereigenen Ohnmacht sich ausdehnende Hoffnungslosigkeit undSinnlosigkeit sich verfestigende seelische Probleme (Schlaf-stoumlrungen) Ruumlckzug ins Private und zunehmende politischeUninteressiertheit Empfinden eines grundlegenden Statusver-lustes sich einstellende Inaktivitaumlt und zunehmende Neigungzum Alkoholkonsum Auffaumlllig seien zudem verstaumlrkt auftre-tende Gesundheitsstoumlrungen als Reaktion auf soziale und kul-turelle Ausgrenzung (Auch Kinokarten verteuerten sich raschum 700 Prozent und wurden fuumlr viele unerschwinglich)

Das Versprechen des Kanzlers Dr Kohl daszlig es niemandemschlechter gehen werde erwies sich bald nach der von ihm

gewonnenen Bundestagswahl vom Dezember 1990 als hohlUm so groumlszliger waren die Hoffnungen nach einer Uumlbergangs-zeit von allenfalls drei oder vier Jahren werde es allen Ostdeut-schen besser gehen Doch auch diese Hoffnung erfuumlllte sichnicht Im Gegenteil Fuumlr betraumlchtliche Teile der Bevoumllkerung istein Ende der Abwaumlrtsentwicklung nicht absehbar Im Armuts-bericht von Ende 1993 heiszligt es dazu raquoIn einer Vielzahl vonLebensbereichen droht die Versorgung in den neuen Bundes-laumlndern weit hinter den im Westen der Republik vorhandenenStandards zuruumlckzubleiben Dies gilt vorrangig fuumlr die Versor-gung im Arbeitsmarkt- und Beschaumlftigungssystem Dies giltjedoch auch fuumlr die Versorgung mit Bildungsguumltern mit Woh-nungen und mit Sozial- und GesundheitsdienstleistungenlaquoKommunale Kostentraumlger seien raquoaufgrund ihrer prekaumlrenHaushaltssituation kaum in der Lage die laufenden Kosten fuumlrdie soziale Infrastruktur vor Ort zu bestreitenlaquo Die Autorendes Armutsberichts zitieren Prognosen wonach eine Anglei-chung der Lebensverhaumlltnisse zwischen Ost und West nocheinen Zeitraum von raquomindestens zehn Jahrenlaquo erfordern wirdSie selbst halten es fuumlr raquooffen ob eine solche Angleichung tat-saumlchlich stattfinden oder ob das Beitrittsgebiet nicht vielleichtuumlber einen laumlngeren Zeitraum eine Armutsregion im vereintenDeutschland bleiben wirdlaquo

Halten wir fest Als sich Buumlrgerinnen und Buumlrger der DDRlange entbehrte Freiheiten erkaumlmpften als das SED-Regimezusammenbrach als das uumlble Spitzelsystem des Staatssicher-heitsdienstes beseitigt wurde da handelten die Ostdeutschensouveraumln und der westdeutsche Kanzler hatte auszliger Spruumlchenwenig beizutragen Die Einheit aber inszenierte er dann -nichtohne ostdeutsche Helfer namentlich den Staatssekretaumlr Guumln-ther Krause der spaumlter zur Belohnung zeitweilig Bundesver-kehrsminister sein durfte als groszligen Volksbetrug Betrogenund gedemuumltigt stehen jetzt nicht nur Millionen Ostdeutscheda sondern fuumlr materielle und politische Kosten muumlssen mehrund mehr auch die Westdeutschen aufkommen nicht die Rei-chen die noch viel reicher wurden sondern die Armen Wasder raquoEinheitskanzlerlaquo angerichtet hat ist die tiefe sozialeSpaltung Deutschlands

Mit den raquoSolidarpaktlaquo-Beschluumlssen von 1993 deren Inhaltso zynisch ist wie der Name und mit den raquoSpar- und Konsoli-dierungsbeschluumlssenlaquo fuumlr 1994 wurde zu Lasten der Armen inganz Deutschland tief in die Leistungen des Arbeitsfoumlrderungs-und des Sozialhilfegesetzes eingegriffen Kuumlrzungen des Ar-beitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe des Kurzarbeiter-und des Schlechtwettergeldes Verteuerungen fuumlr die Krankenund andere Zumutungen treiben wie der Praumlsident des Verban-des der Kriegs- und Wehrdienstopfer Behinderten und Sozial-rentner Deutschlands (VdK) Walter Hirrlinger feststellte er-neut raquohunderttausende Menschen und deren Familien in dieArmutlaquo diese Maszlignahmen seien deshalb raquosozial unverant-wortlichlaquo Der Deutsche Kinderschutzbund wies zu Jahres-beginn 1994 darauf hin daszlig in Deutschland inzwischen schoneine halbe Million Kinder in Obdachlosen-Unterkuumlnften lebenDas Resuumlmee im Armutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrts-verbands und des DGB lautet Die von der Regierung Kohlfavorisierte wirtschaftsliberale Strategie der Lastenverteilungbedeute raquodaszlig die Lasten allein von den Arbeitnehmern undSozialleistungsempfaumlngern uumlbernommen werden muumlssenlaquoNach einem Jahrzehnt der Umverteilung zu Lasten der sozialSchwaumlchsten nehme die Zahl der Armen im Westen unveraumln-dert zu und die derzeitige Wirtschafts- und Sozialpolitik lauferaquodarauf hinaus daszlig heute und in den kommenden Jahren dieLasten der Vereinigung vorrangig zwischen den Armen imWesten und im Osten geteilt werdenlaquo Daher sei es raquokaumverwunderlich daszlig die Politikverdrossenheit in der Bevoumllke-rung zunimmtlaquo Obwohl raquodas neue Gesamtdeutschland einesder reichsten Laumlnder der Erdelaquo sei koumlnne diese Politik zurFolge haben raquodaszlig die soziale und politische Stabilitaumlt derBundesrepublik in den neunziger Jahren ernsthaft gefaumlhrdetwirdlaquo

Das Groszlige Geld aber wurde bestens bedient Es konnte sichin Ostdeutschland alles und jedes aneignen was ihm brauch-bar erschien es konnte die dortigen Absatzmaumlrkte in Besitznehmen es konnte seine Gewinne sprunghaft steigern und inengem Zusammenwirken mit der Regierung des Dr HelmutKohl konnte es die wachsende Veraumlngstigung vieler Menschen

auch noch zum Abbau zahlreicher in fruumlheren Jahrzehntenmuumlhsam erkaumlmpfter Arbeitnehmer- und Buumlrgerrechte nutzen

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gelang esden Metall-Industriellen einen geltenden Tarifvertrag auszu-hebeln Mit raquoOumlffnungsklauselnlaquo soll das gesamte Tarifrechtzum Einsturz gebracht die Gewerkschaftsbewegung entmach-tet werden Mit sogenannten raquoBeschleunigungs-laquochungs-laquo und raquoEntlastungsgesetzenlaquo schraumlnkte die von Kohlgefuumlhrte Bonner Koalition wesentliche Mitspracherechte derBuumlrgerinnen und Buumlrger ein so daszlig jetzt uumlber die Koumlpfe vonBetroffenen hinweg aumluszligerst zweifelhafte umweltgefaumlhrdendeGroszligprojekte beispielsweise in der Gentechnik verwirklichtwerden koumlnnen Zur Begruumlndung muumlssen immer wieder dieraquodeutsche oder der raquoStandort Deutschlandlaquo herhaltenDas raquoStandortsicherungsgesetzlaquo und weitere angeblich ausnationalen Interessen notwendige Beschluumlsse tun ein uumlbrigesum die Reichen und Superreichen im Lande von sozial- undrechtsstaatlichen Fesseln zu befreien

Der Verantwortung fuumlr die Folgen dieser Politik entledigtsich der Bund aufs vornehmste indem er sie an die Kommunendelegiert Deren Sache ist es dann fuumlr die explodierende Zahlvon Sozialhilfe-Abhaumlngigen zu sorgen In finanzieller Bedraumlng-nis unter zunehmendem Schuldendruck schlieszligen die Kommu-nen jetzt Theater Buumlchereien und Schwimmbaumlder erhoumlhenKindergarten-Beitraumlge der Eltern ins Unbezahlbare oder fuumlh-ren Gebuumlhren fuumlrs Betreten von Parkanlagen ein Was kuumlm-mertrsquos die Reichen Sie haben private Schwimmbaumlder und koumln-nen rasch nach Mailand oder Monte Carlo fliegen um dort indie Oper zu gehen

raquoDiese neue Regierung ist notwendig geworden weil sich diealte die bisherige Regierung als unfaumlhig erwies gemeinsamdie Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen das Netz sozialer Sicherheitzu gewaumlhrleisten und die zerruumltteten Staatsfinanzen wieder inOrdnung zu bringenlaquo So begruumlndete Dr Helmut Kohl nach-dem er durch den Wortbruch der FDP Kanzler geworden wardie damalige raquoWendelaquo Mehr als ein Jahrzehnt spaumlter ist dieMassenarbeitslosigkeit zur Dauerplage geworden die sichimmer weiter ausbreitet In das Netz sozialer Sicherheit hat dieRegierung des Groszligen Geldes ein Loch nach dem anderengerissen so daszlig mehr und mehr Menschen hindurchfallenUnd die Staatsfinanzen sind so zerruumlttet daszlig noch Generatio-nen zu schuften haben werden um den gigantischen Schulden-berg abzutragen

Daszlig eine neue Regierung notwendig geworden ist wirdjetzt auch in Kreisen der Wirtschaft eroumlrtert und zwar imZusammenhang mit den Folgen der Rezession die 199293viele mittelstaumlndische Unternehmen in rote Zahlen oder ganzin den Ruin gestuumlrzt hat

Die Krise gehoumlrt zum Kapitalismus wie die KonjunkturBeide loumlsen sich regelmaumlszligig ab In der Rezession macht dasGroszlige Geld jedesmal reiche Beute denn was die kleinen undmittleren Unternehmer aufgeben muumlssen krallen sich die gro-szligen Die jeweilige Regierung ist an der Tatsache zyklischer Kri-sen unschuldig Insofern muumlssen wir ausdruumlcklich auch dieRegierung des Dr Helmut Kohl in Schutz nehmen Dochdamit sich der Zorn des Mittelstandes nicht etwa gegen dasGroszlige Geld richtet muszlig in Krisenzeiten die jeweilige Regie-rung als Suumlndenbock herhalten Daher droht Kohl jetzt auchGefahr aus den Kreisen denen er immer treu gedient hat

In der ersten schweren Wirtschaftskrise der Bundesrepublikmuszligte der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard

abtreten in der sogenannten raquoOumllkriselaquo Willy Brandtfuumlr die Krise wurde Helmut Schmidt verantwortlichgemacht Ist jetzt infolge der vierten Wirtschaftskrise seitGruumlndung der Bundesrepublik Helmut Kohl an der ReiheNotfalls werden seine Auftraggeber ihn fallenlassen Abernicht deswegen weil sie mit seiner Politik nicht mehr einver-standen waumlren im Gegenteil Fuumlr sie ist die Hauptsache daszligKohls Politik weitergefuumlhrt wird notfalls auch ohne Kohl

Die Opfer dieser Politik hingegen haumltten davon nur weiterenSchaden In ihrem Interesse kommt es also hauptsaumlchlich dar-auf an daszlig in Bonn endlich eine grundlegend andere Politikeingeleitet wird eine Politik die auf soziale Gerechtigkeit ori-entiert ist auf mehr Demokratie auf Schutz der Menschen-rechte und Schutz der natuumlrlichen Lebensgrundlagen

Mit einem bloszligen Austausch des Personals in Bonn ist esnicht getan Er ist ohnehin laumlngst im Gange Immer schnellerdreht sich das Personalkarussell Insgesamt 20 Minister sindseit 1982 aus den von Helmut Kohl gefuumlhrten Bundeskabinet-ten vorzeitig ausgeschieden Anfangs geschah das selten inzwi-schen immer haumlufiger 1992 traten vier Minister zuruumlck 1993fuumlnf darunter Juumlrgen Moumlllemann (FDP) nach seiner Brief-bogenaffaumlre und Guumlnther Krause (CDU) nach seinen diversenAutobahnbau- Raststaumlttenkonzessions- Umzugs- und Putz-frauenaffaumlren

Auch in den unionsgefuumlhrten Laumlnderregierungen in West-deutschland sind es noch zwei in Ostdeutschland (Berlin ein-geschlossen) fuumlnf - broumlckelt es Bayerns Ministerpraumlsident MaxStreibl (CSU) stolperte uumlber die Amigo-Affaumlre In Baden-Wuumlrt-temberg muszligte Lothar Spaumlth unter dem Verdacht der Bestech-lichkeit abtreten und sein Nachfolger muszligte weil die FDPbei der Landtagswahl durchfiel mit der SPD koalieren Spaumlthwurde dann zum Trost aumlhnlich wie sein abgewaumlhlter nieder-saumlchsischer Amtskollege Ernst Albrecht von der Treuhandan-stalt mit dem Aufsichtsratsvorsitz eines fruumlher volkseigenenUnternehmens betraut In Sachsen konnte sich der Schwieger-sohn von Konsul Dr Fritz Ries Prof Dr Kurt Biedenkopf als

Ministerpraumlsident fest etablieren Aber in Thuumlringen Mecklen-burg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sah sich die CDUschon nach kurzer Zeit zur Auswechslung der von ihr gestelltenRegierungschefs gezwungen in Sachsen-Anhalt inzwischensogar zweimal Beim zweiten Male muszligte gleich das ganzeKabinett umgebildet werden Mehrere westdeutsche CDU-und FDP-Politiker die in Magdeburg als Minister eingesetztworden waren um die raquoOssislaquo fachmaumlnnisch in demokratischeRechtsstaatlichkeit einzuuumlben hatten zusaumltzlich zu ihrenziellen Amtsbezuumlgen raquoBesitzstandswahrunglaquo beansprucht undzu diesem Zweck unter anderem fruumlhere EisenbahnfreikartenTagegelder Aufsichtsratstantiemen Vortragshonorare steuer-freie Kostenpauschalen oder den Geldwert der Gratisbenut-zung eines Dienstwagens anrechnen lassen So hatte sich zumBeispiel der fruumlhere Fachhochschullehrer und Europaparla-mentarier Werner Muumlnch aus dem niedersaumlchsischen Vechtazum Spitzenverdiener hochgerechnet so dreist daszlig er sichals der Landesrechnungshof nachzurechnen begann nichtmehr im Amt halten konnte Eine Schluumlsselrolle in der Zula-gen-Affaumlre spielte der Staatssekretaumlr im Magdeburger Finanz-ministerium Eberhard Schmiege den Muumlnch dort eingesetzthatte Bis 1990 hatte Schmiege unter Ministerin Birgit Breueldie Haushaltsabteilung des niedersaumlchsischen Finanzministeri-ums geleitet Kaum waren diverse Minister ausgewechseltabtreten muszligte zum Beispiel Sozialminister Werner SchreiberBundesvorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse der an sichselbst besonders sozial gedacht hatte - da stellte sich herausdaszlig auch Schmiege und die anderen dreizehn Staatssekretaumlrestattliche raquoAmtszulagenlaquo kassiert hatten

Solche Affaumlren lieszligen sich propagandistisch allzu schlechtmit Bescheidenheits- Spar- Opfer- und Solidaritaumltsappellender raquoWendelaquo-Koalition an die Bevoumllkerung vereinbaren Aucharglose gutglaumlubige bisherige CDU-Waumlhlerinnen und -Waumlhlerschaumlrften inzwischen ihr Gehoumlr fuumlr die zynischen Untertoumlne inKohl-Reden Beispiel die Rede des Kanzlers am 21 Oktober1993 im Bundestag die nur als Verhoumlhnung der Opfer seinerPolitik der nunmehr (ohne statistische Tricks gerechneten)mehr als fuumlnf Millionen Arbeitslosen verstanden werden

konnte raquoWir koumlnnen die Zukunft nicht dadurch sichern daszligwir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisie-renlaquo toumlnte Dr Kohl Zugleich propagierte der Chef derraquoWendelaquo-Koalition die Ruumlckkehr zur 40-Stunden-Woche unddie Abschaffung von zwei Feiertagen Beides zusammenge-nommen wuumlrde die Arbeitslosenzahl in Deutschland noch-mals um nahezu eine Million hochschnellen lassen

Der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes hat zur Genuumlgegezeigt wie man einen Staat ruiniert Er ist reif zur Abloumlsungdie aber schwerlich gelingen kann wenn viele Waumlhlerinnenund Waumlhler verbittert zu Hause bleiben und besonders gefaumlhr-lich wuumlrde es wenn sie ihr Heil rechtsauszligen suchen wuumlrdenNotwendig ist jetzt eine selbstbewuszligte Antwort des betroge-nen Volkes

Um es zu einem solchen demokratischen Urteil nicht kom-men zu lassen versuchen die Bonner Regierenden und ihreHintermaumlnner mit Hilfe ihres Propaganda-Apparats die Waumlh-lerinnen und Waumlhler irrezufuumlhren und einzuschuumlchtern Ex-perten dafuumlr sind der CDUCSU-Fraktionsvorsitzende imBundestag Wolfgang Schaumluble Innenminister Manfred Kan-ther Finanzminister Theo Waigel und ihre Verbuumlndeten in derSpringer-Presse Nach der Methode raquoHaltet den wollensie Angst und Zorn die sich in der Bevoumllkerung angestauthaben ausgerechnet auf diejenigen Menschen lenken dieschon ganz unten gelandet sind auf die Opfer denen es amschlechtesten geht auf die Sozialhilfeempfaumlnger die pauschalverdaumlchtigt werden Sozialleistungen zu miszligbrauchen auf diemit ihrer duumlrftigen Habe in Haumlusernischen kampierendenObdachlosen denen vorgeworfen wird sie stoumlrten das Stadt-bild auf Ausgegrenzte die im Alkohol letzte Zuflucht suchenoder auf Auslaumlnder Beispiel die generalstabsmaumlszligig geplanteKampagne des zeitweiligen CDU-Generalsekretaumlrs (jetzt Bun-desverteidigungsministers) Volker Ruumlhe gegen das Asylrecht

Als die sozialen Folgen der hastigen DDR-Vereinnahmungspuumlrbar wurden luden die CDUCSU und die publizistischenWegbereiter ihrer Politik zu denen an erster Stelle der Springer-Konzern gehoumlrt den Asylbewerbern die Schuld auf Wohn-raum wurde knapp am wenigsten durch Asylbewerber weit

mehr durch Aussiedler und Uumlbersiedler die jetzt nicht mehrUumlbersiedler genannt und uumlberhaupt nicht mehr registriert wer-den (aber es sind immer noch jaumlhrlich Hunderttausende) ammeisten aber durch die katastrophale Bonner Wohnungspolitikdie immer mehr Wohnraum von unten nach oben umverteiltDieses soziale Problem wurde nun ins Nationalistische ge-dreht Springers BILD-Zeitung beteiligte sich daran mit Schlag-zeilen wie raquoMiethai kuumlndigt Deutschen fuumlr Asylantenlaquo Manbedenke daszlig BILD gewoumlhnlich nicht dazu neigt Hausbesitzerals Miethaie zu bezeichnen In diesem Zusammenhang abergeschah es als Mittel zum Zweck die Leserinnen und Leser zuaumlngstigen eine Verdraumlngung durch Fluumlchtlinge als akute Be-drohung vorzuspiegeln und auf solche Weise Aggressionenanzustacheln

Im Sommer und Herbst 1991 brachte dieses Blatt (gedruckteAuflage etwa fuumlnf Millionen Exemplare) eine Serie uumlber raquoDieAsylantenlaquo Dort war beispielsweise zu lesen raquoStellen Sie sichdiesen Fall vor Ein Mann klingelt bei Ihnen moumlchte herein-kommen Der Mann sagt daszlig er maumlchtige Feinde habe dieihm ans Leben wollen Sie gewaumlhren ihm Unterschlupf Dochschnell stellen Sie fest Der Mann wurde gar nicht verfolgt erwollte nur in Ihrem Haus leben Und Er benimmt sich sehrsehr schlecht Schlaumlgt Ihre Kinder Stiehlt Ihr Geld Putzt sichseine Schuhe an Ihren Gardinen Sie wuumlrden ihn gerne los Siewerden ihn aber nicht los Deutsche Asyl-Wirklichkeit 1991laquo

Parallel zur BILD-Serie mit gleicher Stoszligrichtung setztehe seine Kampagne in Gang Er schrieb an alle Untergliederun-gen der CDU raquoIch bitte Sie in den Kreisverbaumlnden in denGemeinde- und Stadtraumlten den Kreistagen und Laumlnderparla-menten die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPDdort herauszufordernlaquo Ruumlhe lieferte mit diesem Rundschrei-ben Argumentationsleitfaden Vorlagen fuumlr Antraumlge und Anfra-gen in Kommunal- und sonstigen Parlamenten sowie eineMuster-Presseerklaumlrung Zum Beispiel sollte landauf landabgefragt werden ob Asylbewerber etwa in Hotels untergebrachtseien was das kosten koumlnne und ob Auslaumlnder womoumlglichzuviel staatliche Unterstuumltzung in Anspruch naumlhmen und soweiter

Der SPD-Vorstand prangerte diese Kampagne in einer uumlber-zeugenden Broschuumlre an Unter der Uumlberschrift raquoGrundrechtauf Asyl Das anstaumlndige Deutschland zeigt Flaggelaquo hieszlig es amSchluszlig der Broschuumlre raquoEiner Aumlnderung des Grundgesetzesstimmt die SPD nicht zu laquo Doch nach einigen Monaten gab derParteivorstand der Sozialdemokraten der Kampagne nach DieBroschuumlre wurde nicht weiterverbreitet Ein Teil der SPD-Frak-tion im Bundestag stimmte der Grundgesetzaumlnderung zu undverhalf ihr damit zur Zweidrittelmehrheit

Die Kampagne hatte noch einen zweiten Effekt den der Prauml-sident des Bundesamtes fuumlr Verfassungsschutz Eckart Werthe-bach folgendermaszligen beschreibt raquoHier wurde ein Ackerbestellt auf dem der Rechtsextremismus seine fremdenfeindli-che Ernte noch auf geraume Zeit einfahren wirdlaquo (raquoDie Weltlaquo30 November 1993) Das ist offenkundig Die Propaganda fuumlrdie Aushebelung von Grund- und Menschenrechten ermun-terte Neonazis zur Gewalt Nach Angaben des Vorsitzendender Vereinigung raquoGegen Vergessen fuumlr Demokratielaquo HansJochen Vogel kamen innerhalb von gut zwei Jahren bis Herbst1993 durch 4761 rechtsextremistische Gewalttaten in Deutsch-land 26 Menschen ums Leben und 1783 wurden verletzt

wurden Anschlaumlge auf Asylbewerber-Wohnungen ver-uumlbt 209mal auf juumldische Einrichtungen 13mal wurden KZ-Gedenkstaumltten geschaumlndet (raquoDie Zeitlaquo 5 November 1993)

Den Kanzler der raquogeistig-moralischen Erneuerunglaquo kuumlm-merte das wenig Neonazi-Aufmaumlrsche wie in Rostock undFulda auch die Ermordung tuumlrkischer Frauen und Kinder inMoumllln und Solingen durch neonazistische Brandstifter tat er abals waumlren sie kaum der Erwaumlhnung wert Von den Orten derUntaten hielt er sich fern und er vermied es auch an den Trau-erfeiern teilzunehmen was er durch seinen Regierungsspre-cher damit begruumlnden lieszlig daszlig er raquoBeileidstourismuslaquo ab-lehne (Bei Trauerfeiern fuumlr ermordete Industriemanager hatteer nie gefehlt auch nicht bei der Trauerfeier fuumlr einen in Kam-bodscha ermordeten Bundeswehr-Feldwebel und der patheti-sche Staatsakt zu dem er den damaligen US-PraumlsidentenRonald Reagan vor den Graumlbern von SS-Maumlnnern auf demFriedhof von Bitburg noumltigte erregte Aufsehen in aller Welt)

Systematisch bemuumlhte sich die Bundesregierung denRechtsextremismus herunterzuspielen So verbreitete das Bun-desinnenministerium eine Studie unter dem Titel raquoHat Rechts-extremismus in Deutschland eine Chancelaquo Sie kam zu demErgebnis raquodaszlig Rechtsextremismus in Deutschland bedeutungs-los istlaquo Seine Bedeutung so hieszlig es dort raquoscheint nur in denVorstellungen seiner Gegner zu liegenlaquo Das raquorechtsextremisti-sche Schreckbildlaquo diene den Antifaschisten als Mittel zurDestabilisierung der Demokratie erfuhr man aus der BonnerPublikation Zu einem Zeitpunkt als die Blutspur des braunenTerrors gegen Fluumlchtlinge aber auch gegen Behinderte undandere Minderheiten laumlngst nicht mehr zu uumlbersehen war sug-gerierte die Studie (Verfasser Prof Dr H H Knuumltter) derRechtsextremismus sei kaum mehr als eine bloszlige Behauptungder Antifaschisten die eigentliche Gefahr liege im Antifaschis-mus Aumlhnlich leugnete Generalbundesanwalt Alexander vonStahl (FDP) bevor er uumlber einen Wust von Widerspruumlchen beider Verfolgung mutmaszliglicher RAF-Terroristen stolperte be-harrlich jeden organisierten Terror von rechts und unterlieszligdeswegen auch dessen Bekaumlmpfung obwohl in Neonazi-Grup-pen laumlngst steckbriefartige Dossiers uumlber GewerkschafterGruumlne Jungsozialisten und andere Antifaschisten kursierten

Den Kanzler selbst der seinen Aufstieg den einstigen NazisDr Ries Dr Schleyer und Dr Taubert verdankt interessiertdie Bedrohung von rechts uumlberhaupt nicht Vor Herausforde-rungen sich ernsthaft mit der Nazi-Vergangenheit auseinan-derzusetzen schuumltzt er sich mit der raquoGnade der spaumltenGeburtlaquo Den Opfern des von seinen Mentoren mitbetriebe-nen staatlichen Terrors versagt er ehrendes und mahnendesGedenken indem er sie wie bei der Neugestaltung der raquoAltenWachelaquo unter den Linden in Berlin - einfach unter die raquoOpfervon Krieg und Gewaltherrschaftlaquo subsumiert Zu solchemGedenken koumlnnen dann auch die Traditionsverbaumlnde von SSund Ritterkreuz-Orden aufmarschieren

Zu den raquoRepublikanernlaquo des ehemaligen Waffen-SS-Man-nes Franz Schoumlnhuber zur Deutschen Volks-Union (DVU) desschwerreichen Muumlnchener Verlegers (raquoDeutsche National-Zei-tunglaquo) und Immobilienspekulanten Dr Gerhard Frey und zu

anderen Rechtsauszligen-Gruppen haben CDU und CSU mancheuntergruumlndigen Beziehungen Gelegentlich deckt Frey sie nachdem Tode von Verbindungsmaumlnnern auf denen er dann stolzeNachrufe widmet wie dem einstigen bayerischen Kultusmini-ster und Verfassungsrechtslehrer Prof Dr Theodor Maunz(CSU) oder dem ehemaligen Geheimdienst-Chef ReinhardGehlen In eigens gegruumlndeten Akademien Foren oder in Zeit-schriften wie raquoMutlaquo kommunizieren CDUCSU-Rechte undUltrarechte miteinander Wer mit wem gemeinsame Sachemacht und gegen wen ist da laumlngst keine Frage mehr MichaelGlos Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Bonn sagt es soraquoDie linksradikale PDS und die Gruumlnen sind eine groumlszligereGefahr fuumlr unser Land als die Republikaner und die RechtenlaquoEin Neonazi-Fuumlhrer wie der Hamburger Christian Worchmacht sich solche Ermunterungen sofort zunutze und leistetseinerseits Unterstuumltzung In einem Aufruf fuumlr den saumlchsischenJustizminister Steffen Heitmann (CDU) den Kohl fuumlr das Amtdes Bundespraumlsidenten nominiert hatte schrieb Worch raquoWerwill uns wegen unserer strikten Einstellung zum Auslaumlnder-und vor allem Asylantenproblem noch alsund gtextremistische Minderheitlt disqualifizieren wenn zumin-dest Ansaumltze unserer Vorstellungen selbst vom ersten Mann imStaate oumlffentlich verbreitet werdenlaquo

Wenn CDUCSU-Politiker den raquostarken Staatlaquo propagierenalso den Abbau von Buumlrgerrechten (zum Beispiel durch die Er-maumlchtigung des Staates zur Verwanzung von Privatraumlumen dienicht dadurch harmloser wird daszlig ihr jetzt auch Sozialdemo-kraten zustimmen) und wenn der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende im Bundestag Wolfgang Schaumluble vor Weihnachten1993 sogar vorschlaumlgt bei einer raquogroumlszligeren Sicherheitsbedro-hung im Innernlaquo die Bundeswehr einzusetzen (es gehe darumdurch eine entsprechende Grundgesetzaumlnderung raquodas Hauswetterfest zu machenlaquo erlaumluterte Schaumluble) wenn schlieszliglichder Kanzler und sein jetziger Bundesverteidigungsminister Vol-ker Ruumlhe immer offener fuumlr die Beteiligung deutscher Truppenan Militaumlraktionen eintreten die mit dem Verfassungsauftragder Bundeswehr zur Landesverteidigung nichts zu tun habendann ist das alles ganz im Sinne der Ultrarechten

Fruumlhere Bonner Bekenntnisse zur Friedensstaatlichkeit sindimmer leiser geworden Das Ruumlstungsgeschaumlft hat sich unterder Kanzlerschaft von Helmut Kohl kraumlftig weiterentwickeltund ist auch nach dem Ende der Sowjetunion und des War-schauer Paktes die bis dahin als einzige Bedrohung der Bun-desrepublik und als alleinige regierungsamtliche Begruumlndungfuumlr Bundeswehr und Ruumlstungsausgaben gegolten hatten nichtzum Erliegen gekommen Daimler-Benz gehoumlrt zwar nichtmehr zum Flick-Konzern aber auch jetzt unter der Regie derDeutschen Bank dringt dieses Unternehmen weiterhin aufBonner Milliarden fuumlr Projekte wie den raquoJaumlger 90laquo inzwischenumbenannt in raquoEurofighter 2000laquo Deutsche Waffen im Wertevon mehreren Milliarden Mark werden seit Jahren zum Bei-spiel an die Tuumlrkei und an Indonesien geliefert wo das Militaumlrsie zur blutigen Unterdruumlckung und Ausrottung nationalerMinderheiten verwendet

Laut UN-Waffenregister geht weltweit der Waffenhandelseit einigen Jahren zuruumlck die deutschen Waffenexporte dage-gen nehmen zu In dieser Branche ist Deutschland an diezweite Stelle nach den USA aufgeruumlckt Beim Export von Waf-fensystemen zur Landkriegfuumlhrung (groszligkalibrige ArtilleriePanzer und gepanzerte Kampffahrzeuge) fuumlhrt Deutschland inStuumlckzahlen etwa ebenso viel aus wie Ruszligland FrankreichGroszligbritannien und China zusammengenommen Bei Rake-ten und Raketenwerfern nimmt es bereits die Spitzenstellungein

Mit 18 Milliarden Mark beteiligte sich die auf sozialem Ge-biet so sparsame Bundesregierung am Golf-Krieg mit demder zeitweilige US-Praumlsident George Bush eine raquoneue Weltord-nunglaquo herbeifuumlhren wollte Sie aumluszligerte bei dieser Gelegenheitihr Bedauern daruumlber daszlig das Grundgesetz sie hindere sichauch mit Bundeswehreinheiten zu beteiligen Diese Bedenkenwurden dann bald aufgegeben Inzwischen setzte die Bundes-regierung wiederholt deutsche Militaumlrverbaumlnde auszligerhalb desNATO-Gebietes ein wobei sie sich immer weiter vom grund-gesetzlichen Auftrag der Bundeswehr entfernte Die Expedi-tion von 1500 Bundeswehrsoldaten nach Somalia hatte mitLandesverteidigung nicht das geringste zu tun Zweck war

angeblich die Versorgung indischer UN-Truppen die jedochnie in Somalia auftauchten Einige Wochen vor der Expeditionhatte Minister Ruumlhe noch versichert vor einem solchen Bun-deswehreinsatz werde selbstverstaumlndlich die Zustimmung desBundestages eingeholt Aber dann wartete die Bundesregie-rung ab bis der Bundestag in die Weihnachtsferien 1992193gegangen war Das Parlament erhielt keine Gelegenheit uumlberdiesen ersten Auslandseinsatz einer geschlossenen Einheit seitGruumlndung der Bundeswehr auch nur zu diskutieren Nicht ein-mal der Auswaumlrtige Ausschuszlig wurde unterrichtet Die Kostendes Einsatzes summierten sich innerhalb eines Jahres auf rund300 Millionen Mark wofuumlr wie die Stellvertretende SPD-Vor-sitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul vorrechnete in Deutsch-land jeden Tag eine Kindertagesstaumltte haumltte gebaut werdenkoumlnnen

Bei den europaumlischen Nachbarn und langjaumlhrigen Verbuumlnde-ten der Bundesrepublik waumlchst unuumlberhoumlrbar das Miszligtrauengegenuumlber dem von Kohl regierten Deutschland das sich ehr-geizig reckt um neben den USA zweiter oder gar erster Weltpo-lizist zu werden Wenn der griechische Vize-AuszligenministerTheodoros Pangalos 1994 Vorsitzender des Ministerrats derEuropaumlischen Union Deutschland raquoeinen Riesen mit bestiali-scher Kraft und dem Hirn eines Kindeslaquo nennt dann ist dasnicht als Beleidigung des deutschen Volkes gemeint wohl aberals Charakterisierung der gegenwaumlrtigen Bonner Politik We-sentlichen Anlaszlig zu solchem Miszligtrauen gab das Vorpreschender Bundesregierung bei der Anerkennung Sloweniens undKroatiens als eigenstaumlndige Staaten womit Jugoslawien zer-schlagen und ein furchtbarer Konflikt zwischen den vermischtlebenden Voumllkern angefacht wurde Waffenschmieden wie dieGewehrfabrik Heckler Koch in Oberndorf am Neckar profi-tieren jetzt direkt oder indirekt von dem Krieg aller gegenalle im ehemaligen Jugoslawien

Griechenland muszligte als besondere Provokation die Aner-kennung des eigenstaumlndigen Staates raquoMazedonienlaquo verstehendenn die Masse der Mazedonier wohnt in Griechenland

Auf auslaumlndische Aumluszligerungen des Miszligtrauens pflegt Kohlpatzig mit der Bemerkung zu reagieren daszlig sich dahinter

raquoNeidlaquo verberge Und wenn er an den von Deutschland begon-nenen Zweiten Weltkrieg erinnert wird verbittet er sich jedenVergleich mit dem heutigen von ihm regierten DeutschlandAber niemand anderes als die Bundesregierung ist dafuumlrverant-wortlich daszlig in der Bundeswehr Nazi-Traditionen wachgehal-ten werden daszlig zum Beispiel die raquoDietl-Kasernelaquo in Fuumlssennach jenem Generaloberst benannt ist von dem Hitler sagteraquoDietl hat den Typ des nationalsozialistischen Offiziers geschaf-fen eines Offiziers der nicht weichlich ist im Verlangen undFordern nicht schwaumlchlich im Einsatz der Menschen sondernder genau weiszlig daszlig fuumlr diesen Kampf kein Opfer zu groszlig oderzu teuer istlaquo

Weil nach dem Ende der Sowjetunion und des WarschauerPaktes von einer militaumlrischen Bedrohung des deutschen Terri-toriums keine Rede mehr sein konnte entstand im Januar 1992ein Positionspapier des Bundesverteidigungsministeriumsunter dem Titel und militaumlrstrategischeGrundlagen und konzeptionelle Grundrichtung der Neugestal-tung der Bundeswehrlaquo Darin ist zu lesen raquounter Zugrundele-gung eines weiten Sicherheitsbegriffslaquo koumlnnten raquodie Sicher-heitsinteressen fuumlr den Zweck dieser militaumlrpolitischen Lagebe-urteilunglaquo unter anderem wie folgt definiert werden raquoAuf-rechterhaltung des freien Welthandels und des Zuganges zustrategischen Rohstoffenlaquo Von derartigen Aufgaben der Bun-deswehr steht im Grundgesetz kein Wort

Mit dem Streben nach einer Weltpolizisten-Rolle verbindetsich auch der dringende Wunsch nach einem staumlndigen Sitz imSicherheitsrat der Vereinten Nationen Bei Gruumlndung der UN1945 hatten deren Mitglieder den fuumlnf Hauptsiegermaumlchten desZweiten Weltkrieges das Privileg zugesprochen staumlndig imSicherheitsrat vertreten zu sein dessen zehn andere Mitgliederwechselweise gewaumlhlt werden Damit wurde vor allem die Ver-antwortung dieser fuumlnf Staaten anerkannt eine stabile Nach-kriegsordnung zu schaffen und ein Wiederaufleben des deut-schen Militarismus zu verhindern Es mag jetzt Gruumlnde gebendieses Privileg abzuschaffen Das koumlnnte der Demokratisie-rung der Vereinten Nationen dienen Den gegenteiligen Effektaber haumltte es wenn wie Dr Kohl wuumlnscht der UN-Sicherheits-

rat zu einer Art Weltregierung der wirtschaftlich Maumlchtigstengemacht wuumlrde

Laumlngst ist Deutschland Exportweltmeister Je Beschaumlftigtenist die Exportleistung dreimal so hoch wie in den USA oder inJapan Doch das genuumlgt Kohl und seinen Hintermaumlnnern nochnicht Darum bestehen sie darauf daszlig die Sozialpolitik demangeblichen Erfordernis Deutschlands Position in der Welt-wirtschaft zu staumlrken untergeordnet werden muumlsse

Was hilft es der eingangs erwaumlhnten arbeitslos gewordenenalleinerziehenden Mutter Katrin Krause in Halle an der Saaleund ihrem Kind wenn sich die Regierung des Dr Helmut Kohlimstande zeigt trotz gegenteiliger Verfassungsgebote ein Bun-deswehr-Bataillon in Ostafrika zu stationieren Was wuumlrde esdem unter Druck groszliger Konzerne geratenen mittelstaumlndi-schen Unternehmen in Limburg an der Lahn wo Katrin Krau-ses Vetter Norbert um seinen Arbeitsplatz zu fuumlrchten beginntnuumltzen wenn es Kohl und seinem Auszligenminister dem fruumlhe-ren Geheimdienstchef Klaus Kinkel (FDP) gelaumlnge einenstaumlndigen Sitz im UN-Weltsicherheitsrat zu erlangen

Die unsoziale Auspowerung der eigenen Bevoumllkerungangeblich notwendig zur raquoStandortsicherunglaquo kann fruumlheroder spaumlter genau das Gegenteil bewirken Die Wirtschaft kannmit den Mitteln die sie staumlrken sollen ruiniert werden DieUntauglichkeit der von Kohl Lambsdorff Rexrodt Waigel undBluumlm angewendeten Mittel ist in den USA durch Reagan undBush und in Groszligbritannien durch den Thatcherismus laumlngsterwiesen

Wenn immer mehr Menschen arbeitslos sind weil sie fuumlr dieWarenproduktion nicht mehr gebraucht werden wenn zu-gleich Loumlhne und Gehaumllter stagnieren oder real sinken wennSozialabgaben wachsen und Leistungen gekuumlrzt werden dannsinken zwangslaumlufig Kaufkraft und Absatz Wenn zugleich diearmen Laumlnder der Erde auf Grund ungerechter von den rei-chen Laumlndern diktierter Handelsbeziehungen noch aumlrmer wer-den fallen sie als Absatzmaumlrkte aus Die Industrie stoumlszligt da-durch an Expansionsgrenzen Der Konkurrenzkampf wird haumlr-ter Hauptwaffe in diesem Kampf ist die weitere Absenkung der

Kosten sprich Personalabbau Laumlszligt sich so auf die Dauer diedeutsche Wirtschaft staumlrken

Kohl Waigel Rexrodt beklagen in Deutschland werde zuwenig in Forschung Entwicklung und Berufsbildung inve-stiert Aber sie selbst streichen den Forschungshaushalt zusam-men Solche Widerspruumlche mehren sich und werden zu einerakuten Gefahr fuumlr die wirtschaftliche Entwicklung

Jahrelang versprach der Kanzler den Deutschen die Ge-winne von heute seien die Investitionen von morgen und dieArbeitsplaumltze von uumlbermorgen Seine Politik erlaubte den Un-ternehmen wor allem den groszligen Konzernen gewaltige Ge-winnsteigerungen aber von den Gewinnen wurde nur weniginvestiert und die Investitionen dienten hauptsaumlchlich zurWegrationalisierung von Beschaumlftigten Arbeitsplaumltze wurdenso nicht geschaffen sondern vernichtet Und wenn die Massen-kaufkraft weiter sinkt wenn also noch weniger Waren abgesetztwerden koumlnnen als bisher dann werden noch viel mehr Men-schen arbeitslos werden

Das ist es was wir bei einer Fortsetzung der Politik des DrHelmut Kohl zu erwarten haben Und sein WirtschaftsministerRexrodt qualifiziert durch seine Treuhand-Erfahrungen imPlattmachen hat nun tatsaumlchlich eine Idee wie er Arbeitslosig-keit bekaumlmpfen will durch staumlrkere steuerliche Entlastung rei-cher Leute die Dienstmaumldchen einstellen

Was wir zu erwarten haben ist weitere Privatisierung nachdem Programm von Birgit Breuel trotz solcher niederschmet-ternder Erfahrungen wie mit dem raquoGruumlnen Punktlaquo der allePrinzipien des Umweltschutzes verhoumlhnt und die Verbraucherzusaumltzlich belastet Allerletzte Koalitionsabsicht Anfang 1994Privatisierung von Arbeitsaumlmtern

Die Folgen der bisherigen Umverteilung von unten nachoben sind schon schlimm genug als daszlig diese Politik fortge-fuumlhrt werden duumlrfte Nach zwoumllf Jahren Kohl-Regierung ist esin Deutschland dahin gekommen daszlig Hospitaumller Patientenmit schweren Krankheiten ablehnen weil die Behandlung zuteuer waumlre Und dahin daszlig in den Staumldten die Mieten fuumlr Neu-bauwohnungen das heiszligt fuumlr nach 1948 gebaute WohnungenJahr fuumlr Jahr um rund zehn Prozent steigen waumlhrend die Netto-

Einkommen stagnieren oder sinken Und dahin daszlig immermehr Menschen um uumlberhaupt arbeiten zu koumlnnen gering-fuumlgige Beschaumlftigungsverhaumlltnisse ohne Sozialversicherungs-schutz annehmen (was auch die Einnahmen von Krankenkas-sen und Rentenversicherungen mindert)

raquoFuumlr den weiteren Verlauf der neunziger Jahrelaquo heiszligt es imArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB sei raquodavon auszugehen daszlig sich durch die anhaltendeMassenarbeitslosigkeit und die fehlenden beziehungsweiseauslaufenden Mindestsicherungselemente in der Sozialversi-cherung das Problem der arbeitsmarktbedingten Armut imSinne von Sozialhilfebeduumlrftigkeit zu einem sozialpolitischenProblem ersten Ranges entwickeln wirdlaquo

Aber dieser Fortgang der Geschichte ist nicht zwangslaumlufigIhm muszlig Einhalt geboten werden Und das muumlssen wir selbertun

Selbst im schicken Muumlnchen lebten Ende 1993 bereits140 000 Menschen in Armut 50 000 waren arbeitslos 60 000Familien uumlberschuldet 12 000 hatten keine Bleibe 1200 lebtenauf der Straszlige Angesichts solcher Zustaumlnde machte ein erfah-rener Kommunalpolitiker der fruumlhere Muumlnchener Oberbuumlrger-meister Georg Kronawitter (SPD) folgenden Vorschlag Wennsich der Staat endlich entschlieszlige Einkommen aus Arbeit undaus Vermoumlgen gleichwertig zu besteuern koumlnne er von denSuperreichen mit einer 15prozentigen Sondersteuerjaumlhrlich 60Milliarden Mark holen in zehn Jahren also 600 MilliardenMark Das sei ihnen durchaus zuzumuten erklaumlrte Kronawit-ter denn seit 1970 habe sich das Privatvermoumlgen der Westdeut-schen auf 9492 Milliarden Mark versechsfacht Die Haumllftedavon gehoumlre den oberen zehn Prozent der Haushalte Kleineund mittlere Vermoumlgen beispielsweise derjenigen die sich einHaumluschen vom Mund abgespart oder geerbt haben koumlnntenund muumlszligten von der Sondersteuer freigestellt bleiben (raquoDerSpiegellaquo 22 November 1993)

Dieservorschlag bedeutet Umverteilung andersherum vonoben nach unten Darauf kommt es jetzt an Von Kohl und sei-ner Koalition koumlnnen wir eine solche Abkehr von ihrer bisheri-gen Politik nicht erwarten Was wir von anderen Parteien zu

erwarten haben sollten wir deren Kandidaten eingehend fra-gen Und wir sollten sie ebenfalls an ihrem bisherigen Verhal-ten messen

Am Wahltag ist dreierlei noumltig um die Mehrheitsverhaumlltnissein Deutschland zu aumlndern damit Helmut Kohl seine verhaumlng-nisvolle Politik nicht fortsetzen kann

1 Keine Stimme darf dadurch verloren gehen daszlig Wahlbe-rechtigte der Wahl fernbleiben Wer Politik zu raquodooflaquo oder zuraquoschmutziglaquo findet soll wissen daszlig sie erst wirklich aumlrgerlichund schmutzig wird wenn sich die Verantwortlichen nichtselbst darum kuumlmmern Verantwortlich aber ist jeder und jedeWahlberechtigte Das gilt besonders fuumlr die Jungwaumlhler umderen eigene Zukunft es geht

2 Keine Stimme darf einer Partei gegeben werden die nichteindeutig klargestellt hat daszlig sie gegen Kohl und dessen Poli-tik angetreten ist und keinesfalls mit der CDUCSU ein Regie-rungsbuumlndnis eingehen wird

3 Den Rechtsauszligen-Parteien darf es nicht gelingen in denBundestag einzuziehen Wie einst am Ende der WeimarerRepublik wuumlrden sie sich als Trumpf in der Hinterhand desGroszligen Geldes erweisen

Aber die Bundesbuumlrgerinnen und -buumlrger haben noch mehrMoumlglichkeiten als am Wahltag ihre Stimme abzugeben AlsDemokraten koumlnnen und muumlssen sie zum Beispiel den Mundaufmachen wenn in ihrer Gegenwart soziale menschenverach-tende Parolen aufkommen Das heiszligt Zivilcourage beweisenAuszligerdem hat jede und jeder von uns die Moumlglichkeit imBekanntenkreis Informationen weiterzugeben was um sonoumltiger ist wenn aufwendige Propaganda zu vernebeln ver-sucht was der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes bisher ange-richtet hat Nicht zuletzt gilt es in Mieter- und Verbraucherver-baumlnden in Umwelt- und Friedensinitiativen und vor allem inden Gewerkschaften demokratischen Widerstand gegen ruumlck-sichtslose Ausbeutung und Entrechtung zu leisten

Solche Moumlglichkeiten gibt es nicht nur einmal alle vier Jahresondern jeden Tag

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Wir Untertanen ist Engelmanns kritischezutiefst demokratische Darstellung einesJahrtausends deutscher VergangenheitEngelmann schreibt Geschichte vonunten steht auf der Seite des Volkesnimmt dessen Perspektive ein wenn esum die groszligen Maumlnner und ihre ver-meintlich groszligen Taten geht die immermit dem Schweiszlig und dem Blut der

Namenlosen errungen wurden

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In diesem Buch behandelt Bernt Engel-mann die Jahre zwischen 1918 und 1938

in denen mehr Legenden und Luumlgenverbreitet wurden als je zuvor in einemvergleichbaren Zeitraum raquoim Feldeunbesiegtlaquo raquoKriegsschuldluumlgelaquo raquoSchand-

von Versailleslaquo raquoJudenrepubliklaquoraquoVolk ohne Raumlaquo Engelmann ver-gleicht die Legenden mit dem wasdamals wirklich geschah und entziehtdamit auch den neuen Rechten denBoden fuumlr ihre altbekannten Helden-

denkmaler

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Wie Reichtum vertuschtund Armut verdrangt wird

240 Seiten gebunden DM 3400

Die Zahl der Arbeitslosen Sozialhilfe-empfaumlnger und Obdachlosen steigtGleichzeitig gibt es immer mehr Reicheund Superreiche In Krisenzeiten mah-nen die politischen und wirtschaftlichenEliten Kuumlrzungen zuallererst bei denkleinen Leuten an Politiker mit fuumlrst-licher Altersversorgung predigen dieAbsenkung des Rentenniveaus gutge-hende Unternehmen Lohnsenkung undArbeitsplatzabbau alte und neue Reichedie Abschaffung der VermoumlgenssteuerDorothee Beck und Hartmut Meine nen-nen Namen und Zahlen Wer sind diefuumlnfzig reichsten Familien in Deutsch-land Was koumlnnen sich Arbeitslose undSozialhilfeempfaumlnger heute noch lei-sten Und sie stellen sich die Frage wieeine Reformperspektive aussehen kanndie wieder mehr Verteilungsgerechtig-keit und sozialen Ausgleich zum Ziel hat

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Page 4: Bernt Engelmann,

Inhalt

Vorwort von Klaus Staeck

Editorische Notiz

Was ist raquoGroszliges Geldlaquo

Die Weichenstellung fuumlr den AufstiegHelmut Kohls

Kurzer Ausflug in die deutsche Geschichte

Mittelfristige Planung eines Kanzlerwechsels

Flick Musterbeispiel fuumlr den Miszligbrauchwirtschaftlicher Macht

Die seltsamen Vorspiele der raquogeistig-moralischen

Warum das Groszligkapital Helmut Kohl finanziertund was es dafuumlr gleich von ihm bekommen hat

Wie mit Kohls Hilfe die Reichen immer reicherund die Armen immer aumlrmer werden 102

raquoDer Kanzler der nationalen EinheitlaquoDer Kanzler der sozialen Spaltung 109

Was wir von Kohl noch alles zu erwarten habenund wie wir es verhindern koumlnnen 127

Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnot reglaquomiddotsup2 middotraquoregnot der Untertitel zur ersten Auflagevon Bernt Engelmanns Iacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 mag einigen Lesernzunaumlchst als reichlich uumlbertrieben vorgekommen sein Inzwi-schen ist diese Behauptung laumlngst zur bitteren Realitaumlt gewor-den Im Sinne von Engelmanns Anklage war Helmut Kohl alsKanzler ungewoumlhnlich erfolgreich Bund Laumlnder und Kommu-nen verhoumlkern inzwischen alles was Aussicht hat einenAbnehmer zu finden Laumlngst ist bei den Notverkaumlufen dassprichwoumlrtliche Tafelsilber an der Reihe Was oft genug Genera-tionen vor uns uumlber Steuern Schenkungen und Vererbung zuoumlffentlichem Eigentum anwachsen lieszligen wird jetzt hem-mungslos unter dem harmlos klingenden Begriff raquoPrivatisie-runglaquo zum Zwecke der Schuldentilgung verschleudert Inzwi-schen hat diese Auszehrung des Staates eine derartige Dyna-mik erreicht daszlig die Gestaltungsmoumlglichkeiten der nach unskommenden Generationen gegen Null tendieren Neben einerzerstoumlrten Umwelt werden unsere Schulden sie noch lange anuns erinnern

Ein von der Regierung Kohl gewollt ungerecht gestaltetesSteuersystem sorgt mit dafuumlr daszlig unser demokratischesGemeinwesen immer schneller einem Staatsbankrott entge-gentreibt Stuumlnde Kanzler Kohl an der Spitze eines normalenHandelsunternehmens liefe er Gefahr sich wegen Konkurs-verschleppung strafbar zu machen

Dem Sprecher des Finanzamtes der Taunusgemeinde BadHomburg einem Ort an dem sich besonders viele Millionaumlrebesonders wohl fuumlhlen verdanken wir jetzt die Veroumlffent-lichung einer besonders deprimierenden Bilanz Konnte dieGemeinde 1990 Einkommensteuern in Houmlhe von 439 Millio-nen Mark verbuchen muszligte sie im Jahre 1996 an die Reichendes Ortes noch 3 Millionen auszahlen Anderes Beispiel

Zahlte die weltweit uumlberaus erfolgreich agierende Siemens AGnoch 371 Millionen Mark Gewinnsteuern bekam der

Fiskus keine Mark mehr Und das alles ganz legalunter der Obhut einer Regierung die zwar ein immer lauteresLamento uumlber die leider so leeren Kassen des Staates an-stimmt aber nichts unternimmt um die Uumlberschuldung wenig-stens in Grenzen zu halten Im Gegenteil Die Superreichender Republik die sich ihren gesellschaftlichen Verpflichtungenimmer haumlufiger und immer geschickter entziehen werdenhofiert und umworben waumlhrend ganze Bevoumllkerungsschichtensich in ihrer Existenz unmittelbar bedroht fuumlhlen und der Mit-telstand jener oft unterschaumltzte Kitt einer demokratisch funk-tionierenden Gesellschaft an akuter Schwindsucht leidet

All das geschieht unter Assistenz einer kleinen Klientelpar-tei namens FDP die sich konsequent nach der MethoderaquoNehmt was ihr kriegen koumlnntlaquo von einer Partei der Besserver-dienenden zum Anwalt der Besserkassierenden entwickelt hatObwohl politisch seit geraumer Zeit nichts mehr geht klam-mern sich die Regierungskoalitionaumlre mit der Verzweiflungangeschlagener Boxer an die verbliebene Macht auf die Ver-geszliglichkeit und Resignation des muumlde gewordenen Wahlvol-kes vertrauend

Bernt Engelmann hat das System Kohl schon fruumlh praumlziseanalysiert und in seinen Konsequenzen uumlberzeugend darge-stellt Deshalb ist die Neuauflage seines anlaumlszliglich des Bundes-tagswahlkampfes 1994 erschienenen Buches von bedruumlckenderAktualitaumlt Moumlgen auch wenige Zahlen inzwischen uumlberholtsein so hat Engelmanns Beschreibung einer verhaumlngnisvollenPolitik der nun schon ganze 15 Jahre waumlhrenden Aumlra Kohlnichts an Wirksamkeit eingebuumlszligt Andeutungen sind dagegeninzwischen zur Gewiszligheit geworden Warnungen von der Wirk-lichkeit eingeholt

Engelmann weist in seinem Schwarzbuch nach daszlig derScherbenhaufen Kohlscher Politik nicht der in langen Amtsjah-ren schicksalhaften Haumlufung widriger Umstaumlnde geschuldet istsondern Folge einer systematisch betriebenen Interessenpoli-tik zugunsten der Reichen und zum Nachteil der immer groumlszligerwerdenden Schar Armer und Beduumlrftiger Als Ergebnis dieser

gezielt betriebenen Umverteilung ist die Masse des Geldesendguumlltig wieder bei denen gelandet die schon immer den laut-staumlrksten Anspruch darauf erhoben haben

Bernt Engelmann war stets ein kritischer Begleiter seinerZeit gepraumlgt von historischem Bewuszligtsein Vor allem durchseinen an deutscher Geschichte geschulten Blick hat er stetsaufs Neue das Leben der Leute unten beschrieben und sich sozum Sprachrohr und Anwalt jener gemacht die nicht gelernthaben sich auszudruumlcken und fuumlr ihre Rechte zu kaumlmpfenEngelmann hat durch seine Recherche sehr fruumlh erkannt daszligdas Prinzip der Regierung Kohl auf die Verarmung des Staateshinauslaumluft mit all den Folgen die wir jetzt landauf landabbeklagen Wenn sich inzwischen Vorstaumlnde von Konzernen aufAktionaumlrsversammlungen oumlffentlich bruumlsten trotz hoher Ge-winne in Deutschland keine Steuern mehr zu zahlen ist energi-sche Gegenwehr an der Zeit soweit man unsere Demokratienoch als beste aller Staatsformen und verteidigungswertes Gutbetrachtet

Wenn sich allerdings das notwendige Vertrauen der Buumlrgerdessen jede Regierung bedarf inzwischen nur noch aus der Lei-besfuumllle des Kanzlers und seinem schon ans Wahnhafte gren-zenden Optimismus speist der eine Niederlage nach der ande-ren zu immer neuen Erfolgen umluumlgt ist es um die Politik inunserem Lande miserabel bestellt Und als habe er nicht selbstall die Jahre die Richtlinien der Politik am Standort Deutsch-land bestimmt mahnt er mit einem sich steigernden Brusttonder Empoumlrung die Beseitigung all jener Miszligstaumlnde an fuumlrderen Entstehung er selbst die Verantwortung traumlgt

Bernt Engelmann hat das Ende der Kohl-Zeit nicht mehrerlebt Wir sind verpflichtet diesen laumlhmenden Zustand inden unser Land dank einer unbarmherzigen Politik geraten istmoumlglichst bald zu beenden Kohl hat seine Zeit gehabt ZurAbwendung des Anschluszligkonkurses ist die Auswechslung desGeschaumlftsfuumlhrers zu einer Uumlberlebensfrage im raquoFreizeitparkDeutschlandlaquo geworden

Klaus Staeck

Bernt Engelmann hat die Arbeit am Schwarzbuch 1994 unmit-telbar vor seinem Tod beendet Der Verlag hat sich entschlos-sen das Buch 1998 vier Jahre spaumlter erneut aufzulegen weilKohl seirsquos geklagt der Text nichts an seiner bedruumlckendenAktualitaumlt eingebuumlszligt hat Im Gegenteil Was sich 1994 noch alsgewagte Prognose als provokanter Beitrag zur Bundestagswahlauffassen lieszlig sieht sich nun taumlglich in den Wirtschaftsteilender Zeitungen bestaumltigt So hatte es Engelmann nun auch nichtgemeint als er dem Buch den Untertitel Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnotreglaquomiddotsup2 middotraquoregnot gab die CDUFDP-Koalition gleichwohl Denn dieUmverteilung von unten nach oben die Konservative undLiberale im letzten Wahlkampf zu ihrem Programm machtenhaben sie in der zuruumlckliegenden Legislaturperiode mit bestenKraumlften angepackt Wer heute sagt er habe es damals nichtgewuszligt habe es nicht wissen koumlnnen der lese EngelmannsIacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 -und vermag dann auch zu erahnen was die naumlch-sten vier Jahre bringen koumlnnen wenn sich das Wahlvolk erneutverkohlen laumlszligt

Die in diesem Buch angegebenen Zahlen sind nicht aktuali-siert worden mit Ausnahme der Liste der reichsten Deut-schen die auf einer Zusammenstellung von Dorothee Beckund Hartmut Meine beruht veroumlffentlicht in dem Band

laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoregocirc der im Herbst 1997 im Steidl Verlagerschienen ist Dort findet sich das derzeit aktuellste undumfangreichste Zahlenmaterial zur Verteilung des Reichtumsin der Bundesrepublik

Die Deutschen gelten als reich reicher als ihre Nachbarn vondenen allenfalls die Schweizer sich mit ihnen messen koumlnnenund erst recht im internationalen Vergleich Wie enorm derWohlstand in den alten und neuen Laumlndern ist (oder zu seinscheint) zeigt die amtliche Statistik

Das Geldvermoumlgen der privaten Haushalte (ohne derenHaus- und Grundbesitz Wertsachen und sonstige Vermoumlgens-werte) erbrachte ihnen 1992 etwas mehr als 200 Milliarden DMan Zinsen und Dividenden Das sind grob gerechnet 2500DM jaumlhrliche Einnahmen aus angelegtem Geldvermoumlgen fuumlrjede und jeden im vereinten Deutschland ob Saumlugling oderGreis Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt Ehepaarmit zwei Kindern -hat also laut Statistik zusaumltzliche Jahresein-kuumlnfte von 10000 DM (und im Hintergrund eine angelegteGeldreserve von 180000 bis 200000 DM die diese Zinsenerbringt) ein schoumlnes Zubrot beispielsweise fuumlr einen jun-gen Familienvater der als Beamter mit 1850 DM netto imMonat die Wohnungsmiete in einer Groszligstadt aufbringen undalle Ausgaben der vierkoumlpfigen Familie bestreiten muszlig

Nun wissen wir allerdings daszlig solch ein dem statistischenDurchschnitt genau entsprechender Fall in der Praxis nur ganzselten vorkommt Die allermeisten Arbeitnehmerfamilienhaben naumlmlich keine sechsstelligen Geldreserven und wennbei ihnen von Zinsen die Rede ist so handelt es sich in derRegel um solche die sie fuumlr aufgenommene Kleinkredite undDarlehen seufzend zu zahlen haben

Die Statistik luumlgt dennoch nicht sie wirft nur Arm und Reichin einen Topf Schon ein einziger Bewohner eines Mietshausesvielleicht dessen Eigentuumlmer der uumlber zwei Millionen DMGeldvermoumlgen verfuumlgt schafft im Verein mit den uumlbrigenHausbewohnern einem Dutzend Familien von Habenichtsen

jenen truumlgerischen statistischen Durchschnitt der uns einenallgemeinen Wohlstand vorgaukelt

Wenn wir uns daruumlber im Klaren sind kann uns auch ein wei-teres statistisches Ergebnis nicht mehr taumluschen naumlmlich daszligsich die Ertraumlge der privaten Geldvermoumlgen der Deutschen imLaufe des letzten Jahrzehnts nahezu verdreifacht haben Diesefuumlr uns scheinbar so erfreuliche Tatsache sagt uumlber die Vertei-lung des so stark vermehrten Wohlstands gar nichts aus Siekann beispielsweise bedeuten daszlig nur die ohnehin sehr Wohl-habenden noch um vieles reicher geworden sind die groszligeMehrheit der Unbemittelten aber unveraumlndert arm gebliebenund noch um einige soziale Absteiger vermehrt worden ist Ge-nau dieser Fall ist wie wir noch sehen werden tatsaumlchlich ein-getreten Profitiert von dieser Entwicklung haben im wesentli-chen nur die Herren des Groszligen Geldes

Was ist das eigentlich das raquoGroszlige GeldlaquoDie allermeisten Deutschen gleich ob in Ost oder West

haben davon keine oder nur eine ganz blasse Ahnung JedesMultimillionenvermoumlgen gilt ihnen schon als raquoGroszliges GeldlaquoUnd wenn sie selbst einmal im Lotto gewinnen sollten sagenwir knapp sechs Millionen DM steuerfrei - dann ist das nachMeinung der Freunde und Nachbarn und wohl auch nach ihrereigenen Einschaumltzung bereits das Groszlige Geld

Stellen wir uns nun einmal vor der oder die Gluumlckliche laumlszligtsich den ganzen Lottogewinn bar auszahlen dicke Packen vondruckfrischen Tausendern dazu noch etliche Buumlndel von200- und 100-DM-Scheinen saumluberlich aufgestapelt wobei einMeter Houmlhe jeweils genau einer Million DM entspricht derLottogewinn von knapp sechs Millionen Mark als Banknoten-stapel also vom Fuszligboden bis fast zur Decke der sechs Meterhohen Schalterhalle reicht

Doch so eindrucksvoll der Anblick dieses hohen Stapels auchsein mag als das raquoGroszlige Geldlaquo kann der Banknoten-Turm nochlaumlngst nicht gelten Unsere wirklichen Superreichen koumlnntensolche Vorstellung nur mitleidig belaumlcheln die Dimension die-ses scheinbaren Reichtums waumlre ihnen gar zu winzig

Als das amerikanische laumlngst auch hierzulande in deut-scher Sprache erscheinende Wirtschaftsmagazin raquoForbeslaquo im

Sommer 1990 die 400 reichsten deutschen Unternehmer vor-stellte da gab sich das Blatt mit gewoumlhnlichen Multimillionauml-ren gar nicht erst ab raquoForbeslaquo begann seine Aufzaumlhlung erst imraquoMultimegalaquo-Bereich also bei den mehr als hundertfachenDM-Millionaumlren

Die Summe der Vermoumlgen aller 400 Personen oder Familiendie raquoForbeslaquo vorstellte belief sich damals im Sommer 1990auf rund 200 Milliarden DM das Doppelte dessen was dieRegierung Kohl an Staatsanleihe aufzunehmen gedachte undfuumlr ausreichend hielt die ruinierte Wirtschaft der gerade verein-nahmten DDR zu sanieren und wieder in Schwung zu brin-gen Anders ausgedruumlckt Schon die Haumllfte des Vermoumlgensder 400 reichsten Westdeutschen haumltte nach offizieller Mei-nung gereicht fuumlr uumlber 16 Millionen raquoBruumlder und Schwesterndruumlbenlaquo gesunde wirtschaftliche Verhaumlltnisse zu schaffen

400 Privatvermoumlgen von zusammen 200 Milliarden DMergeben einen durchschnittlichen Reichtum der von raquoForbes1990 vorgestellten westdeutschen raquoSpitzenklasselaquo von je 500Millionen DM Stapelte man diese Summe nach Art des Lotto-gewinns in Banknoten waumlre ein solcher Bargeldturm 500Meter hoch mehr als dreimal so hoch wie der Koumllner Dom

Indessen gab es schon vor vier Jahren als das Wirtschaftsma-gazin die Superreichen der BRD vorzustellen begann nichtwenige deutsche Multimilliardaumlre die ihr Geld houmlher haumlttenstapeln koumlnnen als die Zugspitze (2 963 Meter) houmlher noch alsdas Gipfelkreuz des Mont Blanc (4 810 Meter) ja die mit ihremgebuumlndelten Baren sogar den Mount Everest (8 848 Meter)uumlberragt haumltten Von solchen gewaltigen Houmlhen aus betrachtetsind die Banknotenstapel der Lottogewinner aber auch die derzehn- zwoumllf- oder auch 25fachen Multimillionaumlre eine mit blo-szligem Auge gar nicht mehr wahrnehmbare Bagatelle und damitsollte nun auch klar sein was Geldlaquo wirklich bedeutet

Uumlbrigens seit 1990 sind die Kassen von Bund Laumlndern undGemeinden immer leerer geworden eine Schuldenlast vonastronomischer Houmlhe zwingt die oumlffentlichen Haumlnde zu rigo-rosen Sparmaszlignahmen und der Konjunktureinbruch der zuverzeichnen war (und noch ist) hat fuumlr Millionen Deutscheerhebliche Einkommenseinbuszligen mit sich gebracht (wovon im

einzelnen noch ausfuumlhrlich die Rede sein wird) Der Super-reichtum indessen hat keineswegs gelitten im Gegenteil

Das Groszlige Geld in den Haumlnden einiger deutscher Multimil-liardaumlre hat sich seit 1990 weiter kraumlftig vermehrt Hier nur einBeispiel Deutschlands Reichster der der breiten Oumlffentlich-keit nahezu unbekannte Erivan Haub aus MuumllheimRuhr (Ten-gelmann Kaiserrsquos Plus KD und nicht zuletzt was hierzu-lande nur Preiswert zu bedeuten scheint jedochzugleich die konzerneigene groumlszligte Einzelhandelskette derUSA Atlantic kennzeichnet) wurde im Sommer1990 auf deutlich uumlber sechs Milliarden DM Vermoumlgen taxiertdrei Jahre spaumlter im Sommer 1993 aber bereits auf mehr alszehn Milliarden DM Und so wie bei Haub ist es auch bei denzwei Dutzend anderen Deutschen die 1993 in die raquoForbeslaquo-Liste der raquoHundert Reichsten der Weltlaquo aufgenommen wur-den Ihre gigantischen Vermoumlgen sind in den Rezessionsjahrennicht kleiner sondern noch betraumlchtlich groumlszliger geworden(Eine Liste dieser deutschen Multimilliardaumlre findet sich aufden folgenden Seiten)

Wollten wir die Vermoumlgen der in den internationalen Spit-zenreichtum aufgestiegenen Deutschen durch gewaltige Bar-geldstapel (1 Meter = 1 Million DM) anschaulich machen sohaumltten wir ein Hochgebirgspanorama vergleichbar mit demHimalaya wobei der niedrigste Gipfel 3 400 Meter hoch diedrei houmlchsten gar Zehntausender waumlren houmlher als der houmlchsteBerg unserer Erde

Nachdem wir mit Hilfe dieser in Wirklichkeit ja niemalsvorkommenden gigantischen Banknotentuumlrme eine unge-

vom Groszligen Geld bekommen haben kehrenwir zuruumlck auf den Boden der Tatsachen beispielsweise derBonner Politik Da stellt sich dann heraus daszlig die erdachtenBargeldstapel als Ausdruck der Macht des Groszligen Geldes garnicht so unrealistisch sind wie man meinen koumlnnte

Mitunter nehmen naumlmlich auch bundesdeutsche Superrei-che statt ihres Scheckbuchs Bargeldstapel vorzugsweise solchevon druckfrischen Tausendern stecken davon einige Buumlndel inneutrale Umschlaumlge und uumlberreichen diese dann dem einenoder anderen ihrer Bekannten als Geschenk

Curt Engelhornund Familie Mrd DM

Familie Quandt Beteiligungen Mrd DM

Theo undKarl Albrecht Einzelhandel Mrd DM

Familie Haniel

Familie Merck

Handel Mrd DM

ChemiePharma Mrd DM

Familie Henkel Chemie Mrd DM

Erivan Haubund Familie Einzelhandel Mrd DM

Otto Beisheim GroszlighandelBeteiligungen Mrd DM

Familie Boehringer ChemiePharma Mrd DM

Friedrich Karl Flick jr Beteiligungen Mrd DM

Michael Ottound Familie Versandhandel 765 Mrd DM

FamilieSchmidt-Kuthenbeck Groszlighandel Mrd DM

Rolf Gerling Versicherungen Mrd DM

Familie Schickedanz Versandhandel Mrd DM

Natuumlrlich geschieht dies nicht in aller Oumlffentlichkeit wo-moumlglich vor laufenden Fernsehkameras vielmehr sehr diskretund stets handelt es sich bei den von Superreichen mit solchenGeldgeschenken groszligzuumlgig Bedachten um einfluszligreiche Politi-ker die zwar sehr uumlppige regulaumlre Einkuumlnfte haben aber trotz-dem immer Geld brauchen weil sie kostspielige Wahlkaumlmpfezu fuumlhren haben und fuumlrchten muumlssen nicht wiedergewaumlhlt zuwerden wenn ihnen das Geld ausgeht

Von diesen unterstuumltzungsbeduumlrftigen Politikern erwartendie superreichen Spender der gebuumlndelten Tausendmarkschei-ne dann ihrerseits allerlei Gefaumllligkeiten und diese werdenihnen in aller Regel auch schon bald nach der Gelduumlbergabevon den dankbaren Politikern erwiesen

Indessen sind solche fuumlr die Spender belanglos winzigenfuumlr die Empfaumlnger sehr stattlichen und hochwillkommenenGeldgeschenke meist in Raten von 50000 bis 250000 DMund die im Gegenzug erwiesenen Gefaumllligkeiten beileibe nichtals kriminelle Vergehen etwa als aktive und passive Beste-chung im Sinne der Paragraphen 331 ff des Strafgesetzbuchesgedacht oder zu verstehen Dergleichen kommt nur in wenigerreichen und weniger maumlchtigen Kreisen mitunter vor und wirdwenn es ruchbar wird sehr streng bestraft

Ganz anders liegt der Fall bei uumlppigen Geldgeschenken vonSuperreichen an Mitglieder des Bundeskabinetts und Vorsit-zende von Koalitionsparteien

Erstens wuumlrden bundesdeutsche Multimillionaumlre niemalsgegen Gesetze und Vorschriften verstoszligen wollen Sie wuumln-schen sich vielmehr eine Anpassung der Gesetze und Ausfuumlh-rungsbestimmungen an ihre auf groszlige Gewinne gerichtetenPlaumlne Der eine will beispielsweise ein Gesetz das inlaumlndischeVerkaufserloumlse die er in den USA profitabel anlegen will vonetlichen hundert Millionen Mark Steuern befreit Der andereverlangt eine Lockerung von Umweltschutzbestimmungenwodurch ihm enorme Ausgaben fuumlr die Umruumlstung von Che-mie-werken und Papierfabriken erspart werden Ein Dritterwuumlnscht die Streichung einiger zwar gesundheitsschaumldlicheraber sehr gut verkaumluflicher Chemikalien von einer Verbotslisteund alle gemeinsam fordern die Aumlnderung eines Paragraphen

der bislang die Beschaumlftigten eines indirekt durch Streikgelaumlhmten Werks beguumlnstigt hat also lauter fuumlr Superreicheganz natuumlrliche Verlangen die ihren Interessen dienen undihren Profit steigern so daszlig es nur gilt die Gesetze und Vor-schriften den Beduumlrfnissen des Groszligen Geldes entsprechendabzuaumlndern damit alles ganz legal vor sich gehen kann

Zweitens aber sind die Zuwendungen die die Superreichenden an der Gesetzgebung maszliggeblich beteiligten Politikernmachen (oder machen lassen) so geringfuumlgig im Vergleich zuden enormen Vorteilen die sie sich damit verschaffen daszlig keinbundesdeutscher Staatsanwalt sie als strafrechtlich relevantansehen koumlnnte

Wenn beispielsweise ein Multimilliardaumlr wie Herr Flick zurErlangung von etlichen hundert Millionen Mark Steuererspar-nis nur lumpige zwei drei Millionen an diverse Spitzenpoli-tiker verteilt hat weniger als ein Prozent des Gewinns - sovermochte keiner der Beteiligten darin etwas Unrechtes zuerkennen raquoJede Sparkasse verschenkt doch Pfennigartikel wieKugelschreiber oder Wandkalender selbst an Kunden die nurein paar Mark an jaumlhrlichen Kontogebuumlhren einbringenlaquo mein-te einer der Flick-Bediensteten treuherzig

Doch mit der Erwaumlhnung einer der vielen Flick-Millionen-spenden sind wir schon mitten in der Praxis des Bonner Alltagsund koumlnnen die theoretischen Erwaumlgungen abschlieszligen Dennnun sollte jeder und jedem klar sein was Groszliges Geld ist undwelche Macht damit ausgeuumlbt wird

Gewiszlig laut Verfassung wird der die Richtlinien der Politikbestimmende Kanzler von der Bundestagsmehrheit gewaumlhltund uumlber deren Zusammensetzung entscheiden die Waumlhlerin-nen und Waumlhler in allgemeiner gleicher direkter und gehei-mer Wahl So bestimmt es das Grundgesetz in dessen Artikel20 Absatz 2 es folgerichtig heiszligt raquoAlle Staatsgewalt geht vomVolke auslaquo

Doch das war nicht immer so (wie das Kapitel raquoKurzerflug in die deutsche Geschichtelaquo es noch naumlher beschreibenwird) Hier soll es genuumlgen daran zu erinnern daszlig noch bis vorwenig mehr als 75 Jahren im groumlszligten Teil Deutschlands dassogenannte Dreiklassenwahlrecht galt bei dem es die Superrei-

chen weitaus bequemer hatten Es gab einigen wenigen Multi-millionaumlren ebenso viele Stimmen wie Zigtausenden von Nor-malverdienern und es entrechtete die Armen voumlllig ebensoalle Frauen und Jugendlichen Kurz die Superreichen brauch-ten keine Abgeordneten zu bestechen sondern bestimmtenselbst die Mehrheitsverhaumlltnisse

Dieser fuumlr das Groszlige Geld so angenehme Zustand endete1918 als das vom raquoEisernen Kanzlerlaquo Bismarck geschaffeneKaiserreich ruhmlos unterging

Indessen ging nur der Kaiser die Superreichen bliebenunter ihnen auch die Familie der Fuumlrsten Bismarck und dieHohenzollernprinzen als neu hinzugekommener Kriegsge-winnler des Ersten Weltkriegs auch Friedrich Flick Sie alle(oder ihre Erben) brachten ihre riesigen Vermoumlgen sicher durchdie Nachkriegswirren und die totale Geldentwertung die dendeutschen Mittelstand verarmen lieszlig und fanden neue Wegeder Machtausuumlbung zwecks weiterer Vermehrung ihres Reich-tums

Sie uumlberstanden die vierzehn Jahre der Weimarer Republikwurden in den folgenden zwoumllf Jahren der Nazi-Diktatur unddes Zweiten Weltkriegs noch um vieles reicher vor allemdurch Ruumlstungsauftraumlge Ausbeutung von Millionen Sklaven-arbeitern Pluumlnderung der eroberten Gebiete und raquoArisierunglaquojuumldischen Vermoumlgens und hatten auch nach der vollstaumlndigenNiederlage der groszligdeutschen Wehrmacht und dem Untergangder Hitler-Diktatur in den westlichen Besatzungszonen derspaumlteren Bundesrepublik keinen Grund zur Klage Das GroszligeGeld blieb unangetastet kam sicher durch die Krisenjahre derersten Nachkriegszeit wurde von der Waumlhrungsreform ver-schont und vermehrte sich dann geradezu explosionsartig alsdas raquoWirtschaftswunderlaquo einsetzte

Zwanzig Jahre lang wurde die Bundesrepublik im Zeichendes Kalten Krieges und der massiven Aufruumlstung von konserva-tiven Kanzlern regiert und zu einem Paradies der Superreichendie sich fuumlr Groszligverdiener maszliggeschneiderte Gesetze undSteuergeschenke noch und noch machen lieszligen und ihrerseitsden sie so gut bedienenden Politikern die Wahlkaumlmpfe finan-zierten

Ende der sechziger Jahre kam endlich ein Umschwung DieStudenten rebellierten gegen das konservative Establishmentgegen die von der Springer-Presse betriebene Volksverdum-mung gegen die zutiefst unmoralische undemokratische undunsoziale Herrschaft des Groszligen Geldes Mit Willy Brandtkam erstmals ein Kanzler ans Ruder der das Eis des KaltenKrieges zu brechen begann eine Friedenspolitik einleitete undein inneres Reformwerk in Gang setzte Seine ParoleDemokratie wagenlaquo fand groszligen Widerhall

Indessen sorgte der kleine Koalitionspartner des Bundes-kanzlers Willy Brandt (SPD) die FDP stets dafuumlr daszlig dieBaumlume nicht in den Himmel wuchsen sprich daszlig die Politikden Interessen des Groszligen Geldes nicht abtraumlglich war unddennoch betrieben damals rechtskonservative Kreise der Wirt-schaft bereits wenn auch zunaumlchst vergeblich den Sturz WillyBrandts indem sie Abgeordnete der Koalition mit betraumlchtli-chen Summen zum Abfall vom sozialliberalen Regierungslagerbewogen

Die damaligen Vorgaumlnge sind geradezu ein Musterbeispielfuumlr das direkte Einwirken des Groszligen Geldes auf die BonnerPolitik und deshalb seien sie zum besseren Verstaumlndnis dergegenwaumlrtigen Verhaumlltnisse im folgenden Kapitel kurz be-schrieben

Nichts zeigt deutlicher wie hohl Helmut Kohls staumlndig imMunde gefuumlhrte Phrase von der raquogeistig-moralischen Wendelaquoin Wahrheit ist als das Vorgehen seiner engsten Freunde undFoumlrderer (und sein eigenes Verhalten) im Fruumlhjahr 1972 alsschon die Weichen fuumlr den Aufstieg des raquoSchwarzen Riesenlaquoins Kanzleramt von den Repraumlsentanten des Groszligen Geldesgestellt wurden

In den spaumlten 1960er und fruumlhen siebziger Jahren war imWesten Deutschlands viel die Rede von raquomehr Mitbestim-munglaquo Genauer Alle Groszligunternehmen sollten nicht alleinvon den Kapitalgebern sondern im gleichen Umfang also pari-taumltisch auch von den Arbeitern und Angestellten in ihrergesamten Unternehmenspolitik bestimmt werden so wie esim Montanbereich bei Kohle und Stahl von der britischenBesatzungsmacht eingefuumlhrt worden war und sich glaumlnzendbewaumlhrt hatte

Allerdings waren den seit 1969 in Bonn regierenden Sozial-demokraten in dieser Frage die Haumlnde gebunden ihr Koaliti-onspartner die FDP hatte sich ausbedungen das ThemaraquoMitbestimmunglaquo fuumlr die Dauer des Regierungsbuumlndnissesraquoauszuklammernlaquo Um so intensiver nahmen sich die nun inder Opposition stehenden Christdemokraten der gewerkschaft-lichen Forderung an zumindest ihr damals starker raquolinkerlaquo Fluuml-gel unter Fuumlhrung von Norbert Bluumlm Gemeinsam mit demaufstrebenden Helmut Kohl damals schon Ministerpraumlsidentin Rheinland-Pfalz erarbeitete Bluumlm einen Mitbestimmungs-Entwurf fuumlr das CDU-Parteiprogramm der dann auf heftigenWiderstand der Herren des Groszligen Geldes stieszlig Der CSU-Schatzmeister und Mitgesellschafter des Flick-Konzerns DrWolfgang Pohle sah in dem BluumlmKohl-Entwurf bereits raquodieGrenzen zur Planwirtschaft gefaumlhrlich verwischtlaquo der dama-lige IIenkel-Konzernmanager Kurt Biedenkopf stieszlig ins selbeHorn und CDU-Rechtsauszligen Alfred Dregger sah schon denraquoKommunismus durch die Hintertuumlrlaquo in die Groszligunternehmendringen

Dennoch gab man dem BluumlmKohl-Entwurf reelle Chan-cen auf dem CDU-Parteitag vom Januar 1971 eine Mehrheit zuerhalten und ins Wahlprogramm der Union aufgenommen zu

werden zumal auch der damalige CDU-Vorsitzende RainerBarzel Mitbestimmungs-Sympathien zu hegen schien

Aber dann kam alles ganz anders Nachdem Kohl von einemFlick-Vertrauensmann dem Daimler-Personalchef Dr HannsMartin Schleyer aufgesucht und ins Gebet genommen wordenwar machte er sich daran ein raquoKompromiszlig-Papierlaquo zu entwer-fen Kohls neuer Entwurf sicherte dem Kapital die Herschaftraumlumte aber den Arbeitnehmern gewisse Mitwirkungsrechteein Es lohnt indessen nicht die Einzelheiten zu schildernDenn kaum war der urspruumlngliche BluumlmKohl-Entwurf aufdem Parteitag erwartungsgemaumlszlig gescheitert weil sich herum-gesprochen hatte daszlig Kohls allgemeine Zustim-mung linden wuumlrde da erwies es sich daszlig nicht einmal Hel-mut Kohl selbst fuumlr seinen eigenen Plan einzutreten bereit warEr empfahl statt dessen einen Entwurf der Industrie undstimmte fuumlr diesen

Damit hatte Helmut Kohl -vom Standpunkt der Herren desGroszligen Geldes gesehen seine Bewaumlhrungsprobe bestandenauch wenn er dann bei der Kandidatur fuumlr den CDU-Parteivor-sitz gegen Rainer Barzel ein letztes Mal unterlag Der erbosteNorbert Bluumlm aber lieszlig sich vor der Presse zu der Aumluszligerunghinreiszligen raquoWir sind eben doch eine Unternehmerparteilaquo

Rainer Barzel erkannte nun in Helmut Kohl seinenlichsten Rivalen den es abzuschuumltteln galt So wagte er imFruumlhjahr 1972 den Versuch Kanzler Willy Brandt durch ein kon-struktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzen

Der kuumlhne Versuch anstelle von Brandt Kanzler zu werdenund damit jede innerparteiliche Konkurrenz auszustechen miszlig-lang und uumlberdies verlor die von Barzel gefuumlhrte Union auchdie Bundestagswahl vom November 1972 Der raquogluumlckloselaquozel den seine Partei und deren Geldgeber daraufhin gern kalt-gestellt haumltten war aber keineswegs bereit freiwillig einem an-deren Platz zu machen und er hielt auch noch einige Truumlmpfebereit die er auszuspielen drohte falls man versuchen wuumlrdeihn beiseite zu schieben Seine Drohungen zeigten erheblicheWirkung und nun war guter Rat wirklich sehr teuer

Es begann was in den geheimen erst zehn Jahre spaumlteroumlffentlich bekanntgewordenen Aufzeichnungen des

gen Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard v Brauchitsch als raquokon-zertierte Aktionlaquo bezeichnet wurde Von CDU-Seite wurdenHeinrich Koumlppler und Helmut Kohl aktiv auf Unternehmer-seite Professor Kurt Biedenkopf vom Henkel-Konzern derunvermeidliche Flick-Vertrauensmann Dr Hanns MartinSchleyer und natuumlrlich auch vBrauchitsch sodann GuidoSandler vom Oetker-Konzern endlich auch Konrad Henkelder Chef des Henkel-Konzerns Das Ergebnis war daszlig RainerBarzel ein raquoweicher Falllaquo angeboten werden konnte Zu seinenstattlichen regulaumlren Bezuumlgen sollten jaumlhrlich 250 bis300000 DM Honorare kommen die ihm der FrankfurterRechtsanwalt Dr Paul zukommen lassen wuumlrde der seinerseitsdas Geld von raquoIndustriemandantenlaquo bekaumlme Und genausogeschah es

Zehn Jahre spaumlter schrieb Erich Boumlhme daruumlber im raquoSpiegellaquounter der Uumlberschrift Dr Kohllaquo

raquoRainer Candidus Barzel der gescheiterte Kanzleraspirantdes Jahres 1972 dessen salbungsvolle Tiraden die DeutschenAnfang der siebziger Jahre uumlberreichlich genervt hatten undden die Union schlieszliglich aus Fraktions- und Parteivorsitzhebelte waumlre nie zum gtsozialen Falllt geworden Trotz einschlauml-giger Sorgen die der damalige Kohl-Intimus Kurt Biedenkopfdem Barzel-Nachfolger Kohl aktenkundig machte Durch-schlag an das Haus Flick versteht sich Das Haus Flickzahlte Barzel kassierte (mit zusaumltzlichen Garnierungen vonder Chase Manhattan Bank und vom Hause Oetker) der erfolg-lose CDU-Chef raumlumte ohne Gezeter das Feld Das Flick-Kuumlrzel Dr hatte seinen Zweck erfuumlllt wg DrKohl dessen Chefstuhl mit eintausendsiebenhundert Flick-Tausendern Millionen DM) freigefaumlchelt worden warlaquo

Auch Barzel-Nachfolger Kohl war zunaumlchst gluumlcklos 1976trat er als Kanzlerkandidat der Union an und unterlag bei denBundestagswahlen 1980 wurde Kohls Rivale Franz JosefStrauszlig als Kanzlerkandidat nominiert und scheiterte ebenfallsAber dann am 1 Oktober 1982 kam Helmut Kohls groszligeStunde Mit Hilfe der abgefallenen raquoGruppe Genscher-Lambs-dorfflaquo der FDP wurde der gewaumlhlte Bundeskanzler HelmutSchmidt (SPD) durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum

gestuumlrzt Kohl zum Kanzler gewaumlhlt mit einer Mehrheit vonsieben Stimmen und gegen den erklaumlrten Willen jener Waumlhlerdenen Genscher im Herbst 1980 feierlich versprochen hatte erwerde raquovier Jahre als zuverlaumlssiger und aufrichtiger Partnerlaquomit Helmut Schmidt und der SPD die Koalition fortsetzen

Ein Drittel der FDP-Bundestagsfraktion darunter fast alleFrauen verweigerte Genscher und dem Grafen Lambsdorffdie Gefolgschaft bei diesem Betrug am Waumlhler Aber seither istKohl Bundeskanzler und regiert die BRD auf eine Weise diehaargenau den Wuumlnschen derer entspricht die mit Hilfe derMacht des Groszligen Geldes den Kanzlerwechsel langfristig vor-bereitet und dann herbeigefuumlhrt hatten

Warum war ihre Wahl auf den Pfaumllzer Helmut Kohl gefallenWodurch hatte er sich vor anderen Bewerbern um das Kanzler-amt ausgezeichnet und die Gunst der Herren des Groszligen Gel-des erworben so daszlig sie ihm zunaumlchst den Chef-Sessel derCDU mit fast zwei Millionen Mark Barzel-Abfindung raquofreigefauml-cheltlaquo und schlieszliglich auch die zur Kanzlerwahl fehlendenStimmen raquobeschafftlaquo hatten Ja wer war uumlberhaupt dieser Hel-mut Kohl den die meisten Bundesbuumlrger nur als jungen Lan-desvater von Rheinland-Pfalz und als Wahlverlierer von 1976kannten

Helmut Kohls politische Karriere begann in seiner wirtschaft-lich vom Chemie-Riesen BASF beherrschten traditionell vonder SPD regierten -Heimatstadt Ludwigshafen Dort war er am3 April 1930 als Sohn eines kleinbuumlrgerlichen Finanzbeamtenzur Welt gekommen

Kohls autorisierter Biograph Karl Guumlnter Simon der demheutigen Kanzler in seinem 1969 erschienenen Buch raquoDieKronprinzenlaquo immerhin schon ein knappes Dutzend Seitengewidmet hat berichtet darin daszlig Helmut (raquoHellelaquo) Kohl raquoausschwarzem Elternhauslaquo stamme daszlig der kraumlftige hochgewach-sene Oberrealschuumller schon 1949 im ersten Bundestagswahl-kampf fuumlr die CDU als Redner aufgetreten sei (und zwar wieFreunde und Gegner uumlbereinstimmend sich erinnern raquolauthemdsaumlrmelig und naszligforschlaquo) und daszlig er dann langsamraquoSchritt fuumlr Schrittlaquo Karriere gemacht habe

Schon als 17jaumlhriger war Kohl der Jungen Union beigetretenmit 25 Jahren wurde er bereits Mitglied des rheinland-pfaumllzi-schen CDU-Landesvorstands mit 28 Jahren Kreisvorsitzenderin Ludwigshafen und juumlngster Landtagsabgeordneter im Main-zer Parlament Nach dem Wunsch seiner Eltern studierte erzunaumlchst Rechtswissenschaft in Heidelberg denn er solltehoumlherer Beamter werden Aber er interessierte sich nur fuumlr Poli-tik genauer fuumlr seine eigene politische Karriere Geld ver-diente er sich nebenher erst als Praktikant bei der BASF alsDirektionsassistent bei der Eisengieszligerei Mock als kaufmaumlnni-scher Volontaumlr bei der Miederwarenfabrik raquoFelinalaquo dann alsReferent des Landesverbands der chemischen Industrie vonRheinland-Pfalz-Saar in Ludwigshafen Ehe er dort -mit einemAnfangsgehalt von DM spaumlter 3 000 DM-seine Taumltigkeitaufnahm erwarb er nach immerhin neun Jahren oder 18Semestern die seit seinem Abitur vergangen waren den Dok-torgrad nicht den juristischen denn er hatte im 5 Semesterumgesattelt sondern den Dr phil des Fachs Geschichte miteiner 160 Schreibmaschinenseiten umfassenden vornehmlichaus sorgsam gesammelten Zeitungsmeldungen bestehendenArbeit zum Thema raquoDie politische Entwicklung in der Pfalzund das Wiedererstehen der Parteien nach

Dr Kohls Sternstunde kam wenn man seinen BiographenGlauben schenken darf am 3 April 1959 seinem 29 Geburts-tag mitten im rheinpfalzischen Landtagswahlkampf Kohl kan-didierte zum ersten Mal und nun stand ihm so beschrieb esLothar Wittmann raquoein groszliger Auftritt bevor Konrad Ade-nauer wird zu einer Groszligveranstaltung erwartet Im hochrotenLudwigshafen soll der Besuch des Kanzlers zu einer eindrucks-vollen Demonstration der Schwarzenlaquo werden Zu diesemBehuf hat CDU-Geschaumlftsfuumlhrer Fritze Keller zwei gewal-tige Wurstmarktzelte aus Bad Duumlrkheim auf dem Marktplatzaufstellen lassen (Sie) fassen 8 000 Besucher KleinmuumltigeZweifler haben Kohl vor solchen Ausmaszligen gewarnt 20Minuten vor Beginn der auf 20 Uhr angesetzten Versammlungist die Nervositaumlt groszlig Uumlber Polizeifunk wird angekuumlndigt daszligder Kanzlerwagen bereits Darmstadt passiert hat und die Zeltesind erst zu houmlchstens 20 Prozent gefuumlllt Wenn der Besucher-

strom so duumlnn bleibt wird es eine Blamage geben Kurz ent-schlossen dirigiert Kohl den Kanzlerkonvoi ins Hotel St Hu-bertus um Der geplagte Kanzler muszlig die Moumlglichkeit habensich vor dem Auftritt noch etwas frisch zu machen

Als der Kanzler dann eintrifft sind die Zelte brechendvoll Der Zustrom hat in letzter Minute und schlagartig ein-gesetzt Drei Redner an diesem Abend Helmut Kohl haumllt eineschwungvolle Begruumlszligungsrede dann Peter Altmeier der(rheinland-pfalzische) Ministerpraumlsident dann Konrad Ade-nauer Helmut Kohl bringt enthusiastische Stimmung ins Zelter spricht angriffslustig wettert gegen Herbert Wehners Agitati-onsbesuch in der BASF Droht die Politisierung der BetriebeKonrad Adenauer wird aufmerksam mustert interessiert denlangaufgeschossenen Nachwuchsredner fragt seinen Nach-barn Peter Altmeier wer denn dieser hoffnungsvolle jungeMann seilaquo und ernennt so moumlchte man vermuten wennman dieser eindrucksvollen Schilderung gefolgt ist HelmutKohl sogleich zu seinem politischen Enkel und spaumlteren Nach-folger

Dies war jedoch keineswegs der Fall die Ernennung zumAdenauer-Enkel nahm Helmut Kohl spaumlter selber vor undauch die wunderbare Publikumsvermehrung in den Ludwigs-hafener Zelten kam nicht von ungefaumlhr Sie hatte viel ArbeitAnstrengung und Hilfe von den Unternehmern aus demUmland erfordert von denen einer sich ruumlhmte er habe es sich12 000 DM kosten lassen raquoseine Leutelaquo in Bussen raquoheranzukar-ren ihnen 5 Mark pro Kopf spendiert fuumlr Verzehr und damitKohls Schau gerettetlaquo

Wie dem auch sei Jedenfalls ist eines sicher naumlmlich daszligHelmut Kohl damals schon einen millionenschweren Industri-ellen zum Freund und Foumlrderer hatte der Kohls Talente ZU

schaumltzen wuszligte und wie er spaumlter wiederholt erklaumlrte raquoeinenguten Riecherlaquo fuumlr kommende Spitzenpolitiker hatte die sichihren Maumlzenen dann als sehr nuumltzlich erweisen konnten

Helmut Kohls damaliger reicher Goumlnner war uumlbrigens derGroszligaktionaumlr und Vorstandsvorsitzende eines aufbluumlhendenUnternehmens mit uumlber zweitausend Beschaumlftigten in der vonLudwigshafen nur acht Kilometer entfernten pfaumllzischen

stadt Frankenthal Fast zwei Jahrzehnte lang waumlhrend ausdem Ludwigshafener JU-Fuumlhrer ein Stadtrat dann ein CDU-Landtagsabgeordneter Fraktionsvorsitzender schlieszliglich so-gar ein rheinland-pfaumllzischer Ministerpraumlsident CDU-Bun-desvorsitzender und Kanzlerkandidat wurde war Helmut Kohlein haumlufiger Gast in der Frankenthaler Industriellen-Villa Inallen diesen Jahren gab es zwischen Kohl und seinem reichenGoumlnner viele Gespraumlche uumlber politische und wirtschaftlicheFragen Der junge Politiker Kohl holte sich manchen Rat vonseinem um 23 Jahre aumllteren beinahe vaumlterlichen Freund lieszligsich von diesem erzaumlhlen wie man aus sehr bescheidenenAnfangen uumlber Krieg Niederlage und Waumlhrungsreform hin-weg zu Multimillionaumlrs- und Konzernherren-Houmlhen aufsteigtund er scheint sich damals vorgenommen zu haben es seinemFoumlrderer gleichzutun zumindest hinsichtlich eines ruumlcksichts-losen Gebrauchs der Ellbogen und eines Mindestmaszliges anmoralischen Skrupeln sowie einer sorgfaumlltigen Pflege dessenwas sein erfahrener Goumlnner raquonuumltzliche Beziehungenlaquo zu nen-nen pflegte

Tatsaumlchlich hatte dieser Frankenthaler Industrielle glaumln-zende Verbindungen und sogar enge freundschaftliche Bezie-hungen zu bereits arrivierten und kommenden Spitzenleutenaus Politik und Wirtschaft Einigen davon praumlsentierte undempfahl er seinen Schuumltzling Helmut Kohl und auch sonstkonnte der steinreiche Konzernchef dem aufsteigenden Jung-politiker auf mancherlei Weise behilflich sein

Natuumlrlich stellte Helmut Kohl seinem Foumlrderer auch dasMaumldchen vor mit dem er sich zu verloben und wie es fuumlreinen christlichen Politiker obligatorisch war in Baumllde zu ver-heiraten gedachte und erst nachdem Kohls einstige Tanzstun-denfreundin und zukuumlnftige Ehefrau Hannelore von der Fami-lie des Frankenthaler Industriellen in Augenschein genommenworden war traf der angehende Landespolitiker Vorbereitun-gen fuumlr die Gruumlndung eines eigenen Hausstands Zwei Monatenach seinem Einzug ins Mainzer Landesparlament verheira-tete er sich mit Hannelore Renner

Nun konnte Helmut Kohl seinem Foumlrderer hie und da auchschon ein paar Gefaumllligkeiten erweisen denn sein Einfluszlig in

der Mainzer CDU-Fraktion war von Anfang an groszlig und ande-rerseits steigerte der reiche Industrielle das Ansehen des juumlng-sten Abgeordneten indem er diesen mitnahm auf eine Afrika-reise wie sie sich damals Anfang der sechziger Jahre ein nochunbekannter Provinzpolitiker kaum zu ertraumlumen wagte FrauHannelore durfte derweilen mit der Gattin des IndustriellenFerien im schweizerischen Zermatt machen wo den Damenein luxurioumlses Chalet Zurverfuumlgung stand Die Traumreise aufdie Kohl damals von seinem noblen Goumlnner mitgenommenwurde ging ins Koumlnigreich Marokko dessen Honorarkonsulfuumlr Rheinland-Pfalz sein vaumlterlicher Freund geworden war undsie wurde fuumlr Helmut Kohl zu einem Erlebnis wie aus Tausend-undeiner Nacht Uumlbrigens es sei hier nur am Rand vermerktweil es das harte Urteil vieler anderer politischer Freunde wieGegner uumlber den jungen Politiker Kohl bestaumltigt Auch der ihmso wohlwollende Industrielle ruumlgte gerade im Anschluszlig andiese Marokkoreise die miserablen Umgangsformen seinesSchuumltzlings Wie schon gelegentlich zuvor und noch oftmalsspaumlter als Kohl schon laumlngst Ministerpraumlsident in Mainz gewor-den war bedauerte der Herr Konsul wenngleich nur im enge-ren Familien- und Freundeskreis das raquoungehobelte Beneh-menlaquo Kohls und sein raquoschrecklich ruumlcksichts- und taktlosesAuftretenlaquo Der engste Freund des Herrn Konsuls dem erdavon erzaumlhlte lachte indessen nur und sagte wie er spaumlterdem Autor selbst erzaumlhlte - raquoLaszlig man Fritz wenn er werdensoll was wir uns ausgedacht haben kann er gar nicht ruumlcksichts-los genug seinlaquo

Uumlbrigens der bislang verschwiegene Name des Kohl-Ent-deckers und langjaumlhrigen -Goumlnners war Dr Fritz Ries damali-ger Chef und Groszligaktionaumlr des raquoPegulanlaquo-Konzerns mitHauptsitz in Frankenthal Dessen alter Freund einstiger Kom-militone und bei der Heidelberger schlagendenVerbindung raquoSuevialaquo und spaumlterer stellvertretender Vorsitzen-der des raquoPegulanlaquo-Aufsichtsrats aber hieszlig Dr Hanns MartinSchleyer war bereits der Vertrauensmann des Daimler-Groszlig-aktionaumlrs Friedrich Flick in der Untertuumlrkheimer Konzernzen-trale und bald auch stellvertretender Vorsitzender vonsamtmetalllaquo sowie Vizepraumlsident der Arbeitgebervereinigung

Er sollte noch houmlher aufsteigen ehe er im Herbst 1977 von Ter-roristen entfuumlhrt und ermordet wurde doch in unseremZusammenhang ist zunaumlchst nur von Bedeutung daszlig es DrRies und Dr Schleyer waren die den Jungpolitiker HelmutKohl raquovormerktenlaquo fuumlr zukuumlnftige Jahre wenn eine raquoBundes-regierung nach Maszliglaquo und nach dem Herzen der groszligen Kon-zerne aufzustellen sein wuumlrde

Wir werden auf Dr Fritz Ries und Dr Hanns MartinSchleyer noch einmal zuruumlckkommen doch hier sei uumlber Riesnur noch angemerkt daszlig es fuumlr den raquoPegulanlaquo-Konzern unddessen Produkte vor allem Fuszligbodenbelaumlge aus Kunststoff1975 eine Absatzkrise gab Nur durch eine Landesbuumlrgschaft inMillionenhoumlhe konnten die Banken bewogen werden demUnternehmen noch einmal uumlber die Runden zu helfen DasFachblatt raquoWirtschaftswochelaquo meldete dazu am 5 Maumlrz 1976raquoTatsaumlchlich muumlssen die Finanzkalamitaumlten bei Ries und den

Pegulan-Werken noch gravierender sein als in der vom23 Januar 1976 dargestellt Der rheinland-pfalzische Finanzmi-nister Johann Wilhelm Gaddum muszligte dem SPD-Abgeordne-ten Rainer Rund auf eine Anfrage zur Pegulan-Krise denn aucheingestehen Landesbuumlrgschaften werden nur dann gewaumlhrtwenn die Sicherheiten im Sinne der Beleihungsgrundsaumltze derKreditinstitute nicht ausreichen Im Klartext heiszligt das lan haumltte ohne die Buumlrgschaft des Landes keinen Kredit mehrbekommen Ob indes diese Landeshilfe allein wegen dergefaumlhrdeten Arbeitsplaumltze zugesagt wurde oder ob der CDU-Kanzlerkandidat und Rheinland-Pfalz-Chef Kohl zusaumltzlichein gutes Wort fuumlr Ries einlegte bleibt offenlaquo

Offen bleibt auch ob der sowohl von der serioumlsen raquoWirt-schaftswochelaquo als auch vom exklusiven raquoManager-Magazinlaquoverbreitete angebliche Ries-Ausspruch uumlber Kohl -raquoAuch ich ihn nachts um drei anrufe muss er springen laquo- korrekt wieder-gegeben worden ist Immerhin bezeichneten Ries-TochterMonika und deren Ehemann Rechtsanwalt Herbert Krall die-

Mit Gewiszligheit laumlszligt sich nur sagen daszlig das damals von Hel-mut Kohl gefuumlhrte Land Rheinland-Pfalz den Konzern des Dr

Ries durch Uumlbernahme von Buumlrgschaften in Millionenhoumlhelange vor dem Zusammenbruch bewahrt hat Dabei hat moumlgli-cherweise der Umstand eine Rolle gespielt daszlig dem Ries-Kon-zern schon zuvor bedeutende Landesmittel zuteil gewordenwaren deren Gesamthoumlhe von Fachleuten auf zig MillionenDM veranschlagt wurde

Ebenfalls durch Kohl zuteil geworden war Dr Fritz Ries imFebruar 1972 der Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuzeine ungewoumlhnliche Ehrung fuumlr einen Mann dessen raquounter-nehmerische Leistung und Engagement fuumlr die Gesellschaftlaquowie es in der Verleihungsurkunde hieszlig wahrlich nicht unum-stritten waren Denn Fritz Ries Kohls raquoWeichenstellerlaquo vonihm auch manchmal als raquoder gute Mensch von Frankenthallaquobezeichnet hatte eine recht dunkle unternehmerische Vergan-genheit Der am 4 Februar 1907 in Saarbruumlcken geborene FritzRies Sohn des Inhabers einer Moumlbelhandlung hatte nach demAbitur ein Jurastudium begonnen erst in Koumlln dann in Heidel-berg wo er-wie schon kurz erwaumlhnt den acht Jahre juumlngerenKorpsstudenten Hanns Martin Schleyer als raquoLeibfuchslaquo unterseine Fittiche nahm

Schleyer es sei hier nur am Rande angemerkt war als Sohneines Landgerichtsdirektors in OffenburgBaden 1915 geborenworden und bereits als Schuumller 1931 der Hitlerjugend beigetre-ten 1933 in die SS aufgenommen worden (Mitgliedsnummer227014) und galt mit 19 Jahren schon als raquoAlter Kaumlmpferlaquo dervon 1934 an die Universitaumlt Heidelberg in eine raquoForschungs-und Erziehungsanstalt nationalsozialistischer Praumlgunglaquo zu ver-wandeln sich bemuumlhte Er leitete dort spaumlter auch in Inns-bruck dann in Prag das sogenannte raquoStudentenwerklaquo aus des-sen SS-Mannschaftshaumlusern der Sicherheitsdienst (SD) derNazis seinen Nachwuchs rekrutierte Von 1939 an stand derSS-Fuumlhrer Dr Schleyer im neuen raquoProtektorat Boumlhmen undMaumlhrenlaquo an der Spitze der gesamten SS-raquoHochschularbeitlaquoihm unterstanden rund 160 Angestellte und sein Jahresetatbetrug rund zehn Millionen Reichsmark

Von 1939 an war SS-Hauptsturmfuumlhrer Dr Schleyer einemMann direkt unterstellt der als Chef des raquoReichssicherheits-hauptamteslaquo an der Spitze des SD der Gestapo und der

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ten Polizei stand SS-Obergruppenfuumlhrer Reinhard HeydrichIm September 1941 wurde Heydrich unter Beibehaltung seinerMachtstellung im Reich auch noch Stellvertreter des Reichspro-tektors von Boumlhmen und Maumlhren und damit der eigentlicheHerrscher in der Tschechoslowakei Dr Schleyer seine rechteHand und Kontrolleur der tschechoslowakischen Industrie biszum letzten Tag der deutschen Besatzung Erst am 8 Mai 1945schlug er sich mit den letzten SS-Verbaumlnden unter Mitnahmevon Geiseln tschechischen Frauen und Kindern zu den schonkurz vor Prag stehenden Amerikanern durch und wurde vondiesen interniert und einige Jahre lang gefangengehalten

Doch zuruumlck zu Fritz Ries der sich beim HeidelbergerKorps raquoSuevialaquo bei Mensuren jene raquoSchmisselaquo genanntenFechtnarben holte die fuumlr eine Karriere damals sehr foumlrderlichwaren Unmittelbar vor dem Verbot der korpsstudentischenMensuren forderte Ries noch einen Kommilitonen der seineEhre verletzt hatte auf Pistolen wobei ihm sein raquoLeibfuchslaquoSchleyer wie dieser sich erinnerte und dem Autor lachenderzaumlhlte die Waffe zum Kampfplatz trug

Schon kurz darauf beendete Fritz Ries sein Studium als Drjur und begann sogleich -im Herbst 1934 seine Unternehmer-karriere nachdem er im Jahr zuvor der Nazipartei beigetretenwar und die Tochter des wohlhabenden Rheydter ZahnarztesDr Heinemann geheiratet hatte Mit schwiegervaumlterlichemGeld entfaltete er wie er selbst in einem Schreiben an einehohe Nazi-Parteistelle ohne falsche Bescheidenheit anfuumlhrte raquoeine auszligerordentliche unternehmerische Aktivitaumltlaquo Er hatteeine Leipziger Gummiwarenfabrik Fluumlgel Polter erworbenund diesen 120-Mann-Betrieb in wenigen Jahren zu einem mitt-leren Konzern ausgebaut fast ausschlieszliglich mit Hilfe soge-nannter raquoArisierungenlaquo

Durch die judenfeindliche Politik der Nazis waren die fruumlhe-ren Eigentuumlmer gezwungen ihre Unternehmen weit unterdem tatsaumlchlichen Wert und zu demuumltigenden Bedingungen anraquoArierlaquo wie Dr Ries zu verkaufen Anzumerken ist daszlig DrRies innerhalb kuumlrzester Zeit zum branchenbeherrschendenPraumlservativ-Hersteller des raquoGroszligdeutschen Reicheslaquo aufruumlckteund fuumlr seine ruumlde auch im raquoangeschlossenenlaquo Oumlsterreich prak-

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tizierte raquoArisierungslaquopolitik starke Ruumlckendeckung durch dieNazi-Partei erhielt

Vom Herbst 1939 an also gleich nach Beginn des ZweitenWeltkrieges wurde der Ries-Konzern raquoauf den Kriegsbedarfder Wehrmacht umgestellt und stark erweitertlaquo Die Beschaumlftig-tenzahl hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt verzehnfacht derUmsatz war auf mehr als das Zwanzigfache gestiegen und balderreichten die Umsaumltze und Gewinne geradezu schwindelndeHoumlhen Denn von 1941 an konnte Dr Ries seinen Gummikon-zern auf die eroberten polnischen Gebiete ausdehnen immerneue Betriebe raquouumlbernehmenlaquo dabei unterstuumltzt von einemeigens fuumlr solche Aufgaben engagierten SS-Standartenfuumlhrerim Sicherheitsdienst (SD) Herbert Packebusch

Packebusch nach dem die Staatsanwaltschaft Kiel wegendringenden Verdachts des Mordes in zahlreichen Faumlllen nochJahrzehnte nach Kriegsende vergeblich fahndete half Dr Riesauch bei der Beschaffung von Arbeitskraumlften So arbeitetenallein in einem der Ries-Betriebe im eroberten Polen denraquoOberschlesischen Gummiwerkenlaquo in Trzebiniazien) laut einer raquoGefolgschaftsuumlbersichtlaquo vom 30 Juni 1942insgesamt 2 653 juumldische Zwangsarbeiter davon 2 160 Frauenund Maumldchen Vornehmlich mit deren Hilfe sprich aufgrundruumlcksichtsloser Ausbeutung stieg der Umsatz in Trzebinia von101861 RM im Dezember 1941 auf 1300 619 RM im April 1942also binnen vier Monaten auf mehr als das Zwoumllffache

Die erhalten gebliebenen Berichte des deutschen Aufsichts-personals geben Einblick in die im Ries-Werk Trzebinia damalsherrschenden schrecklichen Zustaumlnde zeigen die rigorose Aus-beutung und die taumlglichen Miszlighandlungen der fuumlr Dr Riesschuftenden Frauen und Maumldchen

So erging folgende Anordnung raquoWir haben den Arbeitskraumlf-ten erklaumlrt daszlig die Arbeitsleistung in den naumlchsten Tagenwesentlich gesteigert werden muszlig da wir sonst annehmendaszlig die Arbeit sabotiert wirdlaquo was nach Lage der Dinge eineklare Morddrohung war denn nachlassende Leistung oder garSabotage wurde mit sofortiger raquoUmsiedlunglaquo in das knapp 20Kilometer entfernte KZ Auschwitz geahndet wo raquoArbeitsunfauml-higelaquo sofort vergast wurden

Da die deutschen Behoumlrden aber bereits damit begannenalle Juden der Gegend ohne Ruumlcksicht auf ihren Wert alsArbeitskraumlfte der raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquo des DrRies nach Auschwitz zu schaffen beschloszlig dieser raquoVollblutun-ternehmerlaquo aus der Not eine Tugend zu machen zumindestfuumlr sich selbst Weil am Ende sicherlich auch diese letzten Fach-kraumlfte raquoumgesiedeltlaquo werden wuumlrden zwecks spaumlterer Ermor-dung wie alle Beteiligten wuszligten - galt es Vorsorge fuumlr seinenKonzern zu treffen Da hatte nun ein trefflicher Ries-Mitarbei-ter die Idee die nach Auschwitz raquoumgesiedeltenlaquo und dort aufihren Tod wartenden Juden nicht unproduktiv im KZ herumsit-zen zu lassen sondern ihre Wartezeit mit nutzbringenderArbeit fuumlr den Ries-Konzern auszufuumlllen

Und so geschah es Im Lager Auschwitz wurde eine raquoGroszlig-nebenstellelaquo errichtet raquoEs stehen in Kuumlrze etwa 3 000 bis 5 000weibliche Arbeitskraumlfte zur Verfuumlgunglaquo heiszligt es in der Mel-dung vom 10 Juli 1942 Die erforderlichen Naumlh- und sonstigenMaschinen aus dem Besitz schon ermordeter juumldischer Hand-werker kaufte der Ries-Konzern der SS billig ab und fortanbrauchte sich Dr Ries der in einer schoumlnen eigens fuumlr ihn

in Trzebinia wohnte um diemorallaquo seiner Belegschaft nicht mehr zu sorgen Darum kuumlm-merte sich die SS und die raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquolieferten nur das zu verarbeitende Material und holten die fer-tige Ware im KZ ab um sie mit sattem Gewinn an die Wehr-macht und andere Abnehmer zu verkaufen

Wie in Ostoberschlesien und Galizien so hatte Dr Riesnoch einige weitere Produktionsstaumltten im annektierten Polenin Konzernbesitz gebracht unter anderen einen Groszligbetriebin Lodz das die Deutschen in raquoLitzmannstadtlaquo umgetaufthatten

Natuumlrlich arbeiteten auch die raquoGummiwerke Warthelandlaquowie Dr Ries seine Lodzer Erwerbung nannte erst mit juumldi-schen dann mit polnischen Zwangsarbeitern nur die Aufseherund das Wachpersonal erhielten regulaumlre Bezahlung

Nebenbei bemerkt auch die deutschen raquoGefolgschaftsmit-gliederlaquo wurden bespitzelt und raquovertraulichlaquo gemeldet etwawenn sie den katholischen Gottesdienst besucht hatten Und

schlieszliglich ging die Brutalitaumlt im Ries-Konzern so weit daszlig diepolnischen Arbeitskraumlfte zumeist junge Frauen und Maumldchennicht nur nach beendeter Schicht in einem Barackenlager unterAufsicht gestellt sondern auch waumlhrend der Arbeitszeit imSaal eingeschlossen und nach Schluszlig der Arbeit durchsuchtwurden Verantwortlich fuumlr diese und andere raquoenergischelaquoMaszlignahmen war ein von Dr Ries im zweiten Halbjahr 1944 ein-gestellter neuer Direktor der am 30 Oktober 1944 auch schrift-lich anordnete daszlig jeder der mehr als einmal anseinem Arbeitsplatz unentschuldigt fehlte zur raquoauszligerbetrieb-lichen Bestrafunglaquo durch die Gestapo zu bringen sei

Zu dieser Zeit war die raquoVerlagerunglaquo- das heiszligt der Abtrans-port nach Westen von allem was nicht niet- und nagelfest war bereits in vollem Gange und der neue Direktor erwarb sich beider Rettung des Ries-Besitzes vor der anruumlckenden RotenArmee raquodurch Umsicht Schneidigkeit und Haumlrtelaquo wie Dr Riesihm bescheinigte groszlige Verdienste

Der Name dieses neuen Direktors der ein Kaumlmpferlaquoder Nazipartei und zuletzt Leiter einer Dienststelle im schongeraumlumten Krakau gewesen war soll hier nicht verschwiegenwerden Es handelte sich um Artur Missbach einen spaumlterenCDU-Bundestagsabgeordneten der als solcher vor allem da-durch von sich reden machte daszlig er Ende der sechziger Jahreauf amtlichem Papier des Bundestags Werbebriefe fuumlr dieInvestment-Schwindelfirma IOS verschickte Mit dem Bundes-adler im Briefkopf pries MdB Missbach damals die IOS-Zertifi-kate als raquodie derzeit beste und sicherste Anlage mit der houmlch-sten Renditelaquo an und gleichzeitig verkaufte er unter demDecknamen raquoSebastian Bachlaquo fuumlr mindestens drei MillionenDollar IOS-Anteile an deutsche Sparer die den -wegen Steuer-hinterziehung landesfluumlchtigen raquoSebastian Bachlaquo dann eben-so verfluchten wie ihre wertlos gewordenen Papiere

Doch zuruumlck zu Dr Ries dem mit seinem Direktor Miss-bach sehr zufriedenen Konzernchef der im Winterseine riesige Beute aus Polen mit Lastwagen-Konvois undGuumlterzuumlgen weit nach Westen raquoverlagertelaquo und was die Bar-geldbestaumlnde des Konzerns betraf so erinnerte sich Ries-Toch-ter Monika der 17 Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart im

Prozeszlig um das Buch raquoGroszliges Bundesverdienstkreuzlaquo als Zeu-gin benannt deutlich daran wie sich ihr Vater im Familien-kreis am abendlichen Kaminfeuer haumlufig mit Stolz dazubekannt hat anno 1945 raquoRiesensummen persoumlnlich und koffer-weise nach Westen geschafftlaquo zu haben

Fuumlnf Jahre spaumlter indessen am 28 November 1950 schil-derte Dr Ries seine Lage gegen und nach Kriegsende folgen-dermaszligen raquo1944 gruumlndete ich die Gummiwerke Hoya GmbHMit dieser Gruumlndung wollte ich lediglich einen Teil der Maschi-nen aus den mir gefaumlhrdet erscheinenden oumlstlichen Gebietenretten Tatsaumlchlich waren bei Kriegsende in Hoya neue Maschi-nen fuumlr etwa 15 Millionen RM gelagert Weiterhin standenmir bei Beendigung des Krieges einige hunderttausend MeterStoff zur Verfuumlgunglaquo Um einen Teil des kofferweise gerette-ten aber immer wertloser werdenden Bargelds anzulegenerwarb Dr Ries kurz nach Kriegsende auf der am weitestenwestlich gelegenen deutschen Nordseeinsel Borkum raquoKoumlhlersStrandhotellaquo das groumlszligte Haus am Platze Es stellte nach heuti-gen Maszligstaumlben ein Multimillionenobjekt dar Was aber derBesitz von raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo in den Not-jahren 1945-48 bedeutete laumlszligt sich heute uumlberhaupt nicht mehrermessen Schon mit drei Metern Anzug- oder Mantelstoffkonnte man bis zur Wahrungsreform vom Juni 1948 durchTausch oder Verkauf auf dem Schwarzen Markt die Ernaumlhrungeiner fuumlnfkoumlpfigen Familie fuumlr mindestens zwei Monate sicher-stellen Mit raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo haumltte mandie Lebensmittelversorgung einer Groszligstadt waumlhrend sechsDekaden gewaumlhrleisten koumlnnen als die amtlichen Rationenwie 1947 in Wuppertal bei nur noch 650 Kalorien pro Tag lagen

Jedenfalls darf man sagen daszlig Dr Ries die Nazi-Diktaturund den Zweiten Weltkrieg nicht nur heil sondern geradezuglaumlnzend uumlberstanden hatte ebenso die Wirren das Elend undden Hunger der ersten Nachkriegsjahre In Polen waren ihm

Die Machenschaften des Dr Fritz Ries deren Entdeckung und Veroumlffentli-chung durch den Autor dieses Schwarzbuches und die Auswirkungen der Ver-oumlffentlichung sind ausfuumlhrlich dargestellt in dem Taschenbuch raquoGroszliges Bun-desverdienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

Abermillionen an Kriegsbeute zuteil geworden nicht nur wert-volle zum Teil fabrikneue Maschinen waggonweise TextilienAutoreifen Gummistiefel -schuhe und Maumlntel sondern auchkofferweise Bargeld dazu Unmengen von KunstgegenstaumlndenTeppichen und Juwelen sowie wie die erhalten gebliebenenDokumente beweisen die Wertsachen seiner Arbeitssklavender Schmuck und das Zahngold der geschundenen MaumlnnerFrauen und Kinder

Um so erstaunlicher ist es daszlig Dr Ries obwohl aus Saar-bruumlcken und spaumlter in Leipzig beheimatet zeitweise in Trzebi-nia bei Auschwitz und zuletzt auf Borkum wohnhaft mit Kon-zernsitz in Leipzig dann in Hoya an der Weser und schlieszliglichin Frankenthal von den dortigen rheinpfalzischen Behoumlrdendennoch als raquoHeimatvertriebenerlaquo anerkannt wurde Ja manbescheinigte ihm dem groszligen Beutemacher sogar einen treibungsschadenlaquo Am 10 Oktober 1953 sein Schuumltzling Hel-mut Kohl war bereits ein Lokalmatador der CDU mit gutenBeziehungen bestaumltigte ihm das Ausgleichsamt bei der Stadt-verwaltung Frankenthal Aktenzeichen 16Mke - daszlig raquoderAntragsteller Dr Fritz Ries hier die Feststellung der folgendenVertreibungsschaumlden beantragt hat1 Geschaumlftsanteil an der Oberschlesischen

Gummiwerke GmbH Trzebinia uumlberNennbetrag (Kapitalforderung) 1445 000 RM

2 Geschaumlftsanteil an der raquoGummiwerkeWartheland AGlaquo Litzmannstadt uumlber 500 000 RM

3 Verlust eines Einfamilienhauses mit10 Zimmern in Trzebinia Kreis Krenau(Oberschlesien) Grundvermoumlgen

Weiter wird bestaumltigt daszlig die Angaben des Antragstellers indem Feststellungsantrag hinreichend dargetan sindlaquo

Mit anderen Worten Einem Saarlaumlnder der mit Wohn- undKonzernsitz in Leipzig das eroberte Polen ausgepluumlndert Skla-venarbeiter aufs grausamste ausgebeutet und sich deren Besitzwiderrechtlich angeeignet hatte wurde amtlich bescheinigtdaszlig nicht seine Opfer sondern er selbst zu entschaumldigen seiund daszlig seine dreisten Behauptungen als Beweis ausreichtenUnd so wie in diesem Fall ging es dutzendfach weiter

An jeder Finanzquelle die die oumlffentliche Hand damalseinem schuldlos verarmten und unterstuumltzungsbeduumlrftigenHeimatvertriebenen sprudeln lieszlig wenn er einerseits im OstenMillionenverluste erlitten hatte andererseits an seinem Auf-nahmeort neue Arbeitsplaumltze zu schaffen bereit war labte sichDr Ries mit Hilfe seiner politischen Freunde von der CDU inreichem Maszlige

Gluumlcklicherweise fuumlr ihn hatte man Dr Fritz Ries als blo-szligen raquoMitlaumluferlaquo der Nazi-Partei eingestuft und damit galt dermillionenschwere Kriegsgewinnler und als V-Mann derGestapo auserwaumlhlte raquoabsolut zuverlaumlssige NationalsozialistlaquoDr Ries in Rheinland-Pfalz (und damit in der ganzen Bundes-republik) als politisch voumlllig unbelasteter Ehrenmann

Wann immer sich bei den Lastenausgleichs- und anderenAumlmtern Zweifel regten etwa was die behauptete Houmlhe der raquoVer-treibungsschaumlden laquo des Dr Ries betraf wurden sie so nachzu-lesen in den Akten des damaligen Ries-Generalbevollmaumlchtig-ten fuumlr die Regelung seiner raquoAnspruumlchelaquo Dr Grote-Mismahl durch starken politischen Druck von oben beseitigt

Wer diesen Druck ausuumlbte laumlszligt sich nicht mehr mit Sicher-heit feststellen und es waumlre unfair diese Machenschaftenallein dem 1953 gerade erst zum Mitglied des Geschaumlftsfuumlhren-den Landesvorstands der regierenden CDU aufgeruumlckten Ries-Guumlnstling Helmut Kohl anzulasten von dem allerdings fest-steht daszlig er in den folgenden Jahren als er zum einfluszligreich-sten Politiker des fest in der Hand seiner Partei befindlichenBundeslands Rheinland-Pfalz aufstieg seinem langjaumlhrigenFoumlrderer Dr Ries wiederholt sehr behilflich gewesen ist

So stellt sich die Frage ob Helmut Kohl uumlber die duumlstere Ver-gangenheit seines groszligzuumlgigen Foumlrderers und dessen dreisteLuumlgen hinsichtlich seiner angeblichen raquoVertreibungsschaumldenlaquogenau Bescheid gewuszligt hat Ries-Tochter Monika Krall anwalt-lich als Zeugin gehoumlrt war sich nicht absolut sicher ob ihrraquoVater auch in Gegenwart von Dr Kohl sich seiner so profitab-len Unternehmertaumltigkeit in Polen geruumlhmt hat und wenn jaob dann nur so allgemein oder mit genauen Einzelheitenlaquo

Eine damalige Ries-Angestellte die sich ihrerseits genaudaran erinnert gab indessen zu Protokoll daszlig raquoHerr Konsul

Dr Ries dem Herrn Dr Kohl stolz von seinen Betrieben in Polen und von den gluumlcklicherweiselaquo in groszligerAnzahl zur Verfuumlgung stehenden juumldischen und polnischenZwangsarbeitern erzaumlhlt hatlaquo Sie wuszligte sogar noch das fahre Datum war im Fruumlhjahr 1967 der Herr Konsul DrRies bekam das Groszlige Bundesverdienstkreuz das Herr DrKohl damals CDU-Landesvorsitzender ihm verschafft hatteDr Ries erzaumlhlte ihm dann er haumltte schon damals in Polen dasKriegsverdienstkreuz verliehen bekommen laquo Diese Zeugindie in Frankenthal beschaumlftigt ist wollte begreiflicherweisenicht namentlich genannt werden

Indessen spielt die Frage ob Helmut Kohl schon damals imFruumlhjahr 1967 die ganze scheuszligliche Wahrheit uumlber die Vergan-genheit seines langjaumlhrigen Foumlrderers kannte keine groszligeRolle Denn schon fuumlnf Jahre spaumlter heftete Kohl seit 1969 Mi-nisterpraumlsident von Rheinland-Pfalz dem Dr Ries auch nochden Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuz an die Brust undzu diesem Zeitpunkt war Helmut Kohl wie sich beweisen laumlszligtvoll unterrichtet uumlber den Werdegang dieses Mannes der ihnals jungen Politiker raquoentdecktlaquo nach Kraumlften gefoumlrdert und dieKarriere erst ermoumlglicht hatte Kohl wuszligte Bescheid uumlber dieskrupellose raquoArisierungenlaquo des raquoKondom-Koumlnigslaquo Ries des-sen Beziehungen zur Gestapo und uumlber dessen Raubzuumlge in Po-len Er war daruumlber im Bilde daszlig sich Ries bei und in Auschwitzbereichert und Tausende von Arbeitssklavinnen fuumlr sich hatteschuften lassen Desgleichen wuszligte er daszlig die Entschaumldigun-gen fuumlr angebliche raquoVertreibungsschaumldenlaquo seines Goumlnners er-schwindelt waren Trotzdem zeichnete er ihn mit dem zweit-houmlchsten Orden aus den die Bundesrepublik zu vergeben hattepries oumlffentlich raquodas staunenswerte Lebenswerklaquo und raquodie vor-bildlichen unternehmerischen Leistungenlaquo des Dr Ries undwar ihm weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefaumlllig

Helmut Kohl warjedoch zu dieser Zeit laumlngst nicht mehr dereinzige Spitzenpolitiker der Unionsparteien von dem Dr Riesstolz behaupten zu koumlnnen meinte raquoWenn ich den nachts umdrei anrufe muszlig er springenlaquo

Dazu muszlig man wissen daszlig sich Konsul Dr Ries dessenraquoPegulanlaquo-Konzern damals noch florierte einen -wie er fand

raquostandesgemaumlszligenlaquo Landsitz nebst Jagdrevier Golfplatz undSchloszlig zugelegt hatte das als der Steiermarklaquo geruumlhmteSchloszliggut Pichlarn eine der schoumlnsten Besitzungen Oumlster-reichs Dort verkehrten als Gaumlste des Schloszligherrn Dr Ries nach den Veroumlffentlichungen der Lokalpresse in den fruumlhensiebziger Jahren etliche fuumlhrende Persoumlnlichkeiten der bun-desdeutschen Wirtschaft und Politik von denen wir hier einknappes Dutzend als repraumlsentative Auswahl nennen und zujedem Namen ein paar Erlaumluterungen geben wollen

raquoHerr Generalbevollmaumlchtigter Tesmann (es handelte sich umRudolf Tesmann geboren 1910 in Stettin einen fruumlherenhohen SS-Fuumlhrer letzter bekannter DienstgradSS-Obersturmbannfuumlhrer - vom Maumlrz 1944 bis KriegsendeVerbindungsmann zu Reichsleiter Martin Bormann Tesmannwurde 1945 von den Englaumlndern interniert und von seinem Mit-gefangenen dem Kaufhauskoumlnig Helmut Horten nach beiderEntlassung 1948 in den Horten-Konzern zuletzt als Generalbe-vollmaumlchtigter uumlbernommen Tesmann war auszligerdem damalsPraumlsidiumsmitglied des gtWirtschaftsrats der

Herr Dr Hanns Martin Vorstandsmitglied der Daim-ler-Benz AG mit Frau (den wir bereits kennengelernt habenund von dem noch im Zusammenhang mit der weiteren politi-schen Karriere Helmut Kohls die Rede sein wird)

Herr Dr Alfred Dregger mit Frau (damals Vorsitzender derhessischen CDU seit 1982 Fraktionsvorsitzender der CDUCSU im Bundestag und inoffiziell Fuumlhrer des rechten soge-nannten raquoStahlhelmlaquo-Fluumlgels der Union)

Herr Bundestagsabgeordneter Siegfried Zoglmann (geboren1913 in Boumlhmen seit 1928 Mitglied der in der CSR illegalen Hitlerjugend (HJ) 1934 HJ-Fuumlhrer in der Reichsjugendfuumlh-rung in Berlin 1939 Oberster HJ-Fuumlhrer im Boumlh-men und Maumlhren und Abteilungsleiter des 1940 erbat und erhielt Zoglmann vom Hein-rich Himmler persoumlnlich die Erlaubnis als SS-Fuumlhrer in diegtLeibstandarte SS Adolf Hitlerlt einzutreten Nach 1945 Werbe-fachmann im Rheinland 1950 Mitglied des NRW-Landesvor-stands der FDP bis 1958 Landtagsabgeordneter von 1957 biszu seinem Ausscheiden aus Altersgruumlnden Mitglied des Bun-

destags zunaumlchst FDP- seit 1972 CSU-Abgeordneter MitHilfe Zoglmanns und anderer FDP-Uumlberlaumlufer sollte damalsWilly Brandt gestuumlrzt werden die Verhandlungen hieruumlberwurden auf dem Ries-Schloszlig Pichlarn gefuumlhrt)

1931 Mitglied der NSDAP seit 1932 enger Mitarbeiter des Nazi-Propagandachefs und damaligen gtGauleiterslt von Groszlig-Berlin Dr Josef Goebbels in dessen Reichsministerium gtfuumlr Volksauf-klaumlrung und Propagandalt Taubert 1933 eintrat zunaumlchst alsReferatsleiter zustaumlndig fuumlr gtAktivpropaganda gegen dieJudenlt Von 1942 an Chef des gtGeneralreferats Ostraumlt dane-ben seit 1938 auch Richter am 1 Senat des beruumlchtigten gtVolks- gerichtshofslt und beteiligt an Todesurteilen gegen Wider-standskaumlmpfer Auszligerdem lieferte Ministerialrat Dr TaubertText und Idee zu dem 1940 uraufgefuumlhrten Hetzfilm raquoDer ewigeJudelaquo worin die in KZs und Gettos eingepferchten Juden mitRatten und anderem raquolebensunwertemlaquo Ungeziefer verglichenwurden 1945 tauchte der als Kriegsverbrecher gesuchte DrTaubert mit Hilfe westlicher Geheimdienste zunaumlchst unterum 1950 jedoch in Bonn wieder auf leitete die Kalte Kriegs-Propaganda gegen die DDR dann fuumlr VerteidigungsministerFranz Josef Strauszlig den Aufbau der psychologischen Kriegfuumlh-rung bei der Bundeswehr Scharfe Proteste des Zentralrats derJuden fuumlhrten dazu daszlig Strauszlig sich von Dr Taubert offizielltrennen muszligte und dieser trat dann als Leiter der Rechtsabtei-lung und des Persoumlnlichen Buumlros von Konsul Dr Fritz Riesbeim raquoPegulanlaquo-Konzern in Frankenthal ein In enger Abstim-mung mit Ries und sowie mit finanzieller Hilfe ausBonn und von etlichen Industriellen leitete Dr Taubert dieHetzkampagnen gegen Willy Brandt und den Aufbau ultrarech-ter und neonazistischer Gruppen und Presseorgane)

Und schlieszliglich zaumlhlte zu den Gaumlsten des Dr Ries aufSchloszlig Pichlarn auch

dent in Muumlnchen und er fand in der Berichterstattung deroumlsterreichischen Presse uumlber die Gaumlste auf Schloszlig Pichlarndamals die meiste

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Was die steiermaumlrkischen Zeitungen indessen nicht wuszligtenDer CSU-Chef Strauszlig und Konsul Dr Ries waren damalslaumlngst Duzfreunde und uumlberdies hatte Dr Ries die Ehefrau sei-nes Spezis Frau Marianne Strauszlig geborene Zwicknagl zu sei-ner Teilhaberin gewonnen dies uumlbrigens ohne daszlig es FrauStrauszlig einen Pfennig gekostet haumltte

Frau Strauszlig war in die am 23 Februar 1971 gegruumlndete Ries-Gesellschaft raquoDyna-Plastiklaquo in Bergisch-Gladbach eingetretenlaut Handelsregister zunaumlchst mit einer Kommanditeinlagevon 304 500 DM was damals einer Beteiligung von etwa 14 Pro-zent entsprach 1973 wurde das raquoDyna-Plastiklaquo-Kapitel erhoumlhtwobei der Anteil von Frau Strauszlig auf 406 000 DM oder 16 Pro-zent Kapitalanteil stieg Frau Strauszlig hatte jedoch weder dieerste Einlage noch die spaumltere Erhoumlhung einzuzahlen brau-chen diese sollten sich vielmehr raquoaus den Gewinnen auffuumlllenlaquo

im Klartext Dr Ries hatte der Frau seines so einfluszligreichenDuzfreundes ein kleines Geschenk gemacht eine erst 14-dann 16prozentige Beteiligung an einer gutgehenden Konzern-Tochtergesellschaft wohl in der richtigen Annahme daszlig kleineGeschenke die Freundschaft erhalten weshalb weitere aumlhnli-

Beteiligungen der Frau Marianne Strauszlig an bluumlhendenUnternehmen der Ries-Gruppe folgten

Die enge Freundschaft des CSU-Bosses dessen Bewunde-rung fuumlr die unternehmerischen Leistungen des Dr Ries unddie Beteiligung von Frau Marianne Strauszlig am Ries-Konzerndessen finanzielle Grundlagen ja wie wir bereits wissen min-destens teilweise in Auschwitz im Getto von Lodz (Litzmann-

sowie in weiteren Leidensstaumltten der versklavten Judengelegt worden waren erklaumlren vielleicht das von der raquoFrankfur-ter Rundschaulaquo 1969 zitierte Strauszlig-Wort (von dem er erst etwazwei Jahre vor seinem Tod abgeruumlckt ist) raquoEin Volk das diesewirtschaftlichen Leistungen erbracht hat hat ein Recht

Helmut Kohl beobachtete das raquoTechtelmechtellaquo seinesFreundes Dr Ries mit dem CSU-Boszlig Strauszlig von Mainz ausmit sehr gemischten Gefuumlhlen Nicht zuletzt dank der Start-hilfe und langjaumlhrigen Foumlrderung durch Dr Ries hatte er esdort inzwischen zum Ministerpraumlsidenten gebracht Ende Mai

1970 auch schon seine Kandidatur fuumlr den CDU-Bundesvorsitzangemeldet sich aber im Oktober 1971 auf dem CDU-Parteitageine Abfuhr geholt statt seiner war Rainer Barzel gewaumlhlt wor-den Kohl war jedoch entschlossen es nochmals zu probierenund 1975 zugleich ein noch houmlheres Ziel anzustreben naumlmlichKanzlerkandidat der Union zu werden und spaumltestens dannwuumlrde er in Strauszlig seinen gefaumlhrlichsten Rivalen haben

Indessen haumltte ihn sein langjaumlhriger Goumlnner Dr Ries schondamals beruhigen koumlnnen Ries und seine Freunde aus derbundesdeutschen Konzernwelt hatten bereits ganz bestimmtePlaumlne und tatsaumlchlich waren sie sich schon darin einig gewor-den es mit Helmut Kohl als Kanzlerkandidaten zu versuchenwogegen sie nach langem Hin und Her den CSU-Chef FranzJosef Strauszlig als zwar sehr nuumltzlich im Ruumlstungszentrum Muumln-chen aber als raquowenig geeignetlaquo als Regierungschef in Bonnangesehen und von der Liste der moumlglichen Kanzlerkandida-ten gestrichen hatten Allerdings auch darin waren sich dieHerren des Groszligen Geldes einig geworden sollte HelmutKohl raquoeine intellektuelle Stuumltzelaquo erhalten Denn so unbestrit-ten Kohls demagogische Talente und sein ruumlcksichtsloser Ge-brauch der Ellenbogen waren so wenig vertraute man seinengeistigen Faumlhigkeiten

Deshalb war ebenfalls auf Schloszlig Pichlarn schon zuBeginn der siebziger Jahre entschieden worden dem Dr Kohlfuumlrs kuumlnftige Kanzleramt eine raquoNummer zweilaquo an die Seite zustellen einen wie der damalige Hauptbeteiligte es nannte raquoIntelligenzbolzenlaquo der Kohls erkennbares intellektuellesDefizit ausgleichen und in Wahrheit raquodie Richtlinien der Poli-tiklaquo bestimmen sollte Wieder war es Dr Fritz Ries der von denganz groszligen Bossen dazu ausersehen wurde einerseits dieschon erkorene raquoNummer zweilaquo auf den gemeinsam gefaszligtenPlan raquoeinzustimmenlaquo andererseits seinem Schuumltzling Kohlklarzumachen daszlig er solche raquointellektuelle Stuumltzelaquo brauchenwuumlrde und zu akzeptieren haumltte denn schlieszliglich wolle er dochder Nachfolger Adenauers und womoumlglich sogar Bismarckswerden Auch diese so erklaumlrte der gewiefte GeschaumlftsmannDr Ries dem unbedarften Doktor der Geschichte Kohl haumltteneine graue Eminenz im Kanzleramt gehabt der eine seinen

Staatssekretaumlr Dr Globke der anderen seinen Geheimrat vHolstein

Helmut Kohl schien-wie eine Zeugin dieses Gespraumlchs sichdeutlich erinnert zwar uumlber Adenauers Staatssekretaumlr imKanzleramt Dr Hans Maria Globke Bescheid zu wissen eswar ihm wohl nicht entgangen daszlig dieser Dr Globke bis zuAdenauers Ruumlcktritt im Jahre 1963 die Bonner Personalpolitikvon der Gruumlndung der BRD an maszliggeblich beeinfluszligt auchdie westdeutschen Geheimdienste geleitet und zugleich dasVertrauen des hohen katholischen Klerus genossen hatte (diesuumlbrigens auch schon zur Zeit der Nazi-Diktatur als damaligerJudenreferent des Reichsinnenministeriums erst unter dem1946 in Nuumlrnberg als Hauptkriegsverbrecher hingerichteten -Dr Wilhelm Frick dann unter dessen Nachfolger dem raquoReichs-fuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler weshalb er selbst als Nr 101 aufder Kriegsverbrecherliste der Alliierten verzeichnet gewesenwar)

Aber Helmut Kohl hatte wie er dem Konsul Dr Ries freimuuml-tig gestand von einer raquograuen Eminenzlaquo Bismarcks namensFriedrich v Holstein noch nie etwas gehoumlrt was von seinemvaumlterlichen Freund und Goumlnner schmunzelnd zur Kenntnisgenommen worden war und er hatte dann gesagt Kohl muumlssenoch einiges lernen Spitzenpolitiker brauchten genau wie dieInhaber groszliger Unternehmen hochintelligente und fleiszligigeRatgeber zumal dann wenn diplomatische Meisterstuumlckegefordert seien Dabei gab er Kohl augenzwinkernd zu verste-hen daszlig Intelligenz Fleiszlig und diplomatisches Geschick nichtgerade zu dessen hervorstechenden Eigenschaften zaumlhlten

Wie Konsul Dr Ries dann die heikle Aufgabe loumlste demkuumlnftigen Kanzlerkandidaten des Groszligen Geldes eine vonihm und seinen maumlchtigen Freunden ausgesuchte -raquoNummerzweilaquo schmackhaft zu machen verdient uneingeschraumlnkteBewunderung und wird im uumlbernaumlchsten Kapitel geschildertwerden

Doch zunaumlchst lieszlig Ries seinen Schuumltzling Kohl im unklarendaruumlber wen er fuumlr ihn als raquointellektuelle Stuumltzelaquo im Augehatte Er ging statt dessen so erinnert sich die Zeugin deutlichzu seinem Lieblingsthema uumlber und lobte die geniale Strategie

des raquoReichsgruumlnderslaquo Bismarck Man muumlsse sie den gewandel-ten Verhaumlltnissen und der abermaligen Notwendigkeit wirt-schaftlicher Expansion diesmal nicht mit militaumlrischen Mit-teln geschickt anpassen Ein raquoUumlberrollen der Zone bei derersten Gelegenheitlaquo bezeichnete Dr Ries damals als raquodurchausmachbarlaquo und er sah sein aufmerksam lauschendes politischesZiehkind Helmut Kohl bereits als raquomoumlglichen Eisernen Kanz-ler dieser neuen oumlkonomischen Groszligmachtlaquo

Was nun diese heute fast prophetisch anmutenden Visio-nen des Dr Fritz Ries zu Beginn der siebziger Jahre angeht sowaren sie damals bei westdeutschen Industriellen seines Altersund Schlages durchaus keine Seltenheit Ratgeberwie Dr Eber-hard Taubert und andere fruumlhere raquoOstraumlaquo-Experten bestaumlrk-ten ihre Brotherren fleiszligig in solchen Wunschtraumlumen undwas die Bismarck-Schwaumlrmerei des Dr Ries betraf so war sieebenfalls in Mode zumal in konservativen Kreisen und bei

raquoAlten Herrenlaquo schlagender StudentenverbindungenWarum das bedarf einer kurzen Erlaumluterung

Kurzer Ausflug in die deutscheGeschichte

Der erste deutsche Reichskanzler der Neuzeit Otto v Bis-marck mit dem Helmut Kohl gern verglichen werden moumlchtefuumlhrt in manchen Geschichtsbuumlchern den Beinamen raquoEisernerKanzlerlaquo weil er mit groszliger Energie und meist im Alleingangoft gegen die Volksmeinung und die Parlamentsmehrheit mit-unter auch gegen die Wuumlnsche und Absichten des Staatsober-haupts seine eigene Politik verfolgte Diese war darauf gerich-tet durch eine Reihe von Eroberungskriegen und geschickteraquoVereinnahmungenlaquo das Koumlnigreich Preuszligen dessen Regie-rungsgeschaumlfte er von 1862 an fuumlhrte zur staumlrksten Macht inEuropa werden zu lassen

Dieses Preuszligen war bis zum Untergang der Hohenzollern-Monarchie im Jahre 1918 ein besonders reaktionaumlrer und milita-ristischer Obrigkeitsstaat wo adlige Groszliggrundbesitzer soge-nannte Junker zu denen auch Bismarck gehoumlrte den Ton anga-ben und alle houmlheren Posten in Staat und Armee besetzt hiel-ten Bei seinem Eintritt in die Politik machte sich der junge Bis-marck mit der Feststellung bekannt raquoIch bin ein Junker undwill meinen Vorteil davon habenlaquo Indessen war er trotz dieserArroganz sehr intelligent und weit gebildeter als die allermei-sten seiner Standesgenossen

Fuumlr das Abgeordnetenhaus des Junkerstaats Preuszligen demer angehoumlrte galt - bis 1918 - ein Dreiklassenwahlrecht ZweiDrittel aller Erwachsenen durften ohnehin nicht waumlhlen weilsie entweder Frauen oder unter 25 oder Empfaumlnger oumlffentlicherBeihilfen waren oder keinem eigenen Haushalt vorstandenDas uumlbrige Drittel war in drei Klassen eingeteilt Die wenigenHoumlchstbesteuerten die mittleren Steuerklassen und die Masseder Niedrigstbesteuerten waumlhlten jeweils die gleiche Anzahlvon Wahlmaumlnnern die ihrerseits gemeinsam den Abgeordne-ten des Bezirks bestimmten Damit war garantiert daszlig die Rei-

und Wohlhabenden immer das Sagen hatten der breiteMittelstand unterlegen blieb und die Masse des Volkes gar kein-nen Einfluszlig auf die Zusammensetzung des Parlaments aus-uumlben konnte

Trotz dieser voumlllig undemokratischen Verhaumlltnisse vermoch-te Bismarck als er 1862 preuszligischer Ministerpraumlsident gewor-den war in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit nur gegendas Parlament und an diesem vorbei zu regieren weil auch denwohlhabenden Buumlrgern Preuszligens seine auf Krieg gerichtetePolitik und die enormen Ruumlstungsausgaben verhaszligt warenErst als Bismarck ihnen durch umfangreiche Eroberungen denersehnten groumlszligeren Markt und stark vermehrten Profit be-schert hatte waren auch die meist nationalliberalen Besitz-buumlrger von ihm begeistert

Durch drei Angriffskriege 1864 im Buumlndnis mit Oumlsterreichgegen das kleine Daumlnemark 1866 gegen den Deutschen Bundund dessen Vormacht Oumlsterreich gegen Frankreich verwirklichte Bismarck seine kuumlhnen Plaumlne und man nanntedies (und nennt es wohl noch heute) sein raquoEinigungswerklaquoDabei hatte er in Wahrheit keineswegs alle Deutschen in einemNationalstaat vereinigt vielmehr rund ein Fuumlnftel aller Deut-schen Mitteleuropas ausgesperrt Die uumlber zehn MillionenDeutschoumlsterreicher von Nordboumlhmen bis Suumldtirol waren alsgeschlagene raquoFeindelaquo nicht in das 1871 gegruumlndete DeutscheReich aufgenommen worden Dafuumlr zaumlhlte das Bismarck-Reichunter seinen damals 42 Millionen Einwohnern uumlber vier Millio-nen Nichtdeutsche darunter knapp drei Millionen raquoMuszligpreu-szligenlaquo polnischer Muttersprache je rund 150 000 Litauer ren und Kaschuben knapp 200000 Daumlnen sowie annaumlhernd300 000 Franzosen und Wallonen Sie waren durch Eroberun-gen preuszligische Untertanen geworden oder lebten im annek-tierten von Preuszligen beherrschten raquoReichslandlaquo Elsaszlig-Lothrin-gen Uumlberhaupt war das von Bismarck geschaffene DeutscheReich in Wahrheit nur ein vom stark vergroumlszligerten Preuszligen be-herrschtes Wirtschaftsgebiet dessen nichtpreuszligische Teile einegewisse Scheinsouveraumlnitaumlt genossen Die Bezeichnung raquoDeut-

Reichlaquo war eine geschickte Taumluschung weil das mittel-europaumlische Reich des Mittelalters das in der Neuzeit

gen worden und 1806 auch formal untergegangen war einegaumlnzlich andere Struktur und Bedeutung auch keine wirklicheZentralgewalt keine staumlndige Hauptstadt zudem flieszligendeGrenzen gehabt hatte und weder zum Reich noch zum Deut-schen Bund der von 1815 bis 1866 bestanden hatte war daseigentliche Preuszligen je gerechnet worden

Mit dem raquoBlitzkrieglaquo Preuszligens gegen den Deutschen Bundhatte Bismarck diesen zerschlagen Oumlsterreich in Deutschlandentmachtet und daraus verdraumlngt Preuszligen aber stark vergrouml-szligert um Schleswig-Holstein das Koumlnigreich Hannover Hes-sen-Kassel Hessen-Nassau und die Reichsstadt Frankfurt amMain - so daszlig dieser von ihm regierte Hohenzollernstaat dersich einige Jahrzehnte zuvor schon halb Sachsen und dasRheinland einverleibt hatte nun zu einer Mitteleuropa beherr-

gegen Frankreich wurde Preuszligen-Deutschland zur staumlrkstenMacht auf dem Kontinent vereinnahmte Lothringen und dasElsaszlig gruumlndete das nun von Berlin aus regierte DeutscheReich und gliederte diesem zur Verstaumlrkung des preuszligischenUumlbergewichts Ost- und Westpreuszligen sowie das Groszligherzog-tum Posen an

Noch 23 Jahre zuvor nach der Maumlrzrevolution von 1848 warder damalige Preuszligenkoumlnig Friedrich Wilhelm IV unter demDruck der demokratischen Erhebung der Berliner zu der Erklauml-rung gezwungen gewesen raquoPreuszligen geht fortan in Deutsch-land auflaquo Das hatte dem Wunsch der groszligen Mehrheit entspro-chen die ein demokratisches im Frieden mit den Nachbarnlebendes Deutschland ohne Fuumlrsten und Kleinstaaterei gefor-dert hatte

Aber die demokratische Revolution war dann von preuszligi-schem Militaumlr niedergewalzt worden unter dem Befehl jenesPrinzen Wilhelm den Bismarck 1871 zum Deutschen Kaiserproklamieren lieszlig als es ihm gelungen war Deutschland inPreuszligen aufgehen zu lassen unter Fortbestand der Adelspri-vilegien und der Scheinsouveraumlnitaumlt von 26 deutschen Klein-

Dieses von Bismarck geschaffene und dann noch fast zweiJahrzehnte lang regierte Hohenzollernreich erfuumlllte die

der Industrie und Handels war aber nach obrigkeits-staatlichen autoritaumlren gaumlnzlich undemokratischen Grundsaumlt-zen aufgebaut Adel Militaumlr und im Bunde mit diesen die Her-ren der sich stuumlrmisch entwickelnden Industrie gaben den Tonan Die immer staumlrker werdende Opposition der ausgebeutetenIndustriearbeiterschaft versuchte Bismarck durch die raquoSoziali-stengesetzelaquo mundtot zu machen und die Sozialdemokratiesamt ihren Gewerkschaften zu zerschlagen vergeblich dennbeide wurden noch um vieles staumlrker Deshalb wurde dieArmee abermals vermehrt denn sie sollte auch den raquoinnerenFeindlaquo in Schach halten

Erfolgreich war Bismarck hingegen mit seiner DiplomatieSie war darauf gerichtet sein raquoDeutsches Reichlaquo genanntesGroszligpreuszligen zu festigen und das Risiko weiterer Kriege zu ver-meiden Diese kluge Zuruumlckhaltung wurde nach BismarcksSturz im Jahre 1890 schon bald aufgegeben Kaiser Generalitaumltund Groszligkapital draumlngten auf weitere Machtausdehnung Siewollten die Vorherrschaft nicht allein auf dem europaumlischenKontinent sondern auch auf den Meeren Dem unausweichli-chen Konflikt mit allen anderen Groszligmaumlchten den dieses Stre-ben nach Weltherrschaft heraufbeschwor sah die deutscheFuumlhrung siegesgewiszlig

Indessen endete der Erste Weltkrieg 1918 mit der militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Zusammenbruch derHohenzollern-Monarchie Im selben Spiegelsaal des VersaillerSchlosses wo das Bismarck-Reich gegruumlndet worden warwurde 47 Jahre spaumlter dessen Untergang besiegelt und Deutsch-land auf die Grenzen zurechtgestutzt die dann bis 1937 galten

Die Kriegstreiber von 1914 und die konservative deutscheRechte wollten sich jedoch weder mit diesen raquounrechtmaumlszligigenlaquoGrenzen noch mit den uumlbrigen Folgen der militaumlrischen Nie-derlage von 1918 abfinden Deutschlands Abruumlstung und dieHerstellung demokratischer und sozial gerechterer Verhaumllt-nisse waren ihnen ein Greuel Die Herren des Groszligen Geldeszumal die der Ruumlstungsindustrie im Bunde mit den Militaumlrsund den um ihre verlorenen Privilegien trauernden preuszligi-schen Junkern betrieben fortan den Sturz der Republik Siefinanzierten rechte und ultrarechte Kampforganisationen vom

raquoStahlhelmlaquo bis zur SS schufen einen deutschnationa-len Presse und Filmindustrie weitgehend beherrschenden Pro-pagandaapparat und nutzten die Weltwirtschaftskrise die inDeutschland ihren Houmlhepunkt erreichte der durchMassenarbeitslosigkeit und Elend geschwaumlchten Republiknach nur vierzehn Jahren ihres Bestehens den Garaus zumachen

Die Nazi-Diktatur die sie Anfang 1933 errichteten unddurch rechtskonservative Fachleute ihres Vertrauens unterKontrolle zu halten hofften war aber von noch kuumlrzerer DauerAnfangs erfuumlllten die Nazis zwar die vom Groszligen Geld in siegesetzten Erwartungen Sie zerschlugen sofort und mit aumluszliger-ster Brutalitaumlt die Gewerkschaften und die miteinander verfein-deten Linksparteien beseitigten die Tarifautonomie dieBetriebsraumlte das Streikrecht und begannen sogleich mit massi-ver Aufruumlstung Auch der Krieg den Hitler 1939 vom Zaunbrach brachte anfangs die erhofften Eroberungen und Ausbeu-tungsmoumlglichkeiten Aber er endete wie nicht anders zu erwar-ten gewesen war nach sechs Jahren des Grauens und der Ver-wuumlstung groszliger Teile Europas mit der vollstaumlndigen militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Untergang der Nazi-Diktatur in Schutt und Schande

45 Jahre lang war das uumlbriggebliebene Deutschland erst invier Besatzungszonen dann in zwei selbstaumlndige jahrzehnte-lang keine Beziehungen zueinander unterhaltende Staaten auf-geteilt die entgegengesetzten gesellschaftlichen und politi-schen Systemen angehoumlrten

Konrad Adenauer erster Bundeskanzler von 1949 bis 1963zog aus den Gegebenheiten politische Konsequenzen die sei-ner Herkunft Erfahrung und Grundeinstellung entsprachenEr wurzelte noch im 19 Jahrhundert und hatte die ersten 42Jahre seines Lebens unter dem autoritaumlren Regime des wilhel-minischen Kaiserreichs verbracht Er war Rheinlaumlnder Katho-lik Mitglied der katholischen Zentrumspartei wo er dem eherrechten Fluumlgel angehoumlrte der im Sozialismus den Erzfeind imFaschismus einen moumlglichen Verbuumlndeten sah 1929 als Mus-solini der den italienischen Arbeiterfuumlhrer Giacomo Mateottikurz zuvor hatte ermorden lassen seinen Frieden mit dem

Vatikan machte telegrafierte ihm Adenauer damals Koumllner

staben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragenlaquo1919 nach dem Untergang der Hohenzollern-Monarchie hatteAdenauer schon mit dem Gedanken geliebaumlugelt Westdeutsch-land vom sozialistisch regierten Reich abzuspalten und es alsstarken Partner in eine katholisch-konservative Wirtschafts-union der westlichen Nachbarn Belgien Luxemburg undFrankreich einzubringen 1945 nahm er diese Plaumlne sogleichwieder auf

raquoNach meiner Ansichtlaquo erklaumlrte Adenauer am 5 Oktober1945 raquosollten die Westmaumlchte die drei Zonen die sie besetzt hal-ten tunlichst in einem rechtsstaatlichen Verhaumlltnis zueinanderbelassen Das Beste waumlre wenn die Russen nicht mittun wollensofort wenigstens aus den drei westlichen Zonen einen Bundes-staat zu bildenlaquo Es konnte ihm also mit der Teilung Deutsch-lands gar nicht schnell genug gehen und er fuumlgte dann noch

einem solchen westdeutschen Bundesstaat zu genuumlgen muumlszligteman die Wirtschaft dieses westdeutschen Gebiets mit der Frank-reichs und Belgiens so eng wie moumlglich verflechtenlaquo

Es war indessen nicht allein Adenauers Sympathie fuumlr einenges Buumlndnis mit den katholischen Nachbarn oder seine tiefeAbneigung gegen alles auch nur entfernt Sozialistische die ihnauf eine Spaltung Restdeutschlands in einen kapitalistischenWeststaat und einen den Sowjets uumlberlassenen Oststaat hinar-beiten lieszlig Vielmehr war er auch obwohl zwoumllf Jahre lang Prauml-sident des Preuszligischen Staatsrats der Weimarer Republik einentschiedener Gegner Preuszligens

raquoWir im Westen lehnen vieles was gemeinhinGeistlt genannt wird ablaquo so hatte er in der raquoWeltlaquo vom 30 vember 1946 erklaumlrt raquoIch glaube daszlig die deutsche Hauptstadteher im Suumldwesten liegen soll als im weit oumlstlich gelegenen Ber-

Sobald aber Berlin wieder Hauptstadt wird wird das Miszlig-trauen im Ausland unausloumlschlich werden Wer Berlin zur neuenHauptstadt macht schafft geistig ein neues Preuszligenlaquo Schon fruuml-her hatte Adenauer Berlin eine raquoheidnische Stadtlaquo genanntPreuszligen als raquoAnfang Asienslaquo bezeichnet Die Schaffung der

Bundesrepublik mit dem linksrheinischen buumlrgerlich-konser-vativen und gutkatholischen Bonn als Hauptstadt und die Ent-muumlndigung der Westberliner in Bundestag und Bundesratwaren ganz nach seinem Herzen und sicherten die Herrschaftseiner Union denn die Hochburgen des katholischen Zen-trums hatten vor 1933 in Gebieten gelegen die nun zur BRDgehoumlrten die der Sozialdemokraten aber uumlberwiegend in dernunmehrigen DDR und in Ostberlin

Wenn Adenauer als Bundeskanzler dennoch bei jeder Gele-genheit von einer zu erhoffenden und zu erstrebenden raquoWie-dervereinigunglaquo sprach und auch raquodie Grenzen vonforderte so waren dies notwendige Zugestaumlndnisse an dieGefuumlhle der fast zwoumllf Millionen Fluumlchtlinge und Vertriebenendie sich in den ersten zehn Jahren in Westdeutschland fremdund benachteiligt fuumlhlten und damals noch auf eine baldigeRuumlckkehr in die fruumlhere Heimat hofften Aber seine tatsaumlchli-che Politik war keineswegs auf eine Wiedervereinigung ausge-richtet vielmehr auf die rasche und alle Bereiche umfassendeIntegration der BRD in das westliche Buumlndnis die er ja auchmit erstaunlichem Erfolg betrieb wogegen er jeden Vorschlagvon oumlstlicher Seite die Einheit Deutschlands wiederherzustel-len dafuumlr auf Aufruumlstung NATO-Mitgliedschaft und Stationie-rung von Atomwaffen zu verzichten als raquokommunistischesBlendwerklaquo energisch zuruumlckwies auch Viermaumlchtegarantienfuumlr ein neutralisiertes Gesamtdeutschland (nach dem MusterOumlsterreichs) als raquoFirlefanzlaquo abtat

Unter Adenauer wurde Anfang der fuumlnfziger Jahre die soge-nannte Hallstein-Doktrin entwickelt Sie beruhte auf demAnspruch der Bundesrepublik allein die Rechtsnachfolge desuntergegangenen Deutschen Reiches angetreten zu haben unddie Interessen aller Deutschen zu vertreten Die DDR war die-ser Doktrin zufolge raquonichtexistentlaquo also staatsrechtlich garnicht vorhanden

Dieser Unfug der auch keinerlei Kontakte auf Regierungs-ebene zwischen Bonn und Ostberlin zulieszlig zementierte dieTeilung Deutschlands und machte es dem stalinistischenRegime Walter Ulbrichts leicht ja uumlberhaupt erst moumlglich sichvoumlllig abzukapseln und einzumauern immer unter Hinweis

eumleth

auf die kompromiszliglos feindselige Haltung Bonns die wach-sende militaumlrische Bedrohung durch die Bundesrepublik unddie Notwendigkeit sich gegen die westdeutsche Propagandaund Agentenflut zu schuumltzen Erst durch Willy Brandt denersten sozialdemokratischen Kanzler wurde von 1969 an eineneue Ostpolitik gewagt und die Hallstein-Doktrin fallengelas-

Die neue von der CDUCSU heftig bekaumlmpfte OstpolitikWilly Brandts mit dem Ziel die friedensgefaumlhrdende Hochruuml-stung abzubauen und die innerdeutschen Beziehungen nichtzuletzt den Reiseverkehr allmaumlhlich zu normalisieren machtedem Kalten Krieg ein Ende und setzte auf raquoWandel durchAnnaumlherunglaquo

Diese Hoffnung erfuumlllte sich im Herbst 1989 Aber es warennun Helmut Kohl dessen Union und deren freidemokratischeKoalitionspartner die ernten konnten was Willy Brandt unddessen politische Freunde nach muumlhseliger Abtragung der inJahrzehnten des Kalten Krieges angehaumluften Hindernissegesaumlt hatten Kohl ohne eigenes Zutun ploumltzlich zum raquoKanzlerder deutschen Einheitlaquo aufgestiegen nutzte seine ChanceNachdem sich die DDR aus eigener Kraft vom Honecker-Regime befreit hatte versprach Kohl deren Buumlrgerinnen undBuumlrgern goldene Berge raquobluumlhende Landschaftenlaquo und gren-zenlose Konsumfreiheit und tatsaumlchlich gelang ihm so derkaum noch erhoffte Wahlsieg im Dezember 1990

Seither haben die Menschen im raquoBeitrittsgebietlaquo der neuenBundeslaumlnder erfahren was es heiszligt brutal und ruumlcksichtslosvereinnahmt und dem raquofreien Spiel der Kraumlftelaquo ausgeliefert zuwerden Sie konnten nicht ahnen daszlig es Helmut Kohl und sei-ner Regierungskoalition nur darum ging (und noch geht) auchoumlstlich der Elbe jene Umverteilung von unten nach ganz obendurchzufuumlhren die in Westdeutschland schon seit Jahren imGange war Dieser Prozeszlig der keinerlei Ruumlcksicht auf die so-zial Schwachen zulaumlszligt dient allein den Interessen der Super-reichen

Denn dafuumlr wurde Helmut Kohl von Konsul Dr Ries derihn von der Schulbank an gefoumlrdert und ihm spaumlter umfangrei-che Hilfe bei seinem politischen Aufstieg verschafft hatte im

Auftrag der Herren des Groszligen Geldes auserwaumlhlt Dafuumlrwurde Kohl an die Spitze der CDU gehievt und mit einem klu-gen Ratgeber versehen der ihn ins Kanzleramt begleiten undKohls Maumlngel zumal die an Intelligenz und Takt ausgleichensollte

Nachdem wie bereits geschildert Rainer Barzels CDU-Chefsessel fuumlr Helmut Kohl mit Hilfe von viel Flick-Geld raquofrei-gefaumlcheltlaquo worden war hatte Dr Ries 1972173 die delikate Auf-gabe den kuumlnftigen Ratgeber behutsam auf dieses Amt vorzu-bereiten seinen Schuumltzling Helmut Kohl auf die fuumlr ihn auser-sehene raquoNummer einzustimmen und beide unter seineFittiche zu nehmen

Zum besseren Verstaumlndnis vorausgeschickt Im Juli 1976 nur13 Monate vor der Entfuumlhrung und schlieszliglichen ErmordungDr Hanns Martin Schleyers durch RAF-Terroristen hatte derAutor dieses Schwarzbuchs ein laumlngeres Gespraumlch mit diesemraquoBoszlig der Bosselaquo der damals Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG Praumlsident der Bundesvereinigung der DeutschenArbeitgeberverbaumlnde (BDA) und Vertrauensmann der Flick-Gruppe war bald darauf auch noch Praumlsident des Bundesver-bands der Deutschen Industrie (BDI) wurde Die Unterhal-tung war auf Wunsch Dr Schleyers zustande gekommen

Bei dem gemeinsamen Mittagessen in einem MuumlnchenerHotel zeigte sich Dr Schleyer ungewoumlhnlich offen Soweit esseine und seiner Freunde politischen Plaumlne betraf erklaumlrte eres sei ein Irrtum zu glauben Franz Josef Strauszlig sei ihr Favoritfuumlr das Kanzleramt raquoEr hat groszlige Qualitaumltenlaquo meinte damalsSchleyer uumlber Strauszlig raquoaber er ist zu unkontrolliert und zuangreifbar laquo

Nun gab es wahrlich Gruumlnde genug den damaligen CSU-Chef fuumlr raquozu angreifbarlaquo zu halten Er stand wie das Landge-richt Muumlnchen ihm bescheinigt hatte raquoim Ruch der Korrup-tionlaquo und seine Laufbahn war seit den fruumlhen fuumlnfziger Jahrenals er Bundesverteidigungsminister Adenauers wurde eineKette von Skandalen und Affaumlren Aber Dr Schleyer hatte wiesich dann herausstellte mit der raquoAngreifbarkeitlaquo des FJS etwasanderes gemeint und dessen skandaloumlse Verquickung von poli-tischer Amtsfuumlhrung und privaten Geschaumlften unter die Rubrikraquozu unkontrolliertlaquo eingeordnet Das ergab sich aus einemZusatz der sinngemaumlszlig etwa besagte Ihm Schleyer sei es egal

Naumlheres daruumlber ist nachzulesen in Bernt Engelmann raquoGroszliges Bundesver-dienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

daszlig die Leute nun wuumlszligten daszlig er mal SS-Fuumlhrer gewesen seiaber er wolle ja nicht Bundeskanzler werden

Schleyers Bemerkung Strauszlig waumlre als Kanzler raquozu angreif-barlaquo hatte sich also auf dessen Nazi-Vergangenheit bezogenund zwar etwa in der Bedeutung Als Ministerpraumlsident in Bay-ern kann ein Mann wie Strauszlig noch durchgehen aber nicht alsBundeskanzler in Bonn

Zur weiteren Klarstellung Franz Josef Strauszlig leugnete zeit-lebens seine Nazi-Vergangenheit er hatte fuumlr alles ganz harm-lose Erklaumlrungen Gewiszlig er habe dem NSKK angehoumlrt aberdieses NS-Kraftfahrkorps sei unpolitisch gewesen er selbst nurMitglied wegen seiner Leidenschaft fuumlrs Motorradfahren alsStudent habe er einer raquoPflichtorganisationlaquo dem NS Deut-schen Studentenbund (NSDStB) als einfaches Mitglied ange-houmlrt schlieszliglich sei er gegen Kriegsende raquoOffizier fuumlr wehrgei-stige Fuumlhrunglaquo gewesen habe den Soldaten Geschichtsunter-richt erteilt aber als er dann NSFO NS-Fuumlhrungsoffizierhatte werden sollen da habe er abgelehnt und sich dem heimli-chen Widerstand angeschlossen

Tatsaumlchlich ist urkundlich erwiesen daszlig es mit alledem eineganz andere Bewandtnis gehabt hat und Dr Schleyer wuszligteaus eigener Erfahrung daszlig der NSDStB alles andere war alseine harmlose raquoPflichtorganisationlaquo naumlmlich die auf nur5 000 Mitglieder im ganzen Groszligdeutschen Reich strikt be-grenzte Kaderschule fuumlr den SD den gefuumlrchteten Sicher-heitsdienst der SS dem ja auch Dr Schleyer selbst angehoumlrthatte

Wenn aber Hanns Martin Schleyer und die ihm nahestehen-den Kreise damals 1976 von Franz Josef Strauszlig als Kanzler-kandidat nichts hielten wen mochten er und seine Freundedann im Auge haben

Der Autor stellte ihm diese Frage und uumlberraschenderweiseerwiderte Dr Schleyer ohne ZoumlgernraquoWir setzen auf das Tandem KohlBiedenkopflaquo

Professor Kurt Biedenkopf der 1973 zur allgemeinen Uumlber-raschung Generalsekretaumlr des CDU-Bundesvorstands gewor-den war galt als raquoVordenkerlaquo der Union Im uumlbrigen war er fuumlrdie bundesdeutsche Oumlffentlichkeit im Wahljahr 1976 noch ein

unbeschriebenes Blatt Wer sich uumlber den Professor der bislangkein Bundestagsmandat gehabt hatte naumlher informierenwollte fand im raquoWer ist werlaquo folgenden auf eigenen Angabendes Professors beruhenden Eintrag

am 28 Januar 1930 in (Vater Wilhelm -

mitglied der C Rudolf Poensgen-Stiftung Vorsitzender des

- Buchveroumlffentlichungen Aktuelle Grundsatzfragen des Kartell-

beschraumlnkungen und Wirtschaft 1958 Unternehmer und Gewerk-

Diese Angaben waren nicht sehr aufschluszligreich Zunaumlchst lie-szligen sie vermuten daszlig es sich bei Professor Biedenkopf umeinen stillen Gelehrten handelte der im In- und Ausland flei-szligig studiert hatte um dann eine steile Universitaumltskarriere ein-zuschlagen In rascher Folge war er Privatdozent Ordinariusund sogar Rektor der Bochumer Ruhruniversitaumlt gewordendaneben mit zahlreichen Buchveroumlffentlichungen hervorgetre-ten und in Stifterverbaumlnden aktiv gewesen Aber dann hatte ihnploumltzlich die Politik in Beschlag genommen und er war sozusa-gen aus dem Stand CDU-Generalsekretaumlr geworden

Noch ein weiterer Umstand gab dem Leser der Kurzbiogra-phie Raumltsel auf denn es fehlte darin selbst der kleinste Hinweisauf Herkunft Schulzeit Beruf des Vaters und dergleichenMan konnte vermuten daszlig da vielleicht ein schlichtes Proleta-rierkind aus Bescheidenheit oder falscher Scham seinenraschen Aufstieg ein wenig zu verschleiern trachtete

Indessen war Professor Dr Kurt H Biedenkopf beileibe keinsozialer Aufsteiger vielmehr der Sohn des Dipl Ing Wilhelm

Biedenkopf aus Chemnitz Jahrgang 1900 der bis zu seiner Pen-sionierung ordentliches Vorstandsmitglied einer Perle unterden zur Flick-Gruppe gehoumlrenden Unternehmen naumlmlich derraquoDynamit-Nobel AGlaquo in Troisdorf gewesen war zuvor techni-scher Direktor vielfacher Aufsichts- und Beirat waumlhrend desZweiten Weltkriegs auch ein vom raquoFuumlhrerlaquo besonders belo-bigter und belohnter raquoWehrwirtschaftsfuumlhrerlaquo Ganz zufaumllli-gerweise war Vater Wilhelm Biedenkopf zuletzt auch Mitglieddes Beirats jenes Unternehmens in Bergisch-Gladbach daswesentlich zu den Gewinnen des raquoPegulanlaquo-Konzerns beigetra-gen hatte und an dem Frau Marianne Strauszlig die Gattin desCSU-Chefs von Konsul Dr Ries hochherzigerweise mitzuletzt etwa 16 Prozent beteiligt worden war

Ein weiterer Zufall Sohn Kurt der spaumltere CDU-General-sekretaumlr war waumlhrend eines beruflich bedingten Aufenthaltsseines Vaters als die BASF dessen Dienste in Anspruchgenommen hatte anno 1930 in LudwigshafenRh zur Weltgekommen genau wie Helmut Kohl und mit diesem hatte erauch gemeinsam die Volksschule besucht

Dann aber hatten sich ihre Wege getrennt Der aus unbemit-telter Beamtenfamilie stammende Helmut Kohl muszligte sichwie wir bereits wissen recht muumlhsam nach oben hangeln unddabei spielte sein Foumlrderer Dr Ries eine wichtige Rolle KurtBiedenkopf hingegen hatte in den USA politische Wissenschaf-ten in Muumlnchen und Frankfurt Jura und Volkswirtschaft stu-diert zum Doktor der Rechte und zum Master of Law promo-viert sich mit einer Arbeit uumlber raquoDie Grenzen der Tarifautono-mielaquo habilitiert (und damit zugleich die Aufmerksamkeit derKonzernherren und des Arbeitgeberverbands erregt) und war1967 juumlngster Rektor der Bundesrepublik in Bochum gewordenIn den folgenden Jahren hatte er sich gesellschafts- und wirt-schaftspolitisch zu profilieren begonnen raquoIn seinem BekenntnisZU einer funktionsfaumlhigen Marktwirtschaft mit Wettbewerb und

schrieb damals raquoDer Spiegellaquo uumlber ihn raquolaumlszligt ersich von niemandem uumlberbietenlaquo

Weithin bekannt geworden war der Professor aber erst 1968als ihn Bundeskanzler Kiesinger mit der Leitung einer Kommis-sion beauftragte die fuumlr die Bundesregierung die Frage der

betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer untersuchensollte Diese raquoBiedenkopf-Kommissionlaquo wie sie dann genanntwurde rang sich zwar zu einer Wuumlrdigung der gut funktionie-renden paritaumltischen Mitbestimmung in der Montanindustriedurch entschied sich aber gegen die Ausdehnung diesesModells auf die gesamte Wirtschaft wie es GewerkschaftenSPD und CDU-Sozialausschuumlsse gefordert die Unternehmerjedoch als raquoruinoumls fuumlr die Wirtschaftlaquo abgelehnt hatten Iacute raquomiddotnot raquoreg

iquestfrac34raquoreg iquestlaquofrac12 frac14raquosup2 deg iquestregnotraquomiddotraquomiddotsup1 raquosup2 raquosup2 YacuteUumlEuml oacuteIacute plusmnbrvbar middotiquestacuteiquestlaquoshyshy frac12 $shyshy raquosup2 iquest shyfrac14raquoreg pararaquofrac14raquo Uumlraquosup3 plusmnmicroregiquestnotmiddotshy middotraquoreglaquosup2 sup1 frac14raquoreg Eacute middotregnotoacute

shyfrac12 iquestordmnot brvbar laquo frac34raquomicroltsup3 deg ordmraquosup2 shylaquofrac12cedil raquoograveu Umgekehrt fand nun einer dergroumlszligten bundesdeutschen Konzerne die Henkel-Gruppe daszligdieser so unternehmerfreundliche Professor genau der richtigeMann fuumlr sein Topmanagement sei Anfang 1971 konntedenkopf seine akademische Laufbahn vorerst beenden undGeschaumlftsfuumlhrer der Henkel GmbH werden Von diesem Kom-mandoposten des nicht nur im Waschmittelbereich fuumlhrendenChemie-Riesen dessen Eigentuumlmer als Groszligaktionaumlre desDEGUSSA-Konzerns und der NUKEM-Reaktorbau-Holdingbetraumlchtlichen Einfluszlig auf die Wirtschaft und die Politik derBundesrepublik ausuumlben lieszlig sich Professor Biedenkopf zwei-einhalb Jahre spaumlter weglocken und uumlbernahm den Posten desGeneralsekretaumlrs der in die Opposition verbannten CDU

Niemand vermutlich nicht einmal Kurt Biedenkopf selbstwird mit Bestimmtheit sagen koumlnnen wer oder was den Profes-sor dazu bewogen hat sich von der sicheren Kommandobruumlcke

Die NUKEM GmbH in Hanau gehoumlrt zu 35 Prozent der DEGUSSA derenGroszligaktionaumlr die Familie Henkel (raquoPersillaquo usw) ist Die NUKEM GmbH istihrerseits mit 40 Prozent des Kapitals an der ALKEM GmbH Hanau betei-ligt Der Geschaumlftsfuumlhrer dieser Brennelementefabrik Dr Alexanderkoff seit 1963 CDU-Bundestagsabgeordneter sowie vier weitere ALKEM-Manager wurden im Sommer 1986 von der Staatsanwaltschaft beschuldigtraquowesentliche technische Aumlnderungen im Produktionsablauf ohne atomrecht-liche Genehmigungsverfahren vorgenommen und damit die Sicherheit derAnlage verringert zu Warrikoff fanden sich dann andere Verwen-dungsmoumlglichkeiten Geschaumlftsfuumlhrendes Vorstandsmitglied des Wirtschafts-verbandes Kernbrennstoff-Kreislauf Vorsitzender des Verwaltungsrates derNVD -Nukleare Versicherungsdienst GmbH Bundesvorstandsmitglied desCDU-Wirtschaftsrates

des Henkel-Konzerns in die Wogen der Politik zu stuumlrzen Ver-buumlrgt ist jedoch daszlig Konsul Dr Fritz Ries dem Wunsch seinerGaumlste auf Schloszlig Pichlarn und inbesondere dem seines altenFreundes Hanns Martin Schleyer doch einen raquoIntelligenzbol-zenlaquo zu finden der bereit und imstande waumlre Helmut Kohlsdeutliche Maumlngel auszugleichen sowie beide auf ihre gemein-same Rolle raquoeinzustimmenlaquo mit Eifer und Geschick nachge-kommen ist

Vom Herbst 1972 an organisierte Dr Ries auf seiner steier-maumlrkischen Besitzung sogenannte raquoPichlarner TopmanagerGipfeltreffenlaquo die sich bald groszliger Beliebtheit erfreutenDenn die zur Ries-Besitzung gehoumlrende ProminentenherbergeraquoSchloszlighotel Pichlarnlaquo eignete sich vorzuumlglich dazu das Ange-nehme mit dem Nuumltzlichen zu verbinden

Nuumltzlich waren die Bekanntschaften die man dort machenkonnte denn zu den Pichlarner Gaumlsten gehoumlrten PolitikerIndustriekapitaumlne Bankiers Praumllaten und Militaumlrs nuumltzlichwaren auch die Vortraumlge die man dort houmlren konnte und dieanschlieszligenden Diskussionen und nuumltzlich war schlieszliglichauch die Moumlglichkeit die Pichlarn bot sich im Fitness-Zen-trum in der Schwimmhalle beim Golfspiel zu Pferde oder imJagdrevier vom Streszlig des Alltags zu erholen und die uumlberfluumlssi-gen Pfunde wegzutrimmen Angenehm waren die schoumlne Um-gebung die gepflegte Gastronomie und nicht zuletzt die rei-zende Betreuung teils durch attraktive Hostessen teils durchdie nicht minder liebenswuumlrdigen Toumlchter des Hauses

Kein Wunder also daszlig auch Professor Kurt Biedenkopf gernder Einladung folgte an solchen raquoPichlarner Topmanager-Gip-feltreffenlaquo teilzunehmen und da er wie man der steiermaumlrki-schen raquoSuumld-Ost-Tagespostlaquo damals entnehmen konnte dermit Abstand raquoprominenteste auslaumlndische Teilnehmer und Vor-tragendelaquo dieser Veranstaltungen war ist es leicht begreiflichdaszlig ihm die ganz besondere Fuumlrsorge des Schloszligherrn Dr Riesund seiner bei diesen Treffen stets anwesenden Tochter IngridKuhbier galt Beide lieszligen es sich nicht nehmen Professordenkopf nicht nur als bloszligen Dozenten prominenten Teilneh-mer der raquoGipfeltreffenlaquo und Hotelgast zu behandeln sondernvielmehr als einen engen Freund der Familie

In der Folgezeit - Kurt Biedenkopf war nun schon General-sekretaumlr der CDU geworden vertieften sich diese Beziehun-gen noch Man besuchte sich haumlufiger man telefonierte vielmiteinander und fuumlr die Zeit nach der Bundestagswahl 1976wurden in Pichlarn Frankenthal und Bonn gewisse Uumlberra-schungen erwartet die des ruumlhrigen Konsuls Ansehen und Ein-fluszligmoumlglichkeiten weiter vermehren wuumlrden

Es dauerte jedoch bis 1980 die Wahlen des Herbstes 1976brachten der von Helmut Kohl als Kanzlerkandidat von KurtBiedenkopf als CDU-Generalsekretaumlr gefuumlhrten Union nichtden erhofften Wahlsieg und sowohl Konsul Dr Ries als auchHanns Martin Schleyer weilten schon nicht mehr unter denLebenden bis die Beziehungen Biedenkopfs zur Ries-TochterIngrid nunmehr geschiedener Kuhbier auch standesamtlichbeurkundet wurden Professor Biedenkopf inzwischen eben-falls geschieden von seiner Ehefrau Sabine die ihm vier Kindergeboren hatte heiratete also die mit ihm schon so langebefreundete Ries-Tochter (und Mitgesellschafterin von FrauMarianne Strauszlig bei der raquoDyna-Plastiklaquo und anderen raquoPegu- lanlaquo-Konzerntoumlchtern) In damaligen Ausgaben des Prominen-ten-Lexikons raquoWer ist werlaquo verschwieg Kurt Biedenkopf aller-dings (und verschweigt noch immer) daszlig seine zweite Ehefrauebenfalls geschieden und eine Tochter des verstorbenen Kon-suls Dr Ries ist Dort lautete der auf eigenen Angaben beru-hende Eintrag verheiratet in 2 Ehe mit Ingrid geborenerKuhbierlaquo wo es doch richtig heiszligen muumlszligte raquo mit Ingridgeb Ries gesch Kuhbier raquoOb er sich nun seiner neuen fami-liaumlren Beziehungen zu dem toten Industriellen schaumlmte dereinen bedeutenden Teil seines Vermoumlgens der Ausbeutung vonZwangsarbeitern in und um Auschwitz und Lodz zu verdankenhatte oder ob es ihm fuumlr einen prominenten Christdemokratenunschicklich erschien allzu viele Scheidungen bekannt werdenzu lassen bleibt Kurt Biedenkopfs Geheimnis

Nach Auskunft des Testamentsvollstreckers des 1977 verstor-benen Konsuls Dr Fritz Ries sind heute weder Frau Ingrid Bie-denkopf geborene Ries oder deren Geschwisternoch die Erbender toumldlich verungluumlckten Frau Marianne Strauszlig am raquoPegulanlaquo- Konzern oder dessen Tochterfirmen beteiligt die raquoPegulan

AGlaquo gehoumlrt heute mehrheitlich der bundesdeutschen Holding-gesellschaft der British American Tobacco Co (BAT) BesagterTestamentsvollstrecker ist uumlbrigens der Muumlnchener Fachanwaltfuumlr Steuerrecht langjaumlhrige CSU-Bundestagsabgeordnete (seit1969 ohne eigenen Wahlkreis aber mit stets sicherem Listen-platz) und heutige GEMA-Chef Professor Dr Reinhold Kreile(zeitweilig Mitglied des CSU-Parteivorstands und -Praumlsidi-ums) der bis zum Verkauf des bundesdeutschen Flick-Imperi-ums auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Konzern-Holding-gesellschaft der raquoFriedrich Flick Industrieverwaltung Kom-manditgesellschaft auf Aktienlaquo in Duumlsseldorf war

Und damit schlieszligt sich nun der Kreis Denn es war der Per-sonalchef der Daimler-Benz AG (damaliger HauptaktionaumlrFlick) zugleich BDI- und BDA-Praumlsident Dr Hanns MartinSchleyer der seinen alten Freund und Bundesbruder KonsulDr Fritz Ries 1972 nach den vergeblichen Versuchen WillyBrandt durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzenin die Plaumlne einweihte wie der zweite Versuch einer raquoWendelaquogestartet werden sollte

Der gluumlcklose Barzel muszligte Kanzlerkandidatur und CDU-Parteivorsitz aufgeben bekam zum Trost viel Geld groumlszligten-teils von Flick dazu das Groszligkreuz des Verdienstordens derBundesrepublik (spaumlter auch noch einen Ministersessel undsogar das Amt des Bundestagspraumlsidenten bis die Flick-Zah-lungen ruchbar wurden und er zuruumlcktreten muszligte) statt Rai-ner Barzel sollte Helmut Kohl antreten aber nicht allein son-dern auf dem raquoTandemlaquo mit Biedenkopf Dabei war demraquoSchwarzen Riesenlaquo Kohl von dessen Planungs- und Lenkfauml-higkeiten auch die Herren des Groszligen Geldes nicht so rechtuumlberzeugt waren die Rolle des sich abstrampelnden und dabeiimmer froumlhlich laumlchelnden Lieferanten der Antriebskraft zuge-dacht hingegen dem unternehmerfreundlichen und konzern-verbundenen raquoIntelligenzbolzenlaquo Biedenkopf die Rolle desStrategen und Steuermanns

Das raquoTandemlaquo-Team verfehlte aber 1976 das Wahlziel undzerstritt sich auf der Oppositionsbank bei gegenseitigen Schuld-zuweisungen Als Helmut Kohl 1982 im dritten Anlauf und wie-derum durch ein-nun knapp gewonnenes -konstruktives Miszlig-

trauensvotum Helmut Schmidt (SPD) stuumlrzen und endlichim Kanzleramt abloumlsen konnte vollzog er was er vollmundigeine raquogeistig-moralische Wendelaquo nannte ohne Biedenkopfder von 1990 an als Gastprofessor in Leipzig die Studenten dieMarktwirtschaft (und das Fuumlrchten) lehrte und heute Minister-praumlsident von Sachsen ist

Die Erfinder und Bastler des raquoTandemslaquo Ries und Schleyerstarben 1977 Den Nachlaszlig des Kohl-Entdeckers MarianneStrauszlig-Partners und Biedenkopf-Schwiegervaters Ries (undauch den von Marianne Strauszlig die toumldlich verungluumlckte) aberregelte dann wieder der Ranghoumlchste im Flick-Aufsichtsratwas die Frage aufwirft ob es in deutschen Landen seit demErsten Weltkrieg uumlberhaupt irgend etwas in Politik und Wirt-schaft Bedeutsames gegeben hat oder gibt worauf das HausFlick nicht auf die eine oder andere Weise Einfluszlig genommenhat

Natuumlrlich sind sehr reiche Leute daran interessiert daszlig die poli-tischen Entscheidungen ihnen nicht schaden sondern nuumltzendaszlig sie ihre Macht erhalten und ihren Profit mehren beidesnicht einschraumlnken oder gar beseitigen Deshalb versuchen sieauf die politischen Entscheidungsprozesse Einfluszlig zu nehmenteils indirekt beispielsweise uumlber die von ihnen beherrschtenMedien teils direkt und mit dem ihnen vertrautesten Mittelmit viel Geld das sie den Parteien und Politikern spenden vondenen sie sich die beste Vertretung ihrer eigenen Interessenversprechen

Die Grenzen zwischen legitimer Interessenwahrung undmiszligbraumluchlicher oder gar gesetzwidriger Ausuumlbung wirtschaft-licher Macht sind flieszligend Die moralische Beurteilung dessenwas noch als statthaft gelten kann und was nicht wird in derRegel strenger ausfallen als die juristische Wertung die anGesetze gebunden ist und diese werden ja von Politikern for-muliert und beschlossen die nicht nur gewaumlhlte Volksvertretersind sondern auch haumlufig den Einfluumlssen der wirtschaftlichMaumlchtigen unterliegen

Dies vorausgeschickt wollen wir uns nun mit einem Super-reichen beschaumlftigen der sechs Jahrzehnte lang starken Ein-fluszlig auf die deutsche Politik genommen hat Er hat in der Poli-tik stets nur ein Mittel zur Erhaltung der gesellschaftlichenMachtverhaumlltnisse und zur Vergroumlszligerung des eigenen Profitsgesehen Noch heute uumlber seinen Tod hinaus beeinfluszligt dasGeld das er zu Lebzeiten in Politiker und Parteien investiertein erheblichem Maszlige die Bonner Szene und von dort aus dasgesamte politische Geschehen in Deutschland Der Name die-ses Superreichen Friedrich Flick ist zugleich zum Synonymfuumlr den Miszligbrauch wirtschaftlicher Macht geworden

Friedrich Flick kam 1883 in Ernsdorf bei Siegen als Holz-haumlndlersohn zur Welt Mit dem Zeugnis der mittleren Reifeund dem Kaufmannsdiplom begann er 1906 als Prokurist derBremer Huumltte in Geisweid seine Karriere 1913 gerade 30 Jahrealt wurde er Direktor der raquoEisenindustrie zu Menden undSchwertelaquo 1915 im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs wech-selte der zwar wehrpflichtige und kerngesunde Meterlange Direktor Flick der aber als raquounabkoumlmmlichlaquo vom Militaumlr-dienst befreit war in den Vorstand der Charlottenhuumltte zu Nie-derschelden und wurde 1917 deren Generaldirektor

Mit eigenen Ersparnissen und Bankkrediten verschaffte ersich bis 1918 die Mehrheit der Anteile an der Charlottenhuumlttedie am Krieg glaumlnzend verdient hatte Er nutzte diese Gewinnezu Modernisierungen zum Ankauf kleinerer Unternehmensowie zur Anlage riesiger Reserven an Schrott der im Kriegespottbillig zu haben war Auch sparte er Steuern indem er ins-gesamt 17 Millionen Mark Kriegsanleihe zeichnete Genauzwei Tage vor Waffenstillstand als jedem klar wurde daszligDeutschland den Krieg verloren hatte verkaufte Flick diegesamte von seiner Charlottenhuumltte gezeichnete Kriegsan-leihe die dann wertlos wurde zu noch guumlnstigem Kurs underwarb mit dem Erloumls Aktien oberschlesischer Zechen Erkonnte also mit dem Verlauf des Ersten Weltkriegs bei dem diemeisten schwerste Opfer hatten bringen muumlssen fuumlr sich per-soumlnlich sehr zufrieden sein

In den folgenden Jahren der totalen Geldentwertung setzteFlickjede Mark die er einnahm oder sichvon den Banken nochborgen konnte sofort in Sachwerte um tilgte dann seine Schul-den mit voumlllig wertlosem Bargeld ruumlckte aber die heiszligbegehr-ten staatlich subventionierten Erzeugnisse seiner Betriebe nurnoch gegen Devisen Rohstoffe oder Aktien heraus 1924 alsdie deutsche Inflation endete zaumlhlte er zu deren groszligenGewinnern Er war 41 Jahre alt und bereits ein Industriemagnatmit einigen hundert Millionen Mark neuer stabiler Waumlhrungund weitgestreutem Konzernbesitz

geriet die deutsche Stahlindustrie in eine Absatz-krise und muszligte sich in Notgemeinschaftenszligen Der wichtigste Zusammenschluszlig war die raquoVereinigte

Stahlwerke AGlaquo kurz raquoStahlvereinlaquo genannt zu dem sichThyssen Rheinstahl Phoenix und auch Flick zusammenfan-den Fuumlr die Einbringung aller raquoCharlottenhuumlttelaquo-Betriebebekam Flick 20 Prozent der Stahlvereins-Aktien und damitgehoumlrte ihm genau ein Fuumlnftel des neuen Konzerns der seiner-seits fast die Haumllfte der gesamten Stahlerzeugung und rund einDrittel der Kohlefoumlrderung des Deutschen Reiches be-herrschte

Noch erstaunlicher war was folgte Knapp vier Jahre spaumltermitten in der Weltwirtschaftskrise die fast 10 Millionen Deut-sche arbeitslos machte gehoumlrte Flick ploumltzlich die Mehrheitdes raquoStahlvereinlaquo-Kapitals ohne daszlig er auch nur eine Markzusaumltzlich investiert haumltte Er hatte sich dazu eines Tricksbedient der im Grunde ganz simpel war

Die Mehrheit der raquoStahlvereinlaquo-Aktien war im Besitz derraquoGelsenkirchener Bergwerks-AGlaquo (raquoGelsenberglaquo) gewesenWer raquoGelsenberglaquo beherrschte hatte damit auch den raquoStahlver-einlaquo in der Tasche Also verkaufte Flick heimlich seinen raquoStahl-vereinlaquo-Anteil und erwarb mit dem Erloumls raquoGelsenberglaquo-Aktien Das reichte vollauf sich die Kontrolle uumlber raquoGelsen-berglaquo und damit uumlber den ganzen raquoStahlvereinlaquo zu verschaffenund so hatte er ploumltzlich die beherrschende Stellung in derMontanindustrie und damit im gesamten Wirtschaftsleben deskrisengeschuumlttelten Reiches

Das war aber erst ein Zwischenziel seines Plans der groszligeCoup stand noch aus der ihn in den Jahren des Elends und derMassenarbeitslosigkeit zum reichsten Mann Deutschlandsmachen sollte Im November 1931 kam an den Boumlrsen dasGeruumlcht auf der Creacutedit Lyonnais die staumlrkste Bank Frank-reichs wolle sich die deutsche Not zunutze machen und miteinem Schlag die Kontrolle uumlber die Industrie des Ruhrgebietserobern-mit Hilfe der raquoGelsenberglaquo-Mehrheit raquoGelsenberglaquo-Aktien wurden an den Boumlrsen zu nur noch 20 Prozent desNennwerts notiert und die Franzosen sollten schon 100 Pro-zent geboten haben

Diese Geruumlchte an denen kein wahres Wort war alarmier-ten die Presse Alle buumlrgerlichen Blaumltter forderten ein soforti-ges Eingreifen der Reichsregierung die auch eilig zu einer Son-

dersitzung zusammentrat und beschloszlig den Ausverkauf desRuhrgebiets um jeden Preis zu verhindern

Zwar waren die Kassen leer Renten Beamtengehaumllter undUnterstuumltzungssaumltze waren schon drastisch gekuumlrzt wordenAber dennoch darin waren sich Regierung und Reichswehr-Generalitaumlt einig - die Ruhrindustrie durfte nicht den Fran-zosen ausgeliefert werden Also verhandelte Reichsfinanzmi-nister Dr Dietrich ein Liberaler mit Flick und am Endekaufte das arme Reich die raquoGelsenberglaquo-Mehrheit zum Vier-fachen des Kurses (aber immer noch unter dem Preis den dieFranzosen angeblich geboten hatten) Denn Flick wollte alsguter Patriot erscheinen Auszligerdem spendete er dem Finanz-minister Dietrich und dem Kanzler Bruumlning (Katholisches Zen-trum) zusammen rund eine Million Reichsmark fuumlr derenWahlfonds

Dazu ist etwas Grundsaumltzliches anzumerken das nochheute gilt Wenn ein Superreicher einem Politiker viel Geldraquofuumlr Wahlkampfzweckelaquo spendet dann ist es so auch dieAbsicht des Spenders dem Empfaumlnger uumlberlassen was erdamit macht Er kann alles seiner Partei zukommen lassen sichdamit beliebt machen Wahlplakate drucken und kleben lassenHandgelder an Wahlhelfer verteilen doch er kann auch dieSumme fuumlr sich behalten und sein Gewissen -falls vorhandendamit beruhigen daszlig sein des Spitzenkandidaten persoumln-liches Wohl letztlich auch dem Wahlkampf dient Es empfiehltsich dann von erhaltenen 900 000 Mark zunaumlchst 100 000 Markdem Partei-Schatzmeister zu geben mit der Erklaumlrung dies seieine Abschlagszahlung auf eine zu erwartende noch groumlszligereSumme Spaumlter wenn der Wahlkampf vorbei die Parteikasseleer ist kann er dem Schatzmeister noch etwas zukommen las-sen und diesem raten den genauen Gesamtbetrag zu verges-sen und sich nur zu merken daszlig es sich um eine sechsstelligeSumme gehandelt habe die der Parteiboszlig von einem edlenSpender raquobeschafftlaquo und an die Parteikasse abgefuumlhrt haumltteDas eroumlffnet dem Schatzmeister ebenfalls Moumlglichkeitenseine Zweifel und sein etwa vorhandenes Gewissen zu beruhi-gen Alles was der Spender derurspruumlnglichen Summe fuumlr seinGeld erwartet ist die Erfuumlllung seiner Wuumlnsche

Bei der raquoGelsenberglaquo-Transaktion von 1931 bekam Flick fastalles was erwollte das etwa Vierfache dessen was sein Aktien-paket wert war dazu zunaumlchst den Ruhm ungemein patrio-tisch gehandelt und auf den moumlglichen Mehrerloumls in Paris ver-zichtet zu haben Dieser Ruhm verflog jedoch als durchsik-kerte daszlig es ein franzoumlsisches Angebot gar nicht gegebenhatte raquoDie einzig moumlgliche Antwortlaquo schrieb damals ein fuumlh-render Wirtschaftsjournalist raquowaumlre gewesen daszlig die Reichsre-gierung den Schachtelkonzern Charlottenhuumltte-GelsenbergVereinigte Stahlwerke umgehend verstaatlicht haumltte Daruumlberhinaus haumltte der vorliegende Tatbestand Anlaszlig genug gebotenHerrn Flick als Schaumldiger der Interessen des Deutschen Rei-ches zu enteignen

(Dieser Artikel stammte uumlbrigens von dem konservativenProfessor Friedrich Zimmermann der schon damals das Pseu-donym raquoFerdinand Friedlaquo benutzte wie spaumlter als Leitartiklerder Springer-Presse Obwohl sich noch mancher Anlaszlig gebotenhaumltte forderte er nie wieder die Enteignung Flicks was mit des-sen Methoden der raquoPressepflegelaquo zusammenhaumlngen mochte)

Nachdem Friedrich Flick 1931 die Staatskasse um rund 100Millionen Mark aumlrmer gemacht hatte betaumltigte er sich als raquoWirt-

Die ihm verbliebene Unternehmensgruppewurde zum drittgroumlszligten Stahlerzeuger Deutschlands (nachdem raquoStahlvereinlaquo und Krupp) mit eigener Koks- und Kohlen-basis im Ruhrgebiet und knapp 100000 Beschaumlftigten Auchtrat Flick kaum waren die Nazis an der Macht dem exklusivenraquoFreundeskreis des Reichsfuumlhrers SSlaquo bei pflegte dort Bezie-hungen zu den neuen Machthabern besichtigte zusammenmit anderen Wirtschaftsbossen Ordensburgen und KZ-Lagerund uumlberwies alljaumlhrlich dem immer maumlchtiger werdendenraquoReichsfuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler sechsstellige Betraumlge fuumlrdessen private Hobbies Dies war sein bescheidener Dank fuumlrdie vielen Vorteile die die Nazis ihm und den anderen Bossenverschafften die Zerschlagung der Gewerkschaften und Arbei-terparteien von Streiks die Beseitigung der Tarifau-tonomie die Festsetzung niedriger Loumlhne die Einfuumlhrung desraquoFuumlhrerprinzipslaquo in der Industrie wo es nur noch Befehl undGehorsam gab die Steuererleichterungen und Subventionen

zur Foumlrderung der heimischen Wirtschaft und nicht zuletzt diestuumlrmische Nachfrage nach Stahl infolge der von den Nazisbetriebenen Aufruumlstung

Von 1938 an konnte sich Flick auch an der raquoArisierunglaquo juumldi-scher Unternehmen in Deutschland dann auch in Oumlsterreichund der Tschechoslowakei beteiligen ja wurde mit GoumlringsHilfe zum groumlszligten raquoArisierungslaquogewinnler des raquoDritten Rei-cheslaquo (Noch im Nuumlrnberger Kriegsverbrecherprozeszlig lobteGoumlring Herrn Flick sehr zu dessen Leidwesen als raquoabsolut ver-trauenswuumlrdiglaquo und raquosehr groszligzuumlgiglaquo)

Insgesamt spendete Flick den obersten Nazis rund Mil-lionen Mark Dafuumlr bekam er raquoArmisierungslaquomoumlglichkeitennoch und noch Arbeitssklaven fuumlr seine Huumltten und Zechen zuZigtausenden gebot uumlber das groumlszligte private Industrie-Impe-rium Mitteleuropas und wurde der Reichste im GroszligdeutschenReich raquoNiemandlaquo so lobte ihn damals das NS-WochenblattraquoDas Reichlaquo raquohat die Ernennung zum Wehrwirtschaftsfuumlhrermehr verdient als Friedrich Flicklaquo

Allerdings traf Flick schon von 1943 an Vorkehrungen fuumlrden Fall einer deutschen Niederlage Er kannte durch seinenkonzerneigenen Nachrichtendienst die Plaumlne der Alliierten fuumlreine Aufteilung Deutschlands und etwa 16 Monate vor Kriegs-ende begann sein Konzern mit der heimlichen raquoVerlagerunglaquoseiner wertvollsten Besitztuumlmer von Osten nach Westen vorallem in die kuumlnftige amerikanische Zone Waumlhrend der vonGoebbels proklamierte raquototale Krieglaquo noch andauerte und taumlg-lich mehr Opfer an Gut und Blut forderte packten Flick undseine engsten Mitarbeiter bereits ihre Koffer und setzten sichvon Berlin ab Familie Flick (und mit ihr der Sandkastenfreunddes juumlngsten Sohns Friedrich Karl Eberhard v Brauchitsch)zog auf das Hofgut Sauersberg bei Bad Toumllz das als Ausweich-quartier angekauft worden war und dort erwartete Flick dieAnkunft der Amerikaner

Am 13 Juni 1945 wurde der Konzernherr der weit oben aufder Kriegsverbrecherliste stand verhaftet Nach zweieinhalb-jaumlhriger Untersuchungshaft kam er vor das Nuumlrnberger Militaumlr-tribunal zusammen mit seinem Vetter und Vertrauten KonradKaletsch und dem Chef seines Nachrichtendienstes Otto

Steinbrinck Kaletsch wurde freigesprochen Steinbrinck zufuumlnf Flick zu sieben Jahren Gefaumlngnis verurteilt aber schonMitte 1950 waren beide wieder frei Flick hatte seinen 67Geburtstag schon hinter sich aber das Beste in seinem Indu-striellenleben sollte erst noch kommen

Schon im Gefaumlngnis hatte sich Flick mit Hilfe der Unterla-gen die ihm Vetter Kaletsch und sein Anwalt Dr WolfgangPohle (spaumlter Schatzmeister der CSU) allwoumlchentlich brachtenGedanken uumlber den Wiederaufbau seines Konzerns gemachtvon dem im Westen einiges uumlbriggeblieben war derhuumlttelaquo-Konzern in der Oberpfalz die ehedem raquoarisiertenlaquo Hochofenwerke Luumlbeck AG sowie Mehrheitsbeteiligungen ander Harpener Bergbau AG und der Essener Steinkohlenberg-werks AG Treuhaumlnder und Verwalter dieser Reste war uumlbrigensder Bankier Robert Pferdmenges ein enger Freund und Bera-ter Adenauers und Flicks langjaumlhriger Privatsekretaumlr RobertTillmanns saszlig seit 1949 als CDU-Bundestagsabgeordneter inBonn wenig spaumlter als Bundesminister fuumlr besondere Aufga-ben im Kabinett gluumlckliche Umstaumlnde fuumlr den gerade haftent-lassenen fast 70jaumlhrigen Kriegsverbrecher

Der hatte schon von der Gefaumlngniszelle aus den Verkauf sei-ner Ruhrkohlen-Interessen eingeleitet konnte sie sogleichguumlnstig abstoszligen und verfuumlgte im Herbst 1950 uumlber fast eineViertelmilliarde DM an fluumlssigen Mitteln mit denen er sich inzukunftstraumlchtige Industriezweige einkaufte vor allem in dieAutomobil- Maschinen- Papier- und Kunststoff-Industrie

Es wuumlrde Baumlnde fuumlllen wollte man alle Transaktionen schil-dern mit deren Hilfe Flick sein Nachkriegs-Imperium auf-baute Am Ende seines Lebens gehoumlrten ihm jedenfalls dieFeldmuumlhle AG die Maximilianshuumltte eine starke Mehrheit ander Buderus AG in Wetzlar zu deren Konzern auch die Muumln-chener Panzerschmiede Krauss-Maffei zaumlhlte die Dynamit-Nobel AG in Troisdorf sowie ein dickes Paket Daimler-Benz(raquoMercedeslaquo)-Aktien das Anfang der siebziger Jahre alleineinen Wert von mehr als zwei Milliarden DM darstellte

Schon 1958 nur acht Jahre nach Flicks Haftentlassung hatteBundeskanzler Adenauer ihm zum 75 Geburtstag und raquozumgroszligen und staunenswerten Lebenswerklaquo gratuliert

lich konnte man nur staunen was der durch fuumlnfjaumlhrige Kriegs-verbrecherhaft ungebrochene alte Herr in so kurzer Zeit wiederzusammengerafft und wie fest er sein Industriereich im Griffhatte Dagegen war es schlecht bestellt um die Erbfolge Mitseinen beiden Soumlhnen Otto-Ernst und Friedrich-Karl standsich der autokratische Uumlbervater miserabel Erst sollte Otto-Ernst (raquoOElaquo) alles uumlbernehmen Friedrich-Karl (raquoFKlaquo) vomVater raquodas Biirschchenlaquo genannt sollte mit ein paar hundertMillionen abgefunden werden Dann gab es Krach mit raquoOElaquo mehrfache Aumlnderungen des Testaments jahrelange Prozessein denen Vater und Sohn Groszligvater und Enkel Bruumlder undSchwaumlgerinnen vor den Gerichten stritten was Hunderte vonMillionen verschlang schlieszliglich einen Vergleich durch denraquoOElaquo hoch abgefunden endguumlltig ausschied seine beidenSoumlhne sollten sobald sie 28 Jahre alt waren ihre Beteiligungenam Konzern selbst vertreten (wurden aber spaumlter von ihremOnkel raquoFKlaquo abgefunden und ausgebootet) Uumlbrig blieb alskuumlnftiger Alleinherrscher raquodas Buumlrschchenlaquo raquoFKlaquo Er erbtebeim Tode des fast 90jaumlhrigen Vaters im Jahre 1972 das gesamteFlick-Imperium

Zweifel an der Befaumlhigung seines Juumlngsten hatte FriedrichFlick stets gehabt und deshalb Eberhard v Brauchitsch raquoFKslaquoJugendfreund diesem als Generalbevollmaumlchtigten an dieSeite gestellt Aber 1971 ein Jahr vor dem Tod des alten Flickwar es zum Krach zwischen den Freunden gekommen Brau-chitsch hatte ein Angebot von Axel Springer angenommen undwar dessen Generalbevollmaumlchtigter geworden Ein Jahr spauml-ter vom Totenbett des Vaters aus rief raquoFKlaquo wie er nungenannt wurde v Brauchitsch zuruumlck

raquoIn den fruumlhen siebziger Jahrenlaquo so raquoDer Spiegellaquo raquoarbeite-ten gtFKFlt und zunaumlchst bestens zusammen Nach demTod des Alten halfv B die Alleinherrschaft des Sohnes abzusi-chern Dann setzte das Duo zu seinem Herkules-Werk an Umdie Steuerbefreiung fuumlr die Daimler-Milliardenlaquo den Erloumlsdes Verkaufs eines Teils von Flicks Daimler-Benz-Aktienraquodurchzudruumlcken muszligte die traditionelle Spenden-Maschine-rie des Hauses Flick auf houmlchste Touren gebracht werden Geld spielte keine Rolle Die schwarze Kasse quoll uumlber von

jenen Millionen die v Brauchitsch uumlber die katholische SteylerMission dem Staat direkt abgeluchst hatte Doch fehlte es demKonzernchef und seinem Helfer auch nicht an herkoumlmmlichverdientem Geld Kein Wunder denn auch nach dem Ver-kauf der Mehrzahl seiner Daimler-Aktien an einen Oumllscheichwar raquoFKFlaquo noch mit zehn Prozent am Daimler-Konzern betei-ligt es gehoumlrte ihm ein Drittel des US-Konzerns Grace dieFeldmuumlhle AG samt riesigem Auslandsbesitz war 100prozentigin Flick-Eigentum und er hielt weiterhin eine starke Mehrheitam Buderus-Konzern An dessen Muumlnchener Tochter Krauss-Maffei blieb Flick auch nach Verkauf der Waffenschmiede anMBB und den Diehl-Konzern mit zehn Prozent beteiligt undschlieszliglich war auch die Dynamit-Nobel AG zu fast 100 Prozentin Flick-Eigentum

Was aber die laut raquoSpiegellaquo uumlberquellende schwarze Kasseund die beim Auffuumlllen hilfreiche Steyler Mission betraf sowaren die Steuerfahnder Anfang 1982 einem abenteuerlichenGegengeschaumlft auf die Spur gekommen Ein Unternehmendas die Finanzen der katholischen Steyler Mission verwaltetdie raquoSoverdia Gesellschaft fuumlr Gemeinwohl mbHlaquo hatte vomHaus Flick rund 10 Millionen DM an Spenden erhalten aufden ersten Blick ein frommes Werk wie man es von Flick garnicht erwartet haumltte Doch bei naumlherem Hinsehen fanden dieFahnder heraus daszlig Pater Josef Schroumlder der raquoSoverdialaquo-Geschaumlftsfuumlhrer 80 Prozent der erhaltenen Summe gleich wie-der an den Spender bar zuruumlckgezahlt hatte

Dazu damals raquoDer Spiegellaquo raquoFlick-Chefbuchhalter Diehlerinnert sich wurde ich erstmals von (dem da-maligen Flick-Generalbevollmaumlchtigten) Kaletsch angewiesenvon Herrn Pater Schroumlder Geld in Empfang zu nehmen Eshandelte sich um einen Betrag von 800000 DM Mir wardamals klar daszlig zwischen diesem Betrag und der vorher gege-benen Spende (von 1000 000 DM) ein unmittelbarer Zusam-menhang bestand Im folgenden Jahr ereignete sich der gleicheVorgang mit demselben Betrag Insgesamt zehn MillionenMark flossen innerhalb von zehn Jahren an die Soverdiaacht Millionen kamen wieder in Flicks schwarze Kasse zu-ruumlck laquo

Zehn Prozent der Spendensumme durfte die Steyler Mis-sion behalten weitere zehn Prozent gingen an den damaligenCDU-Bundestagsabgeordneten Walter Loumlhr der raquodie Sachelaquoausgetuumlftelt hatte raquoDen besten Schnittlaquo - so raquoDer Spiegellaquoraquoaber machte die Flick-Gruppe Sie strich nicht nur die gehei-men Ruumlckfluumlsse in Houmlhe von 80 Prozent der Spenden ein (undkonnte damit die schwarze Kasse fuumlllen) sondern konnte auchSpendenbescheinigungen uumlber 10 Millionen DM beim Finanz-amt vorlegen Die Steuerverguumlnstigung betrug damals bis zu 51Prozent der Spendensummelaquo im Falle Flick also nochmals einraquoVerdienstlaquo von mehr als fuumlnf Millionen DM

Dennoch war diese krumme Spenden-Angelegenheit nurein vergleichsweise unbedeutender Nebenaspekt des eigentli-chen Skandals des raquoMilliardendingslaquo Denn so die Staatsan-waumllte -mit Unterstuumltzung der zustaumlndigen Bundesminister Fri-derichs und Graf Lambsdorff gewiszlig aber unter Vorspiegelungfalscher Tatsachen erreichte die Flick-Gruppe zu Unrecht eineSteuerbefreiung in Houmlhe von 450 Millionen DM Um 800 Mil-lionen DM aus dem Verkauf von Daimler-Aktien steuerfrei ineine starke Beteiligung an dem US-Chemiekonzern Graceinvestieren zu koumlnnen gab sie dieses Geschaumlft die Verschie-bung der Riesensumme ins Ausland als volkswirtschaftlicheGroszligtat aus

Zum Segen fuumlr die deutsche Wirtschaft so behaupteten dieFlick-Bosse treuherzig verschaffe diese Geldanlage der BRDden ersehnten Zugang zu neuesten amerikanischen Technolo-gien raquoIn Wahrheitlaquo so Spiegellaquo raquopassierte gar nichtsGrate-Praumlsident Peter Grace kehrte von einer Deutschland-Reise mit der Erkenntnis zuruumlck daszlig mit den neuen Eigentuuml-mern zwar Spesen zu machen waumlren aber kein Technologie-transferlaquo

Der Bonner Staatsanwaltschaft die in den Flick-Chefetagenuumlber hundert Aktenordner beschlagnahmte wurde bald auchklar von wem viele der steuersparenden Ratschlaumlge stammtennaumlmlich von einem alten Freund des Hauses Flick Franz JosefStrauszlig Aus dessen Vernehmungsprotokoll konnte raquoDer Spie-gellaquo folgendes zitieren

raquoIch (Franz Josef Strauszlig) habe wie angegeben HerrnFlick vor etwa acht Jahren geraten in Nordamerika zu investie-ren Ich habe ihm geraten seine inlaumlndischen Betriebe zu ent-schulden und zu modernisieren Ich habe in diesem Zusam-menhang ihm einmal wahrscheinlich im Jahre 1978 einenBrief geschrieben in dem ich ihm geraten habe die Vorausset-zung des sect 6b (Einkommensteuergesetz) und sect 4 (Auslandsin-vestitionsgesetz) sehr genau zu nehmen Ich war damals derMeinung daszlig fuumlr die Erfuumlllung der Kriterien unter anderemein Kooperationsabkommen mit der Firma Grace die Pruumlfungder hiermit verbundenen steuerrechtlichen Frage erleichternwuumlrdelaquo

Auf den Vorhalt des Staatsanwalts raquo Herr Ministerpraumlsi-dent wir haben Sie nunmehr davon in Kenntnis gesetzt daszligsich aus den im Jahre 1974 beginnenden Aufzeichnungen desFlick-Konzerns aus dem Hefter gtCSUlt der sich im Gewahrsamder Staatsanwaltschaft befindet folgende Vermerke ergebengt214 (75)KavB wg FJS12 7 (76) Dr FKF wg FJS11 7 (78) Dr FKF wg FJS2410 (79) Dr FKF wg FJSKoumlnnen Sie dazu irgendeine Erklaumlrung abgebenlaquo

Antwort von Ministerpraumlsident Strauszligraquo1 Ich bin am Zustandekommen keiner dieser Unterlagenbeteiligt

2 Offensichtlich gibt es auch keine Quittungen die ichselbstverstaumlndlich bei eventuellen Auszahlungen wenngewuumlnscht ausgestellt haumltte zumal steuerlich relevante Vor-gaumlnge offensichtlich uumlberhaupt nicht zugrunde liegen

3 Der Beginn Ihrer Unterlagen ist deshalb verwirrend oderirrefuumlhrend womit ich keine Absicht unterstelle weil nebenunzaumlhligen Kleinspendern auch einige Groszligspender darunterdie Flick-Unternehmungen die CSU immer wieder unter-stuumltzt haben Ich darf nebenbei bemerken daszlig es sich hier

Gemeint sind offensichtlich mit raquoKalaquo Konrad Kaletsch mit raquovBlaquo Eberhard vBrauchitsch mit raquoDr FKFlaquo Dr Friedrich Karl Flick mit raquoFJSlaquo Franz JosefStrauszlig damals bayerischer Ministerpraumlsident und CSU-Parteivorsitzender

nicht um die Honorierung von Ratschlaumlgen handelt sondernum eine bestimmte politische Linie im In- und Ausland laquo

Diese Aussage des inzwischen verstorbenen Franz JosefStrauszlig der sich wenn er Gefahr witterte wie ein Tintenfischeinzunebeln pflegte laumlszligt-wenn man den Schwall von Phrasenund Schutzbehauptungen beiseite laumlszligt - zweierlei deutlicherkennen

Strauszlig konnte nicht bestreiten von Flick viel Geld bekom-men zu haben Aber er wollte das nicht als raquoHonorierung vonRatschlaumlgenlaquo verstanden wissen weil ihn dies in den Verdachtder Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten haumltte bringen koumln-nen Statt dessen sollte es sich um eine raquoUnterstuumltzunglaquo einerund zwar doch wohl seiner -raquopolitischen Linie im In- und Aus-landlaquo gehandelt haben wozu angemerkt sei daszlig die auslaumlndi-schen Politiker mit denen Strauszlig enge Beziehungen unter-hielt meist Ultrarechte Faschisten und Rassisten waren Pino-chet in Chile dessen Regime er lobte Suumldafrikas Apartheids-Fanatiker spanische Neofaschisten und sogar die Fuumlhrer dertuumlrkischen Grauen Woumllfe die fuumlr ihre Bluttaten beruumlchtigtwaren

Noch seltsamer als die Erklaumlrung die Strauszlig der Justiz fuumlrdas viele Flick-Geld gab das er erhalten hatte war die Aussagevon Dr Friedrich Karl Flick im Prozeszlig gegen die Ex-MinisterFriderichs und Graf Lambsdorff Als der Richter den ZeugenDr Flick nach Wesen und Zweck der Spenden an raquoFJSlaquo befragte erwiderte dieser von Spenden verstehe er nichts erkoumlnne da raquonur mutmaszligenlaquo

Und das tat er dann auch raquoSpendenlaquo so gab er zu Protokollraquodas war das berechtigte Anliegen von demokratischen Par-teien wiersquos auch beim Vater fruumlher oder beim Onkel Kaletschuumlblich gewesen sein mag um ein offenes Ohr zu findenlaquo

Aber so wollte der Richter wissen ob er nie daran gedachthabe sich damit Vorteile fuumlr den eigenen Betrieb zu verschaf-fen

Darauf Dr Flick raquoDiese Uumlberlegungen sind mir unbe-kanntlaquo

Alsdann sollte dieser offenbarvoumlllig selbstlose Spender demGericht erklaumlren wie denn so eine Spendenzahlung an einen

Spitzenpolitiker vor sich gegangen sei zum Beispiel wenn DrFlick dem Ministerpraumlsidenten Strauszlig 250 Tausendmark-scheine uumlberreicht habe

Ausnahmsweise konnte Dr Flick in diesem Fall mit einerklaren Antwort dienen raquoDa ist er (Strauszlig) beim erstenmal insNebenzimmer gegangen und hat nachgezaumlhlt Und dann ist erzuruumlckgekommen und hat sich bedanktlaquo

Beim zweitenmal so fuumlgte er noch stolz hinzu raquohat er dannnicht mehr nachgezaumlhltlaquo

Nun wollte der Richter auch noch wissen warum das HausFlick seine uumlppigen Spenden an Politiker stets in bar entrich-tete

Dr Flick raquoMeines Wissens hat sich das einfach so ergebenWenn man sich im suumlddeutschen Raum so begegnet ist hatman das Geld der Einfachheit halber gleich uumlbergebenlaquo

Kein Gedanke an die Moumlglichkeit einer Steuerhinterzie-hung auch nicht an die Eventualitaumlt daszlig vielleicht die Empfaumln-ger lieber Bargeld nahmen raquoumlaquo- so fragte der offenbar durch-aus mit dem praktischen Leben vertraute Richter raquonichtimmer Rechenschaft bei ihren Schatzmeistern ablegen zu muumls-senlaquo Flick wuszligte es nicht

Er erklaumlrte dem Gericht daszlig er eigentlich von gar nichtsgewuszligt habe schon uumlberhaupt nichts von den angedeutetenMoumlglichkeiten Kurz Multimilliardaumlr Dr Flick uumlberzog mitun-ter - so raquoDer Spiegellaquo raquoallzu erkennbar seine Rolle als Kon-zerndepplaquo Uumlbertroffen wurde er nur noch von einem seinerGroszligspenden-Empfaumlnger dessen Rolle vor Untersuchungsaus-schuumlssen Justiz und Presse man analog die eines raquoPolitdep-penlaquo nennen muumlszligte Bundeskanzler Dr Helmut Kohl

Bei seiner Vernehmung durch die Bonner Staatsanwalt-schaft am 5 Juli 1982 hatte Dr Kohl damals noch nicht Bundes-kanzler zugegeben vom Haus Flick gelegentlich groumlszligere Bar-geld-spenden erhalten zu haben Daszlig es insgesamt 565000DM gewesen waren die Flick-Chefbuchhalter Diehl zwischen1974 und 1980 exakt verbucht hatte war Kohl indessen wie ersagte raquovoumlllig unbekanntlaquo

Befragt was ihm denn raquovoumlllig unbekanntlaquo gewesen sei dieHoumlhe der Summe oder die Verbuchung durch Diehl erwiderte

Helmut Kohl pikiert er koumlnne raquouumlber Einzelheiten aus der Er-innerung keine Angaben machenlaquo

Indessen erinnerte er sich zwei Jahre spaumlter am 7 Novem-ber 1984 vor dem Flick-Untersuchungsausschuszlig des Bundesta-ges genau daran daszlig eine raquokleinerelaquo Flick-Spende lumpige30 000 DM raquobei uns nicht eingetroffenlaquo sei - eine Zahlung dieder akribische Flick-Chefbuchhalter Diehl mit Datum vom6 Dezember 1977 verbucht hatte

Fuumlr diese raquoNikolaus-Spendelaquo wie sie genannt wurde gab esjedoch ganz besonders viele und starke Indizien Am Nikolaus-Tag 1977 waren 60 000 DM von einem raquoinoffiziellenlaquo Konto desHauses Flick bei einer Duumlsseldorfer Filiale der DeutschenBank bar abgehoben worden Die Abbuchung bei der Bank undder Eintrag ins schwarze Kassenbuch bei Flick stimmten uumlber-ein und dazu paszligte auch der Vermerk des pingelig genauenChefbuchhalters vom 6 Dezember 1977 raquovB wg Kohl 30 000DM wg Graf Lambsdorff 30 000 DMlaquo macht zusammen60 000 DM Parallel dazu hatte v Brauchitsch am 6 Dezember1977 den Erhalt eines Barbetrags von 60 000 DM korrekt quit-tiert und auf der Ruumlckseite der Quittung war vermerkt raquo30 Ko30 GrLalaquo womit ja auch nur gemeint sein konnte das Geldginge je zur Haumllfte an Helmut Kohl und an Otto Graf Lambs-dorff

Uumlberdies trug der vorbildliche Flick-Chefbuchhalter ins Kas-senbuch fuumlr raquoInoffizielle Zahlungenlaquo am 6 Dezember 1977 einraquovB wg Kohl und Lambsdorff 60 000laquo und man darf wohlannehmen daszlig mit der Zahl keine roten Rosen weiszligen Maumluseoder gruumlnen Aumlpfel gemeint waren sondern bare DMark

Doch auch damit noch nicht genug Am Vorabend des Niko-laus-Tages 1977 am 5 Dezember hatte eine Brauchitsch-Sekre-taumlrin ihrem Chef folgende Notiz vorgelegt die sich bei denGerichtsakten befindet raquoFrau Weber Sekr Kohl fragt an obes Ihnen recht ist wenn sie morgen Dienstag gegen 16Uhr kurz bei Ihnen vorbeikommtlaquo und dazu hat Eberhard vBrauchitsch im Dezember 1985 vor dem Bonner Landgerichtausgesagt raquoSielaquo Frau Weber vom Sekretariat Kohl raquohatschon mal fuumlr Herrn Kohl Geld empfangen und dies wiedie Akten zeigen nicht gerade selten Mindestens vier Besuche

Frau Webers bei v Brauchitsch sind vermerkt die mit Zahlun-gen von je 50000 DM und einer von 30000 DM alle raquowgKohllaquo uumlbereinstimmten

Das fuumlr Helmut Kohl Aumlrgerliche ist daszlig es fuumlr die meistenFlick-Spenden raquowg Kohllaquo entsprechende Eingangsbuchungenbei der CDU-Schatzmeisterei gibt nicht jedoch fuumlr die raquoNiko-laus-Spendelaquo und auch nicht fuumlr weitere 25 000 DM die eben-falls fehlen Schlieszliglich fehlt inzwischen noch etwas naumlmlichHelmut Kohls Erinnerung an die Geldwaschanlagen vonRheinland-Pfalz die die von der Industrie kommenden sehrgroszligzuumlgigen Parteispenden am Finanzamt vorbei (und fuumlr dieSpender enorm steuersparend) in die richtigen Troumlge lenktenPater Josef von der Steyler Mission konnte ja nur einen Teil desenormen Bedarfs an raquogewaschenemlaquo Geld befriedigen mitdem die Herren des Groszligen Geldes allen voran das HausFlick die raquogeistig-moralische Wendelaquo in Bonn vorfinanzierten

Helmut Kohl seit 1966 Landesvorsitzender der CDU seit1969 auch Ministerpraumlsident in Rheinland-Pfalz und seit 1975Bundesvorsitzender der CDU die neben CSU und FDP vondem Spenden-Unwesen am meisten profitiert hatte erinnertesich als Kanzler an rein gar nichts mehr uumlberhaupt nicht an dieGeldwaschanlagen in Rheinland-Pfalz Kohl hatte als es umvergleichsweise Bagatellen ging die 30 000 DM der raquoNikolaus-Spendelaquo und die ebenfalls fehlenden 25 000 DM von Flick -alles vergessen Allenfalls fielen ihm wenn die Staatsanwaumlltenach der raquoStaatsbuumlrgerlichen Vereinigunglaquo (SV) in Koblenzfragten die lustigen Abende ein die er dort nachvortraumlgen mit-unter verbracht hatte Kohl hatte aber raquokeinerlei Erinnerunglaquodaran daszlig diese Koblenzer SV die wichtigste Geldsammel-und -Waschanlage nicht nur fuumlr Rheinland-Pfalz sondern fuumlrdie ganze Bundesrepublik gewesen war und daszlig man inKoblenz auch deshalb feucht-froumlhlich gefeiert hatte weil dankder raquobesonderen Foumlrderungswuumlrdigkeitlaquo die der raquogemeinnuumlt-zigenlaquo SV von der Landesregierung bescheinigt worden warseiner CDU etliche hundert Millionen DM heimlicher Spen-den der Industrie steuerbeguumlnstigt zugeflossen waren

Vielleicht hatte Helmut Kohl so vermutete sein damaligerSchnelldenker und Wahlkampf-Manager der von ihm inzwi-

schen gefeuerte Heiner Geiszligler etwas vorlaut -bei seinen Aus-sagen uumlber die raquoSVlaquo aber auch nur Erinnerungsluumlcken und gabirrige und unvollstaumlndige Antworten als Opfer eines raquoBlack-outlaquo Diese von dem klugen von Kohl ungnaumldig entlassenenGeneralsekretaumlr Heiner Geiszligler erwogene Moumlglichkeit daszligdem Kanzler mitunter wenn auch nur voruumlbergehend der Ver-stand abhanden komme sollten die Waumlhlerinnen und Waumlhlerbedenken denn ein Regierungschef mit gelegentlichen Aus-fallerscheinungen ist keine angenehme Vorstellung fuumlr dieMenschen in raquodiesem unserem Landelaquo

Indessen gibt es fuumlr Helmut Kohls Vergeszliglichkeit hinsicht-lich des Verbleibs der raquoNikolaus-Spendelaquo oder auch derMachenschaften der Koblenzer raquoSVlaquo noch eine andere Erklauml-rung als die von Geiszligler vermuteten Gedaumlchtnisluumlcken infolgeeines Blackouts Um Kohls Zoumlgern zu verstehen daruumlber dieWahrheit zu sagen muszlig man noch einmal zuruumlck zu denUrspruumlngen der steilen Karriere des Schwarzen Riesen nachLudwigshafen-Oggersheim und nach Frankenthal

Im Fruumlhjahr 1933 als sich die Hitler-Diktatur gerade etablierthatte und mit immer neuen Wellen des Terrors zu konsolidie-ren begann bereiteten sich drei Heidelberger Juristen geradeauf ihre unterschiedlichen Karrieren vor Dr Eberhard Taubertsah seiner Berufung ins neue Reichspropagandaministeriumentgegen wo er als juumlngster Ministerialrat zunaumlchst die raquoAktiv-propaganda gegen die Judenlaquo leiten sollte SS-Fuumlhrer DrHanns Martin Schleyer nahm die raquoGleichschaltunglaquo der Hei-delberger Universitaumlt vor und betrieb ihre Einstimmung auf dieam 10 Mai durchgefuumlhrte Buumlcherverbrennung sein Freund DrFritz Ries der an diesem Akt der Barbarei als junger Dokto-rand teilnahm schmiedete bereits Plaumlne wie er auf Kosten derJuden rasch reich werden und zunaumlchst zum Kondom-Koumlnigdes raquoDritten Reicheslaquo aufsteigen koumlnnte tatsaumlchlich lieszlig erschon ein Jahr spaumlter die Verpackungen der Erzeugnisse einesgerade raquouumlbernommenenlaquo Betriebs mit dem stolzen Aufdruckversehen

Im selben Fruumlhjahr 1933 am 13 Maumlrz kam im nahen Mann-heim ein Knabe zur Welt dessen spektakulaumlre Laufbahn sichmit den abenteuerlichen Karrieren der drei genannten Heidel-berger Juristen durchaus messen kann Auch kreuzten sichseine Wege wiederholt mit denen der Herren Doktoren RiesSchleyer und Taubert und fast unvermeidlicherweise auch mitdenen Helmut Kohls der drei Jahre zuvor 1930 im Mannheimgegenuumlberliegenden Ludwigshafen geboren war

Der junge Mannheimer des Jahrgangs 1933 hieszlig Hans-OttoScholl besuchte wie Kohl und auch Biedenkopf die Schulein Ludwigshafen studierte dann ebenfalls in HeidelbergRechtswissenschaft und begann auch kaum daszlig er sein Stu-dium beendet hatte Anfang der sechziger Jahre eine politischeKarriere in Rheinland-Pfalz Allerdings stellte Dr Hans-Otto

Scholl seine unbestreitbaren Talente nicht der CDU zur Verfu-gung sondern der in Rheinland-Pfalz seit 1951 mit der CDUzusammen die Regierung bildenden FDP daneben demBundesverband der pharmazeutischen Industrie dessenHauptgeschaumlftsfuumlhrer er wurde Daszlig sich die maumlchtige Pharma-Industrie der Bundesrepublik den jungen Rechtsanwalt undProvinzpolitiker Dr Scholl zum Cheflobbyisten erkor hing mitden besonderen Verhaumlltnissen in Rheinland-Pfalz zusammenwo Dr Scholl in kuumlrzester Zeit zum FDP-Fraktionsvorsitzen-den im Landtag und dann auch zum Landesvorsitzenden auf-steigen konnte und eng befreundet war mit dem CDU-Nach-wuchspolitiker Dr Kohl der 1963 ebenfalls Fraktions- und 1965auch Landesvorsitzender seiner Partei wurde So eng war dasVerhaumlltnis Dr Scholl zum Dr Kohl daszlig die beiden sogar Villaan Villa wohnten der eine in der Marbacher Straszlige9 derandere in Nummer 11 und die beiden Matadore der das Laumlnd-chen Rheinland-Pfalz regierenden Parteien machten sichgegenseitig auch mit ihren finanzstarken Goumlnnern und mitderen einfluszligreichen Freunden bekannt Durch Helmut Kohllernte Hans-Otto Scholl den Konsul Dr Fritz Ries im nahenFrankenthal kennen und in dessen Haus die Duzfreunde desHausherrn Dr Hanns Martin Schleyer und Franz Josef Strauszligsowie die graubraune Eminenz Dr Eberhard Taubert umge-kehrt wurde Helmut Kohl durch Dr Scholl mit allen groszligenund steinreichen Unternehmern der Pharma-Industrie be-kannt von denen im einzelnen noch die Rede sein wird

Es laumlszligt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen weraus diesem Freundes- und Bekanntenkreis den Einfall hatteim Schutze der mit gesicherter Mehrheit das Land Rheinland-Pfalz regierenden Parteien eine Geldwaschanlage zu etablie-ren aber vieles spricht dafuumlr daszlig es Dr Fritz Ries gewesen istund daszlig Kohl im Bunde mit Scholl die Idee in die Tat umsetze

Die Grundidee war einfach Die Industriellen wollten eineihnen genehme Politik und Gesetzgebung die dazu bereitenPolitiker wollten dafuumlr Geld Die Wirtschaftsbosse waren zwarwillens fuumlr volle Kassen zu sorgen nur sollte sie das moumlglichstwenig kosten sondern zu Lasten der Allgemeinheit gehenNun gab es ja bereits Gesetze die Spenden an Parteien steuer-

abzugsfaumlhig machten Aber es gab da Houmlchstgrenzen und diePolitiker wollten weit mehr als die Bestimmungen zulieszligenund auszligerdem war bei regelrechten Parteispenden die Anony-mitaumlt der Spender nicht zu wahren die begreiflicherweise gernunbekannt bleiben wollten Also brauchte man eine Einrich-tung die jede Menge Geld entgegennehmen dafuumlr voll steuer-abzugsfaumlhige Quittungen ausstellen und die empfangenenBetraumlge diskret an diejenigen weiterleiten konnte die sie letzt-lich bekommen sollten weil sie die Entscheidungen trafenoder herbeifuumlhrten die die Spender sich erhofften

Alle diesevoraussetzungen erfuumlllte die dann ins Leben geru-fene raquoStaatsbuumlrgerliche Vereinigunglaquo (SV) in Koblenz undnatuumlrlich bekam diese SV nicht nur sofort die staatliche Aner-kennung als raquogemeinnuumltzig und besonders foumlrderungswuumlrdiglaquosondern wurde auch so ausgestattet daszlig sie ihre Goumlnner undFoumlrderer aufs trefflichste bewirten konnte zumal nachdemeiner der Gruumlndervaumlter Helmut Kohl Ministerpraumlsident vonRheinland-Pfalz geworden war und sein Spezi Nachbar undKoalitionspartner Dr Scholl als Landesfuumlrst der zum Zuumlng-lein an der Waage gewordenen FDP fuumlr Dr Ries DrSchleyer und deren Freunde an Bedeutung enorm hinzuge-wonnen hatte

In Bonn war naumlmlich im Herbst 1969 erstmals seit Bestehender Bundesrepublik ein Sozialdemokrat im Kanzleramt InKoalition mit der FDP regierte nun Willy Brandt Konsul DrRies war von den besorgten Herren des Groszligen Geldes beauf-tragt worden die FDP-Politiker raquoumzustimmenlaquo und dieungeliebte neue Regierung bei naumlchster Gelegenheit zu stuumlr-zen

Fuumlr Dr Scholl gab es zudem eine spezielle Aufgabe ZumRegierungsprogramm der sozialliberalen Bonner Koalitiongehoumlrte im Rahmen der Gesundheitsreform auch eine gruumlndli-che Novellierung der Arzneimittelgesetzgebung und dies tan-gierte die wichtigsten Interessen (sprich die enormen Profite)der Pharma-Industrie deren Verbandshauptgeschaumlftsfuumlhrer er

Von der Pharma-Industrie wurden deshalb hohe Millionen-betraumlge bereitgestellt die Dr Scholl nachdem sie bei der raquoSVlaquo

in Koblenz raquogewaschenlaquo und steuerabzugsfaumlhig gemacht wor-den waren gezielt zu verteilen hatte Es ging darum diejeni-gen Politiker und auch Beamten zu raquofoumlrdernlaquo die Einfluszlig aufdie Arzneimittelgesetzgebung und die Gesundheitspolitik hat-ten

In der Bundesrepublik wurden zu Beginn der Aktivitaumltendes Dr Scholl jaumlhrlich etwa acht Milliarden DM fuumlr Arzneimit-tel ausgegeben Als seine Taumltigkeit Anfang der achtziger Jahreendete waren es jaumlhrlich rund 17 Milliarden DM also mehr alsdas Doppelte raquoFast die Haumllfte dieser gigantischen Steigerungdie alle Bundesbuumlrger belastet haumlttelaquo so raquoDer Spiegellaquo imJuni 1985 - raquosich einsparen lassenlaquo waumlren damals nicht dieKernpunkte der geplanten Reform der Arzneimittelgesetzge-bung raquovon der Pillen-Lobby herausgeschossenlaquo worden

Die vom damaligen Pharmaverbands-HauptgeschaumlftsfuumlhrerDr Scholl mit sehr viel Geld betriebene Beeinflussung desGesetzgebungsverfahrens hat sich fuumlr die Arzneimittelherstel-ler also glaumlnzend gelohnt Sie lohnte sich aber auch fuumlr DrScholls Freunde von der CDU

So hatte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep raquozugleichim Namen von Herrn Dr Kohl und Herrn Professor Bieden-kopflaquo runde 70 000 DM kassiert von Curt Engelhorn Chef

des Familienunternehmens raquoBoehringer Mannheim GmbHlaquo(damaliger Pharma-Umsatz Milliarden DM) und zwaruumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo Der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende Alfred Dregger hatte die Staatsanwaltschaft raquoeinigehunderttausend Mark abkassiertlaquo bei der raquoWella AGlaquo inDarmstadt und ebenfalls uumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo VomPharma-Werk E Merck in Darmstadt erhielt die CDU-Promi-nenz rund eine Million DM und waumlren die Spendenlistenzumal deren wichtigste Teile nicht durch besondere Umstaumlndedem Einblick der Oumlffentlichkeit entzogen worden lieszligen sichgewiszlig noch weitere zusammen mehr als 20 Millionen DMnachweisen die Dr Scholl an CDU- und FDP-Prominenzzumal an seine engsten Spezis groszligzuumlgig verteilt hat

Indessen war Dr Scholl mit dem Pharma-spendengeld mit-unter allzu groszligzuumlgig zumal sich selbst gegenuumlber Alsbandsvorstand dies bemerkte wurde Dr Scholl raquowegen zu

eigenmaumlchtigen Umgangs mit dem Verbandsvermoumlgenlaquo gefeu-ert und muszligte sich verpflichten dem Verband MillionenDM zuruumlckzuerstatten Erstaunlicherweise erhielt Dr Schollaber dennoch nach seiner Entlassung eine monatliche Pensionvom Pharma-Verband in Houmlhe von 5700 DM -raquoSchweigegeldlaquofragte raquoDer Spiegellaquo damals und solche Vermutung erscheintnicht ganz abwegig zumal im Lichte spaumlterer Erkenntnisse

Noch erstaunlicher war es daszlig der gefeuerte Verbandsge-schaumlftsfuumlhrer der 1981 auch als FDP-Landesvorsitzenderzuruumlcktreten muszligte wenig spaumlter im Mainzer Landtag von denFreidemokraten wieder zum Fraktionsvorsitzenden gewaumlhltwurde Aber bei den Neuwahlen vom Maumlrz 1983 kam die FDPmit nur noch Prozent nicht mehr in denMainzer Landtag Dr Scholl war damit auch als Politikerarbeitslos brauchte aber nicht zu darben Als ehemaliger Abge-ordneter bezog er ein Uumlbergangsgeld von monatlich 5 400 DMmit seiner Pension vom Pharmaverband also zusammen 11100DM im Monat

Indessen sah er sich selbst und dann sahen ihn auch seinepolitischen Freunde -als dringend unterstuumltzungsbeduumlrftig anCDU-Ministerpraumlsident Bernhard Vogel damals noch nicht inThuumlringen sondern in Rheinland-Pfalz Kohl-Nachfolger undebenfalls Empfaumlnger betraumlchtlicher Pharma-Spenden aus derHand des Dr Scholl besorgte dem nun arbeitslosen Freunddeshalb einen mit 5000 DM monatlich honorierten Berater-vertrag bei der raquoDeutschen Anlagen-Leasinglaquo (DAL) in Mainzan der die rheinpfalzische Landesbank erheblich beteiligt istAber auch mit den auf 16 100 DM monatlich gestiegenengen war Dr Scholl noch nicht zufrieden Er wandte sich hilfesu-chend an seinen langjaumlhrigen Freund und Nachbarn HelmutKohl seit 1982 Bundeskanzler in Bonn

Klugerweise so stellt es jedenfalls ein mit der Angelegen-heit bestens vertrauter Bonner Beamter dar-waumlhlte Dr Scholleinen privaten Weg dem Kanzler seine Not zu schildern Uumlberjene Frau Juliane Weber die wir schon fluumlchtig kennengelernthaben aus den Notizen des Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard vBrauchitsch und zwar als Abholerin der offenbar verlorenge-gangenen raquoNikolaus-Spendelaquo von 30 000 DM Kohllaquo lieszlig

er Helmut Kohl wissen daszlig nun er es sei der finanzielle Unter-stuumltzung benoumltige

Ob nun Frau Weber ein gutes Wort fuumlr den Freund aus Main-zer Tagen eingelegt hat oder ob Kohl aus eigenem Antrieb taumltigwurde Jedenfalls setzte sich der Bundeskanzler sofort und ineiner Weise fuumlr Dr Scholl ein daszlig bei dem Kohl nahestehen-den und treuergebenen Beamten die Befuumlrchtung aufkam derKanzler koumlnnte erpreszligbar sein Denn dieser verschaffte demlaumlngst nicht mehr in bestem Ruf stehenden Duzfreund den er1982 noch mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausge-zeichnet hatte unverzuumlglich einen Beratervertrag bei der Deut-schen Lufthansa (an der der Bund mit mehr als 50 Prozent be-teiligt ist) Dadurch erhoumlhten sich Dr Scholls feste Bezuumlge umweitere 10 000 DM Monatsgehalt sowie 5000 DM monatlicheraquoAufwandsentschaumldigunglaquo auf nunmehr insgesamt 31100 DM

Die Befuumlrchtungen des um Kohl besorgten Beamten warenjedoch sicherlich unbegruumlndet Kohl hat sich wohl lediglichdem Spezi Dr Scholl der ihm und Seinerpartei jahrelang finan-ziell so uumlberaus behilflich gewesen warpflichtet gefuumlhlt Auch konnte Helmut Kohlja nicht ahnen daszligihn der Freund herb enttaumluschen wuumlrde

Gut ein Jahr nachdem Dr Scholls Bezuumlge dank des KanzlersFuumlrsorge auf uumlber 31000 DM monatlich erhoumlht worden warenereignete sich ein auf den ersten Blick ganz gewoumlhnlicher Raub-uumlberfall Am 28 Dezember 1984 drang ein bewaffneter Mannin ein Baden-Badener Juweliergeschaumlft ein und entkam nach-dem er die Anwesenden bedroht und den Inhaber niederge-schlagen hatte mit einer Beute im Verkaufswert von Millio-nen DM Bei der Fahndung nach den geraubten Juwelen fanddie Polizei in einem Bankschlieszligfach in Zuumlrich nicht nur einenTeil des fehlenden Schmucks sondern auch eine MengePapiere die Einblick gaben in die Spendenpraxis der bundes-deutschen Pharma-Industrie Damit war klar daszlig der bereitsgefaszligte Verdaumlchtige tatsaumlchlich der Raumluber von Baden-Badenwar Rechtsanwalt Dr Scholl der zwei Jahrzehnte lang fuumlh-rende F D P-Politiker von Rheinland-Pfalz und ehemaligeHauptgeschaumlftsfuumlhrer des Pharma-Verbands ein Intimus desamtierenden Bundeskanzlers

Lassen wir diese fuumlr Helmut Kohl schockierende Angelegen-heit damit ihr Bewenden haben Dr Scholls Motive hatten mitPolitik nichts zu tun und er hat seine Freiheitsstrafe laumlngst ver-buumlszligt

Allerdings haumltte sich Helmut Kohl schon fruumlher daruumlber imklaren sein muumlssen daszlig groszligzuumlgige lsquoGeldspender nicht voumllligselbstlos handeln Lange vor dem ersten Haumlndedruck mit demdamaligen Pharma-Lobby-Haumluptling Dr Scholl haumltte Kohl wis-sen muumlssen Wenn steinreiche Industrielle dicke Geldbuumlndelverteilen oder durch ihre Beauftragten verteilen lassen so istdies im allgemeinen kein Ausdruck uneigennuumltziger Naumlchsten-liebe Vielmehr erwarten die Spender in aller Regel Gegendien-ste die ihnen ein Vielfaches dessen einbringen was sie gespen-det haben und dabei verlangen sie mituntervon den Beschenk-ten sogar Ungesetzliches ja schlimmer noch Sie fordern eineAumlnderung der Gesetze und Vorschriften zu ihren Gunsten undzum groszligen Schaden fuumlr die Allgemeinheit oder vereiteln -wiees der Pharma-Industrie mit Hilfe der von Dr Scholl verteiltenMillionen gelang ein dringend gebotenes Reformwerk

Helmut Kohls Verhalten gegenuumlber Spendenverteilern obsie Dr Scholl oder v Brauchitsch Flick Henkel oder Oetkerheiszligen setzt ihn dem Verdacht aus daszlig er den von ihm ge-schworenen Eid raquoSchaden abzuwenden und den Nutzen zumehrenlaquo nicht auf das deutsche Volk bezieht wie es die Eides-formel fordert sondern nur auf einen winzigen Teil dieses Vol-kes naumlmlich auf die spendablen Herren des Groszligen Geldessowie auf sich selbst und einige wenige Personen die ihmnahestehen

Das Ganze wird noch erheblich verschlimmert durch einBenehmen Helmut Kohls im privaten Umgang mit den Reprauml-sentanten des Groszligen Geldes das seinen Waumlhlerinnen undWaumlhlern wenn sie davon erfahren die Schamroumlte ins Gesichttreiben muumlszligte Nehmen wir als Beispiel einen scheinbar neben-saumlchlichen im Untersuchungsausschuszlig des Bundestages zurFlick-Spendenaffaumlre aktenkundig gewordenen Vorgang

Da rief Kanzler Kohl eines Tages bei Eberhard v Brauchitschan dem Flick-Generalbevollmaumlchtigten der seinem Konzernetliche Hundert Millionen Mark faumllliger Steuern sparen will

und dafuumlr mit Bargeldbuumlndeln den stets beduumlrftigen Politikerngefaumlllig ist Zweck des Anrufs ist die Mitteilung des Bundes-kanzlers raquoDu houmlr mal Eberhard ich komme morgen abendbei euch vorbei Ich wuumlrde gern mal wieder anstaumlndig Kaviare s s e n

Natuumlrlich ging v Brauchitsch sofort auf diesen Wunsch sei-nes Duzfreundes ein der sich bei nur knapp 40000 DMMonatsgehalt sein -neben Saumagen -liebstes Essen offenbarnicht leisten konnte oder wollte Aber damit nicht genug Einpaar Tage spaumlter wieder ein Anruf bei v Brauchitsch diesmalvon Frau Hannelore Kohl aus Oggersheim raquoDu weiszligt dochEberhard wie gern ich Kaviar esse aber den gibtrsquos bei euch janur wenn ich nicht dabei bin

was macht man dann als guterzogener Mensch Als ichdas naumlchste Mal mit Herrn Kohl zusammen warlaquo so berichteteHerr v Brauchitsch habe ich ihm eine Dose Kaviar mitge-geben Den moumlchte er doch bitte mit Frau Gemahlin essen

Auch damit noch nicht genug denn die Schilderung desFlick-Repraumlsentanten geht weiter

raquoNach einer gewissen Zeit gibt es wieder ein Telefonat zwi-schen Frau Kohl und mirlaquo Bei dieser Gelegenheit fragte vchitsch raquoDu haumlttest eigentlich was sagen koumlnnen -wie war dennder Kaviarlaquo Darauf Hannelore Kohl raquoKaviar Ich habe keinengekriegt Du kennst doch den Helmut Der hat ihn mit in seineWohnung in Bonn genommen und ihn selber aufgegessen laquo

Woraufhin der wohlerzogene v Brauchitsch das Haus Flickabermals in Unkosten stuumlrzte das halbe Kilo Kaviar kosteteseinerzeit 560 DM und seinen Fahrer beauftragte der Kanz-lergattin rasch eine Dose vom Feinsten nach Ludwigshafen-Oggersheim zu bringen Mit einen dreizeiligen Begleit-brief die russische Marmelade wirklich in DeineHaumlnde kommt anbei direkt herzliche Gruumlszligelt laquo

Uumlbrigens der Untersuchungsausschuszlig und damit auch diePresse und die Oumlffentlichkeit haumltten von alledem wohl nieetwas erfahren waumlre im Privatsekretariat des Flick-Beauftrag-ten eine kurze Danksagung fuumlr die erwiesene Aufmerksamkeiteingegangen Da diese ausblieb wurden die sonst laumlngst ver-nichteten Kopien und Belege saumluberlich abgeheftet und die

Staatsanwaumllte die den Vorgang fuumlr strafrechtlich relevant hiel-ten beschlagnahmten die Akte

Der Vorfall der ein Schlaglicht auf den miserablen Stil wirftder im Hause Kohl die Arroganz der Macht begleitet ist indes-sen nur ein typisches Beispiel fuumlr die Dreistigkeit mit der sichdieser Politiker und die Seinen uumlber alle Normen gesittetenZusammenlebens hinwegsetzen von der staumlndigen Miszligach-tung der Gesetze und Vorschriften durch den amtierendenKanzler ganz zu schweigen

Zum besseren Verstaumlndnis sei hier noch aus der Fuumllle derSkandale die fuumlr die bisherige Amtszeit des Kanzlers Kohlkennzeichnend waren einer herausgegriffen der ganz zu An-fang stand

Am 11 Januar 1983 also nur wenige Wochen nach GenschersBetrug am Waumlhler und dem konstruktiven Miszligtrauensvotumdurch das Helmut Schmidt (SPD) gestuumlrzt und Helmut Kohl(CDU) Bundeskanzler wurde drangen Beamte der Bundesan-waltschaft und des Bundeskriminalamts in die Redaktions-raumlume der Hamburger Monatszeitschrift raquokonkretlaquo ein Siedurchsuchten alle Buumlros und dann auch die Privatwohnungendes damaligen Chefredakteurs Manfred Bissinger und desraquokonkretlaquo-Autors Juumlrgen Saupe angeblich wegen des dringen-den Verdachts der raquoPreisgabe von Staatsgeheimnissenlaquo Siewiesen eine besondere Ermaumlchtigung des Bundeskanzleramtsvor unterschrieben von Kohls Schulfreund engem Vertrautenund damaligen Staatssekretaumlr fuumlr die Geheimdienste Walde-mar Schreckenberger

Dies lieszlig darauf schlieszligen daszlig Kohl selbst oder seine naumlch-ste Umgebung die spektakulaumlre Aktion veranlaszligt hatte dennuumlblicherweise ist es der Generalbundesanwalt der seine Be-houmlrde und die Beamten des BKA taumltig werden laumlszligt Tatsaumlchlichwurden aber die Durchsuchungen bei raquokonkretlaquo von der Bun-desanwaltschaft eilig zur raquoRoutineangelegenheitlaquo herunterge-spielt und der Presse gegenuumlber begruumlndet mit einer mehr alsein Jahr zuruumlckliegenden raquokonkretlaquo-Veroumlffentlichung uumlber denfruumlheren BND-Spitzenfunktionaumlr Hans Langemann eine zwie-lichtige Gestalt die unter Franz Josef Strauszlig zum Chef derbayerischen Staatsschutzdienste avanciert und spaumlter gefeuert

worden war teils wegen Unfaumlhigkeit und Geschwaumltzigkeitteils wegen des Sicherheitsrisikos das sein Privatleben bot

Indessen lag der Verdacht sehr nahe daszlig es sich in Wahrheitnicht um diese weit zuruumlckliegende Veroumlffentlichung handeltesondern um einen erst gerade erschienenen raquokonkretlaquo-Artikelund einen damit zusammenhaumlngenden privaten Racheakt Hel-mut Kohls In der Ausgabe vom Januar 1983 hatte Chefredak-teur Manfred Bissinger den Kanzler in einem Artikel scharfangegriffen und es hieszlig darin raquoWie ein Mann seine Familiebehandelt und uumlber die Familie spricht kann im Gegensatznicht krasser sein als bei Helmut Kohl Seine Worte sind schein-heilig und verlogen wenn man weiszlig wie er lebt

Gemeint war das Privatleben des Kanzlers im Bereich Eheund Familie den Lieblingsthemen des salbadernden Volksred-ners Kohl raquoIch spreche so leidenschaftlich zu diesem Themalaquohatte er gerade erst getoumlnt raquoweil fuumlr mich ganz ist daszlig dieimmer wieder notwendige geistig-moralische Erneuerungunseres Landes eben nur dann kommen kann wenn die Jun-gen ihr Beispiel zu Hause erfahren und eingeuumlbt werden indie Tugenden unseres Landes am Beispiel der eigenen Elternin der Waumlrme und Geborgenheit der eigenen Familielaquo Dochals Helmut Kohl von Mainz nach Bonn umgezogen war hatteer seine Frau Hannelore und seine beiden Soumlhne im Oggershei-mer Bungalow zuruumlckgelassen Seine Sekretaumlrin Juliane Weberaber war mit ihm umgezogen nicht nur ins Bonner Buumlro son-dern auch in sein neues Haus in Bonn-Pech Am 14 Oktober1982 zwei Wochen nach Kohls Einzug ins Bundeskanzleramthatte raquoBILDlaquo aus der raquogeheimnisvollen Welt der neuen Nr 1laquoder Kanzlergattin Hannelore Kohl gemeldet Sie raquokam nachBonn selten uumlbernachtet hat sie dort so gut wie nielaquo

raquoIn Bonn ist es ein offenes Geheimnislaquo hatte Bissinger inraquokonkretlaquo uumlber das Verhaumlltnis Kohls mit seiner Sekretaumlringeschrieben raquoDie Journalisten kennen nicht nur Juliane Weber(die uumlbrigens auch verheiratet ist)laquo sie wissen auch wie Kohlzu ihr steht raquoDie Wahrheit schreiben will keiner Das houmlch-ste der Gefuumlhle ist mal ein Scherz fuumlr Insider Der gtSpiegelltuumlber Juliane Weber schlaumlgt ihm auch die Eier auf weil der

Kanzler sie so heiszlig nicht anfassen maglt Normalerweise wuumlrdeman daruumlber zur Tagesordnung uumlbergehen

Soweit die wesentlichen Stellen aus dem fuumlr Helmut Kohlund seine Gefaumlhrtin so aumlrgerlichen raquokonkretlaquo-Artikel dergewiszlig nicht geschrieben - und bestimmt nicht hier zitiert - wor-den waumlre haumltte Kohl nicht selbst dafuumlr gesorgt daszlig man uumlberseine Intimsphaumlre eben nicht taktvoll schweigen kann

Der Kanzler selbst hat aus seiner privaten eine oumlffentlicheAngelegenheit gemacht denn zum erstenmal seit Bestehender Bundesrepublik ja wenn man die Hitler-Diktatur aus-nimmt in der ganzen neueren deutschen Geschichte hat einKanzler die Finanzierung seines Verhaumlltnisses nicht ausner Tasche vorgenommen sondern sie dreist dem Steuerzahleraufgebuumlrdet Damit nicht genug Helmut Kohl hat seiner Juli-ane Weber die fuumlr ihn wie wir bereits wissen auch oumlfters dasvon der Industrie gespendete Bargeld kassieren darf auch einePfruumlnde verschafft die ihr nicht zusteht Gegen das Beamten-recht und gegen die Einwaumlnde des Personalrats der darauf hin-wies daszlig Frau Weber sogar die in den Richtlinien vorgeschrie-bene Oberschul- und Universitaumltsbildung fehle ganz zuschweigen vom Staatsexamen wurde die Kanzler-Gefaumlhrtinmit den Bezuumlgen eines Regierungsdirektors als persoumlnlicheReferentin eingestellt weil Kohl das raquoeinzigartigelaquo VertrauenVerhaumlltnis geltend machte das zwischen ihm und JulianeWeber bestehe und sich damit durchsetzte

Erst diese von Kohl eingefuumlhrte raquoMaumltressenwirtschaftlaquo (wieBeamte des Kanzleramts seinen Regierungsstil nennen der esFrau Weber gestattet mit der einleitenden keinen Wider-spruch duldenden Formel raquoDer Kanzler wuumlnscht ihre eige-nen Forderungen durchzusetzen) hat dazu veran-laszligt die Oumlffentlichkeit daruumlber zu informieren

Kohl selbst informierte die Oumlffentlichkeit auf seine WeiseIn derselben Woche in der das Kanzleramt die Haussuchungenbei raquokonkretlaquo vornehmen lieszlig verkuumlndete er vollmundiggilt fuumlr uns der Satz Eine gesunde Familie ist die Vorausset-zung eines gesunden Staates und Staatspolitik muszlig sich taumlg-lich an diesen Satz erinnernlaquo

Ein paar Tage spaumlter bemuumlhten sich Kanzlergehilfen dieBonner Journalisten davon zu uumlberzeugen daszlig die Aktion ge-

raquokonkretlaquo nichts zu tun gehabt haumltte mit der dort veroumlffent-lichten Geschichte uumlber die zur Regierungdirektorin ernannteKanzler-Gefaumlhrtin Denn diese Veroumlffentlichung haumltte ja Kohlund Frau Weber noch gar nicht zur Kenntnis gelangt sein koumln-nen weil sie im Januar-Heft stand der Durchsuchungsbefehlaber sei bereits am 29 Dezember 1982 unterzeichnet wordenDie Wahrheit hingegen ist daszlig raquokonkretlaquo wegen der Feiertageseine Januar-Ausgabe bereits am 21 Dezember ausgelieferthatle So war also Zeit genug gewesen etwaige Rachegeluumlstereifen zu lassen und dann auch zu stillen

Indessen ist der Vorfall samt seinem skandaloumlsen Hinter-grund der Einsetzung der raquoeinzigartigenlaquo Gefaumlhrtin als Direk-torin ins Kanzleramt nur ein weiteres Beispiel fuumlr den misera-blen Stil des Politikers Helmut Kohl der staumlndig von raquogeistig-moralischer Erneuerunglaquo redet sich aber nicht scheut denSuperreichen Steuergeschenke in Milliardenhoumlhe auf Kostender Allgemeinheit vor allem der Lohnsteuerpflichtigen zumachen und dafuumlr bei den Herren des Groszligen Geldes abzukas-sieren Bleibt noch zu fragen welche unsittlichen Forderungenauszliger den bereits genannten speziellen Wuumlnschen des HausesFlick und denen der Pharma-Industrie die Konzerngewaltigenan Helmut Kohl und dessen Regierung noch gestellt habenund inwieweit diese Forderungen bereits erfuumlllt worden sindDenn natuumlrlich wollen die milliardenschweren Herren fuumlr ihrehohen Spenden auch wenn diese Betraumlge durch Schwinde-leien und Steuerhinterziehung ergaunert worden sind diegewuumlnschten Resultate sehen

Aber mit den vom Groszligen Geld erhofften Ergebnissen kanndie Regierung Kohl in reichem Maszlige aufwarten Ihre Bilanznach zwoumllf Jahren raquoWendelaquopolitik ist fuumlr die Superreichen derBundesrepublik so zufriedenstellend daszlig sie sich vergnuumlgt dieHaumlnde reiben koumlnnen

Sehen wir uns an wie Kohl sich ihnen gleich in seinen erstenRegierungsjahren nuumltzlich gemacht hat

Helmut Kohl finanziert und

von ihm bekommen hat

An nichts wird so glaumlnzend verdient wie am RuumlstungsgeschaumlftViele der groumlszligten Vermoumlgen der Bundesrepublik im Megamil-lionen- und Multimilliardenbereich stammen aus Kriegsgewin-nen aus Waffenlieferungen ins Ausland vor allem aber ausAuftraumlgen der Bundeswehr Die Erben von Harald und HerbertQuandt -geschaumltztes Vermoumlgen zusammen Milliarden DM- der Flick-Erbe Dr Friedrich Karl Flick und seine Neffen -zu-sammen mindestens Milliarden DM schwer - Familie vSiemens Milliarden DM - die Roumlchling-Erben etwaMilliarden oder um aus der Fuumllle der moumlglichen Beispielenoch einen weiteren Kroumlsus zu nennen Karl Diehl der aufMunition Zuumlnder Panzerketten und Kanonen spezialisiert istund auf Milliarden DM Vermoumlgen geschaumltzt wird - sie undviele andere verdanken ihr vieles Geld groszligenteils dem gewalti-gen Ruumlstungsbedarf nicht zuletzt dem der Bundeswehr

Um so erschrockener muumlssen die Konzernherren gewesensein als Kanzler Kohl kaum daszlig er trickreich in sein Amthievt worden war mit der Parole in den Bundestagswahlkampf1983 zog raquoFrieden schaffen mit immer weniger Waffenlaquo

Indessen beruhigten sich die Ruumlstungsmagnaten sehr raschals sie merkten daszlig Kohl ihnen nur eins seiner demagogischenKunststuumlckchen vorfuumlhrte Die damaligen Meinungsumfragenhatten erbracht daszlig die uumlberwaumlltigende Mehrheit der Bevoumllke-rung nichts sehnlicher wuumlnschte als einen sicheren Friedendurch eine massive Abruumlstung in Ost und West Fast 80 Prozentder Befragten sympathisierten mit der Friedensbewegung be-jahten deren Ziele und bekundeten ihr Vertrauen zu Gorba-tschow und die Glaubwuumlrdigkeit seiner Vorschlaumlge zur Beile-

gung des Ost-West-Konflikts und zur stufenweisen AbruumlstungAngesichts dieser breiten Zustimmung der Bundesbuumlrger zuden Bemuumlhungen den Ruumlstungswahnsinn zu beenden hattesich Helmut Kohl veranlaszligt gesehen ganz ungeniert mit demVersprechen auf Stimmenfang zu gehen ebenfalls fuumlr Abruuml-stung zu sorgen

Doch er tat das GegenteilDie Ruumlstungsausgaben der Bundesrepublik stiegen unter

Helmut Kohls Kanzlerschaft kontinuierlich weiter 1983 betru-gen sie 46751 Millionen DM 1986 uumlberschritten sie erstmalsdie 50-Milliarden-Grenze und 1990 erreichten sie mit mehr als54 Milliarden DM den houmlchsten Stand in Friedenszeiten denes in der deutschen Geschichte je gegeben hat

Obwohl von einer tatsaumlchlichen Bedrohung nicht mehr dieRede sein und spaumltestens seit der Jahreswende nie-mand mehr daran zweifeln kann daszlig Abruumlstung das Gebot derStunde ist und keinesfalls weiter aufgeruumlstet werden darf sahder Haushaltsentwurf der Kohl-Regierung fuumlr 1991 abermalsrund 50 Milliarden DM vor Die scheinbare Verminderung umetwa zwei Prozent beruht zudem auf einem Rechentrick DiePersonalverstaumlrkungsmittel wurden aus dem Wehr- in den Fi-nanzetat uumlbertragen Trotz Verringerung der Bundeswehr-Trup-penstaumlrke um fast ein Drittel sind die Verteidigungsausgabenbis heute nur wenig unter die 50-Milliarden-DM-Grenze ge-sunken

Diese gigantische Vergeudung von oumlffentlichen Mitteln ge-houmlrt zur Strategie der Regierung Kohl die das Ziel hat dasVolksvermoumlgen umzuverteilen zu Lasten fast aller Buumlrgerin-nen und Buumlrger und zum Nutzen der wenigen Superreichendenn wenn Groszligunternehmen Hunderte von Millionen Markinvestieren wie sie es taten als sie zwei Jahrzehnte lang sehrviel Geld in die Kassen von CDU CSU und F DP sowie in dieTaschen fuumlhrender Politiker flieszligen lieszligen dann wollen sie fuumlrihr Geld natuumlrlich auch Gegenleistung erbracht sehen die diehohen Ausgaben nachtraumlglich uumlberreichlich lohnen

Neben den Sonderwuumlnschen einzelner Groszligunternehmerbeispielsweise Flicks Wunsch nach Befreiung von allen Steuer-zahlungen fuumlr sein raquoMilliardendinglaquo die ihm dann ja auch

gewaumlhrt wurde oder einzelner Branchen -wie etwa die eben-falls gelungene Abwehr vernuumlnftiger Sparmaszlignahmen im Arz-neimittelbereich durch die Pharma-Industrie haben alle gro-szligen Bosse unseres Landes auch einige gemeinsame WuumlnscheSie wollen mehr Profit egal ob durch steuerliche Entlastungoder durch Befreiung von laumlstigen weil hohe Kosten verursa-chenden Auflagen etwa im Umwelt- oder Arbeitsschutzbe-reich ob durch Senkung ihrer Lohn- und Lohnnebenkostenoder durch hohe Subventionen

Es gibt noch vieles was den Profit kraumlftig steigert und amliebsten ist es den groszligen Bossen wenn ihnen die Regierungalles auf einmal und in moumlglichst reichem Maszlige beschert DieCDUCSUFDP-Regierung hat sich seit 1983 die groumlszligteMuumlhe gegeben den Konzernen nur ja alles recht zu machenDas ist freilich immer mit einem Problem verbunden Wennman so viel zugunsten von wenigen Superreichen tut geht diesleider zu Lasten der breiten Mehrheit Da die Regierung aberwenn sie uumlber den naumlchsten Wahltag hinaus am Ruder bleibenwill (und nach dem Willen ihrer Geldgeber aus der Konzern-welt auch soll) eine Mehrheit der Waumlhlerstimmen benoumltigtmuszlig sie das Kunststuumlck fertigbringen sich all denen uumlberzeu-gend als Wohltaumlterin anzupreisen die sie zugunsten des Gro-szligen Geldes benachteiligt und geschaumldigt hat Ihr Spezialist fuumlrdiese schwierige Aufgabe heiszligt Dr Norbert Bluumlm langjaumlhrigerVorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse auch Mitglied einerDGB-Gewerkschaft seit 1983 Bundesminister fuumlr Arbeit (wasaber wohl nur eine irrefuumlhrende Abkuumlrzung ist denn tatsaumlch-lich fungiert Dr Bluumlm als Minister fuumlr Arbeitgeberinteressen)raquoDen Opfern des Sozialabbaus in ihrer Sprache zu antwortenihnen die staatlichen Maszlignahmen mit ihren eigenen Worten alsWohltat zu verkaufen diesen Trick beherrscht kaum ein ande-rer Politiker so sicher und vertrauenerweckend wie NorbertBluumlmlaquo heiszligt es in der hervorragenden Studie von Hans UskeraquoDie Sprache der Wendelaquo uumlber diesen mit Roszligtaumluschermetho-den arbeitenden Demagogen der den Abbau der Sozialleistun-gen mit der Notwendigkeit rechtfertigt den Staat vor Verschul-dung zu bewahren und zwar folgendermaszligen

raquoDafuumlr brauche ich gar keine volkswirtschaftlichen TheorienDas entspricht auch dem Lebensgefuumlhl der Arbeiterfamilie

Die Arbeiterfamilie hat nie auf Pump gelebt Sie hat immergewuszligt Man kann nicht mehr essen als auf dem Tisch stehtund ein Staat kann nicht mehr ausgeben als er einnimmt Dasentspricht dem Lebensgefuumlhl der Arbeitnehmerlaquo So Dr Bluumlmim Bundestag am 18 Dezember 1983 zur Begruumlndung derdamals eingeleiteten Regierungspolitik die dann nicht nursystematisch Sozialleistungen kuumlrzte und Arbeitnehmerrechteeinschraumlnkte sondern zugleich die Staatsschulden mehr alsverdoppelte

raquoDer Staatlaquo merkt Hans Uske treffend an raquoist natuumlrlichkeine Arbeiterfamilie und Staatsschulden sind nicht miteinem Uumlberziehungskredit zu vergleichen Aber nehmen wirmal an sei tatsaumlchlich in so tiefer Not wie eine Arbei-terfamilie Wieso nimmt Bluumlm dann den armen Familienmit-gliedern Geld weg um es dem reichen Onkel als Steuerge-schenk in den Rachen zu werfen Wenn er uns schon alle zueiner riesigen Arbeiterfamilie macht waumlre es klar daszlig uns dieWohlhabenden aus der Patsche helfen muumlszligten In richtigenArbeiterfamilien gehoumlrt das zum guten Benehmen

In derselben Bundestagsrede vom 8 Dezember 1983 gabsich Dr Bluumlm sogar noch ein biszligchen proletarischerraquoDie Zinsen der staatlichen Schuldenpolitik bekommennicht die Rentenempfaumlnger die Sozialhilfeempfaumlnger sonderndiejenigen die dem Staat das Geld leihen konntenlaquo erklaumlrte ermehr fuumlr das Fernsehpublikum das seine Rabulistik in derraquoTagesschaulaquo serviert bekam als fuumlr seine wenigen Zuhoumlrer imBundestag raquoDas sind nicht die armen Leute das sind dieOumllscheichs die Banken und die Besserverdienenden Schuldenabbauen ist soziale Politiklaquo

raquoIst das nicht klassenkaumlmpferischlaquo heiszligt es dazu in dem bis-sigen Kommentar von Hans Uske raquowie Kollege Bluumlm hiergegen Oumllscheichs Banken und Besserverdienende vorgeht InWirklichkeit benutzt er ein paar proletarische Reizworte umden Klassenkampf von oben den er selbst mit vorantreibtsprachlich in einen angeblichen Kampf gegen Oumllscheichs undBanken zu verwandeln Seine Arbeitersprache setzt Bluumlm einwie es ihm gerade paszligtlaquo

Denn bei anderer Gelegenheit kann er genauso geschicktdie - angeblich faulenzenden Sozialhilfeempfaumlnger die er

eben noch als raquoarme Leutelaquo fuumlr seine Scheinargumentationbenutzt hat in Parasiten und raquoAusbeuterlaquo verwandeln und fol-gendermaszligen -in seinem Buch raquoDie Arbeit geht weiterlaquo Muumln-chen 1983 Seite 9 verunglimpfen

raquoAber ist es nicht eine moderne Form der Ausbeutung sichunter den Palmen Balis in der Haumlngematte zu sonnen alterna-tiv vor sich hin zu leben im Wissen daszlig eine Sozialhilfe vonArbeitergroschen finanziert im Notfall fuumlr Lebensunterhaltzur Verfuumlgung stehtlaquo

Dazu noch einmal der Kommentar von Hans Uske an-dere Politiker stuumltzt sich bluumlm auf schon vorhandene Vorurteilegegen gtDruumlckebergerlt Bluumlms Spezialitaumlt ist jedoch der Appellans Klassenbewuszligtsein gtAusbeutunglt Machen die Unter-nehmer muszlig der Arbeiter gegen kaumlmpfen gtArbeitergroschenltSind sauerverdient wollen die Reichen wegnehmen muszlig manverteidigen den Palmen Balislt Da liegen die Playboysam Strand sonnen sich Ausbeuter von sauer verdienten Arbei-tergroschen Waumlhrend er so die Opfer seines Sozialabbausdenunziert hofft Bluumlm auf Applaus von Arbeitern -was beson-ders makaber ist da die ja selbst zu seinen Opfern gehoumlrenlaquo

Norbert Bluumlm geht sogar noch einen Schritt weiter Im Som-mer 1986 lieszlig sein Ministerium verbreiten von einem Sozialab-bau koumlnne uumlberhaupt nicht die Rede sein im Gegenteil DieSozialausgaben haumltten vielmehr seit der raquoWendelaquo eine kraumlftigeSteigerung erfahren Und tatsaumlchlich Wenn man wie es ein zudieser dreisten Behauptung geliefertes Schaubild tat alle Aus-gaben im Gesundheitswesen vor allem die von der raquoPillen-lobbylaquo unter vormaliger Fuumlhrung des spaumlteren JuwelenraumlubersDr Scholl herbeigefuumlhrte - Kostenexplosion bei Arzneimittelnhinzurechnete ebenso die den Gemeinden aufgebuumlrdeten So-zialhilfe-Lasten dann hatten sich allerdings schon in diesenersten Jahren der Regierungstaumltigkeit von Kohl und Bluumlm dieSozialausgaben drastisch erhoumlht nur waren die Leistungenauf die der oder die einzelne Anspruch hatten keineswegsgestiegen sondern hatten sich real vermindert Kraumlftig ver-mehrt hatten sich hingegen die Profite beispielsweise die derPharma-Industrie aber auch die Honorareinnahmen etwa beiden Zahnaumlrzten

Tatsaumlchlich haben zwoumllf Jahre Kohlscher raquoWendelaquopolitikMillionen in die Armut getrieben dafuumlr die Reichen noch umvieles reicher gemacht

Beguumlnstigt durch die bis Anfang der neunziger Jahre anhal-tende Hochkonjunktur sind die Unternehmergewinne und Ver-moumlgensrenditen explosionsartig gestiegen aber gleichzeitighat die Kohl-Regierung den Groszligverdienern immer neue Steu-ergeschenke gemacht Das hat diese aber nicht davon abgehal-ten in steigendem Maszlige Steuern zu hinterziehen Wie derwegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskraumlftig verur-teilte Ex-Bundeswirtschaftsminister und inzwischen Ex-FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff dazu bemerkt hat befindeter sich mit diesem Delikt raquoin allerfeinster Gesellschaftlaquo In derTat Steuerhinterziehungen groszligen Stils und Kapitalflucht insAusland werden nicht von Otto Normalverbraucher nicht vonLohnsteuerpflichtigen und auch nicht von kleinen und mittle-ren Beamten Rentnern Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfaumln-gern begangen

Was die beiden letzten groszligen Gruppen der Bevoumllkerungbetrifft so haben Kanzler Kohl und sein Arbeitsminister Bluumlmzur Verminderung der Arbeitslosigkeit und Armut bislang nureines getan unermuumldlich eine Verschoumlnerung der Statistikbetrieben Schon mit der 7 Novelle zum Arbeitsfoumlrderungsge-setz wurde die Moumlglichkeit geschaffen rund 100 000 Arbeits-lose zwischen 50 und 59 Jahren endguumlltig aus der Statistik ver-schwinden zu lassen ebenso rund 40 000 arbeitslose FrauenEine statistische Absenkung der Arbeitslosenquote kam spaumlterauf folgende Weise zustande Man setzte die Arbeitslosennicht mehr ins Verhaumlltnis zu den abhaumlngig Beschaumlftigten son-dern zu allen Erwerbspersonen Das fuumlhrte dazu daszlig sich dieArbeitslosenquote von einem Tag auf den anderen um fasteinen Prozentpunkt verringerte ohne daszlig ein einziger Arbeits-loser Arbeit bekommen haumltte

Doch solche Methoden genuumlgten nicht um das so Kohlleidige Thema raquoArbeitslosigkeitlaquo zu raquoentschaumlrfenlaquo Deshalbdachte sich die Leiterin des Allensbacher Instituts fuumlr Demo-skopie Frau Professor Noelle-Neumann etwas Neues ausKohls Hof-Demoskopin machte dem Kanzer schon 1986 den

im Hinblick auf die Bundestagswahlen vom Januarraquoden Block der Arbeitslosen aufzuteilenlaquo Rund 700 000

Arbeitslose sollten raquoals Alkoholiker Drogensuumlchtige sozialeAussteigerlaquo oder schlicht als raquofreiwillig arbeitsloslaquo diffamiertund zumindest auf dem Papier von der erschreckendenGesamtzahl in Abzug gebracht der immer noch gewaltige Restunterteilt werden in raquoAlleinernaumlhrer Arbeitslose in Haushal-ten in denen es einen zweiten Hauptverdiener gibt undArbeitslose die Nebenverdiener sindlaquo

Frau Noelle-Neumann hat damals der Bundesregierunggeraten diese Zahlenakrobatik nicht selbst vorzunehmen Einsolches Rechenkunststuumlck raquodas vor der heiszligen Phase des Wahl-kampfes abgeschlossen werden solllaquo muumlszligte raquoaus privaterInitiativelaquo in Auftrag gegeben werden wie es dann auchgeschah Arbeitgeberverbaumlnde Konzerne und raquoandere privateGeldgeberlaquo beauftragten die Allensbacher tatsaumlchlich mit derDurchfuumlhrung dieses Roszligtaumluschertricks werden dieArbeitslosigkeit einigermaszligen wegerklaumlrenlaquo versicherte dazuim Sommer 1986 ein Allensbach-Mitarbeiter raquoLeicht wird dasnicht gerade sein aber es wird hoffentlich reichen der Bundes-regierung im Wahlkampf uumlber die Runden zu helfenlaquo

Diese und andere Taumluschungsmanoumlver die seitdem in rei-chem Maszlige angewendet worden sind aumlnderten natuumlrlich nichtdas geringste am tatsaumlchlichen Ausmaszlig der Dauermassenar-beitslosigkeit die sich nicht verringerte sondern vergroumlszligerteDoch vor allem wenn Wahlen anstanden war es der Kohl-Regierung jedesmal besonders wichtig den Waumlhlerinnen undWaumlhlern Sand in die Augen zu streuen damit ihnen das Aus-maszlig vor allem aber die Gruumlnde der Arbeitslosigkeit nicht deut-lich werden Sie sollen nicht merken warum wohl Arbeitgeber-verbaumlnde Konzerne raquound andere private Geldgeberlaquo daraninteressiert sind daszlig Millionen Menschen ohne festen Arbeits-platz bleiben und dafuumlr auch noch diffamiert und mit Verach-tung bestraft werden Mit der Massenarbeitslosigkeit wird naumlm-lich die Voraussetzung geschaffen Loumlhne und Gehaumllter imunteren Bereich zu druumlcken und die Beschaumlftigten zu raquofreiwilli-gemlaquo Verzicht auf wohlerworbene Anspruumlche und hart er-kaumlmpfte Rechte zu bewegen Durch die Diffamierung der raquoFrei-

gestelltenlaquo sollen die Solidaritaumlt mit den Arbeitslosen untergra-ben und die Aumlngste der noch Beschaumlftigten vor Entlassung undsozialem Abstieg geschuumlrt werden

raquoJe mehr Arbeitslose wir haben und je schlechter es ihnengeht desto besser wird die Arbeitsmoral desto weniger druumlk-ken uns die Lohnkostenlaquo Diese Grundregel der groszligen Bossestellte der Groumlszligte von ihnen Friedrich Flick bereits 1931 waumlh-rend der Weltwirtschaftskrise auf einer Aktionaumlrsversamm-lung in Duumlsseldorf auf und an der Guumlltigkeit dieser Regel undihrer immer rigoroseren Anwendung hat sich bis heute nichtsgeaumlndert

Am schlechtesten dran sind jene jugendlichen Arbeitslosenohne Ausbildung denen Kanzler Kohl vollmundig raquofuumlr jedenund jede eine Lehrstellelaquo versprochen hat (woran er aber nichtmehr erinnert werden moumlchte) Um der Statistik willen werdenmaumlnnliche Dauerarbeitslose im wehrpflichtigen Alter zu kur-zen Uumlbungen einberufen die Unterbrechung genuumlgt sie ausder Rubrik raquoDauerarbeitsloselaquo verschwinden zu lassen

Auch das sogenannte Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz derRegierung Kohl brachte gerade fuumlrjunge Leute drastische Ver-schlechterungen Zur Freude der Bosse foumlrdert das Gesetz dasHeuern und Feuern und erlaubt ohne sachliche Begruumlndungbefristete Arbeitsvertraumlge bis zu 18monatiger Dauer Auszliger-dem wurde die zulaumlssige Dauer der ohnehin houmlchst bedenk-lichen ausbeuterischen Leiharbeit verlaumlngert

Mit dem 1985 ausgerechnet zum 1 Mai in Kraft getretenenGesetz wurde der Kuumlndigungsschutz durchloumlchert Houmlchst um-strittene von den Gewerkschaften bekaumlmpfte Formen der Teil-zeitarbeit wurden gesetzlich verankert sowohl die Arbeits-platzteilung das sogenannte raquoJob-sharinglaquo als auch die raquokapa-zitaumltsorientierte variable Arbeitszeitlaquo (KAPOVAZ) Die Ju-gendschutzbestimmungen wurden eingeschraumlnkt die erlaubteSchichtzeit auf Bau- und Montagestellen wurde fuumlr Jugendli-che auf elf Stunden verlaumlngert der Arbeitsbeginn von siebenauf sechs Uhr vorverlegt in Baumlckereien sogar auf vier Uhr

Das Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz das entgegen seinemverheiszligungsvollen Namen nicht zur Schaffung von Arbeitsplaumlt-zen beitrug sondern im Gegenteil zu verstaumlrkter Ausbeutung

von Arbeitskraft fuumlhrte wurde ergaumlnzt durch etliche Novellenzum Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) Dieses aus den sechzi-ger Jahren stammende Gesetz hatte urspruumlnglich den Zweckdaszlig die Bundesanstalt fuumlr Arbeit nicht bloszlig diejenigen finan-ziell unterstuumltzt die arbeitslos sind sondern der Arbeitslosig-keit auch aktiv entgegenwirkt Die von Dr Kohl gefuumlhrte Regie-rung bewerkstelligte mit mehreren Novellen zum AFG sowohleinen Abbau der Leistungen fuumlr die Arbeitslosen als auch einedrastische Einschraumlnkung der Moumlglichkeiten aktiver Arbeits-marktpolitik zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsmaszlignahmen

Wenn man wie es die Regierung Kohl sich zum Ziel gesetzthat massiven Sozialabbau und Umverteilung von unten nachganz oben copymiddotacuteacuteocircdann ist ein scheinheiliger Spruumlcheklopfer wieNorbert Bluumlm unentbehrlich Neben den von ihm betriebenendrastischen Kuumlrzungen der Sozialleistungen fallt ihm ja auchnoch die Aufgabe zu die reiche Bundesrepublik allmaumlhlich inein Billiglohnland umzuwandeln wo allein die Bosse dasSagen haben und die Lohn- und Gehaltsempfaumlnger schutzlossind

Alle bisherigen Maszlignahmen der Regierung Kohl und ihresArbeits- und Sozialministers Bluumlm die angeblich dem raquoAbbauder Arbeitslosigkeitlaquo dienen sollen zielen darauf in hundert-jaumlhrigem Kampf muumlhsam errungene Rechte der Arbeiter undAngestellten Schritt fuumlr Schritt abzubauen Bluumlms Begruumlndungim Bundestag raquoDas Arbeitsrecht unter den Bedingungen derArbeitslosigkeit muszlig Bruumlcken bauen und darf nicht dazu fuumlh-ren daszlig die Privilegierten die Arbeitsbesitzer sich in dieFestung zuruumlckziehen und die Beute unter sich verteilenlaquo

Statt gezielt die Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen wie es seineAufgabe waumlre will Bluumlm denn das meint er in Wahrheit daszligdie raquoArbeitsbesitzerlaquo auf ihre raquoBeutelaquo naumlmlich auf ihren inharten Tarifkaumlmpfen errungenen Besitzstand an gesichertemLohn und ertraumlglichen Arbeitsbedingungen verzichten lernenund ihre raquoPrivilegienlaquo naumlmlich in jahrzehntelangem politi-schen Kampf durchgesetzte Rechte zum Beispiel auf Kuumlndi-gungsschutz einfach aufgeben

Ex-Bundesminister Graf Lambsdorff resozialisierter Geld-waumlscher Steuerhinterzieher und Flick-Helfer einerseits lang-

jaumlhriger FD P-Chef und Gralshuumlter der superfreien Marktwirt-schaft andererseits verkuumlndete das Gleiche wie Norbert Bluumlmnur unverbluumlmter In einem Interview in dem auf Volksver-dummung spezialisierten Achtgroschenblatt das sich ambesten fuumlr solche Verlautbarungen eignet lieszlig der Graf sichherbei sein Patentrezept zur Bekaumlmpfung der Arbeitslosigkeitzu verraten

raquoDagegen gibt es nur eine Medizin Disziplin bei kuumlnftigenLohnvereinbarungen Denn fuumlr niedrige Loumlhne gibtrsquos genugArbeitlaquo

Als raquoschlimmsten Fehlerlaquo bezeichnete Graf Lambsdorff dervom Hause Flick so reich Bedachte die Anhebung der Loumlhneund Gehaumllter in den raquounteren Einkommensstufenlaquo da sichgerade die einfachste Arbeit raquoam besten durch Maschinenersetzenlaquo lieszlige

Ganz abgesehen davon daszlig Loumlhne gleichzeitig KaufkraftSteuern und Sozialversicherungsbeitraumlge bedeuten wird derZynismus der graumlflichen Argumentation wie Hans Uske in sei-ner Untersuchung raquoDie Sprache der Wendelaquo anmerkt erst rich-tig deutlich raquowenn wir uns in die Zukunft versetzen und an-nehmen Lambsdorffs Rezept waumlre bereits verwirklicht Nehmen wir also an die Loumlhne seien gesenkt worden sagenwir um 20 Prozent Sofort sinken die Kosten der Unterneh-mer in den lohnintensiven Bereichen dort wo viele Arbeits-kraumlfte noumltig sind Die Verlockung Maschinen anzuschaffenwird geringer Dank der Wende-Regierung koumlnnten wir end-lich wieder mit den Computern konkurrieren Die meistenLeute waumlren aumlrmer einige sogar sehr viel aumlrmer aber viele haumlt-ten wieder Arbeit Nun gehoumlrt aber zur Wirtschaftsplanungder Bundesregierung die Foumlrderung des technischen Fort-schritts Milliarden flieszligen in EDV-Forschung und Computer-Entwicklung Groszligkonzerne engagieren sich im Elektronik-markt Dieser geballte Einsatz muszlig sich bezahlt machen Was tun wir jetzt Die vernuumlnftigste Loumlsung Unsere Arbeits-kraft muszlig noch billiger werden auszligerdem lernen wir noch bes-ser computern und dann muumlssen wir noch billiger werdenund dann -leben wir in einem Billiglohnland Und wenn dienaumlchste konjunkturelle Krise kommt und wenn durch die

rasante Entwicklung des technischen Fortschritts die Arbeits-losenzahl weiter ansteigt dann wird diese Sorte von Vernunftdarauf nur eine Antwort wissen Das Opfer der Bevoumllkerungwar nicht groszlig genug der Guumlrtel muszlig noch enger geschnalltwerdenlaquo

Auf dem Wege zur Verwirklichung solcher Absichten sahendie groszligen Bosse und die von ihnen mit Millionenspendengefoumlrderte Regierung Kohl ein Hindernis den DGB und die indiesem Buumlndnis zusammengeschlossenen Einheitsgewerk-schaften Folgerichtig setzte die Regierung Kohl kaum daszlig siedurch den Waumlhlerbetrug der FDP an die Macht gekommenwar die Schwaumlchung der Gewerkschaften auf ihr ProgrammIhr erstes Ziel war die Streikfahigkeit und damit das Grund-recht auf Streik als legitimes Kampfmittel der wirtschaftlichSchwaumlcheren auszuhoumlhlen Durch eine Aumlnderung des Paragra-phen 116 Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) sollte zunaumlchst ein-mal die Durchsetzungsfaumlhigkeit der Gewerkschaften in derTarifpolitik beendet werden

Worum es dabei ging erlaumluterte der DGB am Beispiel desArbeitskampfes mit dem die IG Metall das Tabu der 40-Stund-den-Wochen brach raquoWaumlhrend dieses Arbeitskampfes haben inder Metallindustrie 55 000 Arbeitnehmer gestreikt 170 000Arbeitnehmer wurden in den umkaumlmpften Tarifgebieten ausge-sperrt Uumlber 300 000 Arbeitnehmer wurden bundesweit kaltausgesperrt Das heiszligt Von zehn Arbeitnehmern die in denArbeitskampf einbezogen waren waren neun ausgesperrt undeiner streikte Die Arbeitgeber haben durch massenhafte Aus-sperrung im umkaumlmpften Tarifgebiet bundesweit kalte Aus-sperrungen verursacht oder willkuumlrlich herbeigefuumlhrt unddiese Praxis wollen sie sich in Zukunft von den Sozialaumlmternbezahlen lassen Sie wollen mit der Existenzangst der Arbeit-nehmer und ihrer Familien Tarifpolitik machen Wenn Gesetzwird was die Arbeitgeber wollen und die Regierung vollziehtwird das Streikrecht zwar auf dem Papier erhalten bleiben aberin der Praxis bis zur Unkenntlichkeit verstuumlmmelt seinlaquo

Dennoch wurde die Aumlnderung des Paragraphen 116 AFGgegen den millionenfachen Protest der organisierten Arbeit-nehmer von der Regierung Kohl durchgepeitscht Weit groumlszliger

als ihr Respekt vor den demokratischen Grundrechten war dieRucksicht auf ihre Geldspender in den Chefetagen der Groszlig-konzerne im Falle des Grafen damals noch Flick inzwischendie maumlchtige Allianz-Versicherung die sich im Fruumlhsommer

das DDR-Versicherungswesen unter den Nagel gerissendessen Verpflichtungen in Milliardenhoumlhe aber den Steuerzah-lern uumlberlassen hat

Unter der Federfuumlhrung von Minister Dr Bluumlm wurde mitden Stimmen der schwarz-goldenen Koalition von CDUCSUund F D P der Paragraph 116 im Sinne der Konzernherren abge-aumlndert Graf Lambsdorff aumluszligerte vollste Zufriedenheit Mitden kleinen Korrekturen die den Gewerkschaften am Endenoch bewilligt worden waren raquolieszlige sich lebenlaquo meinte er ImKlartext Das raquoAnti-Gewerkschaftsgesetzlaquo wie es der dama-lige DGB-Vorsitzende Ernst Breit genannt hat entsprachdurchaus den Forderungen der Konzerne deren Bestreben dar-auf gerichtet war und ist die Gewerkschaften vor allem tarifpo-litisch handlungsunfaumlhig zu machen

Tatsaumlchlich hat die Regierung Kohl mit der von ihr durchge-fuumlhrten Aumlnderung des Streik-Paragraphen 116 AFG einen derdringendsten Wuumlnsche ihrer Geldgeber erfuumlllt der so einBDI-Festredner im Jahresruumlckblick - raquozum Vermaumlchtnis vonHanns Martin Schleyerlaquo gehoumlrte

Auch bei den Feierlichkeiten zum 10 Todestag des Kohl-Ent-deckers Dr Fritz Ries im Juli 1987 in Frankenthal an denenKanzler Kohl seinem langjaumlhrigen Foumlrderer trotz dessenSchandtaten um und in Auschwitz uneingeschraumlnktes Lobspendete und die raquovorbildliche Unternehmerpersoumlnlichkeitlaquodes verewigten Groszligraquoarisiererslaquo und Kondom-Koumlnigs prieswaren die versammelten Freunde aus Industrie und Bankweltsich darin einig daszlig die gegluumlckte Aumlnderung des AFGraquoein richtiger Schritt auf dem richtigen Wegelaquo gewesen sei

immer reicher und dieArmen immer aumlrmer werden

Wie sich der Sozialabbau bereits nach vier Jahren raquoWendelaquo-Politik ausgewirkt hatte beschrieb der SPD-SozialexperteEgon Lutz 1986 im Bundestag raquoDer Sozialabbau der Regie-rung Kohl hat zu einer neuen Armut gefuumlhrt Durch Kuumlrzun-gen von Sozialleistungen und Anhebung von Sozialversiche-rungsbeitraumlgen wurden die sozial Schwaumlcheren in groszligemUmfang belastet Mitte 1985 haben nahezu 40 Prozent (derArbeitslosen) uumlberhaupt keine Leistungen mehr aus derArbeitslosenversicherung erhalten Nur noch ein Drittel allerArbeitslosen bezog Arbeitslosengeld und zugleich sank dasdurchschnittlich gezahlte Arbeitslosengeld um annaumlhernd vierProzent obwohl die durchschnittlichen Lebenshaltungs-kosten im selben Zeitraum um Prozent gestiegen sindlaquo

Auch in der Folgezeit am Ende der achtziger Jahre besser-ten sich trotz damals noch anhaltender Hochkonjunktur undgutgefuumlllter Kassen diese katastrophalen Verhaumlltnisse um kei-nen Deut Infolge des Anstiegs der Lebenshaltungskosten ver-schlechterten sie sich noch Langzeitarbeitslosigkeit anstei-gende Uumlberschuldung vieler Familien und drastische Verknap-pung preisguumlnstigen Wohnraums lieszligen immer mehr Mittel-schichtfamilien in die Armut absinken Die Regierung Kohlbrachte den sozialen Wohnungsbau zum Erliegen und trug mitihrer Gesetzgebung kraumlftig dazu bei daszlig die Mieter in wach-sende Bedraumlngnis gerieten und die Wohnungsnot sich vergrouml-szligerte Sie erleichterte die Umwandlung preisguumlnstiger Woh-nungen in Buumlros oder unerschwinglich teure Eigentumswoh-nungen und lieszlig den Abstand zwischen Mietkosten und Haus-haltseinkommen immer kleiner werden was auch zur Folgehat daszlig sich die Sozialstruktur ganzer Stadtviertel aumlndert dieMenschen aus ihrer gewohnten Umgebung in ferne raquoSchlafstaumlt-

tenlaquo und raquoWohnsiloslaquo in Randlagen abgedraumlngt werden unddie Obdachlosigkeit dramatisch zunimmt

Ausgerechnet bei ohnehin benachteiligten Gruppen wieFrauen mit niedrigen Renten oder Schwerbehinderten setzteder im Kabinett Kohl fuumlr Arbeit und Soziales zustaumlndige Mini-ster Norbert Bluumlm den Rotstift an So wurde den Hausfrauender Invaliditaumltsschutz trotz oft jahrelanger Beitragszahlung indie Rentenversicherung einfach gestrichen

Alles was der Regierung Kohl zum Thema Armut einfalltsind dumme Spruumlche Dreist behauptete Norbert Bluumlm imBundestag raquoAltenarmut ist nicht Rentenarmut Ich bestreitedaszlig die Ursachen von Armut in der Rentenversicherung liegenArmut kann auch das Ergebnis von wenigen Beitragsjahrenvon geringem Lohn seinlaquo -was gewiszlig niemand leugnen kannnur waumlre es die Aufgabe einer sozialen Demokratie zumal ineinem so uumlberaus reichen Land wie der Bundesrepublik jenesich aus der ungerechten Entlohnung der Frauen ergebendenviel zu niedrigen Renten nicht als Resultat eines Naturgesetzeshinzunehmen sondern auszugleichen Gerade die heute imRentenalter stehenden Frauen von denen sich die meisten einJahrzehnt lang durch Kriegs- und Nachkriegsnotjahre alleindurchschlagen muszligten oft die ganze Last der Kindererzie-hung des Haushalts und der Erwerbsarbeit trugen von ihrenPfennigloumlhnen nur Mindestbeitraumlge zur Rentenversicherungleisten und niemals Nachzahlungen aufbringen konnten ver-dienten im Alter die solidarische Hilfe der westdeutschenWohlstandsgesellschaft Niemand koumlnnte die Bundesregierungdaran hindern ihre Milliardengeschenke an die Superreichenin betraumlchtliche Rentenerhoumlhungen umzuwandeln so daszligkeine und keiner die oder der sein Leben lang hart gearbeitetaber wenig verdient hat nun auch noch im Alter darben muszligES waumlre dann nicht einmal noumltig die Versicherungsbeitraumlge zuerhoumlhen Aber dazu meinte Kohls Sozialminister Dr Bluumlm

raquoWir wollen die Rente lohn- und leistungsbezogen lassenWirwollen nicht die Einheitsrente die Sockelrente Wirwollennicht die groszlige sozialistische Gulaschkanone von deren Ein-heitsbrei jeder einen Schlag bekommtlaquo

Solche Rabulistik eines Mannes der sich und seine Politikraquochristlichlaquo und raquosoziallaquo nennt laumlszligt einen schaudern Dennniemand verlangt eine raquoEinheitsrentelaquo wohl aber waumlre es drin-gend erforderlich und finanziell durchaus moumlglich - einedeutlich uumlber der Armutsgrenze liegende Mindestrente einzu-fuumlhren Und wenn man auf die Steuergeschenke an die Super-reichen durchaus nicht verzichten will genuumlgte zur Finanzie-rung auch die Vergeudungen im Ruumlstungsbereich oder beiam Ende fallengelassenen Prestigeobjekten wie derdorfer Plutonium-WAA einzuschraumlnken

Als Folge der Massenarbeitslosigkeit und des Sozialabbausist seit der raquoWendelaquo die Zahl der Sozialhilfeempfaumlnger staumlndiggestiegen in den ersten zwei Jahren um rund 500 000 aufMillionen bis Ende 1987 abermals um 500 000 auf 31 Millio-nen 1991 gab es in Westdeutschland Millionen Sozialhilfe-empfaumlnger Eine halbe Million kam kurzfristig in Ostdeutsch-land hinzu nachdem die DDR der Bundesrepublik raquobeigetre-tenlaquo war Und diese Zahlen wachsen weiter

In dem Ende 1989 veroumlffentlichten raquoArmutsberichtlaquo der Pari-taumltischen Wohlfahrtsverbaumlnde mit der Uumlberschrift raquoWessen wiruns schaumlmen muumlssen in einem reichen Landlaquo wurde daraufhingewiesen daszlig die Unternehmer-Nettoeinkommen zwi-schen 1982 und 1988 um 74 Prozent gestiegen waren in absolu-ten Zahlen um etwa 180 Milliarden DM auf MilliardenDM Demgegenuumlber betrug der Zuwachs der Netto-Lohn- undGehaltssumme nur Prozent der Anstieg in absoluten Zah-len nur Milliarden DM Der Anteil des Bruttoeinkommensaus Unternehmertaumltigkeit und Vermoumlgen am gesamten Volks-einkommen wuchs zwischen 1982 und 1988 von auf 32 Pro-zent Die Lohnquote entwickelte sich dagegen im gleichenZeitraum von auf 68 Prozent zuruumlck

Die Reichen wurden also sehr viel reicher die Armen nurzahlreicher und noch aumlrmer Etwa Millionen Bundesbuumlrge-rinnen und -buumlrger das waren zehn Prozent der Bevoumllkerungder Bundesrepublik lebten 1988 an oder unterhalb dessen wasder Bericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandes diemutsschwellelaquo nannte unterhalb derer sich Hunger men-schenunwuumlrdige Wohnverhaumlltnisse drohende Obdachlosig-

keit Mangelkrankheiten Verelendung und Hoffnungslosig-keit ausbreiten

Die Entwicklung die laumlngst vor Eingliederung der DDR indie BRD zu diesen Ergebnissen fuumlhrte ging seitdem weiterund beschleunigte sich noch Die Lohnquote in Westdeutsch-land sank 1991 auf Prozent Die abhaumlngig Beschaumlftigtenkonnten im Gegensatz zu den Unternehmern ihre realenNettoeinkommen gar nicht mehr verbessern sondern erlittenEinbuszligen Im Gesamtzeitraum von 1982 bis 1992 stiegen dieNettoloumlhne und -gehaumllter daher nur um Prozent die realenEinkommen der Unternehmer dagegen um 123 Prozent

Besonders stolz pries die Regierung Kohl in den achtzigerJahren ihr Steuersenkungsgesetz Es entlastete die Steuerzah-ler in zwei Stufen zwar um fast 20 Milliarden DM doch warendiese Entlastungen so sozial ungerecht wie irgend moumlglich ver-teilt Sie kamen in erster Linie den Beziehern hoher und houmlch-ster Einkommen zugute

Verheiratete Durchschnittsverdiener hatten eine steuerlicheErsparnis von etwa zwoumllf DM monatlich Hingegen fiel die Ent-lastung von Spitzenverdienern 50mal houmlher aus obwohl siebei Jahreseinkommen von einer Million DM und mehr nur20mal mehr Steuerlast zu tragen hatten als ein Durchschnitts-verdiener Die Erhoumlhung des Kinderfreibetrags brachte denEinkommensmillionaumlren eine etwa 22mal houmlhere Entlastungals dem Durchschnittsverdiener

Selbst die geringfuumlgigen oft schon durch die erhoumlhten Bei-traumlge zur Kranken- und Sozialversicherung ausgeglichenenoder gar ins Gegenteil verkehrten Steuererleichterungen fuumlrDurchschnittsverdiener waren eine Taumluschung da zugleich dieMehrwertsteuer angehoben wurde Diese Steuer muszlig letztlichvon der Masse der Verbraucher aufgebracht werden auf die alleanderen vom Produzenten bis zum Groszlig- und Einzelhandelsie abwaumllzen koumlnnen

Was die Mehrwertsteuererhoumlhung um einen Prozentpunktan zusaumltzlichen Einnahmen erbrachte annaumlhernd acht Milliar-den DM wurde denen die von der Einkommensteuersenkungohnehin am meisten profitierten als zusaumltzliches Steuerge-schenk zuteil Das mehrstufige Programm der Regierung Kohl

zur Senkung der Unternehmenssteuern kostete naumlmlich eben-falls acht Milliarden DM-durch massiven Abbau der Gewerbe-steuer durch Senkung der Vermoumlgenssteuer und durch

bei den AbschreibungsmoumlglichkeitenDas sind nur einige Beispiele fuumlr die steuerliche Umvertei-

lung von unten nach oben Die direkte Besteuerung der Unter-nehmensgewinne vor Kohls Amtsantritt gut 33 Prozent ver-ringerte sich bis Anfang der neunziger Jahre auf kaum mehr als20 Prozent Die Abzuumlge von den Arbeitseinkommen dagegenstiegen zwischen 1980 und 1991 von Prozent der Brutto-loumlhne und -gehaumllter auf Prozent und wurden inzwischennoch weiter angehoben

Die Unternehmerverbaumlnde und ihre regierungsamtlichenPropagandisten vom Schlage solcher Bundeswirtschaftsmini-ster wie Otto Graf Lambsdorff oder Guumlnther Rexrodt verbrei-ten unentwegt die Maumlr Deutschland sei ein viel zu teurer Indu-striestandort geworden die Unternehmer seien mit viel zuhohen Kosten belastet das muumlsse sich endlich aumlndern Sie spe-kulieren darauf daszlig jede Behauptung wenn sie sie nur oftgenug wiederholen irgendwann geglaubt wird Massenver-dummungsblaumltterwie BILD aus dem Springer-Konzern wirkendaran eifrig mit Die Wahrheit bleibt dem verraquobildlaquoeten Publi-kum verborgen den Unternehmerverbaumlnden und Ministernhingegen ist sie wohlbekannt Nachzulesen ist sie in einerUntersuchung der Deutschen Bundesbank die gewiszlig nichtim Verdacht steht dem Kapitalismus feindlich gegenuumlberzu-stehen

In einer Auswertung der Bilanzen von 18 000 Unternehmenkommt die Bundesbank zu dem Ergebnis daszlig seit Ende dersiebziger Jahr der Anteil der Ausgaben fuumlr Steuern am Umsatzder Unternehmen nicht gestiegen sondern gesunken ist undzwar um etwa ein Sechstel Der gleichen Untersuchung zufolgeist auch der Anteil der Personalkosten am Umsatz zuruumlckge-gangen Beide zusammen Personalkosten und Steuerbela-stung machten 1989 kaum mehr als 20 Prozent des Gesamtum-satzes aus und verringerten sich inzwischen weiter Das heiszligtRund 80 Prozent des Umsatzes dienen anderen Zwecken nichtzuletzt den Unternehmergewinnen

Das reale Sozialprodukt je Beschaumlftigten (Arbeitsproduktivi-taumlt) erhoumlhte sich 1980 bis 1992 um 18 Prozent je Beschaumlftigten-stunde um 27 Prozent Aufgrund von Erfindungen und Ratio-nahsierungen koumlnnen industrielle Guumlter jetzt mit geringeremArbeitsaufwand also erheblich schneller hergestellt werdenDie Gewerkschaften reagierten fruumlhzeitig darauf indem sieArbeitszeitverkuumlrzungen forderten Helmut Kohl widersetztesich Diese Forderung sei raquodumm und toumlrichtlaquo wetterte erErst in harten Kaumlmpfen gelang es den Gewerkschaften in klei-nen Schritten uumlber lange Zeitraumlume die Arbeitszeit zu verkuumlr-zen und dadurch der sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit entge-genzuwirken So kam die Erhoumlhung der Arbeitsproduktivitaumltwenigstens zu einem Teil den arbeitenden Menschen selbstzugute wofuumlr sie allerdings auch mit Lohn- und Gehaltsver-zichten zahlen muszligten Hauptnutznieszliger der Rationalisierun-gen waren und blieben die Unternehmer

Der Korrektheit halber muumlssen wir hier freilich einschraumln-ken daszlig nicht alle Unternehmer gleichermaszligen von der Politikder Regierung Kohl profitieren Den groumlszligten Nutzen haben inder Regel diejenigen die ohnehin schon die Reichsten undMaumlchtigsten sind Vor allem die Groszligbanken deren Frankfur-ter Verwaltungspalaumlste nicht zufaumlllig die houmlchsten im Landesind In den Jahren 1990 bis 1992 verbuchte die Kreditwirt-schaft einen Bilanzgewinn von mehr als 20 Milliarden DMwovon allein Milliarden auf die Groszligbanken entfielen 1993konnten die Finanzkonzerne neue Gewinnrekorde vermeldenwaumlhrend andere kleinere Unternehmen uumlber die Rezessionstoumlhnten und uumlbers Jahr mehr als 15 000 Firmen zahlungsunfauml-hig wurden Dem Volk wurden raquoSolidaritaumltsopferlaquo abverlangtdas Groszlige Geld wuchs und wucherte wie nie zuvor

1989 hatten die Groszligbanken fast fuumlnf Milliarden Mark Zins-uumlberschuszlig kassiert Das war schon ein stattliches Ergebnis1993 aber in der Krise gelang es ihnen einen Zinsuumlberschuszligvon 23 Milliarden DM einzuheimsen In der tiefsten Rezessionseit Bestehen der Bundesrepublik profitierten sie vom steigen-den Kreditbedarf des Staates der Kommunen der Gewerbe-treibenden und der Privathaushalte Waumlhrend zum Beispielvom Herbst 1992 bis Herbst 1993 die Bundesbank den Diskont-

und den Lombardsatz die Leitzinsen um Prozentpunktereduzierte senkten die Banken die Kontokurrentzinsen nurum und die Ratenkredite fuumlr Kleinkunden um Prozent-punkte dagegen die Guthabenzinsen um 25 Prozent Das ver-anlaszligte selbst die raquoWirtschaftswochelaquo vom 13 Dezember 1993zum Murren raquoDie Banken stoszligen sich an Zinssenkungengesund die Wirtschaft kommt nicht auf die Beinelaquo- eine Kritikdie indessen in zweifacher Hinsicht praumlzisiert werden muszligdenn erstens brauchten sich die Banken nicht gesundzustoszligenweil sie ohnehin vor Gesundheit strotzten und zweitens hatdie Krise zwar viele einzelne Betriebe erwischt aber raquodie Wirt-schaftlaquo im allgemeinen steht auf festen Beinen wie ein Blickauf die Boumlrsenkurse zeigt Der Deutsche Aktienindex (DAX)kletterte 1993 zum Jahresende auf 2267 Punkte Ein Jahr zuvorhatte dieser aus 30 Standardwerten errechnete Boumlrsenkurs bei1545 Punkten gestanden Das war uumlbers Jahr eine Steigerungum Prozent Die Aktionaumlre wurden zwischen Neujahr undWeihnachten fast um die Haumllfte reicher allein durch ihre andeutschen Boumlrsen getaumltigten Geschaumlfte Groszligaktionaumlre erleb-ten also eine praumlchtige Weihnachtsbescherung am Ende einesJahres in dem im vereinigten Deutschland die Arbeitslosigkeitin eine Groumlszligenordnung aumlhnlich wie in der Schluszligphase derWeimarer Republik hineinwuchs und Armut zum Massen-schicksal wurde

Der Zusammenbruch des SED-Regimes in der DDR imNovember 1989 hat Helmut Kohls ohnehin sehr hohe Selbst-einschaumltzung ins Gigantische wachsen lassen Laumlngst ist eruumlberzeugt davon daszlig nicht Michail Gorbatschow nicht dieBeispiele Polens Ungarns und der Tschechoslowakei die fried-liche Revolution im anderen Teil Deutschlands in Gang gesetztund den mutigen Maumlnnern und Frauen der demokratischenOpposition zum Sieg verholfen haben sondern daszlig er alleinvermutlich durch sein Anstimmen des Deutschlandliedes vomBalkon des Dresdner Rathauses unter Miszligachtung der Haydn-schen Melodie -Honecker verjagt und die Mauer zum Einsturzgebracht haumltte wofuumlr ihm das deutsche Volk diesseits und jen-seits von Elbe und Saale auf den Knien danken sollte Er beruftsich auf den preuszligischen Strategen Moltke der meinte raquoGluumlckhat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tuumlchtigelaquo (womitdieser freilich eingeraumlumt hat daszlig auch dem MittelmaumlszligigenErfolg winken koumlnne) Dagegen empfahl ihm die raquoSuumlddeut-sche Zeitunglaquo schon im Sommer 1990 raquoeher davon zuchen daszlig er einfach Schwein gehabt hatlaquo

Aber Einsicht und Bescheidenheit sind Helmut Kohl we-sensfremd weshalb er auch die glaumlnzende Konjunktur zu An-fang der neunziger Jahre fuumlr das Werk seiner weisen Regierunghielt desgleichen die deutsche Fuszligball-Weltmeisterschaft imSommer 1990 Im Bundestagswahlkampf im Herbst 1990 bot erdiese nationale Erfolgsserie Einheit Aufschwung WMgleichsam im Dreierpack mit dem Aufdruck raquoAlles von Kohllaquoan Die Mogelpackung sollte im nationalen Rausch durchge-hen weil raquodie Maumlnnchen drauszligen im Landlaquo (womit er aber alle

Maumlnner und Frauen meint die auszligerhalb des Kanzler-Bunga-lows leben) so vergeszliglich oder so wenig informiert sind

In Wahrheit war von den Ereignissen in der DDR im Herbstniemand so sehr uumlberrascht worden wie die Kohl-Regie-

rung die dann allerdings die sich ihr so unverhofft bietendeChance eiligst ergriff Innerhalb weniger Wochen waren diemutigen Frauen und Maumlnner die das Honecker-Regime ge-stuumlrzt hatten ruumlcksichtslos vom Platz gedraumlngt und durch einevon Bonn aus an immer kuumlrzerer Leine gehaltene Uumlbergangsre-gierung ersetzt worden Mit Versprechungen Kohls der DDRein unverzuumlgliches Wirtschaftswunder zu bescheren und ihrdurch reichen DM-Segen den Einzug ins Paradies der freienMarktwirtschaft zur reinen Lustpartie werden zu lassen wur-den die Volkskammerwahlen vom 18 Maumlrz 1990 zu einemTriumph jener Blockparteien die vierzig Jahre lang von derSED ausgehalten worden waren und nun ihr Heil bei Kohlamp Co sahen

Damit war der Weg frei fuumlr den Einzug des Groszligen Geldes indie DDR und deren eilige Vereinnahmung Aber der verspro-chene reiche und sofortige Segen blieb natuumlrlich aus Vielmehrmuszligte die Regierung Helmut Kohls so sehr sie dies auch zuvertuschen suchte zunaumlchst einmal fuumlr einen drastischen So-zialabbau sorgen denn natuumlrlich waren und sind die Herrendes Groszligen Geldes vorrangig daran interessiert Profit zumachen und dabei ist all das was sie raquoSozialklimbimlaquo zu nen-nen belieben nur hinderlich

So muszligte die Regierung Kohl jetzt eine wahre Sisyphusar-beit leisten zum einen rasch alles beseitigen was ihren Auf-traggebern laumlstig ist vom Kuumlndigungsschutz uumlber das Aussper-rungsverbot und das bezahlte Babyjahrbis zum letzten betrieb-lichen Kinderhort zum anderen ein immer schnelleres Tempoeinschlagen um Fakten zu schaffen bevor sich diejenigen diedabei auf der Strecke bleiben muszligten uumlber die unvermeidli-chen katastrophalen Folgen der hastigen Vereinnahmung klar-werden konnten

So hieszlig es denn fuumlr Helmut Kohl und seine Ministerriegeimmer neue Ausreden erfinden und Beschwichtigungen ver-breiten beispielsweise behaupten daszlig niemand im Lande zu

befuumlrchten brauche die Zeche bezahlen zu muumlssen Dabei warvon vornherein klar daszlig es gewaltige Summen kosten wuumlrdeOstdeutschland den westlichen Standards anzugleichen alsozum Beispiel das Straszligen- und das Telefonnetz auszubauenWohngebaumlude und Industrieanlagen zu modernisieren und soweiter Auszligerdem konnte sich jeder Einsichtige an fuumlnf Fin-gern abzaumlhlen daszlig sich diese Kosten vervielfachen muszligtenwenn funktionierende Strukturen einfach ruumlcksichtslos zer-schlagen wurden An fruumlhzeitigen Warnungen kompetenterWirtschaftswissenschaftler und auch des damaligen Praumlsiden-ten der Deutschen Bundesbank fehlte es nicht Doch Kohlbehauptete dreist alles lasse sich ohne Steuererhoumlhungenfinanzieren Und damit ihm Kritik nicht hinderlich werdenkonnte beschleunigte er sein Tempo

Nach dem Willen Kohls und seiner Geldgeber verwandeltensich die Laumlnder der DDR in eine Art raquoKronkolonie Ostelbienlaquoso Jens Reich als Sprecher der demokratischen Buumlrgerbewegun-gen in der damals neu gewaumlhlten Volkskammer wo sie rasch indie Opposition gedraumlngt wurden

Die Rolle der Gounverneurin durfte nach der Ermordungdes ersten Praumlsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwed-der die CDU-Politikerin Birgit Breuel uumlbernehmen KohlsVertraute gerantierte fuumlr die Anwendung fruumlhkapitalistischerMethoden der Ausbeutung des Ramsch-Einkaufs von Grundund Boden und des sozialen und kulturellen Kahlschlags

Als wessen Treuhaumlnderin betaumltigte sich Birgit Breuel Galtihre Treue etwa den Genossenschaftsbauern Den Beschaumlftig-ten der Industriebetriebe Dem Volk dem die Betriebe nomi-nell gehoumlrten Oder dem Bundesfinanzminister dem CSU-Vorsitzenden Theo Waigel dem die Treuhandanstalt unter-stellt ist

Genossenschaftsbauern wurden aumlhnlich verdraumlngt wie Indu-strie-Beschaumlftigte Das Volkseigentum wurde privatisiert undder Bundeshaushalt zog aus den Verkaumlufen keinen Gewinnsondern die Treuhandanstalt erwies sich als Weltmeisterin imSchuldenmachen In dreieinhalb Jahren vermehrte sie die Bun-desschulden um die mit keinem Hochgebirge der Welt mehr zuveranschaulichende Summe von Milliarden Mark

dem es der Regierung des Dr Kohl in Bonn schon gelungenwar die 1982 bei der raquoWendelaquo uumlbernommenen Bundesschul-den auf mehr als das Doppelte anwachsen zu lassen

Als Folge des Vernichtungswerks der raquoTreuhandanstaltlaquoliegt Ostdeutschlands Wirtschaft vier Jahre nach dem Fall derMauer am Boden etwa auf dem Niveau eines Entwicklungslan-des wie Sri Lanka Nur noch etwa drei Prozent steuerten 1992die neuen Laumlnder zur deutschen Industrieproduktion beiOhne Ruumlcksicht auf die Beduumlrfnisse der Menschen wurde alleszerschlagen was dem Groszligen Geld beim Einzug in Ost-deutschland als hinderlich oder unbrauchbar erschien und dieAnstalt belohnte diejenigen denen sie das DDR-Volkseigen-tum uumlbereignete noch mit uumlppigen Zusatzgeschenken DieKonditionen der Uumlbereignungsvertraumlge zum Beispiel Freistel-lung der Erwerber von Verpflichtungen und Risiken wurdenvon der Breuel-Anstalt in manchen Faumlllen so guumlnstig gestaltetdaszlig der Buumlndnis 90-Abgeordnete Ulrich-Karl Engel im Landtagvon Sachsen-Anhalt dafuumlr nur diese Erklaumlrung fand raquoOrgani-sierte Kriminalitaumlt beginnt im Nadelstreifenlaquo Nach alarmie-renden Feststellungen des Bundesrechnungshofes und nachEinleitung etlicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfah-ren sah schlieszliglich Ende 1993 der Bundestag Anlaszlig einen Treu-hand-Untersuchungsausschuszlig einzusetzen

Angesichts der von dieser Behoumlrde hinterlassenen Schuldendie noch kuumlnftige Generationen belasten werden wandte sichder Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Gerald Thal-heim gegen raquopolitische Legendenbildunglaquo in Bonn raquoDort wirdausschlieszliglich die sozialistische DDR-Miszligwirtschaft fuumlr die-heutige Lage verantwortlich gemachtlaquo

Gerade im raquoSuperwahljahrlaquo 1994 wird die Regierungspropa-ganda krampfhaft an dieser Legende festhalten Die Wahrheitaber ist daszlig ein groszliger Teil der Treuhand-Schulden erst nachDDR-Zeiten durch eine raquoAufbau-Politiklaquo entstand mit der vielzerstoumlrt aber wenig aufgebaut wurde

Wem so fragten wir galt die Treue der Treuhand-Praumlsiden-tin Wo ist sie verwurzelt

Birgit Breuel Kohls Statthalterin fuumlr den Osten ist Tochterund Erbin des Hamburger Bankiers Alwin Muumlnchmeyer der

jahrzehntelang Boszlig des Bankhauses Schroumlder MuumlnchmeyerCo war All seine Amter in Vorstaumlnden Aufsichtsrauml-

ten und Beiraumlten aufzuzaumlhlen fehlt hier der Platz Erwaumlhnunggebuumlhrt aber zumindest der Tatsache daszlig die deutschen Ban-kiers als es galt den Praumlsidenten des Bundesverbandes derdeutschen Banken zu waumlhlen dieses Amt Alwin Muumlnchmeyerantrugen der es jahrelang ausuumlbte An der Hamburger

ist es kein Geheimnis Der ganze Ehrgeiz von TochterBirgit war es seit eh und je diesem Vater zu beweisen daszlig sieseiner wuumlrdig sei eine nicht nur sondern 150prozentigeSachwalterin des Groszligen Geldes

Privatisierung oder raquoEntstaatlichunglaquo wie sie es gernnennt war und blieb immer das Hauptbestreben der CDU-Politikerin zuerst in der Hamburger Buumlrgerschaft dann in dervon Ernst Albrecht geleiteten niedersaumlchsischen CDUFDP-Regierung der sie zwischen 1978 und 1990 anfangs als Wirt-schafts- spaumlter als Finanzministerin angehoumlrte In vielenReden und Schriften stritt sie wacker gegen Subventionen vorallem bei der CDU-Mittelstandsvereinigung zu deren nieder-saumlchsischen Landesvorsitzenden sie sich waumlhlen lieszlig Mittel-staumlndischen Unternehmern redete sie ein es vertrage sichnicht mit den Prinzipien der Marktwirtschaft wenn sich derStaat um die Wirtschaft kuumlmmere und deswegen duumlrften sieauch unter keinen Umstaumlnden Subventionen beanspruchenGroszligunternehmen dagegen wurden unter Breuels Minister-Verantwortung in Niedersachsen reichlich mit Subventionenbedacht beispielsweise das zum Roumlchling-Konzern gehoumlrendeRuumlstungsunternehmen Rheinmetall dem sie ein groszligenteilsmit oumlffentlichen Mitteln finanziertes Zentrum zur Entwicklungneuer Kriegswaffentechniken bauen lieszlig

Bereits 1979 formulierte Birgit Breuel ein umfassendes Priva-tisierungsprogramm das wie sie verhieszlig zu einem raquoMehr anindividueller Freiheitlaquo fuumlhren werde Das Programm nannteSchlachthoumlfe und kommunale WohnraumvermittlungsstellenSportstadien und Verkehrseinrichtungen Krankentransportund Muumlllabfuhr Kuumlchen in Kliniken und Reinigungsdienstefuumlr Schulen oder fuumlr Behoumlrden -wobei es sich guumlnstig traf daszligsich der niedersaumlchsische Landesvorsitzende des CDU-Wirt-

schaftsrats Hartwig Piepenbrock mit seinem groszligen Gebaumlude-reinigungsunternehmen das dann schnell noch viel groumlszligerwurde fuumlr solche Aufgaben bereithielt meist mit stunden-weise beschaumlftigten Frauen unter schlechteren Arbeitsbedin-gungen mit niedrigeren Loumlhnen und unzureichenden Soziallei-stungen

Es gehe aber nicht allein um Kostenguumlnstigkeit erlaumlutertedie niedersaumlchsische Ministerin in ihrem Programm Die Uumlber-tragung oumlffentlicher Aufgaben auf private Traumlger koumlnne auchdann in Betracht kommen private Leistungserstellungteurer ist als die verwaltungseigenelaquo Hier muumlsse raquodas Gebotder Sparsamkeit gegen das ordnungspolitisch erstrebte Zielabgewogen werdenlaquo - und dieses Ziel hieszlig eben Privatisie-rung

Ausdruumlcklich erlaumluterte die niedersaumlchsische Ministerindaszlig manche Leistungen raquoin der Regel nicht kostendeckenderstellt werden koumlnnen (zum Beispiel Theater MuseenSchwimmbaumlder)laquo Diese Einsicht hinderte sie nicht sich auchfuumlr die Privatisierung von Theatern Museen Schwimmbaumldernwie auch von Schulen Universitaumlten und Postaumlmtern einzuset-zen raquoNotfallslaquo meinte sie in ihrem Programm muumlsse dieoumlffentliche Hand raquoZuschuumlsse gewaumlhrenlaquo

Nach Birgit Breuels Verstaumlndnis sollen sich also die Aufga-ben des Staates nicht aus allgemeinen Beduumlrfnissen herleitensondern aus den Gewinninteressen einzelner denen sie letzt-lich alles was der Allgemeinheit gehoumlrt zuschieben willraquoSelbst bei der Steuerverwaltunglaquo schrieb sie koumlnne sie sichraquoin wesentlichen Teilen eine privatwirtschaftliche Struktur vor-stellenlaquo

In Niedersachsen konnte die Bankierstochter jedoch mitihren Kampagnen gegen raquouumlberzogene Sozialstaatlichkeitlaquo undihren Tiraden gegen die Gewerkschaften (raquoVater Staat ist gefor-dert sein wachsames Auge und wenn noumltig seine strafendeHand gegen die Organisationen der Arbeitnehmer zu richtenlaquo)noch wenig ausrichten Die zur Privatisierung ausersehenenAbteilungen von Krankenhaumlusern und Stadtverwaltungenwehrten sich kraumlftig und Putzfrauen sowie Friedhofs-gaumlrtner lieszligen durch ihren Widerstand manchen Breuel-Plan

scheitern Und als die CDU-Politikerin im von ihr geleitetenWirtschaftsministerium eine Botenstelle teilen wollte unter-sagte ihr das eine Einigungsstelle unter Vorsitz des hannover-schen Landgerichtspraumlsidenten Birgit Breuels Job-sharing-Modell haumltte die Stelleninhaber mit einem halbierten Boten-Gehalt an die Sozialhilfegrenze rutschen lassen

Unmittelbar nachdem 1990 die niedersaumlchsischen Waumlhlerin-nen und Waumlhler die Regierung Albrecht abgewaumlhlt hatten fandBirgit Breuel mit dem Segen des Kanzlers und derer denen eres immer recht machen will ihre neue Verwendung als Vor-standsmitglied und bald als Praumlsidentin der TreuhandanstaltNun konnte sie sich endlich als raquoEntstaatlicherinlaquo austobenwie sie es sich in ihrem Programm von 1979 gewuumlnscht hatteEifriger Mittaumlter im Vorstand war von 1991 bis 1993 GuumlntherRexrodt (FDP) jetzt Kohls Wirtschaftsminister

Wer warum welche ehemaligen DDR-Betriebe uumlbernehmendurfte ist ein Raumltsel das wohl auch der vom Bundestag aufDraumlngen der Opposition eingesetzte Untersuchungsausschuszlighoumlchstens partiell wird loumlsen koumlnnen Nehmen wir als Beispieldie Eisen- und Huumlttenwerke in Thale wo in DDR-Zeiten fast7 000 Menschen arbeiteten Dieser Betrieb der einst zwei juumldi-schen Familien bis zu deren Verdraumlngung durch die Nazis ge-houmlrt hatte repraumlsentiert allein schon durch seine Lage aufeinem groszligen Areal inmitten der Stadt Thale einen betraumlchtli-chen Wert-ganz abgesehen von den teilweise noch in den acht-ziger Jahren mit westlichen Maschinen modernisierten Produk-tionsstaumltten

Fuumlr Sanierungsmaszlignahmen und als Liquiditaumltshilfen zahltedie Treuhandanstalt Zigmillionen Das Land Sachsen-Anhaltgab Buumlrgschaften Das Eigentum wurde ohne daszlig sich dieAnstalt lange mit Anspruumlchen der juumldischen Vorbesitzer auf-hielt einem westdeutschen raquoInvestorlaquo uumlberschrieben DieWahl der Treuhandanstalt fiel auf den durch Waumlhlerentscheidbeschaumlftigungslos gewordenen indessen nicht am Hungertuchnagenden sondern bestens versorgten ehemaligen niedersaumlch-sischen Ministerpraumlsidenten Ernst Albrecht mit dem BirgitBreuel zwoumllf Jahre lang in Hannover zusammen regiert hatteDer Preis den Dr Albrecht zahlen muszligte belief sich auf 1 (in

Worten eine) DM Da er als Kompagnon einen Bremer Rechts-anwalt mit fuumlnf Prozent beteiligte brauchte der hannoverscheCDU-Politiker der jahrelang als stellvertretender Parteivorsit-zender neben Dr Kohl dem CDU-Praumlsidium angehoumlrt hattegenau gesagt nur 95 Pfennig aufzubringen

Angeblich durch ein raquoVersehenlaquo uumlberschrieb ihm die Treu-handanstalt auch ein groszliges Suumldhang-Gelaumlnde im Harz mitBeherbergungs- und Freizeit-Einrichtungen die fruumlher denBeschaumlftigten der Eisen- und Huumlttenwerke und ihren Familien-angehoumlrigen zur Verfuumlgung gestanden hatten Das raquoVersehenlaquowurde nicht etwa korrigiert sondern Firmenchef Albrechtdurfte diese Immobilie alsbald weiterverkaufen fuumlr mehr alsvier Millionen Mark

In einem programmatischen Buch mit dem Titel raquoDer Staatlaquohatte Ernst Albrecht einst beklagt den Deutschen fehle soetwas wie es die Briten in den Kolonien gehabt haumltten und dieUS-Amerikaner im Wilden Westen Nun kann Albrecht an derprivatwirtschaftlichen Erschlieszligung des deutschen Ostens mit-wirken dank Treuhandanstalt die ihn zunaumlchst zum Auf-sichtsratsvorsitzenden der Eisen- und Huumlttenwerke Thaleberief und ihn dann zum Eigentuumlmer machte eine Entschei-dung die auch dann fragwuumlrdig wirkt wenn Albrecht glaub-haft versichert keinen persoumlnlichen Nutzen aus dem Eigen-tum zu ziehen sondern sich mit den Aufsichtsratstantiemenzu begnuumlgen Die Belegschaft in Thale schrumpfte inzwischenauf einige hundert Beschaumlftigte

Im allgemeinen sorgte die Treuhandanstalt dafuumlr daszlig die-jenigen die schon in Westdeutschland monopolartige Wirt-schaftsmacht besitzen diese auf Ostdeutschland ausdehnenkonnten So wurde die Presse Beute westdeutscher Groszligver-lage wie Springer Bauer Burda und Bertelsmann BauerBranchenerster auf dem Markt bunter Wochenblaumltter zweiein-halbfacher Vermoumlgensmilliardaumlr Hauptbeteiligter an Schmutz-Wahlkampagnen der CDUCSU hatte seit langem denWunsch gehabt auch ins Tageszeitungsgeschaumlft einzusteigenwas ihm jedoch in Westdeutschland miszliglang weil hier derMarkt aufgeteilt besetzt also gar kein freier Markt mehr istDie Treuhandanstalt erfuumlllte ihm seinen Wunsch Er erhielt die

ehemalige SED-Bezirkszeitung raquoVolksstimmelaquo in Magdeburgeine der auflagenstaumlrksten deutschen Regionalzeitungen

Westdeutsche Fuumlrsten die nach dem Zweiten Weltkriegdurch die Bodenreform ihre ostelbischen Latifundien verlorenhatten ergreifen nun nach und nach wieder Besitz einige wieder schwerreiche und erzkonservative Philipp Ernst Fuumlrst vonSchaumburg-Lippe zunaumlchst als Paumlchter der TreuhandanstaltAls Ende 1993 die Breuel-Behoumlrde erstmals ein ostdeutschesWald- und Forstgebiet privatisierte schlug sie den 828 Hektargroszligen Forst Schleiz-Langenbuch in Thuumlringen dem hessi-schen raquoInvestorlaquo Franz Alexander Fuumlrst von Isenburg zu

Im Sinne der raquoAlteigentuumlmerlaquo die freilich im Westen laumlngstauf Steuerzahlers Kosten Lastenausgleich erhalten hatten ver-fuhren die Regierung Kohl und die Treuhandanstalt nach demPrinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo- was fuumlr diejenigen dieinzwischen in der DDR gelebt und gearbeitet hatten Wegnah-me ohne Entschaumldigung bedeutet Zu den raquoAlteigentuumlmernlaquodie sich bei der Treuhandanstalt und oumlrtlichen Vermoumlgensaumlm-tern draumlngelten gehoumlrten sofort etliche raquoArisierungslaquogewinnlerler vom Typ unseres alten Bekannten Dr Fritz Ries die geradewegen der Umstaumlnde unter denen sie einst in der Nazi-Zeitjuumldischen Besitz erlangt hatten nach dem Zweiten Weltkrieg inOstdeutschland enteignet worden waren Die Klaumlrung vonEigentumsanspruumlchen erwies sich oft als sehr muumlhsam Anungeklaumlrten Vermoumlgensfragen gingen inzwischen viele tausen-de Industrie- Handwerks- und Agrarbetriebe zugrunde Beam-te des Bundesfinanzministeriums entwickelten ein Konzeptwonach Alteigentuumlmer denen ein unerwarteter Gluumlcksfall derGeschichte laumlngst verlorengeglaubte ostelbische Besitztuumlmerbeschert verpflichtet werden sollten eine Vermoumlgensabgabezu zahlen und damit das fuumlr die Entschaumldigung anderereigentuumlmerbenoumltigte Geld aufzubringen Aber die Bonner Re-gierung entschied anders naumlmlich so wie sie es im Dienste desGroszligen Geldes als ihre Aufgabe ansieht Die Vermoumlgendenbrauchen keine Abgabe zu entrichten Fuumlr Entschaumldigungenmuumlssen die Steuerzahler aufkommen -jedoch erst vom Jahre2004 an Die Regierung Kohl plant die weitere Umverteilungvon unten nach oben schon bis ins naumlchste Jahrhundert voraus

In vielen Faumlllen waren westdeutsche Konzerne nur deswe-gen an der Uumlbernahme ostdeutscher Betriebe interessiert weilsie Konkurrenz ausschalten wollten Bekanntestes Beispiel istdie Kaligrube Bischofferode Das von den uumlber 700 Bischoffe-roumlder Bergleuten gefoumlrderte besonders hochwertige Kalisalzwar international nachgefragt bis zur Schlieszligung der GrubeEnde 1993 muszligten Uumlberstunden geleistet werden Ein Kauf-interessent stand bereit der sich gute Gewinne ausrechnenkonnte Doch der Ludwigshafener Chemie-Riese BASF beidem einst der Nachwuchspolitiker Helmut Kohl als Praktikanterste Erfahrungen hatte sammeln duumlrfen setzte sich mit sei-nem Interesse an einem gesamtdeutschen Kali-Monopol durch

Wirtschaftlich gestaltete sich die Eingliederung Ostdeutsch-lands in die Bundesrepublik wofuumlr sich Dr Kohl so gern alsEinheitskanzler feiern laumlszligt im wesentlichen als Eroberung desMarktes und Ausschaltung potentieller Konkurrenz in denneuen Bundeslaumlndern Statt Sanierung ruumlckstaumlndiger Teile derDDR-Wirtschaft Vernichtung von drei Vierteln des dortigenIndustriepotentials preisguumlnstige Aneignung interessanterProduktionskapazitaumlten und Immobilien Privatisierung vonProfiten Verstaatlichung von Verlusten alles zuverlaumlssig prak-tiziert durch die Treuhandanstalt

Die verheiszligenen Investitionen im Osten blieben in allerRegel aus Das lag nicht etwa daran daszlig es in Westdeutschlandan Kapital gefehlt haumltte das in den raquoNeuen Laumlndernlaquo haumltteinvestiert werden koumlnnen Wie wir schon gesehen haben hattesich das Groszlige Geld in den achtziger Jahren gewaltig vermehrtund Anfang der neunziger Jahre machte es noch groumlszligereGewinnspruumlnge Weil Jahr fuumlr Jahr viel mehr eingenommen alsinvestiert wurde staute sich Liquiditaumlt in einem fruumlher unbe-kannten Ausmaszlig raquoDas Liquiditaumltspolster der westdeutschenProduktionsunternehmenlaquo schrieb im Mai 1991 die DeutscheBundesbank sei reichlich bisher noch nie gewesenlaquo Aberdie westdeutschen Konzerne hatten wenig Interesse im Ostenneue Betriebe zu errichten

Ende 1993 legte der Paritaumltische Wohlfahrtsverband gemein-sam mit dem DGB erneut einen raquoArmutsbericht vorlaquo worin ervor allem die Lage in Ostdeutschland untersucht Zur Treu-

handpolitik heiszligt es dort raquoGroszlige Bedeutung fuumlr die Wirt-schafts- und Beschaumlftigungsentwicklung in den neuen Bundes-laumlndern hatte die Politik der Treuhandanstalt ihr kam nachdem Treuhandgesetz primaumlr die Aufgabe zu das volkseigeneVermoumlgen der ehemaligen DDR zu privatisieren und zu ver-werten nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft Diebestehenden Unternehmen sollten so rasch als moumlglich zer-schlagen und in Privateigentum uumlberfuumlhrt werdenlaquo Dagegensei es raquoweder urspruumlngliches Ziel noch bisherige Praxis derTreuhandlaquo gewesen Betriebe raquomit der Zielsetzung einer Erhal-tung von Produktions- und Beschaumlftigungsstandortenlaquo zusanieren Deswegen sei raquoein Groszligteil der zum Zeitpunkt derMaueroumlffnung vorhandenen Arbeitsplaumltze inzwischen verlo-rengegangenlaquo Ergebnis raquoAuf jeweils zwei Beschaumlftigtekommt derzeit in Ostdeutschland ein Erwerbsloserlaquo

1990 im Jahre des raquoBeitrittslaquo der DDR zur BundesrepublikDeutschland hatte die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland

Prozent betragen zwei Jahre spaumlter war sie bereits aufProzent gestiegen in den Bevoumllkerungsgruppen der Alleiner-ziehenden und der bis 64jaumlhrigen sogar schon auf 25 Pro-zent Die Zerschlagung von Betrieben betrifft in besonderemMaszlige auch die Jugendlichen die sich um Ausbildungsplaumltzebewerben 1992 fanden von den im Osten als Bewerber regi-strierten Jungen und Maumldchen nur Prozent einen betriebli-chen Ausbildungsplatz teilweise im Westen Das Defizit ver-groumlszligerte sich 1993 dadurch daszlig sich staatliche Subventionenfuumlr auszligerbetriebliche Ausbildungsplaumltze verringerten

Alleinerziehende gab es in der ehemaligen DDR deutlichmehr als in Westdeutschland Prozent aller Familienhaus-halte Die Untersuchung des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandsfuumlhrt das zuruumlck raquoauf zahlreiche soziale Erleichterungen undVerguumlnstigungen sowie die Tatsache daszlig Alleinerziehende inihrem Status gesellschaftlich akzeptiert warenlaquo- was sich inzwi-schen gruumlndlich geaumlndert hat raquoIm Zuge Vereinigunghaben sich die Rahmenbedingungen fuumlr Allemerziehende imOsten deutlich verschlechtert und das Risiko der gesellschaftli-chen Ausgrenzung und Verarmung dieser Gruppe hat sichebenso deutlich erhoumlhtlaquo

Um zu illustrieren wie tief Kohls Einheitspolitik gerade dieMuumltter in den neuen Laumlndern hat stuumlrzen lassen erinnert derParitaumltische Wohlfahrtsverband in seinem Bericht an die Lei-stungen auf die sie in der DDR Anspruch hatten raquoSo erhieltenMuumltter von zwei und mehr Kindern sowie Alleinerziehendeeinen zusaumltzlich bezahlten Hausarbeitstag pro Monat DerAnspruch auf einen Schwangerschaftsurlaub betrug sechsWochen vor und 20 Wochen nach der Geburt mit einem Ein-kommen in Houmlhe des Nettoverdienstes Daneben konnte nachGeburt des ersten Kindes ein Babyjahr in Form bezahltenUrlaubs bei einer Unterstuumltzung zwischen 65 und 90 Prozentdes Nettoeinkommens genommen werden nach Geburt desdritten Kindes und der folgenden Kinder sogar eineinhalbJahre und bis zu drei Jahren wenn das Kind nicht versorgt wer-den konnte oder krank war Unabhaumlngig von einer Freistellungwurde den Frauen pro Kind ein Jahr bei der Rentenversiche-rung angerechnet ab dem dritten Kind erhoumlhte sich dieZurechnungszeit auf drei Jahre pro Kind Fuumlr die Betreuungkranker Kinder waren je nach Familienstand und Kinderzahlvier bis maximal dreizehn Wochen bezahlter Freistellungs-urlaub pro Jahr moumlglich Zur finanziellen Entlastung von Fami-lien und alleinstehenden Muumlttern trugen weitere Leistungenbei wie ein im Vergleich zur BRD deutlich houmlheres KindergeldUnterhalts- und Ausbildungsbeihilfen und eine Geburtenbei-hilfe in Houmlhe von 1000 Mark Studierende Muumltter hatten An-spruch auf umfassende Unterstuumltzung unter anderem bei derWohnraumversorgung und Kinderbetreuung VertreterInnenvon Familienverbaumlnden gehen davon aus daszlig in der DDR 75bis 80 Prozent aller Kosten die ein Kind von der Geburt biszum 18 Lebensjahr verursacht von Staat und Gesellschaftgetragen wurden gegenuumlber maximal einem Viertel in derBRD Gleichzeitig stand ein umfassendes hochsubventionier-tes und damit fuumlr die Mutter kostenloses Angebot staatlicherKinderbetreuung bei taumlglichen Oumlffnungszeiten zwischen neunund zwoumllf Stunden zur Verfuumlgung das bereits in der zehntenLebenswoche ansetzte und je nach Alter zwischen 81 und 94Prozent der Kinder erfaszligte laquo Hinzu kamen noch ein speziel-

ler Kuumlndigungsschutz fuumlr Alleinerziehende und manche weite-ren Verguumlnstigungen

Obwohl Dr Kohl und sein Sozialminister Dr Bluumlm immerdas Wort raquoFamilielaquo im Munde fuumlhren hatten sie fuumlr sol-

che Errungenschaften nichts uumlbrig und sorgten fuumlr deren Besei-tigung

Von den Ende 1989 in der DDR ausgewiesenen 340 000alleinerziehenden Muumlttern war schon Ende 1991 jede sechsteohne Erwerbsarbeit Das fruumlher in der DDR unbekannteDilemma sich zwischen Beruf und Kind entscheiden zu muumls-sen und die nun rasch angestiegenen Kosten von Mutterschaftund Kinderbetreuung fuumlhrten laut Armutsbericht zu einer ein-deutigen Reaktion raquoFrauen entscheiden sich mit zunehmen-der Tendenz gegen Kinder Die Geburtenrate sank zwischen1989 und 1991 um die Haumllfte Sterilisationen stiegen sprunghaftan ihr Nachweis stellt im Kampf um die raren Arbeitsplaumltzeoffensichtlich einen Konkurrenzvorteil darlaquo Wie vertraumlgt sichdas mit den staumlndigen Bekenntnissen der CDUCSU zumSchutz der Familien mit ihren wuumltenden Attacken gegen dieunter Willy Brandts Kanzlerschaft eingefuumlhrte Liberalisierungdes $218 (Schwangerschaftsabbruch) Die Antwort ist einfachFuumlr die Unionschristen endet die Fuumlrsorgepflicht des Staatesan der Kasse und Unternehmerinteressen haben stets Vorrangvor denen der Lohnabhaumlngigen

Wegen der unzureichenden Foumlrderung von Familien mitKindern steigt in Deutschland die Kinderarmut steil an Der

weist fuumlr 1992 fuumlr Westdeutschland den Anteilder in Armut lebenden Kinder unter 16 Jahren mit Prozentin Ostdeutschland mit Prozent aus Als raquowohnraumunter-versorgtlaquo registriert er Prozent aller westdeutschen und391 Prozent aller ostdeutschen Kinder und Jugendlichen undresuumlmiert raquoKindheit insbesonder in groumlszligeren Familien istin beiden Teilen der Bundesrepublik mit einemauszligerordentli-chen Armutsrisiko verknuumlpftlaquo Jedesmal wenn Kohl und Bluumlmmit reichlich Spucke das Wort raquoFamilljelaquo uumlber die Lippen brin-gen sollen wir ihnen diese Feststellung entgegenhalten

raquoDie Chance im Zuge der Sozialunion eine umfassende So-zialreform einzuleiten um die jeweiligen Staumlrken der beiden

Systeme sozialer Sicherung zu erhalten und die vorhandenenDefizite zugunsten eines umfassenderen und houmlheren Siche-rungsniveaus zu korrigieren ist aus politischen Gruumlnden nichtgenutzt wordenlaquo beklagt der Armutsbericht Und er zaumlhlt vie-les auf was in Ostdeutschland guumlnstiger geregelt war als inWestdeutschland Armut in dem Sinne daszlig arm ist wer weni-ger als die Haumlfte des Durchschnittseinkommens erhaumllt habe esin der DDR wegen der gleichmaumlszligigen Verteilung der Einkom-men auf niedrigem Niveau nicht gegeben zumal die Guumlter desGrundbedarfs stark subventioniert waren In DDR-Zeitenhabe man zwar verdeckte Wohnungsnot gekannt aber keineoffene Obdachlosigkeit Nur neun Prozent der Erwerbstaumltigenin der DDR haumltten keinen Ausbildungsabschluszlig gehabt (gegen-uumlber 19 Prozent in Westdeutschland) raquoBehinderte Menschenwaren in der DDR uumlber verschiedene Schutzvorschriftenwesentlich staumlrker in das Alltagsleben integriert als es dieBestimmungen des bundesdeutschen Schwerbehindertenge-setzes verlangen Die deutsche Einigung ging fuumlr behinderteMenschen mit einer schlagartigen Ausgrenzung aus demArbeitsleben Hinzu kaumlmen jetzt soziale Diskriminie-rungen und eine raquoeklatante Verschlechterunglaquo im Rentenrechtder Behinderten

Pflegebeduumlrftige hatten in der DDR einen individuellenAnspruch auf Pflegegeld den sie durch die Vereinigung verlo-ren Pflegeheimaufenthalt und medizinische Betreuung warengratis Jetzt muumlssen die Pflegebeduumlrftigen selbst zahlen DerWeg ins Heim ist fuumlr die meisten ein Weg in die Sozialhilfe Dasbedeutet auch daszlig Angehoumlrige finanziell herangezogen wer-den -raquoein gravierender Bruch fuumlr ostdeutsche Pflegebeduumlrftigeund ihre Angehoumlrigen nach uumlber 40 Jahren prinzipiellerKostenfreiheit im Gesundheitssystemlaquo Was Pflegebeduumlrfti-gen nach der Waumlhrungsunion auf ihren Sparbuumlchern verblie-ben war wurde ihnen von den Sozialhilfe-Behoumlrden bis aufeinen Restbetrag genommen Weitgehend zerschlagen wurdendie Strukturen der raquoVolkssolidaritaumltlaquo einer in der DDR staat-lich gefoumlrderten Organisation die mit 6 500 Gemeindeschwe-stern vielen weiteren hauptamtlichen und rund 200 000 ehren-amtlichen Kraumlften vor allem fuumlr die ambulante Betreuung von

Pflegebeduumlrftigen zustaumlndig war und zum Beispiel fuumlr symboli-sche 50 Pfennig am Tag denjenigen Essen brachte die nichtselbst kochen konnten Wegen Auslaufens von Arbeitsbeschaf-fungsmaszlignahmen sind jetzt auch die rund 1000 Altenklubs inOstdeutschland in ihrem Bestand gefaumlhrdet

Viel schneller als die Angleichung der Einkommen (1992betrug das durchschnittliche Einkommen pro Person in einemOst-Haushalt Prozent im Verhaumlltnis zum Westen) vollzogsich die Angleichung der Mietpreise Allein im Jahre 1991 stie-gen die Mieten im Osten um das 35- bis Vierfache Inzwischensetzte sich der Anstieg fort einzig aus Spekulationsgruumlndennicht etwa zum Ausgleich fuumlr Modernisierungsmaszlignahmendie bisher meist unterblieben Wegen auflaufender Mietschul-den kommt es zu vielen Raumlumungsklagen So waren allein inMagdeburg Anfang 1993 rund 1900 Raumlumungsklagen anhaumln-gig Obdachlosigkeit entsteht laut Armutsbericht vielfach auchdurch rabiate Methoden alter oder neuer Hausbesitzer diebestrebt sind Wohnungen zu raquoentmietenlaquo Notwendige Ver-besserungen des Wohnungsbestands scheiterten bisher aucham Prinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo in etwa einer Mil-lion Faumllle waren 1993 die Besitzverhaumlltnisse noch nicht geklaumlrtdie uumlberforderten Gerichte und Behoumlrden werden damit wohlnoch Jahre beschaumlftigt sein

Als psychosoziale Folgen dieser Entwicklung nennt derArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB Wachsende Verunsicherung Empfindung von Nichtge-brauchtsein und Leere Gefuumlhle des Ausgeliefertseins und dereigenen Ohnmacht sich ausdehnende Hoffnungslosigkeit undSinnlosigkeit sich verfestigende seelische Probleme (Schlaf-stoumlrungen) Ruumlckzug ins Private und zunehmende politischeUninteressiertheit Empfinden eines grundlegenden Statusver-lustes sich einstellende Inaktivitaumlt und zunehmende Neigungzum Alkoholkonsum Auffaumlllig seien zudem verstaumlrkt auftre-tende Gesundheitsstoumlrungen als Reaktion auf soziale und kul-turelle Ausgrenzung (Auch Kinokarten verteuerten sich raschum 700 Prozent und wurden fuumlr viele unerschwinglich)

Das Versprechen des Kanzlers Dr Kohl daszlig es niemandemschlechter gehen werde erwies sich bald nach der von ihm

gewonnenen Bundestagswahl vom Dezember 1990 als hohlUm so groumlszliger waren die Hoffnungen nach einer Uumlbergangs-zeit von allenfalls drei oder vier Jahren werde es allen Ostdeut-schen besser gehen Doch auch diese Hoffnung erfuumlllte sichnicht Im Gegenteil Fuumlr betraumlchtliche Teile der Bevoumllkerung istein Ende der Abwaumlrtsentwicklung nicht absehbar Im Armuts-bericht von Ende 1993 heiszligt es dazu raquoIn einer Vielzahl vonLebensbereichen droht die Versorgung in den neuen Bundes-laumlndern weit hinter den im Westen der Republik vorhandenenStandards zuruumlckzubleiben Dies gilt vorrangig fuumlr die Versor-gung im Arbeitsmarkt- und Beschaumlftigungssystem Dies giltjedoch auch fuumlr die Versorgung mit Bildungsguumltern mit Woh-nungen und mit Sozial- und GesundheitsdienstleistungenlaquoKommunale Kostentraumlger seien raquoaufgrund ihrer prekaumlrenHaushaltssituation kaum in der Lage die laufenden Kosten fuumlrdie soziale Infrastruktur vor Ort zu bestreitenlaquo Die Autorendes Armutsberichts zitieren Prognosen wonach eine Anglei-chung der Lebensverhaumlltnisse zwischen Ost und West nocheinen Zeitraum von raquomindestens zehn Jahrenlaquo erfordern wirdSie selbst halten es fuumlr raquooffen ob eine solche Angleichung tat-saumlchlich stattfinden oder ob das Beitrittsgebiet nicht vielleichtuumlber einen laumlngeren Zeitraum eine Armutsregion im vereintenDeutschland bleiben wirdlaquo

Halten wir fest Als sich Buumlrgerinnen und Buumlrger der DDRlange entbehrte Freiheiten erkaumlmpften als das SED-Regimezusammenbrach als das uumlble Spitzelsystem des Staatssicher-heitsdienstes beseitigt wurde da handelten die Ostdeutschensouveraumln und der westdeutsche Kanzler hatte auszliger Spruumlchenwenig beizutragen Die Einheit aber inszenierte er dann -nichtohne ostdeutsche Helfer namentlich den Staatssekretaumlr Guumln-ther Krause der spaumlter zur Belohnung zeitweilig Bundesver-kehrsminister sein durfte als groszligen Volksbetrug Betrogenund gedemuumltigt stehen jetzt nicht nur Millionen Ostdeutscheda sondern fuumlr materielle und politische Kosten muumlssen mehrund mehr auch die Westdeutschen aufkommen nicht die Rei-chen die noch viel reicher wurden sondern die Armen Wasder raquoEinheitskanzlerlaquo angerichtet hat ist die tiefe sozialeSpaltung Deutschlands

Mit den raquoSolidarpaktlaquo-Beschluumlssen von 1993 deren Inhaltso zynisch ist wie der Name und mit den raquoSpar- und Konsoli-dierungsbeschluumlssenlaquo fuumlr 1994 wurde zu Lasten der Armen inganz Deutschland tief in die Leistungen des Arbeitsfoumlrderungs-und des Sozialhilfegesetzes eingegriffen Kuumlrzungen des Ar-beitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe des Kurzarbeiter-und des Schlechtwettergeldes Verteuerungen fuumlr die Krankenund andere Zumutungen treiben wie der Praumlsident des Verban-des der Kriegs- und Wehrdienstopfer Behinderten und Sozial-rentner Deutschlands (VdK) Walter Hirrlinger feststellte er-neut raquohunderttausende Menschen und deren Familien in dieArmutlaquo diese Maszlignahmen seien deshalb raquosozial unverant-wortlichlaquo Der Deutsche Kinderschutzbund wies zu Jahres-beginn 1994 darauf hin daszlig in Deutschland inzwischen schoneine halbe Million Kinder in Obdachlosen-Unterkuumlnften lebenDas Resuumlmee im Armutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrts-verbands und des DGB lautet Die von der Regierung Kohlfavorisierte wirtschaftsliberale Strategie der Lastenverteilungbedeute raquodaszlig die Lasten allein von den Arbeitnehmern undSozialleistungsempfaumlngern uumlbernommen werden muumlssenlaquoNach einem Jahrzehnt der Umverteilung zu Lasten der sozialSchwaumlchsten nehme die Zahl der Armen im Westen unveraumln-dert zu und die derzeitige Wirtschafts- und Sozialpolitik lauferaquodarauf hinaus daszlig heute und in den kommenden Jahren dieLasten der Vereinigung vorrangig zwischen den Armen imWesten und im Osten geteilt werdenlaquo Daher sei es raquokaumverwunderlich daszlig die Politikverdrossenheit in der Bevoumllke-rung zunimmtlaquo Obwohl raquodas neue Gesamtdeutschland einesder reichsten Laumlnder der Erdelaquo sei koumlnne diese Politik zurFolge haben raquodaszlig die soziale und politische Stabilitaumlt derBundesrepublik in den neunziger Jahren ernsthaft gefaumlhrdetwirdlaquo

Das Groszlige Geld aber wurde bestens bedient Es konnte sichin Ostdeutschland alles und jedes aneignen was ihm brauch-bar erschien es konnte die dortigen Absatzmaumlrkte in Besitznehmen es konnte seine Gewinne sprunghaft steigern und inengem Zusammenwirken mit der Regierung des Dr HelmutKohl konnte es die wachsende Veraumlngstigung vieler Menschen

auch noch zum Abbau zahlreicher in fruumlheren Jahrzehntenmuumlhsam erkaumlmpfter Arbeitnehmer- und Buumlrgerrechte nutzen

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gelang esden Metall-Industriellen einen geltenden Tarifvertrag auszu-hebeln Mit raquoOumlffnungsklauselnlaquo soll das gesamte Tarifrechtzum Einsturz gebracht die Gewerkschaftsbewegung entmach-tet werden Mit sogenannten raquoBeschleunigungs-laquochungs-laquo und raquoEntlastungsgesetzenlaquo schraumlnkte die von Kohlgefuumlhrte Bonner Koalition wesentliche Mitspracherechte derBuumlrgerinnen und Buumlrger ein so daszlig jetzt uumlber die Koumlpfe vonBetroffenen hinweg aumluszligerst zweifelhafte umweltgefaumlhrdendeGroszligprojekte beispielsweise in der Gentechnik verwirklichtwerden koumlnnen Zur Begruumlndung muumlssen immer wieder dieraquodeutsche oder der raquoStandort Deutschlandlaquo herhaltenDas raquoStandortsicherungsgesetzlaquo und weitere angeblich ausnationalen Interessen notwendige Beschluumlsse tun ein uumlbrigesum die Reichen und Superreichen im Lande von sozial- undrechtsstaatlichen Fesseln zu befreien

Der Verantwortung fuumlr die Folgen dieser Politik entledigtsich der Bund aufs vornehmste indem er sie an die Kommunendelegiert Deren Sache ist es dann fuumlr die explodierende Zahlvon Sozialhilfe-Abhaumlngigen zu sorgen In finanzieller Bedraumlng-nis unter zunehmendem Schuldendruck schlieszligen die Kommu-nen jetzt Theater Buumlchereien und Schwimmbaumlder erhoumlhenKindergarten-Beitraumlge der Eltern ins Unbezahlbare oder fuumlh-ren Gebuumlhren fuumlrs Betreten von Parkanlagen ein Was kuumlm-mertrsquos die Reichen Sie haben private Schwimmbaumlder und koumln-nen rasch nach Mailand oder Monte Carlo fliegen um dort indie Oper zu gehen

raquoDiese neue Regierung ist notwendig geworden weil sich diealte die bisherige Regierung als unfaumlhig erwies gemeinsamdie Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen das Netz sozialer Sicherheitzu gewaumlhrleisten und die zerruumltteten Staatsfinanzen wieder inOrdnung zu bringenlaquo So begruumlndete Dr Helmut Kohl nach-dem er durch den Wortbruch der FDP Kanzler geworden wardie damalige raquoWendelaquo Mehr als ein Jahrzehnt spaumlter ist dieMassenarbeitslosigkeit zur Dauerplage geworden die sichimmer weiter ausbreitet In das Netz sozialer Sicherheit hat dieRegierung des Groszligen Geldes ein Loch nach dem anderengerissen so daszlig mehr und mehr Menschen hindurchfallenUnd die Staatsfinanzen sind so zerruumlttet daszlig noch Generatio-nen zu schuften haben werden um den gigantischen Schulden-berg abzutragen

Daszlig eine neue Regierung notwendig geworden ist wirdjetzt auch in Kreisen der Wirtschaft eroumlrtert und zwar imZusammenhang mit den Folgen der Rezession die 199293viele mittelstaumlndische Unternehmen in rote Zahlen oder ganzin den Ruin gestuumlrzt hat

Die Krise gehoumlrt zum Kapitalismus wie die KonjunkturBeide loumlsen sich regelmaumlszligig ab In der Rezession macht dasGroszlige Geld jedesmal reiche Beute denn was die kleinen undmittleren Unternehmer aufgeben muumlssen krallen sich die gro-szligen Die jeweilige Regierung ist an der Tatsache zyklischer Kri-sen unschuldig Insofern muumlssen wir ausdruumlcklich auch dieRegierung des Dr Helmut Kohl in Schutz nehmen Dochdamit sich der Zorn des Mittelstandes nicht etwa gegen dasGroszlige Geld richtet muszlig in Krisenzeiten die jeweilige Regie-rung als Suumlndenbock herhalten Daher droht Kohl jetzt auchGefahr aus den Kreisen denen er immer treu gedient hat

In der ersten schweren Wirtschaftskrise der Bundesrepublikmuszligte der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard

abtreten in der sogenannten raquoOumllkriselaquo Willy Brandtfuumlr die Krise wurde Helmut Schmidt verantwortlichgemacht Ist jetzt infolge der vierten Wirtschaftskrise seitGruumlndung der Bundesrepublik Helmut Kohl an der ReiheNotfalls werden seine Auftraggeber ihn fallenlassen Abernicht deswegen weil sie mit seiner Politik nicht mehr einver-standen waumlren im Gegenteil Fuumlr sie ist die Hauptsache daszligKohls Politik weitergefuumlhrt wird notfalls auch ohne Kohl

Die Opfer dieser Politik hingegen haumltten davon nur weiterenSchaden In ihrem Interesse kommt es also hauptsaumlchlich dar-auf an daszlig in Bonn endlich eine grundlegend andere Politikeingeleitet wird eine Politik die auf soziale Gerechtigkeit ori-entiert ist auf mehr Demokratie auf Schutz der Menschen-rechte und Schutz der natuumlrlichen Lebensgrundlagen

Mit einem bloszligen Austausch des Personals in Bonn ist esnicht getan Er ist ohnehin laumlngst im Gange Immer schnellerdreht sich das Personalkarussell Insgesamt 20 Minister sindseit 1982 aus den von Helmut Kohl gefuumlhrten Bundeskabinet-ten vorzeitig ausgeschieden Anfangs geschah das selten inzwi-schen immer haumlufiger 1992 traten vier Minister zuruumlck 1993fuumlnf darunter Juumlrgen Moumlllemann (FDP) nach seiner Brief-bogenaffaumlre und Guumlnther Krause (CDU) nach seinen diversenAutobahnbau- Raststaumlttenkonzessions- Umzugs- und Putz-frauenaffaumlren

Auch in den unionsgefuumlhrten Laumlnderregierungen in West-deutschland sind es noch zwei in Ostdeutschland (Berlin ein-geschlossen) fuumlnf - broumlckelt es Bayerns Ministerpraumlsident MaxStreibl (CSU) stolperte uumlber die Amigo-Affaumlre In Baden-Wuumlrt-temberg muszligte Lothar Spaumlth unter dem Verdacht der Bestech-lichkeit abtreten und sein Nachfolger muszligte weil die FDPbei der Landtagswahl durchfiel mit der SPD koalieren Spaumlthwurde dann zum Trost aumlhnlich wie sein abgewaumlhlter nieder-saumlchsischer Amtskollege Ernst Albrecht von der Treuhandan-stalt mit dem Aufsichtsratsvorsitz eines fruumlher volkseigenenUnternehmens betraut In Sachsen konnte sich der Schwieger-sohn von Konsul Dr Fritz Ries Prof Dr Kurt Biedenkopf als

Ministerpraumlsident fest etablieren Aber in Thuumlringen Mecklen-burg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sah sich die CDUschon nach kurzer Zeit zur Auswechslung der von ihr gestelltenRegierungschefs gezwungen in Sachsen-Anhalt inzwischensogar zweimal Beim zweiten Male muszligte gleich das ganzeKabinett umgebildet werden Mehrere westdeutsche CDU-und FDP-Politiker die in Magdeburg als Minister eingesetztworden waren um die raquoOssislaquo fachmaumlnnisch in demokratischeRechtsstaatlichkeit einzuuumlben hatten zusaumltzlich zu ihrenziellen Amtsbezuumlgen raquoBesitzstandswahrunglaquo beansprucht undzu diesem Zweck unter anderem fruumlhere EisenbahnfreikartenTagegelder Aufsichtsratstantiemen Vortragshonorare steuer-freie Kostenpauschalen oder den Geldwert der Gratisbenut-zung eines Dienstwagens anrechnen lassen So hatte sich zumBeispiel der fruumlhere Fachhochschullehrer und Europaparla-mentarier Werner Muumlnch aus dem niedersaumlchsischen Vechtazum Spitzenverdiener hochgerechnet so dreist daszlig er sichals der Landesrechnungshof nachzurechnen begann nichtmehr im Amt halten konnte Eine Schluumlsselrolle in der Zula-gen-Affaumlre spielte der Staatssekretaumlr im Magdeburger Finanz-ministerium Eberhard Schmiege den Muumlnch dort eingesetzthatte Bis 1990 hatte Schmiege unter Ministerin Birgit Breueldie Haushaltsabteilung des niedersaumlchsischen Finanzministeri-ums geleitet Kaum waren diverse Minister ausgewechseltabtreten muszligte zum Beispiel Sozialminister Werner SchreiberBundesvorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse der an sichselbst besonders sozial gedacht hatte - da stellte sich herausdaszlig auch Schmiege und die anderen dreizehn Staatssekretaumlrestattliche raquoAmtszulagenlaquo kassiert hatten

Solche Affaumlren lieszligen sich propagandistisch allzu schlechtmit Bescheidenheits- Spar- Opfer- und Solidaritaumltsappellender raquoWendelaquo-Koalition an die Bevoumllkerung vereinbaren Aucharglose gutglaumlubige bisherige CDU-Waumlhlerinnen und -Waumlhlerschaumlrften inzwischen ihr Gehoumlr fuumlr die zynischen Untertoumlne inKohl-Reden Beispiel die Rede des Kanzlers am 21 Oktober1993 im Bundestag die nur als Verhoumlhnung der Opfer seinerPolitik der nunmehr (ohne statistische Tricks gerechneten)mehr als fuumlnf Millionen Arbeitslosen verstanden werden

konnte raquoWir koumlnnen die Zukunft nicht dadurch sichern daszligwir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisie-renlaquo toumlnte Dr Kohl Zugleich propagierte der Chef derraquoWendelaquo-Koalition die Ruumlckkehr zur 40-Stunden-Woche unddie Abschaffung von zwei Feiertagen Beides zusammenge-nommen wuumlrde die Arbeitslosenzahl in Deutschland noch-mals um nahezu eine Million hochschnellen lassen

Der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes hat zur Genuumlgegezeigt wie man einen Staat ruiniert Er ist reif zur Abloumlsungdie aber schwerlich gelingen kann wenn viele Waumlhlerinnenund Waumlhler verbittert zu Hause bleiben und besonders gefaumlhr-lich wuumlrde es wenn sie ihr Heil rechtsauszligen suchen wuumlrdenNotwendig ist jetzt eine selbstbewuszligte Antwort des betroge-nen Volkes

Um es zu einem solchen demokratischen Urteil nicht kom-men zu lassen versuchen die Bonner Regierenden und ihreHintermaumlnner mit Hilfe ihres Propaganda-Apparats die Waumlh-lerinnen und Waumlhler irrezufuumlhren und einzuschuumlchtern Ex-perten dafuumlr sind der CDUCSU-Fraktionsvorsitzende imBundestag Wolfgang Schaumluble Innenminister Manfred Kan-ther Finanzminister Theo Waigel und ihre Verbuumlndeten in derSpringer-Presse Nach der Methode raquoHaltet den wollensie Angst und Zorn die sich in der Bevoumllkerung angestauthaben ausgerechnet auf diejenigen Menschen lenken dieschon ganz unten gelandet sind auf die Opfer denen es amschlechtesten geht auf die Sozialhilfeempfaumlnger die pauschalverdaumlchtigt werden Sozialleistungen zu miszligbrauchen auf diemit ihrer duumlrftigen Habe in Haumlusernischen kampierendenObdachlosen denen vorgeworfen wird sie stoumlrten das Stadt-bild auf Ausgegrenzte die im Alkohol letzte Zuflucht suchenoder auf Auslaumlnder Beispiel die generalstabsmaumlszligig geplanteKampagne des zeitweiligen CDU-Generalsekretaumlrs (jetzt Bun-desverteidigungsministers) Volker Ruumlhe gegen das Asylrecht

Als die sozialen Folgen der hastigen DDR-Vereinnahmungspuumlrbar wurden luden die CDUCSU und die publizistischenWegbereiter ihrer Politik zu denen an erster Stelle der Springer-Konzern gehoumlrt den Asylbewerbern die Schuld auf Wohn-raum wurde knapp am wenigsten durch Asylbewerber weit

mehr durch Aussiedler und Uumlbersiedler die jetzt nicht mehrUumlbersiedler genannt und uumlberhaupt nicht mehr registriert wer-den (aber es sind immer noch jaumlhrlich Hunderttausende) ammeisten aber durch die katastrophale Bonner Wohnungspolitikdie immer mehr Wohnraum von unten nach oben umverteiltDieses soziale Problem wurde nun ins Nationalistische ge-dreht Springers BILD-Zeitung beteiligte sich daran mit Schlag-zeilen wie raquoMiethai kuumlndigt Deutschen fuumlr Asylantenlaquo Manbedenke daszlig BILD gewoumlhnlich nicht dazu neigt Hausbesitzerals Miethaie zu bezeichnen In diesem Zusammenhang abergeschah es als Mittel zum Zweck die Leserinnen und Leser zuaumlngstigen eine Verdraumlngung durch Fluumlchtlinge als akute Be-drohung vorzuspiegeln und auf solche Weise Aggressionenanzustacheln

Im Sommer und Herbst 1991 brachte dieses Blatt (gedruckteAuflage etwa fuumlnf Millionen Exemplare) eine Serie uumlber raquoDieAsylantenlaquo Dort war beispielsweise zu lesen raquoStellen Sie sichdiesen Fall vor Ein Mann klingelt bei Ihnen moumlchte herein-kommen Der Mann sagt daszlig er maumlchtige Feinde habe dieihm ans Leben wollen Sie gewaumlhren ihm Unterschlupf Dochschnell stellen Sie fest Der Mann wurde gar nicht verfolgt erwollte nur in Ihrem Haus leben Und Er benimmt sich sehrsehr schlecht Schlaumlgt Ihre Kinder Stiehlt Ihr Geld Putzt sichseine Schuhe an Ihren Gardinen Sie wuumlrden ihn gerne los Siewerden ihn aber nicht los Deutsche Asyl-Wirklichkeit 1991laquo

Parallel zur BILD-Serie mit gleicher Stoszligrichtung setztehe seine Kampagne in Gang Er schrieb an alle Untergliederun-gen der CDU raquoIch bitte Sie in den Kreisverbaumlnden in denGemeinde- und Stadtraumlten den Kreistagen und Laumlnderparla-menten die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPDdort herauszufordernlaquo Ruumlhe lieferte mit diesem Rundschrei-ben Argumentationsleitfaden Vorlagen fuumlr Antraumlge und Anfra-gen in Kommunal- und sonstigen Parlamenten sowie eineMuster-Presseerklaumlrung Zum Beispiel sollte landauf landabgefragt werden ob Asylbewerber etwa in Hotels untergebrachtseien was das kosten koumlnne und ob Auslaumlnder womoumlglichzuviel staatliche Unterstuumltzung in Anspruch naumlhmen und soweiter

Der SPD-Vorstand prangerte diese Kampagne in einer uumlber-zeugenden Broschuumlre an Unter der Uumlberschrift raquoGrundrechtauf Asyl Das anstaumlndige Deutschland zeigt Flaggelaquo hieszlig es amSchluszlig der Broschuumlre raquoEiner Aumlnderung des Grundgesetzesstimmt die SPD nicht zu laquo Doch nach einigen Monaten gab derParteivorstand der Sozialdemokraten der Kampagne nach DieBroschuumlre wurde nicht weiterverbreitet Ein Teil der SPD-Frak-tion im Bundestag stimmte der Grundgesetzaumlnderung zu undverhalf ihr damit zur Zweidrittelmehrheit

Die Kampagne hatte noch einen zweiten Effekt den der Prauml-sident des Bundesamtes fuumlr Verfassungsschutz Eckart Werthe-bach folgendermaszligen beschreibt raquoHier wurde ein Ackerbestellt auf dem der Rechtsextremismus seine fremdenfeindli-che Ernte noch auf geraume Zeit einfahren wirdlaquo (raquoDie Weltlaquo30 November 1993) Das ist offenkundig Die Propaganda fuumlrdie Aushebelung von Grund- und Menschenrechten ermun-terte Neonazis zur Gewalt Nach Angaben des Vorsitzendender Vereinigung raquoGegen Vergessen fuumlr Demokratielaquo HansJochen Vogel kamen innerhalb von gut zwei Jahren bis Herbst1993 durch 4761 rechtsextremistische Gewalttaten in Deutsch-land 26 Menschen ums Leben und 1783 wurden verletzt

wurden Anschlaumlge auf Asylbewerber-Wohnungen ver-uumlbt 209mal auf juumldische Einrichtungen 13mal wurden KZ-Gedenkstaumltten geschaumlndet (raquoDie Zeitlaquo 5 November 1993)

Den Kanzler der raquogeistig-moralischen Erneuerunglaquo kuumlm-merte das wenig Neonazi-Aufmaumlrsche wie in Rostock undFulda auch die Ermordung tuumlrkischer Frauen und Kinder inMoumllln und Solingen durch neonazistische Brandstifter tat er abals waumlren sie kaum der Erwaumlhnung wert Von den Orten derUntaten hielt er sich fern und er vermied es auch an den Trau-erfeiern teilzunehmen was er durch seinen Regierungsspre-cher damit begruumlnden lieszlig daszlig er raquoBeileidstourismuslaquo ab-lehne (Bei Trauerfeiern fuumlr ermordete Industriemanager hatteer nie gefehlt auch nicht bei der Trauerfeier fuumlr einen in Kam-bodscha ermordeten Bundeswehr-Feldwebel und der patheti-sche Staatsakt zu dem er den damaligen US-PraumlsidentenRonald Reagan vor den Graumlbern von SS-Maumlnnern auf demFriedhof von Bitburg noumltigte erregte Aufsehen in aller Welt)

Systematisch bemuumlhte sich die Bundesregierung denRechtsextremismus herunterzuspielen So verbreitete das Bun-desinnenministerium eine Studie unter dem Titel raquoHat Rechts-extremismus in Deutschland eine Chancelaquo Sie kam zu demErgebnis raquodaszlig Rechtsextremismus in Deutschland bedeutungs-los istlaquo Seine Bedeutung so hieszlig es dort raquoscheint nur in denVorstellungen seiner Gegner zu liegenlaquo Das raquorechtsextremisti-sche Schreckbildlaquo diene den Antifaschisten als Mittel zurDestabilisierung der Demokratie erfuhr man aus der BonnerPublikation Zu einem Zeitpunkt als die Blutspur des braunenTerrors gegen Fluumlchtlinge aber auch gegen Behinderte undandere Minderheiten laumlngst nicht mehr zu uumlbersehen war sug-gerierte die Studie (Verfasser Prof Dr H H Knuumltter) derRechtsextremismus sei kaum mehr als eine bloszlige Behauptungder Antifaschisten die eigentliche Gefahr liege im Antifaschis-mus Aumlhnlich leugnete Generalbundesanwalt Alexander vonStahl (FDP) bevor er uumlber einen Wust von Widerspruumlchen beider Verfolgung mutmaszliglicher RAF-Terroristen stolperte be-harrlich jeden organisierten Terror von rechts und unterlieszligdeswegen auch dessen Bekaumlmpfung obwohl in Neonazi-Grup-pen laumlngst steckbriefartige Dossiers uumlber GewerkschafterGruumlne Jungsozialisten und andere Antifaschisten kursierten

Den Kanzler selbst der seinen Aufstieg den einstigen NazisDr Ries Dr Schleyer und Dr Taubert verdankt interessiertdie Bedrohung von rechts uumlberhaupt nicht Vor Herausforde-rungen sich ernsthaft mit der Nazi-Vergangenheit auseinan-derzusetzen schuumltzt er sich mit der raquoGnade der spaumltenGeburtlaquo Den Opfern des von seinen Mentoren mitbetriebe-nen staatlichen Terrors versagt er ehrendes und mahnendesGedenken indem er sie wie bei der Neugestaltung der raquoAltenWachelaquo unter den Linden in Berlin - einfach unter die raquoOpfervon Krieg und Gewaltherrschaftlaquo subsumiert Zu solchemGedenken koumlnnen dann auch die Traditionsverbaumlnde von SSund Ritterkreuz-Orden aufmarschieren

Zu den raquoRepublikanernlaquo des ehemaligen Waffen-SS-Man-nes Franz Schoumlnhuber zur Deutschen Volks-Union (DVU) desschwerreichen Muumlnchener Verlegers (raquoDeutsche National-Zei-tunglaquo) und Immobilienspekulanten Dr Gerhard Frey und zu

anderen Rechtsauszligen-Gruppen haben CDU und CSU mancheuntergruumlndigen Beziehungen Gelegentlich deckt Frey sie nachdem Tode von Verbindungsmaumlnnern auf denen er dann stolzeNachrufe widmet wie dem einstigen bayerischen Kultusmini-ster und Verfassungsrechtslehrer Prof Dr Theodor Maunz(CSU) oder dem ehemaligen Geheimdienst-Chef ReinhardGehlen In eigens gegruumlndeten Akademien Foren oder in Zeit-schriften wie raquoMutlaquo kommunizieren CDUCSU-Rechte undUltrarechte miteinander Wer mit wem gemeinsame Sachemacht und gegen wen ist da laumlngst keine Frage mehr MichaelGlos Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Bonn sagt es soraquoDie linksradikale PDS und die Gruumlnen sind eine groumlszligereGefahr fuumlr unser Land als die Republikaner und die RechtenlaquoEin Neonazi-Fuumlhrer wie der Hamburger Christian Worchmacht sich solche Ermunterungen sofort zunutze und leistetseinerseits Unterstuumltzung In einem Aufruf fuumlr den saumlchsischenJustizminister Steffen Heitmann (CDU) den Kohl fuumlr das Amtdes Bundespraumlsidenten nominiert hatte schrieb Worch raquoWerwill uns wegen unserer strikten Einstellung zum Auslaumlnder-und vor allem Asylantenproblem noch alsund gtextremistische Minderheitlt disqualifizieren wenn zumin-dest Ansaumltze unserer Vorstellungen selbst vom ersten Mann imStaate oumlffentlich verbreitet werdenlaquo

Wenn CDUCSU-Politiker den raquostarken Staatlaquo propagierenalso den Abbau von Buumlrgerrechten (zum Beispiel durch die Er-maumlchtigung des Staates zur Verwanzung von Privatraumlumen dienicht dadurch harmloser wird daszlig ihr jetzt auch Sozialdemo-kraten zustimmen) und wenn der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende im Bundestag Wolfgang Schaumluble vor Weihnachten1993 sogar vorschlaumlgt bei einer raquogroumlszligeren Sicherheitsbedro-hung im Innernlaquo die Bundeswehr einzusetzen (es gehe darumdurch eine entsprechende Grundgesetzaumlnderung raquodas Hauswetterfest zu machenlaquo erlaumluterte Schaumluble) wenn schlieszliglichder Kanzler und sein jetziger Bundesverteidigungsminister Vol-ker Ruumlhe immer offener fuumlr die Beteiligung deutscher Truppenan Militaumlraktionen eintreten die mit dem Verfassungsauftragder Bundeswehr zur Landesverteidigung nichts zu tun habendann ist das alles ganz im Sinne der Ultrarechten

Fruumlhere Bonner Bekenntnisse zur Friedensstaatlichkeit sindimmer leiser geworden Das Ruumlstungsgeschaumlft hat sich unterder Kanzlerschaft von Helmut Kohl kraumlftig weiterentwickeltund ist auch nach dem Ende der Sowjetunion und des War-schauer Paktes die bis dahin als einzige Bedrohung der Bun-desrepublik und als alleinige regierungsamtliche Begruumlndungfuumlr Bundeswehr und Ruumlstungsausgaben gegolten hatten nichtzum Erliegen gekommen Daimler-Benz gehoumlrt zwar nichtmehr zum Flick-Konzern aber auch jetzt unter der Regie derDeutschen Bank dringt dieses Unternehmen weiterhin aufBonner Milliarden fuumlr Projekte wie den raquoJaumlger 90laquo inzwischenumbenannt in raquoEurofighter 2000laquo Deutsche Waffen im Wertevon mehreren Milliarden Mark werden seit Jahren zum Bei-spiel an die Tuumlrkei und an Indonesien geliefert wo das Militaumlrsie zur blutigen Unterdruumlckung und Ausrottung nationalerMinderheiten verwendet

Laut UN-Waffenregister geht weltweit der Waffenhandelseit einigen Jahren zuruumlck die deutschen Waffenexporte dage-gen nehmen zu In dieser Branche ist Deutschland an diezweite Stelle nach den USA aufgeruumlckt Beim Export von Waf-fensystemen zur Landkriegfuumlhrung (groszligkalibrige ArtilleriePanzer und gepanzerte Kampffahrzeuge) fuumlhrt Deutschland inStuumlckzahlen etwa ebenso viel aus wie Ruszligland FrankreichGroszligbritannien und China zusammengenommen Bei Rake-ten und Raketenwerfern nimmt es bereits die Spitzenstellungein

Mit 18 Milliarden Mark beteiligte sich die auf sozialem Ge-biet so sparsame Bundesregierung am Golf-Krieg mit demder zeitweilige US-Praumlsident George Bush eine raquoneue Weltord-nunglaquo herbeifuumlhren wollte Sie aumluszligerte bei dieser Gelegenheitihr Bedauern daruumlber daszlig das Grundgesetz sie hindere sichauch mit Bundeswehreinheiten zu beteiligen Diese Bedenkenwurden dann bald aufgegeben Inzwischen setzte die Bundes-regierung wiederholt deutsche Militaumlrverbaumlnde auszligerhalb desNATO-Gebietes ein wobei sie sich immer weiter vom grund-gesetzlichen Auftrag der Bundeswehr entfernte Die Expedi-tion von 1500 Bundeswehrsoldaten nach Somalia hatte mitLandesverteidigung nicht das geringste zu tun Zweck war

angeblich die Versorgung indischer UN-Truppen die jedochnie in Somalia auftauchten Einige Wochen vor der Expeditionhatte Minister Ruumlhe noch versichert vor einem solchen Bun-deswehreinsatz werde selbstverstaumlndlich die Zustimmung desBundestages eingeholt Aber dann wartete die Bundesregie-rung ab bis der Bundestag in die Weihnachtsferien 1992193gegangen war Das Parlament erhielt keine Gelegenheit uumlberdiesen ersten Auslandseinsatz einer geschlossenen Einheit seitGruumlndung der Bundeswehr auch nur zu diskutieren Nicht ein-mal der Auswaumlrtige Ausschuszlig wurde unterrichtet Die Kostendes Einsatzes summierten sich innerhalb eines Jahres auf rund300 Millionen Mark wofuumlr wie die Stellvertretende SPD-Vor-sitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul vorrechnete in Deutsch-land jeden Tag eine Kindertagesstaumltte haumltte gebaut werdenkoumlnnen

Bei den europaumlischen Nachbarn und langjaumlhrigen Verbuumlnde-ten der Bundesrepublik waumlchst unuumlberhoumlrbar das Miszligtrauengegenuumlber dem von Kohl regierten Deutschland das sich ehr-geizig reckt um neben den USA zweiter oder gar erster Weltpo-lizist zu werden Wenn der griechische Vize-AuszligenministerTheodoros Pangalos 1994 Vorsitzender des Ministerrats derEuropaumlischen Union Deutschland raquoeinen Riesen mit bestiali-scher Kraft und dem Hirn eines Kindeslaquo nennt dann ist dasnicht als Beleidigung des deutschen Volkes gemeint wohl aberals Charakterisierung der gegenwaumlrtigen Bonner Politik We-sentlichen Anlaszlig zu solchem Miszligtrauen gab das Vorpreschender Bundesregierung bei der Anerkennung Sloweniens undKroatiens als eigenstaumlndige Staaten womit Jugoslawien zer-schlagen und ein furchtbarer Konflikt zwischen den vermischtlebenden Voumllkern angefacht wurde Waffenschmieden wie dieGewehrfabrik Heckler Koch in Oberndorf am Neckar profi-tieren jetzt direkt oder indirekt von dem Krieg aller gegenalle im ehemaligen Jugoslawien

Griechenland muszligte als besondere Provokation die Aner-kennung des eigenstaumlndigen Staates raquoMazedonienlaquo verstehendenn die Masse der Mazedonier wohnt in Griechenland

Auf auslaumlndische Aumluszligerungen des Miszligtrauens pflegt Kohlpatzig mit der Bemerkung zu reagieren daszlig sich dahinter

raquoNeidlaquo verberge Und wenn er an den von Deutschland begon-nenen Zweiten Weltkrieg erinnert wird verbittet er sich jedenVergleich mit dem heutigen von ihm regierten DeutschlandAber niemand anderes als die Bundesregierung ist dafuumlrverant-wortlich daszlig in der Bundeswehr Nazi-Traditionen wachgehal-ten werden daszlig zum Beispiel die raquoDietl-Kasernelaquo in Fuumlssennach jenem Generaloberst benannt ist von dem Hitler sagteraquoDietl hat den Typ des nationalsozialistischen Offiziers geschaf-fen eines Offiziers der nicht weichlich ist im Verlangen undFordern nicht schwaumlchlich im Einsatz der Menschen sondernder genau weiszlig daszlig fuumlr diesen Kampf kein Opfer zu groszlig oderzu teuer istlaquo

Weil nach dem Ende der Sowjetunion und des WarschauerPaktes von einer militaumlrischen Bedrohung des deutschen Terri-toriums keine Rede mehr sein konnte entstand im Januar 1992ein Positionspapier des Bundesverteidigungsministeriumsunter dem Titel und militaumlrstrategischeGrundlagen und konzeptionelle Grundrichtung der Neugestal-tung der Bundeswehrlaquo Darin ist zu lesen raquounter Zugrundele-gung eines weiten Sicherheitsbegriffslaquo koumlnnten raquodie Sicher-heitsinteressen fuumlr den Zweck dieser militaumlrpolitischen Lagebe-urteilunglaquo unter anderem wie folgt definiert werden raquoAuf-rechterhaltung des freien Welthandels und des Zuganges zustrategischen Rohstoffenlaquo Von derartigen Aufgaben der Bun-deswehr steht im Grundgesetz kein Wort

Mit dem Streben nach einer Weltpolizisten-Rolle verbindetsich auch der dringende Wunsch nach einem staumlndigen Sitz imSicherheitsrat der Vereinten Nationen Bei Gruumlndung der UN1945 hatten deren Mitglieder den fuumlnf Hauptsiegermaumlchten desZweiten Weltkrieges das Privileg zugesprochen staumlndig imSicherheitsrat vertreten zu sein dessen zehn andere Mitgliederwechselweise gewaumlhlt werden Damit wurde vor allem die Ver-antwortung dieser fuumlnf Staaten anerkannt eine stabile Nach-kriegsordnung zu schaffen und ein Wiederaufleben des deut-schen Militarismus zu verhindern Es mag jetzt Gruumlnde gebendieses Privileg abzuschaffen Das koumlnnte der Demokratisie-rung der Vereinten Nationen dienen Den gegenteiligen Effektaber haumltte es wenn wie Dr Kohl wuumlnscht der UN-Sicherheits-

rat zu einer Art Weltregierung der wirtschaftlich Maumlchtigstengemacht wuumlrde

Laumlngst ist Deutschland Exportweltmeister Je Beschaumlftigtenist die Exportleistung dreimal so hoch wie in den USA oder inJapan Doch das genuumlgt Kohl und seinen Hintermaumlnnern nochnicht Darum bestehen sie darauf daszlig die Sozialpolitik demangeblichen Erfordernis Deutschlands Position in der Welt-wirtschaft zu staumlrken untergeordnet werden muumlsse

Was hilft es der eingangs erwaumlhnten arbeitslos gewordenenalleinerziehenden Mutter Katrin Krause in Halle an der Saaleund ihrem Kind wenn sich die Regierung des Dr Helmut Kohlimstande zeigt trotz gegenteiliger Verfassungsgebote ein Bun-deswehr-Bataillon in Ostafrika zu stationieren Was wuumlrde esdem unter Druck groszliger Konzerne geratenen mittelstaumlndi-schen Unternehmen in Limburg an der Lahn wo Katrin Krau-ses Vetter Norbert um seinen Arbeitsplatz zu fuumlrchten beginntnuumltzen wenn es Kohl und seinem Auszligenminister dem fruumlhe-ren Geheimdienstchef Klaus Kinkel (FDP) gelaumlnge einenstaumlndigen Sitz im UN-Weltsicherheitsrat zu erlangen

Die unsoziale Auspowerung der eigenen Bevoumllkerungangeblich notwendig zur raquoStandortsicherunglaquo kann fruumlheroder spaumlter genau das Gegenteil bewirken Die Wirtschaft kannmit den Mitteln die sie staumlrken sollen ruiniert werden DieUntauglichkeit der von Kohl Lambsdorff Rexrodt Waigel undBluumlm angewendeten Mittel ist in den USA durch Reagan undBush und in Groszligbritannien durch den Thatcherismus laumlngsterwiesen

Wenn immer mehr Menschen arbeitslos sind weil sie fuumlr dieWarenproduktion nicht mehr gebraucht werden wenn zu-gleich Loumlhne und Gehaumllter stagnieren oder real sinken wennSozialabgaben wachsen und Leistungen gekuumlrzt werden dannsinken zwangslaumlufig Kaufkraft und Absatz Wenn zugleich diearmen Laumlnder der Erde auf Grund ungerechter von den rei-chen Laumlndern diktierter Handelsbeziehungen noch aumlrmer wer-den fallen sie als Absatzmaumlrkte aus Die Industrie stoumlszligt da-durch an Expansionsgrenzen Der Konkurrenzkampf wird haumlr-ter Hauptwaffe in diesem Kampf ist die weitere Absenkung der

Kosten sprich Personalabbau Laumlszligt sich so auf die Dauer diedeutsche Wirtschaft staumlrken

Kohl Waigel Rexrodt beklagen in Deutschland werde zuwenig in Forschung Entwicklung und Berufsbildung inve-stiert Aber sie selbst streichen den Forschungshaushalt zusam-men Solche Widerspruumlche mehren sich und werden zu einerakuten Gefahr fuumlr die wirtschaftliche Entwicklung

Jahrelang versprach der Kanzler den Deutschen die Ge-winne von heute seien die Investitionen von morgen und dieArbeitsplaumltze von uumlbermorgen Seine Politik erlaubte den Un-ternehmen wor allem den groszligen Konzernen gewaltige Ge-winnsteigerungen aber von den Gewinnen wurde nur weniginvestiert und die Investitionen dienten hauptsaumlchlich zurWegrationalisierung von Beschaumlftigten Arbeitsplaumltze wurdenso nicht geschaffen sondern vernichtet Und wenn die Massen-kaufkraft weiter sinkt wenn also noch weniger Waren abgesetztwerden koumlnnen als bisher dann werden noch viel mehr Men-schen arbeitslos werden

Das ist es was wir bei einer Fortsetzung der Politik des DrHelmut Kohl zu erwarten haben Und sein WirtschaftsministerRexrodt qualifiziert durch seine Treuhand-Erfahrungen imPlattmachen hat nun tatsaumlchlich eine Idee wie er Arbeitslosig-keit bekaumlmpfen will durch staumlrkere steuerliche Entlastung rei-cher Leute die Dienstmaumldchen einstellen

Was wir zu erwarten haben ist weitere Privatisierung nachdem Programm von Birgit Breuel trotz solcher niederschmet-ternder Erfahrungen wie mit dem raquoGruumlnen Punktlaquo der allePrinzipien des Umweltschutzes verhoumlhnt und die Verbraucherzusaumltzlich belastet Allerletzte Koalitionsabsicht Anfang 1994Privatisierung von Arbeitsaumlmtern

Die Folgen der bisherigen Umverteilung von unten nachoben sind schon schlimm genug als daszlig diese Politik fortge-fuumlhrt werden duumlrfte Nach zwoumllf Jahren Kohl-Regierung ist esin Deutschland dahin gekommen daszlig Hospitaumller Patientenmit schweren Krankheiten ablehnen weil die Behandlung zuteuer waumlre Und dahin daszlig in den Staumldten die Mieten fuumlr Neu-bauwohnungen das heiszligt fuumlr nach 1948 gebaute WohnungenJahr fuumlr Jahr um rund zehn Prozent steigen waumlhrend die Netto-

Einkommen stagnieren oder sinken Und dahin daszlig immermehr Menschen um uumlberhaupt arbeiten zu koumlnnen gering-fuumlgige Beschaumlftigungsverhaumlltnisse ohne Sozialversicherungs-schutz annehmen (was auch die Einnahmen von Krankenkas-sen und Rentenversicherungen mindert)

raquoFuumlr den weiteren Verlauf der neunziger Jahrelaquo heiszligt es imArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB sei raquodavon auszugehen daszlig sich durch die anhaltendeMassenarbeitslosigkeit und die fehlenden beziehungsweiseauslaufenden Mindestsicherungselemente in der Sozialversi-cherung das Problem der arbeitsmarktbedingten Armut imSinne von Sozialhilfebeduumlrftigkeit zu einem sozialpolitischenProblem ersten Ranges entwickeln wirdlaquo

Aber dieser Fortgang der Geschichte ist nicht zwangslaumlufigIhm muszlig Einhalt geboten werden Und das muumlssen wir selbertun

Selbst im schicken Muumlnchen lebten Ende 1993 bereits140 000 Menschen in Armut 50 000 waren arbeitslos 60 000Familien uumlberschuldet 12 000 hatten keine Bleibe 1200 lebtenauf der Straszlige Angesichts solcher Zustaumlnde machte ein erfah-rener Kommunalpolitiker der fruumlhere Muumlnchener Oberbuumlrger-meister Georg Kronawitter (SPD) folgenden Vorschlag Wennsich der Staat endlich entschlieszlige Einkommen aus Arbeit undaus Vermoumlgen gleichwertig zu besteuern koumlnne er von denSuperreichen mit einer 15prozentigen Sondersteuerjaumlhrlich 60Milliarden Mark holen in zehn Jahren also 600 MilliardenMark Das sei ihnen durchaus zuzumuten erklaumlrte Kronawit-ter denn seit 1970 habe sich das Privatvermoumlgen der Westdeut-schen auf 9492 Milliarden Mark versechsfacht Die Haumllftedavon gehoumlre den oberen zehn Prozent der Haushalte Kleineund mittlere Vermoumlgen beispielsweise derjenigen die sich einHaumluschen vom Mund abgespart oder geerbt haben koumlnntenund muumlszligten von der Sondersteuer freigestellt bleiben (raquoDerSpiegellaquo 22 November 1993)

Dieservorschlag bedeutet Umverteilung andersherum vonoben nach unten Darauf kommt es jetzt an Von Kohl und sei-ner Koalition koumlnnen wir eine solche Abkehr von ihrer bisheri-gen Politik nicht erwarten Was wir von anderen Parteien zu

erwarten haben sollten wir deren Kandidaten eingehend fra-gen Und wir sollten sie ebenfalls an ihrem bisherigen Verhal-ten messen

Am Wahltag ist dreierlei noumltig um die Mehrheitsverhaumlltnissein Deutschland zu aumlndern damit Helmut Kohl seine verhaumlng-nisvolle Politik nicht fortsetzen kann

1 Keine Stimme darf dadurch verloren gehen daszlig Wahlbe-rechtigte der Wahl fernbleiben Wer Politik zu raquodooflaquo oder zuraquoschmutziglaquo findet soll wissen daszlig sie erst wirklich aumlrgerlichund schmutzig wird wenn sich die Verantwortlichen nichtselbst darum kuumlmmern Verantwortlich aber ist jeder und jedeWahlberechtigte Das gilt besonders fuumlr die Jungwaumlhler umderen eigene Zukunft es geht

2 Keine Stimme darf einer Partei gegeben werden die nichteindeutig klargestellt hat daszlig sie gegen Kohl und dessen Poli-tik angetreten ist und keinesfalls mit der CDUCSU ein Regie-rungsbuumlndnis eingehen wird

3 Den Rechtsauszligen-Parteien darf es nicht gelingen in denBundestag einzuziehen Wie einst am Ende der WeimarerRepublik wuumlrden sie sich als Trumpf in der Hinterhand desGroszligen Geldes erweisen

Aber die Bundesbuumlrgerinnen und -buumlrger haben noch mehrMoumlglichkeiten als am Wahltag ihre Stimme abzugeben AlsDemokraten koumlnnen und muumlssen sie zum Beispiel den Mundaufmachen wenn in ihrer Gegenwart soziale menschenverach-tende Parolen aufkommen Das heiszligt Zivilcourage beweisenAuszligerdem hat jede und jeder von uns die Moumlglichkeit imBekanntenkreis Informationen weiterzugeben was um sonoumltiger ist wenn aufwendige Propaganda zu vernebeln ver-sucht was der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes bisher ange-richtet hat Nicht zuletzt gilt es in Mieter- und Verbraucherver-baumlnden in Umwelt- und Friedensinitiativen und vor allem inden Gewerkschaften demokratischen Widerstand gegen ruumlck-sichtslose Ausbeutung und Entrechtung zu leisten

Solche Moumlglichkeiten gibt es nicht nur einmal alle vier Jahresondern jeden Tag

B E RNT E NGE L MANN

Eacute middotreg Eumlsup2 notraquoregnotiquestsup2 raquosup2

Ein deutsches GeschichtsbuchErster Teil

464 Seiten stb 24 NeuausgabeDM

Wir Untertanen ist Engelmanns kritischezutiefst demokratische Darstellung einesJahrtausends deutscher VergangenheitEngelmann schreibt Geschichte vonunten steht auf der Seite des Volkesnimmt dessen Perspektive ein wenn esum die groszligen Maumlnner und ihre ver-meintlich groszligen Taten geht die immermit dem Schweiszlig und dem Blut der

Namenlosen errungen wurden

Bitte fordern Sie das kostenlose Gesamtverzeichnis anSteidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

B E RNT E NGE L MANN

Ucircmiddotsup2 middotsup1 sup1 raquosup1 raquosup2 Icirc raquofrac12 not laquo sup2 frac14 Uacuteregraquomiddot raquomiddotnot

Ein deutsches GeschichtsbuchZweiter Teil

336 Seiten stb 57 NeuausgabeDM 1880

In diesem Buch behandelt Bernt Engel-mann die Jahre zwischen 1918 und 1938

in denen mehr Legenden und Luumlgenverbreitet wurden als je zuvor in einemvergleichbaren Zeitraum raquoim Feldeunbesiegtlaquo raquoKriegsschuldluumlgelaquo raquoSchand-

von Versailleslaquo raquoJudenrepubliklaquoraquoVolk ohne Raumlaquo Engelmann ver-gleicht die Legenden mit dem wasdamals wirklich geschah und entziehtdamit auch den neuen Rechten denBoden fuumlr ihre altbekannten Helden-

denkmaler

Steidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

DO R OT HE E B E C KHARTMUT ME I NE

Eacute iquestshy shy raquoregdeg regraquofrac14middotsup1 raquoreg laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoreg

Wie Reichtum vertuschtund Armut verdrangt wird

240 Seiten gebunden DM 3400

Die Zahl der Arbeitslosen Sozialhilfe-empfaumlnger und Obdachlosen steigtGleichzeitig gibt es immer mehr Reicheund Superreiche In Krisenzeiten mah-nen die politischen und wirtschaftlichenEliten Kuumlrzungen zuallererst bei denkleinen Leuten an Politiker mit fuumlrst-licher Altersversorgung predigen dieAbsenkung des Rentenniveaus gutge-hende Unternehmen Lohnsenkung undArbeitsplatzabbau alte und neue Reichedie Abschaffung der VermoumlgenssteuerDorothee Beck und Hartmut Meine nen-nen Namen und Zahlen Wer sind diefuumlnfzig reichsten Familien in Deutsch-land Was koumlnnen sich Arbeitslose undSozialhilfeempfaumlnger heute noch lei-sten Und sie stellen sich die Frage wieeine Reformperspektive aussehen kanndie wieder mehr Verteilungsgerechtig-keit und sozialen Ausgleich zum Ziel hat

Steidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

Page 5: Bernt Engelmann,

Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnot reglaquomiddotsup2 middotraquoregnot der Untertitel zur ersten Auflagevon Bernt Engelmanns Iacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 mag einigen Lesernzunaumlchst als reichlich uumlbertrieben vorgekommen sein Inzwi-schen ist diese Behauptung laumlngst zur bitteren Realitaumlt gewor-den Im Sinne von Engelmanns Anklage war Helmut Kohl alsKanzler ungewoumlhnlich erfolgreich Bund Laumlnder und Kommu-nen verhoumlkern inzwischen alles was Aussicht hat einenAbnehmer zu finden Laumlngst ist bei den Notverkaumlufen dassprichwoumlrtliche Tafelsilber an der Reihe Was oft genug Genera-tionen vor uns uumlber Steuern Schenkungen und Vererbung zuoumlffentlichem Eigentum anwachsen lieszligen wird jetzt hem-mungslos unter dem harmlos klingenden Begriff raquoPrivatisie-runglaquo zum Zwecke der Schuldentilgung verschleudert Inzwi-schen hat diese Auszehrung des Staates eine derartige Dyna-mik erreicht daszlig die Gestaltungsmoumlglichkeiten der nach unskommenden Generationen gegen Null tendieren Neben einerzerstoumlrten Umwelt werden unsere Schulden sie noch lange anuns erinnern

Ein von der Regierung Kohl gewollt ungerecht gestaltetesSteuersystem sorgt mit dafuumlr daszlig unser demokratischesGemeinwesen immer schneller einem Staatsbankrott entge-gentreibt Stuumlnde Kanzler Kohl an der Spitze eines normalenHandelsunternehmens liefe er Gefahr sich wegen Konkurs-verschleppung strafbar zu machen

Dem Sprecher des Finanzamtes der Taunusgemeinde BadHomburg einem Ort an dem sich besonders viele Millionaumlrebesonders wohl fuumlhlen verdanken wir jetzt die Veroumlffent-lichung einer besonders deprimierenden Bilanz Konnte dieGemeinde 1990 Einkommensteuern in Houmlhe von 439 Millio-nen Mark verbuchen muszligte sie im Jahre 1996 an die Reichendes Ortes noch 3 Millionen auszahlen Anderes Beispiel

Zahlte die weltweit uumlberaus erfolgreich agierende Siemens AGnoch 371 Millionen Mark Gewinnsteuern bekam der

Fiskus keine Mark mehr Und das alles ganz legalunter der Obhut einer Regierung die zwar ein immer lauteresLamento uumlber die leider so leeren Kassen des Staates an-stimmt aber nichts unternimmt um die Uumlberschuldung wenig-stens in Grenzen zu halten Im Gegenteil Die Superreichender Republik die sich ihren gesellschaftlichen Verpflichtungenimmer haumlufiger und immer geschickter entziehen werdenhofiert und umworben waumlhrend ganze Bevoumllkerungsschichtensich in ihrer Existenz unmittelbar bedroht fuumlhlen und der Mit-telstand jener oft unterschaumltzte Kitt einer demokratisch funk-tionierenden Gesellschaft an akuter Schwindsucht leidet

All das geschieht unter Assistenz einer kleinen Klientelpar-tei namens FDP die sich konsequent nach der MethoderaquoNehmt was ihr kriegen koumlnntlaquo von einer Partei der Besserver-dienenden zum Anwalt der Besserkassierenden entwickelt hatObwohl politisch seit geraumer Zeit nichts mehr geht klam-mern sich die Regierungskoalitionaumlre mit der Verzweiflungangeschlagener Boxer an die verbliebene Macht auf die Ver-geszliglichkeit und Resignation des muumlde gewordenen Wahlvol-kes vertrauend

Bernt Engelmann hat das System Kohl schon fruumlh praumlziseanalysiert und in seinen Konsequenzen uumlberzeugend darge-stellt Deshalb ist die Neuauflage seines anlaumlszliglich des Bundes-tagswahlkampfes 1994 erschienenen Buches von bedruumlckenderAktualitaumlt Moumlgen auch wenige Zahlen inzwischen uumlberholtsein so hat Engelmanns Beschreibung einer verhaumlngnisvollenPolitik der nun schon ganze 15 Jahre waumlhrenden Aumlra Kohlnichts an Wirksamkeit eingebuumlszligt Andeutungen sind dagegeninzwischen zur Gewiszligheit geworden Warnungen von der Wirk-lichkeit eingeholt

Engelmann weist in seinem Schwarzbuch nach daszlig derScherbenhaufen Kohlscher Politik nicht der in langen Amtsjah-ren schicksalhaften Haumlufung widriger Umstaumlnde geschuldet istsondern Folge einer systematisch betriebenen Interessenpoli-tik zugunsten der Reichen und zum Nachteil der immer groumlszligerwerdenden Schar Armer und Beduumlrftiger Als Ergebnis dieser

gezielt betriebenen Umverteilung ist die Masse des Geldesendguumlltig wieder bei denen gelandet die schon immer den laut-staumlrksten Anspruch darauf erhoben haben

Bernt Engelmann war stets ein kritischer Begleiter seinerZeit gepraumlgt von historischem Bewuszligtsein Vor allem durchseinen an deutscher Geschichte geschulten Blick hat er stetsaufs Neue das Leben der Leute unten beschrieben und sich sozum Sprachrohr und Anwalt jener gemacht die nicht gelernthaben sich auszudruumlcken und fuumlr ihre Rechte zu kaumlmpfenEngelmann hat durch seine Recherche sehr fruumlh erkannt daszligdas Prinzip der Regierung Kohl auf die Verarmung des Staateshinauslaumluft mit all den Folgen die wir jetzt landauf landabbeklagen Wenn sich inzwischen Vorstaumlnde von Konzernen aufAktionaumlrsversammlungen oumlffentlich bruumlsten trotz hoher Ge-winne in Deutschland keine Steuern mehr zu zahlen ist energi-sche Gegenwehr an der Zeit soweit man unsere Demokratienoch als beste aller Staatsformen und verteidigungswertes Gutbetrachtet

Wenn sich allerdings das notwendige Vertrauen der Buumlrgerdessen jede Regierung bedarf inzwischen nur noch aus der Lei-besfuumllle des Kanzlers und seinem schon ans Wahnhafte gren-zenden Optimismus speist der eine Niederlage nach der ande-ren zu immer neuen Erfolgen umluumlgt ist es um die Politik inunserem Lande miserabel bestellt Und als habe er nicht selbstall die Jahre die Richtlinien der Politik am Standort Deutsch-land bestimmt mahnt er mit einem sich steigernden Brusttonder Empoumlrung die Beseitigung all jener Miszligstaumlnde an fuumlrderen Entstehung er selbst die Verantwortung traumlgt

Bernt Engelmann hat das Ende der Kohl-Zeit nicht mehrerlebt Wir sind verpflichtet diesen laumlhmenden Zustand inden unser Land dank einer unbarmherzigen Politik geraten istmoumlglichst bald zu beenden Kohl hat seine Zeit gehabt ZurAbwendung des Anschluszligkonkurses ist die Auswechslung desGeschaumlftsfuumlhrers zu einer Uumlberlebensfrage im raquoFreizeitparkDeutschlandlaquo geworden

Klaus Staeck

Bernt Engelmann hat die Arbeit am Schwarzbuch 1994 unmit-telbar vor seinem Tod beendet Der Verlag hat sich entschlos-sen das Buch 1998 vier Jahre spaumlter erneut aufzulegen weilKohl seirsquos geklagt der Text nichts an seiner bedruumlckendenAktualitaumlt eingebuumlszligt hat Im Gegenteil Was sich 1994 noch alsgewagte Prognose als provokanter Beitrag zur Bundestagswahlauffassen lieszlig sieht sich nun taumlglich in den Wirtschaftsteilender Zeitungen bestaumltigt So hatte es Engelmann nun auch nichtgemeint als er dem Buch den Untertitel Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnotreglaquomiddotsup2 middotraquoregnot gab die CDUFDP-Koalition gleichwohl Denn dieUmverteilung von unten nach oben die Konservative undLiberale im letzten Wahlkampf zu ihrem Programm machtenhaben sie in der zuruumlckliegenden Legislaturperiode mit bestenKraumlften angepackt Wer heute sagt er habe es damals nichtgewuszligt habe es nicht wissen koumlnnen der lese EngelmannsIacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 -und vermag dann auch zu erahnen was die naumlch-sten vier Jahre bringen koumlnnen wenn sich das Wahlvolk erneutverkohlen laumlszligt

Die in diesem Buch angegebenen Zahlen sind nicht aktuali-siert worden mit Ausnahme der Liste der reichsten Deut-schen die auf einer Zusammenstellung von Dorothee Beckund Hartmut Meine beruht veroumlffentlicht in dem Band

laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoregocirc der im Herbst 1997 im Steidl Verlagerschienen ist Dort findet sich das derzeit aktuellste undumfangreichste Zahlenmaterial zur Verteilung des Reichtumsin der Bundesrepublik

Die Deutschen gelten als reich reicher als ihre Nachbarn vondenen allenfalls die Schweizer sich mit ihnen messen koumlnnenund erst recht im internationalen Vergleich Wie enorm derWohlstand in den alten und neuen Laumlndern ist (oder zu seinscheint) zeigt die amtliche Statistik

Das Geldvermoumlgen der privaten Haushalte (ohne derenHaus- und Grundbesitz Wertsachen und sonstige Vermoumlgens-werte) erbrachte ihnen 1992 etwas mehr als 200 Milliarden DMan Zinsen und Dividenden Das sind grob gerechnet 2500DM jaumlhrliche Einnahmen aus angelegtem Geldvermoumlgen fuumlrjede und jeden im vereinten Deutschland ob Saumlugling oderGreis Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt Ehepaarmit zwei Kindern -hat also laut Statistik zusaumltzliche Jahresein-kuumlnfte von 10000 DM (und im Hintergrund eine angelegteGeldreserve von 180000 bis 200000 DM die diese Zinsenerbringt) ein schoumlnes Zubrot beispielsweise fuumlr einen jun-gen Familienvater der als Beamter mit 1850 DM netto imMonat die Wohnungsmiete in einer Groszligstadt aufbringen undalle Ausgaben der vierkoumlpfigen Familie bestreiten muszlig

Nun wissen wir allerdings daszlig solch ein dem statistischenDurchschnitt genau entsprechender Fall in der Praxis nur ganzselten vorkommt Die allermeisten Arbeitnehmerfamilienhaben naumlmlich keine sechsstelligen Geldreserven und wennbei ihnen von Zinsen die Rede ist so handelt es sich in derRegel um solche die sie fuumlr aufgenommene Kleinkredite undDarlehen seufzend zu zahlen haben

Die Statistik luumlgt dennoch nicht sie wirft nur Arm und Reichin einen Topf Schon ein einziger Bewohner eines Mietshausesvielleicht dessen Eigentuumlmer der uumlber zwei Millionen DMGeldvermoumlgen verfuumlgt schafft im Verein mit den uumlbrigenHausbewohnern einem Dutzend Familien von Habenichtsen

jenen truumlgerischen statistischen Durchschnitt der uns einenallgemeinen Wohlstand vorgaukelt

Wenn wir uns daruumlber im Klaren sind kann uns auch ein wei-teres statistisches Ergebnis nicht mehr taumluschen naumlmlich daszligsich die Ertraumlge der privaten Geldvermoumlgen der Deutschen imLaufe des letzten Jahrzehnts nahezu verdreifacht haben Diesefuumlr uns scheinbar so erfreuliche Tatsache sagt uumlber die Vertei-lung des so stark vermehrten Wohlstands gar nichts aus Siekann beispielsweise bedeuten daszlig nur die ohnehin sehr Wohl-habenden noch um vieles reicher geworden sind die groszligeMehrheit der Unbemittelten aber unveraumlndert arm gebliebenund noch um einige soziale Absteiger vermehrt worden ist Ge-nau dieser Fall ist wie wir noch sehen werden tatsaumlchlich ein-getreten Profitiert von dieser Entwicklung haben im wesentli-chen nur die Herren des Groszligen Geldes

Was ist das eigentlich das raquoGroszlige GeldlaquoDie allermeisten Deutschen gleich ob in Ost oder West

haben davon keine oder nur eine ganz blasse Ahnung JedesMultimillionenvermoumlgen gilt ihnen schon als raquoGroszliges GeldlaquoUnd wenn sie selbst einmal im Lotto gewinnen sollten sagenwir knapp sechs Millionen DM steuerfrei - dann ist das nachMeinung der Freunde und Nachbarn und wohl auch nach ihrereigenen Einschaumltzung bereits das Groszlige Geld

Stellen wir uns nun einmal vor der oder die Gluumlckliche laumlszligtsich den ganzen Lottogewinn bar auszahlen dicke Packen vondruckfrischen Tausendern dazu noch etliche Buumlndel von200- und 100-DM-Scheinen saumluberlich aufgestapelt wobei einMeter Houmlhe jeweils genau einer Million DM entspricht derLottogewinn von knapp sechs Millionen Mark als Banknoten-stapel also vom Fuszligboden bis fast zur Decke der sechs Meterhohen Schalterhalle reicht

Doch so eindrucksvoll der Anblick dieses hohen Stapels auchsein mag als das raquoGroszlige Geldlaquo kann der Banknoten-Turm nochlaumlngst nicht gelten Unsere wirklichen Superreichen koumlnntensolche Vorstellung nur mitleidig belaumlcheln die Dimension die-ses scheinbaren Reichtums waumlre ihnen gar zu winzig

Als das amerikanische laumlngst auch hierzulande in deut-scher Sprache erscheinende Wirtschaftsmagazin raquoForbeslaquo im

Sommer 1990 die 400 reichsten deutschen Unternehmer vor-stellte da gab sich das Blatt mit gewoumlhnlichen Multimillionauml-ren gar nicht erst ab raquoForbeslaquo begann seine Aufzaumlhlung erst imraquoMultimegalaquo-Bereich also bei den mehr als hundertfachenDM-Millionaumlren

Die Summe der Vermoumlgen aller 400 Personen oder Familiendie raquoForbeslaquo vorstellte belief sich damals im Sommer 1990auf rund 200 Milliarden DM das Doppelte dessen was dieRegierung Kohl an Staatsanleihe aufzunehmen gedachte undfuumlr ausreichend hielt die ruinierte Wirtschaft der gerade verein-nahmten DDR zu sanieren und wieder in Schwung zu brin-gen Anders ausgedruumlckt Schon die Haumllfte des Vermoumlgensder 400 reichsten Westdeutschen haumltte nach offizieller Mei-nung gereicht fuumlr uumlber 16 Millionen raquoBruumlder und Schwesterndruumlbenlaquo gesunde wirtschaftliche Verhaumlltnisse zu schaffen

400 Privatvermoumlgen von zusammen 200 Milliarden DMergeben einen durchschnittlichen Reichtum der von raquoForbes1990 vorgestellten westdeutschen raquoSpitzenklasselaquo von je 500Millionen DM Stapelte man diese Summe nach Art des Lotto-gewinns in Banknoten waumlre ein solcher Bargeldturm 500Meter hoch mehr als dreimal so hoch wie der Koumllner Dom

Indessen gab es schon vor vier Jahren als das Wirtschaftsma-gazin die Superreichen der BRD vorzustellen begann nichtwenige deutsche Multimilliardaumlre die ihr Geld houmlher haumlttenstapeln koumlnnen als die Zugspitze (2 963 Meter) houmlher noch alsdas Gipfelkreuz des Mont Blanc (4 810 Meter) ja die mit ihremgebuumlndelten Baren sogar den Mount Everest (8 848 Meter)uumlberragt haumltten Von solchen gewaltigen Houmlhen aus betrachtetsind die Banknotenstapel der Lottogewinner aber auch die derzehn- zwoumllf- oder auch 25fachen Multimillionaumlre eine mit blo-szligem Auge gar nicht mehr wahrnehmbare Bagatelle und damitsollte nun auch klar sein was Geldlaquo wirklich bedeutet

Uumlbrigens seit 1990 sind die Kassen von Bund Laumlndern undGemeinden immer leerer geworden eine Schuldenlast vonastronomischer Houmlhe zwingt die oumlffentlichen Haumlnde zu rigo-rosen Sparmaszlignahmen und der Konjunktureinbruch der zuverzeichnen war (und noch ist) hat fuumlr Millionen Deutscheerhebliche Einkommenseinbuszligen mit sich gebracht (wovon im

einzelnen noch ausfuumlhrlich die Rede sein wird) Der Super-reichtum indessen hat keineswegs gelitten im Gegenteil

Das Groszlige Geld in den Haumlnden einiger deutscher Multimil-liardaumlre hat sich seit 1990 weiter kraumlftig vermehrt Hier nur einBeispiel Deutschlands Reichster der der breiten Oumlffentlich-keit nahezu unbekannte Erivan Haub aus MuumllheimRuhr (Ten-gelmann Kaiserrsquos Plus KD und nicht zuletzt was hierzu-lande nur Preiswert zu bedeuten scheint jedochzugleich die konzerneigene groumlszligte Einzelhandelskette derUSA Atlantic kennzeichnet) wurde im Sommer1990 auf deutlich uumlber sechs Milliarden DM Vermoumlgen taxiertdrei Jahre spaumlter im Sommer 1993 aber bereits auf mehr alszehn Milliarden DM Und so wie bei Haub ist es auch bei denzwei Dutzend anderen Deutschen die 1993 in die raquoForbeslaquo-Liste der raquoHundert Reichsten der Weltlaquo aufgenommen wur-den Ihre gigantischen Vermoumlgen sind in den Rezessionsjahrennicht kleiner sondern noch betraumlchtlich groumlszliger geworden(Eine Liste dieser deutschen Multimilliardaumlre findet sich aufden folgenden Seiten)

Wollten wir die Vermoumlgen der in den internationalen Spit-zenreichtum aufgestiegenen Deutschen durch gewaltige Bar-geldstapel (1 Meter = 1 Million DM) anschaulich machen sohaumltten wir ein Hochgebirgspanorama vergleichbar mit demHimalaya wobei der niedrigste Gipfel 3 400 Meter hoch diedrei houmlchsten gar Zehntausender waumlren houmlher als der houmlchsteBerg unserer Erde

Nachdem wir mit Hilfe dieser in Wirklichkeit ja niemalsvorkommenden gigantischen Banknotentuumlrme eine unge-

vom Groszligen Geld bekommen haben kehrenwir zuruumlck auf den Boden der Tatsachen beispielsweise derBonner Politik Da stellt sich dann heraus daszlig die erdachtenBargeldstapel als Ausdruck der Macht des Groszligen Geldes garnicht so unrealistisch sind wie man meinen koumlnnte

Mitunter nehmen naumlmlich auch bundesdeutsche Superrei-che statt ihres Scheckbuchs Bargeldstapel vorzugsweise solchevon druckfrischen Tausendern stecken davon einige Buumlndel inneutrale Umschlaumlge und uumlberreichen diese dann dem einenoder anderen ihrer Bekannten als Geschenk

Curt Engelhornund Familie Mrd DM

Familie Quandt Beteiligungen Mrd DM

Theo undKarl Albrecht Einzelhandel Mrd DM

Familie Haniel

Familie Merck

Handel Mrd DM

ChemiePharma Mrd DM

Familie Henkel Chemie Mrd DM

Erivan Haubund Familie Einzelhandel Mrd DM

Otto Beisheim GroszlighandelBeteiligungen Mrd DM

Familie Boehringer ChemiePharma Mrd DM

Friedrich Karl Flick jr Beteiligungen Mrd DM

Michael Ottound Familie Versandhandel 765 Mrd DM

FamilieSchmidt-Kuthenbeck Groszlighandel Mrd DM

Rolf Gerling Versicherungen Mrd DM

Familie Schickedanz Versandhandel Mrd DM

Natuumlrlich geschieht dies nicht in aller Oumlffentlichkeit wo-moumlglich vor laufenden Fernsehkameras vielmehr sehr diskretund stets handelt es sich bei den von Superreichen mit solchenGeldgeschenken groszligzuumlgig Bedachten um einfluszligreiche Politi-ker die zwar sehr uumlppige regulaumlre Einkuumlnfte haben aber trotz-dem immer Geld brauchen weil sie kostspielige Wahlkaumlmpfezu fuumlhren haben und fuumlrchten muumlssen nicht wiedergewaumlhlt zuwerden wenn ihnen das Geld ausgeht

Von diesen unterstuumltzungsbeduumlrftigen Politikern erwartendie superreichen Spender der gebuumlndelten Tausendmarkschei-ne dann ihrerseits allerlei Gefaumllligkeiten und diese werdenihnen in aller Regel auch schon bald nach der Gelduumlbergabevon den dankbaren Politikern erwiesen

Indessen sind solche fuumlr die Spender belanglos winzigenfuumlr die Empfaumlnger sehr stattlichen und hochwillkommenenGeldgeschenke meist in Raten von 50000 bis 250000 DMund die im Gegenzug erwiesenen Gefaumllligkeiten beileibe nichtals kriminelle Vergehen etwa als aktive und passive Beste-chung im Sinne der Paragraphen 331 ff des Strafgesetzbuchesgedacht oder zu verstehen Dergleichen kommt nur in wenigerreichen und weniger maumlchtigen Kreisen mitunter vor und wirdwenn es ruchbar wird sehr streng bestraft

Ganz anders liegt der Fall bei uumlppigen Geldgeschenken vonSuperreichen an Mitglieder des Bundeskabinetts und Vorsit-zende von Koalitionsparteien

Erstens wuumlrden bundesdeutsche Multimillionaumlre niemalsgegen Gesetze und Vorschriften verstoszligen wollen Sie wuumln-schen sich vielmehr eine Anpassung der Gesetze und Ausfuumlh-rungsbestimmungen an ihre auf groszlige Gewinne gerichtetenPlaumlne Der eine will beispielsweise ein Gesetz das inlaumlndischeVerkaufserloumlse die er in den USA profitabel anlegen will vonetlichen hundert Millionen Mark Steuern befreit Der andereverlangt eine Lockerung von Umweltschutzbestimmungenwodurch ihm enorme Ausgaben fuumlr die Umruumlstung von Che-mie-werken und Papierfabriken erspart werden Ein Dritterwuumlnscht die Streichung einiger zwar gesundheitsschaumldlicheraber sehr gut verkaumluflicher Chemikalien von einer Verbotslisteund alle gemeinsam fordern die Aumlnderung eines Paragraphen

der bislang die Beschaumlftigten eines indirekt durch Streikgelaumlhmten Werks beguumlnstigt hat also lauter fuumlr Superreicheganz natuumlrliche Verlangen die ihren Interessen dienen undihren Profit steigern so daszlig es nur gilt die Gesetze und Vor-schriften den Beduumlrfnissen des Groszligen Geldes entsprechendabzuaumlndern damit alles ganz legal vor sich gehen kann

Zweitens aber sind die Zuwendungen die die Superreichenden an der Gesetzgebung maszliggeblich beteiligten Politikernmachen (oder machen lassen) so geringfuumlgig im Vergleich zuden enormen Vorteilen die sie sich damit verschaffen daszlig keinbundesdeutscher Staatsanwalt sie als strafrechtlich relevantansehen koumlnnte

Wenn beispielsweise ein Multimilliardaumlr wie Herr Flick zurErlangung von etlichen hundert Millionen Mark Steuererspar-nis nur lumpige zwei drei Millionen an diverse Spitzenpoli-tiker verteilt hat weniger als ein Prozent des Gewinns - sovermochte keiner der Beteiligten darin etwas Unrechtes zuerkennen raquoJede Sparkasse verschenkt doch Pfennigartikel wieKugelschreiber oder Wandkalender selbst an Kunden die nurein paar Mark an jaumlhrlichen Kontogebuumlhren einbringenlaquo mein-te einer der Flick-Bediensteten treuherzig

Doch mit der Erwaumlhnung einer der vielen Flick-Millionen-spenden sind wir schon mitten in der Praxis des Bonner Alltagsund koumlnnen die theoretischen Erwaumlgungen abschlieszligen Dennnun sollte jeder und jedem klar sein was Groszliges Geld ist undwelche Macht damit ausgeuumlbt wird

Gewiszlig laut Verfassung wird der die Richtlinien der Politikbestimmende Kanzler von der Bundestagsmehrheit gewaumlhltund uumlber deren Zusammensetzung entscheiden die Waumlhlerin-nen und Waumlhler in allgemeiner gleicher direkter und gehei-mer Wahl So bestimmt es das Grundgesetz in dessen Artikel20 Absatz 2 es folgerichtig heiszligt raquoAlle Staatsgewalt geht vomVolke auslaquo

Doch das war nicht immer so (wie das Kapitel raquoKurzerflug in die deutsche Geschichtelaquo es noch naumlher beschreibenwird) Hier soll es genuumlgen daran zu erinnern daszlig noch bis vorwenig mehr als 75 Jahren im groumlszligten Teil Deutschlands dassogenannte Dreiklassenwahlrecht galt bei dem es die Superrei-

chen weitaus bequemer hatten Es gab einigen wenigen Multi-millionaumlren ebenso viele Stimmen wie Zigtausenden von Nor-malverdienern und es entrechtete die Armen voumlllig ebensoalle Frauen und Jugendlichen Kurz die Superreichen brauch-ten keine Abgeordneten zu bestechen sondern bestimmtenselbst die Mehrheitsverhaumlltnisse

Dieser fuumlr das Groszlige Geld so angenehme Zustand endete1918 als das vom raquoEisernen Kanzlerlaquo Bismarck geschaffeneKaiserreich ruhmlos unterging

Indessen ging nur der Kaiser die Superreichen bliebenunter ihnen auch die Familie der Fuumlrsten Bismarck und dieHohenzollernprinzen als neu hinzugekommener Kriegsge-winnler des Ersten Weltkriegs auch Friedrich Flick Sie alle(oder ihre Erben) brachten ihre riesigen Vermoumlgen sicher durchdie Nachkriegswirren und die totale Geldentwertung die dendeutschen Mittelstand verarmen lieszlig und fanden neue Wegeder Machtausuumlbung zwecks weiterer Vermehrung ihres Reich-tums

Sie uumlberstanden die vierzehn Jahre der Weimarer Republikwurden in den folgenden zwoumllf Jahren der Nazi-Diktatur unddes Zweiten Weltkriegs noch um vieles reicher vor allemdurch Ruumlstungsauftraumlge Ausbeutung von Millionen Sklaven-arbeitern Pluumlnderung der eroberten Gebiete und raquoArisierunglaquojuumldischen Vermoumlgens und hatten auch nach der vollstaumlndigenNiederlage der groszligdeutschen Wehrmacht und dem Untergangder Hitler-Diktatur in den westlichen Besatzungszonen derspaumlteren Bundesrepublik keinen Grund zur Klage Das GroszligeGeld blieb unangetastet kam sicher durch die Krisenjahre derersten Nachkriegszeit wurde von der Waumlhrungsreform ver-schont und vermehrte sich dann geradezu explosionsartig alsdas raquoWirtschaftswunderlaquo einsetzte

Zwanzig Jahre lang wurde die Bundesrepublik im Zeichendes Kalten Krieges und der massiven Aufruumlstung von konserva-tiven Kanzlern regiert und zu einem Paradies der Superreichendie sich fuumlr Groszligverdiener maszliggeschneiderte Gesetze undSteuergeschenke noch und noch machen lieszligen und ihrerseitsden sie so gut bedienenden Politikern die Wahlkaumlmpfe finan-zierten

Ende der sechziger Jahre kam endlich ein Umschwung DieStudenten rebellierten gegen das konservative Establishmentgegen die von der Springer-Presse betriebene Volksverdum-mung gegen die zutiefst unmoralische undemokratische undunsoziale Herrschaft des Groszligen Geldes Mit Willy Brandtkam erstmals ein Kanzler ans Ruder der das Eis des KaltenKrieges zu brechen begann eine Friedenspolitik einleitete undein inneres Reformwerk in Gang setzte Seine ParoleDemokratie wagenlaquo fand groszligen Widerhall

Indessen sorgte der kleine Koalitionspartner des Bundes-kanzlers Willy Brandt (SPD) die FDP stets dafuumlr daszlig dieBaumlume nicht in den Himmel wuchsen sprich daszlig die Politikden Interessen des Groszligen Geldes nicht abtraumlglich war unddennoch betrieben damals rechtskonservative Kreise der Wirt-schaft bereits wenn auch zunaumlchst vergeblich den Sturz WillyBrandts indem sie Abgeordnete der Koalition mit betraumlchtli-chen Summen zum Abfall vom sozialliberalen Regierungslagerbewogen

Die damaligen Vorgaumlnge sind geradezu ein Musterbeispielfuumlr das direkte Einwirken des Groszligen Geldes auf die BonnerPolitik und deshalb seien sie zum besseren Verstaumlndnis dergegenwaumlrtigen Verhaumlltnisse im folgenden Kapitel kurz be-schrieben

Nichts zeigt deutlicher wie hohl Helmut Kohls staumlndig imMunde gefuumlhrte Phrase von der raquogeistig-moralischen Wendelaquoin Wahrheit ist als das Vorgehen seiner engsten Freunde undFoumlrderer (und sein eigenes Verhalten) im Fruumlhjahr 1972 alsschon die Weichen fuumlr den Aufstieg des raquoSchwarzen Riesenlaquoins Kanzleramt von den Repraumlsentanten des Groszligen Geldesgestellt wurden

In den spaumlten 1960er und fruumlhen siebziger Jahren war imWesten Deutschlands viel die Rede von raquomehr Mitbestim-munglaquo Genauer Alle Groszligunternehmen sollten nicht alleinvon den Kapitalgebern sondern im gleichen Umfang also pari-taumltisch auch von den Arbeitern und Angestellten in ihrergesamten Unternehmenspolitik bestimmt werden so wie esim Montanbereich bei Kohle und Stahl von der britischenBesatzungsmacht eingefuumlhrt worden war und sich glaumlnzendbewaumlhrt hatte

Allerdings waren den seit 1969 in Bonn regierenden Sozial-demokraten in dieser Frage die Haumlnde gebunden ihr Koaliti-onspartner die FDP hatte sich ausbedungen das ThemaraquoMitbestimmunglaquo fuumlr die Dauer des Regierungsbuumlndnissesraquoauszuklammernlaquo Um so intensiver nahmen sich die nun inder Opposition stehenden Christdemokraten der gewerkschaft-lichen Forderung an zumindest ihr damals starker raquolinkerlaquo Fluuml-gel unter Fuumlhrung von Norbert Bluumlm Gemeinsam mit demaufstrebenden Helmut Kohl damals schon Ministerpraumlsidentin Rheinland-Pfalz erarbeitete Bluumlm einen Mitbestimmungs-Entwurf fuumlr das CDU-Parteiprogramm der dann auf heftigenWiderstand der Herren des Groszligen Geldes stieszlig Der CSU-Schatzmeister und Mitgesellschafter des Flick-Konzerns DrWolfgang Pohle sah in dem BluumlmKohl-Entwurf bereits raquodieGrenzen zur Planwirtschaft gefaumlhrlich verwischtlaquo der dama-lige IIenkel-Konzernmanager Kurt Biedenkopf stieszlig ins selbeHorn und CDU-Rechtsauszligen Alfred Dregger sah schon denraquoKommunismus durch die Hintertuumlrlaquo in die Groszligunternehmendringen

Dennoch gab man dem BluumlmKohl-Entwurf reelle Chan-cen auf dem CDU-Parteitag vom Januar 1971 eine Mehrheit zuerhalten und ins Wahlprogramm der Union aufgenommen zu

werden zumal auch der damalige CDU-Vorsitzende RainerBarzel Mitbestimmungs-Sympathien zu hegen schien

Aber dann kam alles ganz anders Nachdem Kohl von einemFlick-Vertrauensmann dem Daimler-Personalchef Dr HannsMartin Schleyer aufgesucht und ins Gebet genommen wordenwar machte er sich daran ein raquoKompromiszlig-Papierlaquo zu entwer-fen Kohls neuer Entwurf sicherte dem Kapital die Herschaftraumlumte aber den Arbeitnehmern gewisse Mitwirkungsrechteein Es lohnt indessen nicht die Einzelheiten zu schildernDenn kaum war der urspruumlngliche BluumlmKohl-Entwurf aufdem Parteitag erwartungsgemaumlszlig gescheitert weil sich herum-gesprochen hatte daszlig Kohls allgemeine Zustim-mung linden wuumlrde da erwies es sich daszlig nicht einmal Hel-mut Kohl selbst fuumlr seinen eigenen Plan einzutreten bereit warEr empfahl statt dessen einen Entwurf der Industrie undstimmte fuumlr diesen

Damit hatte Helmut Kohl -vom Standpunkt der Herren desGroszligen Geldes gesehen seine Bewaumlhrungsprobe bestandenauch wenn er dann bei der Kandidatur fuumlr den CDU-Parteivor-sitz gegen Rainer Barzel ein letztes Mal unterlag Der erbosteNorbert Bluumlm aber lieszlig sich vor der Presse zu der Aumluszligerunghinreiszligen raquoWir sind eben doch eine Unternehmerparteilaquo

Rainer Barzel erkannte nun in Helmut Kohl seinenlichsten Rivalen den es abzuschuumltteln galt So wagte er imFruumlhjahr 1972 den Versuch Kanzler Willy Brandt durch ein kon-struktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzen

Der kuumlhne Versuch anstelle von Brandt Kanzler zu werdenund damit jede innerparteiliche Konkurrenz auszustechen miszlig-lang und uumlberdies verlor die von Barzel gefuumlhrte Union auchdie Bundestagswahl vom November 1972 Der raquogluumlckloselaquozel den seine Partei und deren Geldgeber daraufhin gern kalt-gestellt haumltten war aber keineswegs bereit freiwillig einem an-deren Platz zu machen und er hielt auch noch einige Truumlmpfebereit die er auszuspielen drohte falls man versuchen wuumlrdeihn beiseite zu schieben Seine Drohungen zeigten erheblicheWirkung und nun war guter Rat wirklich sehr teuer

Es begann was in den geheimen erst zehn Jahre spaumlteroumlffentlich bekanntgewordenen Aufzeichnungen des

gen Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard v Brauchitsch als raquokon-zertierte Aktionlaquo bezeichnet wurde Von CDU-Seite wurdenHeinrich Koumlppler und Helmut Kohl aktiv auf Unternehmer-seite Professor Kurt Biedenkopf vom Henkel-Konzern derunvermeidliche Flick-Vertrauensmann Dr Hanns MartinSchleyer und natuumlrlich auch vBrauchitsch sodann GuidoSandler vom Oetker-Konzern endlich auch Konrad Henkelder Chef des Henkel-Konzerns Das Ergebnis war daszlig RainerBarzel ein raquoweicher Falllaquo angeboten werden konnte Zu seinenstattlichen regulaumlren Bezuumlgen sollten jaumlhrlich 250 bis300000 DM Honorare kommen die ihm der FrankfurterRechtsanwalt Dr Paul zukommen lassen wuumlrde der seinerseitsdas Geld von raquoIndustriemandantenlaquo bekaumlme Und genausogeschah es

Zehn Jahre spaumlter schrieb Erich Boumlhme daruumlber im raquoSpiegellaquounter der Uumlberschrift Dr Kohllaquo

raquoRainer Candidus Barzel der gescheiterte Kanzleraspirantdes Jahres 1972 dessen salbungsvolle Tiraden die DeutschenAnfang der siebziger Jahre uumlberreichlich genervt hatten undden die Union schlieszliglich aus Fraktions- und Parteivorsitzhebelte waumlre nie zum gtsozialen Falllt geworden Trotz einschlauml-giger Sorgen die der damalige Kohl-Intimus Kurt Biedenkopfdem Barzel-Nachfolger Kohl aktenkundig machte Durch-schlag an das Haus Flick versteht sich Das Haus Flickzahlte Barzel kassierte (mit zusaumltzlichen Garnierungen vonder Chase Manhattan Bank und vom Hause Oetker) der erfolg-lose CDU-Chef raumlumte ohne Gezeter das Feld Das Flick-Kuumlrzel Dr hatte seinen Zweck erfuumlllt wg DrKohl dessen Chefstuhl mit eintausendsiebenhundert Flick-Tausendern Millionen DM) freigefaumlchelt worden warlaquo

Auch Barzel-Nachfolger Kohl war zunaumlchst gluumlcklos 1976trat er als Kanzlerkandidat der Union an und unterlag bei denBundestagswahlen 1980 wurde Kohls Rivale Franz JosefStrauszlig als Kanzlerkandidat nominiert und scheiterte ebenfallsAber dann am 1 Oktober 1982 kam Helmut Kohls groszligeStunde Mit Hilfe der abgefallenen raquoGruppe Genscher-Lambs-dorfflaquo der FDP wurde der gewaumlhlte Bundeskanzler HelmutSchmidt (SPD) durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum

gestuumlrzt Kohl zum Kanzler gewaumlhlt mit einer Mehrheit vonsieben Stimmen und gegen den erklaumlrten Willen jener Waumlhlerdenen Genscher im Herbst 1980 feierlich versprochen hatte erwerde raquovier Jahre als zuverlaumlssiger und aufrichtiger Partnerlaquomit Helmut Schmidt und der SPD die Koalition fortsetzen

Ein Drittel der FDP-Bundestagsfraktion darunter fast alleFrauen verweigerte Genscher und dem Grafen Lambsdorffdie Gefolgschaft bei diesem Betrug am Waumlhler Aber seither istKohl Bundeskanzler und regiert die BRD auf eine Weise diehaargenau den Wuumlnschen derer entspricht die mit Hilfe derMacht des Groszligen Geldes den Kanzlerwechsel langfristig vor-bereitet und dann herbeigefuumlhrt hatten

Warum war ihre Wahl auf den Pfaumllzer Helmut Kohl gefallenWodurch hatte er sich vor anderen Bewerbern um das Kanzler-amt ausgezeichnet und die Gunst der Herren des Groszligen Gel-des erworben so daszlig sie ihm zunaumlchst den Chef-Sessel derCDU mit fast zwei Millionen Mark Barzel-Abfindung raquofreigefauml-cheltlaquo und schlieszliglich auch die zur Kanzlerwahl fehlendenStimmen raquobeschafftlaquo hatten Ja wer war uumlberhaupt dieser Hel-mut Kohl den die meisten Bundesbuumlrger nur als jungen Lan-desvater von Rheinland-Pfalz und als Wahlverlierer von 1976kannten

Helmut Kohls politische Karriere begann in seiner wirtschaft-lich vom Chemie-Riesen BASF beherrschten traditionell vonder SPD regierten -Heimatstadt Ludwigshafen Dort war er am3 April 1930 als Sohn eines kleinbuumlrgerlichen Finanzbeamtenzur Welt gekommen

Kohls autorisierter Biograph Karl Guumlnter Simon der demheutigen Kanzler in seinem 1969 erschienenen Buch raquoDieKronprinzenlaquo immerhin schon ein knappes Dutzend Seitengewidmet hat berichtet darin daszlig Helmut (raquoHellelaquo) Kohl raquoausschwarzem Elternhauslaquo stamme daszlig der kraumlftige hochgewach-sene Oberrealschuumller schon 1949 im ersten Bundestagswahl-kampf fuumlr die CDU als Redner aufgetreten sei (und zwar wieFreunde und Gegner uumlbereinstimmend sich erinnern raquolauthemdsaumlrmelig und naszligforschlaquo) und daszlig er dann langsamraquoSchritt fuumlr Schrittlaquo Karriere gemacht habe

Schon als 17jaumlhriger war Kohl der Jungen Union beigetretenmit 25 Jahren wurde er bereits Mitglied des rheinland-pfaumllzi-schen CDU-Landesvorstands mit 28 Jahren Kreisvorsitzenderin Ludwigshafen und juumlngster Landtagsabgeordneter im Main-zer Parlament Nach dem Wunsch seiner Eltern studierte erzunaumlchst Rechtswissenschaft in Heidelberg denn er solltehoumlherer Beamter werden Aber er interessierte sich nur fuumlr Poli-tik genauer fuumlr seine eigene politische Karriere Geld ver-diente er sich nebenher erst als Praktikant bei der BASF alsDirektionsassistent bei der Eisengieszligerei Mock als kaufmaumlnni-scher Volontaumlr bei der Miederwarenfabrik raquoFelinalaquo dann alsReferent des Landesverbands der chemischen Industrie vonRheinland-Pfalz-Saar in Ludwigshafen Ehe er dort -mit einemAnfangsgehalt von DM spaumlter 3 000 DM-seine Taumltigkeitaufnahm erwarb er nach immerhin neun Jahren oder 18Semestern die seit seinem Abitur vergangen waren den Dok-torgrad nicht den juristischen denn er hatte im 5 Semesterumgesattelt sondern den Dr phil des Fachs Geschichte miteiner 160 Schreibmaschinenseiten umfassenden vornehmlichaus sorgsam gesammelten Zeitungsmeldungen bestehendenArbeit zum Thema raquoDie politische Entwicklung in der Pfalzund das Wiedererstehen der Parteien nach

Dr Kohls Sternstunde kam wenn man seinen BiographenGlauben schenken darf am 3 April 1959 seinem 29 Geburts-tag mitten im rheinpfalzischen Landtagswahlkampf Kohl kan-didierte zum ersten Mal und nun stand ihm so beschrieb esLothar Wittmann raquoein groszliger Auftritt bevor Konrad Ade-nauer wird zu einer Groszligveranstaltung erwartet Im hochrotenLudwigshafen soll der Besuch des Kanzlers zu einer eindrucks-vollen Demonstration der Schwarzenlaquo werden Zu diesemBehuf hat CDU-Geschaumlftsfuumlhrer Fritze Keller zwei gewal-tige Wurstmarktzelte aus Bad Duumlrkheim auf dem Marktplatzaufstellen lassen (Sie) fassen 8 000 Besucher KleinmuumltigeZweifler haben Kohl vor solchen Ausmaszligen gewarnt 20Minuten vor Beginn der auf 20 Uhr angesetzten Versammlungist die Nervositaumlt groszlig Uumlber Polizeifunk wird angekuumlndigt daszligder Kanzlerwagen bereits Darmstadt passiert hat und die Zeltesind erst zu houmlchstens 20 Prozent gefuumlllt Wenn der Besucher-

strom so duumlnn bleibt wird es eine Blamage geben Kurz ent-schlossen dirigiert Kohl den Kanzlerkonvoi ins Hotel St Hu-bertus um Der geplagte Kanzler muszlig die Moumlglichkeit habensich vor dem Auftritt noch etwas frisch zu machen

Als der Kanzler dann eintrifft sind die Zelte brechendvoll Der Zustrom hat in letzter Minute und schlagartig ein-gesetzt Drei Redner an diesem Abend Helmut Kohl haumllt eineschwungvolle Begruumlszligungsrede dann Peter Altmeier der(rheinland-pfalzische) Ministerpraumlsident dann Konrad Ade-nauer Helmut Kohl bringt enthusiastische Stimmung ins Zelter spricht angriffslustig wettert gegen Herbert Wehners Agitati-onsbesuch in der BASF Droht die Politisierung der BetriebeKonrad Adenauer wird aufmerksam mustert interessiert denlangaufgeschossenen Nachwuchsredner fragt seinen Nach-barn Peter Altmeier wer denn dieser hoffnungsvolle jungeMann seilaquo und ernennt so moumlchte man vermuten wennman dieser eindrucksvollen Schilderung gefolgt ist HelmutKohl sogleich zu seinem politischen Enkel und spaumlteren Nach-folger

Dies war jedoch keineswegs der Fall die Ernennung zumAdenauer-Enkel nahm Helmut Kohl spaumlter selber vor undauch die wunderbare Publikumsvermehrung in den Ludwigs-hafener Zelten kam nicht von ungefaumlhr Sie hatte viel ArbeitAnstrengung und Hilfe von den Unternehmern aus demUmland erfordert von denen einer sich ruumlhmte er habe es sich12 000 DM kosten lassen raquoseine Leutelaquo in Bussen raquoheranzukar-ren ihnen 5 Mark pro Kopf spendiert fuumlr Verzehr und damitKohls Schau gerettetlaquo

Wie dem auch sei Jedenfalls ist eines sicher naumlmlich daszligHelmut Kohl damals schon einen millionenschweren Industri-ellen zum Freund und Foumlrderer hatte der Kohls Talente ZU

schaumltzen wuszligte und wie er spaumlter wiederholt erklaumlrte raquoeinenguten Riecherlaquo fuumlr kommende Spitzenpolitiker hatte die sichihren Maumlzenen dann als sehr nuumltzlich erweisen konnten

Helmut Kohls damaliger reicher Goumlnner war uumlbrigens derGroszligaktionaumlr und Vorstandsvorsitzende eines aufbluumlhendenUnternehmens mit uumlber zweitausend Beschaumlftigten in der vonLudwigshafen nur acht Kilometer entfernten pfaumllzischen

stadt Frankenthal Fast zwei Jahrzehnte lang waumlhrend ausdem Ludwigshafener JU-Fuumlhrer ein Stadtrat dann ein CDU-Landtagsabgeordneter Fraktionsvorsitzender schlieszliglich so-gar ein rheinland-pfaumllzischer Ministerpraumlsident CDU-Bun-desvorsitzender und Kanzlerkandidat wurde war Helmut Kohlein haumlufiger Gast in der Frankenthaler Industriellen-Villa Inallen diesen Jahren gab es zwischen Kohl und seinem reichenGoumlnner viele Gespraumlche uumlber politische und wirtschaftlicheFragen Der junge Politiker Kohl holte sich manchen Rat vonseinem um 23 Jahre aumllteren beinahe vaumlterlichen Freund lieszligsich von diesem erzaumlhlen wie man aus sehr bescheidenenAnfangen uumlber Krieg Niederlage und Waumlhrungsreform hin-weg zu Multimillionaumlrs- und Konzernherren-Houmlhen aufsteigtund er scheint sich damals vorgenommen zu haben es seinemFoumlrderer gleichzutun zumindest hinsichtlich eines ruumlcksichts-losen Gebrauchs der Ellbogen und eines Mindestmaszliges anmoralischen Skrupeln sowie einer sorgfaumlltigen Pflege dessenwas sein erfahrener Goumlnner raquonuumltzliche Beziehungenlaquo zu nen-nen pflegte

Tatsaumlchlich hatte dieser Frankenthaler Industrielle glaumln-zende Verbindungen und sogar enge freundschaftliche Bezie-hungen zu bereits arrivierten und kommenden Spitzenleutenaus Politik und Wirtschaft Einigen davon praumlsentierte undempfahl er seinen Schuumltzling Helmut Kohl und auch sonstkonnte der steinreiche Konzernchef dem aufsteigenden Jung-politiker auf mancherlei Weise behilflich sein

Natuumlrlich stellte Helmut Kohl seinem Foumlrderer auch dasMaumldchen vor mit dem er sich zu verloben und wie es fuumlreinen christlichen Politiker obligatorisch war in Baumllde zu ver-heiraten gedachte und erst nachdem Kohls einstige Tanzstun-denfreundin und zukuumlnftige Ehefrau Hannelore von der Fami-lie des Frankenthaler Industriellen in Augenschein genommenworden war traf der angehende Landespolitiker Vorbereitun-gen fuumlr die Gruumlndung eines eigenen Hausstands Zwei Monatenach seinem Einzug ins Mainzer Landesparlament verheira-tete er sich mit Hannelore Renner

Nun konnte Helmut Kohl seinem Foumlrderer hie und da auchschon ein paar Gefaumllligkeiten erweisen denn sein Einfluszlig in

der Mainzer CDU-Fraktion war von Anfang an groszlig und ande-rerseits steigerte der reiche Industrielle das Ansehen des juumlng-sten Abgeordneten indem er diesen mitnahm auf eine Afrika-reise wie sie sich damals Anfang der sechziger Jahre ein nochunbekannter Provinzpolitiker kaum zu ertraumlumen wagte FrauHannelore durfte derweilen mit der Gattin des IndustriellenFerien im schweizerischen Zermatt machen wo den Damenein luxurioumlses Chalet Zurverfuumlgung stand Die Traumreise aufdie Kohl damals von seinem noblen Goumlnner mitgenommenwurde ging ins Koumlnigreich Marokko dessen Honorarkonsulfuumlr Rheinland-Pfalz sein vaumlterlicher Freund geworden war undsie wurde fuumlr Helmut Kohl zu einem Erlebnis wie aus Tausend-undeiner Nacht Uumlbrigens es sei hier nur am Rand vermerktweil es das harte Urteil vieler anderer politischer Freunde wieGegner uumlber den jungen Politiker Kohl bestaumltigt Auch der ihmso wohlwollende Industrielle ruumlgte gerade im Anschluszlig andiese Marokkoreise die miserablen Umgangsformen seinesSchuumltzlings Wie schon gelegentlich zuvor und noch oftmalsspaumlter als Kohl schon laumlngst Ministerpraumlsident in Mainz gewor-den war bedauerte der Herr Konsul wenngleich nur im enge-ren Familien- und Freundeskreis das raquoungehobelte Beneh-menlaquo Kohls und sein raquoschrecklich ruumlcksichts- und taktlosesAuftretenlaquo Der engste Freund des Herrn Konsuls dem erdavon erzaumlhlte lachte indessen nur und sagte wie er spaumlterdem Autor selbst erzaumlhlte - raquoLaszlig man Fritz wenn er werdensoll was wir uns ausgedacht haben kann er gar nicht ruumlcksichts-los genug seinlaquo

Uumlbrigens der bislang verschwiegene Name des Kohl-Ent-deckers und langjaumlhrigen -Goumlnners war Dr Fritz Ries damali-ger Chef und Groszligaktionaumlr des raquoPegulanlaquo-Konzerns mitHauptsitz in Frankenthal Dessen alter Freund einstiger Kom-militone und bei der Heidelberger schlagendenVerbindung raquoSuevialaquo und spaumlterer stellvertretender Vorsitzen-der des raquoPegulanlaquo-Aufsichtsrats aber hieszlig Dr Hanns MartinSchleyer war bereits der Vertrauensmann des Daimler-Groszlig-aktionaumlrs Friedrich Flick in der Untertuumlrkheimer Konzernzen-trale und bald auch stellvertretender Vorsitzender vonsamtmetalllaquo sowie Vizepraumlsident der Arbeitgebervereinigung

Er sollte noch houmlher aufsteigen ehe er im Herbst 1977 von Ter-roristen entfuumlhrt und ermordet wurde doch in unseremZusammenhang ist zunaumlchst nur von Bedeutung daszlig es DrRies und Dr Schleyer waren die den Jungpolitiker HelmutKohl raquovormerktenlaquo fuumlr zukuumlnftige Jahre wenn eine raquoBundes-regierung nach Maszliglaquo und nach dem Herzen der groszligen Kon-zerne aufzustellen sein wuumlrde

Wir werden auf Dr Fritz Ries und Dr Hanns MartinSchleyer noch einmal zuruumlckkommen doch hier sei uumlber Riesnur noch angemerkt daszlig es fuumlr den raquoPegulanlaquo-Konzern unddessen Produkte vor allem Fuszligbodenbelaumlge aus Kunststoff1975 eine Absatzkrise gab Nur durch eine Landesbuumlrgschaft inMillionenhoumlhe konnten die Banken bewogen werden demUnternehmen noch einmal uumlber die Runden zu helfen DasFachblatt raquoWirtschaftswochelaquo meldete dazu am 5 Maumlrz 1976raquoTatsaumlchlich muumlssen die Finanzkalamitaumlten bei Ries und den

Pegulan-Werken noch gravierender sein als in der vom23 Januar 1976 dargestellt Der rheinland-pfalzische Finanzmi-nister Johann Wilhelm Gaddum muszligte dem SPD-Abgeordne-ten Rainer Rund auf eine Anfrage zur Pegulan-Krise denn aucheingestehen Landesbuumlrgschaften werden nur dann gewaumlhrtwenn die Sicherheiten im Sinne der Beleihungsgrundsaumltze derKreditinstitute nicht ausreichen Im Klartext heiszligt das lan haumltte ohne die Buumlrgschaft des Landes keinen Kredit mehrbekommen Ob indes diese Landeshilfe allein wegen dergefaumlhrdeten Arbeitsplaumltze zugesagt wurde oder ob der CDU-Kanzlerkandidat und Rheinland-Pfalz-Chef Kohl zusaumltzlichein gutes Wort fuumlr Ries einlegte bleibt offenlaquo

Offen bleibt auch ob der sowohl von der serioumlsen raquoWirt-schaftswochelaquo als auch vom exklusiven raquoManager-Magazinlaquoverbreitete angebliche Ries-Ausspruch uumlber Kohl -raquoAuch ich ihn nachts um drei anrufe muss er springen laquo- korrekt wieder-gegeben worden ist Immerhin bezeichneten Ries-TochterMonika und deren Ehemann Rechtsanwalt Herbert Krall die-

Mit Gewiszligheit laumlszligt sich nur sagen daszlig das damals von Hel-mut Kohl gefuumlhrte Land Rheinland-Pfalz den Konzern des Dr

Ries durch Uumlbernahme von Buumlrgschaften in Millionenhoumlhelange vor dem Zusammenbruch bewahrt hat Dabei hat moumlgli-cherweise der Umstand eine Rolle gespielt daszlig dem Ries-Kon-zern schon zuvor bedeutende Landesmittel zuteil gewordenwaren deren Gesamthoumlhe von Fachleuten auf zig MillionenDM veranschlagt wurde

Ebenfalls durch Kohl zuteil geworden war Dr Fritz Ries imFebruar 1972 der Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuzeine ungewoumlhnliche Ehrung fuumlr einen Mann dessen raquounter-nehmerische Leistung und Engagement fuumlr die Gesellschaftlaquowie es in der Verleihungsurkunde hieszlig wahrlich nicht unum-stritten waren Denn Fritz Ries Kohls raquoWeichenstellerlaquo vonihm auch manchmal als raquoder gute Mensch von Frankenthallaquobezeichnet hatte eine recht dunkle unternehmerische Vergan-genheit Der am 4 Februar 1907 in Saarbruumlcken geborene FritzRies Sohn des Inhabers einer Moumlbelhandlung hatte nach demAbitur ein Jurastudium begonnen erst in Koumlln dann in Heidel-berg wo er-wie schon kurz erwaumlhnt den acht Jahre juumlngerenKorpsstudenten Hanns Martin Schleyer als raquoLeibfuchslaquo unterseine Fittiche nahm

Schleyer es sei hier nur am Rande angemerkt war als Sohneines Landgerichtsdirektors in OffenburgBaden 1915 geborenworden und bereits als Schuumller 1931 der Hitlerjugend beigetre-ten 1933 in die SS aufgenommen worden (Mitgliedsnummer227014) und galt mit 19 Jahren schon als raquoAlter Kaumlmpferlaquo dervon 1934 an die Universitaumlt Heidelberg in eine raquoForschungs-und Erziehungsanstalt nationalsozialistischer Praumlgunglaquo zu ver-wandeln sich bemuumlhte Er leitete dort spaumlter auch in Inns-bruck dann in Prag das sogenannte raquoStudentenwerklaquo aus des-sen SS-Mannschaftshaumlusern der Sicherheitsdienst (SD) derNazis seinen Nachwuchs rekrutierte Von 1939 an stand derSS-Fuumlhrer Dr Schleyer im neuen raquoProtektorat Boumlhmen undMaumlhrenlaquo an der Spitze der gesamten SS-raquoHochschularbeitlaquoihm unterstanden rund 160 Angestellte und sein Jahresetatbetrug rund zehn Millionen Reichsmark

Von 1939 an war SS-Hauptsturmfuumlhrer Dr Schleyer einemMann direkt unterstellt der als Chef des raquoReichssicherheits-hauptamteslaquo an der Spitze des SD der Gestapo und der

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ten Polizei stand SS-Obergruppenfuumlhrer Reinhard HeydrichIm September 1941 wurde Heydrich unter Beibehaltung seinerMachtstellung im Reich auch noch Stellvertreter des Reichspro-tektors von Boumlhmen und Maumlhren und damit der eigentlicheHerrscher in der Tschechoslowakei Dr Schleyer seine rechteHand und Kontrolleur der tschechoslowakischen Industrie biszum letzten Tag der deutschen Besatzung Erst am 8 Mai 1945schlug er sich mit den letzten SS-Verbaumlnden unter Mitnahmevon Geiseln tschechischen Frauen und Kindern zu den schonkurz vor Prag stehenden Amerikanern durch und wurde vondiesen interniert und einige Jahre lang gefangengehalten

Doch zuruumlck zu Fritz Ries der sich beim HeidelbergerKorps raquoSuevialaquo bei Mensuren jene raquoSchmisselaquo genanntenFechtnarben holte die fuumlr eine Karriere damals sehr foumlrderlichwaren Unmittelbar vor dem Verbot der korpsstudentischenMensuren forderte Ries noch einen Kommilitonen der seineEhre verletzt hatte auf Pistolen wobei ihm sein raquoLeibfuchslaquoSchleyer wie dieser sich erinnerte und dem Autor lachenderzaumlhlte die Waffe zum Kampfplatz trug

Schon kurz darauf beendete Fritz Ries sein Studium als Drjur und begann sogleich -im Herbst 1934 seine Unternehmer-karriere nachdem er im Jahr zuvor der Nazipartei beigetretenwar und die Tochter des wohlhabenden Rheydter ZahnarztesDr Heinemann geheiratet hatte Mit schwiegervaumlterlichemGeld entfaltete er wie er selbst in einem Schreiben an einehohe Nazi-Parteistelle ohne falsche Bescheidenheit anfuumlhrte raquoeine auszligerordentliche unternehmerische Aktivitaumltlaquo Er hatteeine Leipziger Gummiwarenfabrik Fluumlgel Polter erworbenund diesen 120-Mann-Betrieb in wenigen Jahren zu einem mitt-leren Konzern ausgebaut fast ausschlieszliglich mit Hilfe soge-nannter raquoArisierungenlaquo

Durch die judenfeindliche Politik der Nazis waren die fruumlhe-ren Eigentuumlmer gezwungen ihre Unternehmen weit unterdem tatsaumlchlichen Wert und zu demuumltigenden Bedingungen anraquoArierlaquo wie Dr Ries zu verkaufen Anzumerken ist daszlig DrRies innerhalb kuumlrzester Zeit zum branchenbeherrschendenPraumlservativ-Hersteller des raquoGroszligdeutschen Reicheslaquo aufruumlckteund fuumlr seine ruumlde auch im raquoangeschlossenenlaquo Oumlsterreich prak-

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tizierte raquoArisierungslaquopolitik starke Ruumlckendeckung durch dieNazi-Partei erhielt

Vom Herbst 1939 an also gleich nach Beginn des ZweitenWeltkrieges wurde der Ries-Konzern raquoauf den Kriegsbedarfder Wehrmacht umgestellt und stark erweitertlaquo Die Beschaumlftig-tenzahl hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt verzehnfacht derUmsatz war auf mehr als das Zwanzigfache gestiegen und balderreichten die Umsaumltze und Gewinne geradezu schwindelndeHoumlhen Denn von 1941 an konnte Dr Ries seinen Gummikon-zern auf die eroberten polnischen Gebiete ausdehnen immerneue Betriebe raquouumlbernehmenlaquo dabei unterstuumltzt von einemeigens fuumlr solche Aufgaben engagierten SS-Standartenfuumlhrerim Sicherheitsdienst (SD) Herbert Packebusch

Packebusch nach dem die Staatsanwaltschaft Kiel wegendringenden Verdachts des Mordes in zahlreichen Faumlllen nochJahrzehnte nach Kriegsende vergeblich fahndete half Dr Riesauch bei der Beschaffung von Arbeitskraumlften So arbeitetenallein in einem der Ries-Betriebe im eroberten Polen denraquoOberschlesischen Gummiwerkenlaquo in Trzebiniazien) laut einer raquoGefolgschaftsuumlbersichtlaquo vom 30 Juni 1942insgesamt 2 653 juumldische Zwangsarbeiter davon 2 160 Frauenund Maumldchen Vornehmlich mit deren Hilfe sprich aufgrundruumlcksichtsloser Ausbeutung stieg der Umsatz in Trzebinia von101861 RM im Dezember 1941 auf 1300 619 RM im April 1942also binnen vier Monaten auf mehr als das Zwoumllffache

Die erhalten gebliebenen Berichte des deutschen Aufsichts-personals geben Einblick in die im Ries-Werk Trzebinia damalsherrschenden schrecklichen Zustaumlnde zeigen die rigorose Aus-beutung und die taumlglichen Miszlighandlungen der fuumlr Dr Riesschuftenden Frauen und Maumldchen

So erging folgende Anordnung raquoWir haben den Arbeitskraumlf-ten erklaumlrt daszlig die Arbeitsleistung in den naumlchsten Tagenwesentlich gesteigert werden muszlig da wir sonst annehmendaszlig die Arbeit sabotiert wirdlaquo was nach Lage der Dinge eineklare Morddrohung war denn nachlassende Leistung oder garSabotage wurde mit sofortiger raquoUmsiedlunglaquo in das knapp 20Kilometer entfernte KZ Auschwitz geahndet wo raquoArbeitsunfauml-higelaquo sofort vergast wurden

Da die deutschen Behoumlrden aber bereits damit begannenalle Juden der Gegend ohne Ruumlcksicht auf ihren Wert alsArbeitskraumlfte der raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquo des DrRies nach Auschwitz zu schaffen beschloszlig dieser raquoVollblutun-ternehmerlaquo aus der Not eine Tugend zu machen zumindestfuumlr sich selbst Weil am Ende sicherlich auch diese letzten Fach-kraumlfte raquoumgesiedeltlaquo werden wuumlrden zwecks spaumlterer Ermor-dung wie alle Beteiligten wuszligten - galt es Vorsorge fuumlr seinenKonzern zu treffen Da hatte nun ein trefflicher Ries-Mitarbei-ter die Idee die nach Auschwitz raquoumgesiedeltenlaquo und dort aufihren Tod wartenden Juden nicht unproduktiv im KZ herumsit-zen zu lassen sondern ihre Wartezeit mit nutzbringenderArbeit fuumlr den Ries-Konzern auszufuumlllen

Und so geschah es Im Lager Auschwitz wurde eine raquoGroszlig-nebenstellelaquo errichtet raquoEs stehen in Kuumlrze etwa 3 000 bis 5 000weibliche Arbeitskraumlfte zur Verfuumlgunglaquo heiszligt es in der Mel-dung vom 10 Juli 1942 Die erforderlichen Naumlh- und sonstigenMaschinen aus dem Besitz schon ermordeter juumldischer Hand-werker kaufte der Ries-Konzern der SS billig ab und fortanbrauchte sich Dr Ries der in einer schoumlnen eigens fuumlr ihn

in Trzebinia wohnte um diemorallaquo seiner Belegschaft nicht mehr zu sorgen Darum kuumlm-merte sich die SS und die raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquolieferten nur das zu verarbeitende Material und holten die fer-tige Ware im KZ ab um sie mit sattem Gewinn an die Wehr-macht und andere Abnehmer zu verkaufen

Wie in Ostoberschlesien und Galizien so hatte Dr Riesnoch einige weitere Produktionsstaumltten im annektierten Polenin Konzernbesitz gebracht unter anderen einen Groszligbetriebin Lodz das die Deutschen in raquoLitzmannstadtlaquo umgetaufthatten

Natuumlrlich arbeiteten auch die raquoGummiwerke Warthelandlaquowie Dr Ries seine Lodzer Erwerbung nannte erst mit juumldi-schen dann mit polnischen Zwangsarbeitern nur die Aufseherund das Wachpersonal erhielten regulaumlre Bezahlung

Nebenbei bemerkt auch die deutschen raquoGefolgschaftsmit-gliederlaquo wurden bespitzelt und raquovertraulichlaquo gemeldet etwawenn sie den katholischen Gottesdienst besucht hatten Und

schlieszliglich ging die Brutalitaumlt im Ries-Konzern so weit daszlig diepolnischen Arbeitskraumlfte zumeist junge Frauen und Maumldchennicht nur nach beendeter Schicht in einem Barackenlager unterAufsicht gestellt sondern auch waumlhrend der Arbeitszeit imSaal eingeschlossen und nach Schluszlig der Arbeit durchsuchtwurden Verantwortlich fuumlr diese und andere raquoenergischelaquoMaszlignahmen war ein von Dr Ries im zweiten Halbjahr 1944 ein-gestellter neuer Direktor der am 30 Oktober 1944 auch schrift-lich anordnete daszlig jeder der mehr als einmal anseinem Arbeitsplatz unentschuldigt fehlte zur raquoauszligerbetrieb-lichen Bestrafunglaquo durch die Gestapo zu bringen sei

Zu dieser Zeit war die raquoVerlagerunglaquo- das heiszligt der Abtrans-port nach Westen von allem was nicht niet- und nagelfest war bereits in vollem Gange und der neue Direktor erwarb sich beider Rettung des Ries-Besitzes vor der anruumlckenden RotenArmee raquodurch Umsicht Schneidigkeit und Haumlrtelaquo wie Dr Riesihm bescheinigte groszlige Verdienste

Der Name dieses neuen Direktors der ein Kaumlmpferlaquoder Nazipartei und zuletzt Leiter einer Dienststelle im schongeraumlumten Krakau gewesen war soll hier nicht verschwiegenwerden Es handelte sich um Artur Missbach einen spaumlterenCDU-Bundestagsabgeordneten der als solcher vor allem da-durch von sich reden machte daszlig er Ende der sechziger Jahreauf amtlichem Papier des Bundestags Werbebriefe fuumlr dieInvestment-Schwindelfirma IOS verschickte Mit dem Bundes-adler im Briefkopf pries MdB Missbach damals die IOS-Zertifi-kate als raquodie derzeit beste und sicherste Anlage mit der houmlch-sten Renditelaquo an und gleichzeitig verkaufte er unter demDecknamen raquoSebastian Bachlaquo fuumlr mindestens drei MillionenDollar IOS-Anteile an deutsche Sparer die den -wegen Steuer-hinterziehung landesfluumlchtigen raquoSebastian Bachlaquo dann eben-so verfluchten wie ihre wertlos gewordenen Papiere

Doch zuruumlck zu Dr Ries dem mit seinem Direktor Miss-bach sehr zufriedenen Konzernchef der im Winterseine riesige Beute aus Polen mit Lastwagen-Konvois undGuumlterzuumlgen weit nach Westen raquoverlagertelaquo und was die Bar-geldbestaumlnde des Konzerns betraf so erinnerte sich Ries-Toch-ter Monika der 17 Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart im

Prozeszlig um das Buch raquoGroszliges Bundesverdienstkreuzlaquo als Zeu-gin benannt deutlich daran wie sich ihr Vater im Familien-kreis am abendlichen Kaminfeuer haumlufig mit Stolz dazubekannt hat anno 1945 raquoRiesensummen persoumlnlich und koffer-weise nach Westen geschafftlaquo zu haben

Fuumlnf Jahre spaumlter indessen am 28 November 1950 schil-derte Dr Ries seine Lage gegen und nach Kriegsende folgen-dermaszligen raquo1944 gruumlndete ich die Gummiwerke Hoya GmbHMit dieser Gruumlndung wollte ich lediglich einen Teil der Maschi-nen aus den mir gefaumlhrdet erscheinenden oumlstlichen Gebietenretten Tatsaumlchlich waren bei Kriegsende in Hoya neue Maschi-nen fuumlr etwa 15 Millionen RM gelagert Weiterhin standenmir bei Beendigung des Krieges einige hunderttausend MeterStoff zur Verfuumlgunglaquo Um einen Teil des kofferweise gerette-ten aber immer wertloser werdenden Bargelds anzulegenerwarb Dr Ries kurz nach Kriegsende auf der am weitestenwestlich gelegenen deutschen Nordseeinsel Borkum raquoKoumlhlersStrandhotellaquo das groumlszligte Haus am Platze Es stellte nach heuti-gen Maszligstaumlben ein Multimillionenobjekt dar Was aber derBesitz von raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo in den Not-jahren 1945-48 bedeutete laumlszligt sich heute uumlberhaupt nicht mehrermessen Schon mit drei Metern Anzug- oder Mantelstoffkonnte man bis zur Wahrungsreform vom Juni 1948 durchTausch oder Verkauf auf dem Schwarzen Markt die Ernaumlhrungeiner fuumlnfkoumlpfigen Familie fuumlr mindestens zwei Monate sicher-stellen Mit raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo haumltte mandie Lebensmittelversorgung einer Groszligstadt waumlhrend sechsDekaden gewaumlhrleisten koumlnnen als die amtlichen Rationenwie 1947 in Wuppertal bei nur noch 650 Kalorien pro Tag lagen

Jedenfalls darf man sagen daszlig Dr Ries die Nazi-Diktaturund den Zweiten Weltkrieg nicht nur heil sondern geradezuglaumlnzend uumlberstanden hatte ebenso die Wirren das Elend undden Hunger der ersten Nachkriegsjahre In Polen waren ihm

Die Machenschaften des Dr Fritz Ries deren Entdeckung und Veroumlffentli-chung durch den Autor dieses Schwarzbuches und die Auswirkungen der Ver-oumlffentlichung sind ausfuumlhrlich dargestellt in dem Taschenbuch raquoGroszliges Bun-desverdienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

Abermillionen an Kriegsbeute zuteil geworden nicht nur wert-volle zum Teil fabrikneue Maschinen waggonweise TextilienAutoreifen Gummistiefel -schuhe und Maumlntel sondern auchkofferweise Bargeld dazu Unmengen von KunstgegenstaumlndenTeppichen und Juwelen sowie wie die erhalten gebliebenenDokumente beweisen die Wertsachen seiner Arbeitssklavender Schmuck und das Zahngold der geschundenen MaumlnnerFrauen und Kinder

Um so erstaunlicher ist es daszlig Dr Ries obwohl aus Saar-bruumlcken und spaumlter in Leipzig beheimatet zeitweise in Trzebi-nia bei Auschwitz und zuletzt auf Borkum wohnhaft mit Kon-zernsitz in Leipzig dann in Hoya an der Weser und schlieszliglichin Frankenthal von den dortigen rheinpfalzischen Behoumlrdendennoch als raquoHeimatvertriebenerlaquo anerkannt wurde Ja manbescheinigte ihm dem groszligen Beutemacher sogar einen treibungsschadenlaquo Am 10 Oktober 1953 sein Schuumltzling Hel-mut Kohl war bereits ein Lokalmatador der CDU mit gutenBeziehungen bestaumltigte ihm das Ausgleichsamt bei der Stadt-verwaltung Frankenthal Aktenzeichen 16Mke - daszlig raquoderAntragsteller Dr Fritz Ries hier die Feststellung der folgendenVertreibungsschaumlden beantragt hat1 Geschaumlftsanteil an der Oberschlesischen

Gummiwerke GmbH Trzebinia uumlberNennbetrag (Kapitalforderung) 1445 000 RM

2 Geschaumlftsanteil an der raquoGummiwerkeWartheland AGlaquo Litzmannstadt uumlber 500 000 RM

3 Verlust eines Einfamilienhauses mit10 Zimmern in Trzebinia Kreis Krenau(Oberschlesien) Grundvermoumlgen

Weiter wird bestaumltigt daszlig die Angaben des Antragstellers indem Feststellungsantrag hinreichend dargetan sindlaquo

Mit anderen Worten Einem Saarlaumlnder der mit Wohn- undKonzernsitz in Leipzig das eroberte Polen ausgepluumlndert Skla-venarbeiter aufs grausamste ausgebeutet und sich deren Besitzwiderrechtlich angeeignet hatte wurde amtlich bescheinigtdaszlig nicht seine Opfer sondern er selbst zu entschaumldigen seiund daszlig seine dreisten Behauptungen als Beweis ausreichtenUnd so wie in diesem Fall ging es dutzendfach weiter

An jeder Finanzquelle die die oumlffentliche Hand damalseinem schuldlos verarmten und unterstuumltzungsbeduumlrftigenHeimatvertriebenen sprudeln lieszlig wenn er einerseits im OstenMillionenverluste erlitten hatte andererseits an seinem Auf-nahmeort neue Arbeitsplaumltze zu schaffen bereit war labte sichDr Ries mit Hilfe seiner politischen Freunde von der CDU inreichem Maszlige

Gluumlcklicherweise fuumlr ihn hatte man Dr Fritz Ries als blo-szligen raquoMitlaumluferlaquo der Nazi-Partei eingestuft und damit galt dermillionenschwere Kriegsgewinnler und als V-Mann derGestapo auserwaumlhlte raquoabsolut zuverlaumlssige NationalsozialistlaquoDr Ries in Rheinland-Pfalz (und damit in der ganzen Bundes-republik) als politisch voumlllig unbelasteter Ehrenmann

Wann immer sich bei den Lastenausgleichs- und anderenAumlmtern Zweifel regten etwa was die behauptete Houmlhe der raquoVer-treibungsschaumlden laquo des Dr Ries betraf wurden sie so nachzu-lesen in den Akten des damaligen Ries-Generalbevollmaumlchtig-ten fuumlr die Regelung seiner raquoAnspruumlchelaquo Dr Grote-Mismahl durch starken politischen Druck von oben beseitigt

Wer diesen Druck ausuumlbte laumlszligt sich nicht mehr mit Sicher-heit feststellen und es waumlre unfair diese Machenschaftenallein dem 1953 gerade erst zum Mitglied des Geschaumlftsfuumlhren-den Landesvorstands der regierenden CDU aufgeruumlckten Ries-Guumlnstling Helmut Kohl anzulasten von dem allerdings fest-steht daszlig er in den folgenden Jahren als er zum einfluszligreich-sten Politiker des fest in der Hand seiner Partei befindlichenBundeslands Rheinland-Pfalz aufstieg seinem langjaumlhrigenFoumlrderer Dr Ries wiederholt sehr behilflich gewesen ist

So stellt sich die Frage ob Helmut Kohl uumlber die duumlstere Ver-gangenheit seines groszligzuumlgigen Foumlrderers und dessen dreisteLuumlgen hinsichtlich seiner angeblichen raquoVertreibungsschaumldenlaquogenau Bescheid gewuszligt hat Ries-Tochter Monika Krall anwalt-lich als Zeugin gehoumlrt war sich nicht absolut sicher ob ihrraquoVater auch in Gegenwart von Dr Kohl sich seiner so profitab-len Unternehmertaumltigkeit in Polen geruumlhmt hat und wenn jaob dann nur so allgemein oder mit genauen Einzelheitenlaquo

Eine damalige Ries-Angestellte die sich ihrerseits genaudaran erinnert gab indessen zu Protokoll daszlig raquoHerr Konsul

Dr Ries dem Herrn Dr Kohl stolz von seinen Betrieben in Polen und von den gluumlcklicherweiselaquo in groszligerAnzahl zur Verfuumlgung stehenden juumldischen und polnischenZwangsarbeitern erzaumlhlt hatlaquo Sie wuszligte sogar noch das fahre Datum war im Fruumlhjahr 1967 der Herr Konsul DrRies bekam das Groszlige Bundesverdienstkreuz das Herr DrKohl damals CDU-Landesvorsitzender ihm verschafft hatteDr Ries erzaumlhlte ihm dann er haumltte schon damals in Polen dasKriegsverdienstkreuz verliehen bekommen laquo Diese Zeugindie in Frankenthal beschaumlftigt ist wollte begreiflicherweisenicht namentlich genannt werden

Indessen spielt die Frage ob Helmut Kohl schon damals imFruumlhjahr 1967 die ganze scheuszligliche Wahrheit uumlber die Vergan-genheit seines langjaumlhrigen Foumlrderers kannte keine groszligeRolle Denn schon fuumlnf Jahre spaumlter heftete Kohl seit 1969 Mi-nisterpraumlsident von Rheinland-Pfalz dem Dr Ries auch nochden Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuz an die Brust undzu diesem Zeitpunkt war Helmut Kohl wie sich beweisen laumlszligtvoll unterrichtet uumlber den Werdegang dieses Mannes der ihnals jungen Politiker raquoentdecktlaquo nach Kraumlften gefoumlrdert und dieKarriere erst ermoumlglicht hatte Kohl wuszligte Bescheid uumlber dieskrupellose raquoArisierungenlaquo des raquoKondom-Koumlnigslaquo Ries des-sen Beziehungen zur Gestapo und uumlber dessen Raubzuumlge in Po-len Er war daruumlber im Bilde daszlig sich Ries bei und in Auschwitzbereichert und Tausende von Arbeitssklavinnen fuumlr sich hatteschuften lassen Desgleichen wuszligte er daszlig die Entschaumldigun-gen fuumlr angebliche raquoVertreibungsschaumldenlaquo seines Goumlnners er-schwindelt waren Trotzdem zeichnete er ihn mit dem zweit-houmlchsten Orden aus den die Bundesrepublik zu vergeben hattepries oumlffentlich raquodas staunenswerte Lebenswerklaquo und raquodie vor-bildlichen unternehmerischen Leistungenlaquo des Dr Ries undwar ihm weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefaumlllig

Helmut Kohl warjedoch zu dieser Zeit laumlngst nicht mehr dereinzige Spitzenpolitiker der Unionsparteien von dem Dr Riesstolz behaupten zu koumlnnen meinte raquoWenn ich den nachts umdrei anrufe muszlig er springenlaquo

Dazu muszlig man wissen daszlig sich Konsul Dr Ries dessenraquoPegulanlaquo-Konzern damals noch florierte einen -wie er fand

raquostandesgemaumlszligenlaquo Landsitz nebst Jagdrevier Golfplatz undSchloszlig zugelegt hatte das als der Steiermarklaquo geruumlhmteSchloszliggut Pichlarn eine der schoumlnsten Besitzungen Oumlster-reichs Dort verkehrten als Gaumlste des Schloszligherrn Dr Ries nach den Veroumlffentlichungen der Lokalpresse in den fruumlhensiebziger Jahren etliche fuumlhrende Persoumlnlichkeiten der bun-desdeutschen Wirtschaft und Politik von denen wir hier einknappes Dutzend als repraumlsentative Auswahl nennen und zujedem Namen ein paar Erlaumluterungen geben wollen

raquoHerr Generalbevollmaumlchtigter Tesmann (es handelte sich umRudolf Tesmann geboren 1910 in Stettin einen fruumlherenhohen SS-Fuumlhrer letzter bekannter DienstgradSS-Obersturmbannfuumlhrer - vom Maumlrz 1944 bis KriegsendeVerbindungsmann zu Reichsleiter Martin Bormann Tesmannwurde 1945 von den Englaumlndern interniert und von seinem Mit-gefangenen dem Kaufhauskoumlnig Helmut Horten nach beiderEntlassung 1948 in den Horten-Konzern zuletzt als Generalbe-vollmaumlchtigter uumlbernommen Tesmann war auszligerdem damalsPraumlsidiumsmitglied des gtWirtschaftsrats der

Herr Dr Hanns Martin Vorstandsmitglied der Daim-ler-Benz AG mit Frau (den wir bereits kennengelernt habenund von dem noch im Zusammenhang mit der weiteren politi-schen Karriere Helmut Kohls die Rede sein wird)

Herr Dr Alfred Dregger mit Frau (damals Vorsitzender derhessischen CDU seit 1982 Fraktionsvorsitzender der CDUCSU im Bundestag und inoffiziell Fuumlhrer des rechten soge-nannten raquoStahlhelmlaquo-Fluumlgels der Union)

Herr Bundestagsabgeordneter Siegfried Zoglmann (geboren1913 in Boumlhmen seit 1928 Mitglied der in der CSR illegalen Hitlerjugend (HJ) 1934 HJ-Fuumlhrer in der Reichsjugendfuumlh-rung in Berlin 1939 Oberster HJ-Fuumlhrer im Boumlh-men und Maumlhren und Abteilungsleiter des 1940 erbat und erhielt Zoglmann vom Hein-rich Himmler persoumlnlich die Erlaubnis als SS-Fuumlhrer in diegtLeibstandarte SS Adolf Hitlerlt einzutreten Nach 1945 Werbe-fachmann im Rheinland 1950 Mitglied des NRW-Landesvor-stands der FDP bis 1958 Landtagsabgeordneter von 1957 biszu seinem Ausscheiden aus Altersgruumlnden Mitglied des Bun-

destags zunaumlchst FDP- seit 1972 CSU-Abgeordneter MitHilfe Zoglmanns und anderer FDP-Uumlberlaumlufer sollte damalsWilly Brandt gestuumlrzt werden die Verhandlungen hieruumlberwurden auf dem Ries-Schloszlig Pichlarn gefuumlhrt)

1931 Mitglied der NSDAP seit 1932 enger Mitarbeiter des Nazi-Propagandachefs und damaligen gtGauleiterslt von Groszlig-Berlin Dr Josef Goebbels in dessen Reichsministerium gtfuumlr Volksauf-klaumlrung und Propagandalt Taubert 1933 eintrat zunaumlchst alsReferatsleiter zustaumlndig fuumlr gtAktivpropaganda gegen dieJudenlt Von 1942 an Chef des gtGeneralreferats Ostraumlt dane-ben seit 1938 auch Richter am 1 Senat des beruumlchtigten gtVolks- gerichtshofslt und beteiligt an Todesurteilen gegen Wider-standskaumlmpfer Auszligerdem lieferte Ministerialrat Dr TaubertText und Idee zu dem 1940 uraufgefuumlhrten Hetzfilm raquoDer ewigeJudelaquo worin die in KZs und Gettos eingepferchten Juden mitRatten und anderem raquolebensunwertemlaquo Ungeziefer verglichenwurden 1945 tauchte der als Kriegsverbrecher gesuchte DrTaubert mit Hilfe westlicher Geheimdienste zunaumlchst unterum 1950 jedoch in Bonn wieder auf leitete die Kalte Kriegs-Propaganda gegen die DDR dann fuumlr VerteidigungsministerFranz Josef Strauszlig den Aufbau der psychologischen Kriegfuumlh-rung bei der Bundeswehr Scharfe Proteste des Zentralrats derJuden fuumlhrten dazu daszlig Strauszlig sich von Dr Taubert offizielltrennen muszligte und dieser trat dann als Leiter der Rechtsabtei-lung und des Persoumlnlichen Buumlros von Konsul Dr Fritz Riesbeim raquoPegulanlaquo-Konzern in Frankenthal ein In enger Abstim-mung mit Ries und sowie mit finanzieller Hilfe ausBonn und von etlichen Industriellen leitete Dr Taubert dieHetzkampagnen gegen Willy Brandt und den Aufbau ultrarech-ter und neonazistischer Gruppen und Presseorgane)

Und schlieszliglich zaumlhlte zu den Gaumlsten des Dr Ries aufSchloszlig Pichlarn auch

dent in Muumlnchen und er fand in der Berichterstattung deroumlsterreichischen Presse uumlber die Gaumlste auf Schloszlig Pichlarndamals die meiste

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Was die steiermaumlrkischen Zeitungen indessen nicht wuszligtenDer CSU-Chef Strauszlig und Konsul Dr Ries waren damalslaumlngst Duzfreunde und uumlberdies hatte Dr Ries die Ehefrau sei-nes Spezis Frau Marianne Strauszlig geborene Zwicknagl zu sei-ner Teilhaberin gewonnen dies uumlbrigens ohne daszlig es FrauStrauszlig einen Pfennig gekostet haumltte

Frau Strauszlig war in die am 23 Februar 1971 gegruumlndete Ries-Gesellschaft raquoDyna-Plastiklaquo in Bergisch-Gladbach eingetretenlaut Handelsregister zunaumlchst mit einer Kommanditeinlagevon 304 500 DM was damals einer Beteiligung von etwa 14 Pro-zent entsprach 1973 wurde das raquoDyna-Plastiklaquo-Kapitel erhoumlhtwobei der Anteil von Frau Strauszlig auf 406 000 DM oder 16 Pro-zent Kapitalanteil stieg Frau Strauszlig hatte jedoch weder dieerste Einlage noch die spaumltere Erhoumlhung einzuzahlen brau-chen diese sollten sich vielmehr raquoaus den Gewinnen auffuumlllenlaquo

im Klartext Dr Ries hatte der Frau seines so einfluszligreichenDuzfreundes ein kleines Geschenk gemacht eine erst 14-dann 16prozentige Beteiligung an einer gutgehenden Konzern-Tochtergesellschaft wohl in der richtigen Annahme daszlig kleineGeschenke die Freundschaft erhalten weshalb weitere aumlhnli-

Beteiligungen der Frau Marianne Strauszlig an bluumlhendenUnternehmen der Ries-Gruppe folgten

Die enge Freundschaft des CSU-Bosses dessen Bewunde-rung fuumlr die unternehmerischen Leistungen des Dr Ries unddie Beteiligung von Frau Marianne Strauszlig am Ries-Konzerndessen finanzielle Grundlagen ja wie wir bereits wissen min-destens teilweise in Auschwitz im Getto von Lodz (Litzmann-

sowie in weiteren Leidensstaumltten der versklavten Judengelegt worden waren erklaumlren vielleicht das von der raquoFrankfur-ter Rundschaulaquo 1969 zitierte Strauszlig-Wort (von dem er erst etwazwei Jahre vor seinem Tod abgeruumlckt ist) raquoEin Volk das diesewirtschaftlichen Leistungen erbracht hat hat ein Recht

Helmut Kohl beobachtete das raquoTechtelmechtellaquo seinesFreundes Dr Ries mit dem CSU-Boszlig Strauszlig von Mainz ausmit sehr gemischten Gefuumlhlen Nicht zuletzt dank der Start-hilfe und langjaumlhrigen Foumlrderung durch Dr Ries hatte er esdort inzwischen zum Ministerpraumlsidenten gebracht Ende Mai

1970 auch schon seine Kandidatur fuumlr den CDU-Bundesvorsitzangemeldet sich aber im Oktober 1971 auf dem CDU-Parteitageine Abfuhr geholt statt seiner war Rainer Barzel gewaumlhlt wor-den Kohl war jedoch entschlossen es nochmals zu probierenund 1975 zugleich ein noch houmlheres Ziel anzustreben naumlmlichKanzlerkandidat der Union zu werden und spaumltestens dannwuumlrde er in Strauszlig seinen gefaumlhrlichsten Rivalen haben

Indessen haumltte ihn sein langjaumlhriger Goumlnner Dr Ries schondamals beruhigen koumlnnen Ries und seine Freunde aus derbundesdeutschen Konzernwelt hatten bereits ganz bestimmtePlaumlne und tatsaumlchlich waren sie sich schon darin einig gewor-den es mit Helmut Kohl als Kanzlerkandidaten zu versuchenwogegen sie nach langem Hin und Her den CSU-Chef FranzJosef Strauszlig als zwar sehr nuumltzlich im Ruumlstungszentrum Muumln-chen aber als raquowenig geeignetlaquo als Regierungschef in Bonnangesehen und von der Liste der moumlglichen Kanzlerkandida-ten gestrichen hatten Allerdings auch darin waren sich dieHerren des Groszligen Geldes einig geworden sollte HelmutKohl raquoeine intellektuelle Stuumltzelaquo erhalten Denn so unbestrit-ten Kohls demagogische Talente und sein ruumlcksichtsloser Ge-brauch der Ellenbogen waren so wenig vertraute man seinengeistigen Faumlhigkeiten

Deshalb war ebenfalls auf Schloszlig Pichlarn schon zuBeginn der siebziger Jahre entschieden worden dem Dr Kohlfuumlrs kuumlnftige Kanzleramt eine raquoNummer zweilaquo an die Seite zustellen einen wie der damalige Hauptbeteiligte es nannte raquoIntelligenzbolzenlaquo der Kohls erkennbares intellektuellesDefizit ausgleichen und in Wahrheit raquodie Richtlinien der Poli-tiklaquo bestimmen sollte Wieder war es Dr Fritz Ries der von denganz groszligen Bossen dazu ausersehen wurde einerseits dieschon erkorene raquoNummer zweilaquo auf den gemeinsam gefaszligtenPlan raquoeinzustimmenlaquo andererseits seinem Schuumltzling Kohlklarzumachen daszlig er solche raquointellektuelle Stuumltzelaquo brauchenwuumlrde und zu akzeptieren haumltte denn schlieszliglich wolle er dochder Nachfolger Adenauers und womoumlglich sogar Bismarckswerden Auch diese so erklaumlrte der gewiefte GeschaumlftsmannDr Ries dem unbedarften Doktor der Geschichte Kohl haumltteneine graue Eminenz im Kanzleramt gehabt der eine seinen

Staatssekretaumlr Dr Globke der anderen seinen Geheimrat vHolstein

Helmut Kohl schien-wie eine Zeugin dieses Gespraumlchs sichdeutlich erinnert zwar uumlber Adenauers Staatssekretaumlr imKanzleramt Dr Hans Maria Globke Bescheid zu wissen eswar ihm wohl nicht entgangen daszlig dieser Dr Globke bis zuAdenauers Ruumlcktritt im Jahre 1963 die Bonner Personalpolitikvon der Gruumlndung der BRD an maszliggeblich beeinfluszligt auchdie westdeutschen Geheimdienste geleitet und zugleich dasVertrauen des hohen katholischen Klerus genossen hatte (diesuumlbrigens auch schon zur Zeit der Nazi-Diktatur als damaligerJudenreferent des Reichsinnenministeriums erst unter dem1946 in Nuumlrnberg als Hauptkriegsverbrecher hingerichteten -Dr Wilhelm Frick dann unter dessen Nachfolger dem raquoReichs-fuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler weshalb er selbst als Nr 101 aufder Kriegsverbrecherliste der Alliierten verzeichnet gewesenwar)

Aber Helmut Kohl hatte wie er dem Konsul Dr Ries freimuuml-tig gestand von einer raquograuen Eminenzlaquo Bismarcks namensFriedrich v Holstein noch nie etwas gehoumlrt was von seinemvaumlterlichen Freund und Goumlnner schmunzelnd zur Kenntnisgenommen worden war und er hatte dann gesagt Kohl muumlssenoch einiges lernen Spitzenpolitiker brauchten genau wie dieInhaber groszliger Unternehmen hochintelligente und fleiszligigeRatgeber zumal dann wenn diplomatische Meisterstuumlckegefordert seien Dabei gab er Kohl augenzwinkernd zu verste-hen daszlig Intelligenz Fleiszlig und diplomatisches Geschick nichtgerade zu dessen hervorstechenden Eigenschaften zaumlhlten

Wie Konsul Dr Ries dann die heikle Aufgabe loumlste demkuumlnftigen Kanzlerkandidaten des Groszligen Geldes eine vonihm und seinen maumlchtigen Freunden ausgesuchte -raquoNummerzweilaquo schmackhaft zu machen verdient uneingeschraumlnkteBewunderung und wird im uumlbernaumlchsten Kapitel geschildertwerden

Doch zunaumlchst lieszlig Ries seinen Schuumltzling Kohl im unklarendaruumlber wen er fuumlr ihn als raquointellektuelle Stuumltzelaquo im Augehatte Er ging statt dessen so erinnert sich die Zeugin deutlichzu seinem Lieblingsthema uumlber und lobte die geniale Strategie

des raquoReichsgruumlnderslaquo Bismarck Man muumlsse sie den gewandel-ten Verhaumlltnissen und der abermaligen Notwendigkeit wirt-schaftlicher Expansion diesmal nicht mit militaumlrischen Mit-teln geschickt anpassen Ein raquoUumlberrollen der Zone bei derersten Gelegenheitlaquo bezeichnete Dr Ries damals als raquodurchausmachbarlaquo und er sah sein aufmerksam lauschendes politischesZiehkind Helmut Kohl bereits als raquomoumlglichen Eisernen Kanz-ler dieser neuen oumlkonomischen Groszligmachtlaquo

Was nun diese heute fast prophetisch anmutenden Visio-nen des Dr Fritz Ries zu Beginn der siebziger Jahre angeht sowaren sie damals bei westdeutschen Industriellen seines Altersund Schlages durchaus keine Seltenheit Ratgeberwie Dr Eber-hard Taubert und andere fruumlhere raquoOstraumlaquo-Experten bestaumlrk-ten ihre Brotherren fleiszligig in solchen Wunschtraumlumen undwas die Bismarck-Schwaumlrmerei des Dr Ries betraf so war sieebenfalls in Mode zumal in konservativen Kreisen und bei

raquoAlten Herrenlaquo schlagender StudentenverbindungenWarum das bedarf einer kurzen Erlaumluterung

Kurzer Ausflug in die deutscheGeschichte

Der erste deutsche Reichskanzler der Neuzeit Otto v Bis-marck mit dem Helmut Kohl gern verglichen werden moumlchtefuumlhrt in manchen Geschichtsbuumlchern den Beinamen raquoEisernerKanzlerlaquo weil er mit groszliger Energie und meist im Alleingangoft gegen die Volksmeinung und die Parlamentsmehrheit mit-unter auch gegen die Wuumlnsche und Absichten des Staatsober-haupts seine eigene Politik verfolgte Diese war darauf gerich-tet durch eine Reihe von Eroberungskriegen und geschickteraquoVereinnahmungenlaquo das Koumlnigreich Preuszligen dessen Regie-rungsgeschaumlfte er von 1862 an fuumlhrte zur staumlrksten Macht inEuropa werden zu lassen

Dieses Preuszligen war bis zum Untergang der Hohenzollern-Monarchie im Jahre 1918 ein besonders reaktionaumlrer und milita-ristischer Obrigkeitsstaat wo adlige Groszliggrundbesitzer soge-nannte Junker zu denen auch Bismarck gehoumlrte den Ton anga-ben und alle houmlheren Posten in Staat und Armee besetzt hiel-ten Bei seinem Eintritt in die Politik machte sich der junge Bis-marck mit der Feststellung bekannt raquoIch bin ein Junker undwill meinen Vorteil davon habenlaquo Indessen war er trotz dieserArroganz sehr intelligent und weit gebildeter als die allermei-sten seiner Standesgenossen

Fuumlr das Abgeordnetenhaus des Junkerstaats Preuszligen demer angehoumlrte galt - bis 1918 - ein Dreiklassenwahlrecht ZweiDrittel aller Erwachsenen durften ohnehin nicht waumlhlen weilsie entweder Frauen oder unter 25 oder Empfaumlnger oumlffentlicherBeihilfen waren oder keinem eigenen Haushalt vorstandenDas uumlbrige Drittel war in drei Klassen eingeteilt Die wenigenHoumlchstbesteuerten die mittleren Steuerklassen und die Masseder Niedrigstbesteuerten waumlhlten jeweils die gleiche Anzahlvon Wahlmaumlnnern die ihrerseits gemeinsam den Abgeordne-ten des Bezirks bestimmten Damit war garantiert daszlig die Rei-

und Wohlhabenden immer das Sagen hatten der breiteMittelstand unterlegen blieb und die Masse des Volkes gar kein-nen Einfluszlig auf die Zusammensetzung des Parlaments aus-uumlben konnte

Trotz dieser voumlllig undemokratischen Verhaumlltnisse vermoch-te Bismarck als er 1862 preuszligischer Ministerpraumlsident gewor-den war in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit nur gegendas Parlament und an diesem vorbei zu regieren weil auch denwohlhabenden Buumlrgern Preuszligens seine auf Krieg gerichtetePolitik und die enormen Ruumlstungsausgaben verhaszligt warenErst als Bismarck ihnen durch umfangreiche Eroberungen denersehnten groumlszligeren Markt und stark vermehrten Profit be-schert hatte waren auch die meist nationalliberalen Besitz-buumlrger von ihm begeistert

Durch drei Angriffskriege 1864 im Buumlndnis mit Oumlsterreichgegen das kleine Daumlnemark 1866 gegen den Deutschen Bundund dessen Vormacht Oumlsterreich gegen Frankreich verwirklichte Bismarck seine kuumlhnen Plaumlne und man nanntedies (und nennt es wohl noch heute) sein raquoEinigungswerklaquoDabei hatte er in Wahrheit keineswegs alle Deutschen in einemNationalstaat vereinigt vielmehr rund ein Fuumlnftel aller Deut-schen Mitteleuropas ausgesperrt Die uumlber zehn MillionenDeutschoumlsterreicher von Nordboumlhmen bis Suumldtirol waren alsgeschlagene raquoFeindelaquo nicht in das 1871 gegruumlndete DeutscheReich aufgenommen worden Dafuumlr zaumlhlte das Bismarck-Reichunter seinen damals 42 Millionen Einwohnern uumlber vier Millio-nen Nichtdeutsche darunter knapp drei Millionen raquoMuszligpreu-szligenlaquo polnischer Muttersprache je rund 150 000 Litauer ren und Kaschuben knapp 200000 Daumlnen sowie annaumlhernd300 000 Franzosen und Wallonen Sie waren durch Eroberun-gen preuszligische Untertanen geworden oder lebten im annek-tierten von Preuszligen beherrschten raquoReichslandlaquo Elsaszlig-Lothrin-gen Uumlberhaupt war das von Bismarck geschaffene DeutscheReich in Wahrheit nur ein vom stark vergroumlszligerten Preuszligen be-herrschtes Wirtschaftsgebiet dessen nichtpreuszligische Teile einegewisse Scheinsouveraumlnitaumlt genossen Die Bezeichnung raquoDeut-

Reichlaquo war eine geschickte Taumluschung weil das mittel-europaumlische Reich des Mittelalters das in der Neuzeit

gen worden und 1806 auch formal untergegangen war einegaumlnzlich andere Struktur und Bedeutung auch keine wirklicheZentralgewalt keine staumlndige Hauptstadt zudem flieszligendeGrenzen gehabt hatte und weder zum Reich noch zum Deut-schen Bund der von 1815 bis 1866 bestanden hatte war daseigentliche Preuszligen je gerechnet worden

Mit dem raquoBlitzkrieglaquo Preuszligens gegen den Deutschen Bundhatte Bismarck diesen zerschlagen Oumlsterreich in Deutschlandentmachtet und daraus verdraumlngt Preuszligen aber stark vergrouml-szligert um Schleswig-Holstein das Koumlnigreich Hannover Hes-sen-Kassel Hessen-Nassau und die Reichsstadt Frankfurt amMain - so daszlig dieser von ihm regierte Hohenzollernstaat dersich einige Jahrzehnte zuvor schon halb Sachsen und dasRheinland einverleibt hatte nun zu einer Mitteleuropa beherr-

gegen Frankreich wurde Preuszligen-Deutschland zur staumlrkstenMacht auf dem Kontinent vereinnahmte Lothringen und dasElsaszlig gruumlndete das nun von Berlin aus regierte DeutscheReich und gliederte diesem zur Verstaumlrkung des preuszligischenUumlbergewichts Ost- und Westpreuszligen sowie das Groszligherzog-tum Posen an

Noch 23 Jahre zuvor nach der Maumlrzrevolution von 1848 warder damalige Preuszligenkoumlnig Friedrich Wilhelm IV unter demDruck der demokratischen Erhebung der Berliner zu der Erklauml-rung gezwungen gewesen raquoPreuszligen geht fortan in Deutsch-land auflaquo Das hatte dem Wunsch der groszligen Mehrheit entspro-chen die ein demokratisches im Frieden mit den Nachbarnlebendes Deutschland ohne Fuumlrsten und Kleinstaaterei gefor-dert hatte

Aber die demokratische Revolution war dann von preuszligi-schem Militaumlr niedergewalzt worden unter dem Befehl jenesPrinzen Wilhelm den Bismarck 1871 zum Deutschen Kaiserproklamieren lieszlig als es ihm gelungen war Deutschland inPreuszligen aufgehen zu lassen unter Fortbestand der Adelspri-vilegien und der Scheinsouveraumlnitaumlt von 26 deutschen Klein-

Dieses von Bismarck geschaffene und dann noch fast zweiJahrzehnte lang regierte Hohenzollernreich erfuumlllte die

der Industrie und Handels war aber nach obrigkeits-staatlichen autoritaumlren gaumlnzlich undemokratischen Grundsaumlt-zen aufgebaut Adel Militaumlr und im Bunde mit diesen die Her-ren der sich stuumlrmisch entwickelnden Industrie gaben den Tonan Die immer staumlrker werdende Opposition der ausgebeutetenIndustriearbeiterschaft versuchte Bismarck durch die raquoSoziali-stengesetzelaquo mundtot zu machen und die Sozialdemokratiesamt ihren Gewerkschaften zu zerschlagen vergeblich dennbeide wurden noch um vieles staumlrker Deshalb wurde dieArmee abermals vermehrt denn sie sollte auch den raquoinnerenFeindlaquo in Schach halten

Erfolgreich war Bismarck hingegen mit seiner DiplomatieSie war darauf gerichtet sein raquoDeutsches Reichlaquo genanntesGroszligpreuszligen zu festigen und das Risiko weiterer Kriege zu ver-meiden Diese kluge Zuruumlckhaltung wurde nach BismarcksSturz im Jahre 1890 schon bald aufgegeben Kaiser Generalitaumltund Groszligkapital draumlngten auf weitere Machtausdehnung Siewollten die Vorherrschaft nicht allein auf dem europaumlischenKontinent sondern auch auf den Meeren Dem unausweichli-chen Konflikt mit allen anderen Groszligmaumlchten den dieses Stre-ben nach Weltherrschaft heraufbeschwor sah die deutscheFuumlhrung siegesgewiszlig

Indessen endete der Erste Weltkrieg 1918 mit der militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Zusammenbruch derHohenzollern-Monarchie Im selben Spiegelsaal des VersaillerSchlosses wo das Bismarck-Reich gegruumlndet worden warwurde 47 Jahre spaumlter dessen Untergang besiegelt und Deutsch-land auf die Grenzen zurechtgestutzt die dann bis 1937 galten

Die Kriegstreiber von 1914 und die konservative deutscheRechte wollten sich jedoch weder mit diesen raquounrechtmaumlszligigenlaquoGrenzen noch mit den uumlbrigen Folgen der militaumlrischen Nie-derlage von 1918 abfinden Deutschlands Abruumlstung und dieHerstellung demokratischer und sozial gerechterer Verhaumllt-nisse waren ihnen ein Greuel Die Herren des Groszligen Geldeszumal die der Ruumlstungsindustrie im Bunde mit den Militaumlrsund den um ihre verlorenen Privilegien trauernden preuszligi-schen Junkern betrieben fortan den Sturz der Republik Siefinanzierten rechte und ultrarechte Kampforganisationen vom

raquoStahlhelmlaquo bis zur SS schufen einen deutschnationa-len Presse und Filmindustrie weitgehend beherrschenden Pro-pagandaapparat und nutzten die Weltwirtschaftskrise die inDeutschland ihren Houmlhepunkt erreichte der durchMassenarbeitslosigkeit und Elend geschwaumlchten Republiknach nur vierzehn Jahren ihres Bestehens den Garaus zumachen

Die Nazi-Diktatur die sie Anfang 1933 errichteten unddurch rechtskonservative Fachleute ihres Vertrauens unterKontrolle zu halten hofften war aber von noch kuumlrzerer DauerAnfangs erfuumlllten die Nazis zwar die vom Groszligen Geld in siegesetzten Erwartungen Sie zerschlugen sofort und mit aumluszliger-ster Brutalitaumlt die Gewerkschaften und die miteinander verfein-deten Linksparteien beseitigten die Tarifautonomie dieBetriebsraumlte das Streikrecht und begannen sogleich mit massi-ver Aufruumlstung Auch der Krieg den Hitler 1939 vom Zaunbrach brachte anfangs die erhofften Eroberungen und Ausbeu-tungsmoumlglichkeiten Aber er endete wie nicht anders zu erwar-ten gewesen war nach sechs Jahren des Grauens und der Ver-wuumlstung groszliger Teile Europas mit der vollstaumlndigen militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Untergang der Nazi-Diktatur in Schutt und Schande

45 Jahre lang war das uumlbriggebliebene Deutschland erst invier Besatzungszonen dann in zwei selbstaumlndige jahrzehnte-lang keine Beziehungen zueinander unterhaltende Staaten auf-geteilt die entgegengesetzten gesellschaftlichen und politi-schen Systemen angehoumlrten

Konrad Adenauer erster Bundeskanzler von 1949 bis 1963zog aus den Gegebenheiten politische Konsequenzen die sei-ner Herkunft Erfahrung und Grundeinstellung entsprachenEr wurzelte noch im 19 Jahrhundert und hatte die ersten 42Jahre seines Lebens unter dem autoritaumlren Regime des wilhel-minischen Kaiserreichs verbracht Er war Rheinlaumlnder Katho-lik Mitglied der katholischen Zentrumspartei wo er dem eherrechten Fluumlgel angehoumlrte der im Sozialismus den Erzfeind imFaschismus einen moumlglichen Verbuumlndeten sah 1929 als Mus-solini der den italienischen Arbeiterfuumlhrer Giacomo Mateottikurz zuvor hatte ermorden lassen seinen Frieden mit dem

Vatikan machte telegrafierte ihm Adenauer damals Koumllner

staben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragenlaquo1919 nach dem Untergang der Hohenzollern-Monarchie hatteAdenauer schon mit dem Gedanken geliebaumlugelt Westdeutsch-land vom sozialistisch regierten Reich abzuspalten und es alsstarken Partner in eine katholisch-konservative Wirtschafts-union der westlichen Nachbarn Belgien Luxemburg undFrankreich einzubringen 1945 nahm er diese Plaumlne sogleichwieder auf

raquoNach meiner Ansichtlaquo erklaumlrte Adenauer am 5 Oktober1945 raquosollten die Westmaumlchte die drei Zonen die sie besetzt hal-ten tunlichst in einem rechtsstaatlichen Verhaumlltnis zueinanderbelassen Das Beste waumlre wenn die Russen nicht mittun wollensofort wenigstens aus den drei westlichen Zonen einen Bundes-staat zu bildenlaquo Es konnte ihm also mit der Teilung Deutsch-lands gar nicht schnell genug gehen und er fuumlgte dann noch

einem solchen westdeutschen Bundesstaat zu genuumlgen muumlszligteman die Wirtschaft dieses westdeutschen Gebiets mit der Frank-reichs und Belgiens so eng wie moumlglich verflechtenlaquo

Es war indessen nicht allein Adenauers Sympathie fuumlr einenges Buumlndnis mit den katholischen Nachbarn oder seine tiefeAbneigung gegen alles auch nur entfernt Sozialistische die ihnauf eine Spaltung Restdeutschlands in einen kapitalistischenWeststaat und einen den Sowjets uumlberlassenen Oststaat hinar-beiten lieszlig Vielmehr war er auch obwohl zwoumllf Jahre lang Prauml-sident des Preuszligischen Staatsrats der Weimarer Republik einentschiedener Gegner Preuszligens

raquoWir im Westen lehnen vieles was gemeinhinGeistlt genannt wird ablaquo so hatte er in der raquoWeltlaquo vom 30 vember 1946 erklaumlrt raquoIch glaube daszlig die deutsche Hauptstadteher im Suumldwesten liegen soll als im weit oumlstlich gelegenen Ber-

Sobald aber Berlin wieder Hauptstadt wird wird das Miszlig-trauen im Ausland unausloumlschlich werden Wer Berlin zur neuenHauptstadt macht schafft geistig ein neues Preuszligenlaquo Schon fruuml-her hatte Adenauer Berlin eine raquoheidnische Stadtlaquo genanntPreuszligen als raquoAnfang Asienslaquo bezeichnet Die Schaffung der

Bundesrepublik mit dem linksrheinischen buumlrgerlich-konser-vativen und gutkatholischen Bonn als Hauptstadt und die Ent-muumlndigung der Westberliner in Bundestag und Bundesratwaren ganz nach seinem Herzen und sicherten die Herrschaftseiner Union denn die Hochburgen des katholischen Zen-trums hatten vor 1933 in Gebieten gelegen die nun zur BRDgehoumlrten die der Sozialdemokraten aber uumlberwiegend in dernunmehrigen DDR und in Ostberlin

Wenn Adenauer als Bundeskanzler dennoch bei jeder Gele-genheit von einer zu erhoffenden und zu erstrebenden raquoWie-dervereinigunglaquo sprach und auch raquodie Grenzen vonforderte so waren dies notwendige Zugestaumlndnisse an dieGefuumlhle der fast zwoumllf Millionen Fluumlchtlinge und Vertriebenendie sich in den ersten zehn Jahren in Westdeutschland fremdund benachteiligt fuumlhlten und damals noch auf eine baldigeRuumlckkehr in die fruumlhere Heimat hofften Aber seine tatsaumlchli-che Politik war keineswegs auf eine Wiedervereinigung ausge-richtet vielmehr auf die rasche und alle Bereiche umfassendeIntegration der BRD in das westliche Buumlndnis die er ja auchmit erstaunlichem Erfolg betrieb wogegen er jeden Vorschlagvon oumlstlicher Seite die Einheit Deutschlands wiederherzustel-len dafuumlr auf Aufruumlstung NATO-Mitgliedschaft und Stationie-rung von Atomwaffen zu verzichten als raquokommunistischesBlendwerklaquo energisch zuruumlckwies auch Viermaumlchtegarantienfuumlr ein neutralisiertes Gesamtdeutschland (nach dem MusterOumlsterreichs) als raquoFirlefanzlaquo abtat

Unter Adenauer wurde Anfang der fuumlnfziger Jahre die soge-nannte Hallstein-Doktrin entwickelt Sie beruhte auf demAnspruch der Bundesrepublik allein die Rechtsnachfolge desuntergegangenen Deutschen Reiches angetreten zu haben unddie Interessen aller Deutschen zu vertreten Die DDR war die-ser Doktrin zufolge raquonichtexistentlaquo also staatsrechtlich garnicht vorhanden

Dieser Unfug der auch keinerlei Kontakte auf Regierungs-ebene zwischen Bonn und Ostberlin zulieszlig zementierte dieTeilung Deutschlands und machte es dem stalinistischenRegime Walter Ulbrichts leicht ja uumlberhaupt erst moumlglich sichvoumlllig abzukapseln und einzumauern immer unter Hinweis

eumleth

auf die kompromiszliglos feindselige Haltung Bonns die wach-sende militaumlrische Bedrohung durch die Bundesrepublik unddie Notwendigkeit sich gegen die westdeutsche Propagandaund Agentenflut zu schuumltzen Erst durch Willy Brandt denersten sozialdemokratischen Kanzler wurde von 1969 an eineneue Ostpolitik gewagt und die Hallstein-Doktrin fallengelas-

Die neue von der CDUCSU heftig bekaumlmpfte OstpolitikWilly Brandts mit dem Ziel die friedensgefaumlhrdende Hochruuml-stung abzubauen und die innerdeutschen Beziehungen nichtzuletzt den Reiseverkehr allmaumlhlich zu normalisieren machtedem Kalten Krieg ein Ende und setzte auf raquoWandel durchAnnaumlherunglaquo

Diese Hoffnung erfuumlllte sich im Herbst 1989 Aber es warennun Helmut Kohl dessen Union und deren freidemokratischeKoalitionspartner die ernten konnten was Willy Brandt unddessen politische Freunde nach muumlhseliger Abtragung der inJahrzehnten des Kalten Krieges angehaumluften Hindernissegesaumlt hatten Kohl ohne eigenes Zutun ploumltzlich zum raquoKanzlerder deutschen Einheitlaquo aufgestiegen nutzte seine ChanceNachdem sich die DDR aus eigener Kraft vom Honecker-Regime befreit hatte versprach Kohl deren Buumlrgerinnen undBuumlrgern goldene Berge raquobluumlhende Landschaftenlaquo und gren-zenlose Konsumfreiheit und tatsaumlchlich gelang ihm so derkaum noch erhoffte Wahlsieg im Dezember 1990

Seither haben die Menschen im raquoBeitrittsgebietlaquo der neuenBundeslaumlnder erfahren was es heiszligt brutal und ruumlcksichtslosvereinnahmt und dem raquofreien Spiel der Kraumlftelaquo ausgeliefert zuwerden Sie konnten nicht ahnen daszlig es Helmut Kohl und sei-ner Regierungskoalition nur darum ging (und noch geht) auchoumlstlich der Elbe jene Umverteilung von unten nach ganz obendurchzufuumlhren die in Westdeutschland schon seit Jahren imGange war Dieser Prozeszlig der keinerlei Ruumlcksicht auf die so-zial Schwachen zulaumlszligt dient allein den Interessen der Super-reichen

Denn dafuumlr wurde Helmut Kohl von Konsul Dr Ries derihn von der Schulbank an gefoumlrdert und ihm spaumlter umfangrei-che Hilfe bei seinem politischen Aufstieg verschafft hatte im

Auftrag der Herren des Groszligen Geldes auserwaumlhlt Dafuumlrwurde Kohl an die Spitze der CDU gehievt und mit einem klu-gen Ratgeber versehen der ihn ins Kanzleramt begleiten undKohls Maumlngel zumal die an Intelligenz und Takt ausgleichensollte

Nachdem wie bereits geschildert Rainer Barzels CDU-Chefsessel fuumlr Helmut Kohl mit Hilfe von viel Flick-Geld raquofrei-gefaumlcheltlaquo worden war hatte Dr Ries 1972173 die delikate Auf-gabe den kuumlnftigen Ratgeber behutsam auf dieses Amt vorzu-bereiten seinen Schuumltzling Helmut Kohl auf die fuumlr ihn auser-sehene raquoNummer einzustimmen und beide unter seineFittiche zu nehmen

Zum besseren Verstaumlndnis vorausgeschickt Im Juli 1976 nur13 Monate vor der Entfuumlhrung und schlieszliglichen ErmordungDr Hanns Martin Schleyers durch RAF-Terroristen hatte derAutor dieses Schwarzbuchs ein laumlngeres Gespraumlch mit diesemraquoBoszlig der Bosselaquo der damals Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG Praumlsident der Bundesvereinigung der DeutschenArbeitgeberverbaumlnde (BDA) und Vertrauensmann der Flick-Gruppe war bald darauf auch noch Praumlsident des Bundesver-bands der Deutschen Industrie (BDI) wurde Die Unterhal-tung war auf Wunsch Dr Schleyers zustande gekommen

Bei dem gemeinsamen Mittagessen in einem MuumlnchenerHotel zeigte sich Dr Schleyer ungewoumlhnlich offen Soweit esseine und seiner Freunde politischen Plaumlne betraf erklaumlrte eres sei ein Irrtum zu glauben Franz Josef Strauszlig sei ihr Favoritfuumlr das Kanzleramt raquoEr hat groszlige Qualitaumltenlaquo meinte damalsSchleyer uumlber Strauszlig raquoaber er ist zu unkontrolliert und zuangreifbar laquo

Nun gab es wahrlich Gruumlnde genug den damaligen CSU-Chef fuumlr raquozu angreifbarlaquo zu halten Er stand wie das Landge-richt Muumlnchen ihm bescheinigt hatte raquoim Ruch der Korrup-tionlaquo und seine Laufbahn war seit den fruumlhen fuumlnfziger Jahrenals er Bundesverteidigungsminister Adenauers wurde eineKette von Skandalen und Affaumlren Aber Dr Schleyer hatte wiesich dann herausstellte mit der raquoAngreifbarkeitlaquo des FJS etwasanderes gemeint und dessen skandaloumlse Verquickung von poli-tischer Amtsfuumlhrung und privaten Geschaumlften unter die Rubrikraquozu unkontrolliertlaquo eingeordnet Das ergab sich aus einemZusatz der sinngemaumlszlig etwa besagte Ihm Schleyer sei es egal

Naumlheres daruumlber ist nachzulesen in Bernt Engelmann raquoGroszliges Bundesver-dienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

daszlig die Leute nun wuumlszligten daszlig er mal SS-Fuumlhrer gewesen seiaber er wolle ja nicht Bundeskanzler werden

Schleyers Bemerkung Strauszlig waumlre als Kanzler raquozu angreif-barlaquo hatte sich also auf dessen Nazi-Vergangenheit bezogenund zwar etwa in der Bedeutung Als Ministerpraumlsident in Bay-ern kann ein Mann wie Strauszlig noch durchgehen aber nicht alsBundeskanzler in Bonn

Zur weiteren Klarstellung Franz Josef Strauszlig leugnete zeit-lebens seine Nazi-Vergangenheit er hatte fuumlr alles ganz harm-lose Erklaumlrungen Gewiszlig er habe dem NSKK angehoumlrt aberdieses NS-Kraftfahrkorps sei unpolitisch gewesen er selbst nurMitglied wegen seiner Leidenschaft fuumlrs Motorradfahren alsStudent habe er einer raquoPflichtorganisationlaquo dem NS Deut-schen Studentenbund (NSDStB) als einfaches Mitglied ange-houmlrt schlieszliglich sei er gegen Kriegsende raquoOffizier fuumlr wehrgei-stige Fuumlhrunglaquo gewesen habe den Soldaten Geschichtsunter-richt erteilt aber als er dann NSFO NS-Fuumlhrungsoffizierhatte werden sollen da habe er abgelehnt und sich dem heimli-chen Widerstand angeschlossen

Tatsaumlchlich ist urkundlich erwiesen daszlig es mit alledem eineganz andere Bewandtnis gehabt hat und Dr Schleyer wuszligteaus eigener Erfahrung daszlig der NSDStB alles andere war alseine harmlose raquoPflichtorganisationlaquo naumlmlich die auf nur5 000 Mitglieder im ganzen Groszligdeutschen Reich strikt be-grenzte Kaderschule fuumlr den SD den gefuumlrchteten Sicher-heitsdienst der SS dem ja auch Dr Schleyer selbst angehoumlrthatte

Wenn aber Hanns Martin Schleyer und die ihm nahestehen-den Kreise damals 1976 von Franz Josef Strauszlig als Kanzler-kandidat nichts hielten wen mochten er und seine Freundedann im Auge haben

Der Autor stellte ihm diese Frage und uumlberraschenderweiseerwiderte Dr Schleyer ohne ZoumlgernraquoWir setzen auf das Tandem KohlBiedenkopflaquo

Professor Kurt Biedenkopf der 1973 zur allgemeinen Uumlber-raschung Generalsekretaumlr des CDU-Bundesvorstands gewor-den war galt als raquoVordenkerlaquo der Union Im uumlbrigen war er fuumlrdie bundesdeutsche Oumlffentlichkeit im Wahljahr 1976 noch ein

unbeschriebenes Blatt Wer sich uumlber den Professor der bislangkein Bundestagsmandat gehabt hatte naumlher informierenwollte fand im raquoWer ist werlaquo folgenden auf eigenen Angabendes Professors beruhenden Eintrag

am 28 Januar 1930 in (Vater Wilhelm -

mitglied der C Rudolf Poensgen-Stiftung Vorsitzender des

- Buchveroumlffentlichungen Aktuelle Grundsatzfragen des Kartell-

beschraumlnkungen und Wirtschaft 1958 Unternehmer und Gewerk-

Diese Angaben waren nicht sehr aufschluszligreich Zunaumlchst lie-szligen sie vermuten daszlig es sich bei Professor Biedenkopf umeinen stillen Gelehrten handelte der im In- und Ausland flei-szligig studiert hatte um dann eine steile Universitaumltskarriere ein-zuschlagen In rascher Folge war er Privatdozent Ordinariusund sogar Rektor der Bochumer Ruhruniversitaumlt gewordendaneben mit zahlreichen Buchveroumlffentlichungen hervorgetre-ten und in Stifterverbaumlnden aktiv gewesen Aber dann hatte ihnploumltzlich die Politik in Beschlag genommen und er war sozusa-gen aus dem Stand CDU-Generalsekretaumlr geworden

Noch ein weiterer Umstand gab dem Leser der Kurzbiogra-phie Raumltsel auf denn es fehlte darin selbst der kleinste Hinweisauf Herkunft Schulzeit Beruf des Vaters und dergleichenMan konnte vermuten daszlig da vielleicht ein schlichtes Proleta-rierkind aus Bescheidenheit oder falscher Scham seinenraschen Aufstieg ein wenig zu verschleiern trachtete

Indessen war Professor Dr Kurt H Biedenkopf beileibe keinsozialer Aufsteiger vielmehr der Sohn des Dipl Ing Wilhelm

Biedenkopf aus Chemnitz Jahrgang 1900 der bis zu seiner Pen-sionierung ordentliches Vorstandsmitglied einer Perle unterden zur Flick-Gruppe gehoumlrenden Unternehmen naumlmlich derraquoDynamit-Nobel AGlaquo in Troisdorf gewesen war zuvor techni-scher Direktor vielfacher Aufsichts- und Beirat waumlhrend desZweiten Weltkriegs auch ein vom raquoFuumlhrerlaquo besonders belo-bigter und belohnter raquoWehrwirtschaftsfuumlhrerlaquo Ganz zufaumllli-gerweise war Vater Wilhelm Biedenkopf zuletzt auch Mitglieddes Beirats jenes Unternehmens in Bergisch-Gladbach daswesentlich zu den Gewinnen des raquoPegulanlaquo-Konzerns beigetra-gen hatte und an dem Frau Marianne Strauszlig die Gattin desCSU-Chefs von Konsul Dr Ries hochherzigerweise mitzuletzt etwa 16 Prozent beteiligt worden war

Ein weiterer Zufall Sohn Kurt der spaumltere CDU-General-sekretaumlr war waumlhrend eines beruflich bedingten Aufenthaltsseines Vaters als die BASF dessen Dienste in Anspruchgenommen hatte anno 1930 in LudwigshafenRh zur Weltgekommen genau wie Helmut Kohl und mit diesem hatte erauch gemeinsam die Volksschule besucht

Dann aber hatten sich ihre Wege getrennt Der aus unbemit-telter Beamtenfamilie stammende Helmut Kohl muszligte sichwie wir bereits wissen recht muumlhsam nach oben hangeln unddabei spielte sein Foumlrderer Dr Ries eine wichtige Rolle KurtBiedenkopf hingegen hatte in den USA politische Wissenschaf-ten in Muumlnchen und Frankfurt Jura und Volkswirtschaft stu-diert zum Doktor der Rechte und zum Master of Law promo-viert sich mit einer Arbeit uumlber raquoDie Grenzen der Tarifautono-mielaquo habilitiert (und damit zugleich die Aufmerksamkeit derKonzernherren und des Arbeitgeberverbands erregt) und war1967 juumlngster Rektor der Bundesrepublik in Bochum gewordenIn den folgenden Jahren hatte er sich gesellschafts- und wirt-schaftspolitisch zu profilieren begonnen raquoIn seinem BekenntnisZU einer funktionsfaumlhigen Marktwirtschaft mit Wettbewerb und

schrieb damals raquoDer Spiegellaquo uumlber ihn raquolaumlszligt ersich von niemandem uumlberbietenlaquo

Weithin bekannt geworden war der Professor aber erst 1968als ihn Bundeskanzler Kiesinger mit der Leitung einer Kommis-sion beauftragte die fuumlr die Bundesregierung die Frage der

betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer untersuchensollte Diese raquoBiedenkopf-Kommissionlaquo wie sie dann genanntwurde rang sich zwar zu einer Wuumlrdigung der gut funktionie-renden paritaumltischen Mitbestimmung in der Montanindustriedurch entschied sich aber gegen die Ausdehnung diesesModells auf die gesamte Wirtschaft wie es GewerkschaftenSPD und CDU-Sozialausschuumlsse gefordert die Unternehmerjedoch als raquoruinoumls fuumlr die Wirtschaftlaquo abgelehnt hatten Iacute raquomiddotnot raquoreg

iquestfrac34raquoreg iquestlaquofrac12 frac14raquosup2 deg iquestregnotraquomiddotraquomiddotsup1 raquosup2 raquosup2 YacuteUumlEuml oacuteIacute plusmnbrvbar middotiquestacuteiquestlaquoshyshy frac12 $shyshy raquosup2 iquest shyfrac14raquoreg pararaquofrac14raquo Uumlraquosup3 plusmnmicroregiquestnotmiddotshy middotraquoreglaquosup2 sup1 frac14raquoreg Eacute middotregnotoacute

shyfrac12 iquestordmnot brvbar laquo frac34raquomicroltsup3 deg ordmraquosup2 shylaquofrac12cedil raquoograveu Umgekehrt fand nun einer dergroumlszligten bundesdeutschen Konzerne die Henkel-Gruppe daszligdieser so unternehmerfreundliche Professor genau der richtigeMann fuumlr sein Topmanagement sei Anfang 1971 konntedenkopf seine akademische Laufbahn vorerst beenden undGeschaumlftsfuumlhrer der Henkel GmbH werden Von diesem Kom-mandoposten des nicht nur im Waschmittelbereich fuumlhrendenChemie-Riesen dessen Eigentuumlmer als Groszligaktionaumlre desDEGUSSA-Konzerns und der NUKEM-Reaktorbau-Holdingbetraumlchtlichen Einfluszlig auf die Wirtschaft und die Politik derBundesrepublik ausuumlben lieszlig sich Professor Biedenkopf zwei-einhalb Jahre spaumlter weglocken und uumlbernahm den Posten desGeneralsekretaumlrs der in die Opposition verbannten CDU

Niemand vermutlich nicht einmal Kurt Biedenkopf selbstwird mit Bestimmtheit sagen koumlnnen wer oder was den Profes-sor dazu bewogen hat sich von der sicheren Kommandobruumlcke

Die NUKEM GmbH in Hanau gehoumlrt zu 35 Prozent der DEGUSSA derenGroszligaktionaumlr die Familie Henkel (raquoPersillaquo usw) ist Die NUKEM GmbH istihrerseits mit 40 Prozent des Kapitals an der ALKEM GmbH Hanau betei-ligt Der Geschaumlftsfuumlhrer dieser Brennelementefabrik Dr Alexanderkoff seit 1963 CDU-Bundestagsabgeordneter sowie vier weitere ALKEM-Manager wurden im Sommer 1986 von der Staatsanwaltschaft beschuldigtraquowesentliche technische Aumlnderungen im Produktionsablauf ohne atomrecht-liche Genehmigungsverfahren vorgenommen und damit die Sicherheit derAnlage verringert zu Warrikoff fanden sich dann andere Verwen-dungsmoumlglichkeiten Geschaumlftsfuumlhrendes Vorstandsmitglied des Wirtschafts-verbandes Kernbrennstoff-Kreislauf Vorsitzender des Verwaltungsrates derNVD -Nukleare Versicherungsdienst GmbH Bundesvorstandsmitglied desCDU-Wirtschaftsrates

des Henkel-Konzerns in die Wogen der Politik zu stuumlrzen Ver-buumlrgt ist jedoch daszlig Konsul Dr Fritz Ries dem Wunsch seinerGaumlste auf Schloszlig Pichlarn und inbesondere dem seines altenFreundes Hanns Martin Schleyer doch einen raquoIntelligenzbol-zenlaquo zu finden der bereit und imstande waumlre Helmut Kohlsdeutliche Maumlngel auszugleichen sowie beide auf ihre gemein-same Rolle raquoeinzustimmenlaquo mit Eifer und Geschick nachge-kommen ist

Vom Herbst 1972 an organisierte Dr Ries auf seiner steier-maumlrkischen Besitzung sogenannte raquoPichlarner TopmanagerGipfeltreffenlaquo die sich bald groszliger Beliebtheit erfreutenDenn die zur Ries-Besitzung gehoumlrende ProminentenherbergeraquoSchloszlighotel Pichlarnlaquo eignete sich vorzuumlglich dazu das Ange-nehme mit dem Nuumltzlichen zu verbinden

Nuumltzlich waren die Bekanntschaften die man dort machenkonnte denn zu den Pichlarner Gaumlsten gehoumlrten PolitikerIndustriekapitaumlne Bankiers Praumllaten und Militaumlrs nuumltzlichwaren auch die Vortraumlge die man dort houmlren konnte und dieanschlieszligenden Diskussionen und nuumltzlich war schlieszliglichauch die Moumlglichkeit die Pichlarn bot sich im Fitness-Zen-trum in der Schwimmhalle beim Golfspiel zu Pferde oder imJagdrevier vom Streszlig des Alltags zu erholen und die uumlberfluumlssi-gen Pfunde wegzutrimmen Angenehm waren die schoumlne Um-gebung die gepflegte Gastronomie und nicht zuletzt die rei-zende Betreuung teils durch attraktive Hostessen teils durchdie nicht minder liebenswuumlrdigen Toumlchter des Hauses

Kein Wunder also daszlig auch Professor Kurt Biedenkopf gernder Einladung folgte an solchen raquoPichlarner Topmanager-Gip-feltreffenlaquo teilzunehmen und da er wie man der steiermaumlrki-schen raquoSuumld-Ost-Tagespostlaquo damals entnehmen konnte dermit Abstand raquoprominenteste auslaumlndische Teilnehmer und Vor-tragendelaquo dieser Veranstaltungen war ist es leicht begreiflichdaszlig ihm die ganz besondere Fuumlrsorge des Schloszligherrn Dr Riesund seiner bei diesen Treffen stets anwesenden Tochter IngridKuhbier galt Beide lieszligen es sich nicht nehmen Professordenkopf nicht nur als bloszligen Dozenten prominenten Teilneh-mer der raquoGipfeltreffenlaquo und Hotelgast zu behandeln sondernvielmehr als einen engen Freund der Familie

In der Folgezeit - Kurt Biedenkopf war nun schon General-sekretaumlr der CDU geworden vertieften sich diese Beziehun-gen noch Man besuchte sich haumlufiger man telefonierte vielmiteinander und fuumlr die Zeit nach der Bundestagswahl 1976wurden in Pichlarn Frankenthal und Bonn gewisse Uumlberra-schungen erwartet die des ruumlhrigen Konsuls Ansehen und Ein-fluszligmoumlglichkeiten weiter vermehren wuumlrden

Es dauerte jedoch bis 1980 die Wahlen des Herbstes 1976brachten der von Helmut Kohl als Kanzlerkandidat von KurtBiedenkopf als CDU-Generalsekretaumlr gefuumlhrten Union nichtden erhofften Wahlsieg und sowohl Konsul Dr Ries als auchHanns Martin Schleyer weilten schon nicht mehr unter denLebenden bis die Beziehungen Biedenkopfs zur Ries-TochterIngrid nunmehr geschiedener Kuhbier auch standesamtlichbeurkundet wurden Professor Biedenkopf inzwischen eben-falls geschieden von seiner Ehefrau Sabine die ihm vier Kindergeboren hatte heiratete also die mit ihm schon so langebefreundete Ries-Tochter (und Mitgesellschafterin von FrauMarianne Strauszlig bei der raquoDyna-Plastiklaquo und anderen raquoPegu- lanlaquo-Konzerntoumlchtern) In damaligen Ausgaben des Prominen-ten-Lexikons raquoWer ist werlaquo verschwieg Kurt Biedenkopf aller-dings (und verschweigt noch immer) daszlig seine zweite Ehefrauebenfalls geschieden und eine Tochter des verstorbenen Kon-suls Dr Ries ist Dort lautete der auf eigenen Angaben beru-hende Eintrag verheiratet in 2 Ehe mit Ingrid geborenerKuhbierlaquo wo es doch richtig heiszligen muumlszligte raquo mit Ingridgeb Ries gesch Kuhbier raquoOb er sich nun seiner neuen fami-liaumlren Beziehungen zu dem toten Industriellen schaumlmte dereinen bedeutenden Teil seines Vermoumlgens der Ausbeutung vonZwangsarbeitern in und um Auschwitz und Lodz zu verdankenhatte oder ob es ihm fuumlr einen prominenten Christdemokratenunschicklich erschien allzu viele Scheidungen bekannt werdenzu lassen bleibt Kurt Biedenkopfs Geheimnis

Nach Auskunft des Testamentsvollstreckers des 1977 verstor-benen Konsuls Dr Fritz Ries sind heute weder Frau Ingrid Bie-denkopf geborene Ries oder deren Geschwisternoch die Erbender toumldlich verungluumlckten Frau Marianne Strauszlig am raquoPegulanlaquo- Konzern oder dessen Tochterfirmen beteiligt die raquoPegulan

AGlaquo gehoumlrt heute mehrheitlich der bundesdeutschen Holding-gesellschaft der British American Tobacco Co (BAT) BesagterTestamentsvollstrecker ist uumlbrigens der Muumlnchener Fachanwaltfuumlr Steuerrecht langjaumlhrige CSU-Bundestagsabgeordnete (seit1969 ohne eigenen Wahlkreis aber mit stets sicherem Listen-platz) und heutige GEMA-Chef Professor Dr Reinhold Kreile(zeitweilig Mitglied des CSU-Parteivorstands und -Praumlsidi-ums) der bis zum Verkauf des bundesdeutschen Flick-Imperi-ums auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Konzern-Holding-gesellschaft der raquoFriedrich Flick Industrieverwaltung Kom-manditgesellschaft auf Aktienlaquo in Duumlsseldorf war

Und damit schlieszligt sich nun der Kreis Denn es war der Per-sonalchef der Daimler-Benz AG (damaliger HauptaktionaumlrFlick) zugleich BDI- und BDA-Praumlsident Dr Hanns MartinSchleyer der seinen alten Freund und Bundesbruder KonsulDr Fritz Ries 1972 nach den vergeblichen Versuchen WillyBrandt durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzenin die Plaumlne einweihte wie der zweite Versuch einer raquoWendelaquogestartet werden sollte

Der gluumlcklose Barzel muszligte Kanzlerkandidatur und CDU-Parteivorsitz aufgeben bekam zum Trost viel Geld groumlszligten-teils von Flick dazu das Groszligkreuz des Verdienstordens derBundesrepublik (spaumlter auch noch einen Ministersessel undsogar das Amt des Bundestagspraumlsidenten bis die Flick-Zah-lungen ruchbar wurden und er zuruumlcktreten muszligte) statt Rai-ner Barzel sollte Helmut Kohl antreten aber nicht allein son-dern auf dem raquoTandemlaquo mit Biedenkopf Dabei war demraquoSchwarzen Riesenlaquo Kohl von dessen Planungs- und Lenkfauml-higkeiten auch die Herren des Groszligen Geldes nicht so rechtuumlberzeugt waren die Rolle des sich abstrampelnden und dabeiimmer froumlhlich laumlchelnden Lieferanten der Antriebskraft zuge-dacht hingegen dem unternehmerfreundlichen und konzern-verbundenen raquoIntelligenzbolzenlaquo Biedenkopf die Rolle desStrategen und Steuermanns

Das raquoTandemlaquo-Team verfehlte aber 1976 das Wahlziel undzerstritt sich auf der Oppositionsbank bei gegenseitigen Schuld-zuweisungen Als Helmut Kohl 1982 im dritten Anlauf und wie-derum durch ein-nun knapp gewonnenes -konstruktives Miszlig-

trauensvotum Helmut Schmidt (SPD) stuumlrzen und endlichim Kanzleramt abloumlsen konnte vollzog er was er vollmundigeine raquogeistig-moralische Wendelaquo nannte ohne Biedenkopfder von 1990 an als Gastprofessor in Leipzig die Studenten dieMarktwirtschaft (und das Fuumlrchten) lehrte und heute Minister-praumlsident von Sachsen ist

Die Erfinder und Bastler des raquoTandemslaquo Ries und Schleyerstarben 1977 Den Nachlaszlig des Kohl-Entdeckers MarianneStrauszlig-Partners und Biedenkopf-Schwiegervaters Ries (undauch den von Marianne Strauszlig die toumldlich verungluumlckte) aberregelte dann wieder der Ranghoumlchste im Flick-Aufsichtsratwas die Frage aufwirft ob es in deutschen Landen seit demErsten Weltkrieg uumlberhaupt irgend etwas in Politik und Wirt-schaft Bedeutsames gegeben hat oder gibt worauf das HausFlick nicht auf die eine oder andere Weise Einfluszlig genommenhat

Natuumlrlich sind sehr reiche Leute daran interessiert daszlig die poli-tischen Entscheidungen ihnen nicht schaden sondern nuumltzendaszlig sie ihre Macht erhalten und ihren Profit mehren beidesnicht einschraumlnken oder gar beseitigen Deshalb versuchen sieauf die politischen Entscheidungsprozesse Einfluszlig zu nehmenteils indirekt beispielsweise uumlber die von ihnen beherrschtenMedien teils direkt und mit dem ihnen vertrautesten Mittelmit viel Geld das sie den Parteien und Politikern spenden vondenen sie sich die beste Vertretung ihrer eigenen Interessenversprechen

Die Grenzen zwischen legitimer Interessenwahrung undmiszligbraumluchlicher oder gar gesetzwidriger Ausuumlbung wirtschaft-licher Macht sind flieszligend Die moralische Beurteilung dessenwas noch als statthaft gelten kann und was nicht wird in derRegel strenger ausfallen als die juristische Wertung die anGesetze gebunden ist und diese werden ja von Politikern for-muliert und beschlossen die nicht nur gewaumlhlte Volksvertretersind sondern auch haumlufig den Einfluumlssen der wirtschaftlichMaumlchtigen unterliegen

Dies vorausgeschickt wollen wir uns nun mit einem Super-reichen beschaumlftigen der sechs Jahrzehnte lang starken Ein-fluszlig auf die deutsche Politik genommen hat Er hat in der Poli-tik stets nur ein Mittel zur Erhaltung der gesellschaftlichenMachtverhaumlltnisse und zur Vergroumlszligerung des eigenen Profitsgesehen Noch heute uumlber seinen Tod hinaus beeinfluszligt dasGeld das er zu Lebzeiten in Politiker und Parteien investiertein erheblichem Maszlige die Bonner Szene und von dort aus dasgesamte politische Geschehen in Deutschland Der Name die-ses Superreichen Friedrich Flick ist zugleich zum Synonymfuumlr den Miszligbrauch wirtschaftlicher Macht geworden

Friedrich Flick kam 1883 in Ernsdorf bei Siegen als Holz-haumlndlersohn zur Welt Mit dem Zeugnis der mittleren Reifeund dem Kaufmannsdiplom begann er 1906 als Prokurist derBremer Huumltte in Geisweid seine Karriere 1913 gerade 30 Jahrealt wurde er Direktor der raquoEisenindustrie zu Menden undSchwertelaquo 1915 im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs wech-selte der zwar wehrpflichtige und kerngesunde Meterlange Direktor Flick der aber als raquounabkoumlmmlichlaquo vom Militaumlr-dienst befreit war in den Vorstand der Charlottenhuumltte zu Nie-derschelden und wurde 1917 deren Generaldirektor

Mit eigenen Ersparnissen und Bankkrediten verschaffte ersich bis 1918 die Mehrheit der Anteile an der Charlottenhuumlttedie am Krieg glaumlnzend verdient hatte Er nutzte diese Gewinnezu Modernisierungen zum Ankauf kleinerer Unternehmensowie zur Anlage riesiger Reserven an Schrott der im Kriegespottbillig zu haben war Auch sparte er Steuern indem er ins-gesamt 17 Millionen Mark Kriegsanleihe zeichnete Genauzwei Tage vor Waffenstillstand als jedem klar wurde daszligDeutschland den Krieg verloren hatte verkaufte Flick diegesamte von seiner Charlottenhuumltte gezeichnete Kriegsan-leihe die dann wertlos wurde zu noch guumlnstigem Kurs underwarb mit dem Erloumls Aktien oberschlesischer Zechen Erkonnte also mit dem Verlauf des Ersten Weltkriegs bei dem diemeisten schwerste Opfer hatten bringen muumlssen fuumlr sich per-soumlnlich sehr zufrieden sein

In den folgenden Jahren der totalen Geldentwertung setzteFlickjede Mark die er einnahm oder sichvon den Banken nochborgen konnte sofort in Sachwerte um tilgte dann seine Schul-den mit voumlllig wertlosem Bargeld ruumlckte aber die heiszligbegehr-ten staatlich subventionierten Erzeugnisse seiner Betriebe nurnoch gegen Devisen Rohstoffe oder Aktien heraus 1924 alsdie deutsche Inflation endete zaumlhlte er zu deren groszligenGewinnern Er war 41 Jahre alt und bereits ein Industriemagnatmit einigen hundert Millionen Mark neuer stabiler Waumlhrungund weitgestreutem Konzernbesitz

geriet die deutsche Stahlindustrie in eine Absatz-krise und muszligte sich in Notgemeinschaftenszligen Der wichtigste Zusammenschluszlig war die raquoVereinigte

Stahlwerke AGlaquo kurz raquoStahlvereinlaquo genannt zu dem sichThyssen Rheinstahl Phoenix und auch Flick zusammenfan-den Fuumlr die Einbringung aller raquoCharlottenhuumlttelaquo-Betriebebekam Flick 20 Prozent der Stahlvereins-Aktien und damitgehoumlrte ihm genau ein Fuumlnftel des neuen Konzerns der seiner-seits fast die Haumllfte der gesamten Stahlerzeugung und rund einDrittel der Kohlefoumlrderung des Deutschen Reiches be-herrschte

Noch erstaunlicher war was folgte Knapp vier Jahre spaumltermitten in der Weltwirtschaftskrise die fast 10 Millionen Deut-sche arbeitslos machte gehoumlrte Flick ploumltzlich die Mehrheitdes raquoStahlvereinlaquo-Kapitals ohne daszlig er auch nur eine Markzusaumltzlich investiert haumltte Er hatte sich dazu eines Tricksbedient der im Grunde ganz simpel war

Die Mehrheit der raquoStahlvereinlaquo-Aktien war im Besitz derraquoGelsenkirchener Bergwerks-AGlaquo (raquoGelsenberglaquo) gewesenWer raquoGelsenberglaquo beherrschte hatte damit auch den raquoStahlver-einlaquo in der Tasche Also verkaufte Flick heimlich seinen raquoStahl-vereinlaquo-Anteil und erwarb mit dem Erloumls raquoGelsenberglaquo-Aktien Das reichte vollauf sich die Kontrolle uumlber raquoGelsen-berglaquo und damit uumlber den ganzen raquoStahlvereinlaquo zu verschaffenund so hatte er ploumltzlich die beherrschende Stellung in derMontanindustrie und damit im gesamten Wirtschaftsleben deskrisengeschuumlttelten Reiches

Das war aber erst ein Zwischenziel seines Plans der groszligeCoup stand noch aus der ihn in den Jahren des Elends und derMassenarbeitslosigkeit zum reichsten Mann Deutschlandsmachen sollte Im November 1931 kam an den Boumlrsen dasGeruumlcht auf der Creacutedit Lyonnais die staumlrkste Bank Frank-reichs wolle sich die deutsche Not zunutze machen und miteinem Schlag die Kontrolle uumlber die Industrie des Ruhrgebietserobern-mit Hilfe der raquoGelsenberglaquo-Mehrheit raquoGelsenberglaquo-Aktien wurden an den Boumlrsen zu nur noch 20 Prozent desNennwerts notiert und die Franzosen sollten schon 100 Pro-zent geboten haben

Diese Geruumlchte an denen kein wahres Wort war alarmier-ten die Presse Alle buumlrgerlichen Blaumltter forderten ein soforti-ges Eingreifen der Reichsregierung die auch eilig zu einer Son-

dersitzung zusammentrat und beschloszlig den Ausverkauf desRuhrgebiets um jeden Preis zu verhindern

Zwar waren die Kassen leer Renten Beamtengehaumllter undUnterstuumltzungssaumltze waren schon drastisch gekuumlrzt wordenAber dennoch darin waren sich Regierung und Reichswehr-Generalitaumlt einig - die Ruhrindustrie durfte nicht den Fran-zosen ausgeliefert werden Also verhandelte Reichsfinanzmi-nister Dr Dietrich ein Liberaler mit Flick und am Endekaufte das arme Reich die raquoGelsenberglaquo-Mehrheit zum Vier-fachen des Kurses (aber immer noch unter dem Preis den dieFranzosen angeblich geboten hatten) Denn Flick wollte alsguter Patriot erscheinen Auszligerdem spendete er dem Finanz-minister Dietrich und dem Kanzler Bruumlning (Katholisches Zen-trum) zusammen rund eine Million Reichsmark fuumlr derenWahlfonds

Dazu ist etwas Grundsaumltzliches anzumerken das nochheute gilt Wenn ein Superreicher einem Politiker viel Geldraquofuumlr Wahlkampfzweckelaquo spendet dann ist es so auch dieAbsicht des Spenders dem Empfaumlnger uumlberlassen was erdamit macht Er kann alles seiner Partei zukommen lassen sichdamit beliebt machen Wahlplakate drucken und kleben lassenHandgelder an Wahlhelfer verteilen doch er kann auch dieSumme fuumlr sich behalten und sein Gewissen -falls vorhandendamit beruhigen daszlig sein des Spitzenkandidaten persoumln-liches Wohl letztlich auch dem Wahlkampf dient Es empfiehltsich dann von erhaltenen 900 000 Mark zunaumlchst 100 000 Markdem Partei-Schatzmeister zu geben mit der Erklaumlrung dies seieine Abschlagszahlung auf eine zu erwartende noch groumlszligereSumme Spaumlter wenn der Wahlkampf vorbei die Parteikasseleer ist kann er dem Schatzmeister noch etwas zukommen las-sen und diesem raten den genauen Gesamtbetrag zu verges-sen und sich nur zu merken daszlig es sich um eine sechsstelligeSumme gehandelt habe die der Parteiboszlig von einem edlenSpender raquobeschafftlaquo und an die Parteikasse abgefuumlhrt haumltteDas eroumlffnet dem Schatzmeister ebenfalls Moumlglichkeitenseine Zweifel und sein etwa vorhandenes Gewissen zu beruhi-gen Alles was der Spender derurspruumlnglichen Summe fuumlr seinGeld erwartet ist die Erfuumlllung seiner Wuumlnsche

Bei der raquoGelsenberglaquo-Transaktion von 1931 bekam Flick fastalles was erwollte das etwa Vierfache dessen was sein Aktien-paket wert war dazu zunaumlchst den Ruhm ungemein patrio-tisch gehandelt und auf den moumlglichen Mehrerloumls in Paris ver-zichtet zu haben Dieser Ruhm verflog jedoch als durchsik-kerte daszlig es ein franzoumlsisches Angebot gar nicht gegebenhatte raquoDie einzig moumlgliche Antwortlaquo schrieb damals ein fuumlh-render Wirtschaftsjournalist raquowaumlre gewesen daszlig die Reichsre-gierung den Schachtelkonzern Charlottenhuumltte-GelsenbergVereinigte Stahlwerke umgehend verstaatlicht haumltte Daruumlberhinaus haumltte der vorliegende Tatbestand Anlaszlig genug gebotenHerrn Flick als Schaumldiger der Interessen des Deutschen Rei-ches zu enteignen

(Dieser Artikel stammte uumlbrigens von dem konservativenProfessor Friedrich Zimmermann der schon damals das Pseu-donym raquoFerdinand Friedlaquo benutzte wie spaumlter als Leitartiklerder Springer-Presse Obwohl sich noch mancher Anlaszlig gebotenhaumltte forderte er nie wieder die Enteignung Flicks was mit des-sen Methoden der raquoPressepflegelaquo zusammenhaumlngen mochte)

Nachdem Friedrich Flick 1931 die Staatskasse um rund 100Millionen Mark aumlrmer gemacht hatte betaumltigte er sich als raquoWirt-

Die ihm verbliebene Unternehmensgruppewurde zum drittgroumlszligten Stahlerzeuger Deutschlands (nachdem raquoStahlvereinlaquo und Krupp) mit eigener Koks- und Kohlen-basis im Ruhrgebiet und knapp 100000 Beschaumlftigten Auchtrat Flick kaum waren die Nazis an der Macht dem exklusivenraquoFreundeskreis des Reichsfuumlhrers SSlaquo bei pflegte dort Bezie-hungen zu den neuen Machthabern besichtigte zusammenmit anderen Wirtschaftsbossen Ordensburgen und KZ-Lagerund uumlberwies alljaumlhrlich dem immer maumlchtiger werdendenraquoReichsfuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler sechsstellige Betraumlge fuumlrdessen private Hobbies Dies war sein bescheidener Dank fuumlrdie vielen Vorteile die die Nazis ihm und den anderen Bossenverschafften die Zerschlagung der Gewerkschaften und Arbei-terparteien von Streiks die Beseitigung der Tarifau-tonomie die Festsetzung niedriger Loumlhne die Einfuumlhrung desraquoFuumlhrerprinzipslaquo in der Industrie wo es nur noch Befehl undGehorsam gab die Steuererleichterungen und Subventionen

zur Foumlrderung der heimischen Wirtschaft und nicht zuletzt diestuumlrmische Nachfrage nach Stahl infolge der von den Nazisbetriebenen Aufruumlstung

Von 1938 an konnte sich Flick auch an der raquoArisierunglaquo juumldi-scher Unternehmen in Deutschland dann auch in Oumlsterreichund der Tschechoslowakei beteiligen ja wurde mit GoumlringsHilfe zum groumlszligten raquoArisierungslaquogewinnler des raquoDritten Rei-cheslaquo (Noch im Nuumlrnberger Kriegsverbrecherprozeszlig lobteGoumlring Herrn Flick sehr zu dessen Leidwesen als raquoabsolut ver-trauenswuumlrdiglaquo und raquosehr groszligzuumlgiglaquo)

Insgesamt spendete Flick den obersten Nazis rund Mil-lionen Mark Dafuumlr bekam er raquoArmisierungslaquomoumlglichkeitennoch und noch Arbeitssklaven fuumlr seine Huumltten und Zechen zuZigtausenden gebot uumlber das groumlszligte private Industrie-Impe-rium Mitteleuropas und wurde der Reichste im GroszligdeutschenReich raquoNiemandlaquo so lobte ihn damals das NS-WochenblattraquoDas Reichlaquo raquohat die Ernennung zum Wehrwirtschaftsfuumlhrermehr verdient als Friedrich Flicklaquo

Allerdings traf Flick schon von 1943 an Vorkehrungen fuumlrden Fall einer deutschen Niederlage Er kannte durch seinenkonzerneigenen Nachrichtendienst die Plaumlne der Alliierten fuumlreine Aufteilung Deutschlands und etwa 16 Monate vor Kriegs-ende begann sein Konzern mit der heimlichen raquoVerlagerunglaquoseiner wertvollsten Besitztuumlmer von Osten nach Westen vorallem in die kuumlnftige amerikanische Zone Waumlhrend der vonGoebbels proklamierte raquototale Krieglaquo noch andauerte und taumlg-lich mehr Opfer an Gut und Blut forderte packten Flick undseine engsten Mitarbeiter bereits ihre Koffer und setzten sichvon Berlin ab Familie Flick (und mit ihr der Sandkastenfreunddes juumlngsten Sohns Friedrich Karl Eberhard v Brauchitsch)zog auf das Hofgut Sauersberg bei Bad Toumllz das als Ausweich-quartier angekauft worden war und dort erwartete Flick dieAnkunft der Amerikaner

Am 13 Juni 1945 wurde der Konzernherr der weit oben aufder Kriegsverbrecherliste stand verhaftet Nach zweieinhalb-jaumlhriger Untersuchungshaft kam er vor das Nuumlrnberger Militaumlr-tribunal zusammen mit seinem Vetter und Vertrauten KonradKaletsch und dem Chef seines Nachrichtendienstes Otto

Steinbrinck Kaletsch wurde freigesprochen Steinbrinck zufuumlnf Flick zu sieben Jahren Gefaumlngnis verurteilt aber schonMitte 1950 waren beide wieder frei Flick hatte seinen 67Geburtstag schon hinter sich aber das Beste in seinem Indu-striellenleben sollte erst noch kommen

Schon im Gefaumlngnis hatte sich Flick mit Hilfe der Unterla-gen die ihm Vetter Kaletsch und sein Anwalt Dr WolfgangPohle (spaumlter Schatzmeister der CSU) allwoumlchentlich brachtenGedanken uumlber den Wiederaufbau seines Konzerns gemachtvon dem im Westen einiges uumlbriggeblieben war derhuumlttelaquo-Konzern in der Oberpfalz die ehedem raquoarisiertenlaquo Hochofenwerke Luumlbeck AG sowie Mehrheitsbeteiligungen ander Harpener Bergbau AG und der Essener Steinkohlenberg-werks AG Treuhaumlnder und Verwalter dieser Reste war uumlbrigensder Bankier Robert Pferdmenges ein enger Freund und Bera-ter Adenauers und Flicks langjaumlhriger Privatsekretaumlr RobertTillmanns saszlig seit 1949 als CDU-Bundestagsabgeordneter inBonn wenig spaumlter als Bundesminister fuumlr besondere Aufga-ben im Kabinett gluumlckliche Umstaumlnde fuumlr den gerade haftent-lassenen fast 70jaumlhrigen Kriegsverbrecher

Der hatte schon von der Gefaumlngniszelle aus den Verkauf sei-ner Ruhrkohlen-Interessen eingeleitet konnte sie sogleichguumlnstig abstoszligen und verfuumlgte im Herbst 1950 uumlber fast eineViertelmilliarde DM an fluumlssigen Mitteln mit denen er sich inzukunftstraumlchtige Industriezweige einkaufte vor allem in dieAutomobil- Maschinen- Papier- und Kunststoff-Industrie

Es wuumlrde Baumlnde fuumlllen wollte man alle Transaktionen schil-dern mit deren Hilfe Flick sein Nachkriegs-Imperium auf-baute Am Ende seines Lebens gehoumlrten ihm jedenfalls dieFeldmuumlhle AG die Maximilianshuumltte eine starke Mehrheit ander Buderus AG in Wetzlar zu deren Konzern auch die Muumln-chener Panzerschmiede Krauss-Maffei zaumlhlte die Dynamit-Nobel AG in Troisdorf sowie ein dickes Paket Daimler-Benz(raquoMercedeslaquo)-Aktien das Anfang der siebziger Jahre alleineinen Wert von mehr als zwei Milliarden DM darstellte

Schon 1958 nur acht Jahre nach Flicks Haftentlassung hatteBundeskanzler Adenauer ihm zum 75 Geburtstag und raquozumgroszligen und staunenswerten Lebenswerklaquo gratuliert

lich konnte man nur staunen was der durch fuumlnfjaumlhrige Kriegs-verbrecherhaft ungebrochene alte Herr in so kurzer Zeit wiederzusammengerafft und wie fest er sein Industriereich im Griffhatte Dagegen war es schlecht bestellt um die Erbfolge Mitseinen beiden Soumlhnen Otto-Ernst und Friedrich-Karl standsich der autokratische Uumlbervater miserabel Erst sollte Otto-Ernst (raquoOElaquo) alles uumlbernehmen Friedrich-Karl (raquoFKlaquo) vomVater raquodas Biirschchenlaquo genannt sollte mit ein paar hundertMillionen abgefunden werden Dann gab es Krach mit raquoOElaquo mehrfache Aumlnderungen des Testaments jahrelange Prozessein denen Vater und Sohn Groszligvater und Enkel Bruumlder undSchwaumlgerinnen vor den Gerichten stritten was Hunderte vonMillionen verschlang schlieszliglich einen Vergleich durch denraquoOElaquo hoch abgefunden endguumlltig ausschied seine beidenSoumlhne sollten sobald sie 28 Jahre alt waren ihre Beteiligungenam Konzern selbst vertreten (wurden aber spaumlter von ihremOnkel raquoFKlaquo abgefunden und ausgebootet) Uumlbrig blieb alskuumlnftiger Alleinherrscher raquodas Buumlrschchenlaquo raquoFKlaquo Er erbtebeim Tode des fast 90jaumlhrigen Vaters im Jahre 1972 das gesamteFlick-Imperium

Zweifel an der Befaumlhigung seines Juumlngsten hatte FriedrichFlick stets gehabt und deshalb Eberhard v Brauchitsch raquoFKslaquoJugendfreund diesem als Generalbevollmaumlchtigten an dieSeite gestellt Aber 1971 ein Jahr vor dem Tod des alten Flickwar es zum Krach zwischen den Freunden gekommen Brau-chitsch hatte ein Angebot von Axel Springer angenommen undwar dessen Generalbevollmaumlchtigter geworden Ein Jahr spauml-ter vom Totenbett des Vaters aus rief raquoFKlaquo wie er nungenannt wurde v Brauchitsch zuruumlck

raquoIn den fruumlhen siebziger Jahrenlaquo so raquoDer Spiegellaquo raquoarbeite-ten gtFKFlt und zunaumlchst bestens zusammen Nach demTod des Alten halfv B die Alleinherrschaft des Sohnes abzusi-chern Dann setzte das Duo zu seinem Herkules-Werk an Umdie Steuerbefreiung fuumlr die Daimler-Milliardenlaquo den Erloumlsdes Verkaufs eines Teils von Flicks Daimler-Benz-Aktienraquodurchzudruumlcken muszligte die traditionelle Spenden-Maschine-rie des Hauses Flick auf houmlchste Touren gebracht werden Geld spielte keine Rolle Die schwarze Kasse quoll uumlber von

jenen Millionen die v Brauchitsch uumlber die katholische SteylerMission dem Staat direkt abgeluchst hatte Doch fehlte es demKonzernchef und seinem Helfer auch nicht an herkoumlmmlichverdientem Geld Kein Wunder denn auch nach dem Ver-kauf der Mehrzahl seiner Daimler-Aktien an einen Oumllscheichwar raquoFKFlaquo noch mit zehn Prozent am Daimler-Konzern betei-ligt es gehoumlrte ihm ein Drittel des US-Konzerns Grace dieFeldmuumlhle AG samt riesigem Auslandsbesitz war 100prozentigin Flick-Eigentum und er hielt weiterhin eine starke Mehrheitam Buderus-Konzern An dessen Muumlnchener Tochter Krauss-Maffei blieb Flick auch nach Verkauf der Waffenschmiede anMBB und den Diehl-Konzern mit zehn Prozent beteiligt undschlieszliglich war auch die Dynamit-Nobel AG zu fast 100 Prozentin Flick-Eigentum

Was aber die laut raquoSpiegellaquo uumlberquellende schwarze Kasseund die beim Auffuumlllen hilfreiche Steyler Mission betraf sowaren die Steuerfahnder Anfang 1982 einem abenteuerlichenGegengeschaumlft auf die Spur gekommen Ein Unternehmendas die Finanzen der katholischen Steyler Mission verwaltetdie raquoSoverdia Gesellschaft fuumlr Gemeinwohl mbHlaquo hatte vomHaus Flick rund 10 Millionen DM an Spenden erhalten aufden ersten Blick ein frommes Werk wie man es von Flick garnicht erwartet haumltte Doch bei naumlherem Hinsehen fanden dieFahnder heraus daszlig Pater Josef Schroumlder der raquoSoverdialaquo-Geschaumlftsfuumlhrer 80 Prozent der erhaltenen Summe gleich wie-der an den Spender bar zuruumlckgezahlt hatte

Dazu damals raquoDer Spiegellaquo raquoFlick-Chefbuchhalter Diehlerinnert sich wurde ich erstmals von (dem da-maligen Flick-Generalbevollmaumlchtigten) Kaletsch angewiesenvon Herrn Pater Schroumlder Geld in Empfang zu nehmen Eshandelte sich um einen Betrag von 800000 DM Mir wardamals klar daszlig zwischen diesem Betrag und der vorher gege-benen Spende (von 1000 000 DM) ein unmittelbarer Zusam-menhang bestand Im folgenden Jahr ereignete sich der gleicheVorgang mit demselben Betrag Insgesamt zehn MillionenMark flossen innerhalb von zehn Jahren an die Soverdiaacht Millionen kamen wieder in Flicks schwarze Kasse zu-ruumlck laquo

Zehn Prozent der Spendensumme durfte die Steyler Mis-sion behalten weitere zehn Prozent gingen an den damaligenCDU-Bundestagsabgeordneten Walter Loumlhr der raquodie Sachelaquoausgetuumlftelt hatte raquoDen besten Schnittlaquo - so raquoDer Spiegellaquoraquoaber machte die Flick-Gruppe Sie strich nicht nur die gehei-men Ruumlckfluumlsse in Houmlhe von 80 Prozent der Spenden ein (undkonnte damit die schwarze Kasse fuumlllen) sondern konnte auchSpendenbescheinigungen uumlber 10 Millionen DM beim Finanz-amt vorlegen Die Steuerverguumlnstigung betrug damals bis zu 51Prozent der Spendensummelaquo im Falle Flick also nochmals einraquoVerdienstlaquo von mehr als fuumlnf Millionen DM

Dennoch war diese krumme Spenden-Angelegenheit nurein vergleichsweise unbedeutender Nebenaspekt des eigentli-chen Skandals des raquoMilliardendingslaquo Denn so die Staatsan-waumllte -mit Unterstuumltzung der zustaumlndigen Bundesminister Fri-derichs und Graf Lambsdorff gewiszlig aber unter Vorspiegelungfalscher Tatsachen erreichte die Flick-Gruppe zu Unrecht eineSteuerbefreiung in Houmlhe von 450 Millionen DM Um 800 Mil-lionen DM aus dem Verkauf von Daimler-Aktien steuerfrei ineine starke Beteiligung an dem US-Chemiekonzern Graceinvestieren zu koumlnnen gab sie dieses Geschaumlft die Verschie-bung der Riesensumme ins Ausland als volkswirtschaftlicheGroszligtat aus

Zum Segen fuumlr die deutsche Wirtschaft so behaupteten dieFlick-Bosse treuherzig verschaffe diese Geldanlage der BRDden ersehnten Zugang zu neuesten amerikanischen Technolo-gien raquoIn Wahrheitlaquo so Spiegellaquo raquopassierte gar nichtsGrate-Praumlsident Peter Grace kehrte von einer Deutschland-Reise mit der Erkenntnis zuruumlck daszlig mit den neuen Eigentuuml-mern zwar Spesen zu machen waumlren aber kein Technologie-transferlaquo

Der Bonner Staatsanwaltschaft die in den Flick-Chefetagenuumlber hundert Aktenordner beschlagnahmte wurde bald auchklar von wem viele der steuersparenden Ratschlaumlge stammtennaumlmlich von einem alten Freund des Hauses Flick Franz JosefStrauszlig Aus dessen Vernehmungsprotokoll konnte raquoDer Spie-gellaquo folgendes zitieren

raquoIch (Franz Josef Strauszlig) habe wie angegeben HerrnFlick vor etwa acht Jahren geraten in Nordamerika zu investie-ren Ich habe ihm geraten seine inlaumlndischen Betriebe zu ent-schulden und zu modernisieren Ich habe in diesem Zusam-menhang ihm einmal wahrscheinlich im Jahre 1978 einenBrief geschrieben in dem ich ihm geraten habe die Vorausset-zung des sect 6b (Einkommensteuergesetz) und sect 4 (Auslandsin-vestitionsgesetz) sehr genau zu nehmen Ich war damals derMeinung daszlig fuumlr die Erfuumlllung der Kriterien unter anderemein Kooperationsabkommen mit der Firma Grace die Pruumlfungder hiermit verbundenen steuerrechtlichen Frage erleichternwuumlrdelaquo

Auf den Vorhalt des Staatsanwalts raquo Herr Ministerpraumlsi-dent wir haben Sie nunmehr davon in Kenntnis gesetzt daszligsich aus den im Jahre 1974 beginnenden Aufzeichnungen desFlick-Konzerns aus dem Hefter gtCSUlt der sich im Gewahrsamder Staatsanwaltschaft befindet folgende Vermerke ergebengt214 (75)KavB wg FJS12 7 (76) Dr FKF wg FJS11 7 (78) Dr FKF wg FJS2410 (79) Dr FKF wg FJSKoumlnnen Sie dazu irgendeine Erklaumlrung abgebenlaquo

Antwort von Ministerpraumlsident Strauszligraquo1 Ich bin am Zustandekommen keiner dieser Unterlagenbeteiligt

2 Offensichtlich gibt es auch keine Quittungen die ichselbstverstaumlndlich bei eventuellen Auszahlungen wenngewuumlnscht ausgestellt haumltte zumal steuerlich relevante Vor-gaumlnge offensichtlich uumlberhaupt nicht zugrunde liegen

3 Der Beginn Ihrer Unterlagen ist deshalb verwirrend oderirrefuumlhrend womit ich keine Absicht unterstelle weil nebenunzaumlhligen Kleinspendern auch einige Groszligspender darunterdie Flick-Unternehmungen die CSU immer wieder unter-stuumltzt haben Ich darf nebenbei bemerken daszlig es sich hier

Gemeint sind offensichtlich mit raquoKalaquo Konrad Kaletsch mit raquovBlaquo Eberhard vBrauchitsch mit raquoDr FKFlaquo Dr Friedrich Karl Flick mit raquoFJSlaquo Franz JosefStrauszlig damals bayerischer Ministerpraumlsident und CSU-Parteivorsitzender

nicht um die Honorierung von Ratschlaumlgen handelt sondernum eine bestimmte politische Linie im In- und Ausland laquo

Diese Aussage des inzwischen verstorbenen Franz JosefStrauszlig der sich wenn er Gefahr witterte wie ein Tintenfischeinzunebeln pflegte laumlszligt-wenn man den Schwall von Phrasenund Schutzbehauptungen beiseite laumlszligt - zweierlei deutlicherkennen

Strauszlig konnte nicht bestreiten von Flick viel Geld bekom-men zu haben Aber er wollte das nicht als raquoHonorierung vonRatschlaumlgenlaquo verstanden wissen weil ihn dies in den Verdachtder Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten haumltte bringen koumln-nen Statt dessen sollte es sich um eine raquoUnterstuumltzunglaquo einerund zwar doch wohl seiner -raquopolitischen Linie im In- und Aus-landlaquo gehandelt haben wozu angemerkt sei daszlig die auslaumlndi-schen Politiker mit denen Strauszlig enge Beziehungen unter-hielt meist Ultrarechte Faschisten und Rassisten waren Pino-chet in Chile dessen Regime er lobte Suumldafrikas Apartheids-Fanatiker spanische Neofaschisten und sogar die Fuumlhrer dertuumlrkischen Grauen Woumllfe die fuumlr ihre Bluttaten beruumlchtigtwaren

Noch seltsamer als die Erklaumlrung die Strauszlig der Justiz fuumlrdas viele Flick-Geld gab das er erhalten hatte war die Aussagevon Dr Friedrich Karl Flick im Prozeszlig gegen die Ex-MinisterFriderichs und Graf Lambsdorff Als der Richter den ZeugenDr Flick nach Wesen und Zweck der Spenden an raquoFJSlaquo befragte erwiderte dieser von Spenden verstehe er nichts erkoumlnne da raquonur mutmaszligenlaquo

Und das tat er dann auch raquoSpendenlaquo so gab er zu Protokollraquodas war das berechtigte Anliegen von demokratischen Par-teien wiersquos auch beim Vater fruumlher oder beim Onkel Kaletschuumlblich gewesen sein mag um ein offenes Ohr zu findenlaquo

Aber so wollte der Richter wissen ob er nie daran gedachthabe sich damit Vorteile fuumlr den eigenen Betrieb zu verschaf-fen

Darauf Dr Flick raquoDiese Uumlberlegungen sind mir unbe-kanntlaquo

Alsdann sollte dieser offenbarvoumlllig selbstlose Spender demGericht erklaumlren wie denn so eine Spendenzahlung an einen

Spitzenpolitiker vor sich gegangen sei zum Beispiel wenn DrFlick dem Ministerpraumlsidenten Strauszlig 250 Tausendmark-scheine uumlberreicht habe

Ausnahmsweise konnte Dr Flick in diesem Fall mit einerklaren Antwort dienen raquoDa ist er (Strauszlig) beim erstenmal insNebenzimmer gegangen und hat nachgezaumlhlt Und dann ist erzuruumlckgekommen und hat sich bedanktlaquo

Beim zweitenmal so fuumlgte er noch stolz hinzu raquohat er dannnicht mehr nachgezaumlhltlaquo

Nun wollte der Richter auch noch wissen warum das HausFlick seine uumlppigen Spenden an Politiker stets in bar entrich-tete

Dr Flick raquoMeines Wissens hat sich das einfach so ergebenWenn man sich im suumlddeutschen Raum so begegnet ist hatman das Geld der Einfachheit halber gleich uumlbergebenlaquo

Kein Gedanke an die Moumlglichkeit einer Steuerhinterzie-hung auch nicht an die Eventualitaumlt daszlig vielleicht die Empfaumln-ger lieber Bargeld nahmen raquoumlaquo- so fragte der offenbar durch-aus mit dem praktischen Leben vertraute Richter raquonichtimmer Rechenschaft bei ihren Schatzmeistern ablegen zu muumls-senlaquo Flick wuszligte es nicht

Er erklaumlrte dem Gericht daszlig er eigentlich von gar nichtsgewuszligt habe schon uumlberhaupt nichts von den angedeutetenMoumlglichkeiten Kurz Multimilliardaumlr Dr Flick uumlberzog mitun-ter - so raquoDer Spiegellaquo raquoallzu erkennbar seine Rolle als Kon-zerndepplaquo Uumlbertroffen wurde er nur noch von einem seinerGroszligspenden-Empfaumlnger dessen Rolle vor Untersuchungsaus-schuumlssen Justiz und Presse man analog die eines raquoPolitdep-penlaquo nennen muumlszligte Bundeskanzler Dr Helmut Kohl

Bei seiner Vernehmung durch die Bonner Staatsanwalt-schaft am 5 Juli 1982 hatte Dr Kohl damals noch nicht Bundes-kanzler zugegeben vom Haus Flick gelegentlich groumlszligere Bar-geld-spenden erhalten zu haben Daszlig es insgesamt 565000DM gewesen waren die Flick-Chefbuchhalter Diehl zwischen1974 und 1980 exakt verbucht hatte war Kohl indessen wie ersagte raquovoumlllig unbekanntlaquo

Befragt was ihm denn raquovoumlllig unbekanntlaquo gewesen sei dieHoumlhe der Summe oder die Verbuchung durch Diehl erwiderte

Helmut Kohl pikiert er koumlnne raquouumlber Einzelheiten aus der Er-innerung keine Angaben machenlaquo

Indessen erinnerte er sich zwei Jahre spaumlter am 7 Novem-ber 1984 vor dem Flick-Untersuchungsausschuszlig des Bundesta-ges genau daran daszlig eine raquokleinerelaquo Flick-Spende lumpige30 000 DM raquobei uns nicht eingetroffenlaquo sei - eine Zahlung dieder akribische Flick-Chefbuchhalter Diehl mit Datum vom6 Dezember 1977 verbucht hatte

Fuumlr diese raquoNikolaus-Spendelaquo wie sie genannt wurde gab esjedoch ganz besonders viele und starke Indizien Am Nikolaus-Tag 1977 waren 60 000 DM von einem raquoinoffiziellenlaquo Konto desHauses Flick bei einer Duumlsseldorfer Filiale der DeutschenBank bar abgehoben worden Die Abbuchung bei der Bank undder Eintrag ins schwarze Kassenbuch bei Flick stimmten uumlber-ein und dazu paszligte auch der Vermerk des pingelig genauenChefbuchhalters vom 6 Dezember 1977 raquovB wg Kohl 30 000DM wg Graf Lambsdorff 30 000 DMlaquo macht zusammen60 000 DM Parallel dazu hatte v Brauchitsch am 6 Dezember1977 den Erhalt eines Barbetrags von 60 000 DM korrekt quit-tiert und auf der Ruumlckseite der Quittung war vermerkt raquo30 Ko30 GrLalaquo womit ja auch nur gemeint sein konnte das Geldginge je zur Haumllfte an Helmut Kohl und an Otto Graf Lambs-dorff

Uumlberdies trug der vorbildliche Flick-Chefbuchhalter ins Kas-senbuch fuumlr raquoInoffizielle Zahlungenlaquo am 6 Dezember 1977 einraquovB wg Kohl und Lambsdorff 60 000laquo und man darf wohlannehmen daszlig mit der Zahl keine roten Rosen weiszligen Maumluseoder gruumlnen Aumlpfel gemeint waren sondern bare DMark

Doch auch damit noch nicht genug Am Vorabend des Niko-laus-Tages 1977 am 5 Dezember hatte eine Brauchitsch-Sekre-taumlrin ihrem Chef folgende Notiz vorgelegt die sich bei denGerichtsakten befindet raquoFrau Weber Sekr Kohl fragt an obes Ihnen recht ist wenn sie morgen Dienstag gegen 16Uhr kurz bei Ihnen vorbeikommtlaquo und dazu hat Eberhard vBrauchitsch im Dezember 1985 vor dem Bonner Landgerichtausgesagt raquoSielaquo Frau Weber vom Sekretariat Kohl raquohatschon mal fuumlr Herrn Kohl Geld empfangen und dies wiedie Akten zeigen nicht gerade selten Mindestens vier Besuche

Frau Webers bei v Brauchitsch sind vermerkt die mit Zahlun-gen von je 50000 DM und einer von 30000 DM alle raquowgKohllaquo uumlbereinstimmten

Das fuumlr Helmut Kohl Aumlrgerliche ist daszlig es fuumlr die meistenFlick-Spenden raquowg Kohllaquo entsprechende Eingangsbuchungenbei der CDU-Schatzmeisterei gibt nicht jedoch fuumlr die raquoNiko-laus-Spendelaquo und auch nicht fuumlr weitere 25 000 DM die eben-falls fehlen Schlieszliglich fehlt inzwischen noch etwas naumlmlichHelmut Kohls Erinnerung an die Geldwaschanlagen vonRheinland-Pfalz die die von der Industrie kommenden sehrgroszligzuumlgigen Parteispenden am Finanzamt vorbei (und fuumlr dieSpender enorm steuersparend) in die richtigen Troumlge lenktenPater Josef von der Steyler Mission konnte ja nur einen Teil desenormen Bedarfs an raquogewaschenemlaquo Geld befriedigen mitdem die Herren des Groszligen Geldes allen voran das HausFlick die raquogeistig-moralische Wendelaquo in Bonn vorfinanzierten

Helmut Kohl seit 1966 Landesvorsitzender der CDU seit1969 auch Ministerpraumlsident in Rheinland-Pfalz und seit 1975Bundesvorsitzender der CDU die neben CSU und FDP vondem Spenden-Unwesen am meisten profitiert hatte erinnertesich als Kanzler an rein gar nichts mehr uumlberhaupt nicht an dieGeldwaschanlagen in Rheinland-Pfalz Kohl hatte als es umvergleichsweise Bagatellen ging die 30 000 DM der raquoNikolaus-Spendelaquo und die ebenfalls fehlenden 25 000 DM von Flick -alles vergessen Allenfalls fielen ihm wenn die Staatsanwaumlltenach der raquoStaatsbuumlrgerlichen Vereinigunglaquo (SV) in Koblenzfragten die lustigen Abende ein die er dort nachvortraumlgen mit-unter verbracht hatte Kohl hatte aber raquokeinerlei Erinnerunglaquodaran daszlig diese Koblenzer SV die wichtigste Geldsammel-und -Waschanlage nicht nur fuumlr Rheinland-Pfalz sondern fuumlrdie ganze Bundesrepublik gewesen war und daszlig man inKoblenz auch deshalb feucht-froumlhlich gefeiert hatte weil dankder raquobesonderen Foumlrderungswuumlrdigkeitlaquo die der raquogemeinnuumlt-zigenlaquo SV von der Landesregierung bescheinigt worden warseiner CDU etliche hundert Millionen DM heimlicher Spen-den der Industrie steuerbeguumlnstigt zugeflossen waren

Vielleicht hatte Helmut Kohl so vermutete sein damaligerSchnelldenker und Wahlkampf-Manager der von ihm inzwi-

schen gefeuerte Heiner Geiszligler etwas vorlaut -bei seinen Aus-sagen uumlber die raquoSVlaquo aber auch nur Erinnerungsluumlcken und gabirrige und unvollstaumlndige Antworten als Opfer eines raquoBlack-outlaquo Diese von dem klugen von Kohl ungnaumldig entlassenenGeneralsekretaumlr Heiner Geiszligler erwogene Moumlglichkeit daszligdem Kanzler mitunter wenn auch nur voruumlbergehend der Ver-stand abhanden komme sollten die Waumlhlerinnen und Waumlhlerbedenken denn ein Regierungschef mit gelegentlichen Aus-fallerscheinungen ist keine angenehme Vorstellung fuumlr dieMenschen in raquodiesem unserem Landelaquo

Indessen gibt es fuumlr Helmut Kohls Vergeszliglichkeit hinsicht-lich des Verbleibs der raquoNikolaus-Spendelaquo oder auch derMachenschaften der Koblenzer raquoSVlaquo noch eine andere Erklauml-rung als die von Geiszligler vermuteten Gedaumlchtnisluumlcken infolgeeines Blackouts Um Kohls Zoumlgern zu verstehen daruumlber dieWahrheit zu sagen muszlig man noch einmal zuruumlck zu denUrspruumlngen der steilen Karriere des Schwarzen Riesen nachLudwigshafen-Oggersheim und nach Frankenthal

Im Fruumlhjahr 1933 als sich die Hitler-Diktatur gerade etablierthatte und mit immer neuen Wellen des Terrors zu konsolidie-ren begann bereiteten sich drei Heidelberger Juristen geradeauf ihre unterschiedlichen Karrieren vor Dr Eberhard Taubertsah seiner Berufung ins neue Reichspropagandaministeriumentgegen wo er als juumlngster Ministerialrat zunaumlchst die raquoAktiv-propaganda gegen die Judenlaquo leiten sollte SS-Fuumlhrer DrHanns Martin Schleyer nahm die raquoGleichschaltunglaquo der Hei-delberger Universitaumlt vor und betrieb ihre Einstimmung auf dieam 10 Mai durchgefuumlhrte Buumlcherverbrennung sein Freund DrFritz Ries der an diesem Akt der Barbarei als junger Dokto-rand teilnahm schmiedete bereits Plaumlne wie er auf Kosten derJuden rasch reich werden und zunaumlchst zum Kondom-Koumlnigdes raquoDritten Reicheslaquo aufsteigen koumlnnte tatsaumlchlich lieszlig erschon ein Jahr spaumlter die Verpackungen der Erzeugnisse einesgerade raquouumlbernommenenlaquo Betriebs mit dem stolzen Aufdruckversehen

Im selben Fruumlhjahr 1933 am 13 Maumlrz kam im nahen Mann-heim ein Knabe zur Welt dessen spektakulaumlre Laufbahn sichmit den abenteuerlichen Karrieren der drei genannten Heidel-berger Juristen durchaus messen kann Auch kreuzten sichseine Wege wiederholt mit denen der Herren Doktoren RiesSchleyer und Taubert und fast unvermeidlicherweise auch mitdenen Helmut Kohls der drei Jahre zuvor 1930 im Mannheimgegenuumlberliegenden Ludwigshafen geboren war

Der junge Mannheimer des Jahrgangs 1933 hieszlig Hans-OttoScholl besuchte wie Kohl und auch Biedenkopf die Schulein Ludwigshafen studierte dann ebenfalls in HeidelbergRechtswissenschaft und begann auch kaum daszlig er sein Stu-dium beendet hatte Anfang der sechziger Jahre eine politischeKarriere in Rheinland-Pfalz Allerdings stellte Dr Hans-Otto

Scholl seine unbestreitbaren Talente nicht der CDU zur Verfu-gung sondern der in Rheinland-Pfalz seit 1951 mit der CDUzusammen die Regierung bildenden FDP daneben demBundesverband der pharmazeutischen Industrie dessenHauptgeschaumlftsfuumlhrer er wurde Daszlig sich die maumlchtige Pharma-Industrie der Bundesrepublik den jungen Rechtsanwalt undProvinzpolitiker Dr Scholl zum Cheflobbyisten erkor hing mitden besonderen Verhaumlltnissen in Rheinland-Pfalz zusammenwo Dr Scholl in kuumlrzester Zeit zum FDP-Fraktionsvorsitzen-den im Landtag und dann auch zum Landesvorsitzenden auf-steigen konnte und eng befreundet war mit dem CDU-Nach-wuchspolitiker Dr Kohl der 1963 ebenfalls Fraktions- und 1965auch Landesvorsitzender seiner Partei wurde So eng war dasVerhaumlltnis Dr Scholl zum Dr Kohl daszlig die beiden sogar Villaan Villa wohnten der eine in der Marbacher Straszlige9 derandere in Nummer 11 und die beiden Matadore der das Laumlnd-chen Rheinland-Pfalz regierenden Parteien machten sichgegenseitig auch mit ihren finanzstarken Goumlnnern und mitderen einfluszligreichen Freunden bekannt Durch Helmut Kohllernte Hans-Otto Scholl den Konsul Dr Fritz Ries im nahenFrankenthal kennen und in dessen Haus die Duzfreunde desHausherrn Dr Hanns Martin Schleyer und Franz Josef Strauszligsowie die graubraune Eminenz Dr Eberhard Taubert umge-kehrt wurde Helmut Kohl durch Dr Scholl mit allen groszligenund steinreichen Unternehmern der Pharma-Industrie be-kannt von denen im einzelnen noch die Rede sein wird

Es laumlszligt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen weraus diesem Freundes- und Bekanntenkreis den Einfall hatteim Schutze der mit gesicherter Mehrheit das Land Rheinland-Pfalz regierenden Parteien eine Geldwaschanlage zu etablie-ren aber vieles spricht dafuumlr daszlig es Dr Fritz Ries gewesen istund daszlig Kohl im Bunde mit Scholl die Idee in die Tat umsetze

Die Grundidee war einfach Die Industriellen wollten eineihnen genehme Politik und Gesetzgebung die dazu bereitenPolitiker wollten dafuumlr Geld Die Wirtschaftsbosse waren zwarwillens fuumlr volle Kassen zu sorgen nur sollte sie das moumlglichstwenig kosten sondern zu Lasten der Allgemeinheit gehenNun gab es ja bereits Gesetze die Spenden an Parteien steuer-

abzugsfaumlhig machten Aber es gab da Houmlchstgrenzen und diePolitiker wollten weit mehr als die Bestimmungen zulieszligenund auszligerdem war bei regelrechten Parteispenden die Anony-mitaumlt der Spender nicht zu wahren die begreiflicherweise gernunbekannt bleiben wollten Also brauchte man eine Einrich-tung die jede Menge Geld entgegennehmen dafuumlr voll steuer-abzugsfaumlhige Quittungen ausstellen und die empfangenenBetraumlge diskret an diejenigen weiterleiten konnte die sie letzt-lich bekommen sollten weil sie die Entscheidungen trafenoder herbeifuumlhrten die die Spender sich erhofften

Alle diesevoraussetzungen erfuumlllte die dann ins Leben geru-fene raquoStaatsbuumlrgerliche Vereinigunglaquo (SV) in Koblenz undnatuumlrlich bekam diese SV nicht nur sofort die staatliche Aner-kennung als raquogemeinnuumltzig und besonders foumlrderungswuumlrdiglaquosondern wurde auch so ausgestattet daszlig sie ihre Goumlnner undFoumlrderer aufs trefflichste bewirten konnte zumal nachdemeiner der Gruumlndervaumlter Helmut Kohl Ministerpraumlsident vonRheinland-Pfalz geworden war und sein Spezi Nachbar undKoalitionspartner Dr Scholl als Landesfuumlrst der zum Zuumlng-lein an der Waage gewordenen FDP fuumlr Dr Ries DrSchleyer und deren Freunde an Bedeutung enorm hinzuge-wonnen hatte

In Bonn war naumlmlich im Herbst 1969 erstmals seit Bestehender Bundesrepublik ein Sozialdemokrat im Kanzleramt InKoalition mit der FDP regierte nun Willy Brandt Konsul DrRies war von den besorgten Herren des Groszligen Geldes beauf-tragt worden die FDP-Politiker raquoumzustimmenlaquo und dieungeliebte neue Regierung bei naumlchster Gelegenheit zu stuumlr-zen

Fuumlr Dr Scholl gab es zudem eine spezielle Aufgabe ZumRegierungsprogramm der sozialliberalen Bonner Koalitiongehoumlrte im Rahmen der Gesundheitsreform auch eine gruumlndli-che Novellierung der Arzneimittelgesetzgebung und dies tan-gierte die wichtigsten Interessen (sprich die enormen Profite)der Pharma-Industrie deren Verbandshauptgeschaumlftsfuumlhrer er

Von der Pharma-Industrie wurden deshalb hohe Millionen-betraumlge bereitgestellt die Dr Scholl nachdem sie bei der raquoSVlaquo

in Koblenz raquogewaschenlaquo und steuerabzugsfaumlhig gemacht wor-den waren gezielt zu verteilen hatte Es ging darum diejeni-gen Politiker und auch Beamten zu raquofoumlrdernlaquo die Einfluszlig aufdie Arzneimittelgesetzgebung und die Gesundheitspolitik hat-ten

In der Bundesrepublik wurden zu Beginn der Aktivitaumltendes Dr Scholl jaumlhrlich etwa acht Milliarden DM fuumlr Arzneimit-tel ausgegeben Als seine Taumltigkeit Anfang der achtziger Jahreendete waren es jaumlhrlich rund 17 Milliarden DM also mehr alsdas Doppelte raquoFast die Haumllfte dieser gigantischen Steigerungdie alle Bundesbuumlrger belastet haumlttelaquo so raquoDer Spiegellaquo imJuni 1985 - raquosich einsparen lassenlaquo waumlren damals nicht dieKernpunkte der geplanten Reform der Arzneimittelgesetzge-bung raquovon der Pillen-Lobby herausgeschossenlaquo worden

Die vom damaligen Pharmaverbands-HauptgeschaumlftsfuumlhrerDr Scholl mit sehr viel Geld betriebene Beeinflussung desGesetzgebungsverfahrens hat sich fuumlr die Arzneimittelherstel-ler also glaumlnzend gelohnt Sie lohnte sich aber auch fuumlr DrScholls Freunde von der CDU

So hatte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep raquozugleichim Namen von Herrn Dr Kohl und Herrn Professor Bieden-kopflaquo runde 70 000 DM kassiert von Curt Engelhorn Chef

des Familienunternehmens raquoBoehringer Mannheim GmbHlaquo(damaliger Pharma-Umsatz Milliarden DM) und zwaruumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo Der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende Alfred Dregger hatte die Staatsanwaltschaft raquoeinigehunderttausend Mark abkassiertlaquo bei der raquoWella AGlaquo inDarmstadt und ebenfalls uumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo VomPharma-Werk E Merck in Darmstadt erhielt die CDU-Promi-nenz rund eine Million DM und waumlren die Spendenlistenzumal deren wichtigste Teile nicht durch besondere Umstaumlndedem Einblick der Oumlffentlichkeit entzogen worden lieszligen sichgewiszlig noch weitere zusammen mehr als 20 Millionen DMnachweisen die Dr Scholl an CDU- und FDP-Prominenzzumal an seine engsten Spezis groszligzuumlgig verteilt hat

Indessen war Dr Scholl mit dem Pharma-spendengeld mit-unter allzu groszligzuumlgig zumal sich selbst gegenuumlber Alsbandsvorstand dies bemerkte wurde Dr Scholl raquowegen zu

eigenmaumlchtigen Umgangs mit dem Verbandsvermoumlgenlaquo gefeu-ert und muszligte sich verpflichten dem Verband MillionenDM zuruumlckzuerstatten Erstaunlicherweise erhielt Dr Schollaber dennoch nach seiner Entlassung eine monatliche Pensionvom Pharma-Verband in Houmlhe von 5700 DM -raquoSchweigegeldlaquofragte raquoDer Spiegellaquo damals und solche Vermutung erscheintnicht ganz abwegig zumal im Lichte spaumlterer Erkenntnisse

Noch erstaunlicher war es daszlig der gefeuerte Verbandsge-schaumlftsfuumlhrer der 1981 auch als FDP-Landesvorsitzenderzuruumlcktreten muszligte wenig spaumlter im Mainzer Landtag von denFreidemokraten wieder zum Fraktionsvorsitzenden gewaumlhltwurde Aber bei den Neuwahlen vom Maumlrz 1983 kam die FDPmit nur noch Prozent nicht mehr in denMainzer Landtag Dr Scholl war damit auch als Politikerarbeitslos brauchte aber nicht zu darben Als ehemaliger Abge-ordneter bezog er ein Uumlbergangsgeld von monatlich 5 400 DMmit seiner Pension vom Pharmaverband also zusammen 11100DM im Monat

Indessen sah er sich selbst und dann sahen ihn auch seinepolitischen Freunde -als dringend unterstuumltzungsbeduumlrftig anCDU-Ministerpraumlsident Bernhard Vogel damals noch nicht inThuumlringen sondern in Rheinland-Pfalz Kohl-Nachfolger undebenfalls Empfaumlnger betraumlchtlicher Pharma-Spenden aus derHand des Dr Scholl besorgte dem nun arbeitslosen Freunddeshalb einen mit 5000 DM monatlich honorierten Berater-vertrag bei der raquoDeutschen Anlagen-Leasinglaquo (DAL) in Mainzan der die rheinpfalzische Landesbank erheblich beteiligt istAber auch mit den auf 16 100 DM monatlich gestiegenengen war Dr Scholl noch nicht zufrieden Er wandte sich hilfesu-chend an seinen langjaumlhrigen Freund und Nachbarn HelmutKohl seit 1982 Bundeskanzler in Bonn

Klugerweise so stellt es jedenfalls ein mit der Angelegen-heit bestens vertrauter Bonner Beamter dar-waumlhlte Dr Scholleinen privaten Weg dem Kanzler seine Not zu schildern Uumlberjene Frau Juliane Weber die wir schon fluumlchtig kennengelernthaben aus den Notizen des Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard vBrauchitsch und zwar als Abholerin der offenbar verlorenge-gangenen raquoNikolaus-Spendelaquo von 30 000 DM Kohllaquo lieszlig

er Helmut Kohl wissen daszlig nun er es sei der finanzielle Unter-stuumltzung benoumltige

Ob nun Frau Weber ein gutes Wort fuumlr den Freund aus Main-zer Tagen eingelegt hat oder ob Kohl aus eigenem Antrieb taumltigwurde Jedenfalls setzte sich der Bundeskanzler sofort und ineiner Weise fuumlr Dr Scholl ein daszlig bei dem Kohl nahestehen-den und treuergebenen Beamten die Befuumlrchtung aufkam derKanzler koumlnnte erpreszligbar sein Denn dieser verschaffte demlaumlngst nicht mehr in bestem Ruf stehenden Duzfreund den er1982 noch mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausge-zeichnet hatte unverzuumlglich einen Beratervertrag bei der Deut-schen Lufthansa (an der der Bund mit mehr als 50 Prozent be-teiligt ist) Dadurch erhoumlhten sich Dr Scholls feste Bezuumlge umweitere 10 000 DM Monatsgehalt sowie 5000 DM monatlicheraquoAufwandsentschaumldigunglaquo auf nunmehr insgesamt 31100 DM

Die Befuumlrchtungen des um Kohl besorgten Beamten warenjedoch sicherlich unbegruumlndet Kohl hat sich wohl lediglichdem Spezi Dr Scholl der ihm und Seinerpartei jahrelang finan-ziell so uumlberaus behilflich gewesen warpflichtet gefuumlhlt Auch konnte Helmut Kohlja nicht ahnen daszligihn der Freund herb enttaumluschen wuumlrde

Gut ein Jahr nachdem Dr Scholls Bezuumlge dank des KanzlersFuumlrsorge auf uumlber 31000 DM monatlich erhoumlht worden warenereignete sich ein auf den ersten Blick ganz gewoumlhnlicher Raub-uumlberfall Am 28 Dezember 1984 drang ein bewaffneter Mannin ein Baden-Badener Juweliergeschaumlft ein und entkam nach-dem er die Anwesenden bedroht und den Inhaber niederge-schlagen hatte mit einer Beute im Verkaufswert von Millio-nen DM Bei der Fahndung nach den geraubten Juwelen fanddie Polizei in einem Bankschlieszligfach in Zuumlrich nicht nur einenTeil des fehlenden Schmucks sondern auch eine MengePapiere die Einblick gaben in die Spendenpraxis der bundes-deutschen Pharma-Industrie Damit war klar daszlig der bereitsgefaszligte Verdaumlchtige tatsaumlchlich der Raumluber von Baden-Badenwar Rechtsanwalt Dr Scholl der zwei Jahrzehnte lang fuumlh-rende F D P-Politiker von Rheinland-Pfalz und ehemaligeHauptgeschaumlftsfuumlhrer des Pharma-Verbands ein Intimus desamtierenden Bundeskanzlers

Lassen wir diese fuumlr Helmut Kohl schockierende Angelegen-heit damit ihr Bewenden haben Dr Scholls Motive hatten mitPolitik nichts zu tun und er hat seine Freiheitsstrafe laumlngst ver-buumlszligt

Allerdings haumltte sich Helmut Kohl schon fruumlher daruumlber imklaren sein muumlssen daszlig groszligzuumlgige lsquoGeldspender nicht voumllligselbstlos handeln Lange vor dem ersten Haumlndedruck mit demdamaligen Pharma-Lobby-Haumluptling Dr Scholl haumltte Kohl wis-sen muumlssen Wenn steinreiche Industrielle dicke Geldbuumlndelverteilen oder durch ihre Beauftragten verteilen lassen so istdies im allgemeinen kein Ausdruck uneigennuumltziger Naumlchsten-liebe Vielmehr erwarten die Spender in aller Regel Gegendien-ste die ihnen ein Vielfaches dessen einbringen was sie gespen-det haben und dabei verlangen sie mituntervon den Beschenk-ten sogar Ungesetzliches ja schlimmer noch Sie fordern eineAumlnderung der Gesetze und Vorschriften zu ihren Gunsten undzum groszligen Schaden fuumlr die Allgemeinheit oder vereiteln -wiees der Pharma-Industrie mit Hilfe der von Dr Scholl verteiltenMillionen gelang ein dringend gebotenes Reformwerk

Helmut Kohls Verhalten gegenuumlber Spendenverteilern obsie Dr Scholl oder v Brauchitsch Flick Henkel oder Oetkerheiszligen setzt ihn dem Verdacht aus daszlig er den von ihm ge-schworenen Eid raquoSchaden abzuwenden und den Nutzen zumehrenlaquo nicht auf das deutsche Volk bezieht wie es die Eides-formel fordert sondern nur auf einen winzigen Teil dieses Vol-kes naumlmlich auf die spendablen Herren des Groszligen Geldessowie auf sich selbst und einige wenige Personen die ihmnahestehen

Das Ganze wird noch erheblich verschlimmert durch einBenehmen Helmut Kohls im privaten Umgang mit den Reprauml-sentanten des Groszligen Geldes das seinen Waumlhlerinnen undWaumlhlern wenn sie davon erfahren die Schamroumlte ins Gesichttreiben muumlszligte Nehmen wir als Beispiel einen scheinbar neben-saumlchlichen im Untersuchungsausschuszlig des Bundestages zurFlick-Spendenaffaumlre aktenkundig gewordenen Vorgang

Da rief Kanzler Kohl eines Tages bei Eberhard v Brauchitschan dem Flick-Generalbevollmaumlchtigten der seinem Konzernetliche Hundert Millionen Mark faumllliger Steuern sparen will

und dafuumlr mit Bargeldbuumlndeln den stets beduumlrftigen Politikerngefaumlllig ist Zweck des Anrufs ist die Mitteilung des Bundes-kanzlers raquoDu houmlr mal Eberhard ich komme morgen abendbei euch vorbei Ich wuumlrde gern mal wieder anstaumlndig Kaviare s s e n

Natuumlrlich ging v Brauchitsch sofort auf diesen Wunsch sei-nes Duzfreundes ein der sich bei nur knapp 40000 DMMonatsgehalt sein -neben Saumagen -liebstes Essen offenbarnicht leisten konnte oder wollte Aber damit nicht genug Einpaar Tage spaumlter wieder ein Anruf bei v Brauchitsch diesmalvon Frau Hannelore Kohl aus Oggersheim raquoDu weiszligt dochEberhard wie gern ich Kaviar esse aber den gibtrsquos bei euch janur wenn ich nicht dabei bin

was macht man dann als guterzogener Mensch Als ichdas naumlchste Mal mit Herrn Kohl zusammen warlaquo so berichteteHerr v Brauchitsch habe ich ihm eine Dose Kaviar mitge-geben Den moumlchte er doch bitte mit Frau Gemahlin essen

Auch damit noch nicht genug denn die Schilderung desFlick-Repraumlsentanten geht weiter

raquoNach einer gewissen Zeit gibt es wieder ein Telefonat zwi-schen Frau Kohl und mirlaquo Bei dieser Gelegenheit fragte vchitsch raquoDu haumlttest eigentlich was sagen koumlnnen -wie war dennder Kaviarlaquo Darauf Hannelore Kohl raquoKaviar Ich habe keinengekriegt Du kennst doch den Helmut Der hat ihn mit in seineWohnung in Bonn genommen und ihn selber aufgegessen laquo

Woraufhin der wohlerzogene v Brauchitsch das Haus Flickabermals in Unkosten stuumlrzte das halbe Kilo Kaviar kosteteseinerzeit 560 DM und seinen Fahrer beauftragte der Kanz-lergattin rasch eine Dose vom Feinsten nach Ludwigshafen-Oggersheim zu bringen Mit einen dreizeiligen Begleit-brief die russische Marmelade wirklich in DeineHaumlnde kommt anbei direkt herzliche Gruumlszligelt laquo

Uumlbrigens der Untersuchungsausschuszlig und damit auch diePresse und die Oumlffentlichkeit haumltten von alledem wohl nieetwas erfahren waumlre im Privatsekretariat des Flick-Beauftrag-ten eine kurze Danksagung fuumlr die erwiesene Aufmerksamkeiteingegangen Da diese ausblieb wurden die sonst laumlngst ver-nichteten Kopien und Belege saumluberlich abgeheftet und die

Staatsanwaumllte die den Vorgang fuumlr strafrechtlich relevant hiel-ten beschlagnahmten die Akte

Der Vorfall der ein Schlaglicht auf den miserablen Stil wirftder im Hause Kohl die Arroganz der Macht begleitet ist indes-sen nur ein typisches Beispiel fuumlr die Dreistigkeit mit der sichdieser Politiker und die Seinen uumlber alle Normen gesittetenZusammenlebens hinwegsetzen von der staumlndigen Miszligach-tung der Gesetze und Vorschriften durch den amtierendenKanzler ganz zu schweigen

Zum besseren Verstaumlndnis sei hier noch aus der Fuumllle derSkandale die fuumlr die bisherige Amtszeit des Kanzlers Kohlkennzeichnend waren einer herausgegriffen der ganz zu An-fang stand

Am 11 Januar 1983 also nur wenige Wochen nach GenschersBetrug am Waumlhler und dem konstruktiven Miszligtrauensvotumdurch das Helmut Schmidt (SPD) gestuumlrzt und Helmut Kohl(CDU) Bundeskanzler wurde drangen Beamte der Bundesan-waltschaft und des Bundeskriminalamts in die Redaktions-raumlume der Hamburger Monatszeitschrift raquokonkretlaquo ein Siedurchsuchten alle Buumlros und dann auch die Privatwohnungendes damaligen Chefredakteurs Manfred Bissinger und desraquokonkretlaquo-Autors Juumlrgen Saupe angeblich wegen des dringen-den Verdachts der raquoPreisgabe von Staatsgeheimnissenlaquo Siewiesen eine besondere Ermaumlchtigung des Bundeskanzleramtsvor unterschrieben von Kohls Schulfreund engem Vertrautenund damaligen Staatssekretaumlr fuumlr die Geheimdienste Walde-mar Schreckenberger

Dies lieszlig darauf schlieszligen daszlig Kohl selbst oder seine naumlch-ste Umgebung die spektakulaumlre Aktion veranlaszligt hatte dennuumlblicherweise ist es der Generalbundesanwalt der seine Be-houmlrde und die Beamten des BKA taumltig werden laumlszligt Tatsaumlchlichwurden aber die Durchsuchungen bei raquokonkretlaquo von der Bun-desanwaltschaft eilig zur raquoRoutineangelegenheitlaquo herunterge-spielt und der Presse gegenuumlber begruumlndet mit einer mehr alsein Jahr zuruumlckliegenden raquokonkretlaquo-Veroumlffentlichung uumlber denfruumlheren BND-Spitzenfunktionaumlr Hans Langemann eine zwie-lichtige Gestalt die unter Franz Josef Strauszlig zum Chef derbayerischen Staatsschutzdienste avanciert und spaumlter gefeuert

worden war teils wegen Unfaumlhigkeit und Geschwaumltzigkeitteils wegen des Sicherheitsrisikos das sein Privatleben bot

Indessen lag der Verdacht sehr nahe daszlig es sich in Wahrheitnicht um diese weit zuruumlckliegende Veroumlffentlichung handeltesondern um einen erst gerade erschienenen raquokonkretlaquo-Artikelund einen damit zusammenhaumlngenden privaten Racheakt Hel-mut Kohls In der Ausgabe vom Januar 1983 hatte Chefredak-teur Manfred Bissinger den Kanzler in einem Artikel scharfangegriffen und es hieszlig darin raquoWie ein Mann seine Familiebehandelt und uumlber die Familie spricht kann im Gegensatznicht krasser sein als bei Helmut Kohl Seine Worte sind schein-heilig und verlogen wenn man weiszlig wie er lebt

Gemeint war das Privatleben des Kanzlers im Bereich Eheund Familie den Lieblingsthemen des salbadernden Volksred-ners Kohl raquoIch spreche so leidenschaftlich zu diesem Themalaquohatte er gerade erst getoumlnt raquoweil fuumlr mich ganz ist daszlig dieimmer wieder notwendige geistig-moralische Erneuerungunseres Landes eben nur dann kommen kann wenn die Jun-gen ihr Beispiel zu Hause erfahren und eingeuumlbt werden indie Tugenden unseres Landes am Beispiel der eigenen Elternin der Waumlrme und Geborgenheit der eigenen Familielaquo Dochals Helmut Kohl von Mainz nach Bonn umgezogen war hatteer seine Frau Hannelore und seine beiden Soumlhne im Oggershei-mer Bungalow zuruumlckgelassen Seine Sekretaumlrin Juliane Weberaber war mit ihm umgezogen nicht nur ins Bonner Buumlro son-dern auch in sein neues Haus in Bonn-Pech Am 14 Oktober1982 zwei Wochen nach Kohls Einzug ins Bundeskanzleramthatte raquoBILDlaquo aus der raquogeheimnisvollen Welt der neuen Nr 1laquoder Kanzlergattin Hannelore Kohl gemeldet Sie raquokam nachBonn selten uumlbernachtet hat sie dort so gut wie nielaquo

raquoIn Bonn ist es ein offenes Geheimnislaquo hatte Bissinger inraquokonkretlaquo uumlber das Verhaumlltnis Kohls mit seiner Sekretaumlringeschrieben raquoDie Journalisten kennen nicht nur Juliane Weber(die uumlbrigens auch verheiratet ist)laquo sie wissen auch wie Kohlzu ihr steht raquoDie Wahrheit schreiben will keiner Das houmlch-ste der Gefuumlhle ist mal ein Scherz fuumlr Insider Der gtSpiegelltuumlber Juliane Weber schlaumlgt ihm auch die Eier auf weil der

Kanzler sie so heiszlig nicht anfassen maglt Normalerweise wuumlrdeman daruumlber zur Tagesordnung uumlbergehen

Soweit die wesentlichen Stellen aus dem fuumlr Helmut Kohlund seine Gefaumlhrtin so aumlrgerlichen raquokonkretlaquo-Artikel dergewiszlig nicht geschrieben - und bestimmt nicht hier zitiert - wor-den waumlre haumltte Kohl nicht selbst dafuumlr gesorgt daszlig man uumlberseine Intimsphaumlre eben nicht taktvoll schweigen kann

Der Kanzler selbst hat aus seiner privaten eine oumlffentlicheAngelegenheit gemacht denn zum erstenmal seit Bestehender Bundesrepublik ja wenn man die Hitler-Diktatur aus-nimmt in der ganzen neueren deutschen Geschichte hat einKanzler die Finanzierung seines Verhaumlltnisses nicht ausner Tasche vorgenommen sondern sie dreist dem Steuerzahleraufgebuumlrdet Damit nicht genug Helmut Kohl hat seiner Juli-ane Weber die fuumlr ihn wie wir bereits wissen auch oumlfters dasvon der Industrie gespendete Bargeld kassieren darf auch einePfruumlnde verschafft die ihr nicht zusteht Gegen das Beamten-recht und gegen die Einwaumlnde des Personalrats der darauf hin-wies daszlig Frau Weber sogar die in den Richtlinien vorgeschrie-bene Oberschul- und Universitaumltsbildung fehle ganz zuschweigen vom Staatsexamen wurde die Kanzler-Gefaumlhrtinmit den Bezuumlgen eines Regierungsdirektors als persoumlnlicheReferentin eingestellt weil Kohl das raquoeinzigartigelaquo VertrauenVerhaumlltnis geltend machte das zwischen ihm und JulianeWeber bestehe und sich damit durchsetzte

Erst diese von Kohl eingefuumlhrte raquoMaumltressenwirtschaftlaquo (wieBeamte des Kanzleramts seinen Regierungsstil nennen der esFrau Weber gestattet mit der einleitenden keinen Wider-spruch duldenden Formel raquoDer Kanzler wuumlnscht ihre eige-nen Forderungen durchzusetzen) hat dazu veran-laszligt die Oumlffentlichkeit daruumlber zu informieren

Kohl selbst informierte die Oumlffentlichkeit auf seine WeiseIn derselben Woche in der das Kanzleramt die Haussuchungenbei raquokonkretlaquo vornehmen lieszlig verkuumlndete er vollmundiggilt fuumlr uns der Satz Eine gesunde Familie ist die Vorausset-zung eines gesunden Staates und Staatspolitik muszlig sich taumlg-lich an diesen Satz erinnernlaquo

Ein paar Tage spaumlter bemuumlhten sich Kanzlergehilfen dieBonner Journalisten davon zu uumlberzeugen daszlig die Aktion ge-

raquokonkretlaquo nichts zu tun gehabt haumltte mit der dort veroumlffent-lichten Geschichte uumlber die zur Regierungdirektorin ernannteKanzler-Gefaumlhrtin Denn diese Veroumlffentlichung haumltte ja Kohlund Frau Weber noch gar nicht zur Kenntnis gelangt sein koumln-nen weil sie im Januar-Heft stand der Durchsuchungsbefehlaber sei bereits am 29 Dezember 1982 unterzeichnet wordenDie Wahrheit hingegen ist daszlig raquokonkretlaquo wegen der Feiertageseine Januar-Ausgabe bereits am 21 Dezember ausgelieferthatle So war also Zeit genug gewesen etwaige Rachegeluumlstereifen zu lassen und dann auch zu stillen

Indessen ist der Vorfall samt seinem skandaloumlsen Hinter-grund der Einsetzung der raquoeinzigartigenlaquo Gefaumlhrtin als Direk-torin ins Kanzleramt nur ein weiteres Beispiel fuumlr den misera-blen Stil des Politikers Helmut Kohl der staumlndig von raquogeistig-moralischer Erneuerunglaquo redet sich aber nicht scheut denSuperreichen Steuergeschenke in Milliardenhoumlhe auf Kostender Allgemeinheit vor allem der Lohnsteuerpflichtigen zumachen und dafuumlr bei den Herren des Groszligen Geldes abzukas-sieren Bleibt noch zu fragen welche unsittlichen Forderungenauszliger den bereits genannten speziellen Wuumlnschen des HausesFlick und denen der Pharma-Industrie die Konzerngewaltigenan Helmut Kohl und dessen Regierung noch gestellt habenund inwieweit diese Forderungen bereits erfuumlllt worden sindDenn natuumlrlich wollen die milliardenschweren Herren fuumlr ihrehohen Spenden auch wenn diese Betraumlge durch Schwinde-leien und Steuerhinterziehung ergaunert worden sind diegewuumlnschten Resultate sehen

Aber mit den vom Groszligen Geld erhofften Ergebnissen kanndie Regierung Kohl in reichem Maszlige aufwarten Ihre Bilanznach zwoumllf Jahren raquoWendelaquopolitik ist fuumlr die Superreichen derBundesrepublik so zufriedenstellend daszlig sie sich vergnuumlgt dieHaumlnde reiben koumlnnen

Sehen wir uns an wie Kohl sich ihnen gleich in seinen erstenRegierungsjahren nuumltzlich gemacht hat

Helmut Kohl finanziert und

von ihm bekommen hat

An nichts wird so glaumlnzend verdient wie am RuumlstungsgeschaumlftViele der groumlszligten Vermoumlgen der Bundesrepublik im Megamil-lionen- und Multimilliardenbereich stammen aus Kriegsgewin-nen aus Waffenlieferungen ins Ausland vor allem aber ausAuftraumlgen der Bundeswehr Die Erben von Harald und HerbertQuandt -geschaumltztes Vermoumlgen zusammen Milliarden DM- der Flick-Erbe Dr Friedrich Karl Flick und seine Neffen -zu-sammen mindestens Milliarden DM schwer - Familie vSiemens Milliarden DM - die Roumlchling-Erben etwaMilliarden oder um aus der Fuumllle der moumlglichen Beispielenoch einen weiteren Kroumlsus zu nennen Karl Diehl der aufMunition Zuumlnder Panzerketten und Kanonen spezialisiert istund auf Milliarden DM Vermoumlgen geschaumltzt wird - sie undviele andere verdanken ihr vieles Geld groszligenteils dem gewalti-gen Ruumlstungsbedarf nicht zuletzt dem der Bundeswehr

Um so erschrockener muumlssen die Konzernherren gewesensein als Kanzler Kohl kaum daszlig er trickreich in sein Amthievt worden war mit der Parole in den Bundestagswahlkampf1983 zog raquoFrieden schaffen mit immer weniger Waffenlaquo

Indessen beruhigten sich die Ruumlstungsmagnaten sehr raschals sie merkten daszlig Kohl ihnen nur eins seiner demagogischenKunststuumlckchen vorfuumlhrte Die damaligen Meinungsumfragenhatten erbracht daszlig die uumlberwaumlltigende Mehrheit der Bevoumllke-rung nichts sehnlicher wuumlnschte als einen sicheren Friedendurch eine massive Abruumlstung in Ost und West Fast 80 Prozentder Befragten sympathisierten mit der Friedensbewegung be-jahten deren Ziele und bekundeten ihr Vertrauen zu Gorba-tschow und die Glaubwuumlrdigkeit seiner Vorschlaumlge zur Beile-

gung des Ost-West-Konflikts und zur stufenweisen AbruumlstungAngesichts dieser breiten Zustimmung der Bundesbuumlrger zuden Bemuumlhungen den Ruumlstungswahnsinn zu beenden hattesich Helmut Kohl veranlaszligt gesehen ganz ungeniert mit demVersprechen auf Stimmenfang zu gehen ebenfalls fuumlr Abruuml-stung zu sorgen

Doch er tat das GegenteilDie Ruumlstungsausgaben der Bundesrepublik stiegen unter

Helmut Kohls Kanzlerschaft kontinuierlich weiter 1983 betru-gen sie 46751 Millionen DM 1986 uumlberschritten sie erstmalsdie 50-Milliarden-Grenze und 1990 erreichten sie mit mehr als54 Milliarden DM den houmlchsten Stand in Friedenszeiten denes in der deutschen Geschichte je gegeben hat

Obwohl von einer tatsaumlchlichen Bedrohung nicht mehr dieRede sein und spaumltestens seit der Jahreswende nie-mand mehr daran zweifeln kann daszlig Abruumlstung das Gebot derStunde ist und keinesfalls weiter aufgeruumlstet werden darf sahder Haushaltsentwurf der Kohl-Regierung fuumlr 1991 abermalsrund 50 Milliarden DM vor Die scheinbare Verminderung umetwa zwei Prozent beruht zudem auf einem Rechentrick DiePersonalverstaumlrkungsmittel wurden aus dem Wehr- in den Fi-nanzetat uumlbertragen Trotz Verringerung der Bundeswehr-Trup-penstaumlrke um fast ein Drittel sind die Verteidigungsausgabenbis heute nur wenig unter die 50-Milliarden-DM-Grenze ge-sunken

Diese gigantische Vergeudung von oumlffentlichen Mitteln ge-houmlrt zur Strategie der Regierung Kohl die das Ziel hat dasVolksvermoumlgen umzuverteilen zu Lasten fast aller Buumlrgerin-nen und Buumlrger und zum Nutzen der wenigen Superreichendenn wenn Groszligunternehmen Hunderte von Millionen Markinvestieren wie sie es taten als sie zwei Jahrzehnte lang sehrviel Geld in die Kassen von CDU CSU und F DP sowie in dieTaschen fuumlhrender Politiker flieszligen lieszligen dann wollen sie fuumlrihr Geld natuumlrlich auch Gegenleistung erbracht sehen die diehohen Ausgaben nachtraumlglich uumlberreichlich lohnen

Neben den Sonderwuumlnschen einzelner Groszligunternehmerbeispielsweise Flicks Wunsch nach Befreiung von allen Steuer-zahlungen fuumlr sein raquoMilliardendinglaquo die ihm dann ja auch

gewaumlhrt wurde oder einzelner Branchen -wie etwa die eben-falls gelungene Abwehr vernuumlnftiger Sparmaszlignahmen im Arz-neimittelbereich durch die Pharma-Industrie haben alle gro-szligen Bosse unseres Landes auch einige gemeinsame WuumlnscheSie wollen mehr Profit egal ob durch steuerliche Entlastungoder durch Befreiung von laumlstigen weil hohe Kosten verursa-chenden Auflagen etwa im Umwelt- oder Arbeitsschutzbe-reich ob durch Senkung ihrer Lohn- und Lohnnebenkostenoder durch hohe Subventionen

Es gibt noch vieles was den Profit kraumlftig steigert und amliebsten ist es den groszligen Bossen wenn ihnen die Regierungalles auf einmal und in moumlglichst reichem Maszlige beschert DieCDUCSUFDP-Regierung hat sich seit 1983 die groumlszligteMuumlhe gegeben den Konzernen nur ja alles recht zu machenDas ist freilich immer mit einem Problem verbunden Wennman so viel zugunsten von wenigen Superreichen tut geht diesleider zu Lasten der breiten Mehrheit Da die Regierung aberwenn sie uumlber den naumlchsten Wahltag hinaus am Ruder bleibenwill (und nach dem Willen ihrer Geldgeber aus der Konzern-welt auch soll) eine Mehrheit der Waumlhlerstimmen benoumltigtmuszlig sie das Kunststuumlck fertigbringen sich all denen uumlberzeu-gend als Wohltaumlterin anzupreisen die sie zugunsten des Gro-szligen Geldes benachteiligt und geschaumldigt hat Ihr Spezialist fuumlrdiese schwierige Aufgabe heiszligt Dr Norbert Bluumlm langjaumlhrigerVorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse auch Mitglied einerDGB-Gewerkschaft seit 1983 Bundesminister fuumlr Arbeit (wasaber wohl nur eine irrefuumlhrende Abkuumlrzung ist denn tatsaumlch-lich fungiert Dr Bluumlm als Minister fuumlr Arbeitgeberinteressen)raquoDen Opfern des Sozialabbaus in ihrer Sprache zu antwortenihnen die staatlichen Maszlignahmen mit ihren eigenen Worten alsWohltat zu verkaufen diesen Trick beherrscht kaum ein ande-rer Politiker so sicher und vertrauenerweckend wie NorbertBluumlmlaquo heiszligt es in der hervorragenden Studie von Hans UskeraquoDie Sprache der Wendelaquo uumlber diesen mit Roszligtaumluschermetho-den arbeitenden Demagogen der den Abbau der Sozialleistun-gen mit der Notwendigkeit rechtfertigt den Staat vor Verschul-dung zu bewahren und zwar folgendermaszligen

raquoDafuumlr brauche ich gar keine volkswirtschaftlichen TheorienDas entspricht auch dem Lebensgefuumlhl der Arbeiterfamilie

Die Arbeiterfamilie hat nie auf Pump gelebt Sie hat immergewuszligt Man kann nicht mehr essen als auf dem Tisch stehtund ein Staat kann nicht mehr ausgeben als er einnimmt Dasentspricht dem Lebensgefuumlhl der Arbeitnehmerlaquo So Dr Bluumlmim Bundestag am 18 Dezember 1983 zur Begruumlndung derdamals eingeleiteten Regierungspolitik die dann nicht nursystematisch Sozialleistungen kuumlrzte und Arbeitnehmerrechteeinschraumlnkte sondern zugleich die Staatsschulden mehr alsverdoppelte

raquoDer Staatlaquo merkt Hans Uske treffend an raquoist natuumlrlichkeine Arbeiterfamilie und Staatsschulden sind nicht miteinem Uumlberziehungskredit zu vergleichen Aber nehmen wirmal an sei tatsaumlchlich in so tiefer Not wie eine Arbei-terfamilie Wieso nimmt Bluumlm dann den armen Familienmit-gliedern Geld weg um es dem reichen Onkel als Steuerge-schenk in den Rachen zu werfen Wenn er uns schon alle zueiner riesigen Arbeiterfamilie macht waumlre es klar daszlig uns dieWohlhabenden aus der Patsche helfen muumlszligten In richtigenArbeiterfamilien gehoumlrt das zum guten Benehmen

In derselben Bundestagsrede vom 8 Dezember 1983 gabsich Dr Bluumlm sogar noch ein biszligchen proletarischerraquoDie Zinsen der staatlichen Schuldenpolitik bekommennicht die Rentenempfaumlnger die Sozialhilfeempfaumlnger sonderndiejenigen die dem Staat das Geld leihen konntenlaquo erklaumlrte ermehr fuumlr das Fernsehpublikum das seine Rabulistik in derraquoTagesschaulaquo serviert bekam als fuumlr seine wenigen Zuhoumlrer imBundestag raquoDas sind nicht die armen Leute das sind dieOumllscheichs die Banken und die Besserverdienenden Schuldenabbauen ist soziale Politiklaquo

raquoIst das nicht klassenkaumlmpferischlaquo heiszligt es dazu in dem bis-sigen Kommentar von Hans Uske raquowie Kollege Bluumlm hiergegen Oumllscheichs Banken und Besserverdienende vorgeht InWirklichkeit benutzt er ein paar proletarische Reizworte umden Klassenkampf von oben den er selbst mit vorantreibtsprachlich in einen angeblichen Kampf gegen Oumllscheichs undBanken zu verwandeln Seine Arbeitersprache setzt Bluumlm einwie es ihm gerade paszligtlaquo

Denn bei anderer Gelegenheit kann er genauso geschicktdie - angeblich faulenzenden Sozialhilfeempfaumlnger die er

eben noch als raquoarme Leutelaquo fuumlr seine Scheinargumentationbenutzt hat in Parasiten und raquoAusbeuterlaquo verwandeln und fol-gendermaszligen -in seinem Buch raquoDie Arbeit geht weiterlaquo Muumln-chen 1983 Seite 9 verunglimpfen

raquoAber ist es nicht eine moderne Form der Ausbeutung sichunter den Palmen Balis in der Haumlngematte zu sonnen alterna-tiv vor sich hin zu leben im Wissen daszlig eine Sozialhilfe vonArbeitergroschen finanziert im Notfall fuumlr Lebensunterhaltzur Verfuumlgung stehtlaquo

Dazu noch einmal der Kommentar von Hans Uske an-dere Politiker stuumltzt sich bluumlm auf schon vorhandene Vorurteilegegen gtDruumlckebergerlt Bluumlms Spezialitaumlt ist jedoch der Appellans Klassenbewuszligtsein gtAusbeutunglt Machen die Unter-nehmer muszlig der Arbeiter gegen kaumlmpfen gtArbeitergroschenltSind sauerverdient wollen die Reichen wegnehmen muszlig manverteidigen den Palmen Balislt Da liegen die Playboysam Strand sonnen sich Ausbeuter von sauer verdienten Arbei-tergroschen Waumlhrend er so die Opfer seines Sozialabbausdenunziert hofft Bluumlm auf Applaus von Arbeitern -was beson-ders makaber ist da die ja selbst zu seinen Opfern gehoumlrenlaquo

Norbert Bluumlm geht sogar noch einen Schritt weiter Im Som-mer 1986 lieszlig sein Ministerium verbreiten von einem Sozialab-bau koumlnne uumlberhaupt nicht die Rede sein im Gegenteil DieSozialausgaben haumltten vielmehr seit der raquoWendelaquo eine kraumlftigeSteigerung erfahren Und tatsaumlchlich Wenn man wie es ein zudieser dreisten Behauptung geliefertes Schaubild tat alle Aus-gaben im Gesundheitswesen vor allem die von der raquoPillen-lobbylaquo unter vormaliger Fuumlhrung des spaumlteren JuwelenraumlubersDr Scholl herbeigefuumlhrte - Kostenexplosion bei Arzneimittelnhinzurechnete ebenso die den Gemeinden aufgebuumlrdeten So-zialhilfe-Lasten dann hatten sich allerdings schon in diesenersten Jahren der Regierungstaumltigkeit von Kohl und Bluumlm dieSozialausgaben drastisch erhoumlht nur waren die Leistungenauf die der oder die einzelne Anspruch hatten keineswegsgestiegen sondern hatten sich real vermindert Kraumlftig ver-mehrt hatten sich hingegen die Profite beispielsweise die derPharma-Industrie aber auch die Honorareinnahmen etwa beiden Zahnaumlrzten

Tatsaumlchlich haben zwoumllf Jahre Kohlscher raquoWendelaquopolitikMillionen in die Armut getrieben dafuumlr die Reichen noch umvieles reicher gemacht

Beguumlnstigt durch die bis Anfang der neunziger Jahre anhal-tende Hochkonjunktur sind die Unternehmergewinne und Ver-moumlgensrenditen explosionsartig gestiegen aber gleichzeitighat die Kohl-Regierung den Groszligverdienern immer neue Steu-ergeschenke gemacht Das hat diese aber nicht davon abgehal-ten in steigendem Maszlige Steuern zu hinterziehen Wie derwegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskraumlftig verur-teilte Ex-Bundeswirtschaftsminister und inzwischen Ex-FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff dazu bemerkt hat befindeter sich mit diesem Delikt raquoin allerfeinster Gesellschaftlaquo In derTat Steuerhinterziehungen groszligen Stils und Kapitalflucht insAusland werden nicht von Otto Normalverbraucher nicht vonLohnsteuerpflichtigen und auch nicht von kleinen und mittle-ren Beamten Rentnern Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfaumln-gern begangen

Was die beiden letzten groszligen Gruppen der Bevoumllkerungbetrifft so haben Kanzler Kohl und sein Arbeitsminister Bluumlmzur Verminderung der Arbeitslosigkeit und Armut bislang nureines getan unermuumldlich eine Verschoumlnerung der Statistikbetrieben Schon mit der 7 Novelle zum Arbeitsfoumlrderungsge-setz wurde die Moumlglichkeit geschaffen rund 100 000 Arbeits-lose zwischen 50 und 59 Jahren endguumlltig aus der Statistik ver-schwinden zu lassen ebenso rund 40 000 arbeitslose FrauenEine statistische Absenkung der Arbeitslosenquote kam spaumlterauf folgende Weise zustande Man setzte die Arbeitslosennicht mehr ins Verhaumlltnis zu den abhaumlngig Beschaumlftigten son-dern zu allen Erwerbspersonen Das fuumlhrte dazu daszlig sich dieArbeitslosenquote von einem Tag auf den anderen um fasteinen Prozentpunkt verringerte ohne daszlig ein einziger Arbeits-loser Arbeit bekommen haumltte

Doch solche Methoden genuumlgten nicht um das so Kohlleidige Thema raquoArbeitslosigkeitlaquo zu raquoentschaumlrfenlaquo Deshalbdachte sich die Leiterin des Allensbacher Instituts fuumlr Demo-skopie Frau Professor Noelle-Neumann etwas Neues ausKohls Hof-Demoskopin machte dem Kanzer schon 1986 den

im Hinblick auf die Bundestagswahlen vom Januarraquoden Block der Arbeitslosen aufzuteilenlaquo Rund 700 000

Arbeitslose sollten raquoals Alkoholiker Drogensuumlchtige sozialeAussteigerlaquo oder schlicht als raquofreiwillig arbeitsloslaquo diffamiertund zumindest auf dem Papier von der erschreckendenGesamtzahl in Abzug gebracht der immer noch gewaltige Restunterteilt werden in raquoAlleinernaumlhrer Arbeitslose in Haushal-ten in denen es einen zweiten Hauptverdiener gibt undArbeitslose die Nebenverdiener sindlaquo

Frau Noelle-Neumann hat damals der Bundesregierunggeraten diese Zahlenakrobatik nicht selbst vorzunehmen Einsolches Rechenkunststuumlck raquodas vor der heiszligen Phase des Wahl-kampfes abgeschlossen werden solllaquo muumlszligte raquoaus privaterInitiativelaquo in Auftrag gegeben werden wie es dann auchgeschah Arbeitgeberverbaumlnde Konzerne und raquoandere privateGeldgeberlaquo beauftragten die Allensbacher tatsaumlchlich mit derDurchfuumlhrung dieses Roszligtaumluschertricks werden dieArbeitslosigkeit einigermaszligen wegerklaumlrenlaquo versicherte dazuim Sommer 1986 ein Allensbach-Mitarbeiter raquoLeicht wird dasnicht gerade sein aber es wird hoffentlich reichen der Bundes-regierung im Wahlkampf uumlber die Runden zu helfenlaquo

Diese und andere Taumluschungsmanoumlver die seitdem in rei-chem Maszlige angewendet worden sind aumlnderten natuumlrlich nichtdas geringste am tatsaumlchlichen Ausmaszlig der Dauermassenar-beitslosigkeit die sich nicht verringerte sondern vergroumlszligerteDoch vor allem wenn Wahlen anstanden war es der Kohl-Regierung jedesmal besonders wichtig den Waumlhlerinnen undWaumlhlern Sand in die Augen zu streuen damit ihnen das Aus-maszlig vor allem aber die Gruumlnde der Arbeitslosigkeit nicht deut-lich werden Sie sollen nicht merken warum wohl Arbeitgeber-verbaumlnde Konzerne raquound andere private Geldgeberlaquo daraninteressiert sind daszlig Millionen Menschen ohne festen Arbeits-platz bleiben und dafuumlr auch noch diffamiert und mit Verach-tung bestraft werden Mit der Massenarbeitslosigkeit wird naumlm-lich die Voraussetzung geschaffen Loumlhne und Gehaumllter imunteren Bereich zu druumlcken und die Beschaumlftigten zu raquofreiwilli-gemlaquo Verzicht auf wohlerworbene Anspruumlche und hart er-kaumlmpfte Rechte zu bewegen Durch die Diffamierung der raquoFrei-

gestelltenlaquo sollen die Solidaritaumlt mit den Arbeitslosen untergra-ben und die Aumlngste der noch Beschaumlftigten vor Entlassung undsozialem Abstieg geschuumlrt werden

raquoJe mehr Arbeitslose wir haben und je schlechter es ihnengeht desto besser wird die Arbeitsmoral desto weniger druumlk-ken uns die Lohnkostenlaquo Diese Grundregel der groszligen Bossestellte der Groumlszligte von ihnen Friedrich Flick bereits 1931 waumlh-rend der Weltwirtschaftskrise auf einer Aktionaumlrsversamm-lung in Duumlsseldorf auf und an der Guumlltigkeit dieser Regel undihrer immer rigoroseren Anwendung hat sich bis heute nichtsgeaumlndert

Am schlechtesten dran sind jene jugendlichen Arbeitslosenohne Ausbildung denen Kanzler Kohl vollmundig raquofuumlr jedenund jede eine Lehrstellelaquo versprochen hat (woran er aber nichtmehr erinnert werden moumlchte) Um der Statistik willen werdenmaumlnnliche Dauerarbeitslose im wehrpflichtigen Alter zu kur-zen Uumlbungen einberufen die Unterbrechung genuumlgt sie ausder Rubrik raquoDauerarbeitsloselaquo verschwinden zu lassen

Auch das sogenannte Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz derRegierung Kohl brachte gerade fuumlrjunge Leute drastische Ver-schlechterungen Zur Freude der Bosse foumlrdert das Gesetz dasHeuern und Feuern und erlaubt ohne sachliche Begruumlndungbefristete Arbeitsvertraumlge bis zu 18monatiger Dauer Auszliger-dem wurde die zulaumlssige Dauer der ohnehin houmlchst bedenk-lichen ausbeuterischen Leiharbeit verlaumlngert

Mit dem 1985 ausgerechnet zum 1 Mai in Kraft getretenenGesetz wurde der Kuumlndigungsschutz durchloumlchert Houmlchst um-strittene von den Gewerkschaften bekaumlmpfte Formen der Teil-zeitarbeit wurden gesetzlich verankert sowohl die Arbeits-platzteilung das sogenannte raquoJob-sharinglaquo als auch die raquokapa-zitaumltsorientierte variable Arbeitszeitlaquo (KAPOVAZ) Die Ju-gendschutzbestimmungen wurden eingeschraumlnkt die erlaubteSchichtzeit auf Bau- und Montagestellen wurde fuumlr Jugendli-che auf elf Stunden verlaumlngert der Arbeitsbeginn von siebenauf sechs Uhr vorverlegt in Baumlckereien sogar auf vier Uhr

Das Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz das entgegen seinemverheiszligungsvollen Namen nicht zur Schaffung von Arbeitsplaumlt-zen beitrug sondern im Gegenteil zu verstaumlrkter Ausbeutung

von Arbeitskraft fuumlhrte wurde ergaumlnzt durch etliche Novellenzum Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) Dieses aus den sechzi-ger Jahren stammende Gesetz hatte urspruumlnglich den Zweckdaszlig die Bundesanstalt fuumlr Arbeit nicht bloszlig diejenigen finan-ziell unterstuumltzt die arbeitslos sind sondern der Arbeitslosig-keit auch aktiv entgegenwirkt Die von Dr Kohl gefuumlhrte Regie-rung bewerkstelligte mit mehreren Novellen zum AFG sowohleinen Abbau der Leistungen fuumlr die Arbeitslosen als auch einedrastische Einschraumlnkung der Moumlglichkeiten aktiver Arbeits-marktpolitik zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsmaszlignahmen

Wenn man wie es die Regierung Kohl sich zum Ziel gesetzthat massiven Sozialabbau und Umverteilung von unten nachganz oben copymiddotacuteacuteocircdann ist ein scheinheiliger Spruumlcheklopfer wieNorbert Bluumlm unentbehrlich Neben den von ihm betriebenendrastischen Kuumlrzungen der Sozialleistungen fallt ihm ja auchnoch die Aufgabe zu die reiche Bundesrepublik allmaumlhlich inein Billiglohnland umzuwandeln wo allein die Bosse dasSagen haben und die Lohn- und Gehaltsempfaumlnger schutzlossind

Alle bisherigen Maszlignahmen der Regierung Kohl und ihresArbeits- und Sozialministers Bluumlm die angeblich dem raquoAbbauder Arbeitslosigkeitlaquo dienen sollen zielen darauf in hundert-jaumlhrigem Kampf muumlhsam errungene Rechte der Arbeiter undAngestellten Schritt fuumlr Schritt abzubauen Bluumlms Begruumlndungim Bundestag raquoDas Arbeitsrecht unter den Bedingungen derArbeitslosigkeit muszlig Bruumlcken bauen und darf nicht dazu fuumlh-ren daszlig die Privilegierten die Arbeitsbesitzer sich in dieFestung zuruumlckziehen und die Beute unter sich verteilenlaquo

Statt gezielt die Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen wie es seineAufgabe waumlre will Bluumlm denn das meint er in Wahrheit daszligdie raquoArbeitsbesitzerlaquo auf ihre raquoBeutelaquo naumlmlich auf ihren inharten Tarifkaumlmpfen errungenen Besitzstand an gesichertemLohn und ertraumlglichen Arbeitsbedingungen verzichten lernenund ihre raquoPrivilegienlaquo naumlmlich in jahrzehntelangem politi-schen Kampf durchgesetzte Rechte zum Beispiel auf Kuumlndi-gungsschutz einfach aufgeben

Ex-Bundesminister Graf Lambsdorff resozialisierter Geld-waumlscher Steuerhinterzieher und Flick-Helfer einerseits lang-

jaumlhriger FD P-Chef und Gralshuumlter der superfreien Marktwirt-schaft andererseits verkuumlndete das Gleiche wie Norbert Bluumlmnur unverbluumlmter In einem Interview in dem auf Volksver-dummung spezialisierten Achtgroschenblatt das sich ambesten fuumlr solche Verlautbarungen eignet lieszlig der Graf sichherbei sein Patentrezept zur Bekaumlmpfung der Arbeitslosigkeitzu verraten

raquoDagegen gibt es nur eine Medizin Disziplin bei kuumlnftigenLohnvereinbarungen Denn fuumlr niedrige Loumlhne gibtrsquos genugArbeitlaquo

Als raquoschlimmsten Fehlerlaquo bezeichnete Graf Lambsdorff dervom Hause Flick so reich Bedachte die Anhebung der Loumlhneund Gehaumllter in den raquounteren Einkommensstufenlaquo da sichgerade die einfachste Arbeit raquoam besten durch Maschinenersetzenlaquo lieszlige

Ganz abgesehen davon daszlig Loumlhne gleichzeitig KaufkraftSteuern und Sozialversicherungsbeitraumlge bedeuten wird derZynismus der graumlflichen Argumentation wie Hans Uske in sei-ner Untersuchung raquoDie Sprache der Wendelaquo anmerkt erst rich-tig deutlich raquowenn wir uns in die Zukunft versetzen und an-nehmen Lambsdorffs Rezept waumlre bereits verwirklicht Nehmen wir also an die Loumlhne seien gesenkt worden sagenwir um 20 Prozent Sofort sinken die Kosten der Unterneh-mer in den lohnintensiven Bereichen dort wo viele Arbeits-kraumlfte noumltig sind Die Verlockung Maschinen anzuschaffenwird geringer Dank der Wende-Regierung koumlnnten wir end-lich wieder mit den Computern konkurrieren Die meistenLeute waumlren aumlrmer einige sogar sehr viel aumlrmer aber viele haumlt-ten wieder Arbeit Nun gehoumlrt aber zur Wirtschaftsplanungder Bundesregierung die Foumlrderung des technischen Fort-schritts Milliarden flieszligen in EDV-Forschung und Computer-Entwicklung Groszligkonzerne engagieren sich im Elektronik-markt Dieser geballte Einsatz muszlig sich bezahlt machen Was tun wir jetzt Die vernuumlnftigste Loumlsung Unsere Arbeits-kraft muszlig noch billiger werden auszligerdem lernen wir noch bes-ser computern und dann muumlssen wir noch billiger werdenund dann -leben wir in einem Billiglohnland Und wenn dienaumlchste konjunkturelle Krise kommt und wenn durch die

rasante Entwicklung des technischen Fortschritts die Arbeits-losenzahl weiter ansteigt dann wird diese Sorte von Vernunftdarauf nur eine Antwort wissen Das Opfer der Bevoumllkerungwar nicht groszlig genug der Guumlrtel muszlig noch enger geschnalltwerdenlaquo

Auf dem Wege zur Verwirklichung solcher Absichten sahendie groszligen Bosse und die von ihnen mit Millionenspendengefoumlrderte Regierung Kohl ein Hindernis den DGB und die indiesem Buumlndnis zusammengeschlossenen Einheitsgewerk-schaften Folgerichtig setzte die Regierung Kohl kaum daszlig siedurch den Waumlhlerbetrug der FDP an die Macht gekommenwar die Schwaumlchung der Gewerkschaften auf ihr ProgrammIhr erstes Ziel war die Streikfahigkeit und damit das Grund-recht auf Streik als legitimes Kampfmittel der wirtschaftlichSchwaumlcheren auszuhoumlhlen Durch eine Aumlnderung des Paragra-phen 116 Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) sollte zunaumlchst ein-mal die Durchsetzungsfaumlhigkeit der Gewerkschaften in derTarifpolitik beendet werden

Worum es dabei ging erlaumluterte der DGB am Beispiel desArbeitskampfes mit dem die IG Metall das Tabu der 40-Stund-den-Wochen brach raquoWaumlhrend dieses Arbeitskampfes haben inder Metallindustrie 55 000 Arbeitnehmer gestreikt 170 000Arbeitnehmer wurden in den umkaumlmpften Tarifgebieten ausge-sperrt Uumlber 300 000 Arbeitnehmer wurden bundesweit kaltausgesperrt Das heiszligt Von zehn Arbeitnehmern die in denArbeitskampf einbezogen waren waren neun ausgesperrt undeiner streikte Die Arbeitgeber haben durch massenhafte Aus-sperrung im umkaumlmpften Tarifgebiet bundesweit kalte Aus-sperrungen verursacht oder willkuumlrlich herbeigefuumlhrt unddiese Praxis wollen sie sich in Zukunft von den Sozialaumlmternbezahlen lassen Sie wollen mit der Existenzangst der Arbeit-nehmer und ihrer Familien Tarifpolitik machen Wenn Gesetzwird was die Arbeitgeber wollen und die Regierung vollziehtwird das Streikrecht zwar auf dem Papier erhalten bleiben aberin der Praxis bis zur Unkenntlichkeit verstuumlmmelt seinlaquo

Dennoch wurde die Aumlnderung des Paragraphen 116 AFGgegen den millionenfachen Protest der organisierten Arbeit-nehmer von der Regierung Kohl durchgepeitscht Weit groumlszliger

als ihr Respekt vor den demokratischen Grundrechten war dieRucksicht auf ihre Geldspender in den Chefetagen der Groszlig-konzerne im Falle des Grafen damals noch Flick inzwischendie maumlchtige Allianz-Versicherung die sich im Fruumlhsommer

das DDR-Versicherungswesen unter den Nagel gerissendessen Verpflichtungen in Milliardenhoumlhe aber den Steuerzah-lern uumlberlassen hat

Unter der Federfuumlhrung von Minister Dr Bluumlm wurde mitden Stimmen der schwarz-goldenen Koalition von CDUCSUund F D P der Paragraph 116 im Sinne der Konzernherren abge-aumlndert Graf Lambsdorff aumluszligerte vollste Zufriedenheit Mitden kleinen Korrekturen die den Gewerkschaften am Endenoch bewilligt worden waren raquolieszlige sich lebenlaquo meinte er ImKlartext Das raquoAnti-Gewerkschaftsgesetzlaquo wie es der dama-lige DGB-Vorsitzende Ernst Breit genannt hat entsprachdurchaus den Forderungen der Konzerne deren Bestreben dar-auf gerichtet war und ist die Gewerkschaften vor allem tarifpo-litisch handlungsunfaumlhig zu machen

Tatsaumlchlich hat die Regierung Kohl mit der von ihr durchge-fuumlhrten Aumlnderung des Streik-Paragraphen 116 AFG einen derdringendsten Wuumlnsche ihrer Geldgeber erfuumlllt der so einBDI-Festredner im Jahresruumlckblick - raquozum Vermaumlchtnis vonHanns Martin Schleyerlaquo gehoumlrte

Auch bei den Feierlichkeiten zum 10 Todestag des Kohl-Ent-deckers Dr Fritz Ries im Juli 1987 in Frankenthal an denenKanzler Kohl seinem langjaumlhrigen Foumlrderer trotz dessenSchandtaten um und in Auschwitz uneingeschraumlnktes Lobspendete und die raquovorbildliche Unternehmerpersoumlnlichkeitlaquodes verewigten Groszligraquoarisiererslaquo und Kondom-Koumlnigs prieswaren die versammelten Freunde aus Industrie und Bankweltsich darin einig daszlig die gegluumlckte Aumlnderung des AFGraquoein richtiger Schritt auf dem richtigen Wegelaquo gewesen sei

immer reicher und dieArmen immer aumlrmer werden

Wie sich der Sozialabbau bereits nach vier Jahren raquoWendelaquo-Politik ausgewirkt hatte beschrieb der SPD-SozialexperteEgon Lutz 1986 im Bundestag raquoDer Sozialabbau der Regie-rung Kohl hat zu einer neuen Armut gefuumlhrt Durch Kuumlrzun-gen von Sozialleistungen und Anhebung von Sozialversiche-rungsbeitraumlgen wurden die sozial Schwaumlcheren in groszligemUmfang belastet Mitte 1985 haben nahezu 40 Prozent (derArbeitslosen) uumlberhaupt keine Leistungen mehr aus derArbeitslosenversicherung erhalten Nur noch ein Drittel allerArbeitslosen bezog Arbeitslosengeld und zugleich sank dasdurchschnittlich gezahlte Arbeitslosengeld um annaumlhernd vierProzent obwohl die durchschnittlichen Lebenshaltungs-kosten im selben Zeitraum um Prozent gestiegen sindlaquo

Auch in der Folgezeit am Ende der achtziger Jahre besser-ten sich trotz damals noch anhaltender Hochkonjunktur undgutgefuumlllter Kassen diese katastrophalen Verhaumlltnisse um kei-nen Deut Infolge des Anstiegs der Lebenshaltungskosten ver-schlechterten sie sich noch Langzeitarbeitslosigkeit anstei-gende Uumlberschuldung vieler Familien und drastische Verknap-pung preisguumlnstigen Wohnraums lieszligen immer mehr Mittel-schichtfamilien in die Armut absinken Die Regierung Kohlbrachte den sozialen Wohnungsbau zum Erliegen und trug mitihrer Gesetzgebung kraumlftig dazu bei daszlig die Mieter in wach-sende Bedraumlngnis gerieten und die Wohnungsnot sich vergrouml-szligerte Sie erleichterte die Umwandlung preisguumlnstiger Woh-nungen in Buumlros oder unerschwinglich teure Eigentumswoh-nungen und lieszlig den Abstand zwischen Mietkosten und Haus-haltseinkommen immer kleiner werden was auch zur Folgehat daszlig sich die Sozialstruktur ganzer Stadtviertel aumlndert dieMenschen aus ihrer gewohnten Umgebung in ferne raquoSchlafstaumlt-

tenlaquo und raquoWohnsiloslaquo in Randlagen abgedraumlngt werden unddie Obdachlosigkeit dramatisch zunimmt

Ausgerechnet bei ohnehin benachteiligten Gruppen wieFrauen mit niedrigen Renten oder Schwerbehinderten setzteder im Kabinett Kohl fuumlr Arbeit und Soziales zustaumlndige Mini-ster Norbert Bluumlm den Rotstift an So wurde den Hausfrauender Invaliditaumltsschutz trotz oft jahrelanger Beitragszahlung indie Rentenversicherung einfach gestrichen

Alles was der Regierung Kohl zum Thema Armut einfalltsind dumme Spruumlche Dreist behauptete Norbert Bluumlm imBundestag raquoAltenarmut ist nicht Rentenarmut Ich bestreitedaszlig die Ursachen von Armut in der Rentenversicherung liegenArmut kann auch das Ergebnis von wenigen Beitragsjahrenvon geringem Lohn seinlaquo -was gewiszlig niemand leugnen kannnur waumlre es die Aufgabe einer sozialen Demokratie zumal ineinem so uumlberaus reichen Land wie der Bundesrepublik jenesich aus der ungerechten Entlohnung der Frauen ergebendenviel zu niedrigen Renten nicht als Resultat eines Naturgesetzeshinzunehmen sondern auszugleichen Gerade die heute imRentenalter stehenden Frauen von denen sich die meisten einJahrzehnt lang durch Kriegs- und Nachkriegsnotjahre alleindurchschlagen muszligten oft die ganze Last der Kindererzie-hung des Haushalts und der Erwerbsarbeit trugen von ihrenPfennigloumlhnen nur Mindestbeitraumlge zur Rentenversicherungleisten und niemals Nachzahlungen aufbringen konnten ver-dienten im Alter die solidarische Hilfe der westdeutschenWohlstandsgesellschaft Niemand koumlnnte die Bundesregierungdaran hindern ihre Milliardengeschenke an die Superreichenin betraumlchtliche Rentenerhoumlhungen umzuwandeln so daszligkeine und keiner die oder der sein Leben lang hart gearbeitetaber wenig verdient hat nun auch noch im Alter darben muszligES waumlre dann nicht einmal noumltig die Versicherungsbeitraumlge zuerhoumlhen Aber dazu meinte Kohls Sozialminister Dr Bluumlm

raquoWir wollen die Rente lohn- und leistungsbezogen lassenWirwollen nicht die Einheitsrente die Sockelrente Wirwollennicht die groszlige sozialistische Gulaschkanone von deren Ein-heitsbrei jeder einen Schlag bekommtlaquo

Solche Rabulistik eines Mannes der sich und seine Politikraquochristlichlaquo und raquosoziallaquo nennt laumlszligt einen schaudern Dennniemand verlangt eine raquoEinheitsrentelaquo wohl aber waumlre es drin-gend erforderlich und finanziell durchaus moumlglich - einedeutlich uumlber der Armutsgrenze liegende Mindestrente einzu-fuumlhren Und wenn man auf die Steuergeschenke an die Super-reichen durchaus nicht verzichten will genuumlgte zur Finanzie-rung auch die Vergeudungen im Ruumlstungsbereich oder beiam Ende fallengelassenen Prestigeobjekten wie derdorfer Plutonium-WAA einzuschraumlnken

Als Folge der Massenarbeitslosigkeit und des Sozialabbausist seit der raquoWendelaquo die Zahl der Sozialhilfeempfaumlnger staumlndiggestiegen in den ersten zwei Jahren um rund 500 000 aufMillionen bis Ende 1987 abermals um 500 000 auf 31 Millio-nen 1991 gab es in Westdeutschland Millionen Sozialhilfe-empfaumlnger Eine halbe Million kam kurzfristig in Ostdeutsch-land hinzu nachdem die DDR der Bundesrepublik raquobeigetre-tenlaquo war Und diese Zahlen wachsen weiter

In dem Ende 1989 veroumlffentlichten raquoArmutsberichtlaquo der Pari-taumltischen Wohlfahrtsverbaumlnde mit der Uumlberschrift raquoWessen wiruns schaumlmen muumlssen in einem reichen Landlaquo wurde daraufhingewiesen daszlig die Unternehmer-Nettoeinkommen zwi-schen 1982 und 1988 um 74 Prozent gestiegen waren in absolu-ten Zahlen um etwa 180 Milliarden DM auf MilliardenDM Demgegenuumlber betrug der Zuwachs der Netto-Lohn- undGehaltssumme nur Prozent der Anstieg in absoluten Zah-len nur Milliarden DM Der Anteil des Bruttoeinkommensaus Unternehmertaumltigkeit und Vermoumlgen am gesamten Volks-einkommen wuchs zwischen 1982 und 1988 von auf 32 Pro-zent Die Lohnquote entwickelte sich dagegen im gleichenZeitraum von auf 68 Prozent zuruumlck

Die Reichen wurden also sehr viel reicher die Armen nurzahlreicher und noch aumlrmer Etwa Millionen Bundesbuumlrge-rinnen und -buumlrger das waren zehn Prozent der Bevoumllkerungder Bundesrepublik lebten 1988 an oder unterhalb dessen wasder Bericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandes diemutsschwellelaquo nannte unterhalb derer sich Hunger men-schenunwuumlrdige Wohnverhaumlltnisse drohende Obdachlosig-

keit Mangelkrankheiten Verelendung und Hoffnungslosig-keit ausbreiten

Die Entwicklung die laumlngst vor Eingliederung der DDR indie BRD zu diesen Ergebnissen fuumlhrte ging seitdem weiterund beschleunigte sich noch Die Lohnquote in Westdeutsch-land sank 1991 auf Prozent Die abhaumlngig Beschaumlftigtenkonnten im Gegensatz zu den Unternehmern ihre realenNettoeinkommen gar nicht mehr verbessern sondern erlittenEinbuszligen Im Gesamtzeitraum von 1982 bis 1992 stiegen dieNettoloumlhne und -gehaumllter daher nur um Prozent die realenEinkommen der Unternehmer dagegen um 123 Prozent

Besonders stolz pries die Regierung Kohl in den achtzigerJahren ihr Steuersenkungsgesetz Es entlastete die Steuerzah-ler in zwei Stufen zwar um fast 20 Milliarden DM doch warendiese Entlastungen so sozial ungerecht wie irgend moumlglich ver-teilt Sie kamen in erster Linie den Beziehern hoher und houmlch-ster Einkommen zugute

Verheiratete Durchschnittsverdiener hatten eine steuerlicheErsparnis von etwa zwoumllf DM monatlich Hingegen fiel die Ent-lastung von Spitzenverdienern 50mal houmlher aus obwohl siebei Jahreseinkommen von einer Million DM und mehr nur20mal mehr Steuerlast zu tragen hatten als ein Durchschnitts-verdiener Die Erhoumlhung des Kinderfreibetrags brachte denEinkommensmillionaumlren eine etwa 22mal houmlhere Entlastungals dem Durchschnittsverdiener

Selbst die geringfuumlgigen oft schon durch die erhoumlhten Bei-traumlge zur Kranken- und Sozialversicherung ausgeglichenenoder gar ins Gegenteil verkehrten Steuererleichterungen fuumlrDurchschnittsverdiener waren eine Taumluschung da zugleich dieMehrwertsteuer angehoben wurde Diese Steuer muszlig letztlichvon der Masse der Verbraucher aufgebracht werden auf die alleanderen vom Produzenten bis zum Groszlig- und Einzelhandelsie abwaumllzen koumlnnen

Was die Mehrwertsteuererhoumlhung um einen Prozentpunktan zusaumltzlichen Einnahmen erbrachte annaumlhernd acht Milliar-den DM wurde denen die von der Einkommensteuersenkungohnehin am meisten profitierten als zusaumltzliches Steuerge-schenk zuteil Das mehrstufige Programm der Regierung Kohl

zur Senkung der Unternehmenssteuern kostete naumlmlich eben-falls acht Milliarden DM-durch massiven Abbau der Gewerbe-steuer durch Senkung der Vermoumlgenssteuer und durch

bei den AbschreibungsmoumlglichkeitenDas sind nur einige Beispiele fuumlr die steuerliche Umvertei-

lung von unten nach oben Die direkte Besteuerung der Unter-nehmensgewinne vor Kohls Amtsantritt gut 33 Prozent ver-ringerte sich bis Anfang der neunziger Jahre auf kaum mehr als20 Prozent Die Abzuumlge von den Arbeitseinkommen dagegenstiegen zwischen 1980 und 1991 von Prozent der Brutto-loumlhne und -gehaumllter auf Prozent und wurden inzwischennoch weiter angehoben

Die Unternehmerverbaumlnde und ihre regierungsamtlichenPropagandisten vom Schlage solcher Bundeswirtschaftsmini-ster wie Otto Graf Lambsdorff oder Guumlnther Rexrodt verbrei-ten unentwegt die Maumlr Deutschland sei ein viel zu teurer Indu-striestandort geworden die Unternehmer seien mit viel zuhohen Kosten belastet das muumlsse sich endlich aumlndern Sie spe-kulieren darauf daszlig jede Behauptung wenn sie sie nur oftgenug wiederholen irgendwann geglaubt wird Massenver-dummungsblaumltterwie BILD aus dem Springer-Konzern wirkendaran eifrig mit Die Wahrheit bleibt dem verraquobildlaquoeten Publi-kum verborgen den Unternehmerverbaumlnden und Ministernhingegen ist sie wohlbekannt Nachzulesen ist sie in einerUntersuchung der Deutschen Bundesbank die gewiszlig nichtim Verdacht steht dem Kapitalismus feindlich gegenuumlberzu-stehen

In einer Auswertung der Bilanzen von 18 000 Unternehmenkommt die Bundesbank zu dem Ergebnis daszlig seit Ende dersiebziger Jahr der Anteil der Ausgaben fuumlr Steuern am Umsatzder Unternehmen nicht gestiegen sondern gesunken ist undzwar um etwa ein Sechstel Der gleichen Untersuchung zufolgeist auch der Anteil der Personalkosten am Umsatz zuruumlckge-gangen Beide zusammen Personalkosten und Steuerbela-stung machten 1989 kaum mehr als 20 Prozent des Gesamtum-satzes aus und verringerten sich inzwischen weiter Das heiszligtRund 80 Prozent des Umsatzes dienen anderen Zwecken nichtzuletzt den Unternehmergewinnen

Das reale Sozialprodukt je Beschaumlftigten (Arbeitsproduktivi-taumlt) erhoumlhte sich 1980 bis 1992 um 18 Prozent je Beschaumlftigten-stunde um 27 Prozent Aufgrund von Erfindungen und Ratio-nahsierungen koumlnnen industrielle Guumlter jetzt mit geringeremArbeitsaufwand also erheblich schneller hergestellt werdenDie Gewerkschaften reagierten fruumlhzeitig darauf indem sieArbeitszeitverkuumlrzungen forderten Helmut Kohl widersetztesich Diese Forderung sei raquodumm und toumlrichtlaquo wetterte erErst in harten Kaumlmpfen gelang es den Gewerkschaften in klei-nen Schritten uumlber lange Zeitraumlume die Arbeitszeit zu verkuumlr-zen und dadurch der sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit entge-genzuwirken So kam die Erhoumlhung der Arbeitsproduktivitaumltwenigstens zu einem Teil den arbeitenden Menschen selbstzugute wofuumlr sie allerdings auch mit Lohn- und Gehaltsver-zichten zahlen muszligten Hauptnutznieszliger der Rationalisierun-gen waren und blieben die Unternehmer

Der Korrektheit halber muumlssen wir hier freilich einschraumln-ken daszlig nicht alle Unternehmer gleichermaszligen von der Politikder Regierung Kohl profitieren Den groumlszligten Nutzen haben inder Regel diejenigen die ohnehin schon die Reichsten undMaumlchtigsten sind Vor allem die Groszligbanken deren Frankfur-ter Verwaltungspalaumlste nicht zufaumlllig die houmlchsten im Landesind In den Jahren 1990 bis 1992 verbuchte die Kreditwirt-schaft einen Bilanzgewinn von mehr als 20 Milliarden DMwovon allein Milliarden auf die Groszligbanken entfielen 1993konnten die Finanzkonzerne neue Gewinnrekorde vermeldenwaumlhrend andere kleinere Unternehmen uumlber die Rezessionstoumlhnten und uumlbers Jahr mehr als 15 000 Firmen zahlungsunfauml-hig wurden Dem Volk wurden raquoSolidaritaumltsopferlaquo abverlangtdas Groszlige Geld wuchs und wucherte wie nie zuvor

1989 hatten die Groszligbanken fast fuumlnf Milliarden Mark Zins-uumlberschuszlig kassiert Das war schon ein stattliches Ergebnis1993 aber in der Krise gelang es ihnen einen Zinsuumlberschuszligvon 23 Milliarden DM einzuheimsen In der tiefsten Rezessionseit Bestehen der Bundesrepublik profitierten sie vom steigen-den Kreditbedarf des Staates der Kommunen der Gewerbe-treibenden und der Privathaushalte Waumlhrend zum Beispielvom Herbst 1992 bis Herbst 1993 die Bundesbank den Diskont-

und den Lombardsatz die Leitzinsen um Prozentpunktereduzierte senkten die Banken die Kontokurrentzinsen nurum und die Ratenkredite fuumlr Kleinkunden um Prozent-punkte dagegen die Guthabenzinsen um 25 Prozent Das ver-anlaszligte selbst die raquoWirtschaftswochelaquo vom 13 Dezember 1993zum Murren raquoDie Banken stoszligen sich an Zinssenkungengesund die Wirtschaft kommt nicht auf die Beinelaquo- eine Kritikdie indessen in zweifacher Hinsicht praumlzisiert werden muszligdenn erstens brauchten sich die Banken nicht gesundzustoszligenweil sie ohnehin vor Gesundheit strotzten und zweitens hatdie Krise zwar viele einzelne Betriebe erwischt aber raquodie Wirt-schaftlaquo im allgemeinen steht auf festen Beinen wie ein Blickauf die Boumlrsenkurse zeigt Der Deutsche Aktienindex (DAX)kletterte 1993 zum Jahresende auf 2267 Punkte Ein Jahr zuvorhatte dieser aus 30 Standardwerten errechnete Boumlrsenkurs bei1545 Punkten gestanden Das war uumlbers Jahr eine Steigerungum Prozent Die Aktionaumlre wurden zwischen Neujahr undWeihnachten fast um die Haumllfte reicher allein durch ihre andeutschen Boumlrsen getaumltigten Geschaumlfte Groszligaktionaumlre erleb-ten also eine praumlchtige Weihnachtsbescherung am Ende einesJahres in dem im vereinigten Deutschland die Arbeitslosigkeitin eine Groumlszligenordnung aumlhnlich wie in der Schluszligphase derWeimarer Republik hineinwuchs und Armut zum Massen-schicksal wurde

Der Zusammenbruch des SED-Regimes in der DDR imNovember 1989 hat Helmut Kohls ohnehin sehr hohe Selbst-einschaumltzung ins Gigantische wachsen lassen Laumlngst ist eruumlberzeugt davon daszlig nicht Michail Gorbatschow nicht dieBeispiele Polens Ungarns und der Tschechoslowakei die fried-liche Revolution im anderen Teil Deutschlands in Gang gesetztund den mutigen Maumlnnern und Frauen der demokratischenOpposition zum Sieg verholfen haben sondern daszlig er alleinvermutlich durch sein Anstimmen des Deutschlandliedes vomBalkon des Dresdner Rathauses unter Miszligachtung der Haydn-schen Melodie -Honecker verjagt und die Mauer zum Einsturzgebracht haumltte wofuumlr ihm das deutsche Volk diesseits und jen-seits von Elbe und Saale auf den Knien danken sollte Er beruftsich auf den preuszligischen Strategen Moltke der meinte raquoGluumlckhat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tuumlchtigelaquo (womitdieser freilich eingeraumlumt hat daszlig auch dem MittelmaumlszligigenErfolg winken koumlnne) Dagegen empfahl ihm die raquoSuumlddeut-sche Zeitunglaquo schon im Sommer 1990 raquoeher davon zuchen daszlig er einfach Schwein gehabt hatlaquo

Aber Einsicht und Bescheidenheit sind Helmut Kohl we-sensfremd weshalb er auch die glaumlnzende Konjunktur zu An-fang der neunziger Jahre fuumlr das Werk seiner weisen Regierunghielt desgleichen die deutsche Fuszligball-Weltmeisterschaft imSommer 1990 Im Bundestagswahlkampf im Herbst 1990 bot erdiese nationale Erfolgsserie Einheit Aufschwung WMgleichsam im Dreierpack mit dem Aufdruck raquoAlles von Kohllaquoan Die Mogelpackung sollte im nationalen Rausch durchge-hen weil raquodie Maumlnnchen drauszligen im Landlaquo (womit er aber alle

Maumlnner und Frauen meint die auszligerhalb des Kanzler-Bunga-lows leben) so vergeszliglich oder so wenig informiert sind

In Wahrheit war von den Ereignissen in der DDR im Herbstniemand so sehr uumlberrascht worden wie die Kohl-Regie-

rung die dann allerdings die sich ihr so unverhofft bietendeChance eiligst ergriff Innerhalb weniger Wochen waren diemutigen Frauen und Maumlnner die das Honecker-Regime ge-stuumlrzt hatten ruumlcksichtslos vom Platz gedraumlngt und durch einevon Bonn aus an immer kuumlrzerer Leine gehaltene Uumlbergangsre-gierung ersetzt worden Mit Versprechungen Kohls der DDRein unverzuumlgliches Wirtschaftswunder zu bescheren und ihrdurch reichen DM-Segen den Einzug ins Paradies der freienMarktwirtschaft zur reinen Lustpartie werden zu lassen wur-den die Volkskammerwahlen vom 18 Maumlrz 1990 zu einemTriumph jener Blockparteien die vierzig Jahre lang von derSED ausgehalten worden waren und nun ihr Heil bei Kohlamp Co sahen

Damit war der Weg frei fuumlr den Einzug des Groszligen Geldes indie DDR und deren eilige Vereinnahmung Aber der verspro-chene reiche und sofortige Segen blieb natuumlrlich aus Vielmehrmuszligte die Regierung Helmut Kohls so sehr sie dies auch zuvertuschen suchte zunaumlchst einmal fuumlr einen drastischen So-zialabbau sorgen denn natuumlrlich waren und sind die Herrendes Groszligen Geldes vorrangig daran interessiert Profit zumachen und dabei ist all das was sie raquoSozialklimbimlaquo zu nen-nen belieben nur hinderlich

So muszligte die Regierung Kohl jetzt eine wahre Sisyphusar-beit leisten zum einen rasch alles beseitigen was ihren Auf-traggebern laumlstig ist vom Kuumlndigungsschutz uumlber das Aussper-rungsverbot und das bezahlte Babyjahrbis zum letzten betrieb-lichen Kinderhort zum anderen ein immer schnelleres Tempoeinschlagen um Fakten zu schaffen bevor sich diejenigen diedabei auf der Strecke bleiben muszligten uumlber die unvermeidli-chen katastrophalen Folgen der hastigen Vereinnahmung klar-werden konnten

So hieszlig es denn fuumlr Helmut Kohl und seine Ministerriegeimmer neue Ausreden erfinden und Beschwichtigungen ver-breiten beispielsweise behaupten daszlig niemand im Lande zu

befuumlrchten brauche die Zeche bezahlen zu muumlssen Dabei warvon vornherein klar daszlig es gewaltige Summen kosten wuumlrdeOstdeutschland den westlichen Standards anzugleichen alsozum Beispiel das Straszligen- und das Telefonnetz auszubauenWohngebaumlude und Industrieanlagen zu modernisieren und soweiter Auszligerdem konnte sich jeder Einsichtige an fuumlnf Fin-gern abzaumlhlen daszlig sich diese Kosten vervielfachen muszligtenwenn funktionierende Strukturen einfach ruumlcksichtslos zer-schlagen wurden An fruumlhzeitigen Warnungen kompetenterWirtschaftswissenschaftler und auch des damaligen Praumlsiden-ten der Deutschen Bundesbank fehlte es nicht Doch Kohlbehauptete dreist alles lasse sich ohne Steuererhoumlhungenfinanzieren Und damit ihm Kritik nicht hinderlich werdenkonnte beschleunigte er sein Tempo

Nach dem Willen Kohls und seiner Geldgeber verwandeltensich die Laumlnder der DDR in eine Art raquoKronkolonie Ostelbienlaquoso Jens Reich als Sprecher der demokratischen Buumlrgerbewegun-gen in der damals neu gewaumlhlten Volkskammer wo sie rasch indie Opposition gedraumlngt wurden

Die Rolle der Gounverneurin durfte nach der Ermordungdes ersten Praumlsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwed-der die CDU-Politikerin Birgit Breuel uumlbernehmen KohlsVertraute gerantierte fuumlr die Anwendung fruumlhkapitalistischerMethoden der Ausbeutung des Ramsch-Einkaufs von Grundund Boden und des sozialen und kulturellen Kahlschlags

Als wessen Treuhaumlnderin betaumltigte sich Birgit Breuel Galtihre Treue etwa den Genossenschaftsbauern Den Beschaumlftig-ten der Industriebetriebe Dem Volk dem die Betriebe nomi-nell gehoumlrten Oder dem Bundesfinanzminister dem CSU-Vorsitzenden Theo Waigel dem die Treuhandanstalt unter-stellt ist

Genossenschaftsbauern wurden aumlhnlich verdraumlngt wie Indu-strie-Beschaumlftigte Das Volkseigentum wurde privatisiert undder Bundeshaushalt zog aus den Verkaumlufen keinen Gewinnsondern die Treuhandanstalt erwies sich als Weltmeisterin imSchuldenmachen In dreieinhalb Jahren vermehrte sie die Bun-desschulden um die mit keinem Hochgebirge der Welt mehr zuveranschaulichende Summe von Milliarden Mark

dem es der Regierung des Dr Kohl in Bonn schon gelungenwar die 1982 bei der raquoWendelaquo uumlbernommenen Bundesschul-den auf mehr als das Doppelte anwachsen zu lassen

Als Folge des Vernichtungswerks der raquoTreuhandanstaltlaquoliegt Ostdeutschlands Wirtschaft vier Jahre nach dem Fall derMauer am Boden etwa auf dem Niveau eines Entwicklungslan-des wie Sri Lanka Nur noch etwa drei Prozent steuerten 1992die neuen Laumlnder zur deutschen Industrieproduktion beiOhne Ruumlcksicht auf die Beduumlrfnisse der Menschen wurde alleszerschlagen was dem Groszligen Geld beim Einzug in Ost-deutschland als hinderlich oder unbrauchbar erschien und dieAnstalt belohnte diejenigen denen sie das DDR-Volkseigen-tum uumlbereignete noch mit uumlppigen Zusatzgeschenken DieKonditionen der Uumlbereignungsvertraumlge zum Beispiel Freistel-lung der Erwerber von Verpflichtungen und Risiken wurdenvon der Breuel-Anstalt in manchen Faumlllen so guumlnstig gestaltetdaszlig der Buumlndnis 90-Abgeordnete Ulrich-Karl Engel im Landtagvon Sachsen-Anhalt dafuumlr nur diese Erklaumlrung fand raquoOrgani-sierte Kriminalitaumlt beginnt im Nadelstreifenlaquo Nach alarmie-renden Feststellungen des Bundesrechnungshofes und nachEinleitung etlicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfah-ren sah schlieszliglich Ende 1993 der Bundestag Anlaszlig einen Treu-hand-Untersuchungsausschuszlig einzusetzen

Angesichts der von dieser Behoumlrde hinterlassenen Schuldendie noch kuumlnftige Generationen belasten werden wandte sichder Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Gerald Thal-heim gegen raquopolitische Legendenbildunglaquo in Bonn raquoDort wirdausschlieszliglich die sozialistische DDR-Miszligwirtschaft fuumlr die-heutige Lage verantwortlich gemachtlaquo

Gerade im raquoSuperwahljahrlaquo 1994 wird die Regierungspropa-ganda krampfhaft an dieser Legende festhalten Die Wahrheitaber ist daszlig ein groszliger Teil der Treuhand-Schulden erst nachDDR-Zeiten durch eine raquoAufbau-Politiklaquo entstand mit der vielzerstoumlrt aber wenig aufgebaut wurde

Wem so fragten wir galt die Treue der Treuhand-Praumlsiden-tin Wo ist sie verwurzelt

Birgit Breuel Kohls Statthalterin fuumlr den Osten ist Tochterund Erbin des Hamburger Bankiers Alwin Muumlnchmeyer der

jahrzehntelang Boszlig des Bankhauses Schroumlder MuumlnchmeyerCo war All seine Amter in Vorstaumlnden Aufsichtsrauml-

ten und Beiraumlten aufzuzaumlhlen fehlt hier der Platz Erwaumlhnunggebuumlhrt aber zumindest der Tatsache daszlig die deutschen Ban-kiers als es galt den Praumlsidenten des Bundesverbandes derdeutschen Banken zu waumlhlen dieses Amt Alwin Muumlnchmeyerantrugen der es jahrelang ausuumlbte An der Hamburger

ist es kein Geheimnis Der ganze Ehrgeiz von TochterBirgit war es seit eh und je diesem Vater zu beweisen daszlig sieseiner wuumlrdig sei eine nicht nur sondern 150prozentigeSachwalterin des Groszligen Geldes

Privatisierung oder raquoEntstaatlichunglaquo wie sie es gernnennt war und blieb immer das Hauptbestreben der CDU-Politikerin zuerst in der Hamburger Buumlrgerschaft dann in dervon Ernst Albrecht geleiteten niedersaumlchsischen CDUFDP-Regierung der sie zwischen 1978 und 1990 anfangs als Wirt-schafts- spaumlter als Finanzministerin angehoumlrte In vielenReden und Schriften stritt sie wacker gegen Subventionen vorallem bei der CDU-Mittelstandsvereinigung zu deren nieder-saumlchsischen Landesvorsitzenden sie sich waumlhlen lieszlig Mittel-staumlndischen Unternehmern redete sie ein es vertrage sichnicht mit den Prinzipien der Marktwirtschaft wenn sich derStaat um die Wirtschaft kuumlmmere und deswegen duumlrften sieauch unter keinen Umstaumlnden Subventionen beanspruchenGroszligunternehmen dagegen wurden unter Breuels Minister-Verantwortung in Niedersachsen reichlich mit Subventionenbedacht beispielsweise das zum Roumlchling-Konzern gehoumlrendeRuumlstungsunternehmen Rheinmetall dem sie ein groszligenteilsmit oumlffentlichen Mitteln finanziertes Zentrum zur Entwicklungneuer Kriegswaffentechniken bauen lieszlig

Bereits 1979 formulierte Birgit Breuel ein umfassendes Priva-tisierungsprogramm das wie sie verhieszlig zu einem raquoMehr anindividueller Freiheitlaquo fuumlhren werde Das Programm nannteSchlachthoumlfe und kommunale WohnraumvermittlungsstellenSportstadien und Verkehrseinrichtungen Krankentransportund Muumlllabfuhr Kuumlchen in Kliniken und Reinigungsdienstefuumlr Schulen oder fuumlr Behoumlrden -wobei es sich guumlnstig traf daszligsich der niedersaumlchsische Landesvorsitzende des CDU-Wirt-

schaftsrats Hartwig Piepenbrock mit seinem groszligen Gebaumlude-reinigungsunternehmen das dann schnell noch viel groumlszligerwurde fuumlr solche Aufgaben bereithielt meist mit stunden-weise beschaumlftigten Frauen unter schlechteren Arbeitsbedin-gungen mit niedrigeren Loumlhnen und unzureichenden Soziallei-stungen

Es gehe aber nicht allein um Kostenguumlnstigkeit erlaumlutertedie niedersaumlchsische Ministerin in ihrem Programm Die Uumlber-tragung oumlffentlicher Aufgaben auf private Traumlger koumlnne auchdann in Betracht kommen private Leistungserstellungteurer ist als die verwaltungseigenelaquo Hier muumlsse raquodas Gebotder Sparsamkeit gegen das ordnungspolitisch erstrebte Zielabgewogen werdenlaquo - und dieses Ziel hieszlig eben Privatisie-rung

Ausdruumlcklich erlaumluterte die niedersaumlchsische Ministerindaszlig manche Leistungen raquoin der Regel nicht kostendeckenderstellt werden koumlnnen (zum Beispiel Theater MuseenSchwimmbaumlder)laquo Diese Einsicht hinderte sie nicht sich auchfuumlr die Privatisierung von Theatern Museen Schwimmbaumldernwie auch von Schulen Universitaumlten und Postaumlmtern einzuset-zen raquoNotfallslaquo meinte sie in ihrem Programm muumlsse dieoumlffentliche Hand raquoZuschuumlsse gewaumlhrenlaquo

Nach Birgit Breuels Verstaumlndnis sollen sich also die Aufga-ben des Staates nicht aus allgemeinen Beduumlrfnissen herleitensondern aus den Gewinninteressen einzelner denen sie letzt-lich alles was der Allgemeinheit gehoumlrt zuschieben willraquoSelbst bei der Steuerverwaltunglaquo schrieb sie koumlnne sie sichraquoin wesentlichen Teilen eine privatwirtschaftliche Struktur vor-stellenlaquo

In Niedersachsen konnte die Bankierstochter jedoch mitihren Kampagnen gegen raquouumlberzogene Sozialstaatlichkeitlaquo undihren Tiraden gegen die Gewerkschaften (raquoVater Staat ist gefor-dert sein wachsames Auge und wenn noumltig seine strafendeHand gegen die Organisationen der Arbeitnehmer zu richtenlaquo)noch wenig ausrichten Die zur Privatisierung ausersehenenAbteilungen von Krankenhaumlusern und Stadtverwaltungenwehrten sich kraumlftig und Putzfrauen sowie Friedhofs-gaumlrtner lieszligen durch ihren Widerstand manchen Breuel-Plan

scheitern Und als die CDU-Politikerin im von ihr geleitetenWirtschaftsministerium eine Botenstelle teilen wollte unter-sagte ihr das eine Einigungsstelle unter Vorsitz des hannover-schen Landgerichtspraumlsidenten Birgit Breuels Job-sharing-Modell haumltte die Stelleninhaber mit einem halbierten Boten-Gehalt an die Sozialhilfegrenze rutschen lassen

Unmittelbar nachdem 1990 die niedersaumlchsischen Waumlhlerin-nen und Waumlhler die Regierung Albrecht abgewaumlhlt hatten fandBirgit Breuel mit dem Segen des Kanzlers und derer denen eres immer recht machen will ihre neue Verwendung als Vor-standsmitglied und bald als Praumlsidentin der TreuhandanstaltNun konnte sie sich endlich als raquoEntstaatlicherinlaquo austobenwie sie es sich in ihrem Programm von 1979 gewuumlnscht hatteEifriger Mittaumlter im Vorstand war von 1991 bis 1993 GuumlntherRexrodt (FDP) jetzt Kohls Wirtschaftsminister

Wer warum welche ehemaligen DDR-Betriebe uumlbernehmendurfte ist ein Raumltsel das wohl auch der vom Bundestag aufDraumlngen der Opposition eingesetzte Untersuchungsausschuszlighoumlchstens partiell wird loumlsen koumlnnen Nehmen wir als Beispieldie Eisen- und Huumlttenwerke in Thale wo in DDR-Zeiten fast7 000 Menschen arbeiteten Dieser Betrieb der einst zwei juumldi-schen Familien bis zu deren Verdraumlngung durch die Nazis ge-houmlrt hatte repraumlsentiert allein schon durch seine Lage aufeinem groszligen Areal inmitten der Stadt Thale einen betraumlchtli-chen Wert-ganz abgesehen von den teilweise noch in den acht-ziger Jahren mit westlichen Maschinen modernisierten Produk-tionsstaumltten

Fuumlr Sanierungsmaszlignahmen und als Liquiditaumltshilfen zahltedie Treuhandanstalt Zigmillionen Das Land Sachsen-Anhaltgab Buumlrgschaften Das Eigentum wurde ohne daszlig sich dieAnstalt lange mit Anspruumlchen der juumldischen Vorbesitzer auf-hielt einem westdeutschen raquoInvestorlaquo uumlberschrieben DieWahl der Treuhandanstalt fiel auf den durch Waumlhlerentscheidbeschaumlftigungslos gewordenen indessen nicht am Hungertuchnagenden sondern bestens versorgten ehemaligen niedersaumlch-sischen Ministerpraumlsidenten Ernst Albrecht mit dem BirgitBreuel zwoumllf Jahre lang in Hannover zusammen regiert hatteDer Preis den Dr Albrecht zahlen muszligte belief sich auf 1 (in

Worten eine) DM Da er als Kompagnon einen Bremer Rechts-anwalt mit fuumlnf Prozent beteiligte brauchte der hannoverscheCDU-Politiker der jahrelang als stellvertretender Parteivorsit-zender neben Dr Kohl dem CDU-Praumlsidium angehoumlrt hattegenau gesagt nur 95 Pfennig aufzubringen

Angeblich durch ein raquoVersehenlaquo uumlberschrieb ihm die Treu-handanstalt auch ein groszliges Suumldhang-Gelaumlnde im Harz mitBeherbergungs- und Freizeit-Einrichtungen die fruumlher denBeschaumlftigten der Eisen- und Huumlttenwerke und ihren Familien-angehoumlrigen zur Verfuumlgung gestanden hatten Das raquoVersehenlaquowurde nicht etwa korrigiert sondern Firmenchef Albrechtdurfte diese Immobilie alsbald weiterverkaufen fuumlr mehr alsvier Millionen Mark

In einem programmatischen Buch mit dem Titel raquoDer Staatlaquohatte Ernst Albrecht einst beklagt den Deutschen fehle soetwas wie es die Briten in den Kolonien gehabt haumltten und dieUS-Amerikaner im Wilden Westen Nun kann Albrecht an derprivatwirtschaftlichen Erschlieszligung des deutschen Ostens mit-wirken dank Treuhandanstalt die ihn zunaumlchst zum Auf-sichtsratsvorsitzenden der Eisen- und Huumlttenwerke Thaleberief und ihn dann zum Eigentuumlmer machte eine Entschei-dung die auch dann fragwuumlrdig wirkt wenn Albrecht glaub-haft versichert keinen persoumlnlichen Nutzen aus dem Eigen-tum zu ziehen sondern sich mit den Aufsichtsratstantiemenzu begnuumlgen Die Belegschaft in Thale schrumpfte inzwischenauf einige hundert Beschaumlftigte

Im allgemeinen sorgte die Treuhandanstalt dafuumlr daszlig die-jenigen die schon in Westdeutschland monopolartige Wirt-schaftsmacht besitzen diese auf Ostdeutschland ausdehnenkonnten So wurde die Presse Beute westdeutscher Groszligver-lage wie Springer Bauer Burda und Bertelsmann BauerBranchenerster auf dem Markt bunter Wochenblaumltter zweiein-halbfacher Vermoumlgensmilliardaumlr Hauptbeteiligter an Schmutz-Wahlkampagnen der CDUCSU hatte seit langem denWunsch gehabt auch ins Tageszeitungsgeschaumlft einzusteigenwas ihm jedoch in Westdeutschland miszliglang weil hier derMarkt aufgeteilt besetzt also gar kein freier Markt mehr istDie Treuhandanstalt erfuumlllte ihm seinen Wunsch Er erhielt die

ehemalige SED-Bezirkszeitung raquoVolksstimmelaquo in Magdeburgeine der auflagenstaumlrksten deutschen Regionalzeitungen

Westdeutsche Fuumlrsten die nach dem Zweiten Weltkriegdurch die Bodenreform ihre ostelbischen Latifundien verlorenhatten ergreifen nun nach und nach wieder Besitz einige wieder schwerreiche und erzkonservative Philipp Ernst Fuumlrst vonSchaumburg-Lippe zunaumlchst als Paumlchter der TreuhandanstaltAls Ende 1993 die Breuel-Behoumlrde erstmals ein ostdeutschesWald- und Forstgebiet privatisierte schlug sie den 828 Hektargroszligen Forst Schleiz-Langenbuch in Thuumlringen dem hessi-schen raquoInvestorlaquo Franz Alexander Fuumlrst von Isenburg zu

Im Sinne der raquoAlteigentuumlmerlaquo die freilich im Westen laumlngstauf Steuerzahlers Kosten Lastenausgleich erhalten hatten ver-fuhren die Regierung Kohl und die Treuhandanstalt nach demPrinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo- was fuumlr diejenigen dieinzwischen in der DDR gelebt und gearbeitet hatten Wegnah-me ohne Entschaumldigung bedeutet Zu den raquoAlteigentuumlmernlaquodie sich bei der Treuhandanstalt und oumlrtlichen Vermoumlgensaumlm-tern draumlngelten gehoumlrten sofort etliche raquoArisierungslaquogewinnlerler vom Typ unseres alten Bekannten Dr Fritz Ries die geradewegen der Umstaumlnde unter denen sie einst in der Nazi-Zeitjuumldischen Besitz erlangt hatten nach dem Zweiten Weltkrieg inOstdeutschland enteignet worden waren Die Klaumlrung vonEigentumsanspruumlchen erwies sich oft als sehr muumlhsam Anungeklaumlrten Vermoumlgensfragen gingen inzwischen viele tausen-de Industrie- Handwerks- und Agrarbetriebe zugrunde Beam-te des Bundesfinanzministeriums entwickelten ein Konzeptwonach Alteigentuumlmer denen ein unerwarteter Gluumlcksfall derGeschichte laumlngst verlorengeglaubte ostelbische Besitztuumlmerbeschert verpflichtet werden sollten eine Vermoumlgensabgabezu zahlen und damit das fuumlr die Entschaumldigung anderereigentuumlmerbenoumltigte Geld aufzubringen Aber die Bonner Re-gierung entschied anders naumlmlich so wie sie es im Dienste desGroszligen Geldes als ihre Aufgabe ansieht Die Vermoumlgendenbrauchen keine Abgabe zu entrichten Fuumlr Entschaumldigungenmuumlssen die Steuerzahler aufkommen -jedoch erst vom Jahre2004 an Die Regierung Kohl plant die weitere Umverteilungvon unten nach oben schon bis ins naumlchste Jahrhundert voraus

In vielen Faumlllen waren westdeutsche Konzerne nur deswe-gen an der Uumlbernahme ostdeutscher Betriebe interessiert weilsie Konkurrenz ausschalten wollten Bekanntestes Beispiel istdie Kaligrube Bischofferode Das von den uumlber 700 Bischoffe-roumlder Bergleuten gefoumlrderte besonders hochwertige Kalisalzwar international nachgefragt bis zur Schlieszligung der GrubeEnde 1993 muszligten Uumlberstunden geleistet werden Ein Kauf-interessent stand bereit der sich gute Gewinne ausrechnenkonnte Doch der Ludwigshafener Chemie-Riese BASF beidem einst der Nachwuchspolitiker Helmut Kohl als Praktikanterste Erfahrungen hatte sammeln duumlrfen setzte sich mit sei-nem Interesse an einem gesamtdeutschen Kali-Monopol durch

Wirtschaftlich gestaltete sich die Eingliederung Ostdeutsch-lands in die Bundesrepublik wofuumlr sich Dr Kohl so gern alsEinheitskanzler feiern laumlszligt im wesentlichen als Eroberung desMarktes und Ausschaltung potentieller Konkurrenz in denneuen Bundeslaumlndern Statt Sanierung ruumlckstaumlndiger Teile derDDR-Wirtschaft Vernichtung von drei Vierteln des dortigenIndustriepotentials preisguumlnstige Aneignung interessanterProduktionskapazitaumlten und Immobilien Privatisierung vonProfiten Verstaatlichung von Verlusten alles zuverlaumlssig prak-tiziert durch die Treuhandanstalt

Die verheiszligenen Investitionen im Osten blieben in allerRegel aus Das lag nicht etwa daran daszlig es in Westdeutschlandan Kapital gefehlt haumltte das in den raquoNeuen Laumlndernlaquo haumltteinvestiert werden koumlnnen Wie wir schon gesehen haben hattesich das Groszlige Geld in den achtziger Jahren gewaltig vermehrtund Anfang der neunziger Jahre machte es noch groumlszligereGewinnspruumlnge Weil Jahr fuumlr Jahr viel mehr eingenommen alsinvestiert wurde staute sich Liquiditaumlt in einem fruumlher unbe-kannten Ausmaszlig raquoDas Liquiditaumltspolster der westdeutschenProduktionsunternehmenlaquo schrieb im Mai 1991 die DeutscheBundesbank sei reichlich bisher noch nie gewesenlaquo Aberdie westdeutschen Konzerne hatten wenig Interesse im Ostenneue Betriebe zu errichten

Ende 1993 legte der Paritaumltische Wohlfahrtsverband gemein-sam mit dem DGB erneut einen raquoArmutsbericht vorlaquo worin ervor allem die Lage in Ostdeutschland untersucht Zur Treu-

handpolitik heiszligt es dort raquoGroszlige Bedeutung fuumlr die Wirt-schafts- und Beschaumlftigungsentwicklung in den neuen Bundes-laumlndern hatte die Politik der Treuhandanstalt ihr kam nachdem Treuhandgesetz primaumlr die Aufgabe zu das volkseigeneVermoumlgen der ehemaligen DDR zu privatisieren und zu ver-werten nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft Diebestehenden Unternehmen sollten so rasch als moumlglich zer-schlagen und in Privateigentum uumlberfuumlhrt werdenlaquo Dagegensei es raquoweder urspruumlngliches Ziel noch bisherige Praxis derTreuhandlaquo gewesen Betriebe raquomit der Zielsetzung einer Erhal-tung von Produktions- und Beschaumlftigungsstandortenlaquo zusanieren Deswegen sei raquoein Groszligteil der zum Zeitpunkt derMaueroumlffnung vorhandenen Arbeitsplaumltze inzwischen verlo-rengegangenlaquo Ergebnis raquoAuf jeweils zwei Beschaumlftigtekommt derzeit in Ostdeutschland ein Erwerbsloserlaquo

1990 im Jahre des raquoBeitrittslaquo der DDR zur BundesrepublikDeutschland hatte die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland

Prozent betragen zwei Jahre spaumlter war sie bereits aufProzent gestiegen in den Bevoumllkerungsgruppen der Alleiner-ziehenden und der bis 64jaumlhrigen sogar schon auf 25 Pro-zent Die Zerschlagung von Betrieben betrifft in besonderemMaszlige auch die Jugendlichen die sich um Ausbildungsplaumltzebewerben 1992 fanden von den im Osten als Bewerber regi-strierten Jungen und Maumldchen nur Prozent einen betriebli-chen Ausbildungsplatz teilweise im Westen Das Defizit ver-groumlszligerte sich 1993 dadurch daszlig sich staatliche Subventionenfuumlr auszligerbetriebliche Ausbildungsplaumltze verringerten

Alleinerziehende gab es in der ehemaligen DDR deutlichmehr als in Westdeutschland Prozent aller Familienhaus-halte Die Untersuchung des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandsfuumlhrt das zuruumlck raquoauf zahlreiche soziale Erleichterungen undVerguumlnstigungen sowie die Tatsache daszlig Alleinerziehende inihrem Status gesellschaftlich akzeptiert warenlaquo- was sich inzwi-schen gruumlndlich geaumlndert hat raquoIm Zuge Vereinigunghaben sich die Rahmenbedingungen fuumlr Allemerziehende imOsten deutlich verschlechtert und das Risiko der gesellschaftli-chen Ausgrenzung und Verarmung dieser Gruppe hat sichebenso deutlich erhoumlhtlaquo

Um zu illustrieren wie tief Kohls Einheitspolitik gerade dieMuumltter in den neuen Laumlndern hat stuumlrzen lassen erinnert derParitaumltische Wohlfahrtsverband in seinem Bericht an die Lei-stungen auf die sie in der DDR Anspruch hatten raquoSo erhieltenMuumltter von zwei und mehr Kindern sowie Alleinerziehendeeinen zusaumltzlich bezahlten Hausarbeitstag pro Monat DerAnspruch auf einen Schwangerschaftsurlaub betrug sechsWochen vor und 20 Wochen nach der Geburt mit einem Ein-kommen in Houmlhe des Nettoverdienstes Daneben konnte nachGeburt des ersten Kindes ein Babyjahr in Form bezahltenUrlaubs bei einer Unterstuumltzung zwischen 65 und 90 Prozentdes Nettoeinkommens genommen werden nach Geburt desdritten Kindes und der folgenden Kinder sogar eineinhalbJahre und bis zu drei Jahren wenn das Kind nicht versorgt wer-den konnte oder krank war Unabhaumlngig von einer Freistellungwurde den Frauen pro Kind ein Jahr bei der Rentenversiche-rung angerechnet ab dem dritten Kind erhoumlhte sich dieZurechnungszeit auf drei Jahre pro Kind Fuumlr die Betreuungkranker Kinder waren je nach Familienstand und Kinderzahlvier bis maximal dreizehn Wochen bezahlter Freistellungs-urlaub pro Jahr moumlglich Zur finanziellen Entlastung von Fami-lien und alleinstehenden Muumlttern trugen weitere Leistungenbei wie ein im Vergleich zur BRD deutlich houmlheres KindergeldUnterhalts- und Ausbildungsbeihilfen und eine Geburtenbei-hilfe in Houmlhe von 1000 Mark Studierende Muumltter hatten An-spruch auf umfassende Unterstuumltzung unter anderem bei derWohnraumversorgung und Kinderbetreuung VertreterInnenvon Familienverbaumlnden gehen davon aus daszlig in der DDR 75bis 80 Prozent aller Kosten die ein Kind von der Geburt biszum 18 Lebensjahr verursacht von Staat und Gesellschaftgetragen wurden gegenuumlber maximal einem Viertel in derBRD Gleichzeitig stand ein umfassendes hochsubventionier-tes und damit fuumlr die Mutter kostenloses Angebot staatlicherKinderbetreuung bei taumlglichen Oumlffnungszeiten zwischen neunund zwoumllf Stunden zur Verfuumlgung das bereits in der zehntenLebenswoche ansetzte und je nach Alter zwischen 81 und 94Prozent der Kinder erfaszligte laquo Hinzu kamen noch ein speziel-

ler Kuumlndigungsschutz fuumlr Alleinerziehende und manche weite-ren Verguumlnstigungen

Obwohl Dr Kohl und sein Sozialminister Dr Bluumlm immerdas Wort raquoFamilielaquo im Munde fuumlhren hatten sie fuumlr sol-

che Errungenschaften nichts uumlbrig und sorgten fuumlr deren Besei-tigung

Von den Ende 1989 in der DDR ausgewiesenen 340 000alleinerziehenden Muumlttern war schon Ende 1991 jede sechsteohne Erwerbsarbeit Das fruumlher in der DDR unbekannteDilemma sich zwischen Beruf und Kind entscheiden zu muumls-sen und die nun rasch angestiegenen Kosten von Mutterschaftund Kinderbetreuung fuumlhrten laut Armutsbericht zu einer ein-deutigen Reaktion raquoFrauen entscheiden sich mit zunehmen-der Tendenz gegen Kinder Die Geburtenrate sank zwischen1989 und 1991 um die Haumllfte Sterilisationen stiegen sprunghaftan ihr Nachweis stellt im Kampf um die raren Arbeitsplaumltzeoffensichtlich einen Konkurrenzvorteil darlaquo Wie vertraumlgt sichdas mit den staumlndigen Bekenntnissen der CDUCSU zumSchutz der Familien mit ihren wuumltenden Attacken gegen dieunter Willy Brandts Kanzlerschaft eingefuumlhrte Liberalisierungdes $218 (Schwangerschaftsabbruch) Die Antwort ist einfachFuumlr die Unionschristen endet die Fuumlrsorgepflicht des Staatesan der Kasse und Unternehmerinteressen haben stets Vorrangvor denen der Lohnabhaumlngigen

Wegen der unzureichenden Foumlrderung von Familien mitKindern steigt in Deutschland die Kinderarmut steil an Der

weist fuumlr 1992 fuumlr Westdeutschland den Anteilder in Armut lebenden Kinder unter 16 Jahren mit Prozentin Ostdeutschland mit Prozent aus Als raquowohnraumunter-versorgtlaquo registriert er Prozent aller westdeutschen und391 Prozent aller ostdeutschen Kinder und Jugendlichen undresuumlmiert raquoKindheit insbesonder in groumlszligeren Familien istin beiden Teilen der Bundesrepublik mit einemauszligerordentli-chen Armutsrisiko verknuumlpftlaquo Jedesmal wenn Kohl und Bluumlmmit reichlich Spucke das Wort raquoFamilljelaquo uumlber die Lippen brin-gen sollen wir ihnen diese Feststellung entgegenhalten

raquoDie Chance im Zuge der Sozialunion eine umfassende So-zialreform einzuleiten um die jeweiligen Staumlrken der beiden

Systeme sozialer Sicherung zu erhalten und die vorhandenenDefizite zugunsten eines umfassenderen und houmlheren Siche-rungsniveaus zu korrigieren ist aus politischen Gruumlnden nichtgenutzt wordenlaquo beklagt der Armutsbericht Und er zaumlhlt vie-les auf was in Ostdeutschland guumlnstiger geregelt war als inWestdeutschland Armut in dem Sinne daszlig arm ist wer weni-ger als die Haumlfte des Durchschnittseinkommens erhaumllt habe esin der DDR wegen der gleichmaumlszligigen Verteilung der Einkom-men auf niedrigem Niveau nicht gegeben zumal die Guumlter desGrundbedarfs stark subventioniert waren In DDR-Zeitenhabe man zwar verdeckte Wohnungsnot gekannt aber keineoffene Obdachlosigkeit Nur neun Prozent der Erwerbstaumltigenin der DDR haumltten keinen Ausbildungsabschluszlig gehabt (gegen-uumlber 19 Prozent in Westdeutschland) raquoBehinderte Menschenwaren in der DDR uumlber verschiedene Schutzvorschriftenwesentlich staumlrker in das Alltagsleben integriert als es dieBestimmungen des bundesdeutschen Schwerbehindertenge-setzes verlangen Die deutsche Einigung ging fuumlr behinderteMenschen mit einer schlagartigen Ausgrenzung aus demArbeitsleben Hinzu kaumlmen jetzt soziale Diskriminie-rungen und eine raquoeklatante Verschlechterunglaquo im Rentenrechtder Behinderten

Pflegebeduumlrftige hatten in der DDR einen individuellenAnspruch auf Pflegegeld den sie durch die Vereinigung verlo-ren Pflegeheimaufenthalt und medizinische Betreuung warengratis Jetzt muumlssen die Pflegebeduumlrftigen selbst zahlen DerWeg ins Heim ist fuumlr die meisten ein Weg in die Sozialhilfe Dasbedeutet auch daszlig Angehoumlrige finanziell herangezogen wer-den -raquoein gravierender Bruch fuumlr ostdeutsche Pflegebeduumlrftigeund ihre Angehoumlrigen nach uumlber 40 Jahren prinzipiellerKostenfreiheit im Gesundheitssystemlaquo Was Pflegebeduumlrfti-gen nach der Waumlhrungsunion auf ihren Sparbuumlchern verblie-ben war wurde ihnen von den Sozialhilfe-Behoumlrden bis aufeinen Restbetrag genommen Weitgehend zerschlagen wurdendie Strukturen der raquoVolkssolidaritaumltlaquo einer in der DDR staat-lich gefoumlrderten Organisation die mit 6 500 Gemeindeschwe-stern vielen weiteren hauptamtlichen und rund 200 000 ehren-amtlichen Kraumlften vor allem fuumlr die ambulante Betreuung von

Pflegebeduumlrftigen zustaumlndig war und zum Beispiel fuumlr symboli-sche 50 Pfennig am Tag denjenigen Essen brachte die nichtselbst kochen konnten Wegen Auslaufens von Arbeitsbeschaf-fungsmaszlignahmen sind jetzt auch die rund 1000 Altenklubs inOstdeutschland in ihrem Bestand gefaumlhrdet

Viel schneller als die Angleichung der Einkommen (1992betrug das durchschnittliche Einkommen pro Person in einemOst-Haushalt Prozent im Verhaumlltnis zum Westen) vollzogsich die Angleichung der Mietpreise Allein im Jahre 1991 stie-gen die Mieten im Osten um das 35- bis Vierfache Inzwischensetzte sich der Anstieg fort einzig aus Spekulationsgruumlndennicht etwa zum Ausgleich fuumlr Modernisierungsmaszlignahmendie bisher meist unterblieben Wegen auflaufender Mietschul-den kommt es zu vielen Raumlumungsklagen So waren allein inMagdeburg Anfang 1993 rund 1900 Raumlumungsklagen anhaumln-gig Obdachlosigkeit entsteht laut Armutsbericht vielfach auchdurch rabiate Methoden alter oder neuer Hausbesitzer diebestrebt sind Wohnungen zu raquoentmietenlaquo Notwendige Ver-besserungen des Wohnungsbestands scheiterten bisher aucham Prinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo in etwa einer Mil-lion Faumllle waren 1993 die Besitzverhaumlltnisse noch nicht geklaumlrtdie uumlberforderten Gerichte und Behoumlrden werden damit wohlnoch Jahre beschaumlftigt sein

Als psychosoziale Folgen dieser Entwicklung nennt derArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB Wachsende Verunsicherung Empfindung von Nichtge-brauchtsein und Leere Gefuumlhle des Ausgeliefertseins und dereigenen Ohnmacht sich ausdehnende Hoffnungslosigkeit undSinnlosigkeit sich verfestigende seelische Probleme (Schlaf-stoumlrungen) Ruumlckzug ins Private und zunehmende politischeUninteressiertheit Empfinden eines grundlegenden Statusver-lustes sich einstellende Inaktivitaumlt und zunehmende Neigungzum Alkoholkonsum Auffaumlllig seien zudem verstaumlrkt auftre-tende Gesundheitsstoumlrungen als Reaktion auf soziale und kul-turelle Ausgrenzung (Auch Kinokarten verteuerten sich raschum 700 Prozent und wurden fuumlr viele unerschwinglich)

Das Versprechen des Kanzlers Dr Kohl daszlig es niemandemschlechter gehen werde erwies sich bald nach der von ihm

gewonnenen Bundestagswahl vom Dezember 1990 als hohlUm so groumlszliger waren die Hoffnungen nach einer Uumlbergangs-zeit von allenfalls drei oder vier Jahren werde es allen Ostdeut-schen besser gehen Doch auch diese Hoffnung erfuumlllte sichnicht Im Gegenteil Fuumlr betraumlchtliche Teile der Bevoumllkerung istein Ende der Abwaumlrtsentwicklung nicht absehbar Im Armuts-bericht von Ende 1993 heiszligt es dazu raquoIn einer Vielzahl vonLebensbereichen droht die Versorgung in den neuen Bundes-laumlndern weit hinter den im Westen der Republik vorhandenenStandards zuruumlckzubleiben Dies gilt vorrangig fuumlr die Versor-gung im Arbeitsmarkt- und Beschaumlftigungssystem Dies giltjedoch auch fuumlr die Versorgung mit Bildungsguumltern mit Woh-nungen und mit Sozial- und GesundheitsdienstleistungenlaquoKommunale Kostentraumlger seien raquoaufgrund ihrer prekaumlrenHaushaltssituation kaum in der Lage die laufenden Kosten fuumlrdie soziale Infrastruktur vor Ort zu bestreitenlaquo Die Autorendes Armutsberichts zitieren Prognosen wonach eine Anglei-chung der Lebensverhaumlltnisse zwischen Ost und West nocheinen Zeitraum von raquomindestens zehn Jahrenlaquo erfordern wirdSie selbst halten es fuumlr raquooffen ob eine solche Angleichung tat-saumlchlich stattfinden oder ob das Beitrittsgebiet nicht vielleichtuumlber einen laumlngeren Zeitraum eine Armutsregion im vereintenDeutschland bleiben wirdlaquo

Halten wir fest Als sich Buumlrgerinnen und Buumlrger der DDRlange entbehrte Freiheiten erkaumlmpften als das SED-Regimezusammenbrach als das uumlble Spitzelsystem des Staatssicher-heitsdienstes beseitigt wurde da handelten die Ostdeutschensouveraumln und der westdeutsche Kanzler hatte auszliger Spruumlchenwenig beizutragen Die Einheit aber inszenierte er dann -nichtohne ostdeutsche Helfer namentlich den Staatssekretaumlr Guumln-ther Krause der spaumlter zur Belohnung zeitweilig Bundesver-kehrsminister sein durfte als groszligen Volksbetrug Betrogenund gedemuumltigt stehen jetzt nicht nur Millionen Ostdeutscheda sondern fuumlr materielle und politische Kosten muumlssen mehrund mehr auch die Westdeutschen aufkommen nicht die Rei-chen die noch viel reicher wurden sondern die Armen Wasder raquoEinheitskanzlerlaquo angerichtet hat ist die tiefe sozialeSpaltung Deutschlands

Mit den raquoSolidarpaktlaquo-Beschluumlssen von 1993 deren Inhaltso zynisch ist wie der Name und mit den raquoSpar- und Konsoli-dierungsbeschluumlssenlaquo fuumlr 1994 wurde zu Lasten der Armen inganz Deutschland tief in die Leistungen des Arbeitsfoumlrderungs-und des Sozialhilfegesetzes eingegriffen Kuumlrzungen des Ar-beitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe des Kurzarbeiter-und des Schlechtwettergeldes Verteuerungen fuumlr die Krankenund andere Zumutungen treiben wie der Praumlsident des Verban-des der Kriegs- und Wehrdienstopfer Behinderten und Sozial-rentner Deutschlands (VdK) Walter Hirrlinger feststellte er-neut raquohunderttausende Menschen und deren Familien in dieArmutlaquo diese Maszlignahmen seien deshalb raquosozial unverant-wortlichlaquo Der Deutsche Kinderschutzbund wies zu Jahres-beginn 1994 darauf hin daszlig in Deutschland inzwischen schoneine halbe Million Kinder in Obdachlosen-Unterkuumlnften lebenDas Resuumlmee im Armutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrts-verbands und des DGB lautet Die von der Regierung Kohlfavorisierte wirtschaftsliberale Strategie der Lastenverteilungbedeute raquodaszlig die Lasten allein von den Arbeitnehmern undSozialleistungsempfaumlngern uumlbernommen werden muumlssenlaquoNach einem Jahrzehnt der Umverteilung zu Lasten der sozialSchwaumlchsten nehme die Zahl der Armen im Westen unveraumln-dert zu und die derzeitige Wirtschafts- und Sozialpolitik lauferaquodarauf hinaus daszlig heute und in den kommenden Jahren dieLasten der Vereinigung vorrangig zwischen den Armen imWesten und im Osten geteilt werdenlaquo Daher sei es raquokaumverwunderlich daszlig die Politikverdrossenheit in der Bevoumllke-rung zunimmtlaquo Obwohl raquodas neue Gesamtdeutschland einesder reichsten Laumlnder der Erdelaquo sei koumlnne diese Politik zurFolge haben raquodaszlig die soziale und politische Stabilitaumlt derBundesrepublik in den neunziger Jahren ernsthaft gefaumlhrdetwirdlaquo

Das Groszlige Geld aber wurde bestens bedient Es konnte sichin Ostdeutschland alles und jedes aneignen was ihm brauch-bar erschien es konnte die dortigen Absatzmaumlrkte in Besitznehmen es konnte seine Gewinne sprunghaft steigern und inengem Zusammenwirken mit der Regierung des Dr HelmutKohl konnte es die wachsende Veraumlngstigung vieler Menschen

auch noch zum Abbau zahlreicher in fruumlheren Jahrzehntenmuumlhsam erkaumlmpfter Arbeitnehmer- und Buumlrgerrechte nutzen

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gelang esden Metall-Industriellen einen geltenden Tarifvertrag auszu-hebeln Mit raquoOumlffnungsklauselnlaquo soll das gesamte Tarifrechtzum Einsturz gebracht die Gewerkschaftsbewegung entmach-tet werden Mit sogenannten raquoBeschleunigungs-laquochungs-laquo und raquoEntlastungsgesetzenlaquo schraumlnkte die von Kohlgefuumlhrte Bonner Koalition wesentliche Mitspracherechte derBuumlrgerinnen und Buumlrger ein so daszlig jetzt uumlber die Koumlpfe vonBetroffenen hinweg aumluszligerst zweifelhafte umweltgefaumlhrdendeGroszligprojekte beispielsweise in der Gentechnik verwirklichtwerden koumlnnen Zur Begruumlndung muumlssen immer wieder dieraquodeutsche oder der raquoStandort Deutschlandlaquo herhaltenDas raquoStandortsicherungsgesetzlaquo und weitere angeblich ausnationalen Interessen notwendige Beschluumlsse tun ein uumlbrigesum die Reichen und Superreichen im Lande von sozial- undrechtsstaatlichen Fesseln zu befreien

Der Verantwortung fuumlr die Folgen dieser Politik entledigtsich der Bund aufs vornehmste indem er sie an die Kommunendelegiert Deren Sache ist es dann fuumlr die explodierende Zahlvon Sozialhilfe-Abhaumlngigen zu sorgen In finanzieller Bedraumlng-nis unter zunehmendem Schuldendruck schlieszligen die Kommu-nen jetzt Theater Buumlchereien und Schwimmbaumlder erhoumlhenKindergarten-Beitraumlge der Eltern ins Unbezahlbare oder fuumlh-ren Gebuumlhren fuumlrs Betreten von Parkanlagen ein Was kuumlm-mertrsquos die Reichen Sie haben private Schwimmbaumlder und koumln-nen rasch nach Mailand oder Monte Carlo fliegen um dort indie Oper zu gehen

raquoDiese neue Regierung ist notwendig geworden weil sich diealte die bisherige Regierung als unfaumlhig erwies gemeinsamdie Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen das Netz sozialer Sicherheitzu gewaumlhrleisten und die zerruumltteten Staatsfinanzen wieder inOrdnung zu bringenlaquo So begruumlndete Dr Helmut Kohl nach-dem er durch den Wortbruch der FDP Kanzler geworden wardie damalige raquoWendelaquo Mehr als ein Jahrzehnt spaumlter ist dieMassenarbeitslosigkeit zur Dauerplage geworden die sichimmer weiter ausbreitet In das Netz sozialer Sicherheit hat dieRegierung des Groszligen Geldes ein Loch nach dem anderengerissen so daszlig mehr und mehr Menschen hindurchfallenUnd die Staatsfinanzen sind so zerruumlttet daszlig noch Generatio-nen zu schuften haben werden um den gigantischen Schulden-berg abzutragen

Daszlig eine neue Regierung notwendig geworden ist wirdjetzt auch in Kreisen der Wirtschaft eroumlrtert und zwar imZusammenhang mit den Folgen der Rezession die 199293viele mittelstaumlndische Unternehmen in rote Zahlen oder ganzin den Ruin gestuumlrzt hat

Die Krise gehoumlrt zum Kapitalismus wie die KonjunkturBeide loumlsen sich regelmaumlszligig ab In der Rezession macht dasGroszlige Geld jedesmal reiche Beute denn was die kleinen undmittleren Unternehmer aufgeben muumlssen krallen sich die gro-szligen Die jeweilige Regierung ist an der Tatsache zyklischer Kri-sen unschuldig Insofern muumlssen wir ausdruumlcklich auch dieRegierung des Dr Helmut Kohl in Schutz nehmen Dochdamit sich der Zorn des Mittelstandes nicht etwa gegen dasGroszlige Geld richtet muszlig in Krisenzeiten die jeweilige Regie-rung als Suumlndenbock herhalten Daher droht Kohl jetzt auchGefahr aus den Kreisen denen er immer treu gedient hat

In der ersten schweren Wirtschaftskrise der Bundesrepublikmuszligte der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard

abtreten in der sogenannten raquoOumllkriselaquo Willy Brandtfuumlr die Krise wurde Helmut Schmidt verantwortlichgemacht Ist jetzt infolge der vierten Wirtschaftskrise seitGruumlndung der Bundesrepublik Helmut Kohl an der ReiheNotfalls werden seine Auftraggeber ihn fallenlassen Abernicht deswegen weil sie mit seiner Politik nicht mehr einver-standen waumlren im Gegenteil Fuumlr sie ist die Hauptsache daszligKohls Politik weitergefuumlhrt wird notfalls auch ohne Kohl

Die Opfer dieser Politik hingegen haumltten davon nur weiterenSchaden In ihrem Interesse kommt es also hauptsaumlchlich dar-auf an daszlig in Bonn endlich eine grundlegend andere Politikeingeleitet wird eine Politik die auf soziale Gerechtigkeit ori-entiert ist auf mehr Demokratie auf Schutz der Menschen-rechte und Schutz der natuumlrlichen Lebensgrundlagen

Mit einem bloszligen Austausch des Personals in Bonn ist esnicht getan Er ist ohnehin laumlngst im Gange Immer schnellerdreht sich das Personalkarussell Insgesamt 20 Minister sindseit 1982 aus den von Helmut Kohl gefuumlhrten Bundeskabinet-ten vorzeitig ausgeschieden Anfangs geschah das selten inzwi-schen immer haumlufiger 1992 traten vier Minister zuruumlck 1993fuumlnf darunter Juumlrgen Moumlllemann (FDP) nach seiner Brief-bogenaffaumlre und Guumlnther Krause (CDU) nach seinen diversenAutobahnbau- Raststaumlttenkonzessions- Umzugs- und Putz-frauenaffaumlren

Auch in den unionsgefuumlhrten Laumlnderregierungen in West-deutschland sind es noch zwei in Ostdeutschland (Berlin ein-geschlossen) fuumlnf - broumlckelt es Bayerns Ministerpraumlsident MaxStreibl (CSU) stolperte uumlber die Amigo-Affaumlre In Baden-Wuumlrt-temberg muszligte Lothar Spaumlth unter dem Verdacht der Bestech-lichkeit abtreten und sein Nachfolger muszligte weil die FDPbei der Landtagswahl durchfiel mit der SPD koalieren Spaumlthwurde dann zum Trost aumlhnlich wie sein abgewaumlhlter nieder-saumlchsischer Amtskollege Ernst Albrecht von der Treuhandan-stalt mit dem Aufsichtsratsvorsitz eines fruumlher volkseigenenUnternehmens betraut In Sachsen konnte sich der Schwieger-sohn von Konsul Dr Fritz Ries Prof Dr Kurt Biedenkopf als

Ministerpraumlsident fest etablieren Aber in Thuumlringen Mecklen-burg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sah sich die CDUschon nach kurzer Zeit zur Auswechslung der von ihr gestelltenRegierungschefs gezwungen in Sachsen-Anhalt inzwischensogar zweimal Beim zweiten Male muszligte gleich das ganzeKabinett umgebildet werden Mehrere westdeutsche CDU-und FDP-Politiker die in Magdeburg als Minister eingesetztworden waren um die raquoOssislaquo fachmaumlnnisch in demokratischeRechtsstaatlichkeit einzuuumlben hatten zusaumltzlich zu ihrenziellen Amtsbezuumlgen raquoBesitzstandswahrunglaquo beansprucht undzu diesem Zweck unter anderem fruumlhere EisenbahnfreikartenTagegelder Aufsichtsratstantiemen Vortragshonorare steuer-freie Kostenpauschalen oder den Geldwert der Gratisbenut-zung eines Dienstwagens anrechnen lassen So hatte sich zumBeispiel der fruumlhere Fachhochschullehrer und Europaparla-mentarier Werner Muumlnch aus dem niedersaumlchsischen Vechtazum Spitzenverdiener hochgerechnet so dreist daszlig er sichals der Landesrechnungshof nachzurechnen begann nichtmehr im Amt halten konnte Eine Schluumlsselrolle in der Zula-gen-Affaumlre spielte der Staatssekretaumlr im Magdeburger Finanz-ministerium Eberhard Schmiege den Muumlnch dort eingesetzthatte Bis 1990 hatte Schmiege unter Ministerin Birgit Breueldie Haushaltsabteilung des niedersaumlchsischen Finanzministeri-ums geleitet Kaum waren diverse Minister ausgewechseltabtreten muszligte zum Beispiel Sozialminister Werner SchreiberBundesvorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse der an sichselbst besonders sozial gedacht hatte - da stellte sich herausdaszlig auch Schmiege und die anderen dreizehn Staatssekretaumlrestattliche raquoAmtszulagenlaquo kassiert hatten

Solche Affaumlren lieszligen sich propagandistisch allzu schlechtmit Bescheidenheits- Spar- Opfer- und Solidaritaumltsappellender raquoWendelaquo-Koalition an die Bevoumllkerung vereinbaren Aucharglose gutglaumlubige bisherige CDU-Waumlhlerinnen und -Waumlhlerschaumlrften inzwischen ihr Gehoumlr fuumlr die zynischen Untertoumlne inKohl-Reden Beispiel die Rede des Kanzlers am 21 Oktober1993 im Bundestag die nur als Verhoumlhnung der Opfer seinerPolitik der nunmehr (ohne statistische Tricks gerechneten)mehr als fuumlnf Millionen Arbeitslosen verstanden werden

konnte raquoWir koumlnnen die Zukunft nicht dadurch sichern daszligwir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisie-renlaquo toumlnte Dr Kohl Zugleich propagierte der Chef derraquoWendelaquo-Koalition die Ruumlckkehr zur 40-Stunden-Woche unddie Abschaffung von zwei Feiertagen Beides zusammenge-nommen wuumlrde die Arbeitslosenzahl in Deutschland noch-mals um nahezu eine Million hochschnellen lassen

Der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes hat zur Genuumlgegezeigt wie man einen Staat ruiniert Er ist reif zur Abloumlsungdie aber schwerlich gelingen kann wenn viele Waumlhlerinnenund Waumlhler verbittert zu Hause bleiben und besonders gefaumlhr-lich wuumlrde es wenn sie ihr Heil rechtsauszligen suchen wuumlrdenNotwendig ist jetzt eine selbstbewuszligte Antwort des betroge-nen Volkes

Um es zu einem solchen demokratischen Urteil nicht kom-men zu lassen versuchen die Bonner Regierenden und ihreHintermaumlnner mit Hilfe ihres Propaganda-Apparats die Waumlh-lerinnen und Waumlhler irrezufuumlhren und einzuschuumlchtern Ex-perten dafuumlr sind der CDUCSU-Fraktionsvorsitzende imBundestag Wolfgang Schaumluble Innenminister Manfred Kan-ther Finanzminister Theo Waigel und ihre Verbuumlndeten in derSpringer-Presse Nach der Methode raquoHaltet den wollensie Angst und Zorn die sich in der Bevoumllkerung angestauthaben ausgerechnet auf diejenigen Menschen lenken dieschon ganz unten gelandet sind auf die Opfer denen es amschlechtesten geht auf die Sozialhilfeempfaumlnger die pauschalverdaumlchtigt werden Sozialleistungen zu miszligbrauchen auf diemit ihrer duumlrftigen Habe in Haumlusernischen kampierendenObdachlosen denen vorgeworfen wird sie stoumlrten das Stadt-bild auf Ausgegrenzte die im Alkohol letzte Zuflucht suchenoder auf Auslaumlnder Beispiel die generalstabsmaumlszligig geplanteKampagne des zeitweiligen CDU-Generalsekretaumlrs (jetzt Bun-desverteidigungsministers) Volker Ruumlhe gegen das Asylrecht

Als die sozialen Folgen der hastigen DDR-Vereinnahmungspuumlrbar wurden luden die CDUCSU und die publizistischenWegbereiter ihrer Politik zu denen an erster Stelle der Springer-Konzern gehoumlrt den Asylbewerbern die Schuld auf Wohn-raum wurde knapp am wenigsten durch Asylbewerber weit

mehr durch Aussiedler und Uumlbersiedler die jetzt nicht mehrUumlbersiedler genannt und uumlberhaupt nicht mehr registriert wer-den (aber es sind immer noch jaumlhrlich Hunderttausende) ammeisten aber durch die katastrophale Bonner Wohnungspolitikdie immer mehr Wohnraum von unten nach oben umverteiltDieses soziale Problem wurde nun ins Nationalistische ge-dreht Springers BILD-Zeitung beteiligte sich daran mit Schlag-zeilen wie raquoMiethai kuumlndigt Deutschen fuumlr Asylantenlaquo Manbedenke daszlig BILD gewoumlhnlich nicht dazu neigt Hausbesitzerals Miethaie zu bezeichnen In diesem Zusammenhang abergeschah es als Mittel zum Zweck die Leserinnen und Leser zuaumlngstigen eine Verdraumlngung durch Fluumlchtlinge als akute Be-drohung vorzuspiegeln und auf solche Weise Aggressionenanzustacheln

Im Sommer und Herbst 1991 brachte dieses Blatt (gedruckteAuflage etwa fuumlnf Millionen Exemplare) eine Serie uumlber raquoDieAsylantenlaquo Dort war beispielsweise zu lesen raquoStellen Sie sichdiesen Fall vor Ein Mann klingelt bei Ihnen moumlchte herein-kommen Der Mann sagt daszlig er maumlchtige Feinde habe dieihm ans Leben wollen Sie gewaumlhren ihm Unterschlupf Dochschnell stellen Sie fest Der Mann wurde gar nicht verfolgt erwollte nur in Ihrem Haus leben Und Er benimmt sich sehrsehr schlecht Schlaumlgt Ihre Kinder Stiehlt Ihr Geld Putzt sichseine Schuhe an Ihren Gardinen Sie wuumlrden ihn gerne los Siewerden ihn aber nicht los Deutsche Asyl-Wirklichkeit 1991laquo

Parallel zur BILD-Serie mit gleicher Stoszligrichtung setztehe seine Kampagne in Gang Er schrieb an alle Untergliederun-gen der CDU raquoIch bitte Sie in den Kreisverbaumlnden in denGemeinde- und Stadtraumlten den Kreistagen und Laumlnderparla-menten die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPDdort herauszufordernlaquo Ruumlhe lieferte mit diesem Rundschrei-ben Argumentationsleitfaden Vorlagen fuumlr Antraumlge und Anfra-gen in Kommunal- und sonstigen Parlamenten sowie eineMuster-Presseerklaumlrung Zum Beispiel sollte landauf landabgefragt werden ob Asylbewerber etwa in Hotels untergebrachtseien was das kosten koumlnne und ob Auslaumlnder womoumlglichzuviel staatliche Unterstuumltzung in Anspruch naumlhmen und soweiter

Der SPD-Vorstand prangerte diese Kampagne in einer uumlber-zeugenden Broschuumlre an Unter der Uumlberschrift raquoGrundrechtauf Asyl Das anstaumlndige Deutschland zeigt Flaggelaquo hieszlig es amSchluszlig der Broschuumlre raquoEiner Aumlnderung des Grundgesetzesstimmt die SPD nicht zu laquo Doch nach einigen Monaten gab derParteivorstand der Sozialdemokraten der Kampagne nach DieBroschuumlre wurde nicht weiterverbreitet Ein Teil der SPD-Frak-tion im Bundestag stimmte der Grundgesetzaumlnderung zu undverhalf ihr damit zur Zweidrittelmehrheit

Die Kampagne hatte noch einen zweiten Effekt den der Prauml-sident des Bundesamtes fuumlr Verfassungsschutz Eckart Werthe-bach folgendermaszligen beschreibt raquoHier wurde ein Ackerbestellt auf dem der Rechtsextremismus seine fremdenfeindli-che Ernte noch auf geraume Zeit einfahren wirdlaquo (raquoDie Weltlaquo30 November 1993) Das ist offenkundig Die Propaganda fuumlrdie Aushebelung von Grund- und Menschenrechten ermun-terte Neonazis zur Gewalt Nach Angaben des Vorsitzendender Vereinigung raquoGegen Vergessen fuumlr Demokratielaquo HansJochen Vogel kamen innerhalb von gut zwei Jahren bis Herbst1993 durch 4761 rechtsextremistische Gewalttaten in Deutsch-land 26 Menschen ums Leben und 1783 wurden verletzt

wurden Anschlaumlge auf Asylbewerber-Wohnungen ver-uumlbt 209mal auf juumldische Einrichtungen 13mal wurden KZ-Gedenkstaumltten geschaumlndet (raquoDie Zeitlaquo 5 November 1993)

Den Kanzler der raquogeistig-moralischen Erneuerunglaquo kuumlm-merte das wenig Neonazi-Aufmaumlrsche wie in Rostock undFulda auch die Ermordung tuumlrkischer Frauen und Kinder inMoumllln und Solingen durch neonazistische Brandstifter tat er abals waumlren sie kaum der Erwaumlhnung wert Von den Orten derUntaten hielt er sich fern und er vermied es auch an den Trau-erfeiern teilzunehmen was er durch seinen Regierungsspre-cher damit begruumlnden lieszlig daszlig er raquoBeileidstourismuslaquo ab-lehne (Bei Trauerfeiern fuumlr ermordete Industriemanager hatteer nie gefehlt auch nicht bei der Trauerfeier fuumlr einen in Kam-bodscha ermordeten Bundeswehr-Feldwebel und der patheti-sche Staatsakt zu dem er den damaligen US-PraumlsidentenRonald Reagan vor den Graumlbern von SS-Maumlnnern auf demFriedhof von Bitburg noumltigte erregte Aufsehen in aller Welt)

Systematisch bemuumlhte sich die Bundesregierung denRechtsextremismus herunterzuspielen So verbreitete das Bun-desinnenministerium eine Studie unter dem Titel raquoHat Rechts-extremismus in Deutschland eine Chancelaquo Sie kam zu demErgebnis raquodaszlig Rechtsextremismus in Deutschland bedeutungs-los istlaquo Seine Bedeutung so hieszlig es dort raquoscheint nur in denVorstellungen seiner Gegner zu liegenlaquo Das raquorechtsextremisti-sche Schreckbildlaquo diene den Antifaschisten als Mittel zurDestabilisierung der Demokratie erfuhr man aus der BonnerPublikation Zu einem Zeitpunkt als die Blutspur des braunenTerrors gegen Fluumlchtlinge aber auch gegen Behinderte undandere Minderheiten laumlngst nicht mehr zu uumlbersehen war sug-gerierte die Studie (Verfasser Prof Dr H H Knuumltter) derRechtsextremismus sei kaum mehr als eine bloszlige Behauptungder Antifaschisten die eigentliche Gefahr liege im Antifaschis-mus Aumlhnlich leugnete Generalbundesanwalt Alexander vonStahl (FDP) bevor er uumlber einen Wust von Widerspruumlchen beider Verfolgung mutmaszliglicher RAF-Terroristen stolperte be-harrlich jeden organisierten Terror von rechts und unterlieszligdeswegen auch dessen Bekaumlmpfung obwohl in Neonazi-Grup-pen laumlngst steckbriefartige Dossiers uumlber GewerkschafterGruumlne Jungsozialisten und andere Antifaschisten kursierten

Den Kanzler selbst der seinen Aufstieg den einstigen NazisDr Ries Dr Schleyer und Dr Taubert verdankt interessiertdie Bedrohung von rechts uumlberhaupt nicht Vor Herausforde-rungen sich ernsthaft mit der Nazi-Vergangenheit auseinan-derzusetzen schuumltzt er sich mit der raquoGnade der spaumltenGeburtlaquo Den Opfern des von seinen Mentoren mitbetriebe-nen staatlichen Terrors versagt er ehrendes und mahnendesGedenken indem er sie wie bei der Neugestaltung der raquoAltenWachelaquo unter den Linden in Berlin - einfach unter die raquoOpfervon Krieg und Gewaltherrschaftlaquo subsumiert Zu solchemGedenken koumlnnen dann auch die Traditionsverbaumlnde von SSund Ritterkreuz-Orden aufmarschieren

Zu den raquoRepublikanernlaquo des ehemaligen Waffen-SS-Man-nes Franz Schoumlnhuber zur Deutschen Volks-Union (DVU) desschwerreichen Muumlnchener Verlegers (raquoDeutsche National-Zei-tunglaquo) und Immobilienspekulanten Dr Gerhard Frey und zu

anderen Rechtsauszligen-Gruppen haben CDU und CSU mancheuntergruumlndigen Beziehungen Gelegentlich deckt Frey sie nachdem Tode von Verbindungsmaumlnnern auf denen er dann stolzeNachrufe widmet wie dem einstigen bayerischen Kultusmini-ster und Verfassungsrechtslehrer Prof Dr Theodor Maunz(CSU) oder dem ehemaligen Geheimdienst-Chef ReinhardGehlen In eigens gegruumlndeten Akademien Foren oder in Zeit-schriften wie raquoMutlaquo kommunizieren CDUCSU-Rechte undUltrarechte miteinander Wer mit wem gemeinsame Sachemacht und gegen wen ist da laumlngst keine Frage mehr MichaelGlos Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Bonn sagt es soraquoDie linksradikale PDS und die Gruumlnen sind eine groumlszligereGefahr fuumlr unser Land als die Republikaner und die RechtenlaquoEin Neonazi-Fuumlhrer wie der Hamburger Christian Worchmacht sich solche Ermunterungen sofort zunutze und leistetseinerseits Unterstuumltzung In einem Aufruf fuumlr den saumlchsischenJustizminister Steffen Heitmann (CDU) den Kohl fuumlr das Amtdes Bundespraumlsidenten nominiert hatte schrieb Worch raquoWerwill uns wegen unserer strikten Einstellung zum Auslaumlnder-und vor allem Asylantenproblem noch alsund gtextremistische Minderheitlt disqualifizieren wenn zumin-dest Ansaumltze unserer Vorstellungen selbst vom ersten Mann imStaate oumlffentlich verbreitet werdenlaquo

Wenn CDUCSU-Politiker den raquostarken Staatlaquo propagierenalso den Abbau von Buumlrgerrechten (zum Beispiel durch die Er-maumlchtigung des Staates zur Verwanzung von Privatraumlumen dienicht dadurch harmloser wird daszlig ihr jetzt auch Sozialdemo-kraten zustimmen) und wenn der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende im Bundestag Wolfgang Schaumluble vor Weihnachten1993 sogar vorschlaumlgt bei einer raquogroumlszligeren Sicherheitsbedro-hung im Innernlaquo die Bundeswehr einzusetzen (es gehe darumdurch eine entsprechende Grundgesetzaumlnderung raquodas Hauswetterfest zu machenlaquo erlaumluterte Schaumluble) wenn schlieszliglichder Kanzler und sein jetziger Bundesverteidigungsminister Vol-ker Ruumlhe immer offener fuumlr die Beteiligung deutscher Truppenan Militaumlraktionen eintreten die mit dem Verfassungsauftragder Bundeswehr zur Landesverteidigung nichts zu tun habendann ist das alles ganz im Sinne der Ultrarechten

Fruumlhere Bonner Bekenntnisse zur Friedensstaatlichkeit sindimmer leiser geworden Das Ruumlstungsgeschaumlft hat sich unterder Kanzlerschaft von Helmut Kohl kraumlftig weiterentwickeltund ist auch nach dem Ende der Sowjetunion und des War-schauer Paktes die bis dahin als einzige Bedrohung der Bun-desrepublik und als alleinige regierungsamtliche Begruumlndungfuumlr Bundeswehr und Ruumlstungsausgaben gegolten hatten nichtzum Erliegen gekommen Daimler-Benz gehoumlrt zwar nichtmehr zum Flick-Konzern aber auch jetzt unter der Regie derDeutschen Bank dringt dieses Unternehmen weiterhin aufBonner Milliarden fuumlr Projekte wie den raquoJaumlger 90laquo inzwischenumbenannt in raquoEurofighter 2000laquo Deutsche Waffen im Wertevon mehreren Milliarden Mark werden seit Jahren zum Bei-spiel an die Tuumlrkei und an Indonesien geliefert wo das Militaumlrsie zur blutigen Unterdruumlckung und Ausrottung nationalerMinderheiten verwendet

Laut UN-Waffenregister geht weltweit der Waffenhandelseit einigen Jahren zuruumlck die deutschen Waffenexporte dage-gen nehmen zu In dieser Branche ist Deutschland an diezweite Stelle nach den USA aufgeruumlckt Beim Export von Waf-fensystemen zur Landkriegfuumlhrung (groszligkalibrige ArtilleriePanzer und gepanzerte Kampffahrzeuge) fuumlhrt Deutschland inStuumlckzahlen etwa ebenso viel aus wie Ruszligland FrankreichGroszligbritannien und China zusammengenommen Bei Rake-ten und Raketenwerfern nimmt es bereits die Spitzenstellungein

Mit 18 Milliarden Mark beteiligte sich die auf sozialem Ge-biet so sparsame Bundesregierung am Golf-Krieg mit demder zeitweilige US-Praumlsident George Bush eine raquoneue Weltord-nunglaquo herbeifuumlhren wollte Sie aumluszligerte bei dieser Gelegenheitihr Bedauern daruumlber daszlig das Grundgesetz sie hindere sichauch mit Bundeswehreinheiten zu beteiligen Diese Bedenkenwurden dann bald aufgegeben Inzwischen setzte die Bundes-regierung wiederholt deutsche Militaumlrverbaumlnde auszligerhalb desNATO-Gebietes ein wobei sie sich immer weiter vom grund-gesetzlichen Auftrag der Bundeswehr entfernte Die Expedi-tion von 1500 Bundeswehrsoldaten nach Somalia hatte mitLandesverteidigung nicht das geringste zu tun Zweck war

angeblich die Versorgung indischer UN-Truppen die jedochnie in Somalia auftauchten Einige Wochen vor der Expeditionhatte Minister Ruumlhe noch versichert vor einem solchen Bun-deswehreinsatz werde selbstverstaumlndlich die Zustimmung desBundestages eingeholt Aber dann wartete die Bundesregie-rung ab bis der Bundestag in die Weihnachtsferien 1992193gegangen war Das Parlament erhielt keine Gelegenheit uumlberdiesen ersten Auslandseinsatz einer geschlossenen Einheit seitGruumlndung der Bundeswehr auch nur zu diskutieren Nicht ein-mal der Auswaumlrtige Ausschuszlig wurde unterrichtet Die Kostendes Einsatzes summierten sich innerhalb eines Jahres auf rund300 Millionen Mark wofuumlr wie die Stellvertretende SPD-Vor-sitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul vorrechnete in Deutsch-land jeden Tag eine Kindertagesstaumltte haumltte gebaut werdenkoumlnnen

Bei den europaumlischen Nachbarn und langjaumlhrigen Verbuumlnde-ten der Bundesrepublik waumlchst unuumlberhoumlrbar das Miszligtrauengegenuumlber dem von Kohl regierten Deutschland das sich ehr-geizig reckt um neben den USA zweiter oder gar erster Weltpo-lizist zu werden Wenn der griechische Vize-AuszligenministerTheodoros Pangalos 1994 Vorsitzender des Ministerrats derEuropaumlischen Union Deutschland raquoeinen Riesen mit bestiali-scher Kraft und dem Hirn eines Kindeslaquo nennt dann ist dasnicht als Beleidigung des deutschen Volkes gemeint wohl aberals Charakterisierung der gegenwaumlrtigen Bonner Politik We-sentlichen Anlaszlig zu solchem Miszligtrauen gab das Vorpreschender Bundesregierung bei der Anerkennung Sloweniens undKroatiens als eigenstaumlndige Staaten womit Jugoslawien zer-schlagen und ein furchtbarer Konflikt zwischen den vermischtlebenden Voumllkern angefacht wurde Waffenschmieden wie dieGewehrfabrik Heckler Koch in Oberndorf am Neckar profi-tieren jetzt direkt oder indirekt von dem Krieg aller gegenalle im ehemaligen Jugoslawien

Griechenland muszligte als besondere Provokation die Aner-kennung des eigenstaumlndigen Staates raquoMazedonienlaquo verstehendenn die Masse der Mazedonier wohnt in Griechenland

Auf auslaumlndische Aumluszligerungen des Miszligtrauens pflegt Kohlpatzig mit der Bemerkung zu reagieren daszlig sich dahinter

raquoNeidlaquo verberge Und wenn er an den von Deutschland begon-nenen Zweiten Weltkrieg erinnert wird verbittet er sich jedenVergleich mit dem heutigen von ihm regierten DeutschlandAber niemand anderes als die Bundesregierung ist dafuumlrverant-wortlich daszlig in der Bundeswehr Nazi-Traditionen wachgehal-ten werden daszlig zum Beispiel die raquoDietl-Kasernelaquo in Fuumlssennach jenem Generaloberst benannt ist von dem Hitler sagteraquoDietl hat den Typ des nationalsozialistischen Offiziers geschaf-fen eines Offiziers der nicht weichlich ist im Verlangen undFordern nicht schwaumlchlich im Einsatz der Menschen sondernder genau weiszlig daszlig fuumlr diesen Kampf kein Opfer zu groszlig oderzu teuer istlaquo

Weil nach dem Ende der Sowjetunion und des WarschauerPaktes von einer militaumlrischen Bedrohung des deutschen Terri-toriums keine Rede mehr sein konnte entstand im Januar 1992ein Positionspapier des Bundesverteidigungsministeriumsunter dem Titel und militaumlrstrategischeGrundlagen und konzeptionelle Grundrichtung der Neugestal-tung der Bundeswehrlaquo Darin ist zu lesen raquounter Zugrundele-gung eines weiten Sicherheitsbegriffslaquo koumlnnten raquodie Sicher-heitsinteressen fuumlr den Zweck dieser militaumlrpolitischen Lagebe-urteilunglaquo unter anderem wie folgt definiert werden raquoAuf-rechterhaltung des freien Welthandels und des Zuganges zustrategischen Rohstoffenlaquo Von derartigen Aufgaben der Bun-deswehr steht im Grundgesetz kein Wort

Mit dem Streben nach einer Weltpolizisten-Rolle verbindetsich auch der dringende Wunsch nach einem staumlndigen Sitz imSicherheitsrat der Vereinten Nationen Bei Gruumlndung der UN1945 hatten deren Mitglieder den fuumlnf Hauptsiegermaumlchten desZweiten Weltkrieges das Privileg zugesprochen staumlndig imSicherheitsrat vertreten zu sein dessen zehn andere Mitgliederwechselweise gewaumlhlt werden Damit wurde vor allem die Ver-antwortung dieser fuumlnf Staaten anerkannt eine stabile Nach-kriegsordnung zu schaffen und ein Wiederaufleben des deut-schen Militarismus zu verhindern Es mag jetzt Gruumlnde gebendieses Privileg abzuschaffen Das koumlnnte der Demokratisie-rung der Vereinten Nationen dienen Den gegenteiligen Effektaber haumltte es wenn wie Dr Kohl wuumlnscht der UN-Sicherheits-

rat zu einer Art Weltregierung der wirtschaftlich Maumlchtigstengemacht wuumlrde

Laumlngst ist Deutschland Exportweltmeister Je Beschaumlftigtenist die Exportleistung dreimal so hoch wie in den USA oder inJapan Doch das genuumlgt Kohl und seinen Hintermaumlnnern nochnicht Darum bestehen sie darauf daszlig die Sozialpolitik demangeblichen Erfordernis Deutschlands Position in der Welt-wirtschaft zu staumlrken untergeordnet werden muumlsse

Was hilft es der eingangs erwaumlhnten arbeitslos gewordenenalleinerziehenden Mutter Katrin Krause in Halle an der Saaleund ihrem Kind wenn sich die Regierung des Dr Helmut Kohlimstande zeigt trotz gegenteiliger Verfassungsgebote ein Bun-deswehr-Bataillon in Ostafrika zu stationieren Was wuumlrde esdem unter Druck groszliger Konzerne geratenen mittelstaumlndi-schen Unternehmen in Limburg an der Lahn wo Katrin Krau-ses Vetter Norbert um seinen Arbeitsplatz zu fuumlrchten beginntnuumltzen wenn es Kohl und seinem Auszligenminister dem fruumlhe-ren Geheimdienstchef Klaus Kinkel (FDP) gelaumlnge einenstaumlndigen Sitz im UN-Weltsicherheitsrat zu erlangen

Die unsoziale Auspowerung der eigenen Bevoumllkerungangeblich notwendig zur raquoStandortsicherunglaquo kann fruumlheroder spaumlter genau das Gegenteil bewirken Die Wirtschaft kannmit den Mitteln die sie staumlrken sollen ruiniert werden DieUntauglichkeit der von Kohl Lambsdorff Rexrodt Waigel undBluumlm angewendeten Mittel ist in den USA durch Reagan undBush und in Groszligbritannien durch den Thatcherismus laumlngsterwiesen

Wenn immer mehr Menschen arbeitslos sind weil sie fuumlr dieWarenproduktion nicht mehr gebraucht werden wenn zu-gleich Loumlhne und Gehaumllter stagnieren oder real sinken wennSozialabgaben wachsen und Leistungen gekuumlrzt werden dannsinken zwangslaumlufig Kaufkraft und Absatz Wenn zugleich diearmen Laumlnder der Erde auf Grund ungerechter von den rei-chen Laumlndern diktierter Handelsbeziehungen noch aumlrmer wer-den fallen sie als Absatzmaumlrkte aus Die Industrie stoumlszligt da-durch an Expansionsgrenzen Der Konkurrenzkampf wird haumlr-ter Hauptwaffe in diesem Kampf ist die weitere Absenkung der

Kosten sprich Personalabbau Laumlszligt sich so auf die Dauer diedeutsche Wirtschaft staumlrken

Kohl Waigel Rexrodt beklagen in Deutschland werde zuwenig in Forschung Entwicklung und Berufsbildung inve-stiert Aber sie selbst streichen den Forschungshaushalt zusam-men Solche Widerspruumlche mehren sich und werden zu einerakuten Gefahr fuumlr die wirtschaftliche Entwicklung

Jahrelang versprach der Kanzler den Deutschen die Ge-winne von heute seien die Investitionen von morgen und dieArbeitsplaumltze von uumlbermorgen Seine Politik erlaubte den Un-ternehmen wor allem den groszligen Konzernen gewaltige Ge-winnsteigerungen aber von den Gewinnen wurde nur weniginvestiert und die Investitionen dienten hauptsaumlchlich zurWegrationalisierung von Beschaumlftigten Arbeitsplaumltze wurdenso nicht geschaffen sondern vernichtet Und wenn die Massen-kaufkraft weiter sinkt wenn also noch weniger Waren abgesetztwerden koumlnnen als bisher dann werden noch viel mehr Men-schen arbeitslos werden

Das ist es was wir bei einer Fortsetzung der Politik des DrHelmut Kohl zu erwarten haben Und sein WirtschaftsministerRexrodt qualifiziert durch seine Treuhand-Erfahrungen imPlattmachen hat nun tatsaumlchlich eine Idee wie er Arbeitslosig-keit bekaumlmpfen will durch staumlrkere steuerliche Entlastung rei-cher Leute die Dienstmaumldchen einstellen

Was wir zu erwarten haben ist weitere Privatisierung nachdem Programm von Birgit Breuel trotz solcher niederschmet-ternder Erfahrungen wie mit dem raquoGruumlnen Punktlaquo der allePrinzipien des Umweltschutzes verhoumlhnt und die Verbraucherzusaumltzlich belastet Allerletzte Koalitionsabsicht Anfang 1994Privatisierung von Arbeitsaumlmtern

Die Folgen der bisherigen Umverteilung von unten nachoben sind schon schlimm genug als daszlig diese Politik fortge-fuumlhrt werden duumlrfte Nach zwoumllf Jahren Kohl-Regierung ist esin Deutschland dahin gekommen daszlig Hospitaumller Patientenmit schweren Krankheiten ablehnen weil die Behandlung zuteuer waumlre Und dahin daszlig in den Staumldten die Mieten fuumlr Neu-bauwohnungen das heiszligt fuumlr nach 1948 gebaute WohnungenJahr fuumlr Jahr um rund zehn Prozent steigen waumlhrend die Netto-

Einkommen stagnieren oder sinken Und dahin daszlig immermehr Menschen um uumlberhaupt arbeiten zu koumlnnen gering-fuumlgige Beschaumlftigungsverhaumlltnisse ohne Sozialversicherungs-schutz annehmen (was auch die Einnahmen von Krankenkas-sen und Rentenversicherungen mindert)

raquoFuumlr den weiteren Verlauf der neunziger Jahrelaquo heiszligt es imArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB sei raquodavon auszugehen daszlig sich durch die anhaltendeMassenarbeitslosigkeit und die fehlenden beziehungsweiseauslaufenden Mindestsicherungselemente in der Sozialversi-cherung das Problem der arbeitsmarktbedingten Armut imSinne von Sozialhilfebeduumlrftigkeit zu einem sozialpolitischenProblem ersten Ranges entwickeln wirdlaquo

Aber dieser Fortgang der Geschichte ist nicht zwangslaumlufigIhm muszlig Einhalt geboten werden Und das muumlssen wir selbertun

Selbst im schicken Muumlnchen lebten Ende 1993 bereits140 000 Menschen in Armut 50 000 waren arbeitslos 60 000Familien uumlberschuldet 12 000 hatten keine Bleibe 1200 lebtenauf der Straszlige Angesichts solcher Zustaumlnde machte ein erfah-rener Kommunalpolitiker der fruumlhere Muumlnchener Oberbuumlrger-meister Georg Kronawitter (SPD) folgenden Vorschlag Wennsich der Staat endlich entschlieszlige Einkommen aus Arbeit undaus Vermoumlgen gleichwertig zu besteuern koumlnne er von denSuperreichen mit einer 15prozentigen Sondersteuerjaumlhrlich 60Milliarden Mark holen in zehn Jahren also 600 MilliardenMark Das sei ihnen durchaus zuzumuten erklaumlrte Kronawit-ter denn seit 1970 habe sich das Privatvermoumlgen der Westdeut-schen auf 9492 Milliarden Mark versechsfacht Die Haumllftedavon gehoumlre den oberen zehn Prozent der Haushalte Kleineund mittlere Vermoumlgen beispielsweise derjenigen die sich einHaumluschen vom Mund abgespart oder geerbt haben koumlnntenund muumlszligten von der Sondersteuer freigestellt bleiben (raquoDerSpiegellaquo 22 November 1993)

Dieservorschlag bedeutet Umverteilung andersherum vonoben nach unten Darauf kommt es jetzt an Von Kohl und sei-ner Koalition koumlnnen wir eine solche Abkehr von ihrer bisheri-gen Politik nicht erwarten Was wir von anderen Parteien zu

erwarten haben sollten wir deren Kandidaten eingehend fra-gen Und wir sollten sie ebenfalls an ihrem bisherigen Verhal-ten messen

Am Wahltag ist dreierlei noumltig um die Mehrheitsverhaumlltnissein Deutschland zu aumlndern damit Helmut Kohl seine verhaumlng-nisvolle Politik nicht fortsetzen kann

1 Keine Stimme darf dadurch verloren gehen daszlig Wahlbe-rechtigte der Wahl fernbleiben Wer Politik zu raquodooflaquo oder zuraquoschmutziglaquo findet soll wissen daszlig sie erst wirklich aumlrgerlichund schmutzig wird wenn sich die Verantwortlichen nichtselbst darum kuumlmmern Verantwortlich aber ist jeder und jedeWahlberechtigte Das gilt besonders fuumlr die Jungwaumlhler umderen eigene Zukunft es geht

2 Keine Stimme darf einer Partei gegeben werden die nichteindeutig klargestellt hat daszlig sie gegen Kohl und dessen Poli-tik angetreten ist und keinesfalls mit der CDUCSU ein Regie-rungsbuumlndnis eingehen wird

3 Den Rechtsauszligen-Parteien darf es nicht gelingen in denBundestag einzuziehen Wie einst am Ende der WeimarerRepublik wuumlrden sie sich als Trumpf in der Hinterhand desGroszligen Geldes erweisen

Aber die Bundesbuumlrgerinnen und -buumlrger haben noch mehrMoumlglichkeiten als am Wahltag ihre Stimme abzugeben AlsDemokraten koumlnnen und muumlssen sie zum Beispiel den Mundaufmachen wenn in ihrer Gegenwart soziale menschenverach-tende Parolen aufkommen Das heiszligt Zivilcourage beweisenAuszligerdem hat jede und jeder von uns die Moumlglichkeit imBekanntenkreis Informationen weiterzugeben was um sonoumltiger ist wenn aufwendige Propaganda zu vernebeln ver-sucht was der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes bisher ange-richtet hat Nicht zuletzt gilt es in Mieter- und Verbraucherver-baumlnden in Umwelt- und Friedensinitiativen und vor allem inden Gewerkschaften demokratischen Widerstand gegen ruumlck-sichtslose Ausbeutung und Entrechtung zu leisten

Solche Moumlglichkeiten gibt es nicht nur einmal alle vier Jahresondern jeden Tag

B E RNT E NGE L MANN

Eacute middotreg Eumlsup2 notraquoregnotiquestsup2 raquosup2

Ein deutsches GeschichtsbuchErster Teil

464 Seiten stb 24 NeuausgabeDM

Wir Untertanen ist Engelmanns kritischezutiefst demokratische Darstellung einesJahrtausends deutscher VergangenheitEngelmann schreibt Geschichte vonunten steht auf der Seite des Volkesnimmt dessen Perspektive ein wenn esum die groszligen Maumlnner und ihre ver-meintlich groszligen Taten geht die immermit dem Schweiszlig und dem Blut der

Namenlosen errungen wurden

Bitte fordern Sie das kostenlose Gesamtverzeichnis anSteidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

B E RNT E NGE L MANN

Ucircmiddotsup2 middotsup1 sup1 raquosup1 raquosup2 Icirc raquofrac12 not laquo sup2 frac14 Uacuteregraquomiddot raquomiddotnot

Ein deutsches GeschichtsbuchZweiter Teil

336 Seiten stb 57 NeuausgabeDM 1880

In diesem Buch behandelt Bernt Engel-mann die Jahre zwischen 1918 und 1938

in denen mehr Legenden und Luumlgenverbreitet wurden als je zuvor in einemvergleichbaren Zeitraum raquoim Feldeunbesiegtlaquo raquoKriegsschuldluumlgelaquo raquoSchand-

von Versailleslaquo raquoJudenrepubliklaquoraquoVolk ohne Raumlaquo Engelmann ver-gleicht die Legenden mit dem wasdamals wirklich geschah und entziehtdamit auch den neuen Rechten denBoden fuumlr ihre altbekannten Helden-

denkmaler

Steidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

DO R OT HE E B E C KHARTMUT ME I NE

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Wie Reichtum vertuschtund Armut verdrangt wird

240 Seiten gebunden DM 3400

Die Zahl der Arbeitslosen Sozialhilfe-empfaumlnger und Obdachlosen steigtGleichzeitig gibt es immer mehr Reicheund Superreiche In Krisenzeiten mah-nen die politischen und wirtschaftlichenEliten Kuumlrzungen zuallererst bei denkleinen Leuten an Politiker mit fuumlrst-licher Altersversorgung predigen dieAbsenkung des Rentenniveaus gutge-hende Unternehmen Lohnsenkung undArbeitsplatzabbau alte und neue Reichedie Abschaffung der VermoumlgenssteuerDorothee Beck und Hartmut Meine nen-nen Namen und Zahlen Wer sind diefuumlnfzig reichsten Familien in Deutsch-land Was koumlnnen sich Arbeitslose undSozialhilfeempfaumlnger heute noch lei-sten Und sie stellen sich die Frage wieeine Reformperspektive aussehen kanndie wieder mehr Verteilungsgerechtig-keit und sozialen Ausgleich zum Ziel hat

Steidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

Page 6: Bernt Engelmann,

Zahlte die weltweit uumlberaus erfolgreich agierende Siemens AGnoch 371 Millionen Mark Gewinnsteuern bekam der

Fiskus keine Mark mehr Und das alles ganz legalunter der Obhut einer Regierung die zwar ein immer lauteresLamento uumlber die leider so leeren Kassen des Staates an-stimmt aber nichts unternimmt um die Uumlberschuldung wenig-stens in Grenzen zu halten Im Gegenteil Die Superreichender Republik die sich ihren gesellschaftlichen Verpflichtungenimmer haumlufiger und immer geschickter entziehen werdenhofiert und umworben waumlhrend ganze Bevoumllkerungsschichtensich in ihrer Existenz unmittelbar bedroht fuumlhlen und der Mit-telstand jener oft unterschaumltzte Kitt einer demokratisch funk-tionierenden Gesellschaft an akuter Schwindsucht leidet

All das geschieht unter Assistenz einer kleinen Klientelpar-tei namens FDP die sich konsequent nach der MethoderaquoNehmt was ihr kriegen koumlnntlaquo von einer Partei der Besserver-dienenden zum Anwalt der Besserkassierenden entwickelt hatObwohl politisch seit geraumer Zeit nichts mehr geht klam-mern sich die Regierungskoalitionaumlre mit der Verzweiflungangeschlagener Boxer an die verbliebene Macht auf die Ver-geszliglichkeit und Resignation des muumlde gewordenen Wahlvol-kes vertrauend

Bernt Engelmann hat das System Kohl schon fruumlh praumlziseanalysiert und in seinen Konsequenzen uumlberzeugend darge-stellt Deshalb ist die Neuauflage seines anlaumlszliglich des Bundes-tagswahlkampfes 1994 erschienenen Buches von bedruumlckenderAktualitaumlt Moumlgen auch wenige Zahlen inzwischen uumlberholtsein so hat Engelmanns Beschreibung einer verhaumlngnisvollenPolitik der nun schon ganze 15 Jahre waumlhrenden Aumlra Kohlnichts an Wirksamkeit eingebuumlszligt Andeutungen sind dagegeninzwischen zur Gewiszligheit geworden Warnungen von der Wirk-lichkeit eingeholt

Engelmann weist in seinem Schwarzbuch nach daszlig derScherbenhaufen Kohlscher Politik nicht der in langen Amtsjah-ren schicksalhaften Haumlufung widriger Umstaumlnde geschuldet istsondern Folge einer systematisch betriebenen Interessenpoli-tik zugunsten der Reichen und zum Nachteil der immer groumlszligerwerdenden Schar Armer und Beduumlrftiger Als Ergebnis dieser

gezielt betriebenen Umverteilung ist die Masse des Geldesendguumlltig wieder bei denen gelandet die schon immer den laut-staumlrksten Anspruch darauf erhoben haben

Bernt Engelmann war stets ein kritischer Begleiter seinerZeit gepraumlgt von historischem Bewuszligtsein Vor allem durchseinen an deutscher Geschichte geschulten Blick hat er stetsaufs Neue das Leben der Leute unten beschrieben und sich sozum Sprachrohr und Anwalt jener gemacht die nicht gelernthaben sich auszudruumlcken und fuumlr ihre Rechte zu kaumlmpfenEngelmann hat durch seine Recherche sehr fruumlh erkannt daszligdas Prinzip der Regierung Kohl auf die Verarmung des Staateshinauslaumluft mit all den Folgen die wir jetzt landauf landabbeklagen Wenn sich inzwischen Vorstaumlnde von Konzernen aufAktionaumlrsversammlungen oumlffentlich bruumlsten trotz hoher Ge-winne in Deutschland keine Steuern mehr zu zahlen ist energi-sche Gegenwehr an der Zeit soweit man unsere Demokratienoch als beste aller Staatsformen und verteidigungswertes Gutbetrachtet

Wenn sich allerdings das notwendige Vertrauen der Buumlrgerdessen jede Regierung bedarf inzwischen nur noch aus der Lei-besfuumllle des Kanzlers und seinem schon ans Wahnhafte gren-zenden Optimismus speist der eine Niederlage nach der ande-ren zu immer neuen Erfolgen umluumlgt ist es um die Politik inunserem Lande miserabel bestellt Und als habe er nicht selbstall die Jahre die Richtlinien der Politik am Standort Deutsch-land bestimmt mahnt er mit einem sich steigernden Brusttonder Empoumlrung die Beseitigung all jener Miszligstaumlnde an fuumlrderen Entstehung er selbst die Verantwortung traumlgt

Bernt Engelmann hat das Ende der Kohl-Zeit nicht mehrerlebt Wir sind verpflichtet diesen laumlhmenden Zustand inden unser Land dank einer unbarmherzigen Politik geraten istmoumlglichst bald zu beenden Kohl hat seine Zeit gehabt ZurAbwendung des Anschluszligkonkurses ist die Auswechslung desGeschaumlftsfuumlhrers zu einer Uumlberlebensfrage im raquoFreizeitparkDeutschlandlaquo geworden

Klaus Staeck

Bernt Engelmann hat die Arbeit am Schwarzbuch 1994 unmit-telbar vor seinem Tod beendet Der Verlag hat sich entschlos-sen das Buch 1998 vier Jahre spaumlter erneut aufzulegen weilKohl seirsquos geklagt der Text nichts an seiner bedruumlckendenAktualitaumlt eingebuumlszligt hat Im Gegenteil Was sich 1994 noch alsgewagte Prognose als provokanter Beitrag zur Bundestagswahlauffassen lieszlig sieht sich nun taumlglich in den Wirtschaftsteilender Zeitungen bestaumltigt So hatte es Engelmann nun auch nichtgemeint als er dem Buch den Untertitel Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnotreglaquomiddotsup2 middotraquoregnot gab die CDUFDP-Koalition gleichwohl Denn dieUmverteilung von unten nach oben die Konservative undLiberale im letzten Wahlkampf zu ihrem Programm machtenhaben sie in der zuruumlckliegenden Legislaturperiode mit bestenKraumlften angepackt Wer heute sagt er habe es damals nichtgewuszligt habe es nicht wissen koumlnnen der lese EngelmannsIacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 -und vermag dann auch zu erahnen was die naumlch-sten vier Jahre bringen koumlnnen wenn sich das Wahlvolk erneutverkohlen laumlszligt

Die in diesem Buch angegebenen Zahlen sind nicht aktuali-siert worden mit Ausnahme der Liste der reichsten Deut-schen die auf einer Zusammenstellung von Dorothee Beckund Hartmut Meine beruht veroumlffentlicht in dem Band

laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoregocirc der im Herbst 1997 im Steidl Verlagerschienen ist Dort findet sich das derzeit aktuellste undumfangreichste Zahlenmaterial zur Verteilung des Reichtumsin der Bundesrepublik

Die Deutschen gelten als reich reicher als ihre Nachbarn vondenen allenfalls die Schweizer sich mit ihnen messen koumlnnenund erst recht im internationalen Vergleich Wie enorm derWohlstand in den alten und neuen Laumlndern ist (oder zu seinscheint) zeigt die amtliche Statistik

Das Geldvermoumlgen der privaten Haushalte (ohne derenHaus- und Grundbesitz Wertsachen und sonstige Vermoumlgens-werte) erbrachte ihnen 1992 etwas mehr als 200 Milliarden DMan Zinsen und Dividenden Das sind grob gerechnet 2500DM jaumlhrliche Einnahmen aus angelegtem Geldvermoumlgen fuumlrjede und jeden im vereinten Deutschland ob Saumlugling oderGreis Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt Ehepaarmit zwei Kindern -hat also laut Statistik zusaumltzliche Jahresein-kuumlnfte von 10000 DM (und im Hintergrund eine angelegteGeldreserve von 180000 bis 200000 DM die diese Zinsenerbringt) ein schoumlnes Zubrot beispielsweise fuumlr einen jun-gen Familienvater der als Beamter mit 1850 DM netto imMonat die Wohnungsmiete in einer Groszligstadt aufbringen undalle Ausgaben der vierkoumlpfigen Familie bestreiten muszlig

Nun wissen wir allerdings daszlig solch ein dem statistischenDurchschnitt genau entsprechender Fall in der Praxis nur ganzselten vorkommt Die allermeisten Arbeitnehmerfamilienhaben naumlmlich keine sechsstelligen Geldreserven und wennbei ihnen von Zinsen die Rede ist so handelt es sich in derRegel um solche die sie fuumlr aufgenommene Kleinkredite undDarlehen seufzend zu zahlen haben

Die Statistik luumlgt dennoch nicht sie wirft nur Arm und Reichin einen Topf Schon ein einziger Bewohner eines Mietshausesvielleicht dessen Eigentuumlmer der uumlber zwei Millionen DMGeldvermoumlgen verfuumlgt schafft im Verein mit den uumlbrigenHausbewohnern einem Dutzend Familien von Habenichtsen

jenen truumlgerischen statistischen Durchschnitt der uns einenallgemeinen Wohlstand vorgaukelt

Wenn wir uns daruumlber im Klaren sind kann uns auch ein wei-teres statistisches Ergebnis nicht mehr taumluschen naumlmlich daszligsich die Ertraumlge der privaten Geldvermoumlgen der Deutschen imLaufe des letzten Jahrzehnts nahezu verdreifacht haben Diesefuumlr uns scheinbar so erfreuliche Tatsache sagt uumlber die Vertei-lung des so stark vermehrten Wohlstands gar nichts aus Siekann beispielsweise bedeuten daszlig nur die ohnehin sehr Wohl-habenden noch um vieles reicher geworden sind die groszligeMehrheit der Unbemittelten aber unveraumlndert arm gebliebenund noch um einige soziale Absteiger vermehrt worden ist Ge-nau dieser Fall ist wie wir noch sehen werden tatsaumlchlich ein-getreten Profitiert von dieser Entwicklung haben im wesentli-chen nur die Herren des Groszligen Geldes

Was ist das eigentlich das raquoGroszlige GeldlaquoDie allermeisten Deutschen gleich ob in Ost oder West

haben davon keine oder nur eine ganz blasse Ahnung JedesMultimillionenvermoumlgen gilt ihnen schon als raquoGroszliges GeldlaquoUnd wenn sie selbst einmal im Lotto gewinnen sollten sagenwir knapp sechs Millionen DM steuerfrei - dann ist das nachMeinung der Freunde und Nachbarn und wohl auch nach ihrereigenen Einschaumltzung bereits das Groszlige Geld

Stellen wir uns nun einmal vor der oder die Gluumlckliche laumlszligtsich den ganzen Lottogewinn bar auszahlen dicke Packen vondruckfrischen Tausendern dazu noch etliche Buumlndel von200- und 100-DM-Scheinen saumluberlich aufgestapelt wobei einMeter Houmlhe jeweils genau einer Million DM entspricht derLottogewinn von knapp sechs Millionen Mark als Banknoten-stapel also vom Fuszligboden bis fast zur Decke der sechs Meterhohen Schalterhalle reicht

Doch so eindrucksvoll der Anblick dieses hohen Stapels auchsein mag als das raquoGroszlige Geldlaquo kann der Banknoten-Turm nochlaumlngst nicht gelten Unsere wirklichen Superreichen koumlnntensolche Vorstellung nur mitleidig belaumlcheln die Dimension die-ses scheinbaren Reichtums waumlre ihnen gar zu winzig

Als das amerikanische laumlngst auch hierzulande in deut-scher Sprache erscheinende Wirtschaftsmagazin raquoForbeslaquo im

Sommer 1990 die 400 reichsten deutschen Unternehmer vor-stellte da gab sich das Blatt mit gewoumlhnlichen Multimillionauml-ren gar nicht erst ab raquoForbeslaquo begann seine Aufzaumlhlung erst imraquoMultimegalaquo-Bereich also bei den mehr als hundertfachenDM-Millionaumlren

Die Summe der Vermoumlgen aller 400 Personen oder Familiendie raquoForbeslaquo vorstellte belief sich damals im Sommer 1990auf rund 200 Milliarden DM das Doppelte dessen was dieRegierung Kohl an Staatsanleihe aufzunehmen gedachte undfuumlr ausreichend hielt die ruinierte Wirtschaft der gerade verein-nahmten DDR zu sanieren und wieder in Schwung zu brin-gen Anders ausgedruumlckt Schon die Haumllfte des Vermoumlgensder 400 reichsten Westdeutschen haumltte nach offizieller Mei-nung gereicht fuumlr uumlber 16 Millionen raquoBruumlder und Schwesterndruumlbenlaquo gesunde wirtschaftliche Verhaumlltnisse zu schaffen

400 Privatvermoumlgen von zusammen 200 Milliarden DMergeben einen durchschnittlichen Reichtum der von raquoForbes1990 vorgestellten westdeutschen raquoSpitzenklasselaquo von je 500Millionen DM Stapelte man diese Summe nach Art des Lotto-gewinns in Banknoten waumlre ein solcher Bargeldturm 500Meter hoch mehr als dreimal so hoch wie der Koumllner Dom

Indessen gab es schon vor vier Jahren als das Wirtschaftsma-gazin die Superreichen der BRD vorzustellen begann nichtwenige deutsche Multimilliardaumlre die ihr Geld houmlher haumlttenstapeln koumlnnen als die Zugspitze (2 963 Meter) houmlher noch alsdas Gipfelkreuz des Mont Blanc (4 810 Meter) ja die mit ihremgebuumlndelten Baren sogar den Mount Everest (8 848 Meter)uumlberragt haumltten Von solchen gewaltigen Houmlhen aus betrachtetsind die Banknotenstapel der Lottogewinner aber auch die derzehn- zwoumllf- oder auch 25fachen Multimillionaumlre eine mit blo-szligem Auge gar nicht mehr wahrnehmbare Bagatelle und damitsollte nun auch klar sein was Geldlaquo wirklich bedeutet

Uumlbrigens seit 1990 sind die Kassen von Bund Laumlndern undGemeinden immer leerer geworden eine Schuldenlast vonastronomischer Houmlhe zwingt die oumlffentlichen Haumlnde zu rigo-rosen Sparmaszlignahmen und der Konjunktureinbruch der zuverzeichnen war (und noch ist) hat fuumlr Millionen Deutscheerhebliche Einkommenseinbuszligen mit sich gebracht (wovon im

einzelnen noch ausfuumlhrlich die Rede sein wird) Der Super-reichtum indessen hat keineswegs gelitten im Gegenteil

Das Groszlige Geld in den Haumlnden einiger deutscher Multimil-liardaumlre hat sich seit 1990 weiter kraumlftig vermehrt Hier nur einBeispiel Deutschlands Reichster der der breiten Oumlffentlich-keit nahezu unbekannte Erivan Haub aus MuumllheimRuhr (Ten-gelmann Kaiserrsquos Plus KD und nicht zuletzt was hierzu-lande nur Preiswert zu bedeuten scheint jedochzugleich die konzerneigene groumlszligte Einzelhandelskette derUSA Atlantic kennzeichnet) wurde im Sommer1990 auf deutlich uumlber sechs Milliarden DM Vermoumlgen taxiertdrei Jahre spaumlter im Sommer 1993 aber bereits auf mehr alszehn Milliarden DM Und so wie bei Haub ist es auch bei denzwei Dutzend anderen Deutschen die 1993 in die raquoForbeslaquo-Liste der raquoHundert Reichsten der Weltlaquo aufgenommen wur-den Ihre gigantischen Vermoumlgen sind in den Rezessionsjahrennicht kleiner sondern noch betraumlchtlich groumlszliger geworden(Eine Liste dieser deutschen Multimilliardaumlre findet sich aufden folgenden Seiten)

Wollten wir die Vermoumlgen der in den internationalen Spit-zenreichtum aufgestiegenen Deutschen durch gewaltige Bar-geldstapel (1 Meter = 1 Million DM) anschaulich machen sohaumltten wir ein Hochgebirgspanorama vergleichbar mit demHimalaya wobei der niedrigste Gipfel 3 400 Meter hoch diedrei houmlchsten gar Zehntausender waumlren houmlher als der houmlchsteBerg unserer Erde

Nachdem wir mit Hilfe dieser in Wirklichkeit ja niemalsvorkommenden gigantischen Banknotentuumlrme eine unge-

vom Groszligen Geld bekommen haben kehrenwir zuruumlck auf den Boden der Tatsachen beispielsweise derBonner Politik Da stellt sich dann heraus daszlig die erdachtenBargeldstapel als Ausdruck der Macht des Groszligen Geldes garnicht so unrealistisch sind wie man meinen koumlnnte

Mitunter nehmen naumlmlich auch bundesdeutsche Superrei-che statt ihres Scheckbuchs Bargeldstapel vorzugsweise solchevon druckfrischen Tausendern stecken davon einige Buumlndel inneutrale Umschlaumlge und uumlberreichen diese dann dem einenoder anderen ihrer Bekannten als Geschenk

Curt Engelhornund Familie Mrd DM

Familie Quandt Beteiligungen Mrd DM

Theo undKarl Albrecht Einzelhandel Mrd DM

Familie Haniel

Familie Merck

Handel Mrd DM

ChemiePharma Mrd DM

Familie Henkel Chemie Mrd DM

Erivan Haubund Familie Einzelhandel Mrd DM

Otto Beisheim GroszlighandelBeteiligungen Mrd DM

Familie Boehringer ChemiePharma Mrd DM

Friedrich Karl Flick jr Beteiligungen Mrd DM

Michael Ottound Familie Versandhandel 765 Mrd DM

FamilieSchmidt-Kuthenbeck Groszlighandel Mrd DM

Rolf Gerling Versicherungen Mrd DM

Familie Schickedanz Versandhandel Mrd DM

Natuumlrlich geschieht dies nicht in aller Oumlffentlichkeit wo-moumlglich vor laufenden Fernsehkameras vielmehr sehr diskretund stets handelt es sich bei den von Superreichen mit solchenGeldgeschenken groszligzuumlgig Bedachten um einfluszligreiche Politi-ker die zwar sehr uumlppige regulaumlre Einkuumlnfte haben aber trotz-dem immer Geld brauchen weil sie kostspielige Wahlkaumlmpfezu fuumlhren haben und fuumlrchten muumlssen nicht wiedergewaumlhlt zuwerden wenn ihnen das Geld ausgeht

Von diesen unterstuumltzungsbeduumlrftigen Politikern erwartendie superreichen Spender der gebuumlndelten Tausendmarkschei-ne dann ihrerseits allerlei Gefaumllligkeiten und diese werdenihnen in aller Regel auch schon bald nach der Gelduumlbergabevon den dankbaren Politikern erwiesen

Indessen sind solche fuumlr die Spender belanglos winzigenfuumlr die Empfaumlnger sehr stattlichen und hochwillkommenenGeldgeschenke meist in Raten von 50000 bis 250000 DMund die im Gegenzug erwiesenen Gefaumllligkeiten beileibe nichtals kriminelle Vergehen etwa als aktive und passive Beste-chung im Sinne der Paragraphen 331 ff des Strafgesetzbuchesgedacht oder zu verstehen Dergleichen kommt nur in wenigerreichen und weniger maumlchtigen Kreisen mitunter vor und wirdwenn es ruchbar wird sehr streng bestraft

Ganz anders liegt der Fall bei uumlppigen Geldgeschenken vonSuperreichen an Mitglieder des Bundeskabinetts und Vorsit-zende von Koalitionsparteien

Erstens wuumlrden bundesdeutsche Multimillionaumlre niemalsgegen Gesetze und Vorschriften verstoszligen wollen Sie wuumln-schen sich vielmehr eine Anpassung der Gesetze und Ausfuumlh-rungsbestimmungen an ihre auf groszlige Gewinne gerichtetenPlaumlne Der eine will beispielsweise ein Gesetz das inlaumlndischeVerkaufserloumlse die er in den USA profitabel anlegen will vonetlichen hundert Millionen Mark Steuern befreit Der andereverlangt eine Lockerung von Umweltschutzbestimmungenwodurch ihm enorme Ausgaben fuumlr die Umruumlstung von Che-mie-werken und Papierfabriken erspart werden Ein Dritterwuumlnscht die Streichung einiger zwar gesundheitsschaumldlicheraber sehr gut verkaumluflicher Chemikalien von einer Verbotslisteund alle gemeinsam fordern die Aumlnderung eines Paragraphen

der bislang die Beschaumlftigten eines indirekt durch Streikgelaumlhmten Werks beguumlnstigt hat also lauter fuumlr Superreicheganz natuumlrliche Verlangen die ihren Interessen dienen undihren Profit steigern so daszlig es nur gilt die Gesetze und Vor-schriften den Beduumlrfnissen des Groszligen Geldes entsprechendabzuaumlndern damit alles ganz legal vor sich gehen kann

Zweitens aber sind die Zuwendungen die die Superreichenden an der Gesetzgebung maszliggeblich beteiligten Politikernmachen (oder machen lassen) so geringfuumlgig im Vergleich zuden enormen Vorteilen die sie sich damit verschaffen daszlig keinbundesdeutscher Staatsanwalt sie als strafrechtlich relevantansehen koumlnnte

Wenn beispielsweise ein Multimilliardaumlr wie Herr Flick zurErlangung von etlichen hundert Millionen Mark Steuererspar-nis nur lumpige zwei drei Millionen an diverse Spitzenpoli-tiker verteilt hat weniger als ein Prozent des Gewinns - sovermochte keiner der Beteiligten darin etwas Unrechtes zuerkennen raquoJede Sparkasse verschenkt doch Pfennigartikel wieKugelschreiber oder Wandkalender selbst an Kunden die nurein paar Mark an jaumlhrlichen Kontogebuumlhren einbringenlaquo mein-te einer der Flick-Bediensteten treuherzig

Doch mit der Erwaumlhnung einer der vielen Flick-Millionen-spenden sind wir schon mitten in der Praxis des Bonner Alltagsund koumlnnen die theoretischen Erwaumlgungen abschlieszligen Dennnun sollte jeder und jedem klar sein was Groszliges Geld ist undwelche Macht damit ausgeuumlbt wird

Gewiszlig laut Verfassung wird der die Richtlinien der Politikbestimmende Kanzler von der Bundestagsmehrheit gewaumlhltund uumlber deren Zusammensetzung entscheiden die Waumlhlerin-nen und Waumlhler in allgemeiner gleicher direkter und gehei-mer Wahl So bestimmt es das Grundgesetz in dessen Artikel20 Absatz 2 es folgerichtig heiszligt raquoAlle Staatsgewalt geht vomVolke auslaquo

Doch das war nicht immer so (wie das Kapitel raquoKurzerflug in die deutsche Geschichtelaquo es noch naumlher beschreibenwird) Hier soll es genuumlgen daran zu erinnern daszlig noch bis vorwenig mehr als 75 Jahren im groumlszligten Teil Deutschlands dassogenannte Dreiklassenwahlrecht galt bei dem es die Superrei-

chen weitaus bequemer hatten Es gab einigen wenigen Multi-millionaumlren ebenso viele Stimmen wie Zigtausenden von Nor-malverdienern und es entrechtete die Armen voumlllig ebensoalle Frauen und Jugendlichen Kurz die Superreichen brauch-ten keine Abgeordneten zu bestechen sondern bestimmtenselbst die Mehrheitsverhaumlltnisse

Dieser fuumlr das Groszlige Geld so angenehme Zustand endete1918 als das vom raquoEisernen Kanzlerlaquo Bismarck geschaffeneKaiserreich ruhmlos unterging

Indessen ging nur der Kaiser die Superreichen bliebenunter ihnen auch die Familie der Fuumlrsten Bismarck und dieHohenzollernprinzen als neu hinzugekommener Kriegsge-winnler des Ersten Weltkriegs auch Friedrich Flick Sie alle(oder ihre Erben) brachten ihre riesigen Vermoumlgen sicher durchdie Nachkriegswirren und die totale Geldentwertung die dendeutschen Mittelstand verarmen lieszlig und fanden neue Wegeder Machtausuumlbung zwecks weiterer Vermehrung ihres Reich-tums

Sie uumlberstanden die vierzehn Jahre der Weimarer Republikwurden in den folgenden zwoumllf Jahren der Nazi-Diktatur unddes Zweiten Weltkriegs noch um vieles reicher vor allemdurch Ruumlstungsauftraumlge Ausbeutung von Millionen Sklaven-arbeitern Pluumlnderung der eroberten Gebiete und raquoArisierunglaquojuumldischen Vermoumlgens und hatten auch nach der vollstaumlndigenNiederlage der groszligdeutschen Wehrmacht und dem Untergangder Hitler-Diktatur in den westlichen Besatzungszonen derspaumlteren Bundesrepublik keinen Grund zur Klage Das GroszligeGeld blieb unangetastet kam sicher durch die Krisenjahre derersten Nachkriegszeit wurde von der Waumlhrungsreform ver-schont und vermehrte sich dann geradezu explosionsartig alsdas raquoWirtschaftswunderlaquo einsetzte

Zwanzig Jahre lang wurde die Bundesrepublik im Zeichendes Kalten Krieges und der massiven Aufruumlstung von konserva-tiven Kanzlern regiert und zu einem Paradies der Superreichendie sich fuumlr Groszligverdiener maszliggeschneiderte Gesetze undSteuergeschenke noch und noch machen lieszligen und ihrerseitsden sie so gut bedienenden Politikern die Wahlkaumlmpfe finan-zierten

Ende der sechziger Jahre kam endlich ein Umschwung DieStudenten rebellierten gegen das konservative Establishmentgegen die von der Springer-Presse betriebene Volksverdum-mung gegen die zutiefst unmoralische undemokratische undunsoziale Herrschaft des Groszligen Geldes Mit Willy Brandtkam erstmals ein Kanzler ans Ruder der das Eis des KaltenKrieges zu brechen begann eine Friedenspolitik einleitete undein inneres Reformwerk in Gang setzte Seine ParoleDemokratie wagenlaquo fand groszligen Widerhall

Indessen sorgte der kleine Koalitionspartner des Bundes-kanzlers Willy Brandt (SPD) die FDP stets dafuumlr daszlig dieBaumlume nicht in den Himmel wuchsen sprich daszlig die Politikden Interessen des Groszligen Geldes nicht abtraumlglich war unddennoch betrieben damals rechtskonservative Kreise der Wirt-schaft bereits wenn auch zunaumlchst vergeblich den Sturz WillyBrandts indem sie Abgeordnete der Koalition mit betraumlchtli-chen Summen zum Abfall vom sozialliberalen Regierungslagerbewogen

Die damaligen Vorgaumlnge sind geradezu ein Musterbeispielfuumlr das direkte Einwirken des Groszligen Geldes auf die BonnerPolitik und deshalb seien sie zum besseren Verstaumlndnis dergegenwaumlrtigen Verhaumlltnisse im folgenden Kapitel kurz be-schrieben

Nichts zeigt deutlicher wie hohl Helmut Kohls staumlndig imMunde gefuumlhrte Phrase von der raquogeistig-moralischen Wendelaquoin Wahrheit ist als das Vorgehen seiner engsten Freunde undFoumlrderer (und sein eigenes Verhalten) im Fruumlhjahr 1972 alsschon die Weichen fuumlr den Aufstieg des raquoSchwarzen Riesenlaquoins Kanzleramt von den Repraumlsentanten des Groszligen Geldesgestellt wurden

In den spaumlten 1960er und fruumlhen siebziger Jahren war imWesten Deutschlands viel die Rede von raquomehr Mitbestim-munglaquo Genauer Alle Groszligunternehmen sollten nicht alleinvon den Kapitalgebern sondern im gleichen Umfang also pari-taumltisch auch von den Arbeitern und Angestellten in ihrergesamten Unternehmenspolitik bestimmt werden so wie esim Montanbereich bei Kohle und Stahl von der britischenBesatzungsmacht eingefuumlhrt worden war und sich glaumlnzendbewaumlhrt hatte

Allerdings waren den seit 1969 in Bonn regierenden Sozial-demokraten in dieser Frage die Haumlnde gebunden ihr Koaliti-onspartner die FDP hatte sich ausbedungen das ThemaraquoMitbestimmunglaquo fuumlr die Dauer des Regierungsbuumlndnissesraquoauszuklammernlaquo Um so intensiver nahmen sich die nun inder Opposition stehenden Christdemokraten der gewerkschaft-lichen Forderung an zumindest ihr damals starker raquolinkerlaquo Fluuml-gel unter Fuumlhrung von Norbert Bluumlm Gemeinsam mit demaufstrebenden Helmut Kohl damals schon Ministerpraumlsidentin Rheinland-Pfalz erarbeitete Bluumlm einen Mitbestimmungs-Entwurf fuumlr das CDU-Parteiprogramm der dann auf heftigenWiderstand der Herren des Groszligen Geldes stieszlig Der CSU-Schatzmeister und Mitgesellschafter des Flick-Konzerns DrWolfgang Pohle sah in dem BluumlmKohl-Entwurf bereits raquodieGrenzen zur Planwirtschaft gefaumlhrlich verwischtlaquo der dama-lige IIenkel-Konzernmanager Kurt Biedenkopf stieszlig ins selbeHorn und CDU-Rechtsauszligen Alfred Dregger sah schon denraquoKommunismus durch die Hintertuumlrlaquo in die Groszligunternehmendringen

Dennoch gab man dem BluumlmKohl-Entwurf reelle Chan-cen auf dem CDU-Parteitag vom Januar 1971 eine Mehrheit zuerhalten und ins Wahlprogramm der Union aufgenommen zu

werden zumal auch der damalige CDU-Vorsitzende RainerBarzel Mitbestimmungs-Sympathien zu hegen schien

Aber dann kam alles ganz anders Nachdem Kohl von einemFlick-Vertrauensmann dem Daimler-Personalchef Dr HannsMartin Schleyer aufgesucht und ins Gebet genommen wordenwar machte er sich daran ein raquoKompromiszlig-Papierlaquo zu entwer-fen Kohls neuer Entwurf sicherte dem Kapital die Herschaftraumlumte aber den Arbeitnehmern gewisse Mitwirkungsrechteein Es lohnt indessen nicht die Einzelheiten zu schildernDenn kaum war der urspruumlngliche BluumlmKohl-Entwurf aufdem Parteitag erwartungsgemaumlszlig gescheitert weil sich herum-gesprochen hatte daszlig Kohls allgemeine Zustim-mung linden wuumlrde da erwies es sich daszlig nicht einmal Hel-mut Kohl selbst fuumlr seinen eigenen Plan einzutreten bereit warEr empfahl statt dessen einen Entwurf der Industrie undstimmte fuumlr diesen

Damit hatte Helmut Kohl -vom Standpunkt der Herren desGroszligen Geldes gesehen seine Bewaumlhrungsprobe bestandenauch wenn er dann bei der Kandidatur fuumlr den CDU-Parteivor-sitz gegen Rainer Barzel ein letztes Mal unterlag Der erbosteNorbert Bluumlm aber lieszlig sich vor der Presse zu der Aumluszligerunghinreiszligen raquoWir sind eben doch eine Unternehmerparteilaquo

Rainer Barzel erkannte nun in Helmut Kohl seinenlichsten Rivalen den es abzuschuumltteln galt So wagte er imFruumlhjahr 1972 den Versuch Kanzler Willy Brandt durch ein kon-struktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzen

Der kuumlhne Versuch anstelle von Brandt Kanzler zu werdenund damit jede innerparteiliche Konkurrenz auszustechen miszlig-lang und uumlberdies verlor die von Barzel gefuumlhrte Union auchdie Bundestagswahl vom November 1972 Der raquogluumlckloselaquozel den seine Partei und deren Geldgeber daraufhin gern kalt-gestellt haumltten war aber keineswegs bereit freiwillig einem an-deren Platz zu machen und er hielt auch noch einige Truumlmpfebereit die er auszuspielen drohte falls man versuchen wuumlrdeihn beiseite zu schieben Seine Drohungen zeigten erheblicheWirkung und nun war guter Rat wirklich sehr teuer

Es begann was in den geheimen erst zehn Jahre spaumlteroumlffentlich bekanntgewordenen Aufzeichnungen des

gen Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard v Brauchitsch als raquokon-zertierte Aktionlaquo bezeichnet wurde Von CDU-Seite wurdenHeinrich Koumlppler und Helmut Kohl aktiv auf Unternehmer-seite Professor Kurt Biedenkopf vom Henkel-Konzern derunvermeidliche Flick-Vertrauensmann Dr Hanns MartinSchleyer und natuumlrlich auch vBrauchitsch sodann GuidoSandler vom Oetker-Konzern endlich auch Konrad Henkelder Chef des Henkel-Konzerns Das Ergebnis war daszlig RainerBarzel ein raquoweicher Falllaquo angeboten werden konnte Zu seinenstattlichen regulaumlren Bezuumlgen sollten jaumlhrlich 250 bis300000 DM Honorare kommen die ihm der FrankfurterRechtsanwalt Dr Paul zukommen lassen wuumlrde der seinerseitsdas Geld von raquoIndustriemandantenlaquo bekaumlme Und genausogeschah es

Zehn Jahre spaumlter schrieb Erich Boumlhme daruumlber im raquoSpiegellaquounter der Uumlberschrift Dr Kohllaquo

raquoRainer Candidus Barzel der gescheiterte Kanzleraspirantdes Jahres 1972 dessen salbungsvolle Tiraden die DeutschenAnfang der siebziger Jahre uumlberreichlich genervt hatten undden die Union schlieszliglich aus Fraktions- und Parteivorsitzhebelte waumlre nie zum gtsozialen Falllt geworden Trotz einschlauml-giger Sorgen die der damalige Kohl-Intimus Kurt Biedenkopfdem Barzel-Nachfolger Kohl aktenkundig machte Durch-schlag an das Haus Flick versteht sich Das Haus Flickzahlte Barzel kassierte (mit zusaumltzlichen Garnierungen vonder Chase Manhattan Bank und vom Hause Oetker) der erfolg-lose CDU-Chef raumlumte ohne Gezeter das Feld Das Flick-Kuumlrzel Dr hatte seinen Zweck erfuumlllt wg DrKohl dessen Chefstuhl mit eintausendsiebenhundert Flick-Tausendern Millionen DM) freigefaumlchelt worden warlaquo

Auch Barzel-Nachfolger Kohl war zunaumlchst gluumlcklos 1976trat er als Kanzlerkandidat der Union an und unterlag bei denBundestagswahlen 1980 wurde Kohls Rivale Franz JosefStrauszlig als Kanzlerkandidat nominiert und scheiterte ebenfallsAber dann am 1 Oktober 1982 kam Helmut Kohls groszligeStunde Mit Hilfe der abgefallenen raquoGruppe Genscher-Lambs-dorfflaquo der FDP wurde der gewaumlhlte Bundeskanzler HelmutSchmidt (SPD) durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum

gestuumlrzt Kohl zum Kanzler gewaumlhlt mit einer Mehrheit vonsieben Stimmen und gegen den erklaumlrten Willen jener Waumlhlerdenen Genscher im Herbst 1980 feierlich versprochen hatte erwerde raquovier Jahre als zuverlaumlssiger und aufrichtiger Partnerlaquomit Helmut Schmidt und der SPD die Koalition fortsetzen

Ein Drittel der FDP-Bundestagsfraktion darunter fast alleFrauen verweigerte Genscher und dem Grafen Lambsdorffdie Gefolgschaft bei diesem Betrug am Waumlhler Aber seither istKohl Bundeskanzler und regiert die BRD auf eine Weise diehaargenau den Wuumlnschen derer entspricht die mit Hilfe derMacht des Groszligen Geldes den Kanzlerwechsel langfristig vor-bereitet und dann herbeigefuumlhrt hatten

Warum war ihre Wahl auf den Pfaumllzer Helmut Kohl gefallenWodurch hatte er sich vor anderen Bewerbern um das Kanzler-amt ausgezeichnet und die Gunst der Herren des Groszligen Gel-des erworben so daszlig sie ihm zunaumlchst den Chef-Sessel derCDU mit fast zwei Millionen Mark Barzel-Abfindung raquofreigefauml-cheltlaquo und schlieszliglich auch die zur Kanzlerwahl fehlendenStimmen raquobeschafftlaquo hatten Ja wer war uumlberhaupt dieser Hel-mut Kohl den die meisten Bundesbuumlrger nur als jungen Lan-desvater von Rheinland-Pfalz und als Wahlverlierer von 1976kannten

Helmut Kohls politische Karriere begann in seiner wirtschaft-lich vom Chemie-Riesen BASF beherrschten traditionell vonder SPD regierten -Heimatstadt Ludwigshafen Dort war er am3 April 1930 als Sohn eines kleinbuumlrgerlichen Finanzbeamtenzur Welt gekommen

Kohls autorisierter Biograph Karl Guumlnter Simon der demheutigen Kanzler in seinem 1969 erschienenen Buch raquoDieKronprinzenlaquo immerhin schon ein knappes Dutzend Seitengewidmet hat berichtet darin daszlig Helmut (raquoHellelaquo) Kohl raquoausschwarzem Elternhauslaquo stamme daszlig der kraumlftige hochgewach-sene Oberrealschuumller schon 1949 im ersten Bundestagswahl-kampf fuumlr die CDU als Redner aufgetreten sei (und zwar wieFreunde und Gegner uumlbereinstimmend sich erinnern raquolauthemdsaumlrmelig und naszligforschlaquo) und daszlig er dann langsamraquoSchritt fuumlr Schrittlaquo Karriere gemacht habe

Schon als 17jaumlhriger war Kohl der Jungen Union beigetretenmit 25 Jahren wurde er bereits Mitglied des rheinland-pfaumllzi-schen CDU-Landesvorstands mit 28 Jahren Kreisvorsitzenderin Ludwigshafen und juumlngster Landtagsabgeordneter im Main-zer Parlament Nach dem Wunsch seiner Eltern studierte erzunaumlchst Rechtswissenschaft in Heidelberg denn er solltehoumlherer Beamter werden Aber er interessierte sich nur fuumlr Poli-tik genauer fuumlr seine eigene politische Karriere Geld ver-diente er sich nebenher erst als Praktikant bei der BASF alsDirektionsassistent bei der Eisengieszligerei Mock als kaufmaumlnni-scher Volontaumlr bei der Miederwarenfabrik raquoFelinalaquo dann alsReferent des Landesverbands der chemischen Industrie vonRheinland-Pfalz-Saar in Ludwigshafen Ehe er dort -mit einemAnfangsgehalt von DM spaumlter 3 000 DM-seine Taumltigkeitaufnahm erwarb er nach immerhin neun Jahren oder 18Semestern die seit seinem Abitur vergangen waren den Dok-torgrad nicht den juristischen denn er hatte im 5 Semesterumgesattelt sondern den Dr phil des Fachs Geschichte miteiner 160 Schreibmaschinenseiten umfassenden vornehmlichaus sorgsam gesammelten Zeitungsmeldungen bestehendenArbeit zum Thema raquoDie politische Entwicklung in der Pfalzund das Wiedererstehen der Parteien nach

Dr Kohls Sternstunde kam wenn man seinen BiographenGlauben schenken darf am 3 April 1959 seinem 29 Geburts-tag mitten im rheinpfalzischen Landtagswahlkampf Kohl kan-didierte zum ersten Mal und nun stand ihm so beschrieb esLothar Wittmann raquoein groszliger Auftritt bevor Konrad Ade-nauer wird zu einer Groszligveranstaltung erwartet Im hochrotenLudwigshafen soll der Besuch des Kanzlers zu einer eindrucks-vollen Demonstration der Schwarzenlaquo werden Zu diesemBehuf hat CDU-Geschaumlftsfuumlhrer Fritze Keller zwei gewal-tige Wurstmarktzelte aus Bad Duumlrkheim auf dem Marktplatzaufstellen lassen (Sie) fassen 8 000 Besucher KleinmuumltigeZweifler haben Kohl vor solchen Ausmaszligen gewarnt 20Minuten vor Beginn der auf 20 Uhr angesetzten Versammlungist die Nervositaumlt groszlig Uumlber Polizeifunk wird angekuumlndigt daszligder Kanzlerwagen bereits Darmstadt passiert hat und die Zeltesind erst zu houmlchstens 20 Prozent gefuumlllt Wenn der Besucher-

strom so duumlnn bleibt wird es eine Blamage geben Kurz ent-schlossen dirigiert Kohl den Kanzlerkonvoi ins Hotel St Hu-bertus um Der geplagte Kanzler muszlig die Moumlglichkeit habensich vor dem Auftritt noch etwas frisch zu machen

Als der Kanzler dann eintrifft sind die Zelte brechendvoll Der Zustrom hat in letzter Minute und schlagartig ein-gesetzt Drei Redner an diesem Abend Helmut Kohl haumllt eineschwungvolle Begruumlszligungsrede dann Peter Altmeier der(rheinland-pfalzische) Ministerpraumlsident dann Konrad Ade-nauer Helmut Kohl bringt enthusiastische Stimmung ins Zelter spricht angriffslustig wettert gegen Herbert Wehners Agitati-onsbesuch in der BASF Droht die Politisierung der BetriebeKonrad Adenauer wird aufmerksam mustert interessiert denlangaufgeschossenen Nachwuchsredner fragt seinen Nach-barn Peter Altmeier wer denn dieser hoffnungsvolle jungeMann seilaquo und ernennt so moumlchte man vermuten wennman dieser eindrucksvollen Schilderung gefolgt ist HelmutKohl sogleich zu seinem politischen Enkel und spaumlteren Nach-folger

Dies war jedoch keineswegs der Fall die Ernennung zumAdenauer-Enkel nahm Helmut Kohl spaumlter selber vor undauch die wunderbare Publikumsvermehrung in den Ludwigs-hafener Zelten kam nicht von ungefaumlhr Sie hatte viel ArbeitAnstrengung und Hilfe von den Unternehmern aus demUmland erfordert von denen einer sich ruumlhmte er habe es sich12 000 DM kosten lassen raquoseine Leutelaquo in Bussen raquoheranzukar-ren ihnen 5 Mark pro Kopf spendiert fuumlr Verzehr und damitKohls Schau gerettetlaquo

Wie dem auch sei Jedenfalls ist eines sicher naumlmlich daszligHelmut Kohl damals schon einen millionenschweren Industri-ellen zum Freund und Foumlrderer hatte der Kohls Talente ZU

schaumltzen wuszligte und wie er spaumlter wiederholt erklaumlrte raquoeinenguten Riecherlaquo fuumlr kommende Spitzenpolitiker hatte die sichihren Maumlzenen dann als sehr nuumltzlich erweisen konnten

Helmut Kohls damaliger reicher Goumlnner war uumlbrigens derGroszligaktionaumlr und Vorstandsvorsitzende eines aufbluumlhendenUnternehmens mit uumlber zweitausend Beschaumlftigten in der vonLudwigshafen nur acht Kilometer entfernten pfaumllzischen

stadt Frankenthal Fast zwei Jahrzehnte lang waumlhrend ausdem Ludwigshafener JU-Fuumlhrer ein Stadtrat dann ein CDU-Landtagsabgeordneter Fraktionsvorsitzender schlieszliglich so-gar ein rheinland-pfaumllzischer Ministerpraumlsident CDU-Bun-desvorsitzender und Kanzlerkandidat wurde war Helmut Kohlein haumlufiger Gast in der Frankenthaler Industriellen-Villa Inallen diesen Jahren gab es zwischen Kohl und seinem reichenGoumlnner viele Gespraumlche uumlber politische und wirtschaftlicheFragen Der junge Politiker Kohl holte sich manchen Rat vonseinem um 23 Jahre aumllteren beinahe vaumlterlichen Freund lieszligsich von diesem erzaumlhlen wie man aus sehr bescheidenenAnfangen uumlber Krieg Niederlage und Waumlhrungsreform hin-weg zu Multimillionaumlrs- und Konzernherren-Houmlhen aufsteigtund er scheint sich damals vorgenommen zu haben es seinemFoumlrderer gleichzutun zumindest hinsichtlich eines ruumlcksichts-losen Gebrauchs der Ellbogen und eines Mindestmaszliges anmoralischen Skrupeln sowie einer sorgfaumlltigen Pflege dessenwas sein erfahrener Goumlnner raquonuumltzliche Beziehungenlaquo zu nen-nen pflegte

Tatsaumlchlich hatte dieser Frankenthaler Industrielle glaumln-zende Verbindungen und sogar enge freundschaftliche Bezie-hungen zu bereits arrivierten und kommenden Spitzenleutenaus Politik und Wirtschaft Einigen davon praumlsentierte undempfahl er seinen Schuumltzling Helmut Kohl und auch sonstkonnte der steinreiche Konzernchef dem aufsteigenden Jung-politiker auf mancherlei Weise behilflich sein

Natuumlrlich stellte Helmut Kohl seinem Foumlrderer auch dasMaumldchen vor mit dem er sich zu verloben und wie es fuumlreinen christlichen Politiker obligatorisch war in Baumllde zu ver-heiraten gedachte und erst nachdem Kohls einstige Tanzstun-denfreundin und zukuumlnftige Ehefrau Hannelore von der Fami-lie des Frankenthaler Industriellen in Augenschein genommenworden war traf der angehende Landespolitiker Vorbereitun-gen fuumlr die Gruumlndung eines eigenen Hausstands Zwei Monatenach seinem Einzug ins Mainzer Landesparlament verheira-tete er sich mit Hannelore Renner

Nun konnte Helmut Kohl seinem Foumlrderer hie und da auchschon ein paar Gefaumllligkeiten erweisen denn sein Einfluszlig in

der Mainzer CDU-Fraktion war von Anfang an groszlig und ande-rerseits steigerte der reiche Industrielle das Ansehen des juumlng-sten Abgeordneten indem er diesen mitnahm auf eine Afrika-reise wie sie sich damals Anfang der sechziger Jahre ein nochunbekannter Provinzpolitiker kaum zu ertraumlumen wagte FrauHannelore durfte derweilen mit der Gattin des IndustriellenFerien im schweizerischen Zermatt machen wo den Damenein luxurioumlses Chalet Zurverfuumlgung stand Die Traumreise aufdie Kohl damals von seinem noblen Goumlnner mitgenommenwurde ging ins Koumlnigreich Marokko dessen Honorarkonsulfuumlr Rheinland-Pfalz sein vaumlterlicher Freund geworden war undsie wurde fuumlr Helmut Kohl zu einem Erlebnis wie aus Tausend-undeiner Nacht Uumlbrigens es sei hier nur am Rand vermerktweil es das harte Urteil vieler anderer politischer Freunde wieGegner uumlber den jungen Politiker Kohl bestaumltigt Auch der ihmso wohlwollende Industrielle ruumlgte gerade im Anschluszlig andiese Marokkoreise die miserablen Umgangsformen seinesSchuumltzlings Wie schon gelegentlich zuvor und noch oftmalsspaumlter als Kohl schon laumlngst Ministerpraumlsident in Mainz gewor-den war bedauerte der Herr Konsul wenngleich nur im enge-ren Familien- und Freundeskreis das raquoungehobelte Beneh-menlaquo Kohls und sein raquoschrecklich ruumlcksichts- und taktlosesAuftretenlaquo Der engste Freund des Herrn Konsuls dem erdavon erzaumlhlte lachte indessen nur und sagte wie er spaumlterdem Autor selbst erzaumlhlte - raquoLaszlig man Fritz wenn er werdensoll was wir uns ausgedacht haben kann er gar nicht ruumlcksichts-los genug seinlaquo

Uumlbrigens der bislang verschwiegene Name des Kohl-Ent-deckers und langjaumlhrigen -Goumlnners war Dr Fritz Ries damali-ger Chef und Groszligaktionaumlr des raquoPegulanlaquo-Konzerns mitHauptsitz in Frankenthal Dessen alter Freund einstiger Kom-militone und bei der Heidelberger schlagendenVerbindung raquoSuevialaquo und spaumlterer stellvertretender Vorsitzen-der des raquoPegulanlaquo-Aufsichtsrats aber hieszlig Dr Hanns MartinSchleyer war bereits der Vertrauensmann des Daimler-Groszlig-aktionaumlrs Friedrich Flick in der Untertuumlrkheimer Konzernzen-trale und bald auch stellvertretender Vorsitzender vonsamtmetalllaquo sowie Vizepraumlsident der Arbeitgebervereinigung

Er sollte noch houmlher aufsteigen ehe er im Herbst 1977 von Ter-roristen entfuumlhrt und ermordet wurde doch in unseremZusammenhang ist zunaumlchst nur von Bedeutung daszlig es DrRies und Dr Schleyer waren die den Jungpolitiker HelmutKohl raquovormerktenlaquo fuumlr zukuumlnftige Jahre wenn eine raquoBundes-regierung nach Maszliglaquo und nach dem Herzen der groszligen Kon-zerne aufzustellen sein wuumlrde

Wir werden auf Dr Fritz Ries und Dr Hanns MartinSchleyer noch einmal zuruumlckkommen doch hier sei uumlber Riesnur noch angemerkt daszlig es fuumlr den raquoPegulanlaquo-Konzern unddessen Produkte vor allem Fuszligbodenbelaumlge aus Kunststoff1975 eine Absatzkrise gab Nur durch eine Landesbuumlrgschaft inMillionenhoumlhe konnten die Banken bewogen werden demUnternehmen noch einmal uumlber die Runden zu helfen DasFachblatt raquoWirtschaftswochelaquo meldete dazu am 5 Maumlrz 1976raquoTatsaumlchlich muumlssen die Finanzkalamitaumlten bei Ries und den

Pegulan-Werken noch gravierender sein als in der vom23 Januar 1976 dargestellt Der rheinland-pfalzische Finanzmi-nister Johann Wilhelm Gaddum muszligte dem SPD-Abgeordne-ten Rainer Rund auf eine Anfrage zur Pegulan-Krise denn aucheingestehen Landesbuumlrgschaften werden nur dann gewaumlhrtwenn die Sicherheiten im Sinne der Beleihungsgrundsaumltze derKreditinstitute nicht ausreichen Im Klartext heiszligt das lan haumltte ohne die Buumlrgschaft des Landes keinen Kredit mehrbekommen Ob indes diese Landeshilfe allein wegen dergefaumlhrdeten Arbeitsplaumltze zugesagt wurde oder ob der CDU-Kanzlerkandidat und Rheinland-Pfalz-Chef Kohl zusaumltzlichein gutes Wort fuumlr Ries einlegte bleibt offenlaquo

Offen bleibt auch ob der sowohl von der serioumlsen raquoWirt-schaftswochelaquo als auch vom exklusiven raquoManager-Magazinlaquoverbreitete angebliche Ries-Ausspruch uumlber Kohl -raquoAuch ich ihn nachts um drei anrufe muss er springen laquo- korrekt wieder-gegeben worden ist Immerhin bezeichneten Ries-TochterMonika und deren Ehemann Rechtsanwalt Herbert Krall die-

Mit Gewiszligheit laumlszligt sich nur sagen daszlig das damals von Hel-mut Kohl gefuumlhrte Land Rheinland-Pfalz den Konzern des Dr

Ries durch Uumlbernahme von Buumlrgschaften in Millionenhoumlhelange vor dem Zusammenbruch bewahrt hat Dabei hat moumlgli-cherweise der Umstand eine Rolle gespielt daszlig dem Ries-Kon-zern schon zuvor bedeutende Landesmittel zuteil gewordenwaren deren Gesamthoumlhe von Fachleuten auf zig MillionenDM veranschlagt wurde

Ebenfalls durch Kohl zuteil geworden war Dr Fritz Ries imFebruar 1972 der Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuzeine ungewoumlhnliche Ehrung fuumlr einen Mann dessen raquounter-nehmerische Leistung und Engagement fuumlr die Gesellschaftlaquowie es in der Verleihungsurkunde hieszlig wahrlich nicht unum-stritten waren Denn Fritz Ries Kohls raquoWeichenstellerlaquo vonihm auch manchmal als raquoder gute Mensch von Frankenthallaquobezeichnet hatte eine recht dunkle unternehmerische Vergan-genheit Der am 4 Februar 1907 in Saarbruumlcken geborene FritzRies Sohn des Inhabers einer Moumlbelhandlung hatte nach demAbitur ein Jurastudium begonnen erst in Koumlln dann in Heidel-berg wo er-wie schon kurz erwaumlhnt den acht Jahre juumlngerenKorpsstudenten Hanns Martin Schleyer als raquoLeibfuchslaquo unterseine Fittiche nahm

Schleyer es sei hier nur am Rande angemerkt war als Sohneines Landgerichtsdirektors in OffenburgBaden 1915 geborenworden und bereits als Schuumller 1931 der Hitlerjugend beigetre-ten 1933 in die SS aufgenommen worden (Mitgliedsnummer227014) und galt mit 19 Jahren schon als raquoAlter Kaumlmpferlaquo dervon 1934 an die Universitaumlt Heidelberg in eine raquoForschungs-und Erziehungsanstalt nationalsozialistischer Praumlgunglaquo zu ver-wandeln sich bemuumlhte Er leitete dort spaumlter auch in Inns-bruck dann in Prag das sogenannte raquoStudentenwerklaquo aus des-sen SS-Mannschaftshaumlusern der Sicherheitsdienst (SD) derNazis seinen Nachwuchs rekrutierte Von 1939 an stand derSS-Fuumlhrer Dr Schleyer im neuen raquoProtektorat Boumlhmen undMaumlhrenlaquo an der Spitze der gesamten SS-raquoHochschularbeitlaquoihm unterstanden rund 160 Angestellte und sein Jahresetatbetrug rund zehn Millionen Reichsmark

Von 1939 an war SS-Hauptsturmfuumlhrer Dr Schleyer einemMann direkt unterstellt der als Chef des raquoReichssicherheits-hauptamteslaquo an der Spitze des SD der Gestapo und der

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ten Polizei stand SS-Obergruppenfuumlhrer Reinhard HeydrichIm September 1941 wurde Heydrich unter Beibehaltung seinerMachtstellung im Reich auch noch Stellvertreter des Reichspro-tektors von Boumlhmen und Maumlhren und damit der eigentlicheHerrscher in der Tschechoslowakei Dr Schleyer seine rechteHand und Kontrolleur der tschechoslowakischen Industrie biszum letzten Tag der deutschen Besatzung Erst am 8 Mai 1945schlug er sich mit den letzten SS-Verbaumlnden unter Mitnahmevon Geiseln tschechischen Frauen und Kindern zu den schonkurz vor Prag stehenden Amerikanern durch und wurde vondiesen interniert und einige Jahre lang gefangengehalten

Doch zuruumlck zu Fritz Ries der sich beim HeidelbergerKorps raquoSuevialaquo bei Mensuren jene raquoSchmisselaquo genanntenFechtnarben holte die fuumlr eine Karriere damals sehr foumlrderlichwaren Unmittelbar vor dem Verbot der korpsstudentischenMensuren forderte Ries noch einen Kommilitonen der seineEhre verletzt hatte auf Pistolen wobei ihm sein raquoLeibfuchslaquoSchleyer wie dieser sich erinnerte und dem Autor lachenderzaumlhlte die Waffe zum Kampfplatz trug

Schon kurz darauf beendete Fritz Ries sein Studium als Drjur und begann sogleich -im Herbst 1934 seine Unternehmer-karriere nachdem er im Jahr zuvor der Nazipartei beigetretenwar und die Tochter des wohlhabenden Rheydter ZahnarztesDr Heinemann geheiratet hatte Mit schwiegervaumlterlichemGeld entfaltete er wie er selbst in einem Schreiben an einehohe Nazi-Parteistelle ohne falsche Bescheidenheit anfuumlhrte raquoeine auszligerordentliche unternehmerische Aktivitaumltlaquo Er hatteeine Leipziger Gummiwarenfabrik Fluumlgel Polter erworbenund diesen 120-Mann-Betrieb in wenigen Jahren zu einem mitt-leren Konzern ausgebaut fast ausschlieszliglich mit Hilfe soge-nannter raquoArisierungenlaquo

Durch die judenfeindliche Politik der Nazis waren die fruumlhe-ren Eigentuumlmer gezwungen ihre Unternehmen weit unterdem tatsaumlchlichen Wert und zu demuumltigenden Bedingungen anraquoArierlaquo wie Dr Ries zu verkaufen Anzumerken ist daszlig DrRies innerhalb kuumlrzester Zeit zum branchenbeherrschendenPraumlservativ-Hersteller des raquoGroszligdeutschen Reicheslaquo aufruumlckteund fuumlr seine ruumlde auch im raquoangeschlossenenlaquo Oumlsterreich prak-

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tizierte raquoArisierungslaquopolitik starke Ruumlckendeckung durch dieNazi-Partei erhielt

Vom Herbst 1939 an also gleich nach Beginn des ZweitenWeltkrieges wurde der Ries-Konzern raquoauf den Kriegsbedarfder Wehrmacht umgestellt und stark erweitertlaquo Die Beschaumlftig-tenzahl hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt verzehnfacht derUmsatz war auf mehr als das Zwanzigfache gestiegen und balderreichten die Umsaumltze und Gewinne geradezu schwindelndeHoumlhen Denn von 1941 an konnte Dr Ries seinen Gummikon-zern auf die eroberten polnischen Gebiete ausdehnen immerneue Betriebe raquouumlbernehmenlaquo dabei unterstuumltzt von einemeigens fuumlr solche Aufgaben engagierten SS-Standartenfuumlhrerim Sicherheitsdienst (SD) Herbert Packebusch

Packebusch nach dem die Staatsanwaltschaft Kiel wegendringenden Verdachts des Mordes in zahlreichen Faumlllen nochJahrzehnte nach Kriegsende vergeblich fahndete half Dr Riesauch bei der Beschaffung von Arbeitskraumlften So arbeitetenallein in einem der Ries-Betriebe im eroberten Polen denraquoOberschlesischen Gummiwerkenlaquo in Trzebiniazien) laut einer raquoGefolgschaftsuumlbersichtlaquo vom 30 Juni 1942insgesamt 2 653 juumldische Zwangsarbeiter davon 2 160 Frauenund Maumldchen Vornehmlich mit deren Hilfe sprich aufgrundruumlcksichtsloser Ausbeutung stieg der Umsatz in Trzebinia von101861 RM im Dezember 1941 auf 1300 619 RM im April 1942also binnen vier Monaten auf mehr als das Zwoumllffache

Die erhalten gebliebenen Berichte des deutschen Aufsichts-personals geben Einblick in die im Ries-Werk Trzebinia damalsherrschenden schrecklichen Zustaumlnde zeigen die rigorose Aus-beutung und die taumlglichen Miszlighandlungen der fuumlr Dr Riesschuftenden Frauen und Maumldchen

So erging folgende Anordnung raquoWir haben den Arbeitskraumlf-ten erklaumlrt daszlig die Arbeitsleistung in den naumlchsten Tagenwesentlich gesteigert werden muszlig da wir sonst annehmendaszlig die Arbeit sabotiert wirdlaquo was nach Lage der Dinge eineklare Morddrohung war denn nachlassende Leistung oder garSabotage wurde mit sofortiger raquoUmsiedlunglaquo in das knapp 20Kilometer entfernte KZ Auschwitz geahndet wo raquoArbeitsunfauml-higelaquo sofort vergast wurden

Da die deutschen Behoumlrden aber bereits damit begannenalle Juden der Gegend ohne Ruumlcksicht auf ihren Wert alsArbeitskraumlfte der raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquo des DrRies nach Auschwitz zu schaffen beschloszlig dieser raquoVollblutun-ternehmerlaquo aus der Not eine Tugend zu machen zumindestfuumlr sich selbst Weil am Ende sicherlich auch diese letzten Fach-kraumlfte raquoumgesiedeltlaquo werden wuumlrden zwecks spaumlterer Ermor-dung wie alle Beteiligten wuszligten - galt es Vorsorge fuumlr seinenKonzern zu treffen Da hatte nun ein trefflicher Ries-Mitarbei-ter die Idee die nach Auschwitz raquoumgesiedeltenlaquo und dort aufihren Tod wartenden Juden nicht unproduktiv im KZ herumsit-zen zu lassen sondern ihre Wartezeit mit nutzbringenderArbeit fuumlr den Ries-Konzern auszufuumlllen

Und so geschah es Im Lager Auschwitz wurde eine raquoGroszlig-nebenstellelaquo errichtet raquoEs stehen in Kuumlrze etwa 3 000 bis 5 000weibliche Arbeitskraumlfte zur Verfuumlgunglaquo heiszligt es in der Mel-dung vom 10 Juli 1942 Die erforderlichen Naumlh- und sonstigenMaschinen aus dem Besitz schon ermordeter juumldischer Hand-werker kaufte der Ries-Konzern der SS billig ab und fortanbrauchte sich Dr Ries der in einer schoumlnen eigens fuumlr ihn

in Trzebinia wohnte um diemorallaquo seiner Belegschaft nicht mehr zu sorgen Darum kuumlm-merte sich die SS und die raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquolieferten nur das zu verarbeitende Material und holten die fer-tige Ware im KZ ab um sie mit sattem Gewinn an die Wehr-macht und andere Abnehmer zu verkaufen

Wie in Ostoberschlesien und Galizien so hatte Dr Riesnoch einige weitere Produktionsstaumltten im annektierten Polenin Konzernbesitz gebracht unter anderen einen Groszligbetriebin Lodz das die Deutschen in raquoLitzmannstadtlaquo umgetaufthatten

Natuumlrlich arbeiteten auch die raquoGummiwerke Warthelandlaquowie Dr Ries seine Lodzer Erwerbung nannte erst mit juumldi-schen dann mit polnischen Zwangsarbeitern nur die Aufseherund das Wachpersonal erhielten regulaumlre Bezahlung

Nebenbei bemerkt auch die deutschen raquoGefolgschaftsmit-gliederlaquo wurden bespitzelt und raquovertraulichlaquo gemeldet etwawenn sie den katholischen Gottesdienst besucht hatten Und

schlieszliglich ging die Brutalitaumlt im Ries-Konzern so weit daszlig diepolnischen Arbeitskraumlfte zumeist junge Frauen und Maumldchennicht nur nach beendeter Schicht in einem Barackenlager unterAufsicht gestellt sondern auch waumlhrend der Arbeitszeit imSaal eingeschlossen und nach Schluszlig der Arbeit durchsuchtwurden Verantwortlich fuumlr diese und andere raquoenergischelaquoMaszlignahmen war ein von Dr Ries im zweiten Halbjahr 1944 ein-gestellter neuer Direktor der am 30 Oktober 1944 auch schrift-lich anordnete daszlig jeder der mehr als einmal anseinem Arbeitsplatz unentschuldigt fehlte zur raquoauszligerbetrieb-lichen Bestrafunglaquo durch die Gestapo zu bringen sei

Zu dieser Zeit war die raquoVerlagerunglaquo- das heiszligt der Abtrans-port nach Westen von allem was nicht niet- und nagelfest war bereits in vollem Gange und der neue Direktor erwarb sich beider Rettung des Ries-Besitzes vor der anruumlckenden RotenArmee raquodurch Umsicht Schneidigkeit und Haumlrtelaquo wie Dr Riesihm bescheinigte groszlige Verdienste

Der Name dieses neuen Direktors der ein Kaumlmpferlaquoder Nazipartei und zuletzt Leiter einer Dienststelle im schongeraumlumten Krakau gewesen war soll hier nicht verschwiegenwerden Es handelte sich um Artur Missbach einen spaumlterenCDU-Bundestagsabgeordneten der als solcher vor allem da-durch von sich reden machte daszlig er Ende der sechziger Jahreauf amtlichem Papier des Bundestags Werbebriefe fuumlr dieInvestment-Schwindelfirma IOS verschickte Mit dem Bundes-adler im Briefkopf pries MdB Missbach damals die IOS-Zertifi-kate als raquodie derzeit beste und sicherste Anlage mit der houmlch-sten Renditelaquo an und gleichzeitig verkaufte er unter demDecknamen raquoSebastian Bachlaquo fuumlr mindestens drei MillionenDollar IOS-Anteile an deutsche Sparer die den -wegen Steuer-hinterziehung landesfluumlchtigen raquoSebastian Bachlaquo dann eben-so verfluchten wie ihre wertlos gewordenen Papiere

Doch zuruumlck zu Dr Ries dem mit seinem Direktor Miss-bach sehr zufriedenen Konzernchef der im Winterseine riesige Beute aus Polen mit Lastwagen-Konvois undGuumlterzuumlgen weit nach Westen raquoverlagertelaquo und was die Bar-geldbestaumlnde des Konzerns betraf so erinnerte sich Ries-Toch-ter Monika der 17 Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart im

Prozeszlig um das Buch raquoGroszliges Bundesverdienstkreuzlaquo als Zeu-gin benannt deutlich daran wie sich ihr Vater im Familien-kreis am abendlichen Kaminfeuer haumlufig mit Stolz dazubekannt hat anno 1945 raquoRiesensummen persoumlnlich und koffer-weise nach Westen geschafftlaquo zu haben

Fuumlnf Jahre spaumlter indessen am 28 November 1950 schil-derte Dr Ries seine Lage gegen und nach Kriegsende folgen-dermaszligen raquo1944 gruumlndete ich die Gummiwerke Hoya GmbHMit dieser Gruumlndung wollte ich lediglich einen Teil der Maschi-nen aus den mir gefaumlhrdet erscheinenden oumlstlichen Gebietenretten Tatsaumlchlich waren bei Kriegsende in Hoya neue Maschi-nen fuumlr etwa 15 Millionen RM gelagert Weiterhin standenmir bei Beendigung des Krieges einige hunderttausend MeterStoff zur Verfuumlgunglaquo Um einen Teil des kofferweise gerette-ten aber immer wertloser werdenden Bargelds anzulegenerwarb Dr Ries kurz nach Kriegsende auf der am weitestenwestlich gelegenen deutschen Nordseeinsel Borkum raquoKoumlhlersStrandhotellaquo das groumlszligte Haus am Platze Es stellte nach heuti-gen Maszligstaumlben ein Multimillionenobjekt dar Was aber derBesitz von raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo in den Not-jahren 1945-48 bedeutete laumlszligt sich heute uumlberhaupt nicht mehrermessen Schon mit drei Metern Anzug- oder Mantelstoffkonnte man bis zur Wahrungsreform vom Juni 1948 durchTausch oder Verkauf auf dem Schwarzen Markt die Ernaumlhrungeiner fuumlnfkoumlpfigen Familie fuumlr mindestens zwei Monate sicher-stellen Mit raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo haumltte mandie Lebensmittelversorgung einer Groszligstadt waumlhrend sechsDekaden gewaumlhrleisten koumlnnen als die amtlichen Rationenwie 1947 in Wuppertal bei nur noch 650 Kalorien pro Tag lagen

Jedenfalls darf man sagen daszlig Dr Ries die Nazi-Diktaturund den Zweiten Weltkrieg nicht nur heil sondern geradezuglaumlnzend uumlberstanden hatte ebenso die Wirren das Elend undden Hunger der ersten Nachkriegsjahre In Polen waren ihm

Die Machenschaften des Dr Fritz Ries deren Entdeckung und Veroumlffentli-chung durch den Autor dieses Schwarzbuches und die Auswirkungen der Ver-oumlffentlichung sind ausfuumlhrlich dargestellt in dem Taschenbuch raquoGroszliges Bun-desverdienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

Abermillionen an Kriegsbeute zuteil geworden nicht nur wert-volle zum Teil fabrikneue Maschinen waggonweise TextilienAutoreifen Gummistiefel -schuhe und Maumlntel sondern auchkofferweise Bargeld dazu Unmengen von KunstgegenstaumlndenTeppichen und Juwelen sowie wie die erhalten gebliebenenDokumente beweisen die Wertsachen seiner Arbeitssklavender Schmuck und das Zahngold der geschundenen MaumlnnerFrauen und Kinder

Um so erstaunlicher ist es daszlig Dr Ries obwohl aus Saar-bruumlcken und spaumlter in Leipzig beheimatet zeitweise in Trzebi-nia bei Auschwitz und zuletzt auf Borkum wohnhaft mit Kon-zernsitz in Leipzig dann in Hoya an der Weser und schlieszliglichin Frankenthal von den dortigen rheinpfalzischen Behoumlrdendennoch als raquoHeimatvertriebenerlaquo anerkannt wurde Ja manbescheinigte ihm dem groszligen Beutemacher sogar einen treibungsschadenlaquo Am 10 Oktober 1953 sein Schuumltzling Hel-mut Kohl war bereits ein Lokalmatador der CDU mit gutenBeziehungen bestaumltigte ihm das Ausgleichsamt bei der Stadt-verwaltung Frankenthal Aktenzeichen 16Mke - daszlig raquoderAntragsteller Dr Fritz Ries hier die Feststellung der folgendenVertreibungsschaumlden beantragt hat1 Geschaumlftsanteil an der Oberschlesischen

Gummiwerke GmbH Trzebinia uumlberNennbetrag (Kapitalforderung) 1445 000 RM

2 Geschaumlftsanteil an der raquoGummiwerkeWartheland AGlaquo Litzmannstadt uumlber 500 000 RM

3 Verlust eines Einfamilienhauses mit10 Zimmern in Trzebinia Kreis Krenau(Oberschlesien) Grundvermoumlgen

Weiter wird bestaumltigt daszlig die Angaben des Antragstellers indem Feststellungsantrag hinreichend dargetan sindlaquo

Mit anderen Worten Einem Saarlaumlnder der mit Wohn- undKonzernsitz in Leipzig das eroberte Polen ausgepluumlndert Skla-venarbeiter aufs grausamste ausgebeutet und sich deren Besitzwiderrechtlich angeeignet hatte wurde amtlich bescheinigtdaszlig nicht seine Opfer sondern er selbst zu entschaumldigen seiund daszlig seine dreisten Behauptungen als Beweis ausreichtenUnd so wie in diesem Fall ging es dutzendfach weiter

An jeder Finanzquelle die die oumlffentliche Hand damalseinem schuldlos verarmten und unterstuumltzungsbeduumlrftigenHeimatvertriebenen sprudeln lieszlig wenn er einerseits im OstenMillionenverluste erlitten hatte andererseits an seinem Auf-nahmeort neue Arbeitsplaumltze zu schaffen bereit war labte sichDr Ries mit Hilfe seiner politischen Freunde von der CDU inreichem Maszlige

Gluumlcklicherweise fuumlr ihn hatte man Dr Fritz Ries als blo-szligen raquoMitlaumluferlaquo der Nazi-Partei eingestuft und damit galt dermillionenschwere Kriegsgewinnler und als V-Mann derGestapo auserwaumlhlte raquoabsolut zuverlaumlssige NationalsozialistlaquoDr Ries in Rheinland-Pfalz (und damit in der ganzen Bundes-republik) als politisch voumlllig unbelasteter Ehrenmann

Wann immer sich bei den Lastenausgleichs- und anderenAumlmtern Zweifel regten etwa was die behauptete Houmlhe der raquoVer-treibungsschaumlden laquo des Dr Ries betraf wurden sie so nachzu-lesen in den Akten des damaligen Ries-Generalbevollmaumlchtig-ten fuumlr die Regelung seiner raquoAnspruumlchelaquo Dr Grote-Mismahl durch starken politischen Druck von oben beseitigt

Wer diesen Druck ausuumlbte laumlszligt sich nicht mehr mit Sicher-heit feststellen und es waumlre unfair diese Machenschaftenallein dem 1953 gerade erst zum Mitglied des Geschaumlftsfuumlhren-den Landesvorstands der regierenden CDU aufgeruumlckten Ries-Guumlnstling Helmut Kohl anzulasten von dem allerdings fest-steht daszlig er in den folgenden Jahren als er zum einfluszligreich-sten Politiker des fest in der Hand seiner Partei befindlichenBundeslands Rheinland-Pfalz aufstieg seinem langjaumlhrigenFoumlrderer Dr Ries wiederholt sehr behilflich gewesen ist

So stellt sich die Frage ob Helmut Kohl uumlber die duumlstere Ver-gangenheit seines groszligzuumlgigen Foumlrderers und dessen dreisteLuumlgen hinsichtlich seiner angeblichen raquoVertreibungsschaumldenlaquogenau Bescheid gewuszligt hat Ries-Tochter Monika Krall anwalt-lich als Zeugin gehoumlrt war sich nicht absolut sicher ob ihrraquoVater auch in Gegenwart von Dr Kohl sich seiner so profitab-len Unternehmertaumltigkeit in Polen geruumlhmt hat und wenn jaob dann nur so allgemein oder mit genauen Einzelheitenlaquo

Eine damalige Ries-Angestellte die sich ihrerseits genaudaran erinnert gab indessen zu Protokoll daszlig raquoHerr Konsul

Dr Ries dem Herrn Dr Kohl stolz von seinen Betrieben in Polen und von den gluumlcklicherweiselaquo in groszligerAnzahl zur Verfuumlgung stehenden juumldischen und polnischenZwangsarbeitern erzaumlhlt hatlaquo Sie wuszligte sogar noch das fahre Datum war im Fruumlhjahr 1967 der Herr Konsul DrRies bekam das Groszlige Bundesverdienstkreuz das Herr DrKohl damals CDU-Landesvorsitzender ihm verschafft hatteDr Ries erzaumlhlte ihm dann er haumltte schon damals in Polen dasKriegsverdienstkreuz verliehen bekommen laquo Diese Zeugindie in Frankenthal beschaumlftigt ist wollte begreiflicherweisenicht namentlich genannt werden

Indessen spielt die Frage ob Helmut Kohl schon damals imFruumlhjahr 1967 die ganze scheuszligliche Wahrheit uumlber die Vergan-genheit seines langjaumlhrigen Foumlrderers kannte keine groszligeRolle Denn schon fuumlnf Jahre spaumlter heftete Kohl seit 1969 Mi-nisterpraumlsident von Rheinland-Pfalz dem Dr Ries auch nochden Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuz an die Brust undzu diesem Zeitpunkt war Helmut Kohl wie sich beweisen laumlszligtvoll unterrichtet uumlber den Werdegang dieses Mannes der ihnals jungen Politiker raquoentdecktlaquo nach Kraumlften gefoumlrdert und dieKarriere erst ermoumlglicht hatte Kohl wuszligte Bescheid uumlber dieskrupellose raquoArisierungenlaquo des raquoKondom-Koumlnigslaquo Ries des-sen Beziehungen zur Gestapo und uumlber dessen Raubzuumlge in Po-len Er war daruumlber im Bilde daszlig sich Ries bei und in Auschwitzbereichert und Tausende von Arbeitssklavinnen fuumlr sich hatteschuften lassen Desgleichen wuszligte er daszlig die Entschaumldigun-gen fuumlr angebliche raquoVertreibungsschaumldenlaquo seines Goumlnners er-schwindelt waren Trotzdem zeichnete er ihn mit dem zweit-houmlchsten Orden aus den die Bundesrepublik zu vergeben hattepries oumlffentlich raquodas staunenswerte Lebenswerklaquo und raquodie vor-bildlichen unternehmerischen Leistungenlaquo des Dr Ries undwar ihm weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefaumlllig

Helmut Kohl warjedoch zu dieser Zeit laumlngst nicht mehr dereinzige Spitzenpolitiker der Unionsparteien von dem Dr Riesstolz behaupten zu koumlnnen meinte raquoWenn ich den nachts umdrei anrufe muszlig er springenlaquo

Dazu muszlig man wissen daszlig sich Konsul Dr Ries dessenraquoPegulanlaquo-Konzern damals noch florierte einen -wie er fand

raquostandesgemaumlszligenlaquo Landsitz nebst Jagdrevier Golfplatz undSchloszlig zugelegt hatte das als der Steiermarklaquo geruumlhmteSchloszliggut Pichlarn eine der schoumlnsten Besitzungen Oumlster-reichs Dort verkehrten als Gaumlste des Schloszligherrn Dr Ries nach den Veroumlffentlichungen der Lokalpresse in den fruumlhensiebziger Jahren etliche fuumlhrende Persoumlnlichkeiten der bun-desdeutschen Wirtschaft und Politik von denen wir hier einknappes Dutzend als repraumlsentative Auswahl nennen und zujedem Namen ein paar Erlaumluterungen geben wollen

raquoHerr Generalbevollmaumlchtigter Tesmann (es handelte sich umRudolf Tesmann geboren 1910 in Stettin einen fruumlherenhohen SS-Fuumlhrer letzter bekannter DienstgradSS-Obersturmbannfuumlhrer - vom Maumlrz 1944 bis KriegsendeVerbindungsmann zu Reichsleiter Martin Bormann Tesmannwurde 1945 von den Englaumlndern interniert und von seinem Mit-gefangenen dem Kaufhauskoumlnig Helmut Horten nach beiderEntlassung 1948 in den Horten-Konzern zuletzt als Generalbe-vollmaumlchtigter uumlbernommen Tesmann war auszligerdem damalsPraumlsidiumsmitglied des gtWirtschaftsrats der

Herr Dr Hanns Martin Vorstandsmitglied der Daim-ler-Benz AG mit Frau (den wir bereits kennengelernt habenund von dem noch im Zusammenhang mit der weiteren politi-schen Karriere Helmut Kohls die Rede sein wird)

Herr Dr Alfred Dregger mit Frau (damals Vorsitzender derhessischen CDU seit 1982 Fraktionsvorsitzender der CDUCSU im Bundestag und inoffiziell Fuumlhrer des rechten soge-nannten raquoStahlhelmlaquo-Fluumlgels der Union)

Herr Bundestagsabgeordneter Siegfried Zoglmann (geboren1913 in Boumlhmen seit 1928 Mitglied der in der CSR illegalen Hitlerjugend (HJ) 1934 HJ-Fuumlhrer in der Reichsjugendfuumlh-rung in Berlin 1939 Oberster HJ-Fuumlhrer im Boumlh-men und Maumlhren und Abteilungsleiter des 1940 erbat und erhielt Zoglmann vom Hein-rich Himmler persoumlnlich die Erlaubnis als SS-Fuumlhrer in diegtLeibstandarte SS Adolf Hitlerlt einzutreten Nach 1945 Werbe-fachmann im Rheinland 1950 Mitglied des NRW-Landesvor-stands der FDP bis 1958 Landtagsabgeordneter von 1957 biszu seinem Ausscheiden aus Altersgruumlnden Mitglied des Bun-

destags zunaumlchst FDP- seit 1972 CSU-Abgeordneter MitHilfe Zoglmanns und anderer FDP-Uumlberlaumlufer sollte damalsWilly Brandt gestuumlrzt werden die Verhandlungen hieruumlberwurden auf dem Ries-Schloszlig Pichlarn gefuumlhrt)

1931 Mitglied der NSDAP seit 1932 enger Mitarbeiter des Nazi-Propagandachefs und damaligen gtGauleiterslt von Groszlig-Berlin Dr Josef Goebbels in dessen Reichsministerium gtfuumlr Volksauf-klaumlrung und Propagandalt Taubert 1933 eintrat zunaumlchst alsReferatsleiter zustaumlndig fuumlr gtAktivpropaganda gegen dieJudenlt Von 1942 an Chef des gtGeneralreferats Ostraumlt dane-ben seit 1938 auch Richter am 1 Senat des beruumlchtigten gtVolks- gerichtshofslt und beteiligt an Todesurteilen gegen Wider-standskaumlmpfer Auszligerdem lieferte Ministerialrat Dr TaubertText und Idee zu dem 1940 uraufgefuumlhrten Hetzfilm raquoDer ewigeJudelaquo worin die in KZs und Gettos eingepferchten Juden mitRatten und anderem raquolebensunwertemlaquo Ungeziefer verglichenwurden 1945 tauchte der als Kriegsverbrecher gesuchte DrTaubert mit Hilfe westlicher Geheimdienste zunaumlchst unterum 1950 jedoch in Bonn wieder auf leitete die Kalte Kriegs-Propaganda gegen die DDR dann fuumlr VerteidigungsministerFranz Josef Strauszlig den Aufbau der psychologischen Kriegfuumlh-rung bei der Bundeswehr Scharfe Proteste des Zentralrats derJuden fuumlhrten dazu daszlig Strauszlig sich von Dr Taubert offizielltrennen muszligte und dieser trat dann als Leiter der Rechtsabtei-lung und des Persoumlnlichen Buumlros von Konsul Dr Fritz Riesbeim raquoPegulanlaquo-Konzern in Frankenthal ein In enger Abstim-mung mit Ries und sowie mit finanzieller Hilfe ausBonn und von etlichen Industriellen leitete Dr Taubert dieHetzkampagnen gegen Willy Brandt und den Aufbau ultrarech-ter und neonazistischer Gruppen und Presseorgane)

Und schlieszliglich zaumlhlte zu den Gaumlsten des Dr Ries aufSchloszlig Pichlarn auch

dent in Muumlnchen und er fand in der Berichterstattung deroumlsterreichischen Presse uumlber die Gaumlste auf Schloszlig Pichlarndamals die meiste

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Was die steiermaumlrkischen Zeitungen indessen nicht wuszligtenDer CSU-Chef Strauszlig und Konsul Dr Ries waren damalslaumlngst Duzfreunde und uumlberdies hatte Dr Ries die Ehefrau sei-nes Spezis Frau Marianne Strauszlig geborene Zwicknagl zu sei-ner Teilhaberin gewonnen dies uumlbrigens ohne daszlig es FrauStrauszlig einen Pfennig gekostet haumltte

Frau Strauszlig war in die am 23 Februar 1971 gegruumlndete Ries-Gesellschaft raquoDyna-Plastiklaquo in Bergisch-Gladbach eingetretenlaut Handelsregister zunaumlchst mit einer Kommanditeinlagevon 304 500 DM was damals einer Beteiligung von etwa 14 Pro-zent entsprach 1973 wurde das raquoDyna-Plastiklaquo-Kapitel erhoumlhtwobei der Anteil von Frau Strauszlig auf 406 000 DM oder 16 Pro-zent Kapitalanteil stieg Frau Strauszlig hatte jedoch weder dieerste Einlage noch die spaumltere Erhoumlhung einzuzahlen brau-chen diese sollten sich vielmehr raquoaus den Gewinnen auffuumlllenlaquo

im Klartext Dr Ries hatte der Frau seines so einfluszligreichenDuzfreundes ein kleines Geschenk gemacht eine erst 14-dann 16prozentige Beteiligung an einer gutgehenden Konzern-Tochtergesellschaft wohl in der richtigen Annahme daszlig kleineGeschenke die Freundschaft erhalten weshalb weitere aumlhnli-

Beteiligungen der Frau Marianne Strauszlig an bluumlhendenUnternehmen der Ries-Gruppe folgten

Die enge Freundschaft des CSU-Bosses dessen Bewunde-rung fuumlr die unternehmerischen Leistungen des Dr Ries unddie Beteiligung von Frau Marianne Strauszlig am Ries-Konzerndessen finanzielle Grundlagen ja wie wir bereits wissen min-destens teilweise in Auschwitz im Getto von Lodz (Litzmann-

sowie in weiteren Leidensstaumltten der versklavten Judengelegt worden waren erklaumlren vielleicht das von der raquoFrankfur-ter Rundschaulaquo 1969 zitierte Strauszlig-Wort (von dem er erst etwazwei Jahre vor seinem Tod abgeruumlckt ist) raquoEin Volk das diesewirtschaftlichen Leistungen erbracht hat hat ein Recht

Helmut Kohl beobachtete das raquoTechtelmechtellaquo seinesFreundes Dr Ries mit dem CSU-Boszlig Strauszlig von Mainz ausmit sehr gemischten Gefuumlhlen Nicht zuletzt dank der Start-hilfe und langjaumlhrigen Foumlrderung durch Dr Ries hatte er esdort inzwischen zum Ministerpraumlsidenten gebracht Ende Mai

1970 auch schon seine Kandidatur fuumlr den CDU-Bundesvorsitzangemeldet sich aber im Oktober 1971 auf dem CDU-Parteitageine Abfuhr geholt statt seiner war Rainer Barzel gewaumlhlt wor-den Kohl war jedoch entschlossen es nochmals zu probierenund 1975 zugleich ein noch houmlheres Ziel anzustreben naumlmlichKanzlerkandidat der Union zu werden und spaumltestens dannwuumlrde er in Strauszlig seinen gefaumlhrlichsten Rivalen haben

Indessen haumltte ihn sein langjaumlhriger Goumlnner Dr Ries schondamals beruhigen koumlnnen Ries und seine Freunde aus derbundesdeutschen Konzernwelt hatten bereits ganz bestimmtePlaumlne und tatsaumlchlich waren sie sich schon darin einig gewor-den es mit Helmut Kohl als Kanzlerkandidaten zu versuchenwogegen sie nach langem Hin und Her den CSU-Chef FranzJosef Strauszlig als zwar sehr nuumltzlich im Ruumlstungszentrum Muumln-chen aber als raquowenig geeignetlaquo als Regierungschef in Bonnangesehen und von der Liste der moumlglichen Kanzlerkandida-ten gestrichen hatten Allerdings auch darin waren sich dieHerren des Groszligen Geldes einig geworden sollte HelmutKohl raquoeine intellektuelle Stuumltzelaquo erhalten Denn so unbestrit-ten Kohls demagogische Talente und sein ruumlcksichtsloser Ge-brauch der Ellenbogen waren so wenig vertraute man seinengeistigen Faumlhigkeiten

Deshalb war ebenfalls auf Schloszlig Pichlarn schon zuBeginn der siebziger Jahre entschieden worden dem Dr Kohlfuumlrs kuumlnftige Kanzleramt eine raquoNummer zweilaquo an die Seite zustellen einen wie der damalige Hauptbeteiligte es nannte raquoIntelligenzbolzenlaquo der Kohls erkennbares intellektuellesDefizit ausgleichen und in Wahrheit raquodie Richtlinien der Poli-tiklaquo bestimmen sollte Wieder war es Dr Fritz Ries der von denganz groszligen Bossen dazu ausersehen wurde einerseits dieschon erkorene raquoNummer zweilaquo auf den gemeinsam gefaszligtenPlan raquoeinzustimmenlaquo andererseits seinem Schuumltzling Kohlklarzumachen daszlig er solche raquointellektuelle Stuumltzelaquo brauchenwuumlrde und zu akzeptieren haumltte denn schlieszliglich wolle er dochder Nachfolger Adenauers und womoumlglich sogar Bismarckswerden Auch diese so erklaumlrte der gewiefte GeschaumlftsmannDr Ries dem unbedarften Doktor der Geschichte Kohl haumltteneine graue Eminenz im Kanzleramt gehabt der eine seinen

Staatssekretaumlr Dr Globke der anderen seinen Geheimrat vHolstein

Helmut Kohl schien-wie eine Zeugin dieses Gespraumlchs sichdeutlich erinnert zwar uumlber Adenauers Staatssekretaumlr imKanzleramt Dr Hans Maria Globke Bescheid zu wissen eswar ihm wohl nicht entgangen daszlig dieser Dr Globke bis zuAdenauers Ruumlcktritt im Jahre 1963 die Bonner Personalpolitikvon der Gruumlndung der BRD an maszliggeblich beeinfluszligt auchdie westdeutschen Geheimdienste geleitet und zugleich dasVertrauen des hohen katholischen Klerus genossen hatte (diesuumlbrigens auch schon zur Zeit der Nazi-Diktatur als damaligerJudenreferent des Reichsinnenministeriums erst unter dem1946 in Nuumlrnberg als Hauptkriegsverbrecher hingerichteten -Dr Wilhelm Frick dann unter dessen Nachfolger dem raquoReichs-fuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler weshalb er selbst als Nr 101 aufder Kriegsverbrecherliste der Alliierten verzeichnet gewesenwar)

Aber Helmut Kohl hatte wie er dem Konsul Dr Ries freimuuml-tig gestand von einer raquograuen Eminenzlaquo Bismarcks namensFriedrich v Holstein noch nie etwas gehoumlrt was von seinemvaumlterlichen Freund und Goumlnner schmunzelnd zur Kenntnisgenommen worden war und er hatte dann gesagt Kohl muumlssenoch einiges lernen Spitzenpolitiker brauchten genau wie dieInhaber groszliger Unternehmen hochintelligente und fleiszligigeRatgeber zumal dann wenn diplomatische Meisterstuumlckegefordert seien Dabei gab er Kohl augenzwinkernd zu verste-hen daszlig Intelligenz Fleiszlig und diplomatisches Geschick nichtgerade zu dessen hervorstechenden Eigenschaften zaumlhlten

Wie Konsul Dr Ries dann die heikle Aufgabe loumlste demkuumlnftigen Kanzlerkandidaten des Groszligen Geldes eine vonihm und seinen maumlchtigen Freunden ausgesuchte -raquoNummerzweilaquo schmackhaft zu machen verdient uneingeschraumlnkteBewunderung und wird im uumlbernaumlchsten Kapitel geschildertwerden

Doch zunaumlchst lieszlig Ries seinen Schuumltzling Kohl im unklarendaruumlber wen er fuumlr ihn als raquointellektuelle Stuumltzelaquo im Augehatte Er ging statt dessen so erinnert sich die Zeugin deutlichzu seinem Lieblingsthema uumlber und lobte die geniale Strategie

des raquoReichsgruumlnderslaquo Bismarck Man muumlsse sie den gewandel-ten Verhaumlltnissen und der abermaligen Notwendigkeit wirt-schaftlicher Expansion diesmal nicht mit militaumlrischen Mit-teln geschickt anpassen Ein raquoUumlberrollen der Zone bei derersten Gelegenheitlaquo bezeichnete Dr Ries damals als raquodurchausmachbarlaquo und er sah sein aufmerksam lauschendes politischesZiehkind Helmut Kohl bereits als raquomoumlglichen Eisernen Kanz-ler dieser neuen oumlkonomischen Groszligmachtlaquo

Was nun diese heute fast prophetisch anmutenden Visio-nen des Dr Fritz Ries zu Beginn der siebziger Jahre angeht sowaren sie damals bei westdeutschen Industriellen seines Altersund Schlages durchaus keine Seltenheit Ratgeberwie Dr Eber-hard Taubert und andere fruumlhere raquoOstraumlaquo-Experten bestaumlrk-ten ihre Brotherren fleiszligig in solchen Wunschtraumlumen undwas die Bismarck-Schwaumlrmerei des Dr Ries betraf so war sieebenfalls in Mode zumal in konservativen Kreisen und bei

raquoAlten Herrenlaquo schlagender StudentenverbindungenWarum das bedarf einer kurzen Erlaumluterung

Kurzer Ausflug in die deutscheGeschichte

Der erste deutsche Reichskanzler der Neuzeit Otto v Bis-marck mit dem Helmut Kohl gern verglichen werden moumlchtefuumlhrt in manchen Geschichtsbuumlchern den Beinamen raquoEisernerKanzlerlaquo weil er mit groszliger Energie und meist im Alleingangoft gegen die Volksmeinung und die Parlamentsmehrheit mit-unter auch gegen die Wuumlnsche und Absichten des Staatsober-haupts seine eigene Politik verfolgte Diese war darauf gerich-tet durch eine Reihe von Eroberungskriegen und geschickteraquoVereinnahmungenlaquo das Koumlnigreich Preuszligen dessen Regie-rungsgeschaumlfte er von 1862 an fuumlhrte zur staumlrksten Macht inEuropa werden zu lassen

Dieses Preuszligen war bis zum Untergang der Hohenzollern-Monarchie im Jahre 1918 ein besonders reaktionaumlrer und milita-ristischer Obrigkeitsstaat wo adlige Groszliggrundbesitzer soge-nannte Junker zu denen auch Bismarck gehoumlrte den Ton anga-ben und alle houmlheren Posten in Staat und Armee besetzt hiel-ten Bei seinem Eintritt in die Politik machte sich der junge Bis-marck mit der Feststellung bekannt raquoIch bin ein Junker undwill meinen Vorteil davon habenlaquo Indessen war er trotz dieserArroganz sehr intelligent und weit gebildeter als die allermei-sten seiner Standesgenossen

Fuumlr das Abgeordnetenhaus des Junkerstaats Preuszligen demer angehoumlrte galt - bis 1918 - ein Dreiklassenwahlrecht ZweiDrittel aller Erwachsenen durften ohnehin nicht waumlhlen weilsie entweder Frauen oder unter 25 oder Empfaumlnger oumlffentlicherBeihilfen waren oder keinem eigenen Haushalt vorstandenDas uumlbrige Drittel war in drei Klassen eingeteilt Die wenigenHoumlchstbesteuerten die mittleren Steuerklassen und die Masseder Niedrigstbesteuerten waumlhlten jeweils die gleiche Anzahlvon Wahlmaumlnnern die ihrerseits gemeinsam den Abgeordne-ten des Bezirks bestimmten Damit war garantiert daszlig die Rei-

und Wohlhabenden immer das Sagen hatten der breiteMittelstand unterlegen blieb und die Masse des Volkes gar kein-nen Einfluszlig auf die Zusammensetzung des Parlaments aus-uumlben konnte

Trotz dieser voumlllig undemokratischen Verhaumlltnisse vermoch-te Bismarck als er 1862 preuszligischer Ministerpraumlsident gewor-den war in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit nur gegendas Parlament und an diesem vorbei zu regieren weil auch denwohlhabenden Buumlrgern Preuszligens seine auf Krieg gerichtetePolitik und die enormen Ruumlstungsausgaben verhaszligt warenErst als Bismarck ihnen durch umfangreiche Eroberungen denersehnten groumlszligeren Markt und stark vermehrten Profit be-schert hatte waren auch die meist nationalliberalen Besitz-buumlrger von ihm begeistert

Durch drei Angriffskriege 1864 im Buumlndnis mit Oumlsterreichgegen das kleine Daumlnemark 1866 gegen den Deutschen Bundund dessen Vormacht Oumlsterreich gegen Frankreich verwirklichte Bismarck seine kuumlhnen Plaumlne und man nanntedies (und nennt es wohl noch heute) sein raquoEinigungswerklaquoDabei hatte er in Wahrheit keineswegs alle Deutschen in einemNationalstaat vereinigt vielmehr rund ein Fuumlnftel aller Deut-schen Mitteleuropas ausgesperrt Die uumlber zehn MillionenDeutschoumlsterreicher von Nordboumlhmen bis Suumldtirol waren alsgeschlagene raquoFeindelaquo nicht in das 1871 gegruumlndete DeutscheReich aufgenommen worden Dafuumlr zaumlhlte das Bismarck-Reichunter seinen damals 42 Millionen Einwohnern uumlber vier Millio-nen Nichtdeutsche darunter knapp drei Millionen raquoMuszligpreu-szligenlaquo polnischer Muttersprache je rund 150 000 Litauer ren und Kaschuben knapp 200000 Daumlnen sowie annaumlhernd300 000 Franzosen und Wallonen Sie waren durch Eroberun-gen preuszligische Untertanen geworden oder lebten im annek-tierten von Preuszligen beherrschten raquoReichslandlaquo Elsaszlig-Lothrin-gen Uumlberhaupt war das von Bismarck geschaffene DeutscheReich in Wahrheit nur ein vom stark vergroumlszligerten Preuszligen be-herrschtes Wirtschaftsgebiet dessen nichtpreuszligische Teile einegewisse Scheinsouveraumlnitaumlt genossen Die Bezeichnung raquoDeut-

Reichlaquo war eine geschickte Taumluschung weil das mittel-europaumlische Reich des Mittelalters das in der Neuzeit

gen worden und 1806 auch formal untergegangen war einegaumlnzlich andere Struktur und Bedeutung auch keine wirklicheZentralgewalt keine staumlndige Hauptstadt zudem flieszligendeGrenzen gehabt hatte und weder zum Reich noch zum Deut-schen Bund der von 1815 bis 1866 bestanden hatte war daseigentliche Preuszligen je gerechnet worden

Mit dem raquoBlitzkrieglaquo Preuszligens gegen den Deutschen Bundhatte Bismarck diesen zerschlagen Oumlsterreich in Deutschlandentmachtet und daraus verdraumlngt Preuszligen aber stark vergrouml-szligert um Schleswig-Holstein das Koumlnigreich Hannover Hes-sen-Kassel Hessen-Nassau und die Reichsstadt Frankfurt amMain - so daszlig dieser von ihm regierte Hohenzollernstaat dersich einige Jahrzehnte zuvor schon halb Sachsen und dasRheinland einverleibt hatte nun zu einer Mitteleuropa beherr-

gegen Frankreich wurde Preuszligen-Deutschland zur staumlrkstenMacht auf dem Kontinent vereinnahmte Lothringen und dasElsaszlig gruumlndete das nun von Berlin aus regierte DeutscheReich und gliederte diesem zur Verstaumlrkung des preuszligischenUumlbergewichts Ost- und Westpreuszligen sowie das Groszligherzog-tum Posen an

Noch 23 Jahre zuvor nach der Maumlrzrevolution von 1848 warder damalige Preuszligenkoumlnig Friedrich Wilhelm IV unter demDruck der demokratischen Erhebung der Berliner zu der Erklauml-rung gezwungen gewesen raquoPreuszligen geht fortan in Deutsch-land auflaquo Das hatte dem Wunsch der groszligen Mehrheit entspro-chen die ein demokratisches im Frieden mit den Nachbarnlebendes Deutschland ohne Fuumlrsten und Kleinstaaterei gefor-dert hatte

Aber die demokratische Revolution war dann von preuszligi-schem Militaumlr niedergewalzt worden unter dem Befehl jenesPrinzen Wilhelm den Bismarck 1871 zum Deutschen Kaiserproklamieren lieszlig als es ihm gelungen war Deutschland inPreuszligen aufgehen zu lassen unter Fortbestand der Adelspri-vilegien und der Scheinsouveraumlnitaumlt von 26 deutschen Klein-

Dieses von Bismarck geschaffene und dann noch fast zweiJahrzehnte lang regierte Hohenzollernreich erfuumlllte die

der Industrie und Handels war aber nach obrigkeits-staatlichen autoritaumlren gaumlnzlich undemokratischen Grundsaumlt-zen aufgebaut Adel Militaumlr und im Bunde mit diesen die Her-ren der sich stuumlrmisch entwickelnden Industrie gaben den Tonan Die immer staumlrker werdende Opposition der ausgebeutetenIndustriearbeiterschaft versuchte Bismarck durch die raquoSoziali-stengesetzelaquo mundtot zu machen und die Sozialdemokratiesamt ihren Gewerkschaften zu zerschlagen vergeblich dennbeide wurden noch um vieles staumlrker Deshalb wurde dieArmee abermals vermehrt denn sie sollte auch den raquoinnerenFeindlaquo in Schach halten

Erfolgreich war Bismarck hingegen mit seiner DiplomatieSie war darauf gerichtet sein raquoDeutsches Reichlaquo genanntesGroszligpreuszligen zu festigen und das Risiko weiterer Kriege zu ver-meiden Diese kluge Zuruumlckhaltung wurde nach BismarcksSturz im Jahre 1890 schon bald aufgegeben Kaiser Generalitaumltund Groszligkapital draumlngten auf weitere Machtausdehnung Siewollten die Vorherrschaft nicht allein auf dem europaumlischenKontinent sondern auch auf den Meeren Dem unausweichli-chen Konflikt mit allen anderen Groszligmaumlchten den dieses Stre-ben nach Weltherrschaft heraufbeschwor sah die deutscheFuumlhrung siegesgewiszlig

Indessen endete der Erste Weltkrieg 1918 mit der militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Zusammenbruch derHohenzollern-Monarchie Im selben Spiegelsaal des VersaillerSchlosses wo das Bismarck-Reich gegruumlndet worden warwurde 47 Jahre spaumlter dessen Untergang besiegelt und Deutsch-land auf die Grenzen zurechtgestutzt die dann bis 1937 galten

Die Kriegstreiber von 1914 und die konservative deutscheRechte wollten sich jedoch weder mit diesen raquounrechtmaumlszligigenlaquoGrenzen noch mit den uumlbrigen Folgen der militaumlrischen Nie-derlage von 1918 abfinden Deutschlands Abruumlstung und dieHerstellung demokratischer und sozial gerechterer Verhaumllt-nisse waren ihnen ein Greuel Die Herren des Groszligen Geldeszumal die der Ruumlstungsindustrie im Bunde mit den Militaumlrsund den um ihre verlorenen Privilegien trauernden preuszligi-schen Junkern betrieben fortan den Sturz der Republik Siefinanzierten rechte und ultrarechte Kampforganisationen vom

raquoStahlhelmlaquo bis zur SS schufen einen deutschnationa-len Presse und Filmindustrie weitgehend beherrschenden Pro-pagandaapparat und nutzten die Weltwirtschaftskrise die inDeutschland ihren Houmlhepunkt erreichte der durchMassenarbeitslosigkeit und Elend geschwaumlchten Republiknach nur vierzehn Jahren ihres Bestehens den Garaus zumachen

Die Nazi-Diktatur die sie Anfang 1933 errichteten unddurch rechtskonservative Fachleute ihres Vertrauens unterKontrolle zu halten hofften war aber von noch kuumlrzerer DauerAnfangs erfuumlllten die Nazis zwar die vom Groszligen Geld in siegesetzten Erwartungen Sie zerschlugen sofort und mit aumluszliger-ster Brutalitaumlt die Gewerkschaften und die miteinander verfein-deten Linksparteien beseitigten die Tarifautonomie dieBetriebsraumlte das Streikrecht und begannen sogleich mit massi-ver Aufruumlstung Auch der Krieg den Hitler 1939 vom Zaunbrach brachte anfangs die erhofften Eroberungen und Ausbeu-tungsmoumlglichkeiten Aber er endete wie nicht anders zu erwar-ten gewesen war nach sechs Jahren des Grauens und der Ver-wuumlstung groszliger Teile Europas mit der vollstaumlndigen militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Untergang der Nazi-Diktatur in Schutt und Schande

45 Jahre lang war das uumlbriggebliebene Deutschland erst invier Besatzungszonen dann in zwei selbstaumlndige jahrzehnte-lang keine Beziehungen zueinander unterhaltende Staaten auf-geteilt die entgegengesetzten gesellschaftlichen und politi-schen Systemen angehoumlrten

Konrad Adenauer erster Bundeskanzler von 1949 bis 1963zog aus den Gegebenheiten politische Konsequenzen die sei-ner Herkunft Erfahrung und Grundeinstellung entsprachenEr wurzelte noch im 19 Jahrhundert und hatte die ersten 42Jahre seines Lebens unter dem autoritaumlren Regime des wilhel-minischen Kaiserreichs verbracht Er war Rheinlaumlnder Katho-lik Mitglied der katholischen Zentrumspartei wo er dem eherrechten Fluumlgel angehoumlrte der im Sozialismus den Erzfeind imFaschismus einen moumlglichen Verbuumlndeten sah 1929 als Mus-solini der den italienischen Arbeiterfuumlhrer Giacomo Mateottikurz zuvor hatte ermorden lassen seinen Frieden mit dem

Vatikan machte telegrafierte ihm Adenauer damals Koumllner

staben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragenlaquo1919 nach dem Untergang der Hohenzollern-Monarchie hatteAdenauer schon mit dem Gedanken geliebaumlugelt Westdeutsch-land vom sozialistisch regierten Reich abzuspalten und es alsstarken Partner in eine katholisch-konservative Wirtschafts-union der westlichen Nachbarn Belgien Luxemburg undFrankreich einzubringen 1945 nahm er diese Plaumlne sogleichwieder auf

raquoNach meiner Ansichtlaquo erklaumlrte Adenauer am 5 Oktober1945 raquosollten die Westmaumlchte die drei Zonen die sie besetzt hal-ten tunlichst in einem rechtsstaatlichen Verhaumlltnis zueinanderbelassen Das Beste waumlre wenn die Russen nicht mittun wollensofort wenigstens aus den drei westlichen Zonen einen Bundes-staat zu bildenlaquo Es konnte ihm also mit der Teilung Deutsch-lands gar nicht schnell genug gehen und er fuumlgte dann noch

einem solchen westdeutschen Bundesstaat zu genuumlgen muumlszligteman die Wirtschaft dieses westdeutschen Gebiets mit der Frank-reichs und Belgiens so eng wie moumlglich verflechtenlaquo

Es war indessen nicht allein Adenauers Sympathie fuumlr einenges Buumlndnis mit den katholischen Nachbarn oder seine tiefeAbneigung gegen alles auch nur entfernt Sozialistische die ihnauf eine Spaltung Restdeutschlands in einen kapitalistischenWeststaat und einen den Sowjets uumlberlassenen Oststaat hinar-beiten lieszlig Vielmehr war er auch obwohl zwoumllf Jahre lang Prauml-sident des Preuszligischen Staatsrats der Weimarer Republik einentschiedener Gegner Preuszligens

raquoWir im Westen lehnen vieles was gemeinhinGeistlt genannt wird ablaquo so hatte er in der raquoWeltlaquo vom 30 vember 1946 erklaumlrt raquoIch glaube daszlig die deutsche Hauptstadteher im Suumldwesten liegen soll als im weit oumlstlich gelegenen Ber-

Sobald aber Berlin wieder Hauptstadt wird wird das Miszlig-trauen im Ausland unausloumlschlich werden Wer Berlin zur neuenHauptstadt macht schafft geistig ein neues Preuszligenlaquo Schon fruuml-her hatte Adenauer Berlin eine raquoheidnische Stadtlaquo genanntPreuszligen als raquoAnfang Asienslaquo bezeichnet Die Schaffung der

Bundesrepublik mit dem linksrheinischen buumlrgerlich-konser-vativen und gutkatholischen Bonn als Hauptstadt und die Ent-muumlndigung der Westberliner in Bundestag und Bundesratwaren ganz nach seinem Herzen und sicherten die Herrschaftseiner Union denn die Hochburgen des katholischen Zen-trums hatten vor 1933 in Gebieten gelegen die nun zur BRDgehoumlrten die der Sozialdemokraten aber uumlberwiegend in dernunmehrigen DDR und in Ostberlin

Wenn Adenauer als Bundeskanzler dennoch bei jeder Gele-genheit von einer zu erhoffenden und zu erstrebenden raquoWie-dervereinigunglaquo sprach und auch raquodie Grenzen vonforderte so waren dies notwendige Zugestaumlndnisse an dieGefuumlhle der fast zwoumllf Millionen Fluumlchtlinge und Vertriebenendie sich in den ersten zehn Jahren in Westdeutschland fremdund benachteiligt fuumlhlten und damals noch auf eine baldigeRuumlckkehr in die fruumlhere Heimat hofften Aber seine tatsaumlchli-che Politik war keineswegs auf eine Wiedervereinigung ausge-richtet vielmehr auf die rasche und alle Bereiche umfassendeIntegration der BRD in das westliche Buumlndnis die er ja auchmit erstaunlichem Erfolg betrieb wogegen er jeden Vorschlagvon oumlstlicher Seite die Einheit Deutschlands wiederherzustel-len dafuumlr auf Aufruumlstung NATO-Mitgliedschaft und Stationie-rung von Atomwaffen zu verzichten als raquokommunistischesBlendwerklaquo energisch zuruumlckwies auch Viermaumlchtegarantienfuumlr ein neutralisiertes Gesamtdeutschland (nach dem MusterOumlsterreichs) als raquoFirlefanzlaquo abtat

Unter Adenauer wurde Anfang der fuumlnfziger Jahre die soge-nannte Hallstein-Doktrin entwickelt Sie beruhte auf demAnspruch der Bundesrepublik allein die Rechtsnachfolge desuntergegangenen Deutschen Reiches angetreten zu haben unddie Interessen aller Deutschen zu vertreten Die DDR war die-ser Doktrin zufolge raquonichtexistentlaquo also staatsrechtlich garnicht vorhanden

Dieser Unfug der auch keinerlei Kontakte auf Regierungs-ebene zwischen Bonn und Ostberlin zulieszlig zementierte dieTeilung Deutschlands und machte es dem stalinistischenRegime Walter Ulbrichts leicht ja uumlberhaupt erst moumlglich sichvoumlllig abzukapseln und einzumauern immer unter Hinweis

eumleth

auf die kompromiszliglos feindselige Haltung Bonns die wach-sende militaumlrische Bedrohung durch die Bundesrepublik unddie Notwendigkeit sich gegen die westdeutsche Propagandaund Agentenflut zu schuumltzen Erst durch Willy Brandt denersten sozialdemokratischen Kanzler wurde von 1969 an eineneue Ostpolitik gewagt und die Hallstein-Doktrin fallengelas-

Die neue von der CDUCSU heftig bekaumlmpfte OstpolitikWilly Brandts mit dem Ziel die friedensgefaumlhrdende Hochruuml-stung abzubauen und die innerdeutschen Beziehungen nichtzuletzt den Reiseverkehr allmaumlhlich zu normalisieren machtedem Kalten Krieg ein Ende und setzte auf raquoWandel durchAnnaumlherunglaquo

Diese Hoffnung erfuumlllte sich im Herbst 1989 Aber es warennun Helmut Kohl dessen Union und deren freidemokratischeKoalitionspartner die ernten konnten was Willy Brandt unddessen politische Freunde nach muumlhseliger Abtragung der inJahrzehnten des Kalten Krieges angehaumluften Hindernissegesaumlt hatten Kohl ohne eigenes Zutun ploumltzlich zum raquoKanzlerder deutschen Einheitlaquo aufgestiegen nutzte seine ChanceNachdem sich die DDR aus eigener Kraft vom Honecker-Regime befreit hatte versprach Kohl deren Buumlrgerinnen undBuumlrgern goldene Berge raquobluumlhende Landschaftenlaquo und gren-zenlose Konsumfreiheit und tatsaumlchlich gelang ihm so derkaum noch erhoffte Wahlsieg im Dezember 1990

Seither haben die Menschen im raquoBeitrittsgebietlaquo der neuenBundeslaumlnder erfahren was es heiszligt brutal und ruumlcksichtslosvereinnahmt und dem raquofreien Spiel der Kraumlftelaquo ausgeliefert zuwerden Sie konnten nicht ahnen daszlig es Helmut Kohl und sei-ner Regierungskoalition nur darum ging (und noch geht) auchoumlstlich der Elbe jene Umverteilung von unten nach ganz obendurchzufuumlhren die in Westdeutschland schon seit Jahren imGange war Dieser Prozeszlig der keinerlei Ruumlcksicht auf die so-zial Schwachen zulaumlszligt dient allein den Interessen der Super-reichen

Denn dafuumlr wurde Helmut Kohl von Konsul Dr Ries derihn von der Schulbank an gefoumlrdert und ihm spaumlter umfangrei-che Hilfe bei seinem politischen Aufstieg verschafft hatte im

Auftrag der Herren des Groszligen Geldes auserwaumlhlt Dafuumlrwurde Kohl an die Spitze der CDU gehievt und mit einem klu-gen Ratgeber versehen der ihn ins Kanzleramt begleiten undKohls Maumlngel zumal die an Intelligenz und Takt ausgleichensollte

Nachdem wie bereits geschildert Rainer Barzels CDU-Chefsessel fuumlr Helmut Kohl mit Hilfe von viel Flick-Geld raquofrei-gefaumlcheltlaquo worden war hatte Dr Ries 1972173 die delikate Auf-gabe den kuumlnftigen Ratgeber behutsam auf dieses Amt vorzu-bereiten seinen Schuumltzling Helmut Kohl auf die fuumlr ihn auser-sehene raquoNummer einzustimmen und beide unter seineFittiche zu nehmen

Zum besseren Verstaumlndnis vorausgeschickt Im Juli 1976 nur13 Monate vor der Entfuumlhrung und schlieszliglichen ErmordungDr Hanns Martin Schleyers durch RAF-Terroristen hatte derAutor dieses Schwarzbuchs ein laumlngeres Gespraumlch mit diesemraquoBoszlig der Bosselaquo der damals Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG Praumlsident der Bundesvereinigung der DeutschenArbeitgeberverbaumlnde (BDA) und Vertrauensmann der Flick-Gruppe war bald darauf auch noch Praumlsident des Bundesver-bands der Deutschen Industrie (BDI) wurde Die Unterhal-tung war auf Wunsch Dr Schleyers zustande gekommen

Bei dem gemeinsamen Mittagessen in einem MuumlnchenerHotel zeigte sich Dr Schleyer ungewoumlhnlich offen Soweit esseine und seiner Freunde politischen Plaumlne betraf erklaumlrte eres sei ein Irrtum zu glauben Franz Josef Strauszlig sei ihr Favoritfuumlr das Kanzleramt raquoEr hat groszlige Qualitaumltenlaquo meinte damalsSchleyer uumlber Strauszlig raquoaber er ist zu unkontrolliert und zuangreifbar laquo

Nun gab es wahrlich Gruumlnde genug den damaligen CSU-Chef fuumlr raquozu angreifbarlaquo zu halten Er stand wie das Landge-richt Muumlnchen ihm bescheinigt hatte raquoim Ruch der Korrup-tionlaquo und seine Laufbahn war seit den fruumlhen fuumlnfziger Jahrenals er Bundesverteidigungsminister Adenauers wurde eineKette von Skandalen und Affaumlren Aber Dr Schleyer hatte wiesich dann herausstellte mit der raquoAngreifbarkeitlaquo des FJS etwasanderes gemeint und dessen skandaloumlse Verquickung von poli-tischer Amtsfuumlhrung und privaten Geschaumlften unter die Rubrikraquozu unkontrolliertlaquo eingeordnet Das ergab sich aus einemZusatz der sinngemaumlszlig etwa besagte Ihm Schleyer sei es egal

Naumlheres daruumlber ist nachzulesen in Bernt Engelmann raquoGroszliges Bundesver-dienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

daszlig die Leute nun wuumlszligten daszlig er mal SS-Fuumlhrer gewesen seiaber er wolle ja nicht Bundeskanzler werden

Schleyers Bemerkung Strauszlig waumlre als Kanzler raquozu angreif-barlaquo hatte sich also auf dessen Nazi-Vergangenheit bezogenund zwar etwa in der Bedeutung Als Ministerpraumlsident in Bay-ern kann ein Mann wie Strauszlig noch durchgehen aber nicht alsBundeskanzler in Bonn

Zur weiteren Klarstellung Franz Josef Strauszlig leugnete zeit-lebens seine Nazi-Vergangenheit er hatte fuumlr alles ganz harm-lose Erklaumlrungen Gewiszlig er habe dem NSKK angehoumlrt aberdieses NS-Kraftfahrkorps sei unpolitisch gewesen er selbst nurMitglied wegen seiner Leidenschaft fuumlrs Motorradfahren alsStudent habe er einer raquoPflichtorganisationlaquo dem NS Deut-schen Studentenbund (NSDStB) als einfaches Mitglied ange-houmlrt schlieszliglich sei er gegen Kriegsende raquoOffizier fuumlr wehrgei-stige Fuumlhrunglaquo gewesen habe den Soldaten Geschichtsunter-richt erteilt aber als er dann NSFO NS-Fuumlhrungsoffizierhatte werden sollen da habe er abgelehnt und sich dem heimli-chen Widerstand angeschlossen

Tatsaumlchlich ist urkundlich erwiesen daszlig es mit alledem eineganz andere Bewandtnis gehabt hat und Dr Schleyer wuszligteaus eigener Erfahrung daszlig der NSDStB alles andere war alseine harmlose raquoPflichtorganisationlaquo naumlmlich die auf nur5 000 Mitglieder im ganzen Groszligdeutschen Reich strikt be-grenzte Kaderschule fuumlr den SD den gefuumlrchteten Sicher-heitsdienst der SS dem ja auch Dr Schleyer selbst angehoumlrthatte

Wenn aber Hanns Martin Schleyer und die ihm nahestehen-den Kreise damals 1976 von Franz Josef Strauszlig als Kanzler-kandidat nichts hielten wen mochten er und seine Freundedann im Auge haben

Der Autor stellte ihm diese Frage und uumlberraschenderweiseerwiderte Dr Schleyer ohne ZoumlgernraquoWir setzen auf das Tandem KohlBiedenkopflaquo

Professor Kurt Biedenkopf der 1973 zur allgemeinen Uumlber-raschung Generalsekretaumlr des CDU-Bundesvorstands gewor-den war galt als raquoVordenkerlaquo der Union Im uumlbrigen war er fuumlrdie bundesdeutsche Oumlffentlichkeit im Wahljahr 1976 noch ein

unbeschriebenes Blatt Wer sich uumlber den Professor der bislangkein Bundestagsmandat gehabt hatte naumlher informierenwollte fand im raquoWer ist werlaquo folgenden auf eigenen Angabendes Professors beruhenden Eintrag

am 28 Januar 1930 in (Vater Wilhelm -

mitglied der C Rudolf Poensgen-Stiftung Vorsitzender des

- Buchveroumlffentlichungen Aktuelle Grundsatzfragen des Kartell-

beschraumlnkungen und Wirtschaft 1958 Unternehmer und Gewerk-

Diese Angaben waren nicht sehr aufschluszligreich Zunaumlchst lie-szligen sie vermuten daszlig es sich bei Professor Biedenkopf umeinen stillen Gelehrten handelte der im In- und Ausland flei-szligig studiert hatte um dann eine steile Universitaumltskarriere ein-zuschlagen In rascher Folge war er Privatdozent Ordinariusund sogar Rektor der Bochumer Ruhruniversitaumlt gewordendaneben mit zahlreichen Buchveroumlffentlichungen hervorgetre-ten und in Stifterverbaumlnden aktiv gewesen Aber dann hatte ihnploumltzlich die Politik in Beschlag genommen und er war sozusa-gen aus dem Stand CDU-Generalsekretaumlr geworden

Noch ein weiterer Umstand gab dem Leser der Kurzbiogra-phie Raumltsel auf denn es fehlte darin selbst der kleinste Hinweisauf Herkunft Schulzeit Beruf des Vaters und dergleichenMan konnte vermuten daszlig da vielleicht ein schlichtes Proleta-rierkind aus Bescheidenheit oder falscher Scham seinenraschen Aufstieg ein wenig zu verschleiern trachtete

Indessen war Professor Dr Kurt H Biedenkopf beileibe keinsozialer Aufsteiger vielmehr der Sohn des Dipl Ing Wilhelm

Biedenkopf aus Chemnitz Jahrgang 1900 der bis zu seiner Pen-sionierung ordentliches Vorstandsmitglied einer Perle unterden zur Flick-Gruppe gehoumlrenden Unternehmen naumlmlich derraquoDynamit-Nobel AGlaquo in Troisdorf gewesen war zuvor techni-scher Direktor vielfacher Aufsichts- und Beirat waumlhrend desZweiten Weltkriegs auch ein vom raquoFuumlhrerlaquo besonders belo-bigter und belohnter raquoWehrwirtschaftsfuumlhrerlaquo Ganz zufaumllli-gerweise war Vater Wilhelm Biedenkopf zuletzt auch Mitglieddes Beirats jenes Unternehmens in Bergisch-Gladbach daswesentlich zu den Gewinnen des raquoPegulanlaquo-Konzerns beigetra-gen hatte und an dem Frau Marianne Strauszlig die Gattin desCSU-Chefs von Konsul Dr Ries hochherzigerweise mitzuletzt etwa 16 Prozent beteiligt worden war

Ein weiterer Zufall Sohn Kurt der spaumltere CDU-General-sekretaumlr war waumlhrend eines beruflich bedingten Aufenthaltsseines Vaters als die BASF dessen Dienste in Anspruchgenommen hatte anno 1930 in LudwigshafenRh zur Weltgekommen genau wie Helmut Kohl und mit diesem hatte erauch gemeinsam die Volksschule besucht

Dann aber hatten sich ihre Wege getrennt Der aus unbemit-telter Beamtenfamilie stammende Helmut Kohl muszligte sichwie wir bereits wissen recht muumlhsam nach oben hangeln unddabei spielte sein Foumlrderer Dr Ries eine wichtige Rolle KurtBiedenkopf hingegen hatte in den USA politische Wissenschaf-ten in Muumlnchen und Frankfurt Jura und Volkswirtschaft stu-diert zum Doktor der Rechte und zum Master of Law promo-viert sich mit einer Arbeit uumlber raquoDie Grenzen der Tarifautono-mielaquo habilitiert (und damit zugleich die Aufmerksamkeit derKonzernherren und des Arbeitgeberverbands erregt) und war1967 juumlngster Rektor der Bundesrepublik in Bochum gewordenIn den folgenden Jahren hatte er sich gesellschafts- und wirt-schaftspolitisch zu profilieren begonnen raquoIn seinem BekenntnisZU einer funktionsfaumlhigen Marktwirtschaft mit Wettbewerb und

schrieb damals raquoDer Spiegellaquo uumlber ihn raquolaumlszligt ersich von niemandem uumlberbietenlaquo

Weithin bekannt geworden war der Professor aber erst 1968als ihn Bundeskanzler Kiesinger mit der Leitung einer Kommis-sion beauftragte die fuumlr die Bundesregierung die Frage der

betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer untersuchensollte Diese raquoBiedenkopf-Kommissionlaquo wie sie dann genanntwurde rang sich zwar zu einer Wuumlrdigung der gut funktionie-renden paritaumltischen Mitbestimmung in der Montanindustriedurch entschied sich aber gegen die Ausdehnung diesesModells auf die gesamte Wirtschaft wie es GewerkschaftenSPD und CDU-Sozialausschuumlsse gefordert die Unternehmerjedoch als raquoruinoumls fuumlr die Wirtschaftlaquo abgelehnt hatten Iacute raquomiddotnot raquoreg

iquestfrac34raquoreg iquestlaquofrac12 frac14raquosup2 deg iquestregnotraquomiddotraquomiddotsup1 raquosup2 raquosup2 YacuteUumlEuml oacuteIacute plusmnbrvbar middotiquestacuteiquestlaquoshyshy frac12 $shyshy raquosup2 iquest shyfrac14raquoreg pararaquofrac14raquo Uumlraquosup3 plusmnmicroregiquestnotmiddotshy middotraquoreglaquosup2 sup1 frac14raquoreg Eacute middotregnotoacute

shyfrac12 iquestordmnot brvbar laquo frac34raquomicroltsup3 deg ordmraquosup2 shylaquofrac12cedil raquoograveu Umgekehrt fand nun einer dergroumlszligten bundesdeutschen Konzerne die Henkel-Gruppe daszligdieser so unternehmerfreundliche Professor genau der richtigeMann fuumlr sein Topmanagement sei Anfang 1971 konntedenkopf seine akademische Laufbahn vorerst beenden undGeschaumlftsfuumlhrer der Henkel GmbH werden Von diesem Kom-mandoposten des nicht nur im Waschmittelbereich fuumlhrendenChemie-Riesen dessen Eigentuumlmer als Groszligaktionaumlre desDEGUSSA-Konzerns und der NUKEM-Reaktorbau-Holdingbetraumlchtlichen Einfluszlig auf die Wirtschaft und die Politik derBundesrepublik ausuumlben lieszlig sich Professor Biedenkopf zwei-einhalb Jahre spaumlter weglocken und uumlbernahm den Posten desGeneralsekretaumlrs der in die Opposition verbannten CDU

Niemand vermutlich nicht einmal Kurt Biedenkopf selbstwird mit Bestimmtheit sagen koumlnnen wer oder was den Profes-sor dazu bewogen hat sich von der sicheren Kommandobruumlcke

Die NUKEM GmbH in Hanau gehoumlrt zu 35 Prozent der DEGUSSA derenGroszligaktionaumlr die Familie Henkel (raquoPersillaquo usw) ist Die NUKEM GmbH istihrerseits mit 40 Prozent des Kapitals an der ALKEM GmbH Hanau betei-ligt Der Geschaumlftsfuumlhrer dieser Brennelementefabrik Dr Alexanderkoff seit 1963 CDU-Bundestagsabgeordneter sowie vier weitere ALKEM-Manager wurden im Sommer 1986 von der Staatsanwaltschaft beschuldigtraquowesentliche technische Aumlnderungen im Produktionsablauf ohne atomrecht-liche Genehmigungsverfahren vorgenommen und damit die Sicherheit derAnlage verringert zu Warrikoff fanden sich dann andere Verwen-dungsmoumlglichkeiten Geschaumlftsfuumlhrendes Vorstandsmitglied des Wirtschafts-verbandes Kernbrennstoff-Kreislauf Vorsitzender des Verwaltungsrates derNVD -Nukleare Versicherungsdienst GmbH Bundesvorstandsmitglied desCDU-Wirtschaftsrates

des Henkel-Konzerns in die Wogen der Politik zu stuumlrzen Ver-buumlrgt ist jedoch daszlig Konsul Dr Fritz Ries dem Wunsch seinerGaumlste auf Schloszlig Pichlarn und inbesondere dem seines altenFreundes Hanns Martin Schleyer doch einen raquoIntelligenzbol-zenlaquo zu finden der bereit und imstande waumlre Helmut Kohlsdeutliche Maumlngel auszugleichen sowie beide auf ihre gemein-same Rolle raquoeinzustimmenlaquo mit Eifer und Geschick nachge-kommen ist

Vom Herbst 1972 an organisierte Dr Ries auf seiner steier-maumlrkischen Besitzung sogenannte raquoPichlarner TopmanagerGipfeltreffenlaquo die sich bald groszliger Beliebtheit erfreutenDenn die zur Ries-Besitzung gehoumlrende ProminentenherbergeraquoSchloszlighotel Pichlarnlaquo eignete sich vorzuumlglich dazu das Ange-nehme mit dem Nuumltzlichen zu verbinden

Nuumltzlich waren die Bekanntschaften die man dort machenkonnte denn zu den Pichlarner Gaumlsten gehoumlrten PolitikerIndustriekapitaumlne Bankiers Praumllaten und Militaumlrs nuumltzlichwaren auch die Vortraumlge die man dort houmlren konnte und dieanschlieszligenden Diskussionen und nuumltzlich war schlieszliglichauch die Moumlglichkeit die Pichlarn bot sich im Fitness-Zen-trum in der Schwimmhalle beim Golfspiel zu Pferde oder imJagdrevier vom Streszlig des Alltags zu erholen und die uumlberfluumlssi-gen Pfunde wegzutrimmen Angenehm waren die schoumlne Um-gebung die gepflegte Gastronomie und nicht zuletzt die rei-zende Betreuung teils durch attraktive Hostessen teils durchdie nicht minder liebenswuumlrdigen Toumlchter des Hauses

Kein Wunder also daszlig auch Professor Kurt Biedenkopf gernder Einladung folgte an solchen raquoPichlarner Topmanager-Gip-feltreffenlaquo teilzunehmen und da er wie man der steiermaumlrki-schen raquoSuumld-Ost-Tagespostlaquo damals entnehmen konnte dermit Abstand raquoprominenteste auslaumlndische Teilnehmer und Vor-tragendelaquo dieser Veranstaltungen war ist es leicht begreiflichdaszlig ihm die ganz besondere Fuumlrsorge des Schloszligherrn Dr Riesund seiner bei diesen Treffen stets anwesenden Tochter IngridKuhbier galt Beide lieszligen es sich nicht nehmen Professordenkopf nicht nur als bloszligen Dozenten prominenten Teilneh-mer der raquoGipfeltreffenlaquo und Hotelgast zu behandeln sondernvielmehr als einen engen Freund der Familie

In der Folgezeit - Kurt Biedenkopf war nun schon General-sekretaumlr der CDU geworden vertieften sich diese Beziehun-gen noch Man besuchte sich haumlufiger man telefonierte vielmiteinander und fuumlr die Zeit nach der Bundestagswahl 1976wurden in Pichlarn Frankenthal und Bonn gewisse Uumlberra-schungen erwartet die des ruumlhrigen Konsuls Ansehen und Ein-fluszligmoumlglichkeiten weiter vermehren wuumlrden

Es dauerte jedoch bis 1980 die Wahlen des Herbstes 1976brachten der von Helmut Kohl als Kanzlerkandidat von KurtBiedenkopf als CDU-Generalsekretaumlr gefuumlhrten Union nichtden erhofften Wahlsieg und sowohl Konsul Dr Ries als auchHanns Martin Schleyer weilten schon nicht mehr unter denLebenden bis die Beziehungen Biedenkopfs zur Ries-TochterIngrid nunmehr geschiedener Kuhbier auch standesamtlichbeurkundet wurden Professor Biedenkopf inzwischen eben-falls geschieden von seiner Ehefrau Sabine die ihm vier Kindergeboren hatte heiratete also die mit ihm schon so langebefreundete Ries-Tochter (und Mitgesellschafterin von FrauMarianne Strauszlig bei der raquoDyna-Plastiklaquo und anderen raquoPegu- lanlaquo-Konzerntoumlchtern) In damaligen Ausgaben des Prominen-ten-Lexikons raquoWer ist werlaquo verschwieg Kurt Biedenkopf aller-dings (und verschweigt noch immer) daszlig seine zweite Ehefrauebenfalls geschieden und eine Tochter des verstorbenen Kon-suls Dr Ries ist Dort lautete der auf eigenen Angaben beru-hende Eintrag verheiratet in 2 Ehe mit Ingrid geborenerKuhbierlaquo wo es doch richtig heiszligen muumlszligte raquo mit Ingridgeb Ries gesch Kuhbier raquoOb er sich nun seiner neuen fami-liaumlren Beziehungen zu dem toten Industriellen schaumlmte dereinen bedeutenden Teil seines Vermoumlgens der Ausbeutung vonZwangsarbeitern in und um Auschwitz und Lodz zu verdankenhatte oder ob es ihm fuumlr einen prominenten Christdemokratenunschicklich erschien allzu viele Scheidungen bekannt werdenzu lassen bleibt Kurt Biedenkopfs Geheimnis

Nach Auskunft des Testamentsvollstreckers des 1977 verstor-benen Konsuls Dr Fritz Ries sind heute weder Frau Ingrid Bie-denkopf geborene Ries oder deren Geschwisternoch die Erbender toumldlich verungluumlckten Frau Marianne Strauszlig am raquoPegulanlaquo- Konzern oder dessen Tochterfirmen beteiligt die raquoPegulan

AGlaquo gehoumlrt heute mehrheitlich der bundesdeutschen Holding-gesellschaft der British American Tobacco Co (BAT) BesagterTestamentsvollstrecker ist uumlbrigens der Muumlnchener Fachanwaltfuumlr Steuerrecht langjaumlhrige CSU-Bundestagsabgeordnete (seit1969 ohne eigenen Wahlkreis aber mit stets sicherem Listen-platz) und heutige GEMA-Chef Professor Dr Reinhold Kreile(zeitweilig Mitglied des CSU-Parteivorstands und -Praumlsidi-ums) der bis zum Verkauf des bundesdeutschen Flick-Imperi-ums auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Konzern-Holding-gesellschaft der raquoFriedrich Flick Industrieverwaltung Kom-manditgesellschaft auf Aktienlaquo in Duumlsseldorf war

Und damit schlieszligt sich nun der Kreis Denn es war der Per-sonalchef der Daimler-Benz AG (damaliger HauptaktionaumlrFlick) zugleich BDI- und BDA-Praumlsident Dr Hanns MartinSchleyer der seinen alten Freund und Bundesbruder KonsulDr Fritz Ries 1972 nach den vergeblichen Versuchen WillyBrandt durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzenin die Plaumlne einweihte wie der zweite Versuch einer raquoWendelaquogestartet werden sollte

Der gluumlcklose Barzel muszligte Kanzlerkandidatur und CDU-Parteivorsitz aufgeben bekam zum Trost viel Geld groumlszligten-teils von Flick dazu das Groszligkreuz des Verdienstordens derBundesrepublik (spaumlter auch noch einen Ministersessel undsogar das Amt des Bundestagspraumlsidenten bis die Flick-Zah-lungen ruchbar wurden und er zuruumlcktreten muszligte) statt Rai-ner Barzel sollte Helmut Kohl antreten aber nicht allein son-dern auf dem raquoTandemlaquo mit Biedenkopf Dabei war demraquoSchwarzen Riesenlaquo Kohl von dessen Planungs- und Lenkfauml-higkeiten auch die Herren des Groszligen Geldes nicht so rechtuumlberzeugt waren die Rolle des sich abstrampelnden und dabeiimmer froumlhlich laumlchelnden Lieferanten der Antriebskraft zuge-dacht hingegen dem unternehmerfreundlichen und konzern-verbundenen raquoIntelligenzbolzenlaquo Biedenkopf die Rolle desStrategen und Steuermanns

Das raquoTandemlaquo-Team verfehlte aber 1976 das Wahlziel undzerstritt sich auf der Oppositionsbank bei gegenseitigen Schuld-zuweisungen Als Helmut Kohl 1982 im dritten Anlauf und wie-derum durch ein-nun knapp gewonnenes -konstruktives Miszlig-

trauensvotum Helmut Schmidt (SPD) stuumlrzen und endlichim Kanzleramt abloumlsen konnte vollzog er was er vollmundigeine raquogeistig-moralische Wendelaquo nannte ohne Biedenkopfder von 1990 an als Gastprofessor in Leipzig die Studenten dieMarktwirtschaft (und das Fuumlrchten) lehrte und heute Minister-praumlsident von Sachsen ist

Die Erfinder und Bastler des raquoTandemslaquo Ries und Schleyerstarben 1977 Den Nachlaszlig des Kohl-Entdeckers MarianneStrauszlig-Partners und Biedenkopf-Schwiegervaters Ries (undauch den von Marianne Strauszlig die toumldlich verungluumlckte) aberregelte dann wieder der Ranghoumlchste im Flick-Aufsichtsratwas die Frage aufwirft ob es in deutschen Landen seit demErsten Weltkrieg uumlberhaupt irgend etwas in Politik und Wirt-schaft Bedeutsames gegeben hat oder gibt worauf das HausFlick nicht auf die eine oder andere Weise Einfluszlig genommenhat

Natuumlrlich sind sehr reiche Leute daran interessiert daszlig die poli-tischen Entscheidungen ihnen nicht schaden sondern nuumltzendaszlig sie ihre Macht erhalten und ihren Profit mehren beidesnicht einschraumlnken oder gar beseitigen Deshalb versuchen sieauf die politischen Entscheidungsprozesse Einfluszlig zu nehmenteils indirekt beispielsweise uumlber die von ihnen beherrschtenMedien teils direkt und mit dem ihnen vertrautesten Mittelmit viel Geld das sie den Parteien und Politikern spenden vondenen sie sich die beste Vertretung ihrer eigenen Interessenversprechen

Die Grenzen zwischen legitimer Interessenwahrung undmiszligbraumluchlicher oder gar gesetzwidriger Ausuumlbung wirtschaft-licher Macht sind flieszligend Die moralische Beurteilung dessenwas noch als statthaft gelten kann und was nicht wird in derRegel strenger ausfallen als die juristische Wertung die anGesetze gebunden ist und diese werden ja von Politikern for-muliert und beschlossen die nicht nur gewaumlhlte Volksvertretersind sondern auch haumlufig den Einfluumlssen der wirtschaftlichMaumlchtigen unterliegen

Dies vorausgeschickt wollen wir uns nun mit einem Super-reichen beschaumlftigen der sechs Jahrzehnte lang starken Ein-fluszlig auf die deutsche Politik genommen hat Er hat in der Poli-tik stets nur ein Mittel zur Erhaltung der gesellschaftlichenMachtverhaumlltnisse und zur Vergroumlszligerung des eigenen Profitsgesehen Noch heute uumlber seinen Tod hinaus beeinfluszligt dasGeld das er zu Lebzeiten in Politiker und Parteien investiertein erheblichem Maszlige die Bonner Szene und von dort aus dasgesamte politische Geschehen in Deutschland Der Name die-ses Superreichen Friedrich Flick ist zugleich zum Synonymfuumlr den Miszligbrauch wirtschaftlicher Macht geworden

Friedrich Flick kam 1883 in Ernsdorf bei Siegen als Holz-haumlndlersohn zur Welt Mit dem Zeugnis der mittleren Reifeund dem Kaufmannsdiplom begann er 1906 als Prokurist derBremer Huumltte in Geisweid seine Karriere 1913 gerade 30 Jahrealt wurde er Direktor der raquoEisenindustrie zu Menden undSchwertelaquo 1915 im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs wech-selte der zwar wehrpflichtige und kerngesunde Meterlange Direktor Flick der aber als raquounabkoumlmmlichlaquo vom Militaumlr-dienst befreit war in den Vorstand der Charlottenhuumltte zu Nie-derschelden und wurde 1917 deren Generaldirektor

Mit eigenen Ersparnissen und Bankkrediten verschaffte ersich bis 1918 die Mehrheit der Anteile an der Charlottenhuumlttedie am Krieg glaumlnzend verdient hatte Er nutzte diese Gewinnezu Modernisierungen zum Ankauf kleinerer Unternehmensowie zur Anlage riesiger Reserven an Schrott der im Kriegespottbillig zu haben war Auch sparte er Steuern indem er ins-gesamt 17 Millionen Mark Kriegsanleihe zeichnete Genauzwei Tage vor Waffenstillstand als jedem klar wurde daszligDeutschland den Krieg verloren hatte verkaufte Flick diegesamte von seiner Charlottenhuumltte gezeichnete Kriegsan-leihe die dann wertlos wurde zu noch guumlnstigem Kurs underwarb mit dem Erloumls Aktien oberschlesischer Zechen Erkonnte also mit dem Verlauf des Ersten Weltkriegs bei dem diemeisten schwerste Opfer hatten bringen muumlssen fuumlr sich per-soumlnlich sehr zufrieden sein

In den folgenden Jahren der totalen Geldentwertung setzteFlickjede Mark die er einnahm oder sichvon den Banken nochborgen konnte sofort in Sachwerte um tilgte dann seine Schul-den mit voumlllig wertlosem Bargeld ruumlckte aber die heiszligbegehr-ten staatlich subventionierten Erzeugnisse seiner Betriebe nurnoch gegen Devisen Rohstoffe oder Aktien heraus 1924 alsdie deutsche Inflation endete zaumlhlte er zu deren groszligenGewinnern Er war 41 Jahre alt und bereits ein Industriemagnatmit einigen hundert Millionen Mark neuer stabiler Waumlhrungund weitgestreutem Konzernbesitz

geriet die deutsche Stahlindustrie in eine Absatz-krise und muszligte sich in Notgemeinschaftenszligen Der wichtigste Zusammenschluszlig war die raquoVereinigte

Stahlwerke AGlaquo kurz raquoStahlvereinlaquo genannt zu dem sichThyssen Rheinstahl Phoenix und auch Flick zusammenfan-den Fuumlr die Einbringung aller raquoCharlottenhuumlttelaquo-Betriebebekam Flick 20 Prozent der Stahlvereins-Aktien und damitgehoumlrte ihm genau ein Fuumlnftel des neuen Konzerns der seiner-seits fast die Haumllfte der gesamten Stahlerzeugung und rund einDrittel der Kohlefoumlrderung des Deutschen Reiches be-herrschte

Noch erstaunlicher war was folgte Knapp vier Jahre spaumltermitten in der Weltwirtschaftskrise die fast 10 Millionen Deut-sche arbeitslos machte gehoumlrte Flick ploumltzlich die Mehrheitdes raquoStahlvereinlaquo-Kapitals ohne daszlig er auch nur eine Markzusaumltzlich investiert haumltte Er hatte sich dazu eines Tricksbedient der im Grunde ganz simpel war

Die Mehrheit der raquoStahlvereinlaquo-Aktien war im Besitz derraquoGelsenkirchener Bergwerks-AGlaquo (raquoGelsenberglaquo) gewesenWer raquoGelsenberglaquo beherrschte hatte damit auch den raquoStahlver-einlaquo in der Tasche Also verkaufte Flick heimlich seinen raquoStahl-vereinlaquo-Anteil und erwarb mit dem Erloumls raquoGelsenberglaquo-Aktien Das reichte vollauf sich die Kontrolle uumlber raquoGelsen-berglaquo und damit uumlber den ganzen raquoStahlvereinlaquo zu verschaffenund so hatte er ploumltzlich die beherrschende Stellung in derMontanindustrie und damit im gesamten Wirtschaftsleben deskrisengeschuumlttelten Reiches

Das war aber erst ein Zwischenziel seines Plans der groszligeCoup stand noch aus der ihn in den Jahren des Elends und derMassenarbeitslosigkeit zum reichsten Mann Deutschlandsmachen sollte Im November 1931 kam an den Boumlrsen dasGeruumlcht auf der Creacutedit Lyonnais die staumlrkste Bank Frank-reichs wolle sich die deutsche Not zunutze machen und miteinem Schlag die Kontrolle uumlber die Industrie des Ruhrgebietserobern-mit Hilfe der raquoGelsenberglaquo-Mehrheit raquoGelsenberglaquo-Aktien wurden an den Boumlrsen zu nur noch 20 Prozent desNennwerts notiert und die Franzosen sollten schon 100 Pro-zent geboten haben

Diese Geruumlchte an denen kein wahres Wort war alarmier-ten die Presse Alle buumlrgerlichen Blaumltter forderten ein soforti-ges Eingreifen der Reichsregierung die auch eilig zu einer Son-

dersitzung zusammentrat und beschloszlig den Ausverkauf desRuhrgebiets um jeden Preis zu verhindern

Zwar waren die Kassen leer Renten Beamtengehaumllter undUnterstuumltzungssaumltze waren schon drastisch gekuumlrzt wordenAber dennoch darin waren sich Regierung und Reichswehr-Generalitaumlt einig - die Ruhrindustrie durfte nicht den Fran-zosen ausgeliefert werden Also verhandelte Reichsfinanzmi-nister Dr Dietrich ein Liberaler mit Flick und am Endekaufte das arme Reich die raquoGelsenberglaquo-Mehrheit zum Vier-fachen des Kurses (aber immer noch unter dem Preis den dieFranzosen angeblich geboten hatten) Denn Flick wollte alsguter Patriot erscheinen Auszligerdem spendete er dem Finanz-minister Dietrich und dem Kanzler Bruumlning (Katholisches Zen-trum) zusammen rund eine Million Reichsmark fuumlr derenWahlfonds

Dazu ist etwas Grundsaumltzliches anzumerken das nochheute gilt Wenn ein Superreicher einem Politiker viel Geldraquofuumlr Wahlkampfzweckelaquo spendet dann ist es so auch dieAbsicht des Spenders dem Empfaumlnger uumlberlassen was erdamit macht Er kann alles seiner Partei zukommen lassen sichdamit beliebt machen Wahlplakate drucken und kleben lassenHandgelder an Wahlhelfer verteilen doch er kann auch dieSumme fuumlr sich behalten und sein Gewissen -falls vorhandendamit beruhigen daszlig sein des Spitzenkandidaten persoumln-liches Wohl letztlich auch dem Wahlkampf dient Es empfiehltsich dann von erhaltenen 900 000 Mark zunaumlchst 100 000 Markdem Partei-Schatzmeister zu geben mit der Erklaumlrung dies seieine Abschlagszahlung auf eine zu erwartende noch groumlszligereSumme Spaumlter wenn der Wahlkampf vorbei die Parteikasseleer ist kann er dem Schatzmeister noch etwas zukommen las-sen und diesem raten den genauen Gesamtbetrag zu verges-sen und sich nur zu merken daszlig es sich um eine sechsstelligeSumme gehandelt habe die der Parteiboszlig von einem edlenSpender raquobeschafftlaquo und an die Parteikasse abgefuumlhrt haumltteDas eroumlffnet dem Schatzmeister ebenfalls Moumlglichkeitenseine Zweifel und sein etwa vorhandenes Gewissen zu beruhi-gen Alles was der Spender derurspruumlnglichen Summe fuumlr seinGeld erwartet ist die Erfuumlllung seiner Wuumlnsche

Bei der raquoGelsenberglaquo-Transaktion von 1931 bekam Flick fastalles was erwollte das etwa Vierfache dessen was sein Aktien-paket wert war dazu zunaumlchst den Ruhm ungemein patrio-tisch gehandelt und auf den moumlglichen Mehrerloumls in Paris ver-zichtet zu haben Dieser Ruhm verflog jedoch als durchsik-kerte daszlig es ein franzoumlsisches Angebot gar nicht gegebenhatte raquoDie einzig moumlgliche Antwortlaquo schrieb damals ein fuumlh-render Wirtschaftsjournalist raquowaumlre gewesen daszlig die Reichsre-gierung den Schachtelkonzern Charlottenhuumltte-GelsenbergVereinigte Stahlwerke umgehend verstaatlicht haumltte Daruumlberhinaus haumltte der vorliegende Tatbestand Anlaszlig genug gebotenHerrn Flick als Schaumldiger der Interessen des Deutschen Rei-ches zu enteignen

(Dieser Artikel stammte uumlbrigens von dem konservativenProfessor Friedrich Zimmermann der schon damals das Pseu-donym raquoFerdinand Friedlaquo benutzte wie spaumlter als Leitartiklerder Springer-Presse Obwohl sich noch mancher Anlaszlig gebotenhaumltte forderte er nie wieder die Enteignung Flicks was mit des-sen Methoden der raquoPressepflegelaquo zusammenhaumlngen mochte)

Nachdem Friedrich Flick 1931 die Staatskasse um rund 100Millionen Mark aumlrmer gemacht hatte betaumltigte er sich als raquoWirt-

Die ihm verbliebene Unternehmensgruppewurde zum drittgroumlszligten Stahlerzeuger Deutschlands (nachdem raquoStahlvereinlaquo und Krupp) mit eigener Koks- und Kohlen-basis im Ruhrgebiet und knapp 100000 Beschaumlftigten Auchtrat Flick kaum waren die Nazis an der Macht dem exklusivenraquoFreundeskreis des Reichsfuumlhrers SSlaquo bei pflegte dort Bezie-hungen zu den neuen Machthabern besichtigte zusammenmit anderen Wirtschaftsbossen Ordensburgen und KZ-Lagerund uumlberwies alljaumlhrlich dem immer maumlchtiger werdendenraquoReichsfuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler sechsstellige Betraumlge fuumlrdessen private Hobbies Dies war sein bescheidener Dank fuumlrdie vielen Vorteile die die Nazis ihm und den anderen Bossenverschafften die Zerschlagung der Gewerkschaften und Arbei-terparteien von Streiks die Beseitigung der Tarifau-tonomie die Festsetzung niedriger Loumlhne die Einfuumlhrung desraquoFuumlhrerprinzipslaquo in der Industrie wo es nur noch Befehl undGehorsam gab die Steuererleichterungen und Subventionen

zur Foumlrderung der heimischen Wirtschaft und nicht zuletzt diestuumlrmische Nachfrage nach Stahl infolge der von den Nazisbetriebenen Aufruumlstung

Von 1938 an konnte sich Flick auch an der raquoArisierunglaquo juumldi-scher Unternehmen in Deutschland dann auch in Oumlsterreichund der Tschechoslowakei beteiligen ja wurde mit GoumlringsHilfe zum groumlszligten raquoArisierungslaquogewinnler des raquoDritten Rei-cheslaquo (Noch im Nuumlrnberger Kriegsverbrecherprozeszlig lobteGoumlring Herrn Flick sehr zu dessen Leidwesen als raquoabsolut ver-trauenswuumlrdiglaquo und raquosehr groszligzuumlgiglaquo)

Insgesamt spendete Flick den obersten Nazis rund Mil-lionen Mark Dafuumlr bekam er raquoArmisierungslaquomoumlglichkeitennoch und noch Arbeitssklaven fuumlr seine Huumltten und Zechen zuZigtausenden gebot uumlber das groumlszligte private Industrie-Impe-rium Mitteleuropas und wurde der Reichste im GroszligdeutschenReich raquoNiemandlaquo so lobte ihn damals das NS-WochenblattraquoDas Reichlaquo raquohat die Ernennung zum Wehrwirtschaftsfuumlhrermehr verdient als Friedrich Flicklaquo

Allerdings traf Flick schon von 1943 an Vorkehrungen fuumlrden Fall einer deutschen Niederlage Er kannte durch seinenkonzerneigenen Nachrichtendienst die Plaumlne der Alliierten fuumlreine Aufteilung Deutschlands und etwa 16 Monate vor Kriegs-ende begann sein Konzern mit der heimlichen raquoVerlagerunglaquoseiner wertvollsten Besitztuumlmer von Osten nach Westen vorallem in die kuumlnftige amerikanische Zone Waumlhrend der vonGoebbels proklamierte raquototale Krieglaquo noch andauerte und taumlg-lich mehr Opfer an Gut und Blut forderte packten Flick undseine engsten Mitarbeiter bereits ihre Koffer und setzten sichvon Berlin ab Familie Flick (und mit ihr der Sandkastenfreunddes juumlngsten Sohns Friedrich Karl Eberhard v Brauchitsch)zog auf das Hofgut Sauersberg bei Bad Toumllz das als Ausweich-quartier angekauft worden war und dort erwartete Flick dieAnkunft der Amerikaner

Am 13 Juni 1945 wurde der Konzernherr der weit oben aufder Kriegsverbrecherliste stand verhaftet Nach zweieinhalb-jaumlhriger Untersuchungshaft kam er vor das Nuumlrnberger Militaumlr-tribunal zusammen mit seinem Vetter und Vertrauten KonradKaletsch und dem Chef seines Nachrichtendienstes Otto

Steinbrinck Kaletsch wurde freigesprochen Steinbrinck zufuumlnf Flick zu sieben Jahren Gefaumlngnis verurteilt aber schonMitte 1950 waren beide wieder frei Flick hatte seinen 67Geburtstag schon hinter sich aber das Beste in seinem Indu-striellenleben sollte erst noch kommen

Schon im Gefaumlngnis hatte sich Flick mit Hilfe der Unterla-gen die ihm Vetter Kaletsch und sein Anwalt Dr WolfgangPohle (spaumlter Schatzmeister der CSU) allwoumlchentlich brachtenGedanken uumlber den Wiederaufbau seines Konzerns gemachtvon dem im Westen einiges uumlbriggeblieben war derhuumlttelaquo-Konzern in der Oberpfalz die ehedem raquoarisiertenlaquo Hochofenwerke Luumlbeck AG sowie Mehrheitsbeteiligungen ander Harpener Bergbau AG und der Essener Steinkohlenberg-werks AG Treuhaumlnder und Verwalter dieser Reste war uumlbrigensder Bankier Robert Pferdmenges ein enger Freund und Bera-ter Adenauers und Flicks langjaumlhriger Privatsekretaumlr RobertTillmanns saszlig seit 1949 als CDU-Bundestagsabgeordneter inBonn wenig spaumlter als Bundesminister fuumlr besondere Aufga-ben im Kabinett gluumlckliche Umstaumlnde fuumlr den gerade haftent-lassenen fast 70jaumlhrigen Kriegsverbrecher

Der hatte schon von der Gefaumlngniszelle aus den Verkauf sei-ner Ruhrkohlen-Interessen eingeleitet konnte sie sogleichguumlnstig abstoszligen und verfuumlgte im Herbst 1950 uumlber fast eineViertelmilliarde DM an fluumlssigen Mitteln mit denen er sich inzukunftstraumlchtige Industriezweige einkaufte vor allem in dieAutomobil- Maschinen- Papier- und Kunststoff-Industrie

Es wuumlrde Baumlnde fuumlllen wollte man alle Transaktionen schil-dern mit deren Hilfe Flick sein Nachkriegs-Imperium auf-baute Am Ende seines Lebens gehoumlrten ihm jedenfalls dieFeldmuumlhle AG die Maximilianshuumltte eine starke Mehrheit ander Buderus AG in Wetzlar zu deren Konzern auch die Muumln-chener Panzerschmiede Krauss-Maffei zaumlhlte die Dynamit-Nobel AG in Troisdorf sowie ein dickes Paket Daimler-Benz(raquoMercedeslaquo)-Aktien das Anfang der siebziger Jahre alleineinen Wert von mehr als zwei Milliarden DM darstellte

Schon 1958 nur acht Jahre nach Flicks Haftentlassung hatteBundeskanzler Adenauer ihm zum 75 Geburtstag und raquozumgroszligen und staunenswerten Lebenswerklaquo gratuliert

lich konnte man nur staunen was der durch fuumlnfjaumlhrige Kriegs-verbrecherhaft ungebrochene alte Herr in so kurzer Zeit wiederzusammengerafft und wie fest er sein Industriereich im Griffhatte Dagegen war es schlecht bestellt um die Erbfolge Mitseinen beiden Soumlhnen Otto-Ernst und Friedrich-Karl standsich der autokratische Uumlbervater miserabel Erst sollte Otto-Ernst (raquoOElaquo) alles uumlbernehmen Friedrich-Karl (raquoFKlaquo) vomVater raquodas Biirschchenlaquo genannt sollte mit ein paar hundertMillionen abgefunden werden Dann gab es Krach mit raquoOElaquo mehrfache Aumlnderungen des Testaments jahrelange Prozessein denen Vater und Sohn Groszligvater und Enkel Bruumlder undSchwaumlgerinnen vor den Gerichten stritten was Hunderte vonMillionen verschlang schlieszliglich einen Vergleich durch denraquoOElaquo hoch abgefunden endguumlltig ausschied seine beidenSoumlhne sollten sobald sie 28 Jahre alt waren ihre Beteiligungenam Konzern selbst vertreten (wurden aber spaumlter von ihremOnkel raquoFKlaquo abgefunden und ausgebootet) Uumlbrig blieb alskuumlnftiger Alleinherrscher raquodas Buumlrschchenlaquo raquoFKlaquo Er erbtebeim Tode des fast 90jaumlhrigen Vaters im Jahre 1972 das gesamteFlick-Imperium

Zweifel an der Befaumlhigung seines Juumlngsten hatte FriedrichFlick stets gehabt und deshalb Eberhard v Brauchitsch raquoFKslaquoJugendfreund diesem als Generalbevollmaumlchtigten an dieSeite gestellt Aber 1971 ein Jahr vor dem Tod des alten Flickwar es zum Krach zwischen den Freunden gekommen Brau-chitsch hatte ein Angebot von Axel Springer angenommen undwar dessen Generalbevollmaumlchtigter geworden Ein Jahr spauml-ter vom Totenbett des Vaters aus rief raquoFKlaquo wie er nungenannt wurde v Brauchitsch zuruumlck

raquoIn den fruumlhen siebziger Jahrenlaquo so raquoDer Spiegellaquo raquoarbeite-ten gtFKFlt und zunaumlchst bestens zusammen Nach demTod des Alten halfv B die Alleinherrschaft des Sohnes abzusi-chern Dann setzte das Duo zu seinem Herkules-Werk an Umdie Steuerbefreiung fuumlr die Daimler-Milliardenlaquo den Erloumlsdes Verkaufs eines Teils von Flicks Daimler-Benz-Aktienraquodurchzudruumlcken muszligte die traditionelle Spenden-Maschine-rie des Hauses Flick auf houmlchste Touren gebracht werden Geld spielte keine Rolle Die schwarze Kasse quoll uumlber von

jenen Millionen die v Brauchitsch uumlber die katholische SteylerMission dem Staat direkt abgeluchst hatte Doch fehlte es demKonzernchef und seinem Helfer auch nicht an herkoumlmmlichverdientem Geld Kein Wunder denn auch nach dem Ver-kauf der Mehrzahl seiner Daimler-Aktien an einen Oumllscheichwar raquoFKFlaquo noch mit zehn Prozent am Daimler-Konzern betei-ligt es gehoumlrte ihm ein Drittel des US-Konzerns Grace dieFeldmuumlhle AG samt riesigem Auslandsbesitz war 100prozentigin Flick-Eigentum und er hielt weiterhin eine starke Mehrheitam Buderus-Konzern An dessen Muumlnchener Tochter Krauss-Maffei blieb Flick auch nach Verkauf der Waffenschmiede anMBB und den Diehl-Konzern mit zehn Prozent beteiligt undschlieszliglich war auch die Dynamit-Nobel AG zu fast 100 Prozentin Flick-Eigentum

Was aber die laut raquoSpiegellaquo uumlberquellende schwarze Kasseund die beim Auffuumlllen hilfreiche Steyler Mission betraf sowaren die Steuerfahnder Anfang 1982 einem abenteuerlichenGegengeschaumlft auf die Spur gekommen Ein Unternehmendas die Finanzen der katholischen Steyler Mission verwaltetdie raquoSoverdia Gesellschaft fuumlr Gemeinwohl mbHlaquo hatte vomHaus Flick rund 10 Millionen DM an Spenden erhalten aufden ersten Blick ein frommes Werk wie man es von Flick garnicht erwartet haumltte Doch bei naumlherem Hinsehen fanden dieFahnder heraus daszlig Pater Josef Schroumlder der raquoSoverdialaquo-Geschaumlftsfuumlhrer 80 Prozent der erhaltenen Summe gleich wie-der an den Spender bar zuruumlckgezahlt hatte

Dazu damals raquoDer Spiegellaquo raquoFlick-Chefbuchhalter Diehlerinnert sich wurde ich erstmals von (dem da-maligen Flick-Generalbevollmaumlchtigten) Kaletsch angewiesenvon Herrn Pater Schroumlder Geld in Empfang zu nehmen Eshandelte sich um einen Betrag von 800000 DM Mir wardamals klar daszlig zwischen diesem Betrag und der vorher gege-benen Spende (von 1000 000 DM) ein unmittelbarer Zusam-menhang bestand Im folgenden Jahr ereignete sich der gleicheVorgang mit demselben Betrag Insgesamt zehn MillionenMark flossen innerhalb von zehn Jahren an die Soverdiaacht Millionen kamen wieder in Flicks schwarze Kasse zu-ruumlck laquo

Zehn Prozent der Spendensumme durfte die Steyler Mis-sion behalten weitere zehn Prozent gingen an den damaligenCDU-Bundestagsabgeordneten Walter Loumlhr der raquodie Sachelaquoausgetuumlftelt hatte raquoDen besten Schnittlaquo - so raquoDer Spiegellaquoraquoaber machte die Flick-Gruppe Sie strich nicht nur die gehei-men Ruumlckfluumlsse in Houmlhe von 80 Prozent der Spenden ein (undkonnte damit die schwarze Kasse fuumlllen) sondern konnte auchSpendenbescheinigungen uumlber 10 Millionen DM beim Finanz-amt vorlegen Die Steuerverguumlnstigung betrug damals bis zu 51Prozent der Spendensummelaquo im Falle Flick also nochmals einraquoVerdienstlaquo von mehr als fuumlnf Millionen DM

Dennoch war diese krumme Spenden-Angelegenheit nurein vergleichsweise unbedeutender Nebenaspekt des eigentli-chen Skandals des raquoMilliardendingslaquo Denn so die Staatsan-waumllte -mit Unterstuumltzung der zustaumlndigen Bundesminister Fri-derichs und Graf Lambsdorff gewiszlig aber unter Vorspiegelungfalscher Tatsachen erreichte die Flick-Gruppe zu Unrecht eineSteuerbefreiung in Houmlhe von 450 Millionen DM Um 800 Mil-lionen DM aus dem Verkauf von Daimler-Aktien steuerfrei ineine starke Beteiligung an dem US-Chemiekonzern Graceinvestieren zu koumlnnen gab sie dieses Geschaumlft die Verschie-bung der Riesensumme ins Ausland als volkswirtschaftlicheGroszligtat aus

Zum Segen fuumlr die deutsche Wirtschaft so behaupteten dieFlick-Bosse treuherzig verschaffe diese Geldanlage der BRDden ersehnten Zugang zu neuesten amerikanischen Technolo-gien raquoIn Wahrheitlaquo so Spiegellaquo raquopassierte gar nichtsGrate-Praumlsident Peter Grace kehrte von einer Deutschland-Reise mit der Erkenntnis zuruumlck daszlig mit den neuen Eigentuuml-mern zwar Spesen zu machen waumlren aber kein Technologie-transferlaquo

Der Bonner Staatsanwaltschaft die in den Flick-Chefetagenuumlber hundert Aktenordner beschlagnahmte wurde bald auchklar von wem viele der steuersparenden Ratschlaumlge stammtennaumlmlich von einem alten Freund des Hauses Flick Franz JosefStrauszlig Aus dessen Vernehmungsprotokoll konnte raquoDer Spie-gellaquo folgendes zitieren

raquoIch (Franz Josef Strauszlig) habe wie angegeben HerrnFlick vor etwa acht Jahren geraten in Nordamerika zu investie-ren Ich habe ihm geraten seine inlaumlndischen Betriebe zu ent-schulden und zu modernisieren Ich habe in diesem Zusam-menhang ihm einmal wahrscheinlich im Jahre 1978 einenBrief geschrieben in dem ich ihm geraten habe die Vorausset-zung des sect 6b (Einkommensteuergesetz) und sect 4 (Auslandsin-vestitionsgesetz) sehr genau zu nehmen Ich war damals derMeinung daszlig fuumlr die Erfuumlllung der Kriterien unter anderemein Kooperationsabkommen mit der Firma Grace die Pruumlfungder hiermit verbundenen steuerrechtlichen Frage erleichternwuumlrdelaquo

Auf den Vorhalt des Staatsanwalts raquo Herr Ministerpraumlsi-dent wir haben Sie nunmehr davon in Kenntnis gesetzt daszligsich aus den im Jahre 1974 beginnenden Aufzeichnungen desFlick-Konzerns aus dem Hefter gtCSUlt der sich im Gewahrsamder Staatsanwaltschaft befindet folgende Vermerke ergebengt214 (75)KavB wg FJS12 7 (76) Dr FKF wg FJS11 7 (78) Dr FKF wg FJS2410 (79) Dr FKF wg FJSKoumlnnen Sie dazu irgendeine Erklaumlrung abgebenlaquo

Antwort von Ministerpraumlsident Strauszligraquo1 Ich bin am Zustandekommen keiner dieser Unterlagenbeteiligt

2 Offensichtlich gibt es auch keine Quittungen die ichselbstverstaumlndlich bei eventuellen Auszahlungen wenngewuumlnscht ausgestellt haumltte zumal steuerlich relevante Vor-gaumlnge offensichtlich uumlberhaupt nicht zugrunde liegen

3 Der Beginn Ihrer Unterlagen ist deshalb verwirrend oderirrefuumlhrend womit ich keine Absicht unterstelle weil nebenunzaumlhligen Kleinspendern auch einige Groszligspender darunterdie Flick-Unternehmungen die CSU immer wieder unter-stuumltzt haben Ich darf nebenbei bemerken daszlig es sich hier

Gemeint sind offensichtlich mit raquoKalaquo Konrad Kaletsch mit raquovBlaquo Eberhard vBrauchitsch mit raquoDr FKFlaquo Dr Friedrich Karl Flick mit raquoFJSlaquo Franz JosefStrauszlig damals bayerischer Ministerpraumlsident und CSU-Parteivorsitzender

nicht um die Honorierung von Ratschlaumlgen handelt sondernum eine bestimmte politische Linie im In- und Ausland laquo

Diese Aussage des inzwischen verstorbenen Franz JosefStrauszlig der sich wenn er Gefahr witterte wie ein Tintenfischeinzunebeln pflegte laumlszligt-wenn man den Schwall von Phrasenund Schutzbehauptungen beiseite laumlszligt - zweierlei deutlicherkennen

Strauszlig konnte nicht bestreiten von Flick viel Geld bekom-men zu haben Aber er wollte das nicht als raquoHonorierung vonRatschlaumlgenlaquo verstanden wissen weil ihn dies in den Verdachtder Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten haumltte bringen koumln-nen Statt dessen sollte es sich um eine raquoUnterstuumltzunglaquo einerund zwar doch wohl seiner -raquopolitischen Linie im In- und Aus-landlaquo gehandelt haben wozu angemerkt sei daszlig die auslaumlndi-schen Politiker mit denen Strauszlig enge Beziehungen unter-hielt meist Ultrarechte Faschisten und Rassisten waren Pino-chet in Chile dessen Regime er lobte Suumldafrikas Apartheids-Fanatiker spanische Neofaschisten und sogar die Fuumlhrer dertuumlrkischen Grauen Woumllfe die fuumlr ihre Bluttaten beruumlchtigtwaren

Noch seltsamer als die Erklaumlrung die Strauszlig der Justiz fuumlrdas viele Flick-Geld gab das er erhalten hatte war die Aussagevon Dr Friedrich Karl Flick im Prozeszlig gegen die Ex-MinisterFriderichs und Graf Lambsdorff Als der Richter den ZeugenDr Flick nach Wesen und Zweck der Spenden an raquoFJSlaquo befragte erwiderte dieser von Spenden verstehe er nichts erkoumlnne da raquonur mutmaszligenlaquo

Und das tat er dann auch raquoSpendenlaquo so gab er zu Protokollraquodas war das berechtigte Anliegen von demokratischen Par-teien wiersquos auch beim Vater fruumlher oder beim Onkel Kaletschuumlblich gewesen sein mag um ein offenes Ohr zu findenlaquo

Aber so wollte der Richter wissen ob er nie daran gedachthabe sich damit Vorteile fuumlr den eigenen Betrieb zu verschaf-fen

Darauf Dr Flick raquoDiese Uumlberlegungen sind mir unbe-kanntlaquo

Alsdann sollte dieser offenbarvoumlllig selbstlose Spender demGericht erklaumlren wie denn so eine Spendenzahlung an einen

Spitzenpolitiker vor sich gegangen sei zum Beispiel wenn DrFlick dem Ministerpraumlsidenten Strauszlig 250 Tausendmark-scheine uumlberreicht habe

Ausnahmsweise konnte Dr Flick in diesem Fall mit einerklaren Antwort dienen raquoDa ist er (Strauszlig) beim erstenmal insNebenzimmer gegangen und hat nachgezaumlhlt Und dann ist erzuruumlckgekommen und hat sich bedanktlaquo

Beim zweitenmal so fuumlgte er noch stolz hinzu raquohat er dannnicht mehr nachgezaumlhltlaquo

Nun wollte der Richter auch noch wissen warum das HausFlick seine uumlppigen Spenden an Politiker stets in bar entrich-tete

Dr Flick raquoMeines Wissens hat sich das einfach so ergebenWenn man sich im suumlddeutschen Raum so begegnet ist hatman das Geld der Einfachheit halber gleich uumlbergebenlaquo

Kein Gedanke an die Moumlglichkeit einer Steuerhinterzie-hung auch nicht an die Eventualitaumlt daszlig vielleicht die Empfaumln-ger lieber Bargeld nahmen raquoumlaquo- so fragte der offenbar durch-aus mit dem praktischen Leben vertraute Richter raquonichtimmer Rechenschaft bei ihren Schatzmeistern ablegen zu muumls-senlaquo Flick wuszligte es nicht

Er erklaumlrte dem Gericht daszlig er eigentlich von gar nichtsgewuszligt habe schon uumlberhaupt nichts von den angedeutetenMoumlglichkeiten Kurz Multimilliardaumlr Dr Flick uumlberzog mitun-ter - so raquoDer Spiegellaquo raquoallzu erkennbar seine Rolle als Kon-zerndepplaquo Uumlbertroffen wurde er nur noch von einem seinerGroszligspenden-Empfaumlnger dessen Rolle vor Untersuchungsaus-schuumlssen Justiz und Presse man analog die eines raquoPolitdep-penlaquo nennen muumlszligte Bundeskanzler Dr Helmut Kohl

Bei seiner Vernehmung durch die Bonner Staatsanwalt-schaft am 5 Juli 1982 hatte Dr Kohl damals noch nicht Bundes-kanzler zugegeben vom Haus Flick gelegentlich groumlszligere Bar-geld-spenden erhalten zu haben Daszlig es insgesamt 565000DM gewesen waren die Flick-Chefbuchhalter Diehl zwischen1974 und 1980 exakt verbucht hatte war Kohl indessen wie ersagte raquovoumlllig unbekanntlaquo

Befragt was ihm denn raquovoumlllig unbekanntlaquo gewesen sei dieHoumlhe der Summe oder die Verbuchung durch Diehl erwiderte

Helmut Kohl pikiert er koumlnne raquouumlber Einzelheiten aus der Er-innerung keine Angaben machenlaquo

Indessen erinnerte er sich zwei Jahre spaumlter am 7 Novem-ber 1984 vor dem Flick-Untersuchungsausschuszlig des Bundesta-ges genau daran daszlig eine raquokleinerelaquo Flick-Spende lumpige30 000 DM raquobei uns nicht eingetroffenlaquo sei - eine Zahlung dieder akribische Flick-Chefbuchhalter Diehl mit Datum vom6 Dezember 1977 verbucht hatte

Fuumlr diese raquoNikolaus-Spendelaquo wie sie genannt wurde gab esjedoch ganz besonders viele und starke Indizien Am Nikolaus-Tag 1977 waren 60 000 DM von einem raquoinoffiziellenlaquo Konto desHauses Flick bei einer Duumlsseldorfer Filiale der DeutschenBank bar abgehoben worden Die Abbuchung bei der Bank undder Eintrag ins schwarze Kassenbuch bei Flick stimmten uumlber-ein und dazu paszligte auch der Vermerk des pingelig genauenChefbuchhalters vom 6 Dezember 1977 raquovB wg Kohl 30 000DM wg Graf Lambsdorff 30 000 DMlaquo macht zusammen60 000 DM Parallel dazu hatte v Brauchitsch am 6 Dezember1977 den Erhalt eines Barbetrags von 60 000 DM korrekt quit-tiert und auf der Ruumlckseite der Quittung war vermerkt raquo30 Ko30 GrLalaquo womit ja auch nur gemeint sein konnte das Geldginge je zur Haumllfte an Helmut Kohl und an Otto Graf Lambs-dorff

Uumlberdies trug der vorbildliche Flick-Chefbuchhalter ins Kas-senbuch fuumlr raquoInoffizielle Zahlungenlaquo am 6 Dezember 1977 einraquovB wg Kohl und Lambsdorff 60 000laquo und man darf wohlannehmen daszlig mit der Zahl keine roten Rosen weiszligen Maumluseoder gruumlnen Aumlpfel gemeint waren sondern bare DMark

Doch auch damit noch nicht genug Am Vorabend des Niko-laus-Tages 1977 am 5 Dezember hatte eine Brauchitsch-Sekre-taumlrin ihrem Chef folgende Notiz vorgelegt die sich bei denGerichtsakten befindet raquoFrau Weber Sekr Kohl fragt an obes Ihnen recht ist wenn sie morgen Dienstag gegen 16Uhr kurz bei Ihnen vorbeikommtlaquo und dazu hat Eberhard vBrauchitsch im Dezember 1985 vor dem Bonner Landgerichtausgesagt raquoSielaquo Frau Weber vom Sekretariat Kohl raquohatschon mal fuumlr Herrn Kohl Geld empfangen und dies wiedie Akten zeigen nicht gerade selten Mindestens vier Besuche

Frau Webers bei v Brauchitsch sind vermerkt die mit Zahlun-gen von je 50000 DM und einer von 30000 DM alle raquowgKohllaquo uumlbereinstimmten

Das fuumlr Helmut Kohl Aumlrgerliche ist daszlig es fuumlr die meistenFlick-Spenden raquowg Kohllaquo entsprechende Eingangsbuchungenbei der CDU-Schatzmeisterei gibt nicht jedoch fuumlr die raquoNiko-laus-Spendelaquo und auch nicht fuumlr weitere 25 000 DM die eben-falls fehlen Schlieszliglich fehlt inzwischen noch etwas naumlmlichHelmut Kohls Erinnerung an die Geldwaschanlagen vonRheinland-Pfalz die die von der Industrie kommenden sehrgroszligzuumlgigen Parteispenden am Finanzamt vorbei (und fuumlr dieSpender enorm steuersparend) in die richtigen Troumlge lenktenPater Josef von der Steyler Mission konnte ja nur einen Teil desenormen Bedarfs an raquogewaschenemlaquo Geld befriedigen mitdem die Herren des Groszligen Geldes allen voran das HausFlick die raquogeistig-moralische Wendelaquo in Bonn vorfinanzierten

Helmut Kohl seit 1966 Landesvorsitzender der CDU seit1969 auch Ministerpraumlsident in Rheinland-Pfalz und seit 1975Bundesvorsitzender der CDU die neben CSU und FDP vondem Spenden-Unwesen am meisten profitiert hatte erinnertesich als Kanzler an rein gar nichts mehr uumlberhaupt nicht an dieGeldwaschanlagen in Rheinland-Pfalz Kohl hatte als es umvergleichsweise Bagatellen ging die 30 000 DM der raquoNikolaus-Spendelaquo und die ebenfalls fehlenden 25 000 DM von Flick -alles vergessen Allenfalls fielen ihm wenn die Staatsanwaumlltenach der raquoStaatsbuumlrgerlichen Vereinigunglaquo (SV) in Koblenzfragten die lustigen Abende ein die er dort nachvortraumlgen mit-unter verbracht hatte Kohl hatte aber raquokeinerlei Erinnerunglaquodaran daszlig diese Koblenzer SV die wichtigste Geldsammel-und -Waschanlage nicht nur fuumlr Rheinland-Pfalz sondern fuumlrdie ganze Bundesrepublik gewesen war und daszlig man inKoblenz auch deshalb feucht-froumlhlich gefeiert hatte weil dankder raquobesonderen Foumlrderungswuumlrdigkeitlaquo die der raquogemeinnuumlt-zigenlaquo SV von der Landesregierung bescheinigt worden warseiner CDU etliche hundert Millionen DM heimlicher Spen-den der Industrie steuerbeguumlnstigt zugeflossen waren

Vielleicht hatte Helmut Kohl so vermutete sein damaligerSchnelldenker und Wahlkampf-Manager der von ihm inzwi-

schen gefeuerte Heiner Geiszligler etwas vorlaut -bei seinen Aus-sagen uumlber die raquoSVlaquo aber auch nur Erinnerungsluumlcken und gabirrige und unvollstaumlndige Antworten als Opfer eines raquoBlack-outlaquo Diese von dem klugen von Kohl ungnaumldig entlassenenGeneralsekretaumlr Heiner Geiszligler erwogene Moumlglichkeit daszligdem Kanzler mitunter wenn auch nur voruumlbergehend der Ver-stand abhanden komme sollten die Waumlhlerinnen und Waumlhlerbedenken denn ein Regierungschef mit gelegentlichen Aus-fallerscheinungen ist keine angenehme Vorstellung fuumlr dieMenschen in raquodiesem unserem Landelaquo

Indessen gibt es fuumlr Helmut Kohls Vergeszliglichkeit hinsicht-lich des Verbleibs der raquoNikolaus-Spendelaquo oder auch derMachenschaften der Koblenzer raquoSVlaquo noch eine andere Erklauml-rung als die von Geiszligler vermuteten Gedaumlchtnisluumlcken infolgeeines Blackouts Um Kohls Zoumlgern zu verstehen daruumlber dieWahrheit zu sagen muszlig man noch einmal zuruumlck zu denUrspruumlngen der steilen Karriere des Schwarzen Riesen nachLudwigshafen-Oggersheim und nach Frankenthal

Im Fruumlhjahr 1933 als sich die Hitler-Diktatur gerade etablierthatte und mit immer neuen Wellen des Terrors zu konsolidie-ren begann bereiteten sich drei Heidelberger Juristen geradeauf ihre unterschiedlichen Karrieren vor Dr Eberhard Taubertsah seiner Berufung ins neue Reichspropagandaministeriumentgegen wo er als juumlngster Ministerialrat zunaumlchst die raquoAktiv-propaganda gegen die Judenlaquo leiten sollte SS-Fuumlhrer DrHanns Martin Schleyer nahm die raquoGleichschaltunglaquo der Hei-delberger Universitaumlt vor und betrieb ihre Einstimmung auf dieam 10 Mai durchgefuumlhrte Buumlcherverbrennung sein Freund DrFritz Ries der an diesem Akt der Barbarei als junger Dokto-rand teilnahm schmiedete bereits Plaumlne wie er auf Kosten derJuden rasch reich werden und zunaumlchst zum Kondom-Koumlnigdes raquoDritten Reicheslaquo aufsteigen koumlnnte tatsaumlchlich lieszlig erschon ein Jahr spaumlter die Verpackungen der Erzeugnisse einesgerade raquouumlbernommenenlaquo Betriebs mit dem stolzen Aufdruckversehen

Im selben Fruumlhjahr 1933 am 13 Maumlrz kam im nahen Mann-heim ein Knabe zur Welt dessen spektakulaumlre Laufbahn sichmit den abenteuerlichen Karrieren der drei genannten Heidel-berger Juristen durchaus messen kann Auch kreuzten sichseine Wege wiederholt mit denen der Herren Doktoren RiesSchleyer und Taubert und fast unvermeidlicherweise auch mitdenen Helmut Kohls der drei Jahre zuvor 1930 im Mannheimgegenuumlberliegenden Ludwigshafen geboren war

Der junge Mannheimer des Jahrgangs 1933 hieszlig Hans-OttoScholl besuchte wie Kohl und auch Biedenkopf die Schulein Ludwigshafen studierte dann ebenfalls in HeidelbergRechtswissenschaft und begann auch kaum daszlig er sein Stu-dium beendet hatte Anfang der sechziger Jahre eine politischeKarriere in Rheinland-Pfalz Allerdings stellte Dr Hans-Otto

Scholl seine unbestreitbaren Talente nicht der CDU zur Verfu-gung sondern der in Rheinland-Pfalz seit 1951 mit der CDUzusammen die Regierung bildenden FDP daneben demBundesverband der pharmazeutischen Industrie dessenHauptgeschaumlftsfuumlhrer er wurde Daszlig sich die maumlchtige Pharma-Industrie der Bundesrepublik den jungen Rechtsanwalt undProvinzpolitiker Dr Scholl zum Cheflobbyisten erkor hing mitden besonderen Verhaumlltnissen in Rheinland-Pfalz zusammenwo Dr Scholl in kuumlrzester Zeit zum FDP-Fraktionsvorsitzen-den im Landtag und dann auch zum Landesvorsitzenden auf-steigen konnte und eng befreundet war mit dem CDU-Nach-wuchspolitiker Dr Kohl der 1963 ebenfalls Fraktions- und 1965auch Landesvorsitzender seiner Partei wurde So eng war dasVerhaumlltnis Dr Scholl zum Dr Kohl daszlig die beiden sogar Villaan Villa wohnten der eine in der Marbacher Straszlige9 derandere in Nummer 11 und die beiden Matadore der das Laumlnd-chen Rheinland-Pfalz regierenden Parteien machten sichgegenseitig auch mit ihren finanzstarken Goumlnnern und mitderen einfluszligreichen Freunden bekannt Durch Helmut Kohllernte Hans-Otto Scholl den Konsul Dr Fritz Ries im nahenFrankenthal kennen und in dessen Haus die Duzfreunde desHausherrn Dr Hanns Martin Schleyer und Franz Josef Strauszligsowie die graubraune Eminenz Dr Eberhard Taubert umge-kehrt wurde Helmut Kohl durch Dr Scholl mit allen groszligenund steinreichen Unternehmern der Pharma-Industrie be-kannt von denen im einzelnen noch die Rede sein wird

Es laumlszligt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen weraus diesem Freundes- und Bekanntenkreis den Einfall hatteim Schutze der mit gesicherter Mehrheit das Land Rheinland-Pfalz regierenden Parteien eine Geldwaschanlage zu etablie-ren aber vieles spricht dafuumlr daszlig es Dr Fritz Ries gewesen istund daszlig Kohl im Bunde mit Scholl die Idee in die Tat umsetze

Die Grundidee war einfach Die Industriellen wollten eineihnen genehme Politik und Gesetzgebung die dazu bereitenPolitiker wollten dafuumlr Geld Die Wirtschaftsbosse waren zwarwillens fuumlr volle Kassen zu sorgen nur sollte sie das moumlglichstwenig kosten sondern zu Lasten der Allgemeinheit gehenNun gab es ja bereits Gesetze die Spenden an Parteien steuer-

abzugsfaumlhig machten Aber es gab da Houmlchstgrenzen und diePolitiker wollten weit mehr als die Bestimmungen zulieszligenund auszligerdem war bei regelrechten Parteispenden die Anony-mitaumlt der Spender nicht zu wahren die begreiflicherweise gernunbekannt bleiben wollten Also brauchte man eine Einrich-tung die jede Menge Geld entgegennehmen dafuumlr voll steuer-abzugsfaumlhige Quittungen ausstellen und die empfangenenBetraumlge diskret an diejenigen weiterleiten konnte die sie letzt-lich bekommen sollten weil sie die Entscheidungen trafenoder herbeifuumlhrten die die Spender sich erhofften

Alle diesevoraussetzungen erfuumlllte die dann ins Leben geru-fene raquoStaatsbuumlrgerliche Vereinigunglaquo (SV) in Koblenz undnatuumlrlich bekam diese SV nicht nur sofort die staatliche Aner-kennung als raquogemeinnuumltzig und besonders foumlrderungswuumlrdiglaquosondern wurde auch so ausgestattet daszlig sie ihre Goumlnner undFoumlrderer aufs trefflichste bewirten konnte zumal nachdemeiner der Gruumlndervaumlter Helmut Kohl Ministerpraumlsident vonRheinland-Pfalz geworden war und sein Spezi Nachbar undKoalitionspartner Dr Scholl als Landesfuumlrst der zum Zuumlng-lein an der Waage gewordenen FDP fuumlr Dr Ries DrSchleyer und deren Freunde an Bedeutung enorm hinzuge-wonnen hatte

In Bonn war naumlmlich im Herbst 1969 erstmals seit Bestehender Bundesrepublik ein Sozialdemokrat im Kanzleramt InKoalition mit der FDP regierte nun Willy Brandt Konsul DrRies war von den besorgten Herren des Groszligen Geldes beauf-tragt worden die FDP-Politiker raquoumzustimmenlaquo und dieungeliebte neue Regierung bei naumlchster Gelegenheit zu stuumlr-zen

Fuumlr Dr Scholl gab es zudem eine spezielle Aufgabe ZumRegierungsprogramm der sozialliberalen Bonner Koalitiongehoumlrte im Rahmen der Gesundheitsreform auch eine gruumlndli-che Novellierung der Arzneimittelgesetzgebung und dies tan-gierte die wichtigsten Interessen (sprich die enormen Profite)der Pharma-Industrie deren Verbandshauptgeschaumlftsfuumlhrer er

Von der Pharma-Industrie wurden deshalb hohe Millionen-betraumlge bereitgestellt die Dr Scholl nachdem sie bei der raquoSVlaquo

in Koblenz raquogewaschenlaquo und steuerabzugsfaumlhig gemacht wor-den waren gezielt zu verteilen hatte Es ging darum diejeni-gen Politiker und auch Beamten zu raquofoumlrdernlaquo die Einfluszlig aufdie Arzneimittelgesetzgebung und die Gesundheitspolitik hat-ten

In der Bundesrepublik wurden zu Beginn der Aktivitaumltendes Dr Scholl jaumlhrlich etwa acht Milliarden DM fuumlr Arzneimit-tel ausgegeben Als seine Taumltigkeit Anfang der achtziger Jahreendete waren es jaumlhrlich rund 17 Milliarden DM also mehr alsdas Doppelte raquoFast die Haumllfte dieser gigantischen Steigerungdie alle Bundesbuumlrger belastet haumlttelaquo so raquoDer Spiegellaquo imJuni 1985 - raquosich einsparen lassenlaquo waumlren damals nicht dieKernpunkte der geplanten Reform der Arzneimittelgesetzge-bung raquovon der Pillen-Lobby herausgeschossenlaquo worden

Die vom damaligen Pharmaverbands-HauptgeschaumlftsfuumlhrerDr Scholl mit sehr viel Geld betriebene Beeinflussung desGesetzgebungsverfahrens hat sich fuumlr die Arzneimittelherstel-ler also glaumlnzend gelohnt Sie lohnte sich aber auch fuumlr DrScholls Freunde von der CDU

So hatte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep raquozugleichim Namen von Herrn Dr Kohl und Herrn Professor Bieden-kopflaquo runde 70 000 DM kassiert von Curt Engelhorn Chef

des Familienunternehmens raquoBoehringer Mannheim GmbHlaquo(damaliger Pharma-Umsatz Milliarden DM) und zwaruumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo Der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende Alfred Dregger hatte die Staatsanwaltschaft raquoeinigehunderttausend Mark abkassiertlaquo bei der raquoWella AGlaquo inDarmstadt und ebenfalls uumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo VomPharma-Werk E Merck in Darmstadt erhielt die CDU-Promi-nenz rund eine Million DM und waumlren die Spendenlistenzumal deren wichtigste Teile nicht durch besondere Umstaumlndedem Einblick der Oumlffentlichkeit entzogen worden lieszligen sichgewiszlig noch weitere zusammen mehr als 20 Millionen DMnachweisen die Dr Scholl an CDU- und FDP-Prominenzzumal an seine engsten Spezis groszligzuumlgig verteilt hat

Indessen war Dr Scholl mit dem Pharma-spendengeld mit-unter allzu groszligzuumlgig zumal sich selbst gegenuumlber Alsbandsvorstand dies bemerkte wurde Dr Scholl raquowegen zu

eigenmaumlchtigen Umgangs mit dem Verbandsvermoumlgenlaquo gefeu-ert und muszligte sich verpflichten dem Verband MillionenDM zuruumlckzuerstatten Erstaunlicherweise erhielt Dr Schollaber dennoch nach seiner Entlassung eine monatliche Pensionvom Pharma-Verband in Houmlhe von 5700 DM -raquoSchweigegeldlaquofragte raquoDer Spiegellaquo damals und solche Vermutung erscheintnicht ganz abwegig zumal im Lichte spaumlterer Erkenntnisse

Noch erstaunlicher war es daszlig der gefeuerte Verbandsge-schaumlftsfuumlhrer der 1981 auch als FDP-Landesvorsitzenderzuruumlcktreten muszligte wenig spaumlter im Mainzer Landtag von denFreidemokraten wieder zum Fraktionsvorsitzenden gewaumlhltwurde Aber bei den Neuwahlen vom Maumlrz 1983 kam die FDPmit nur noch Prozent nicht mehr in denMainzer Landtag Dr Scholl war damit auch als Politikerarbeitslos brauchte aber nicht zu darben Als ehemaliger Abge-ordneter bezog er ein Uumlbergangsgeld von monatlich 5 400 DMmit seiner Pension vom Pharmaverband also zusammen 11100DM im Monat

Indessen sah er sich selbst und dann sahen ihn auch seinepolitischen Freunde -als dringend unterstuumltzungsbeduumlrftig anCDU-Ministerpraumlsident Bernhard Vogel damals noch nicht inThuumlringen sondern in Rheinland-Pfalz Kohl-Nachfolger undebenfalls Empfaumlnger betraumlchtlicher Pharma-Spenden aus derHand des Dr Scholl besorgte dem nun arbeitslosen Freunddeshalb einen mit 5000 DM monatlich honorierten Berater-vertrag bei der raquoDeutschen Anlagen-Leasinglaquo (DAL) in Mainzan der die rheinpfalzische Landesbank erheblich beteiligt istAber auch mit den auf 16 100 DM monatlich gestiegenengen war Dr Scholl noch nicht zufrieden Er wandte sich hilfesu-chend an seinen langjaumlhrigen Freund und Nachbarn HelmutKohl seit 1982 Bundeskanzler in Bonn

Klugerweise so stellt es jedenfalls ein mit der Angelegen-heit bestens vertrauter Bonner Beamter dar-waumlhlte Dr Scholleinen privaten Weg dem Kanzler seine Not zu schildern Uumlberjene Frau Juliane Weber die wir schon fluumlchtig kennengelernthaben aus den Notizen des Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard vBrauchitsch und zwar als Abholerin der offenbar verlorenge-gangenen raquoNikolaus-Spendelaquo von 30 000 DM Kohllaquo lieszlig

er Helmut Kohl wissen daszlig nun er es sei der finanzielle Unter-stuumltzung benoumltige

Ob nun Frau Weber ein gutes Wort fuumlr den Freund aus Main-zer Tagen eingelegt hat oder ob Kohl aus eigenem Antrieb taumltigwurde Jedenfalls setzte sich der Bundeskanzler sofort und ineiner Weise fuumlr Dr Scholl ein daszlig bei dem Kohl nahestehen-den und treuergebenen Beamten die Befuumlrchtung aufkam derKanzler koumlnnte erpreszligbar sein Denn dieser verschaffte demlaumlngst nicht mehr in bestem Ruf stehenden Duzfreund den er1982 noch mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausge-zeichnet hatte unverzuumlglich einen Beratervertrag bei der Deut-schen Lufthansa (an der der Bund mit mehr als 50 Prozent be-teiligt ist) Dadurch erhoumlhten sich Dr Scholls feste Bezuumlge umweitere 10 000 DM Monatsgehalt sowie 5000 DM monatlicheraquoAufwandsentschaumldigunglaquo auf nunmehr insgesamt 31100 DM

Die Befuumlrchtungen des um Kohl besorgten Beamten warenjedoch sicherlich unbegruumlndet Kohl hat sich wohl lediglichdem Spezi Dr Scholl der ihm und Seinerpartei jahrelang finan-ziell so uumlberaus behilflich gewesen warpflichtet gefuumlhlt Auch konnte Helmut Kohlja nicht ahnen daszligihn der Freund herb enttaumluschen wuumlrde

Gut ein Jahr nachdem Dr Scholls Bezuumlge dank des KanzlersFuumlrsorge auf uumlber 31000 DM monatlich erhoumlht worden warenereignete sich ein auf den ersten Blick ganz gewoumlhnlicher Raub-uumlberfall Am 28 Dezember 1984 drang ein bewaffneter Mannin ein Baden-Badener Juweliergeschaumlft ein und entkam nach-dem er die Anwesenden bedroht und den Inhaber niederge-schlagen hatte mit einer Beute im Verkaufswert von Millio-nen DM Bei der Fahndung nach den geraubten Juwelen fanddie Polizei in einem Bankschlieszligfach in Zuumlrich nicht nur einenTeil des fehlenden Schmucks sondern auch eine MengePapiere die Einblick gaben in die Spendenpraxis der bundes-deutschen Pharma-Industrie Damit war klar daszlig der bereitsgefaszligte Verdaumlchtige tatsaumlchlich der Raumluber von Baden-Badenwar Rechtsanwalt Dr Scholl der zwei Jahrzehnte lang fuumlh-rende F D P-Politiker von Rheinland-Pfalz und ehemaligeHauptgeschaumlftsfuumlhrer des Pharma-Verbands ein Intimus desamtierenden Bundeskanzlers

Lassen wir diese fuumlr Helmut Kohl schockierende Angelegen-heit damit ihr Bewenden haben Dr Scholls Motive hatten mitPolitik nichts zu tun und er hat seine Freiheitsstrafe laumlngst ver-buumlszligt

Allerdings haumltte sich Helmut Kohl schon fruumlher daruumlber imklaren sein muumlssen daszlig groszligzuumlgige lsquoGeldspender nicht voumllligselbstlos handeln Lange vor dem ersten Haumlndedruck mit demdamaligen Pharma-Lobby-Haumluptling Dr Scholl haumltte Kohl wis-sen muumlssen Wenn steinreiche Industrielle dicke Geldbuumlndelverteilen oder durch ihre Beauftragten verteilen lassen so istdies im allgemeinen kein Ausdruck uneigennuumltziger Naumlchsten-liebe Vielmehr erwarten die Spender in aller Regel Gegendien-ste die ihnen ein Vielfaches dessen einbringen was sie gespen-det haben und dabei verlangen sie mituntervon den Beschenk-ten sogar Ungesetzliches ja schlimmer noch Sie fordern eineAumlnderung der Gesetze und Vorschriften zu ihren Gunsten undzum groszligen Schaden fuumlr die Allgemeinheit oder vereiteln -wiees der Pharma-Industrie mit Hilfe der von Dr Scholl verteiltenMillionen gelang ein dringend gebotenes Reformwerk

Helmut Kohls Verhalten gegenuumlber Spendenverteilern obsie Dr Scholl oder v Brauchitsch Flick Henkel oder Oetkerheiszligen setzt ihn dem Verdacht aus daszlig er den von ihm ge-schworenen Eid raquoSchaden abzuwenden und den Nutzen zumehrenlaquo nicht auf das deutsche Volk bezieht wie es die Eides-formel fordert sondern nur auf einen winzigen Teil dieses Vol-kes naumlmlich auf die spendablen Herren des Groszligen Geldessowie auf sich selbst und einige wenige Personen die ihmnahestehen

Das Ganze wird noch erheblich verschlimmert durch einBenehmen Helmut Kohls im privaten Umgang mit den Reprauml-sentanten des Groszligen Geldes das seinen Waumlhlerinnen undWaumlhlern wenn sie davon erfahren die Schamroumlte ins Gesichttreiben muumlszligte Nehmen wir als Beispiel einen scheinbar neben-saumlchlichen im Untersuchungsausschuszlig des Bundestages zurFlick-Spendenaffaumlre aktenkundig gewordenen Vorgang

Da rief Kanzler Kohl eines Tages bei Eberhard v Brauchitschan dem Flick-Generalbevollmaumlchtigten der seinem Konzernetliche Hundert Millionen Mark faumllliger Steuern sparen will

und dafuumlr mit Bargeldbuumlndeln den stets beduumlrftigen Politikerngefaumlllig ist Zweck des Anrufs ist die Mitteilung des Bundes-kanzlers raquoDu houmlr mal Eberhard ich komme morgen abendbei euch vorbei Ich wuumlrde gern mal wieder anstaumlndig Kaviare s s e n

Natuumlrlich ging v Brauchitsch sofort auf diesen Wunsch sei-nes Duzfreundes ein der sich bei nur knapp 40000 DMMonatsgehalt sein -neben Saumagen -liebstes Essen offenbarnicht leisten konnte oder wollte Aber damit nicht genug Einpaar Tage spaumlter wieder ein Anruf bei v Brauchitsch diesmalvon Frau Hannelore Kohl aus Oggersheim raquoDu weiszligt dochEberhard wie gern ich Kaviar esse aber den gibtrsquos bei euch janur wenn ich nicht dabei bin

was macht man dann als guterzogener Mensch Als ichdas naumlchste Mal mit Herrn Kohl zusammen warlaquo so berichteteHerr v Brauchitsch habe ich ihm eine Dose Kaviar mitge-geben Den moumlchte er doch bitte mit Frau Gemahlin essen

Auch damit noch nicht genug denn die Schilderung desFlick-Repraumlsentanten geht weiter

raquoNach einer gewissen Zeit gibt es wieder ein Telefonat zwi-schen Frau Kohl und mirlaquo Bei dieser Gelegenheit fragte vchitsch raquoDu haumlttest eigentlich was sagen koumlnnen -wie war dennder Kaviarlaquo Darauf Hannelore Kohl raquoKaviar Ich habe keinengekriegt Du kennst doch den Helmut Der hat ihn mit in seineWohnung in Bonn genommen und ihn selber aufgegessen laquo

Woraufhin der wohlerzogene v Brauchitsch das Haus Flickabermals in Unkosten stuumlrzte das halbe Kilo Kaviar kosteteseinerzeit 560 DM und seinen Fahrer beauftragte der Kanz-lergattin rasch eine Dose vom Feinsten nach Ludwigshafen-Oggersheim zu bringen Mit einen dreizeiligen Begleit-brief die russische Marmelade wirklich in DeineHaumlnde kommt anbei direkt herzliche Gruumlszligelt laquo

Uumlbrigens der Untersuchungsausschuszlig und damit auch diePresse und die Oumlffentlichkeit haumltten von alledem wohl nieetwas erfahren waumlre im Privatsekretariat des Flick-Beauftrag-ten eine kurze Danksagung fuumlr die erwiesene Aufmerksamkeiteingegangen Da diese ausblieb wurden die sonst laumlngst ver-nichteten Kopien und Belege saumluberlich abgeheftet und die

Staatsanwaumllte die den Vorgang fuumlr strafrechtlich relevant hiel-ten beschlagnahmten die Akte

Der Vorfall der ein Schlaglicht auf den miserablen Stil wirftder im Hause Kohl die Arroganz der Macht begleitet ist indes-sen nur ein typisches Beispiel fuumlr die Dreistigkeit mit der sichdieser Politiker und die Seinen uumlber alle Normen gesittetenZusammenlebens hinwegsetzen von der staumlndigen Miszligach-tung der Gesetze und Vorschriften durch den amtierendenKanzler ganz zu schweigen

Zum besseren Verstaumlndnis sei hier noch aus der Fuumllle derSkandale die fuumlr die bisherige Amtszeit des Kanzlers Kohlkennzeichnend waren einer herausgegriffen der ganz zu An-fang stand

Am 11 Januar 1983 also nur wenige Wochen nach GenschersBetrug am Waumlhler und dem konstruktiven Miszligtrauensvotumdurch das Helmut Schmidt (SPD) gestuumlrzt und Helmut Kohl(CDU) Bundeskanzler wurde drangen Beamte der Bundesan-waltschaft und des Bundeskriminalamts in die Redaktions-raumlume der Hamburger Monatszeitschrift raquokonkretlaquo ein Siedurchsuchten alle Buumlros und dann auch die Privatwohnungendes damaligen Chefredakteurs Manfred Bissinger und desraquokonkretlaquo-Autors Juumlrgen Saupe angeblich wegen des dringen-den Verdachts der raquoPreisgabe von Staatsgeheimnissenlaquo Siewiesen eine besondere Ermaumlchtigung des Bundeskanzleramtsvor unterschrieben von Kohls Schulfreund engem Vertrautenund damaligen Staatssekretaumlr fuumlr die Geheimdienste Walde-mar Schreckenberger

Dies lieszlig darauf schlieszligen daszlig Kohl selbst oder seine naumlch-ste Umgebung die spektakulaumlre Aktion veranlaszligt hatte dennuumlblicherweise ist es der Generalbundesanwalt der seine Be-houmlrde und die Beamten des BKA taumltig werden laumlszligt Tatsaumlchlichwurden aber die Durchsuchungen bei raquokonkretlaquo von der Bun-desanwaltschaft eilig zur raquoRoutineangelegenheitlaquo herunterge-spielt und der Presse gegenuumlber begruumlndet mit einer mehr alsein Jahr zuruumlckliegenden raquokonkretlaquo-Veroumlffentlichung uumlber denfruumlheren BND-Spitzenfunktionaumlr Hans Langemann eine zwie-lichtige Gestalt die unter Franz Josef Strauszlig zum Chef derbayerischen Staatsschutzdienste avanciert und spaumlter gefeuert

worden war teils wegen Unfaumlhigkeit und Geschwaumltzigkeitteils wegen des Sicherheitsrisikos das sein Privatleben bot

Indessen lag der Verdacht sehr nahe daszlig es sich in Wahrheitnicht um diese weit zuruumlckliegende Veroumlffentlichung handeltesondern um einen erst gerade erschienenen raquokonkretlaquo-Artikelund einen damit zusammenhaumlngenden privaten Racheakt Hel-mut Kohls In der Ausgabe vom Januar 1983 hatte Chefredak-teur Manfred Bissinger den Kanzler in einem Artikel scharfangegriffen und es hieszlig darin raquoWie ein Mann seine Familiebehandelt und uumlber die Familie spricht kann im Gegensatznicht krasser sein als bei Helmut Kohl Seine Worte sind schein-heilig und verlogen wenn man weiszlig wie er lebt

Gemeint war das Privatleben des Kanzlers im Bereich Eheund Familie den Lieblingsthemen des salbadernden Volksred-ners Kohl raquoIch spreche so leidenschaftlich zu diesem Themalaquohatte er gerade erst getoumlnt raquoweil fuumlr mich ganz ist daszlig dieimmer wieder notwendige geistig-moralische Erneuerungunseres Landes eben nur dann kommen kann wenn die Jun-gen ihr Beispiel zu Hause erfahren und eingeuumlbt werden indie Tugenden unseres Landes am Beispiel der eigenen Elternin der Waumlrme und Geborgenheit der eigenen Familielaquo Dochals Helmut Kohl von Mainz nach Bonn umgezogen war hatteer seine Frau Hannelore und seine beiden Soumlhne im Oggershei-mer Bungalow zuruumlckgelassen Seine Sekretaumlrin Juliane Weberaber war mit ihm umgezogen nicht nur ins Bonner Buumlro son-dern auch in sein neues Haus in Bonn-Pech Am 14 Oktober1982 zwei Wochen nach Kohls Einzug ins Bundeskanzleramthatte raquoBILDlaquo aus der raquogeheimnisvollen Welt der neuen Nr 1laquoder Kanzlergattin Hannelore Kohl gemeldet Sie raquokam nachBonn selten uumlbernachtet hat sie dort so gut wie nielaquo

raquoIn Bonn ist es ein offenes Geheimnislaquo hatte Bissinger inraquokonkretlaquo uumlber das Verhaumlltnis Kohls mit seiner Sekretaumlringeschrieben raquoDie Journalisten kennen nicht nur Juliane Weber(die uumlbrigens auch verheiratet ist)laquo sie wissen auch wie Kohlzu ihr steht raquoDie Wahrheit schreiben will keiner Das houmlch-ste der Gefuumlhle ist mal ein Scherz fuumlr Insider Der gtSpiegelltuumlber Juliane Weber schlaumlgt ihm auch die Eier auf weil der

Kanzler sie so heiszlig nicht anfassen maglt Normalerweise wuumlrdeman daruumlber zur Tagesordnung uumlbergehen

Soweit die wesentlichen Stellen aus dem fuumlr Helmut Kohlund seine Gefaumlhrtin so aumlrgerlichen raquokonkretlaquo-Artikel dergewiszlig nicht geschrieben - und bestimmt nicht hier zitiert - wor-den waumlre haumltte Kohl nicht selbst dafuumlr gesorgt daszlig man uumlberseine Intimsphaumlre eben nicht taktvoll schweigen kann

Der Kanzler selbst hat aus seiner privaten eine oumlffentlicheAngelegenheit gemacht denn zum erstenmal seit Bestehender Bundesrepublik ja wenn man die Hitler-Diktatur aus-nimmt in der ganzen neueren deutschen Geschichte hat einKanzler die Finanzierung seines Verhaumlltnisses nicht ausner Tasche vorgenommen sondern sie dreist dem Steuerzahleraufgebuumlrdet Damit nicht genug Helmut Kohl hat seiner Juli-ane Weber die fuumlr ihn wie wir bereits wissen auch oumlfters dasvon der Industrie gespendete Bargeld kassieren darf auch einePfruumlnde verschafft die ihr nicht zusteht Gegen das Beamten-recht und gegen die Einwaumlnde des Personalrats der darauf hin-wies daszlig Frau Weber sogar die in den Richtlinien vorgeschrie-bene Oberschul- und Universitaumltsbildung fehle ganz zuschweigen vom Staatsexamen wurde die Kanzler-Gefaumlhrtinmit den Bezuumlgen eines Regierungsdirektors als persoumlnlicheReferentin eingestellt weil Kohl das raquoeinzigartigelaquo VertrauenVerhaumlltnis geltend machte das zwischen ihm und JulianeWeber bestehe und sich damit durchsetzte

Erst diese von Kohl eingefuumlhrte raquoMaumltressenwirtschaftlaquo (wieBeamte des Kanzleramts seinen Regierungsstil nennen der esFrau Weber gestattet mit der einleitenden keinen Wider-spruch duldenden Formel raquoDer Kanzler wuumlnscht ihre eige-nen Forderungen durchzusetzen) hat dazu veran-laszligt die Oumlffentlichkeit daruumlber zu informieren

Kohl selbst informierte die Oumlffentlichkeit auf seine WeiseIn derselben Woche in der das Kanzleramt die Haussuchungenbei raquokonkretlaquo vornehmen lieszlig verkuumlndete er vollmundiggilt fuumlr uns der Satz Eine gesunde Familie ist die Vorausset-zung eines gesunden Staates und Staatspolitik muszlig sich taumlg-lich an diesen Satz erinnernlaquo

Ein paar Tage spaumlter bemuumlhten sich Kanzlergehilfen dieBonner Journalisten davon zu uumlberzeugen daszlig die Aktion ge-

raquokonkretlaquo nichts zu tun gehabt haumltte mit der dort veroumlffent-lichten Geschichte uumlber die zur Regierungdirektorin ernannteKanzler-Gefaumlhrtin Denn diese Veroumlffentlichung haumltte ja Kohlund Frau Weber noch gar nicht zur Kenntnis gelangt sein koumln-nen weil sie im Januar-Heft stand der Durchsuchungsbefehlaber sei bereits am 29 Dezember 1982 unterzeichnet wordenDie Wahrheit hingegen ist daszlig raquokonkretlaquo wegen der Feiertageseine Januar-Ausgabe bereits am 21 Dezember ausgelieferthatle So war also Zeit genug gewesen etwaige Rachegeluumlstereifen zu lassen und dann auch zu stillen

Indessen ist der Vorfall samt seinem skandaloumlsen Hinter-grund der Einsetzung der raquoeinzigartigenlaquo Gefaumlhrtin als Direk-torin ins Kanzleramt nur ein weiteres Beispiel fuumlr den misera-blen Stil des Politikers Helmut Kohl der staumlndig von raquogeistig-moralischer Erneuerunglaquo redet sich aber nicht scheut denSuperreichen Steuergeschenke in Milliardenhoumlhe auf Kostender Allgemeinheit vor allem der Lohnsteuerpflichtigen zumachen und dafuumlr bei den Herren des Groszligen Geldes abzukas-sieren Bleibt noch zu fragen welche unsittlichen Forderungenauszliger den bereits genannten speziellen Wuumlnschen des HausesFlick und denen der Pharma-Industrie die Konzerngewaltigenan Helmut Kohl und dessen Regierung noch gestellt habenund inwieweit diese Forderungen bereits erfuumlllt worden sindDenn natuumlrlich wollen die milliardenschweren Herren fuumlr ihrehohen Spenden auch wenn diese Betraumlge durch Schwinde-leien und Steuerhinterziehung ergaunert worden sind diegewuumlnschten Resultate sehen

Aber mit den vom Groszligen Geld erhofften Ergebnissen kanndie Regierung Kohl in reichem Maszlige aufwarten Ihre Bilanznach zwoumllf Jahren raquoWendelaquopolitik ist fuumlr die Superreichen derBundesrepublik so zufriedenstellend daszlig sie sich vergnuumlgt dieHaumlnde reiben koumlnnen

Sehen wir uns an wie Kohl sich ihnen gleich in seinen erstenRegierungsjahren nuumltzlich gemacht hat

Helmut Kohl finanziert und

von ihm bekommen hat

An nichts wird so glaumlnzend verdient wie am RuumlstungsgeschaumlftViele der groumlszligten Vermoumlgen der Bundesrepublik im Megamil-lionen- und Multimilliardenbereich stammen aus Kriegsgewin-nen aus Waffenlieferungen ins Ausland vor allem aber ausAuftraumlgen der Bundeswehr Die Erben von Harald und HerbertQuandt -geschaumltztes Vermoumlgen zusammen Milliarden DM- der Flick-Erbe Dr Friedrich Karl Flick und seine Neffen -zu-sammen mindestens Milliarden DM schwer - Familie vSiemens Milliarden DM - die Roumlchling-Erben etwaMilliarden oder um aus der Fuumllle der moumlglichen Beispielenoch einen weiteren Kroumlsus zu nennen Karl Diehl der aufMunition Zuumlnder Panzerketten und Kanonen spezialisiert istund auf Milliarden DM Vermoumlgen geschaumltzt wird - sie undviele andere verdanken ihr vieles Geld groszligenteils dem gewalti-gen Ruumlstungsbedarf nicht zuletzt dem der Bundeswehr

Um so erschrockener muumlssen die Konzernherren gewesensein als Kanzler Kohl kaum daszlig er trickreich in sein Amthievt worden war mit der Parole in den Bundestagswahlkampf1983 zog raquoFrieden schaffen mit immer weniger Waffenlaquo

Indessen beruhigten sich die Ruumlstungsmagnaten sehr raschals sie merkten daszlig Kohl ihnen nur eins seiner demagogischenKunststuumlckchen vorfuumlhrte Die damaligen Meinungsumfragenhatten erbracht daszlig die uumlberwaumlltigende Mehrheit der Bevoumllke-rung nichts sehnlicher wuumlnschte als einen sicheren Friedendurch eine massive Abruumlstung in Ost und West Fast 80 Prozentder Befragten sympathisierten mit der Friedensbewegung be-jahten deren Ziele und bekundeten ihr Vertrauen zu Gorba-tschow und die Glaubwuumlrdigkeit seiner Vorschlaumlge zur Beile-

gung des Ost-West-Konflikts und zur stufenweisen AbruumlstungAngesichts dieser breiten Zustimmung der Bundesbuumlrger zuden Bemuumlhungen den Ruumlstungswahnsinn zu beenden hattesich Helmut Kohl veranlaszligt gesehen ganz ungeniert mit demVersprechen auf Stimmenfang zu gehen ebenfalls fuumlr Abruuml-stung zu sorgen

Doch er tat das GegenteilDie Ruumlstungsausgaben der Bundesrepublik stiegen unter

Helmut Kohls Kanzlerschaft kontinuierlich weiter 1983 betru-gen sie 46751 Millionen DM 1986 uumlberschritten sie erstmalsdie 50-Milliarden-Grenze und 1990 erreichten sie mit mehr als54 Milliarden DM den houmlchsten Stand in Friedenszeiten denes in der deutschen Geschichte je gegeben hat

Obwohl von einer tatsaumlchlichen Bedrohung nicht mehr dieRede sein und spaumltestens seit der Jahreswende nie-mand mehr daran zweifeln kann daszlig Abruumlstung das Gebot derStunde ist und keinesfalls weiter aufgeruumlstet werden darf sahder Haushaltsentwurf der Kohl-Regierung fuumlr 1991 abermalsrund 50 Milliarden DM vor Die scheinbare Verminderung umetwa zwei Prozent beruht zudem auf einem Rechentrick DiePersonalverstaumlrkungsmittel wurden aus dem Wehr- in den Fi-nanzetat uumlbertragen Trotz Verringerung der Bundeswehr-Trup-penstaumlrke um fast ein Drittel sind die Verteidigungsausgabenbis heute nur wenig unter die 50-Milliarden-DM-Grenze ge-sunken

Diese gigantische Vergeudung von oumlffentlichen Mitteln ge-houmlrt zur Strategie der Regierung Kohl die das Ziel hat dasVolksvermoumlgen umzuverteilen zu Lasten fast aller Buumlrgerin-nen und Buumlrger und zum Nutzen der wenigen Superreichendenn wenn Groszligunternehmen Hunderte von Millionen Markinvestieren wie sie es taten als sie zwei Jahrzehnte lang sehrviel Geld in die Kassen von CDU CSU und F DP sowie in dieTaschen fuumlhrender Politiker flieszligen lieszligen dann wollen sie fuumlrihr Geld natuumlrlich auch Gegenleistung erbracht sehen die diehohen Ausgaben nachtraumlglich uumlberreichlich lohnen

Neben den Sonderwuumlnschen einzelner Groszligunternehmerbeispielsweise Flicks Wunsch nach Befreiung von allen Steuer-zahlungen fuumlr sein raquoMilliardendinglaquo die ihm dann ja auch

gewaumlhrt wurde oder einzelner Branchen -wie etwa die eben-falls gelungene Abwehr vernuumlnftiger Sparmaszlignahmen im Arz-neimittelbereich durch die Pharma-Industrie haben alle gro-szligen Bosse unseres Landes auch einige gemeinsame WuumlnscheSie wollen mehr Profit egal ob durch steuerliche Entlastungoder durch Befreiung von laumlstigen weil hohe Kosten verursa-chenden Auflagen etwa im Umwelt- oder Arbeitsschutzbe-reich ob durch Senkung ihrer Lohn- und Lohnnebenkostenoder durch hohe Subventionen

Es gibt noch vieles was den Profit kraumlftig steigert und amliebsten ist es den groszligen Bossen wenn ihnen die Regierungalles auf einmal und in moumlglichst reichem Maszlige beschert DieCDUCSUFDP-Regierung hat sich seit 1983 die groumlszligteMuumlhe gegeben den Konzernen nur ja alles recht zu machenDas ist freilich immer mit einem Problem verbunden Wennman so viel zugunsten von wenigen Superreichen tut geht diesleider zu Lasten der breiten Mehrheit Da die Regierung aberwenn sie uumlber den naumlchsten Wahltag hinaus am Ruder bleibenwill (und nach dem Willen ihrer Geldgeber aus der Konzern-welt auch soll) eine Mehrheit der Waumlhlerstimmen benoumltigtmuszlig sie das Kunststuumlck fertigbringen sich all denen uumlberzeu-gend als Wohltaumlterin anzupreisen die sie zugunsten des Gro-szligen Geldes benachteiligt und geschaumldigt hat Ihr Spezialist fuumlrdiese schwierige Aufgabe heiszligt Dr Norbert Bluumlm langjaumlhrigerVorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse auch Mitglied einerDGB-Gewerkschaft seit 1983 Bundesminister fuumlr Arbeit (wasaber wohl nur eine irrefuumlhrende Abkuumlrzung ist denn tatsaumlch-lich fungiert Dr Bluumlm als Minister fuumlr Arbeitgeberinteressen)raquoDen Opfern des Sozialabbaus in ihrer Sprache zu antwortenihnen die staatlichen Maszlignahmen mit ihren eigenen Worten alsWohltat zu verkaufen diesen Trick beherrscht kaum ein ande-rer Politiker so sicher und vertrauenerweckend wie NorbertBluumlmlaquo heiszligt es in der hervorragenden Studie von Hans UskeraquoDie Sprache der Wendelaquo uumlber diesen mit Roszligtaumluschermetho-den arbeitenden Demagogen der den Abbau der Sozialleistun-gen mit der Notwendigkeit rechtfertigt den Staat vor Verschul-dung zu bewahren und zwar folgendermaszligen

raquoDafuumlr brauche ich gar keine volkswirtschaftlichen TheorienDas entspricht auch dem Lebensgefuumlhl der Arbeiterfamilie

Die Arbeiterfamilie hat nie auf Pump gelebt Sie hat immergewuszligt Man kann nicht mehr essen als auf dem Tisch stehtund ein Staat kann nicht mehr ausgeben als er einnimmt Dasentspricht dem Lebensgefuumlhl der Arbeitnehmerlaquo So Dr Bluumlmim Bundestag am 18 Dezember 1983 zur Begruumlndung derdamals eingeleiteten Regierungspolitik die dann nicht nursystematisch Sozialleistungen kuumlrzte und Arbeitnehmerrechteeinschraumlnkte sondern zugleich die Staatsschulden mehr alsverdoppelte

raquoDer Staatlaquo merkt Hans Uske treffend an raquoist natuumlrlichkeine Arbeiterfamilie und Staatsschulden sind nicht miteinem Uumlberziehungskredit zu vergleichen Aber nehmen wirmal an sei tatsaumlchlich in so tiefer Not wie eine Arbei-terfamilie Wieso nimmt Bluumlm dann den armen Familienmit-gliedern Geld weg um es dem reichen Onkel als Steuerge-schenk in den Rachen zu werfen Wenn er uns schon alle zueiner riesigen Arbeiterfamilie macht waumlre es klar daszlig uns dieWohlhabenden aus der Patsche helfen muumlszligten In richtigenArbeiterfamilien gehoumlrt das zum guten Benehmen

In derselben Bundestagsrede vom 8 Dezember 1983 gabsich Dr Bluumlm sogar noch ein biszligchen proletarischerraquoDie Zinsen der staatlichen Schuldenpolitik bekommennicht die Rentenempfaumlnger die Sozialhilfeempfaumlnger sonderndiejenigen die dem Staat das Geld leihen konntenlaquo erklaumlrte ermehr fuumlr das Fernsehpublikum das seine Rabulistik in derraquoTagesschaulaquo serviert bekam als fuumlr seine wenigen Zuhoumlrer imBundestag raquoDas sind nicht die armen Leute das sind dieOumllscheichs die Banken und die Besserverdienenden Schuldenabbauen ist soziale Politiklaquo

raquoIst das nicht klassenkaumlmpferischlaquo heiszligt es dazu in dem bis-sigen Kommentar von Hans Uske raquowie Kollege Bluumlm hiergegen Oumllscheichs Banken und Besserverdienende vorgeht InWirklichkeit benutzt er ein paar proletarische Reizworte umden Klassenkampf von oben den er selbst mit vorantreibtsprachlich in einen angeblichen Kampf gegen Oumllscheichs undBanken zu verwandeln Seine Arbeitersprache setzt Bluumlm einwie es ihm gerade paszligtlaquo

Denn bei anderer Gelegenheit kann er genauso geschicktdie - angeblich faulenzenden Sozialhilfeempfaumlnger die er

eben noch als raquoarme Leutelaquo fuumlr seine Scheinargumentationbenutzt hat in Parasiten und raquoAusbeuterlaquo verwandeln und fol-gendermaszligen -in seinem Buch raquoDie Arbeit geht weiterlaquo Muumln-chen 1983 Seite 9 verunglimpfen

raquoAber ist es nicht eine moderne Form der Ausbeutung sichunter den Palmen Balis in der Haumlngematte zu sonnen alterna-tiv vor sich hin zu leben im Wissen daszlig eine Sozialhilfe vonArbeitergroschen finanziert im Notfall fuumlr Lebensunterhaltzur Verfuumlgung stehtlaquo

Dazu noch einmal der Kommentar von Hans Uske an-dere Politiker stuumltzt sich bluumlm auf schon vorhandene Vorurteilegegen gtDruumlckebergerlt Bluumlms Spezialitaumlt ist jedoch der Appellans Klassenbewuszligtsein gtAusbeutunglt Machen die Unter-nehmer muszlig der Arbeiter gegen kaumlmpfen gtArbeitergroschenltSind sauerverdient wollen die Reichen wegnehmen muszlig manverteidigen den Palmen Balislt Da liegen die Playboysam Strand sonnen sich Ausbeuter von sauer verdienten Arbei-tergroschen Waumlhrend er so die Opfer seines Sozialabbausdenunziert hofft Bluumlm auf Applaus von Arbeitern -was beson-ders makaber ist da die ja selbst zu seinen Opfern gehoumlrenlaquo

Norbert Bluumlm geht sogar noch einen Schritt weiter Im Som-mer 1986 lieszlig sein Ministerium verbreiten von einem Sozialab-bau koumlnne uumlberhaupt nicht die Rede sein im Gegenteil DieSozialausgaben haumltten vielmehr seit der raquoWendelaquo eine kraumlftigeSteigerung erfahren Und tatsaumlchlich Wenn man wie es ein zudieser dreisten Behauptung geliefertes Schaubild tat alle Aus-gaben im Gesundheitswesen vor allem die von der raquoPillen-lobbylaquo unter vormaliger Fuumlhrung des spaumlteren JuwelenraumlubersDr Scholl herbeigefuumlhrte - Kostenexplosion bei Arzneimittelnhinzurechnete ebenso die den Gemeinden aufgebuumlrdeten So-zialhilfe-Lasten dann hatten sich allerdings schon in diesenersten Jahren der Regierungstaumltigkeit von Kohl und Bluumlm dieSozialausgaben drastisch erhoumlht nur waren die Leistungenauf die der oder die einzelne Anspruch hatten keineswegsgestiegen sondern hatten sich real vermindert Kraumlftig ver-mehrt hatten sich hingegen die Profite beispielsweise die derPharma-Industrie aber auch die Honorareinnahmen etwa beiden Zahnaumlrzten

Tatsaumlchlich haben zwoumllf Jahre Kohlscher raquoWendelaquopolitikMillionen in die Armut getrieben dafuumlr die Reichen noch umvieles reicher gemacht

Beguumlnstigt durch die bis Anfang der neunziger Jahre anhal-tende Hochkonjunktur sind die Unternehmergewinne und Ver-moumlgensrenditen explosionsartig gestiegen aber gleichzeitighat die Kohl-Regierung den Groszligverdienern immer neue Steu-ergeschenke gemacht Das hat diese aber nicht davon abgehal-ten in steigendem Maszlige Steuern zu hinterziehen Wie derwegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskraumlftig verur-teilte Ex-Bundeswirtschaftsminister und inzwischen Ex-FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff dazu bemerkt hat befindeter sich mit diesem Delikt raquoin allerfeinster Gesellschaftlaquo In derTat Steuerhinterziehungen groszligen Stils und Kapitalflucht insAusland werden nicht von Otto Normalverbraucher nicht vonLohnsteuerpflichtigen und auch nicht von kleinen und mittle-ren Beamten Rentnern Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfaumln-gern begangen

Was die beiden letzten groszligen Gruppen der Bevoumllkerungbetrifft so haben Kanzler Kohl und sein Arbeitsminister Bluumlmzur Verminderung der Arbeitslosigkeit und Armut bislang nureines getan unermuumldlich eine Verschoumlnerung der Statistikbetrieben Schon mit der 7 Novelle zum Arbeitsfoumlrderungsge-setz wurde die Moumlglichkeit geschaffen rund 100 000 Arbeits-lose zwischen 50 und 59 Jahren endguumlltig aus der Statistik ver-schwinden zu lassen ebenso rund 40 000 arbeitslose FrauenEine statistische Absenkung der Arbeitslosenquote kam spaumlterauf folgende Weise zustande Man setzte die Arbeitslosennicht mehr ins Verhaumlltnis zu den abhaumlngig Beschaumlftigten son-dern zu allen Erwerbspersonen Das fuumlhrte dazu daszlig sich dieArbeitslosenquote von einem Tag auf den anderen um fasteinen Prozentpunkt verringerte ohne daszlig ein einziger Arbeits-loser Arbeit bekommen haumltte

Doch solche Methoden genuumlgten nicht um das so Kohlleidige Thema raquoArbeitslosigkeitlaquo zu raquoentschaumlrfenlaquo Deshalbdachte sich die Leiterin des Allensbacher Instituts fuumlr Demo-skopie Frau Professor Noelle-Neumann etwas Neues ausKohls Hof-Demoskopin machte dem Kanzer schon 1986 den

im Hinblick auf die Bundestagswahlen vom Januarraquoden Block der Arbeitslosen aufzuteilenlaquo Rund 700 000

Arbeitslose sollten raquoals Alkoholiker Drogensuumlchtige sozialeAussteigerlaquo oder schlicht als raquofreiwillig arbeitsloslaquo diffamiertund zumindest auf dem Papier von der erschreckendenGesamtzahl in Abzug gebracht der immer noch gewaltige Restunterteilt werden in raquoAlleinernaumlhrer Arbeitslose in Haushal-ten in denen es einen zweiten Hauptverdiener gibt undArbeitslose die Nebenverdiener sindlaquo

Frau Noelle-Neumann hat damals der Bundesregierunggeraten diese Zahlenakrobatik nicht selbst vorzunehmen Einsolches Rechenkunststuumlck raquodas vor der heiszligen Phase des Wahl-kampfes abgeschlossen werden solllaquo muumlszligte raquoaus privaterInitiativelaquo in Auftrag gegeben werden wie es dann auchgeschah Arbeitgeberverbaumlnde Konzerne und raquoandere privateGeldgeberlaquo beauftragten die Allensbacher tatsaumlchlich mit derDurchfuumlhrung dieses Roszligtaumluschertricks werden dieArbeitslosigkeit einigermaszligen wegerklaumlrenlaquo versicherte dazuim Sommer 1986 ein Allensbach-Mitarbeiter raquoLeicht wird dasnicht gerade sein aber es wird hoffentlich reichen der Bundes-regierung im Wahlkampf uumlber die Runden zu helfenlaquo

Diese und andere Taumluschungsmanoumlver die seitdem in rei-chem Maszlige angewendet worden sind aumlnderten natuumlrlich nichtdas geringste am tatsaumlchlichen Ausmaszlig der Dauermassenar-beitslosigkeit die sich nicht verringerte sondern vergroumlszligerteDoch vor allem wenn Wahlen anstanden war es der Kohl-Regierung jedesmal besonders wichtig den Waumlhlerinnen undWaumlhlern Sand in die Augen zu streuen damit ihnen das Aus-maszlig vor allem aber die Gruumlnde der Arbeitslosigkeit nicht deut-lich werden Sie sollen nicht merken warum wohl Arbeitgeber-verbaumlnde Konzerne raquound andere private Geldgeberlaquo daraninteressiert sind daszlig Millionen Menschen ohne festen Arbeits-platz bleiben und dafuumlr auch noch diffamiert und mit Verach-tung bestraft werden Mit der Massenarbeitslosigkeit wird naumlm-lich die Voraussetzung geschaffen Loumlhne und Gehaumllter imunteren Bereich zu druumlcken und die Beschaumlftigten zu raquofreiwilli-gemlaquo Verzicht auf wohlerworbene Anspruumlche und hart er-kaumlmpfte Rechte zu bewegen Durch die Diffamierung der raquoFrei-

gestelltenlaquo sollen die Solidaritaumlt mit den Arbeitslosen untergra-ben und die Aumlngste der noch Beschaumlftigten vor Entlassung undsozialem Abstieg geschuumlrt werden

raquoJe mehr Arbeitslose wir haben und je schlechter es ihnengeht desto besser wird die Arbeitsmoral desto weniger druumlk-ken uns die Lohnkostenlaquo Diese Grundregel der groszligen Bossestellte der Groumlszligte von ihnen Friedrich Flick bereits 1931 waumlh-rend der Weltwirtschaftskrise auf einer Aktionaumlrsversamm-lung in Duumlsseldorf auf und an der Guumlltigkeit dieser Regel undihrer immer rigoroseren Anwendung hat sich bis heute nichtsgeaumlndert

Am schlechtesten dran sind jene jugendlichen Arbeitslosenohne Ausbildung denen Kanzler Kohl vollmundig raquofuumlr jedenund jede eine Lehrstellelaquo versprochen hat (woran er aber nichtmehr erinnert werden moumlchte) Um der Statistik willen werdenmaumlnnliche Dauerarbeitslose im wehrpflichtigen Alter zu kur-zen Uumlbungen einberufen die Unterbrechung genuumlgt sie ausder Rubrik raquoDauerarbeitsloselaquo verschwinden zu lassen

Auch das sogenannte Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz derRegierung Kohl brachte gerade fuumlrjunge Leute drastische Ver-schlechterungen Zur Freude der Bosse foumlrdert das Gesetz dasHeuern und Feuern und erlaubt ohne sachliche Begruumlndungbefristete Arbeitsvertraumlge bis zu 18monatiger Dauer Auszliger-dem wurde die zulaumlssige Dauer der ohnehin houmlchst bedenk-lichen ausbeuterischen Leiharbeit verlaumlngert

Mit dem 1985 ausgerechnet zum 1 Mai in Kraft getretenenGesetz wurde der Kuumlndigungsschutz durchloumlchert Houmlchst um-strittene von den Gewerkschaften bekaumlmpfte Formen der Teil-zeitarbeit wurden gesetzlich verankert sowohl die Arbeits-platzteilung das sogenannte raquoJob-sharinglaquo als auch die raquokapa-zitaumltsorientierte variable Arbeitszeitlaquo (KAPOVAZ) Die Ju-gendschutzbestimmungen wurden eingeschraumlnkt die erlaubteSchichtzeit auf Bau- und Montagestellen wurde fuumlr Jugendli-che auf elf Stunden verlaumlngert der Arbeitsbeginn von siebenauf sechs Uhr vorverlegt in Baumlckereien sogar auf vier Uhr

Das Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz das entgegen seinemverheiszligungsvollen Namen nicht zur Schaffung von Arbeitsplaumlt-zen beitrug sondern im Gegenteil zu verstaumlrkter Ausbeutung

von Arbeitskraft fuumlhrte wurde ergaumlnzt durch etliche Novellenzum Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) Dieses aus den sechzi-ger Jahren stammende Gesetz hatte urspruumlnglich den Zweckdaszlig die Bundesanstalt fuumlr Arbeit nicht bloszlig diejenigen finan-ziell unterstuumltzt die arbeitslos sind sondern der Arbeitslosig-keit auch aktiv entgegenwirkt Die von Dr Kohl gefuumlhrte Regie-rung bewerkstelligte mit mehreren Novellen zum AFG sowohleinen Abbau der Leistungen fuumlr die Arbeitslosen als auch einedrastische Einschraumlnkung der Moumlglichkeiten aktiver Arbeits-marktpolitik zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsmaszlignahmen

Wenn man wie es die Regierung Kohl sich zum Ziel gesetzthat massiven Sozialabbau und Umverteilung von unten nachganz oben copymiddotacuteacuteocircdann ist ein scheinheiliger Spruumlcheklopfer wieNorbert Bluumlm unentbehrlich Neben den von ihm betriebenendrastischen Kuumlrzungen der Sozialleistungen fallt ihm ja auchnoch die Aufgabe zu die reiche Bundesrepublik allmaumlhlich inein Billiglohnland umzuwandeln wo allein die Bosse dasSagen haben und die Lohn- und Gehaltsempfaumlnger schutzlossind

Alle bisherigen Maszlignahmen der Regierung Kohl und ihresArbeits- und Sozialministers Bluumlm die angeblich dem raquoAbbauder Arbeitslosigkeitlaquo dienen sollen zielen darauf in hundert-jaumlhrigem Kampf muumlhsam errungene Rechte der Arbeiter undAngestellten Schritt fuumlr Schritt abzubauen Bluumlms Begruumlndungim Bundestag raquoDas Arbeitsrecht unter den Bedingungen derArbeitslosigkeit muszlig Bruumlcken bauen und darf nicht dazu fuumlh-ren daszlig die Privilegierten die Arbeitsbesitzer sich in dieFestung zuruumlckziehen und die Beute unter sich verteilenlaquo

Statt gezielt die Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen wie es seineAufgabe waumlre will Bluumlm denn das meint er in Wahrheit daszligdie raquoArbeitsbesitzerlaquo auf ihre raquoBeutelaquo naumlmlich auf ihren inharten Tarifkaumlmpfen errungenen Besitzstand an gesichertemLohn und ertraumlglichen Arbeitsbedingungen verzichten lernenund ihre raquoPrivilegienlaquo naumlmlich in jahrzehntelangem politi-schen Kampf durchgesetzte Rechte zum Beispiel auf Kuumlndi-gungsschutz einfach aufgeben

Ex-Bundesminister Graf Lambsdorff resozialisierter Geld-waumlscher Steuerhinterzieher und Flick-Helfer einerseits lang-

jaumlhriger FD P-Chef und Gralshuumlter der superfreien Marktwirt-schaft andererseits verkuumlndete das Gleiche wie Norbert Bluumlmnur unverbluumlmter In einem Interview in dem auf Volksver-dummung spezialisierten Achtgroschenblatt das sich ambesten fuumlr solche Verlautbarungen eignet lieszlig der Graf sichherbei sein Patentrezept zur Bekaumlmpfung der Arbeitslosigkeitzu verraten

raquoDagegen gibt es nur eine Medizin Disziplin bei kuumlnftigenLohnvereinbarungen Denn fuumlr niedrige Loumlhne gibtrsquos genugArbeitlaquo

Als raquoschlimmsten Fehlerlaquo bezeichnete Graf Lambsdorff dervom Hause Flick so reich Bedachte die Anhebung der Loumlhneund Gehaumllter in den raquounteren Einkommensstufenlaquo da sichgerade die einfachste Arbeit raquoam besten durch Maschinenersetzenlaquo lieszlige

Ganz abgesehen davon daszlig Loumlhne gleichzeitig KaufkraftSteuern und Sozialversicherungsbeitraumlge bedeuten wird derZynismus der graumlflichen Argumentation wie Hans Uske in sei-ner Untersuchung raquoDie Sprache der Wendelaquo anmerkt erst rich-tig deutlich raquowenn wir uns in die Zukunft versetzen und an-nehmen Lambsdorffs Rezept waumlre bereits verwirklicht Nehmen wir also an die Loumlhne seien gesenkt worden sagenwir um 20 Prozent Sofort sinken die Kosten der Unterneh-mer in den lohnintensiven Bereichen dort wo viele Arbeits-kraumlfte noumltig sind Die Verlockung Maschinen anzuschaffenwird geringer Dank der Wende-Regierung koumlnnten wir end-lich wieder mit den Computern konkurrieren Die meistenLeute waumlren aumlrmer einige sogar sehr viel aumlrmer aber viele haumlt-ten wieder Arbeit Nun gehoumlrt aber zur Wirtschaftsplanungder Bundesregierung die Foumlrderung des technischen Fort-schritts Milliarden flieszligen in EDV-Forschung und Computer-Entwicklung Groszligkonzerne engagieren sich im Elektronik-markt Dieser geballte Einsatz muszlig sich bezahlt machen Was tun wir jetzt Die vernuumlnftigste Loumlsung Unsere Arbeits-kraft muszlig noch billiger werden auszligerdem lernen wir noch bes-ser computern und dann muumlssen wir noch billiger werdenund dann -leben wir in einem Billiglohnland Und wenn dienaumlchste konjunkturelle Krise kommt und wenn durch die

rasante Entwicklung des technischen Fortschritts die Arbeits-losenzahl weiter ansteigt dann wird diese Sorte von Vernunftdarauf nur eine Antwort wissen Das Opfer der Bevoumllkerungwar nicht groszlig genug der Guumlrtel muszlig noch enger geschnalltwerdenlaquo

Auf dem Wege zur Verwirklichung solcher Absichten sahendie groszligen Bosse und die von ihnen mit Millionenspendengefoumlrderte Regierung Kohl ein Hindernis den DGB und die indiesem Buumlndnis zusammengeschlossenen Einheitsgewerk-schaften Folgerichtig setzte die Regierung Kohl kaum daszlig siedurch den Waumlhlerbetrug der FDP an die Macht gekommenwar die Schwaumlchung der Gewerkschaften auf ihr ProgrammIhr erstes Ziel war die Streikfahigkeit und damit das Grund-recht auf Streik als legitimes Kampfmittel der wirtschaftlichSchwaumlcheren auszuhoumlhlen Durch eine Aumlnderung des Paragra-phen 116 Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) sollte zunaumlchst ein-mal die Durchsetzungsfaumlhigkeit der Gewerkschaften in derTarifpolitik beendet werden

Worum es dabei ging erlaumluterte der DGB am Beispiel desArbeitskampfes mit dem die IG Metall das Tabu der 40-Stund-den-Wochen brach raquoWaumlhrend dieses Arbeitskampfes haben inder Metallindustrie 55 000 Arbeitnehmer gestreikt 170 000Arbeitnehmer wurden in den umkaumlmpften Tarifgebieten ausge-sperrt Uumlber 300 000 Arbeitnehmer wurden bundesweit kaltausgesperrt Das heiszligt Von zehn Arbeitnehmern die in denArbeitskampf einbezogen waren waren neun ausgesperrt undeiner streikte Die Arbeitgeber haben durch massenhafte Aus-sperrung im umkaumlmpften Tarifgebiet bundesweit kalte Aus-sperrungen verursacht oder willkuumlrlich herbeigefuumlhrt unddiese Praxis wollen sie sich in Zukunft von den Sozialaumlmternbezahlen lassen Sie wollen mit der Existenzangst der Arbeit-nehmer und ihrer Familien Tarifpolitik machen Wenn Gesetzwird was die Arbeitgeber wollen und die Regierung vollziehtwird das Streikrecht zwar auf dem Papier erhalten bleiben aberin der Praxis bis zur Unkenntlichkeit verstuumlmmelt seinlaquo

Dennoch wurde die Aumlnderung des Paragraphen 116 AFGgegen den millionenfachen Protest der organisierten Arbeit-nehmer von der Regierung Kohl durchgepeitscht Weit groumlszliger

als ihr Respekt vor den demokratischen Grundrechten war dieRucksicht auf ihre Geldspender in den Chefetagen der Groszlig-konzerne im Falle des Grafen damals noch Flick inzwischendie maumlchtige Allianz-Versicherung die sich im Fruumlhsommer

das DDR-Versicherungswesen unter den Nagel gerissendessen Verpflichtungen in Milliardenhoumlhe aber den Steuerzah-lern uumlberlassen hat

Unter der Federfuumlhrung von Minister Dr Bluumlm wurde mitden Stimmen der schwarz-goldenen Koalition von CDUCSUund F D P der Paragraph 116 im Sinne der Konzernherren abge-aumlndert Graf Lambsdorff aumluszligerte vollste Zufriedenheit Mitden kleinen Korrekturen die den Gewerkschaften am Endenoch bewilligt worden waren raquolieszlige sich lebenlaquo meinte er ImKlartext Das raquoAnti-Gewerkschaftsgesetzlaquo wie es der dama-lige DGB-Vorsitzende Ernst Breit genannt hat entsprachdurchaus den Forderungen der Konzerne deren Bestreben dar-auf gerichtet war und ist die Gewerkschaften vor allem tarifpo-litisch handlungsunfaumlhig zu machen

Tatsaumlchlich hat die Regierung Kohl mit der von ihr durchge-fuumlhrten Aumlnderung des Streik-Paragraphen 116 AFG einen derdringendsten Wuumlnsche ihrer Geldgeber erfuumlllt der so einBDI-Festredner im Jahresruumlckblick - raquozum Vermaumlchtnis vonHanns Martin Schleyerlaquo gehoumlrte

Auch bei den Feierlichkeiten zum 10 Todestag des Kohl-Ent-deckers Dr Fritz Ries im Juli 1987 in Frankenthal an denenKanzler Kohl seinem langjaumlhrigen Foumlrderer trotz dessenSchandtaten um und in Auschwitz uneingeschraumlnktes Lobspendete und die raquovorbildliche Unternehmerpersoumlnlichkeitlaquodes verewigten Groszligraquoarisiererslaquo und Kondom-Koumlnigs prieswaren die versammelten Freunde aus Industrie und Bankweltsich darin einig daszlig die gegluumlckte Aumlnderung des AFGraquoein richtiger Schritt auf dem richtigen Wegelaquo gewesen sei

immer reicher und dieArmen immer aumlrmer werden

Wie sich der Sozialabbau bereits nach vier Jahren raquoWendelaquo-Politik ausgewirkt hatte beschrieb der SPD-SozialexperteEgon Lutz 1986 im Bundestag raquoDer Sozialabbau der Regie-rung Kohl hat zu einer neuen Armut gefuumlhrt Durch Kuumlrzun-gen von Sozialleistungen und Anhebung von Sozialversiche-rungsbeitraumlgen wurden die sozial Schwaumlcheren in groszligemUmfang belastet Mitte 1985 haben nahezu 40 Prozent (derArbeitslosen) uumlberhaupt keine Leistungen mehr aus derArbeitslosenversicherung erhalten Nur noch ein Drittel allerArbeitslosen bezog Arbeitslosengeld und zugleich sank dasdurchschnittlich gezahlte Arbeitslosengeld um annaumlhernd vierProzent obwohl die durchschnittlichen Lebenshaltungs-kosten im selben Zeitraum um Prozent gestiegen sindlaquo

Auch in der Folgezeit am Ende der achtziger Jahre besser-ten sich trotz damals noch anhaltender Hochkonjunktur undgutgefuumlllter Kassen diese katastrophalen Verhaumlltnisse um kei-nen Deut Infolge des Anstiegs der Lebenshaltungskosten ver-schlechterten sie sich noch Langzeitarbeitslosigkeit anstei-gende Uumlberschuldung vieler Familien und drastische Verknap-pung preisguumlnstigen Wohnraums lieszligen immer mehr Mittel-schichtfamilien in die Armut absinken Die Regierung Kohlbrachte den sozialen Wohnungsbau zum Erliegen und trug mitihrer Gesetzgebung kraumlftig dazu bei daszlig die Mieter in wach-sende Bedraumlngnis gerieten und die Wohnungsnot sich vergrouml-szligerte Sie erleichterte die Umwandlung preisguumlnstiger Woh-nungen in Buumlros oder unerschwinglich teure Eigentumswoh-nungen und lieszlig den Abstand zwischen Mietkosten und Haus-haltseinkommen immer kleiner werden was auch zur Folgehat daszlig sich die Sozialstruktur ganzer Stadtviertel aumlndert dieMenschen aus ihrer gewohnten Umgebung in ferne raquoSchlafstaumlt-

tenlaquo und raquoWohnsiloslaquo in Randlagen abgedraumlngt werden unddie Obdachlosigkeit dramatisch zunimmt

Ausgerechnet bei ohnehin benachteiligten Gruppen wieFrauen mit niedrigen Renten oder Schwerbehinderten setzteder im Kabinett Kohl fuumlr Arbeit und Soziales zustaumlndige Mini-ster Norbert Bluumlm den Rotstift an So wurde den Hausfrauender Invaliditaumltsschutz trotz oft jahrelanger Beitragszahlung indie Rentenversicherung einfach gestrichen

Alles was der Regierung Kohl zum Thema Armut einfalltsind dumme Spruumlche Dreist behauptete Norbert Bluumlm imBundestag raquoAltenarmut ist nicht Rentenarmut Ich bestreitedaszlig die Ursachen von Armut in der Rentenversicherung liegenArmut kann auch das Ergebnis von wenigen Beitragsjahrenvon geringem Lohn seinlaquo -was gewiszlig niemand leugnen kannnur waumlre es die Aufgabe einer sozialen Demokratie zumal ineinem so uumlberaus reichen Land wie der Bundesrepublik jenesich aus der ungerechten Entlohnung der Frauen ergebendenviel zu niedrigen Renten nicht als Resultat eines Naturgesetzeshinzunehmen sondern auszugleichen Gerade die heute imRentenalter stehenden Frauen von denen sich die meisten einJahrzehnt lang durch Kriegs- und Nachkriegsnotjahre alleindurchschlagen muszligten oft die ganze Last der Kindererzie-hung des Haushalts und der Erwerbsarbeit trugen von ihrenPfennigloumlhnen nur Mindestbeitraumlge zur Rentenversicherungleisten und niemals Nachzahlungen aufbringen konnten ver-dienten im Alter die solidarische Hilfe der westdeutschenWohlstandsgesellschaft Niemand koumlnnte die Bundesregierungdaran hindern ihre Milliardengeschenke an die Superreichenin betraumlchtliche Rentenerhoumlhungen umzuwandeln so daszligkeine und keiner die oder der sein Leben lang hart gearbeitetaber wenig verdient hat nun auch noch im Alter darben muszligES waumlre dann nicht einmal noumltig die Versicherungsbeitraumlge zuerhoumlhen Aber dazu meinte Kohls Sozialminister Dr Bluumlm

raquoWir wollen die Rente lohn- und leistungsbezogen lassenWirwollen nicht die Einheitsrente die Sockelrente Wirwollennicht die groszlige sozialistische Gulaschkanone von deren Ein-heitsbrei jeder einen Schlag bekommtlaquo

Solche Rabulistik eines Mannes der sich und seine Politikraquochristlichlaquo und raquosoziallaquo nennt laumlszligt einen schaudern Dennniemand verlangt eine raquoEinheitsrentelaquo wohl aber waumlre es drin-gend erforderlich und finanziell durchaus moumlglich - einedeutlich uumlber der Armutsgrenze liegende Mindestrente einzu-fuumlhren Und wenn man auf die Steuergeschenke an die Super-reichen durchaus nicht verzichten will genuumlgte zur Finanzie-rung auch die Vergeudungen im Ruumlstungsbereich oder beiam Ende fallengelassenen Prestigeobjekten wie derdorfer Plutonium-WAA einzuschraumlnken

Als Folge der Massenarbeitslosigkeit und des Sozialabbausist seit der raquoWendelaquo die Zahl der Sozialhilfeempfaumlnger staumlndiggestiegen in den ersten zwei Jahren um rund 500 000 aufMillionen bis Ende 1987 abermals um 500 000 auf 31 Millio-nen 1991 gab es in Westdeutschland Millionen Sozialhilfe-empfaumlnger Eine halbe Million kam kurzfristig in Ostdeutsch-land hinzu nachdem die DDR der Bundesrepublik raquobeigetre-tenlaquo war Und diese Zahlen wachsen weiter

In dem Ende 1989 veroumlffentlichten raquoArmutsberichtlaquo der Pari-taumltischen Wohlfahrtsverbaumlnde mit der Uumlberschrift raquoWessen wiruns schaumlmen muumlssen in einem reichen Landlaquo wurde daraufhingewiesen daszlig die Unternehmer-Nettoeinkommen zwi-schen 1982 und 1988 um 74 Prozent gestiegen waren in absolu-ten Zahlen um etwa 180 Milliarden DM auf MilliardenDM Demgegenuumlber betrug der Zuwachs der Netto-Lohn- undGehaltssumme nur Prozent der Anstieg in absoluten Zah-len nur Milliarden DM Der Anteil des Bruttoeinkommensaus Unternehmertaumltigkeit und Vermoumlgen am gesamten Volks-einkommen wuchs zwischen 1982 und 1988 von auf 32 Pro-zent Die Lohnquote entwickelte sich dagegen im gleichenZeitraum von auf 68 Prozent zuruumlck

Die Reichen wurden also sehr viel reicher die Armen nurzahlreicher und noch aumlrmer Etwa Millionen Bundesbuumlrge-rinnen und -buumlrger das waren zehn Prozent der Bevoumllkerungder Bundesrepublik lebten 1988 an oder unterhalb dessen wasder Bericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandes diemutsschwellelaquo nannte unterhalb derer sich Hunger men-schenunwuumlrdige Wohnverhaumlltnisse drohende Obdachlosig-

keit Mangelkrankheiten Verelendung und Hoffnungslosig-keit ausbreiten

Die Entwicklung die laumlngst vor Eingliederung der DDR indie BRD zu diesen Ergebnissen fuumlhrte ging seitdem weiterund beschleunigte sich noch Die Lohnquote in Westdeutsch-land sank 1991 auf Prozent Die abhaumlngig Beschaumlftigtenkonnten im Gegensatz zu den Unternehmern ihre realenNettoeinkommen gar nicht mehr verbessern sondern erlittenEinbuszligen Im Gesamtzeitraum von 1982 bis 1992 stiegen dieNettoloumlhne und -gehaumllter daher nur um Prozent die realenEinkommen der Unternehmer dagegen um 123 Prozent

Besonders stolz pries die Regierung Kohl in den achtzigerJahren ihr Steuersenkungsgesetz Es entlastete die Steuerzah-ler in zwei Stufen zwar um fast 20 Milliarden DM doch warendiese Entlastungen so sozial ungerecht wie irgend moumlglich ver-teilt Sie kamen in erster Linie den Beziehern hoher und houmlch-ster Einkommen zugute

Verheiratete Durchschnittsverdiener hatten eine steuerlicheErsparnis von etwa zwoumllf DM monatlich Hingegen fiel die Ent-lastung von Spitzenverdienern 50mal houmlher aus obwohl siebei Jahreseinkommen von einer Million DM und mehr nur20mal mehr Steuerlast zu tragen hatten als ein Durchschnitts-verdiener Die Erhoumlhung des Kinderfreibetrags brachte denEinkommensmillionaumlren eine etwa 22mal houmlhere Entlastungals dem Durchschnittsverdiener

Selbst die geringfuumlgigen oft schon durch die erhoumlhten Bei-traumlge zur Kranken- und Sozialversicherung ausgeglichenenoder gar ins Gegenteil verkehrten Steuererleichterungen fuumlrDurchschnittsverdiener waren eine Taumluschung da zugleich dieMehrwertsteuer angehoben wurde Diese Steuer muszlig letztlichvon der Masse der Verbraucher aufgebracht werden auf die alleanderen vom Produzenten bis zum Groszlig- und Einzelhandelsie abwaumllzen koumlnnen

Was die Mehrwertsteuererhoumlhung um einen Prozentpunktan zusaumltzlichen Einnahmen erbrachte annaumlhernd acht Milliar-den DM wurde denen die von der Einkommensteuersenkungohnehin am meisten profitierten als zusaumltzliches Steuerge-schenk zuteil Das mehrstufige Programm der Regierung Kohl

zur Senkung der Unternehmenssteuern kostete naumlmlich eben-falls acht Milliarden DM-durch massiven Abbau der Gewerbe-steuer durch Senkung der Vermoumlgenssteuer und durch

bei den AbschreibungsmoumlglichkeitenDas sind nur einige Beispiele fuumlr die steuerliche Umvertei-

lung von unten nach oben Die direkte Besteuerung der Unter-nehmensgewinne vor Kohls Amtsantritt gut 33 Prozent ver-ringerte sich bis Anfang der neunziger Jahre auf kaum mehr als20 Prozent Die Abzuumlge von den Arbeitseinkommen dagegenstiegen zwischen 1980 und 1991 von Prozent der Brutto-loumlhne und -gehaumllter auf Prozent und wurden inzwischennoch weiter angehoben

Die Unternehmerverbaumlnde und ihre regierungsamtlichenPropagandisten vom Schlage solcher Bundeswirtschaftsmini-ster wie Otto Graf Lambsdorff oder Guumlnther Rexrodt verbrei-ten unentwegt die Maumlr Deutschland sei ein viel zu teurer Indu-striestandort geworden die Unternehmer seien mit viel zuhohen Kosten belastet das muumlsse sich endlich aumlndern Sie spe-kulieren darauf daszlig jede Behauptung wenn sie sie nur oftgenug wiederholen irgendwann geglaubt wird Massenver-dummungsblaumltterwie BILD aus dem Springer-Konzern wirkendaran eifrig mit Die Wahrheit bleibt dem verraquobildlaquoeten Publi-kum verborgen den Unternehmerverbaumlnden und Ministernhingegen ist sie wohlbekannt Nachzulesen ist sie in einerUntersuchung der Deutschen Bundesbank die gewiszlig nichtim Verdacht steht dem Kapitalismus feindlich gegenuumlberzu-stehen

In einer Auswertung der Bilanzen von 18 000 Unternehmenkommt die Bundesbank zu dem Ergebnis daszlig seit Ende dersiebziger Jahr der Anteil der Ausgaben fuumlr Steuern am Umsatzder Unternehmen nicht gestiegen sondern gesunken ist undzwar um etwa ein Sechstel Der gleichen Untersuchung zufolgeist auch der Anteil der Personalkosten am Umsatz zuruumlckge-gangen Beide zusammen Personalkosten und Steuerbela-stung machten 1989 kaum mehr als 20 Prozent des Gesamtum-satzes aus und verringerten sich inzwischen weiter Das heiszligtRund 80 Prozent des Umsatzes dienen anderen Zwecken nichtzuletzt den Unternehmergewinnen

Das reale Sozialprodukt je Beschaumlftigten (Arbeitsproduktivi-taumlt) erhoumlhte sich 1980 bis 1992 um 18 Prozent je Beschaumlftigten-stunde um 27 Prozent Aufgrund von Erfindungen und Ratio-nahsierungen koumlnnen industrielle Guumlter jetzt mit geringeremArbeitsaufwand also erheblich schneller hergestellt werdenDie Gewerkschaften reagierten fruumlhzeitig darauf indem sieArbeitszeitverkuumlrzungen forderten Helmut Kohl widersetztesich Diese Forderung sei raquodumm und toumlrichtlaquo wetterte erErst in harten Kaumlmpfen gelang es den Gewerkschaften in klei-nen Schritten uumlber lange Zeitraumlume die Arbeitszeit zu verkuumlr-zen und dadurch der sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit entge-genzuwirken So kam die Erhoumlhung der Arbeitsproduktivitaumltwenigstens zu einem Teil den arbeitenden Menschen selbstzugute wofuumlr sie allerdings auch mit Lohn- und Gehaltsver-zichten zahlen muszligten Hauptnutznieszliger der Rationalisierun-gen waren und blieben die Unternehmer

Der Korrektheit halber muumlssen wir hier freilich einschraumln-ken daszlig nicht alle Unternehmer gleichermaszligen von der Politikder Regierung Kohl profitieren Den groumlszligten Nutzen haben inder Regel diejenigen die ohnehin schon die Reichsten undMaumlchtigsten sind Vor allem die Groszligbanken deren Frankfur-ter Verwaltungspalaumlste nicht zufaumlllig die houmlchsten im Landesind In den Jahren 1990 bis 1992 verbuchte die Kreditwirt-schaft einen Bilanzgewinn von mehr als 20 Milliarden DMwovon allein Milliarden auf die Groszligbanken entfielen 1993konnten die Finanzkonzerne neue Gewinnrekorde vermeldenwaumlhrend andere kleinere Unternehmen uumlber die Rezessionstoumlhnten und uumlbers Jahr mehr als 15 000 Firmen zahlungsunfauml-hig wurden Dem Volk wurden raquoSolidaritaumltsopferlaquo abverlangtdas Groszlige Geld wuchs und wucherte wie nie zuvor

1989 hatten die Groszligbanken fast fuumlnf Milliarden Mark Zins-uumlberschuszlig kassiert Das war schon ein stattliches Ergebnis1993 aber in der Krise gelang es ihnen einen Zinsuumlberschuszligvon 23 Milliarden DM einzuheimsen In der tiefsten Rezessionseit Bestehen der Bundesrepublik profitierten sie vom steigen-den Kreditbedarf des Staates der Kommunen der Gewerbe-treibenden und der Privathaushalte Waumlhrend zum Beispielvom Herbst 1992 bis Herbst 1993 die Bundesbank den Diskont-

und den Lombardsatz die Leitzinsen um Prozentpunktereduzierte senkten die Banken die Kontokurrentzinsen nurum und die Ratenkredite fuumlr Kleinkunden um Prozent-punkte dagegen die Guthabenzinsen um 25 Prozent Das ver-anlaszligte selbst die raquoWirtschaftswochelaquo vom 13 Dezember 1993zum Murren raquoDie Banken stoszligen sich an Zinssenkungengesund die Wirtschaft kommt nicht auf die Beinelaquo- eine Kritikdie indessen in zweifacher Hinsicht praumlzisiert werden muszligdenn erstens brauchten sich die Banken nicht gesundzustoszligenweil sie ohnehin vor Gesundheit strotzten und zweitens hatdie Krise zwar viele einzelne Betriebe erwischt aber raquodie Wirt-schaftlaquo im allgemeinen steht auf festen Beinen wie ein Blickauf die Boumlrsenkurse zeigt Der Deutsche Aktienindex (DAX)kletterte 1993 zum Jahresende auf 2267 Punkte Ein Jahr zuvorhatte dieser aus 30 Standardwerten errechnete Boumlrsenkurs bei1545 Punkten gestanden Das war uumlbers Jahr eine Steigerungum Prozent Die Aktionaumlre wurden zwischen Neujahr undWeihnachten fast um die Haumllfte reicher allein durch ihre andeutschen Boumlrsen getaumltigten Geschaumlfte Groszligaktionaumlre erleb-ten also eine praumlchtige Weihnachtsbescherung am Ende einesJahres in dem im vereinigten Deutschland die Arbeitslosigkeitin eine Groumlszligenordnung aumlhnlich wie in der Schluszligphase derWeimarer Republik hineinwuchs und Armut zum Massen-schicksal wurde

Der Zusammenbruch des SED-Regimes in der DDR imNovember 1989 hat Helmut Kohls ohnehin sehr hohe Selbst-einschaumltzung ins Gigantische wachsen lassen Laumlngst ist eruumlberzeugt davon daszlig nicht Michail Gorbatschow nicht dieBeispiele Polens Ungarns und der Tschechoslowakei die fried-liche Revolution im anderen Teil Deutschlands in Gang gesetztund den mutigen Maumlnnern und Frauen der demokratischenOpposition zum Sieg verholfen haben sondern daszlig er alleinvermutlich durch sein Anstimmen des Deutschlandliedes vomBalkon des Dresdner Rathauses unter Miszligachtung der Haydn-schen Melodie -Honecker verjagt und die Mauer zum Einsturzgebracht haumltte wofuumlr ihm das deutsche Volk diesseits und jen-seits von Elbe und Saale auf den Knien danken sollte Er beruftsich auf den preuszligischen Strategen Moltke der meinte raquoGluumlckhat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tuumlchtigelaquo (womitdieser freilich eingeraumlumt hat daszlig auch dem MittelmaumlszligigenErfolg winken koumlnne) Dagegen empfahl ihm die raquoSuumlddeut-sche Zeitunglaquo schon im Sommer 1990 raquoeher davon zuchen daszlig er einfach Schwein gehabt hatlaquo

Aber Einsicht und Bescheidenheit sind Helmut Kohl we-sensfremd weshalb er auch die glaumlnzende Konjunktur zu An-fang der neunziger Jahre fuumlr das Werk seiner weisen Regierunghielt desgleichen die deutsche Fuszligball-Weltmeisterschaft imSommer 1990 Im Bundestagswahlkampf im Herbst 1990 bot erdiese nationale Erfolgsserie Einheit Aufschwung WMgleichsam im Dreierpack mit dem Aufdruck raquoAlles von Kohllaquoan Die Mogelpackung sollte im nationalen Rausch durchge-hen weil raquodie Maumlnnchen drauszligen im Landlaquo (womit er aber alle

Maumlnner und Frauen meint die auszligerhalb des Kanzler-Bunga-lows leben) so vergeszliglich oder so wenig informiert sind

In Wahrheit war von den Ereignissen in der DDR im Herbstniemand so sehr uumlberrascht worden wie die Kohl-Regie-

rung die dann allerdings die sich ihr so unverhofft bietendeChance eiligst ergriff Innerhalb weniger Wochen waren diemutigen Frauen und Maumlnner die das Honecker-Regime ge-stuumlrzt hatten ruumlcksichtslos vom Platz gedraumlngt und durch einevon Bonn aus an immer kuumlrzerer Leine gehaltene Uumlbergangsre-gierung ersetzt worden Mit Versprechungen Kohls der DDRein unverzuumlgliches Wirtschaftswunder zu bescheren und ihrdurch reichen DM-Segen den Einzug ins Paradies der freienMarktwirtschaft zur reinen Lustpartie werden zu lassen wur-den die Volkskammerwahlen vom 18 Maumlrz 1990 zu einemTriumph jener Blockparteien die vierzig Jahre lang von derSED ausgehalten worden waren und nun ihr Heil bei Kohlamp Co sahen

Damit war der Weg frei fuumlr den Einzug des Groszligen Geldes indie DDR und deren eilige Vereinnahmung Aber der verspro-chene reiche und sofortige Segen blieb natuumlrlich aus Vielmehrmuszligte die Regierung Helmut Kohls so sehr sie dies auch zuvertuschen suchte zunaumlchst einmal fuumlr einen drastischen So-zialabbau sorgen denn natuumlrlich waren und sind die Herrendes Groszligen Geldes vorrangig daran interessiert Profit zumachen und dabei ist all das was sie raquoSozialklimbimlaquo zu nen-nen belieben nur hinderlich

So muszligte die Regierung Kohl jetzt eine wahre Sisyphusar-beit leisten zum einen rasch alles beseitigen was ihren Auf-traggebern laumlstig ist vom Kuumlndigungsschutz uumlber das Aussper-rungsverbot und das bezahlte Babyjahrbis zum letzten betrieb-lichen Kinderhort zum anderen ein immer schnelleres Tempoeinschlagen um Fakten zu schaffen bevor sich diejenigen diedabei auf der Strecke bleiben muszligten uumlber die unvermeidli-chen katastrophalen Folgen der hastigen Vereinnahmung klar-werden konnten

So hieszlig es denn fuumlr Helmut Kohl und seine Ministerriegeimmer neue Ausreden erfinden und Beschwichtigungen ver-breiten beispielsweise behaupten daszlig niemand im Lande zu

befuumlrchten brauche die Zeche bezahlen zu muumlssen Dabei warvon vornherein klar daszlig es gewaltige Summen kosten wuumlrdeOstdeutschland den westlichen Standards anzugleichen alsozum Beispiel das Straszligen- und das Telefonnetz auszubauenWohngebaumlude und Industrieanlagen zu modernisieren und soweiter Auszligerdem konnte sich jeder Einsichtige an fuumlnf Fin-gern abzaumlhlen daszlig sich diese Kosten vervielfachen muszligtenwenn funktionierende Strukturen einfach ruumlcksichtslos zer-schlagen wurden An fruumlhzeitigen Warnungen kompetenterWirtschaftswissenschaftler und auch des damaligen Praumlsiden-ten der Deutschen Bundesbank fehlte es nicht Doch Kohlbehauptete dreist alles lasse sich ohne Steuererhoumlhungenfinanzieren Und damit ihm Kritik nicht hinderlich werdenkonnte beschleunigte er sein Tempo

Nach dem Willen Kohls und seiner Geldgeber verwandeltensich die Laumlnder der DDR in eine Art raquoKronkolonie Ostelbienlaquoso Jens Reich als Sprecher der demokratischen Buumlrgerbewegun-gen in der damals neu gewaumlhlten Volkskammer wo sie rasch indie Opposition gedraumlngt wurden

Die Rolle der Gounverneurin durfte nach der Ermordungdes ersten Praumlsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwed-der die CDU-Politikerin Birgit Breuel uumlbernehmen KohlsVertraute gerantierte fuumlr die Anwendung fruumlhkapitalistischerMethoden der Ausbeutung des Ramsch-Einkaufs von Grundund Boden und des sozialen und kulturellen Kahlschlags

Als wessen Treuhaumlnderin betaumltigte sich Birgit Breuel Galtihre Treue etwa den Genossenschaftsbauern Den Beschaumlftig-ten der Industriebetriebe Dem Volk dem die Betriebe nomi-nell gehoumlrten Oder dem Bundesfinanzminister dem CSU-Vorsitzenden Theo Waigel dem die Treuhandanstalt unter-stellt ist

Genossenschaftsbauern wurden aumlhnlich verdraumlngt wie Indu-strie-Beschaumlftigte Das Volkseigentum wurde privatisiert undder Bundeshaushalt zog aus den Verkaumlufen keinen Gewinnsondern die Treuhandanstalt erwies sich als Weltmeisterin imSchuldenmachen In dreieinhalb Jahren vermehrte sie die Bun-desschulden um die mit keinem Hochgebirge der Welt mehr zuveranschaulichende Summe von Milliarden Mark

dem es der Regierung des Dr Kohl in Bonn schon gelungenwar die 1982 bei der raquoWendelaquo uumlbernommenen Bundesschul-den auf mehr als das Doppelte anwachsen zu lassen

Als Folge des Vernichtungswerks der raquoTreuhandanstaltlaquoliegt Ostdeutschlands Wirtschaft vier Jahre nach dem Fall derMauer am Boden etwa auf dem Niveau eines Entwicklungslan-des wie Sri Lanka Nur noch etwa drei Prozent steuerten 1992die neuen Laumlnder zur deutschen Industrieproduktion beiOhne Ruumlcksicht auf die Beduumlrfnisse der Menschen wurde alleszerschlagen was dem Groszligen Geld beim Einzug in Ost-deutschland als hinderlich oder unbrauchbar erschien und dieAnstalt belohnte diejenigen denen sie das DDR-Volkseigen-tum uumlbereignete noch mit uumlppigen Zusatzgeschenken DieKonditionen der Uumlbereignungsvertraumlge zum Beispiel Freistel-lung der Erwerber von Verpflichtungen und Risiken wurdenvon der Breuel-Anstalt in manchen Faumlllen so guumlnstig gestaltetdaszlig der Buumlndnis 90-Abgeordnete Ulrich-Karl Engel im Landtagvon Sachsen-Anhalt dafuumlr nur diese Erklaumlrung fand raquoOrgani-sierte Kriminalitaumlt beginnt im Nadelstreifenlaquo Nach alarmie-renden Feststellungen des Bundesrechnungshofes und nachEinleitung etlicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfah-ren sah schlieszliglich Ende 1993 der Bundestag Anlaszlig einen Treu-hand-Untersuchungsausschuszlig einzusetzen

Angesichts der von dieser Behoumlrde hinterlassenen Schuldendie noch kuumlnftige Generationen belasten werden wandte sichder Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Gerald Thal-heim gegen raquopolitische Legendenbildunglaquo in Bonn raquoDort wirdausschlieszliglich die sozialistische DDR-Miszligwirtschaft fuumlr die-heutige Lage verantwortlich gemachtlaquo

Gerade im raquoSuperwahljahrlaquo 1994 wird die Regierungspropa-ganda krampfhaft an dieser Legende festhalten Die Wahrheitaber ist daszlig ein groszliger Teil der Treuhand-Schulden erst nachDDR-Zeiten durch eine raquoAufbau-Politiklaquo entstand mit der vielzerstoumlrt aber wenig aufgebaut wurde

Wem so fragten wir galt die Treue der Treuhand-Praumlsiden-tin Wo ist sie verwurzelt

Birgit Breuel Kohls Statthalterin fuumlr den Osten ist Tochterund Erbin des Hamburger Bankiers Alwin Muumlnchmeyer der

jahrzehntelang Boszlig des Bankhauses Schroumlder MuumlnchmeyerCo war All seine Amter in Vorstaumlnden Aufsichtsrauml-

ten und Beiraumlten aufzuzaumlhlen fehlt hier der Platz Erwaumlhnunggebuumlhrt aber zumindest der Tatsache daszlig die deutschen Ban-kiers als es galt den Praumlsidenten des Bundesverbandes derdeutschen Banken zu waumlhlen dieses Amt Alwin Muumlnchmeyerantrugen der es jahrelang ausuumlbte An der Hamburger

ist es kein Geheimnis Der ganze Ehrgeiz von TochterBirgit war es seit eh und je diesem Vater zu beweisen daszlig sieseiner wuumlrdig sei eine nicht nur sondern 150prozentigeSachwalterin des Groszligen Geldes

Privatisierung oder raquoEntstaatlichunglaquo wie sie es gernnennt war und blieb immer das Hauptbestreben der CDU-Politikerin zuerst in der Hamburger Buumlrgerschaft dann in dervon Ernst Albrecht geleiteten niedersaumlchsischen CDUFDP-Regierung der sie zwischen 1978 und 1990 anfangs als Wirt-schafts- spaumlter als Finanzministerin angehoumlrte In vielenReden und Schriften stritt sie wacker gegen Subventionen vorallem bei der CDU-Mittelstandsvereinigung zu deren nieder-saumlchsischen Landesvorsitzenden sie sich waumlhlen lieszlig Mittel-staumlndischen Unternehmern redete sie ein es vertrage sichnicht mit den Prinzipien der Marktwirtschaft wenn sich derStaat um die Wirtschaft kuumlmmere und deswegen duumlrften sieauch unter keinen Umstaumlnden Subventionen beanspruchenGroszligunternehmen dagegen wurden unter Breuels Minister-Verantwortung in Niedersachsen reichlich mit Subventionenbedacht beispielsweise das zum Roumlchling-Konzern gehoumlrendeRuumlstungsunternehmen Rheinmetall dem sie ein groszligenteilsmit oumlffentlichen Mitteln finanziertes Zentrum zur Entwicklungneuer Kriegswaffentechniken bauen lieszlig

Bereits 1979 formulierte Birgit Breuel ein umfassendes Priva-tisierungsprogramm das wie sie verhieszlig zu einem raquoMehr anindividueller Freiheitlaquo fuumlhren werde Das Programm nannteSchlachthoumlfe und kommunale WohnraumvermittlungsstellenSportstadien und Verkehrseinrichtungen Krankentransportund Muumlllabfuhr Kuumlchen in Kliniken und Reinigungsdienstefuumlr Schulen oder fuumlr Behoumlrden -wobei es sich guumlnstig traf daszligsich der niedersaumlchsische Landesvorsitzende des CDU-Wirt-

schaftsrats Hartwig Piepenbrock mit seinem groszligen Gebaumlude-reinigungsunternehmen das dann schnell noch viel groumlszligerwurde fuumlr solche Aufgaben bereithielt meist mit stunden-weise beschaumlftigten Frauen unter schlechteren Arbeitsbedin-gungen mit niedrigeren Loumlhnen und unzureichenden Soziallei-stungen

Es gehe aber nicht allein um Kostenguumlnstigkeit erlaumlutertedie niedersaumlchsische Ministerin in ihrem Programm Die Uumlber-tragung oumlffentlicher Aufgaben auf private Traumlger koumlnne auchdann in Betracht kommen private Leistungserstellungteurer ist als die verwaltungseigenelaquo Hier muumlsse raquodas Gebotder Sparsamkeit gegen das ordnungspolitisch erstrebte Zielabgewogen werdenlaquo - und dieses Ziel hieszlig eben Privatisie-rung

Ausdruumlcklich erlaumluterte die niedersaumlchsische Ministerindaszlig manche Leistungen raquoin der Regel nicht kostendeckenderstellt werden koumlnnen (zum Beispiel Theater MuseenSchwimmbaumlder)laquo Diese Einsicht hinderte sie nicht sich auchfuumlr die Privatisierung von Theatern Museen Schwimmbaumldernwie auch von Schulen Universitaumlten und Postaumlmtern einzuset-zen raquoNotfallslaquo meinte sie in ihrem Programm muumlsse dieoumlffentliche Hand raquoZuschuumlsse gewaumlhrenlaquo

Nach Birgit Breuels Verstaumlndnis sollen sich also die Aufga-ben des Staates nicht aus allgemeinen Beduumlrfnissen herleitensondern aus den Gewinninteressen einzelner denen sie letzt-lich alles was der Allgemeinheit gehoumlrt zuschieben willraquoSelbst bei der Steuerverwaltunglaquo schrieb sie koumlnne sie sichraquoin wesentlichen Teilen eine privatwirtschaftliche Struktur vor-stellenlaquo

In Niedersachsen konnte die Bankierstochter jedoch mitihren Kampagnen gegen raquouumlberzogene Sozialstaatlichkeitlaquo undihren Tiraden gegen die Gewerkschaften (raquoVater Staat ist gefor-dert sein wachsames Auge und wenn noumltig seine strafendeHand gegen die Organisationen der Arbeitnehmer zu richtenlaquo)noch wenig ausrichten Die zur Privatisierung ausersehenenAbteilungen von Krankenhaumlusern und Stadtverwaltungenwehrten sich kraumlftig und Putzfrauen sowie Friedhofs-gaumlrtner lieszligen durch ihren Widerstand manchen Breuel-Plan

scheitern Und als die CDU-Politikerin im von ihr geleitetenWirtschaftsministerium eine Botenstelle teilen wollte unter-sagte ihr das eine Einigungsstelle unter Vorsitz des hannover-schen Landgerichtspraumlsidenten Birgit Breuels Job-sharing-Modell haumltte die Stelleninhaber mit einem halbierten Boten-Gehalt an die Sozialhilfegrenze rutschen lassen

Unmittelbar nachdem 1990 die niedersaumlchsischen Waumlhlerin-nen und Waumlhler die Regierung Albrecht abgewaumlhlt hatten fandBirgit Breuel mit dem Segen des Kanzlers und derer denen eres immer recht machen will ihre neue Verwendung als Vor-standsmitglied und bald als Praumlsidentin der TreuhandanstaltNun konnte sie sich endlich als raquoEntstaatlicherinlaquo austobenwie sie es sich in ihrem Programm von 1979 gewuumlnscht hatteEifriger Mittaumlter im Vorstand war von 1991 bis 1993 GuumlntherRexrodt (FDP) jetzt Kohls Wirtschaftsminister

Wer warum welche ehemaligen DDR-Betriebe uumlbernehmendurfte ist ein Raumltsel das wohl auch der vom Bundestag aufDraumlngen der Opposition eingesetzte Untersuchungsausschuszlighoumlchstens partiell wird loumlsen koumlnnen Nehmen wir als Beispieldie Eisen- und Huumlttenwerke in Thale wo in DDR-Zeiten fast7 000 Menschen arbeiteten Dieser Betrieb der einst zwei juumldi-schen Familien bis zu deren Verdraumlngung durch die Nazis ge-houmlrt hatte repraumlsentiert allein schon durch seine Lage aufeinem groszligen Areal inmitten der Stadt Thale einen betraumlchtli-chen Wert-ganz abgesehen von den teilweise noch in den acht-ziger Jahren mit westlichen Maschinen modernisierten Produk-tionsstaumltten

Fuumlr Sanierungsmaszlignahmen und als Liquiditaumltshilfen zahltedie Treuhandanstalt Zigmillionen Das Land Sachsen-Anhaltgab Buumlrgschaften Das Eigentum wurde ohne daszlig sich dieAnstalt lange mit Anspruumlchen der juumldischen Vorbesitzer auf-hielt einem westdeutschen raquoInvestorlaquo uumlberschrieben DieWahl der Treuhandanstalt fiel auf den durch Waumlhlerentscheidbeschaumlftigungslos gewordenen indessen nicht am Hungertuchnagenden sondern bestens versorgten ehemaligen niedersaumlch-sischen Ministerpraumlsidenten Ernst Albrecht mit dem BirgitBreuel zwoumllf Jahre lang in Hannover zusammen regiert hatteDer Preis den Dr Albrecht zahlen muszligte belief sich auf 1 (in

Worten eine) DM Da er als Kompagnon einen Bremer Rechts-anwalt mit fuumlnf Prozent beteiligte brauchte der hannoverscheCDU-Politiker der jahrelang als stellvertretender Parteivorsit-zender neben Dr Kohl dem CDU-Praumlsidium angehoumlrt hattegenau gesagt nur 95 Pfennig aufzubringen

Angeblich durch ein raquoVersehenlaquo uumlberschrieb ihm die Treu-handanstalt auch ein groszliges Suumldhang-Gelaumlnde im Harz mitBeherbergungs- und Freizeit-Einrichtungen die fruumlher denBeschaumlftigten der Eisen- und Huumlttenwerke und ihren Familien-angehoumlrigen zur Verfuumlgung gestanden hatten Das raquoVersehenlaquowurde nicht etwa korrigiert sondern Firmenchef Albrechtdurfte diese Immobilie alsbald weiterverkaufen fuumlr mehr alsvier Millionen Mark

In einem programmatischen Buch mit dem Titel raquoDer Staatlaquohatte Ernst Albrecht einst beklagt den Deutschen fehle soetwas wie es die Briten in den Kolonien gehabt haumltten und dieUS-Amerikaner im Wilden Westen Nun kann Albrecht an derprivatwirtschaftlichen Erschlieszligung des deutschen Ostens mit-wirken dank Treuhandanstalt die ihn zunaumlchst zum Auf-sichtsratsvorsitzenden der Eisen- und Huumlttenwerke Thaleberief und ihn dann zum Eigentuumlmer machte eine Entschei-dung die auch dann fragwuumlrdig wirkt wenn Albrecht glaub-haft versichert keinen persoumlnlichen Nutzen aus dem Eigen-tum zu ziehen sondern sich mit den Aufsichtsratstantiemenzu begnuumlgen Die Belegschaft in Thale schrumpfte inzwischenauf einige hundert Beschaumlftigte

Im allgemeinen sorgte die Treuhandanstalt dafuumlr daszlig die-jenigen die schon in Westdeutschland monopolartige Wirt-schaftsmacht besitzen diese auf Ostdeutschland ausdehnenkonnten So wurde die Presse Beute westdeutscher Groszligver-lage wie Springer Bauer Burda und Bertelsmann BauerBranchenerster auf dem Markt bunter Wochenblaumltter zweiein-halbfacher Vermoumlgensmilliardaumlr Hauptbeteiligter an Schmutz-Wahlkampagnen der CDUCSU hatte seit langem denWunsch gehabt auch ins Tageszeitungsgeschaumlft einzusteigenwas ihm jedoch in Westdeutschland miszliglang weil hier derMarkt aufgeteilt besetzt also gar kein freier Markt mehr istDie Treuhandanstalt erfuumlllte ihm seinen Wunsch Er erhielt die

ehemalige SED-Bezirkszeitung raquoVolksstimmelaquo in Magdeburgeine der auflagenstaumlrksten deutschen Regionalzeitungen

Westdeutsche Fuumlrsten die nach dem Zweiten Weltkriegdurch die Bodenreform ihre ostelbischen Latifundien verlorenhatten ergreifen nun nach und nach wieder Besitz einige wieder schwerreiche und erzkonservative Philipp Ernst Fuumlrst vonSchaumburg-Lippe zunaumlchst als Paumlchter der TreuhandanstaltAls Ende 1993 die Breuel-Behoumlrde erstmals ein ostdeutschesWald- und Forstgebiet privatisierte schlug sie den 828 Hektargroszligen Forst Schleiz-Langenbuch in Thuumlringen dem hessi-schen raquoInvestorlaquo Franz Alexander Fuumlrst von Isenburg zu

Im Sinne der raquoAlteigentuumlmerlaquo die freilich im Westen laumlngstauf Steuerzahlers Kosten Lastenausgleich erhalten hatten ver-fuhren die Regierung Kohl und die Treuhandanstalt nach demPrinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo- was fuumlr diejenigen dieinzwischen in der DDR gelebt und gearbeitet hatten Wegnah-me ohne Entschaumldigung bedeutet Zu den raquoAlteigentuumlmernlaquodie sich bei der Treuhandanstalt und oumlrtlichen Vermoumlgensaumlm-tern draumlngelten gehoumlrten sofort etliche raquoArisierungslaquogewinnlerler vom Typ unseres alten Bekannten Dr Fritz Ries die geradewegen der Umstaumlnde unter denen sie einst in der Nazi-Zeitjuumldischen Besitz erlangt hatten nach dem Zweiten Weltkrieg inOstdeutschland enteignet worden waren Die Klaumlrung vonEigentumsanspruumlchen erwies sich oft als sehr muumlhsam Anungeklaumlrten Vermoumlgensfragen gingen inzwischen viele tausen-de Industrie- Handwerks- und Agrarbetriebe zugrunde Beam-te des Bundesfinanzministeriums entwickelten ein Konzeptwonach Alteigentuumlmer denen ein unerwarteter Gluumlcksfall derGeschichte laumlngst verlorengeglaubte ostelbische Besitztuumlmerbeschert verpflichtet werden sollten eine Vermoumlgensabgabezu zahlen und damit das fuumlr die Entschaumldigung anderereigentuumlmerbenoumltigte Geld aufzubringen Aber die Bonner Re-gierung entschied anders naumlmlich so wie sie es im Dienste desGroszligen Geldes als ihre Aufgabe ansieht Die Vermoumlgendenbrauchen keine Abgabe zu entrichten Fuumlr Entschaumldigungenmuumlssen die Steuerzahler aufkommen -jedoch erst vom Jahre2004 an Die Regierung Kohl plant die weitere Umverteilungvon unten nach oben schon bis ins naumlchste Jahrhundert voraus

In vielen Faumlllen waren westdeutsche Konzerne nur deswe-gen an der Uumlbernahme ostdeutscher Betriebe interessiert weilsie Konkurrenz ausschalten wollten Bekanntestes Beispiel istdie Kaligrube Bischofferode Das von den uumlber 700 Bischoffe-roumlder Bergleuten gefoumlrderte besonders hochwertige Kalisalzwar international nachgefragt bis zur Schlieszligung der GrubeEnde 1993 muszligten Uumlberstunden geleistet werden Ein Kauf-interessent stand bereit der sich gute Gewinne ausrechnenkonnte Doch der Ludwigshafener Chemie-Riese BASF beidem einst der Nachwuchspolitiker Helmut Kohl als Praktikanterste Erfahrungen hatte sammeln duumlrfen setzte sich mit sei-nem Interesse an einem gesamtdeutschen Kali-Monopol durch

Wirtschaftlich gestaltete sich die Eingliederung Ostdeutsch-lands in die Bundesrepublik wofuumlr sich Dr Kohl so gern alsEinheitskanzler feiern laumlszligt im wesentlichen als Eroberung desMarktes und Ausschaltung potentieller Konkurrenz in denneuen Bundeslaumlndern Statt Sanierung ruumlckstaumlndiger Teile derDDR-Wirtschaft Vernichtung von drei Vierteln des dortigenIndustriepotentials preisguumlnstige Aneignung interessanterProduktionskapazitaumlten und Immobilien Privatisierung vonProfiten Verstaatlichung von Verlusten alles zuverlaumlssig prak-tiziert durch die Treuhandanstalt

Die verheiszligenen Investitionen im Osten blieben in allerRegel aus Das lag nicht etwa daran daszlig es in Westdeutschlandan Kapital gefehlt haumltte das in den raquoNeuen Laumlndernlaquo haumltteinvestiert werden koumlnnen Wie wir schon gesehen haben hattesich das Groszlige Geld in den achtziger Jahren gewaltig vermehrtund Anfang der neunziger Jahre machte es noch groumlszligereGewinnspruumlnge Weil Jahr fuumlr Jahr viel mehr eingenommen alsinvestiert wurde staute sich Liquiditaumlt in einem fruumlher unbe-kannten Ausmaszlig raquoDas Liquiditaumltspolster der westdeutschenProduktionsunternehmenlaquo schrieb im Mai 1991 die DeutscheBundesbank sei reichlich bisher noch nie gewesenlaquo Aberdie westdeutschen Konzerne hatten wenig Interesse im Ostenneue Betriebe zu errichten

Ende 1993 legte der Paritaumltische Wohlfahrtsverband gemein-sam mit dem DGB erneut einen raquoArmutsbericht vorlaquo worin ervor allem die Lage in Ostdeutschland untersucht Zur Treu-

handpolitik heiszligt es dort raquoGroszlige Bedeutung fuumlr die Wirt-schafts- und Beschaumlftigungsentwicklung in den neuen Bundes-laumlndern hatte die Politik der Treuhandanstalt ihr kam nachdem Treuhandgesetz primaumlr die Aufgabe zu das volkseigeneVermoumlgen der ehemaligen DDR zu privatisieren und zu ver-werten nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft Diebestehenden Unternehmen sollten so rasch als moumlglich zer-schlagen und in Privateigentum uumlberfuumlhrt werdenlaquo Dagegensei es raquoweder urspruumlngliches Ziel noch bisherige Praxis derTreuhandlaquo gewesen Betriebe raquomit der Zielsetzung einer Erhal-tung von Produktions- und Beschaumlftigungsstandortenlaquo zusanieren Deswegen sei raquoein Groszligteil der zum Zeitpunkt derMaueroumlffnung vorhandenen Arbeitsplaumltze inzwischen verlo-rengegangenlaquo Ergebnis raquoAuf jeweils zwei Beschaumlftigtekommt derzeit in Ostdeutschland ein Erwerbsloserlaquo

1990 im Jahre des raquoBeitrittslaquo der DDR zur BundesrepublikDeutschland hatte die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland

Prozent betragen zwei Jahre spaumlter war sie bereits aufProzent gestiegen in den Bevoumllkerungsgruppen der Alleiner-ziehenden und der bis 64jaumlhrigen sogar schon auf 25 Pro-zent Die Zerschlagung von Betrieben betrifft in besonderemMaszlige auch die Jugendlichen die sich um Ausbildungsplaumltzebewerben 1992 fanden von den im Osten als Bewerber regi-strierten Jungen und Maumldchen nur Prozent einen betriebli-chen Ausbildungsplatz teilweise im Westen Das Defizit ver-groumlszligerte sich 1993 dadurch daszlig sich staatliche Subventionenfuumlr auszligerbetriebliche Ausbildungsplaumltze verringerten

Alleinerziehende gab es in der ehemaligen DDR deutlichmehr als in Westdeutschland Prozent aller Familienhaus-halte Die Untersuchung des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandsfuumlhrt das zuruumlck raquoauf zahlreiche soziale Erleichterungen undVerguumlnstigungen sowie die Tatsache daszlig Alleinerziehende inihrem Status gesellschaftlich akzeptiert warenlaquo- was sich inzwi-schen gruumlndlich geaumlndert hat raquoIm Zuge Vereinigunghaben sich die Rahmenbedingungen fuumlr Allemerziehende imOsten deutlich verschlechtert und das Risiko der gesellschaftli-chen Ausgrenzung und Verarmung dieser Gruppe hat sichebenso deutlich erhoumlhtlaquo

Um zu illustrieren wie tief Kohls Einheitspolitik gerade dieMuumltter in den neuen Laumlndern hat stuumlrzen lassen erinnert derParitaumltische Wohlfahrtsverband in seinem Bericht an die Lei-stungen auf die sie in der DDR Anspruch hatten raquoSo erhieltenMuumltter von zwei und mehr Kindern sowie Alleinerziehendeeinen zusaumltzlich bezahlten Hausarbeitstag pro Monat DerAnspruch auf einen Schwangerschaftsurlaub betrug sechsWochen vor und 20 Wochen nach der Geburt mit einem Ein-kommen in Houmlhe des Nettoverdienstes Daneben konnte nachGeburt des ersten Kindes ein Babyjahr in Form bezahltenUrlaubs bei einer Unterstuumltzung zwischen 65 und 90 Prozentdes Nettoeinkommens genommen werden nach Geburt desdritten Kindes und der folgenden Kinder sogar eineinhalbJahre und bis zu drei Jahren wenn das Kind nicht versorgt wer-den konnte oder krank war Unabhaumlngig von einer Freistellungwurde den Frauen pro Kind ein Jahr bei der Rentenversiche-rung angerechnet ab dem dritten Kind erhoumlhte sich dieZurechnungszeit auf drei Jahre pro Kind Fuumlr die Betreuungkranker Kinder waren je nach Familienstand und Kinderzahlvier bis maximal dreizehn Wochen bezahlter Freistellungs-urlaub pro Jahr moumlglich Zur finanziellen Entlastung von Fami-lien und alleinstehenden Muumlttern trugen weitere Leistungenbei wie ein im Vergleich zur BRD deutlich houmlheres KindergeldUnterhalts- und Ausbildungsbeihilfen und eine Geburtenbei-hilfe in Houmlhe von 1000 Mark Studierende Muumltter hatten An-spruch auf umfassende Unterstuumltzung unter anderem bei derWohnraumversorgung und Kinderbetreuung VertreterInnenvon Familienverbaumlnden gehen davon aus daszlig in der DDR 75bis 80 Prozent aller Kosten die ein Kind von der Geburt biszum 18 Lebensjahr verursacht von Staat und Gesellschaftgetragen wurden gegenuumlber maximal einem Viertel in derBRD Gleichzeitig stand ein umfassendes hochsubventionier-tes und damit fuumlr die Mutter kostenloses Angebot staatlicherKinderbetreuung bei taumlglichen Oumlffnungszeiten zwischen neunund zwoumllf Stunden zur Verfuumlgung das bereits in der zehntenLebenswoche ansetzte und je nach Alter zwischen 81 und 94Prozent der Kinder erfaszligte laquo Hinzu kamen noch ein speziel-

ler Kuumlndigungsschutz fuumlr Alleinerziehende und manche weite-ren Verguumlnstigungen

Obwohl Dr Kohl und sein Sozialminister Dr Bluumlm immerdas Wort raquoFamilielaquo im Munde fuumlhren hatten sie fuumlr sol-

che Errungenschaften nichts uumlbrig und sorgten fuumlr deren Besei-tigung

Von den Ende 1989 in der DDR ausgewiesenen 340 000alleinerziehenden Muumlttern war schon Ende 1991 jede sechsteohne Erwerbsarbeit Das fruumlher in der DDR unbekannteDilemma sich zwischen Beruf und Kind entscheiden zu muumls-sen und die nun rasch angestiegenen Kosten von Mutterschaftund Kinderbetreuung fuumlhrten laut Armutsbericht zu einer ein-deutigen Reaktion raquoFrauen entscheiden sich mit zunehmen-der Tendenz gegen Kinder Die Geburtenrate sank zwischen1989 und 1991 um die Haumllfte Sterilisationen stiegen sprunghaftan ihr Nachweis stellt im Kampf um die raren Arbeitsplaumltzeoffensichtlich einen Konkurrenzvorteil darlaquo Wie vertraumlgt sichdas mit den staumlndigen Bekenntnissen der CDUCSU zumSchutz der Familien mit ihren wuumltenden Attacken gegen dieunter Willy Brandts Kanzlerschaft eingefuumlhrte Liberalisierungdes $218 (Schwangerschaftsabbruch) Die Antwort ist einfachFuumlr die Unionschristen endet die Fuumlrsorgepflicht des Staatesan der Kasse und Unternehmerinteressen haben stets Vorrangvor denen der Lohnabhaumlngigen

Wegen der unzureichenden Foumlrderung von Familien mitKindern steigt in Deutschland die Kinderarmut steil an Der

weist fuumlr 1992 fuumlr Westdeutschland den Anteilder in Armut lebenden Kinder unter 16 Jahren mit Prozentin Ostdeutschland mit Prozent aus Als raquowohnraumunter-versorgtlaquo registriert er Prozent aller westdeutschen und391 Prozent aller ostdeutschen Kinder und Jugendlichen undresuumlmiert raquoKindheit insbesonder in groumlszligeren Familien istin beiden Teilen der Bundesrepublik mit einemauszligerordentli-chen Armutsrisiko verknuumlpftlaquo Jedesmal wenn Kohl und Bluumlmmit reichlich Spucke das Wort raquoFamilljelaquo uumlber die Lippen brin-gen sollen wir ihnen diese Feststellung entgegenhalten

raquoDie Chance im Zuge der Sozialunion eine umfassende So-zialreform einzuleiten um die jeweiligen Staumlrken der beiden

Systeme sozialer Sicherung zu erhalten und die vorhandenenDefizite zugunsten eines umfassenderen und houmlheren Siche-rungsniveaus zu korrigieren ist aus politischen Gruumlnden nichtgenutzt wordenlaquo beklagt der Armutsbericht Und er zaumlhlt vie-les auf was in Ostdeutschland guumlnstiger geregelt war als inWestdeutschland Armut in dem Sinne daszlig arm ist wer weni-ger als die Haumlfte des Durchschnittseinkommens erhaumllt habe esin der DDR wegen der gleichmaumlszligigen Verteilung der Einkom-men auf niedrigem Niveau nicht gegeben zumal die Guumlter desGrundbedarfs stark subventioniert waren In DDR-Zeitenhabe man zwar verdeckte Wohnungsnot gekannt aber keineoffene Obdachlosigkeit Nur neun Prozent der Erwerbstaumltigenin der DDR haumltten keinen Ausbildungsabschluszlig gehabt (gegen-uumlber 19 Prozent in Westdeutschland) raquoBehinderte Menschenwaren in der DDR uumlber verschiedene Schutzvorschriftenwesentlich staumlrker in das Alltagsleben integriert als es dieBestimmungen des bundesdeutschen Schwerbehindertenge-setzes verlangen Die deutsche Einigung ging fuumlr behinderteMenschen mit einer schlagartigen Ausgrenzung aus demArbeitsleben Hinzu kaumlmen jetzt soziale Diskriminie-rungen und eine raquoeklatante Verschlechterunglaquo im Rentenrechtder Behinderten

Pflegebeduumlrftige hatten in der DDR einen individuellenAnspruch auf Pflegegeld den sie durch die Vereinigung verlo-ren Pflegeheimaufenthalt und medizinische Betreuung warengratis Jetzt muumlssen die Pflegebeduumlrftigen selbst zahlen DerWeg ins Heim ist fuumlr die meisten ein Weg in die Sozialhilfe Dasbedeutet auch daszlig Angehoumlrige finanziell herangezogen wer-den -raquoein gravierender Bruch fuumlr ostdeutsche Pflegebeduumlrftigeund ihre Angehoumlrigen nach uumlber 40 Jahren prinzipiellerKostenfreiheit im Gesundheitssystemlaquo Was Pflegebeduumlrfti-gen nach der Waumlhrungsunion auf ihren Sparbuumlchern verblie-ben war wurde ihnen von den Sozialhilfe-Behoumlrden bis aufeinen Restbetrag genommen Weitgehend zerschlagen wurdendie Strukturen der raquoVolkssolidaritaumltlaquo einer in der DDR staat-lich gefoumlrderten Organisation die mit 6 500 Gemeindeschwe-stern vielen weiteren hauptamtlichen und rund 200 000 ehren-amtlichen Kraumlften vor allem fuumlr die ambulante Betreuung von

Pflegebeduumlrftigen zustaumlndig war und zum Beispiel fuumlr symboli-sche 50 Pfennig am Tag denjenigen Essen brachte die nichtselbst kochen konnten Wegen Auslaufens von Arbeitsbeschaf-fungsmaszlignahmen sind jetzt auch die rund 1000 Altenklubs inOstdeutschland in ihrem Bestand gefaumlhrdet

Viel schneller als die Angleichung der Einkommen (1992betrug das durchschnittliche Einkommen pro Person in einemOst-Haushalt Prozent im Verhaumlltnis zum Westen) vollzogsich die Angleichung der Mietpreise Allein im Jahre 1991 stie-gen die Mieten im Osten um das 35- bis Vierfache Inzwischensetzte sich der Anstieg fort einzig aus Spekulationsgruumlndennicht etwa zum Ausgleich fuumlr Modernisierungsmaszlignahmendie bisher meist unterblieben Wegen auflaufender Mietschul-den kommt es zu vielen Raumlumungsklagen So waren allein inMagdeburg Anfang 1993 rund 1900 Raumlumungsklagen anhaumln-gig Obdachlosigkeit entsteht laut Armutsbericht vielfach auchdurch rabiate Methoden alter oder neuer Hausbesitzer diebestrebt sind Wohnungen zu raquoentmietenlaquo Notwendige Ver-besserungen des Wohnungsbestands scheiterten bisher aucham Prinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo in etwa einer Mil-lion Faumllle waren 1993 die Besitzverhaumlltnisse noch nicht geklaumlrtdie uumlberforderten Gerichte und Behoumlrden werden damit wohlnoch Jahre beschaumlftigt sein

Als psychosoziale Folgen dieser Entwicklung nennt derArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB Wachsende Verunsicherung Empfindung von Nichtge-brauchtsein und Leere Gefuumlhle des Ausgeliefertseins und dereigenen Ohnmacht sich ausdehnende Hoffnungslosigkeit undSinnlosigkeit sich verfestigende seelische Probleme (Schlaf-stoumlrungen) Ruumlckzug ins Private und zunehmende politischeUninteressiertheit Empfinden eines grundlegenden Statusver-lustes sich einstellende Inaktivitaumlt und zunehmende Neigungzum Alkoholkonsum Auffaumlllig seien zudem verstaumlrkt auftre-tende Gesundheitsstoumlrungen als Reaktion auf soziale und kul-turelle Ausgrenzung (Auch Kinokarten verteuerten sich raschum 700 Prozent und wurden fuumlr viele unerschwinglich)

Das Versprechen des Kanzlers Dr Kohl daszlig es niemandemschlechter gehen werde erwies sich bald nach der von ihm

gewonnenen Bundestagswahl vom Dezember 1990 als hohlUm so groumlszliger waren die Hoffnungen nach einer Uumlbergangs-zeit von allenfalls drei oder vier Jahren werde es allen Ostdeut-schen besser gehen Doch auch diese Hoffnung erfuumlllte sichnicht Im Gegenteil Fuumlr betraumlchtliche Teile der Bevoumllkerung istein Ende der Abwaumlrtsentwicklung nicht absehbar Im Armuts-bericht von Ende 1993 heiszligt es dazu raquoIn einer Vielzahl vonLebensbereichen droht die Versorgung in den neuen Bundes-laumlndern weit hinter den im Westen der Republik vorhandenenStandards zuruumlckzubleiben Dies gilt vorrangig fuumlr die Versor-gung im Arbeitsmarkt- und Beschaumlftigungssystem Dies giltjedoch auch fuumlr die Versorgung mit Bildungsguumltern mit Woh-nungen und mit Sozial- und GesundheitsdienstleistungenlaquoKommunale Kostentraumlger seien raquoaufgrund ihrer prekaumlrenHaushaltssituation kaum in der Lage die laufenden Kosten fuumlrdie soziale Infrastruktur vor Ort zu bestreitenlaquo Die Autorendes Armutsberichts zitieren Prognosen wonach eine Anglei-chung der Lebensverhaumlltnisse zwischen Ost und West nocheinen Zeitraum von raquomindestens zehn Jahrenlaquo erfordern wirdSie selbst halten es fuumlr raquooffen ob eine solche Angleichung tat-saumlchlich stattfinden oder ob das Beitrittsgebiet nicht vielleichtuumlber einen laumlngeren Zeitraum eine Armutsregion im vereintenDeutschland bleiben wirdlaquo

Halten wir fest Als sich Buumlrgerinnen und Buumlrger der DDRlange entbehrte Freiheiten erkaumlmpften als das SED-Regimezusammenbrach als das uumlble Spitzelsystem des Staatssicher-heitsdienstes beseitigt wurde da handelten die Ostdeutschensouveraumln und der westdeutsche Kanzler hatte auszliger Spruumlchenwenig beizutragen Die Einheit aber inszenierte er dann -nichtohne ostdeutsche Helfer namentlich den Staatssekretaumlr Guumln-ther Krause der spaumlter zur Belohnung zeitweilig Bundesver-kehrsminister sein durfte als groszligen Volksbetrug Betrogenund gedemuumltigt stehen jetzt nicht nur Millionen Ostdeutscheda sondern fuumlr materielle und politische Kosten muumlssen mehrund mehr auch die Westdeutschen aufkommen nicht die Rei-chen die noch viel reicher wurden sondern die Armen Wasder raquoEinheitskanzlerlaquo angerichtet hat ist die tiefe sozialeSpaltung Deutschlands

Mit den raquoSolidarpaktlaquo-Beschluumlssen von 1993 deren Inhaltso zynisch ist wie der Name und mit den raquoSpar- und Konsoli-dierungsbeschluumlssenlaquo fuumlr 1994 wurde zu Lasten der Armen inganz Deutschland tief in die Leistungen des Arbeitsfoumlrderungs-und des Sozialhilfegesetzes eingegriffen Kuumlrzungen des Ar-beitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe des Kurzarbeiter-und des Schlechtwettergeldes Verteuerungen fuumlr die Krankenund andere Zumutungen treiben wie der Praumlsident des Verban-des der Kriegs- und Wehrdienstopfer Behinderten und Sozial-rentner Deutschlands (VdK) Walter Hirrlinger feststellte er-neut raquohunderttausende Menschen und deren Familien in dieArmutlaquo diese Maszlignahmen seien deshalb raquosozial unverant-wortlichlaquo Der Deutsche Kinderschutzbund wies zu Jahres-beginn 1994 darauf hin daszlig in Deutschland inzwischen schoneine halbe Million Kinder in Obdachlosen-Unterkuumlnften lebenDas Resuumlmee im Armutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrts-verbands und des DGB lautet Die von der Regierung Kohlfavorisierte wirtschaftsliberale Strategie der Lastenverteilungbedeute raquodaszlig die Lasten allein von den Arbeitnehmern undSozialleistungsempfaumlngern uumlbernommen werden muumlssenlaquoNach einem Jahrzehnt der Umverteilung zu Lasten der sozialSchwaumlchsten nehme die Zahl der Armen im Westen unveraumln-dert zu und die derzeitige Wirtschafts- und Sozialpolitik lauferaquodarauf hinaus daszlig heute und in den kommenden Jahren dieLasten der Vereinigung vorrangig zwischen den Armen imWesten und im Osten geteilt werdenlaquo Daher sei es raquokaumverwunderlich daszlig die Politikverdrossenheit in der Bevoumllke-rung zunimmtlaquo Obwohl raquodas neue Gesamtdeutschland einesder reichsten Laumlnder der Erdelaquo sei koumlnne diese Politik zurFolge haben raquodaszlig die soziale und politische Stabilitaumlt derBundesrepublik in den neunziger Jahren ernsthaft gefaumlhrdetwirdlaquo

Das Groszlige Geld aber wurde bestens bedient Es konnte sichin Ostdeutschland alles und jedes aneignen was ihm brauch-bar erschien es konnte die dortigen Absatzmaumlrkte in Besitznehmen es konnte seine Gewinne sprunghaft steigern und inengem Zusammenwirken mit der Regierung des Dr HelmutKohl konnte es die wachsende Veraumlngstigung vieler Menschen

auch noch zum Abbau zahlreicher in fruumlheren Jahrzehntenmuumlhsam erkaumlmpfter Arbeitnehmer- und Buumlrgerrechte nutzen

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gelang esden Metall-Industriellen einen geltenden Tarifvertrag auszu-hebeln Mit raquoOumlffnungsklauselnlaquo soll das gesamte Tarifrechtzum Einsturz gebracht die Gewerkschaftsbewegung entmach-tet werden Mit sogenannten raquoBeschleunigungs-laquochungs-laquo und raquoEntlastungsgesetzenlaquo schraumlnkte die von Kohlgefuumlhrte Bonner Koalition wesentliche Mitspracherechte derBuumlrgerinnen und Buumlrger ein so daszlig jetzt uumlber die Koumlpfe vonBetroffenen hinweg aumluszligerst zweifelhafte umweltgefaumlhrdendeGroszligprojekte beispielsweise in der Gentechnik verwirklichtwerden koumlnnen Zur Begruumlndung muumlssen immer wieder dieraquodeutsche oder der raquoStandort Deutschlandlaquo herhaltenDas raquoStandortsicherungsgesetzlaquo und weitere angeblich ausnationalen Interessen notwendige Beschluumlsse tun ein uumlbrigesum die Reichen und Superreichen im Lande von sozial- undrechtsstaatlichen Fesseln zu befreien

Der Verantwortung fuumlr die Folgen dieser Politik entledigtsich der Bund aufs vornehmste indem er sie an die Kommunendelegiert Deren Sache ist es dann fuumlr die explodierende Zahlvon Sozialhilfe-Abhaumlngigen zu sorgen In finanzieller Bedraumlng-nis unter zunehmendem Schuldendruck schlieszligen die Kommu-nen jetzt Theater Buumlchereien und Schwimmbaumlder erhoumlhenKindergarten-Beitraumlge der Eltern ins Unbezahlbare oder fuumlh-ren Gebuumlhren fuumlrs Betreten von Parkanlagen ein Was kuumlm-mertrsquos die Reichen Sie haben private Schwimmbaumlder und koumln-nen rasch nach Mailand oder Monte Carlo fliegen um dort indie Oper zu gehen

raquoDiese neue Regierung ist notwendig geworden weil sich diealte die bisherige Regierung als unfaumlhig erwies gemeinsamdie Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen das Netz sozialer Sicherheitzu gewaumlhrleisten und die zerruumltteten Staatsfinanzen wieder inOrdnung zu bringenlaquo So begruumlndete Dr Helmut Kohl nach-dem er durch den Wortbruch der FDP Kanzler geworden wardie damalige raquoWendelaquo Mehr als ein Jahrzehnt spaumlter ist dieMassenarbeitslosigkeit zur Dauerplage geworden die sichimmer weiter ausbreitet In das Netz sozialer Sicherheit hat dieRegierung des Groszligen Geldes ein Loch nach dem anderengerissen so daszlig mehr und mehr Menschen hindurchfallenUnd die Staatsfinanzen sind so zerruumlttet daszlig noch Generatio-nen zu schuften haben werden um den gigantischen Schulden-berg abzutragen

Daszlig eine neue Regierung notwendig geworden ist wirdjetzt auch in Kreisen der Wirtschaft eroumlrtert und zwar imZusammenhang mit den Folgen der Rezession die 199293viele mittelstaumlndische Unternehmen in rote Zahlen oder ganzin den Ruin gestuumlrzt hat

Die Krise gehoumlrt zum Kapitalismus wie die KonjunkturBeide loumlsen sich regelmaumlszligig ab In der Rezession macht dasGroszlige Geld jedesmal reiche Beute denn was die kleinen undmittleren Unternehmer aufgeben muumlssen krallen sich die gro-szligen Die jeweilige Regierung ist an der Tatsache zyklischer Kri-sen unschuldig Insofern muumlssen wir ausdruumlcklich auch dieRegierung des Dr Helmut Kohl in Schutz nehmen Dochdamit sich der Zorn des Mittelstandes nicht etwa gegen dasGroszlige Geld richtet muszlig in Krisenzeiten die jeweilige Regie-rung als Suumlndenbock herhalten Daher droht Kohl jetzt auchGefahr aus den Kreisen denen er immer treu gedient hat

In der ersten schweren Wirtschaftskrise der Bundesrepublikmuszligte der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard

abtreten in der sogenannten raquoOumllkriselaquo Willy Brandtfuumlr die Krise wurde Helmut Schmidt verantwortlichgemacht Ist jetzt infolge der vierten Wirtschaftskrise seitGruumlndung der Bundesrepublik Helmut Kohl an der ReiheNotfalls werden seine Auftraggeber ihn fallenlassen Abernicht deswegen weil sie mit seiner Politik nicht mehr einver-standen waumlren im Gegenteil Fuumlr sie ist die Hauptsache daszligKohls Politik weitergefuumlhrt wird notfalls auch ohne Kohl

Die Opfer dieser Politik hingegen haumltten davon nur weiterenSchaden In ihrem Interesse kommt es also hauptsaumlchlich dar-auf an daszlig in Bonn endlich eine grundlegend andere Politikeingeleitet wird eine Politik die auf soziale Gerechtigkeit ori-entiert ist auf mehr Demokratie auf Schutz der Menschen-rechte und Schutz der natuumlrlichen Lebensgrundlagen

Mit einem bloszligen Austausch des Personals in Bonn ist esnicht getan Er ist ohnehin laumlngst im Gange Immer schnellerdreht sich das Personalkarussell Insgesamt 20 Minister sindseit 1982 aus den von Helmut Kohl gefuumlhrten Bundeskabinet-ten vorzeitig ausgeschieden Anfangs geschah das selten inzwi-schen immer haumlufiger 1992 traten vier Minister zuruumlck 1993fuumlnf darunter Juumlrgen Moumlllemann (FDP) nach seiner Brief-bogenaffaumlre und Guumlnther Krause (CDU) nach seinen diversenAutobahnbau- Raststaumlttenkonzessions- Umzugs- und Putz-frauenaffaumlren

Auch in den unionsgefuumlhrten Laumlnderregierungen in West-deutschland sind es noch zwei in Ostdeutschland (Berlin ein-geschlossen) fuumlnf - broumlckelt es Bayerns Ministerpraumlsident MaxStreibl (CSU) stolperte uumlber die Amigo-Affaumlre In Baden-Wuumlrt-temberg muszligte Lothar Spaumlth unter dem Verdacht der Bestech-lichkeit abtreten und sein Nachfolger muszligte weil die FDPbei der Landtagswahl durchfiel mit der SPD koalieren Spaumlthwurde dann zum Trost aumlhnlich wie sein abgewaumlhlter nieder-saumlchsischer Amtskollege Ernst Albrecht von der Treuhandan-stalt mit dem Aufsichtsratsvorsitz eines fruumlher volkseigenenUnternehmens betraut In Sachsen konnte sich der Schwieger-sohn von Konsul Dr Fritz Ries Prof Dr Kurt Biedenkopf als

Ministerpraumlsident fest etablieren Aber in Thuumlringen Mecklen-burg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sah sich die CDUschon nach kurzer Zeit zur Auswechslung der von ihr gestelltenRegierungschefs gezwungen in Sachsen-Anhalt inzwischensogar zweimal Beim zweiten Male muszligte gleich das ganzeKabinett umgebildet werden Mehrere westdeutsche CDU-und FDP-Politiker die in Magdeburg als Minister eingesetztworden waren um die raquoOssislaquo fachmaumlnnisch in demokratischeRechtsstaatlichkeit einzuuumlben hatten zusaumltzlich zu ihrenziellen Amtsbezuumlgen raquoBesitzstandswahrunglaquo beansprucht undzu diesem Zweck unter anderem fruumlhere EisenbahnfreikartenTagegelder Aufsichtsratstantiemen Vortragshonorare steuer-freie Kostenpauschalen oder den Geldwert der Gratisbenut-zung eines Dienstwagens anrechnen lassen So hatte sich zumBeispiel der fruumlhere Fachhochschullehrer und Europaparla-mentarier Werner Muumlnch aus dem niedersaumlchsischen Vechtazum Spitzenverdiener hochgerechnet so dreist daszlig er sichals der Landesrechnungshof nachzurechnen begann nichtmehr im Amt halten konnte Eine Schluumlsselrolle in der Zula-gen-Affaumlre spielte der Staatssekretaumlr im Magdeburger Finanz-ministerium Eberhard Schmiege den Muumlnch dort eingesetzthatte Bis 1990 hatte Schmiege unter Ministerin Birgit Breueldie Haushaltsabteilung des niedersaumlchsischen Finanzministeri-ums geleitet Kaum waren diverse Minister ausgewechseltabtreten muszligte zum Beispiel Sozialminister Werner SchreiberBundesvorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse der an sichselbst besonders sozial gedacht hatte - da stellte sich herausdaszlig auch Schmiege und die anderen dreizehn Staatssekretaumlrestattliche raquoAmtszulagenlaquo kassiert hatten

Solche Affaumlren lieszligen sich propagandistisch allzu schlechtmit Bescheidenheits- Spar- Opfer- und Solidaritaumltsappellender raquoWendelaquo-Koalition an die Bevoumllkerung vereinbaren Aucharglose gutglaumlubige bisherige CDU-Waumlhlerinnen und -Waumlhlerschaumlrften inzwischen ihr Gehoumlr fuumlr die zynischen Untertoumlne inKohl-Reden Beispiel die Rede des Kanzlers am 21 Oktober1993 im Bundestag die nur als Verhoumlhnung der Opfer seinerPolitik der nunmehr (ohne statistische Tricks gerechneten)mehr als fuumlnf Millionen Arbeitslosen verstanden werden

konnte raquoWir koumlnnen die Zukunft nicht dadurch sichern daszligwir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisie-renlaquo toumlnte Dr Kohl Zugleich propagierte der Chef derraquoWendelaquo-Koalition die Ruumlckkehr zur 40-Stunden-Woche unddie Abschaffung von zwei Feiertagen Beides zusammenge-nommen wuumlrde die Arbeitslosenzahl in Deutschland noch-mals um nahezu eine Million hochschnellen lassen

Der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes hat zur Genuumlgegezeigt wie man einen Staat ruiniert Er ist reif zur Abloumlsungdie aber schwerlich gelingen kann wenn viele Waumlhlerinnenund Waumlhler verbittert zu Hause bleiben und besonders gefaumlhr-lich wuumlrde es wenn sie ihr Heil rechtsauszligen suchen wuumlrdenNotwendig ist jetzt eine selbstbewuszligte Antwort des betroge-nen Volkes

Um es zu einem solchen demokratischen Urteil nicht kom-men zu lassen versuchen die Bonner Regierenden und ihreHintermaumlnner mit Hilfe ihres Propaganda-Apparats die Waumlh-lerinnen und Waumlhler irrezufuumlhren und einzuschuumlchtern Ex-perten dafuumlr sind der CDUCSU-Fraktionsvorsitzende imBundestag Wolfgang Schaumluble Innenminister Manfred Kan-ther Finanzminister Theo Waigel und ihre Verbuumlndeten in derSpringer-Presse Nach der Methode raquoHaltet den wollensie Angst und Zorn die sich in der Bevoumllkerung angestauthaben ausgerechnet auf diejenigen Menschen lenken dieschon ganz unten gelandet sind auf die Opfer denen es amschlechtesten geht auf die Sozialhilfeempfaumlnger die pauschalverdaumlchtigt werden Sozialleistungen zu miszligbrauchen auf diemit ihrer duumlrftigen Habe in Haumlusernischen kampierendenObdachlosen denen vorgeworfen wird sie stoumlrten das Stadt-bild auf Ausgegrenzte die im Alkohol letzte Zuflucht suchenoder auf Auslaumlnder Beispiel die generalstabsmaumlszligig geplanteKampagne des zeitweiligen CDU-Generalsekretaumlrs (jetzt Bun-desverteidigungsministers) Volker Ruumlhe gegen das Asylrecht

Als die sozialen Folgen der hastigen DDR-Vereinnahmungspuumlrbar wurden luden die CDUCSU und die publizistischenWegbereiter ihrer Politik zu denen an erster Stelle der Springer-Konzern gehoumlrt den Asylbewerbern die Schuld auf Wohn-raum wurde knapp am wenigsten durch Asylbewerber weit

mehr durch Aussiedler und Uumlbersiedler die jetzt nicht mehrUumlbersiedler genannt und uumlberhaupt nicht mehr registriert wer-den (aber es sind immer noch jaumlhrlich Hunderttausende) ammeisten aber durch die katastrophale Bonner Wohnungspolitikdie immer mehr Wohnraum von unten nach oben umverteiltDieses soziale Problem wurde nun ins Nationalistische ge-dreht Springers BILD-Zeitung beteiligte sich daran mit Schlag-zeilen wie raquoMiethai kuumlndigt Deutschen fuumlr Asylantenlaquo Manbedenke daszlig BILD gewoumlhnlich nicht dazu neigt Hausbesitzerals Miethaie zu bezeichnen In diesem Zusammenhang abergeschah es als Mittel zum Zweck die Leserinnen und Leser zuaumlngstigen eine Verdraumlngung durch Fluumlchtlinge als akute Be-drohung vorzuspiegeln und auf solche Weise Aggressionenanzustacheln

Im Sommer und Herbst 1991 brachte dieses Blatt (gedruckteAuflage etwa fuumlnf Millionen Exemplare) eine Serie uumlber raquoDieAsylantenlaquo Dort war beispielsweise zu lesen raquoStellen Sie sichdiesen Fall vor Ein Mann klingelt bei Ihnen moumlchte herein-kommen Der Mann sagt daszlig er maumlchtige Feinde habe dieihm ans Leben wollen Sie gewaumlhren ihm Unterschlupf Dochschnell stellen Sie fest Der Mann wurde gar nicht verfolgt erwollte nur in Ihrem Haus leben Und Er benimmt sich sehrsehr schlecht Schlaumlgt Ihre Kinder Stiehlt Ihr Geld Putzt sichseine Schuhe an Ihren Gardinen Sie wuumlrden ihn gerne los Siewerden ihn aber nicht los Deutsche Asyl-Wirklichkeit 1991laquo

Parallel zur BILD-Serie mit gleicher Stoszligrichtung setztehe seine Kampagne in Gang Er schrieb an alle Untergliederun-gen der CDU raquoIch bitte Sie in den Kreisverbaumlnden in denGemeinde- und Stadtraumlten den Kreistagen und Laumlnderparla-menten die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPDdort herauszufordernlaquo Ruumlhe lieferte mit diesem Rundschrei-ben Argumentationsleitfaden Vorlagen fuumlr Antraumlge und Anfra-gen in Kommunal- und sonstigen Parlamenten sowie eineMuster-Presseerklaumlrung Zum Beispiel sollte landauf landabgefragt werden ob Asylbewerber etwa in Hotels untergebrachtseien was das kosten koumlnne und ob Auslaumlnder womoumlglichzuviel staatliche Unterstuumltzung in Anspruch naumlhmen und soweiter

Der SPD-Vorstand prangerte diese Kampagne in einer uumlber-zeugenden Broschuumlre an Unter der Uumlberschrift raquoGrundrechtauf Asyl Das anstaumlndige Deutschland zeigt Flaggelaquo hieszlig es amSchluszlig der Broschuumlre raquoEiner Aumlnderung des Grundgesetzesstimmt die SPD nicht zu laquo Doch nach einigen Monaten gab derParteivorstand der Sozialdemokraten der Kampagne nach DieBroschuumlre wurde nicht weiterverbreitet Ein Teil der SPD-Frak-tion im Bundestag stimmte der Grundgesetzaumlnderung zu undverhalf ihr damit zur Zweidrittelmehrheit

Die Kampagne hatte noch einen zweiten Effekt den der Prauml-sident des Bundesamtes fuumlr Verfassungsschutz Eckart Werthe-bach folgendermaszligen beschreibt raquoHier wurde ein Ackerbestellt auf dem der Rechtsextremismus seine fremdenfeindli-che Ernte noch auf geraume Zeit einfahren wirdlaquo (raquoDie Weltlaquo30 November 1993) Das ist offenkundig Die Propaganda fuumlrdie Aushebelung von Grund- und Menschenrechten ermun-terte Neonazis zur Gewalt Nach Angaben des Vorsitzendender Vereinigung raquoGegen Vergessen fuumlr Demokratielaquo HansJochen Vogel kamen innerhalb von gut zwei Jahren bis Herbst1993 durch 4761 rechtsextremistische Gewalttaten in Deutsch-land 26 Menschen ums Leben und 1783 wurden verletzt

wurden Anschlaumlge auf Asylbewerber-Wohnungen ver-uumlbt 209mal auf juumldische Einrichtungen 13mal wurden KZ-Gedenkstaumltten geschaumlndet (raquoDie Zeitlaquo 5 November 1993)

Den Kanzler der raquogeistig-moralischen Erneuerunglaquo kuumlm-merte das wenig Neonazi-Aufmaumlrsche wie in Rostock undFulda auch die Ermordung tuumlrkischer Frauen und Kinder inMoumllln und Solingen durch neonazistische Brandstifter tat er abals waumlren sie kaum der Erwaumlhnung wert Von den Orten derUntaten hielt er sich fern und er vermied es auch an den Trau-erfeiern teilzunehmen was er durch seinen Regierungsspre-cher damit begruumlnden lieszlig daszlig er raquoBeileidstourismuslaquo ab-lehne (Bei Trauerfeiern fuumlr ermordete Industriemanager hatteer nie gefehlt auch nicht bei der Trauerfeier fuumlr einen in Kam-bodscha ermordeten Bundeswehr-Feldwebel und der patheti-sche Staatsakt zu dem er den damaligen US-PraumlsidentenRonald Reagan vor den Graumlbern von SS-Maumlnnern auf demFriedhof von Bitburg noumltigte erregte Aufsehen in aller Welt)

Systematisch bemuumlhte sich die Bundesregierung denRechtsextremismus herunterzuspielen So verbreitete das Bun-desinnenministerium eine Studie unter dem Titel raquoHat Rechts-extremismus in Deutschland eine Chancelaquo Sie kam zu demErgebnis raquodaszlig Rechtsextremismus in Deutschland bedeutungs-los istlaquo Seine Bedeutung so hieszlig es dort raquoscheint nur in denVorstellungen seiner Gegner zu liegenlaquo Das raquorechtsextremisti-sche Schreckbildlaquo diene den Antifaschisten als Mittel zurDestabilisierung der Demokratie erfuhr man aus der BonnerPublikation Zu einem Zeitpunkt als die Blutspur des braunenTerrors gegen Fluumlchtlinge aber auch gegen Behinderte undandere Minderheiten laumlngst nicht mehr zu uumlbersehen war sug-gerierte die Studie (Verfasser Prof Dr H H Knuumltter) derRechtsextremismus sei kaum mehr als eine bloszlige Behauptungder Antifaschisten die eigentliche Gefahr liege im Antifaschis-mus Aumlhnlich leugnete Generalbundesanwalt Alexander vonStahl (FDP) bevor er uumlber einen Wust von Widerspruumlchen beider Verfolgung mutmaszliglicher RAF-Terroristen stolperte be-harrlich jeden organisierten Terror von rechts und unterlieszligdeswegen auch dessen Bekaumlmpfung obwohl in Neonazi-Grup-pen laumlngst steckbriefartige Dossiers uumlber GewerkschafterGruumlne Jungsozialisten und andere Antifaschisten kursierten

Den Kanzler selbst der seinen Aufstieg den einstigen NazisDr Ries Dr Schleyer und Dr Taubert verdankt interessiertdie Bedrohung von rechts uumlberhaupt nicht Vor Herausforde-rungen sich ernsthaft mit der Nazi-Vergangenheit auseinan-derzusetzen schuumltzt er sich mit der raquoGnade der spaumltenGeburtlaquo Den Opfern des von seinen Mentoren mitbetriebe-nen staatlichen Terrors versagt er ehrendes und mahnendesGedenken indem er sie wie bei der Neugestaltung der raquoAltenWachelaquo unter den Linden in Berlin - einfach unter die raquoOpfervon Krieg und Gewaltherrschaftlaquo subsumiert Zu solchemGedenken koumlnnen dann auch die Traditionsverbaumlnde von SSund Ritterkreuz-Orden aufmarschieren

Zu den raquoRepublikanernlaquo des ehemaligen Waffen-SS-Man-nes Franz Schoumlnhuber zur Deutschen Volks-Union (DVU) desschwerreichen Muumlnchener Verlegers (raquoDeutsche National-Zei-tunglaquo) und Immobilienspekulanten Dr Gerhard Frey und zu

anderen Rechtsauszligen-Gruppen haben CDU und CSU mancheuntergruumlndigen Beziehungen Gelegentlich deckt Frey sie nachdem Tode von Verbindungsmaumlnnern auf denen er dann stolzeNachrufe widmet wie dem einstigen bayerischen Kultusmini-ster und Verfassungsrechtslehrer Prof Dr Theodor Maunz(CSU) oder dem ehemaligen Geheimdienst-Chef ReinhardGehlen In eigens gegruumlndeten Akademien Foren oder in Zeit-schriften wie raquoMutlaquo kommunizieren CDUCSU-Rechte undUltrarechte miteinander Wer mit wem gemeinsame Sachemacht und gegen wen ist da laumlngst keine Frage mehr MichaelGlos Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Bonn sagt es soraquoDie linksradikale PDS und die Gruumlnen sind eine groumlszligereGefahr fuumlr unser Land als die Republikaner und die RechtenlaquoEin Neonazi-Fuumlhrer wie der Hamburger Christian Worchmacht sich solche Ermunterungen sofort zunutze und leistetseinerseits Unterstuumltzung In einem Aufruf fuumlr den saumlchsischenJustizminister Steffen Heitmann (CDU) den Kohl fuumlr das Amtdes Bundespraumlsidenten nominiert hatte schrieb Worch raquoWerwill uns wegen unserer strikten Einstellung zum Auslaumlnder-und vor allem Asylantenproblem noch alsund gtextremistische Minderheitlt disqualifizieren wenn zumin-dest Ansaumltze unserer Vorstellungen selbst vom ersten Mann imStaate oumlffentlich verbreitet werdenlaquo

Wenn CDUCSU-Politiker den raquostarken Staatlaquo propagierenalso den Abbau von Buumlrgerrechten (zum Beispiel durch die Er-maumlchtigung des Staates zur Verwanzung von Privatraumlumen dienicht dadurch harmloser wird daszlig ihr jetzt auch Sozialdemo-kraten zustimmen) und wenn der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende im Bundestag Wolfgang Schaumluble vor Weihnachten1993 sogar vorschlaumlgt bei einer raquogroumlszligeren Sicherheitsbedro-hung im Innernlaquo die Bundeswehr einzusetzen (es gehe darumdurch eine entsprechende Grundgesetzaumlnderung raquodas Hauswetterfest zu machenlaquo erlaumluterte Schaumluble) wenn schlieszliglichder Kanzler und sein jetziger Bundesverteidigungsminister Vol-ker Ruumlhe immer offener fuumlr die Beteiligung deutscher Truppenan Militaumlraktionen eintreten die mit dem Verfassungsauftragder Bundeswehr zur Landesverteidigung nichts zu tun habendann ist das alles ganz im Sinne der Ultrarechten

Fruumlhere Bonner Bekenntnisse zur Friedensstaatlichkeit sindimmer leiser geworden Das Ruumlstungsgeschaumlft hat sich unterder Kanzlerschaft von Helmut Kohl kraumlftig weiterentwickeltund ist auch nach dem Ende der Sowjetunion und des War-schauer Paktes die bis dahin als einzige Bedrohung der Bun-desrepublik und als alleinige regierungsamtliche Begruumlndungfuumlr Bundeswehr und Ruumlstungsausgaben gegolten hatten nichtzum Erliegen gekommen Daimler-Benz gehoumlrt zwar nichtmehr zum Flick-Konzern aber auch jetzt unter der Regie derDeutschen Bank dringt dieses Unternehmen weiterhin aufBonner Milliarden fuumlr Projekte wie den raquoJaumlger 90laquo inzwischenumbenannt in raquoEurofighter 2000laquo Deutsche Waffen im Wertevon mehreren Milliarden Mark werden seit Jahren zum Bei-spiel an die Tuumlrkei und an Indonesien geliefert wo das Militaumlrsie zur blutigen Unterdruumlckung und Ausrottung nationalerMinderheiten verwendet

Laut UN-Waffenregister geht weltweit der Waffenhandelseit einigen Jahren zuruumlck die deutschen Waffenexporte dage-gen nehmen zu In dieser Branche ist Deutschland an diezweite Stelle nach den USA aufgeruumlckt Beim Export von Waf-fensystemen zur Landkriegfuumlhrung (groszligkalibrige ArtilleriePanzer und gepanzerte Kampffahrzeuge) fuumlhrt Deutschland inStuumlckzahlen etwa ebenso viel aus wie Ruszligland FrankreichGroszligbritannien und China zusammengenommen Bei Rake-ten und Raketenwerfern nimmt es bereits die Spitzenstellungein

Mit 18 Milliarden Mark beteiligte sich die auf sozialem Ge-biet so sparsame Bundesregierung am Golf-Krieg mit demder zeitweilige US-Praumlsident George Bush eine raquoneue Weltord-nunglaquo herbeifuumlhren wollte Sie aumluszligerte bei dieser Gelegenheitihr Bedauern daruumlber daszlig das Grundgesetz sie hindere sichauch mit Bundeswehreinheiten zu beteiligen Diese Bedenkenwurden dann bald aufgegeben Inzwischen setzte die Bundes-regierung wiederholt deutsche Militaumlrverbaumlnde auszligerhalb desNATO-Gebietes ein wobei sie sich immer weiter vom grund-gesetzlichen Auftrag der Bundeswehr entfernte Die Expedi-tion von 1500 Bundeswehrsoldaten nach Somalia hatte mitLandesverteidigung nicht das geringste zu tun Zweck war

angeblich die Versorgung indischer UN-Truppen die jedochnie in Somalia auftauchten Einige Wochen vor der Expeditionhatte Minister Ruumlhe noch versichert vor einem solchen Bun-deswehreinsatz werde selbstverstaumlndlich die Zustimmung desBundestages eingeholt Aber dann wartete die Bundesregie-rung ab bis der Bundestag in die Weihnachtsferien 1992193gegangen war Das Parlament erhielt keine Gelegenheit uumlberdiesen ersten Auslandseinsatz einer geschlossenen Einheit seitGruumlndung der Bundeswehr auch nur zu diskutieren Nicht ein-mal der Auswaumlrtige Ausschuszlig wurde unterrichtet Die Kostendes Einsatzes summierten sich innerhalb eines Jahres auf rund300 Millionen Mark wofuumlr wie die Stellvertretende SPD-Vor-sitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul vorrechnete in Deutsch-land jeden Tag eine Kindertagesstaumltte haumltte gebaut werdenkoumlnnen

Bei den europaumlischen Nachbarn und langjaumlhrigen Verbuumlnde-ten der Bundesrepublik waumlchst unuumlberhoumlrbar das Miszligtrauengegenuumlber dem von Kohl regierten Deutschland das sich ehr-geizig reckt um neben den USA zweiter oder gar erster Weltpo-lizist zu werden Wenn der griechische Vize-AuszligenministerTheodoros Pangalos 1994 Vorsitzender des Ministerrats derEuropaumlischen Union Deutschland raquoeinen Riesen mit bestiali-scher Kraft und dem Hirn eines Kindeslaquo nennt dann ist dasnicht als Beleidigung des deutschen Volkes gemeint wohl aberals Charakterisierung der gegenwaumlrtigen Bonner Politik We-sentlichen Anlaszlig zu solchem Miszligtrauen gab das Vorpreschender Bundesregierung bei der Anerkennung Sloweniens undKroatiens als eigenstaumlndige Staaten womit Jugoslawien zer-schlagen und ein furchtbarer Konflikt zwischen den vermischtlebenden Voumllkern angefacht wurde Waffenschmieden wie dieGewehrfabrik Heckler Koch in Oberndorf am Neckar profi-tieren jetzt direkt oder indirekt von dem Krieg aller gegenalle im ehemaligen Jugoslawien

Griechenland muszligte als besondere Provokation die Aner-kennung des eigenstaumlndigen Staates raquoMazedonienlaquo verstehendenn die Masse der Mazedonier wohnt in Griechenland

Auf auslaumlndische Aumluszligerungen des Miszligtrauens pflegt Kohlpatzig mit der Bemerkung zu reagieren daszlig sich dahinter

raquoNeidlaquo verberge Und wenn er an den von Deutschland begon-nenen Zweiten Weltkrieg erinnert wird verbittet er sich jedenVergleich mit dem heutigen von ihm regierten DeutschlandAber niemand anderes als die Bundesregierung ist dafuumlrverant-wortlich daszlig in der Bundeswehr Nazi-Traditionen wachgehal-ten werden daszlig zum Beispiel die raquoDietl-Kasernelaquo in Fuumlssennach jenem Generaloberst benannt ist von dem Hitler sagteraquoDietl hat den Typ des nationalsozialistischen Offiziers geschaf-fen eines Offiziers der nicht weichlich ist im Verlangen undFordern nicht schwaumlchlich im Einsatz der Menschen sondernder genau weiszlig daszlig fuumlr diesen Kampf kein Opfer zu groszlig oderzu teuer istlaquo

Weil nach dem Ende der Sowjetunion und des WarschauerPaktes von einer militaumlrischen Bedrohung des deutschen Terri-toriums keine Rede mehr sein konnte entstand im Januar 1992ein Positionspapier des Bundesverteidigungsministeriumsunter dem Titel und militaumlrstrategischeGrundlagen und konzeptionelle Grundrichtung der Neugestal-tung der Bundeswehrlaquo Darin ist zu lesen raquounter Zugrundele-gung eines weiten Sicherheitsbegriffslaquo koumlnnten raquodie Sicher-heitsinteressen fuumlr den Zweck dieser militaumlrpolitischen Lagebe-urteilunglaquo unter anderem wie folgt definiert werden raquoAuf-rechterhaltung des freien Welthandels und des Zuganges zustrategischen Rohstoffenlaquo Von derartigen Aufgaben der Bun-deswehr steht im Grundgesetz kein Wort

Mit dem Streben nach einer Weltpolizisten-Rolle verbindetsich auch der dringende Wunsch nach einem staumlndigen Sitz imSicherheitsrat der Vereinten Nationen Bei Gruumlndung der UN1945 hatten deren Mitglieder den fuumlnf Hauptsiegermaumlchten desZweiten Weltkrieges das Privileg zugesprochen staumlndig imSicherheitsrat vertreten zu sein dessen zehn andere Mitgliederwechselweise gewaumlhlt werden Damit wurde vor allem die Ver-antwortung dieser fuumlnf Staaten anerkannt eine stabile Nach-kriegsordnung zu schaffen und ein Wiederaufleben des deut-schen Militarismus zu verhindern Es mag jetzt Gruumlnde gebendieses Privileg abzuschaffen Das koumlnnte der Demokratisie-rung der Vereinten Nationen dienen Den gegenteiligen Effektaber haumltte es wenn wie Dr Kohl wuumlnscht der UN-Sicherheits-

rat zu einer Art Weltregierung der wirtschaftlich Maumlchtigstengemacht wuumlrde

Laumlngst ist Deutschland Exportweltmeister Je Beschaumlftigtenist die Exportleistung dreimal so hoch wie in den USA oder inJapan Doch das genuumlgt Kohl und seinen Hintermaumlnnern nochnicht Darum bestehen sie darauf daszlig die Sozialpolitik demangeblichen Erfordernis Deutschlands Position in der Welt-wirtschaft zu staumlrken untergeordnet werden muumlsse

Was hilft es der eingangs erwaumlhnten arbeitslos gewordenenalleinerziehenden Mutter Katrin Krause in Halle an der Saaleund ihrem Kind wenn sich die Regierung des Dr Helmut Kohlimstande zeigt trotz gegenteiliger Verfassungsgebote ein Bun-deswehr-Bataillon in Ostafrika zu stationieren Was wuumlrde esdem unter Druck groszliger Konzerne geratenen mittelstaumlndi-schen Unternehmen in Limburg an der Lahn wo Katrin Krau-ses Vetter Norbert um seinen Arbeitsplatz zu fuumlrchten beginntnuumltzen wenn es Kohl und seinem Auszligenminister dem fruumlhe-ren Geheimdienstchef Klaus Kinkel (FDP) gelaumlnge einenstaumlndigen Sitz im UN-Weltsicherheitsrat zu erlangen

Die unsoziale Auspowerung der eigenen Bevoumllkerungangeblich notwendig zur raquoStandortsicherunglaquo kann fruumlheroder spaumlter genau das Gegenteil bewirken Die Wirtschaft kannmit den Mitteln die sie staumlrken sollen ruiniert werden DieUntauglichkeit der von Kohl Lambsdorff Rexrodt Waigel undBluumlm angewendeten Mittel ist in den USA durch Reagan undBush und in Groszligbritannien durch den Thatcherismus laumlngsterwiesen

Wenn immer mehr Menschen arbeitslos sind weil sie fuumlr dieWarenproduktion nicht mehr gebraucht werden wenn zu-gleich Loumlhne und Gehaumllter stagnieren oder real sinken wennSozialabgaben wachsen und Leistungen gekuumlrzt werden dannsinken zwangslaumlufig Kaufkraft und Absatz Wenn zugleich diearmen Laumlnder der Erde auf Grund ungerechter von den rei-chen Laumlndern diktierter Handelsbeziehungen noch aumlrmer wer-den fallen sie als Absatzmaumlrkte aus Die Industrie stoumlszligt da-durch an Expansionsgrenzen Der Konkurrenzkampf wird haumlr-ter Hauptwaffe in diesem Kampf ist die weitere Absenkung der

Kosten sprich Personalabbau Laumlszligt sich so auf die Dauer diedeutsche Wirtschaft staumlrken

Kohl Waigel Rexrodt beklagen in Deutschland werde zuwenig in Forschung Entwicklung und Berufsbildung inve-stiert Aber sie selbst streichen den Forschungshaushalt zusam-men Solche Widerspruumlche mehren sich und werden zu einerakuten Gefahr fuumlr die wirtschaftliche Entwicklung

Jahrelang versprach der Kanzler den Deutschen die Ge-winne von heute seien die Investitionen von morgen und dieArbeitsplaumltze von uumlbermorgen Seine Politik erlaubte den Un-ternehmen wor allem den groszligen Konzernen gewaltige Ge-winnsteigerungen aber von den Gewinnen wurde nur weniginvestiert und die Investitionen dienten hauptsaumlchlich zurWegrationalisierung von Beschaumlftigten Arbeitsplaumltze wurdenso nicht geschaffen sondern vernichtet Und wenn die Massen-kaufkraft weiter sinkt wenn also noch weniger Waren abgesetztwerden koumlnnen als bisher dann werden noch viel mehr Men-schen arbeitslos werden

Das ist es was wir bei einer Fortsetzung der Politik des DrHelmut Kohl zu erwarten haben Und sein WirtschaftsministerRexrodt qualifiziert durch seine Treuhand-Erfahrungen imPlattmachen hat nun tatsaumlchlich eine Idee wie er Arbeitslosig-keit bekaumlmpfen will durch staumlrkere steuerliche Entlastung rei-cher Leute die Dienstmaumldchen einstellen

Was wir zu erwarten haben ist weitere Privatisierung nachdem Programm von Birgit Breuel trotz solcher niederschmet-ternder Erfahrungen wie mit dem raquoGruumlnen Punktlaquo der allePrinzipien des Umweltschutzes verhoumlhnt und die Verbraucherzusaumltzlich belastet Allerletzte Koalitionsabsicht Anfang 1994Privatisierung von Arbeitsaumlmtern

Die Folgen der bisherigen Umverteilung von unten nachoben sind schon schlimm genug als daszlig diese Politik fortge-fuumlhrt werden duumlrfte Nach zwoumllf Jahren Kohl-Regierung ist esin Deutschland dahin gekommen daszlig Hospitaumller Patientenmit schweren Krankheiten ablehnen weil die Behandlung zuteuer waumlre Und dahin daszlig in den Staumldten die Mieten fuumlr Neu-bauwohnungen das heiszligt fuumlr nach 1948 gebaute WohnungenJahr fuumlr Jahr um rund zehn Prozent steigen waumlhrend die Netto-

Einkommen stagnieren oder sinken Und dahin daszlig immermehr Menschen um uumlberhaupt arbeiten zu koumlnnen gering-fuumlgige Beschaumlftigungsverhaumlltnisse ohne Sozialversicherungs-schutz annehmen (was auch die Einnahmen von Krankenkas-sen und Rentenversicherungen mindert)

raquoFuumlr den weiteren Verlauf der neunziger Jahrelaquo heiszligt es imArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB sei raquodavon auszugehen daszlig sich durch die anhaltendeMassenarbeitslosigkeit und die fehlenden beziehungsweiseauslaufenden Mindestsicherungselemente in der Sozialversi-cherung das Problem der arbeitsmarktbedingten Armut imSinne von Sozialhilfebeduumlrftigkeit zu einem sozialpolitischenProblem ersten Ranges entwickeln wirdlaquo

Aber dieser Fortgang der Geschichte ist nicht zwangslaumlufigIhm muszlig Einhalt geboten werden Und das muumlssen wir selbertun

Selbst im schicken Muumlnchen lebten Ende 1993 bereits140 000 Menschen in Armut 50 000 waren arbeitslos 60 000Familien uumlberschuldet 12 000 hatten keine Bleibe 1200 lebtenauf der Straszlige Angesichts solcher Zustaumlnde machte ein erfah-rener Kommunalpolitiker der fruumlhere Muumlnchener Oberbuumlrger-meister Georg Kronawitter (SPD) folgenden Vorschlag Wennsich der Staat endlich entschlieszlige Einkommen aus Arbeit undaus Vermoumlgen gleichwertig zu besteuern koumlnne er von denSuperreichen mit einer 15prozentigen Sondersteuerjaumlhrlich 60Milliarden Mark holen in zehn Jahren also 600 MilliardenMark Das sei ihnen durchaus zuzumuten erklaumlrte Kronawit-ter denn seit 1970 habe sich das Privatvermoumlgen der Westdeut-schen auf 9492 Milliarden Mark versechsfacht Die Haumllftedavon gehoumlre den oberen zehn Prozent der Haushalte Kleineund mittlere Vermoumlgen beispielsweise derjenigen die sich einHaumluschen vom Mund abgespart oder geerbt haben koumlnntenund muumlszligten von der Sondersteuer freigestellt bleiben (raquoDerSpiegellaquo 22 November 1993)

Dieservorschlag bedeutet Umverteilung andersherum vonoben nach unten Darauf kommt es jetzt an Von Kohl und sei-ner Koalition koumlnnen wir eine solche Abkehr von ihrer bisheri-gen Politik nicht erwarten Was wir von anderen Parteien zu

erwarten haben sollten wir deren Kandidaten eingehend fra-gen Und wir sollten sie ebenfalls an ihrem bisherigen Verhal-ten messen

Am Wahltag ist dreierlei noumltig um die Mehrheitsverhaumlltnissein Deutschland zu aumlndern damit Helmut Kohl seine verhaumlng-nisvolle Politik nicht fortsetzen kann

1 Keine Stimme darf dadurch verloren gehen daszlig Wahlbe-rechtigte der Wahl fernbleiben Wer Politik zu raquodooflaquo oder zuraquoschmutziglaquo findet soll wissen daszlig sie erst wirklich aumlrgerlichund schmutzig wird wenn sich die Verantwortlichen nichtselbst darum kuumlmmern Verantwortlich aber ist jeder und jedeWahlberechtigte Das gilt besonders fuumlr die Jungwaumlhler umderen eigene Zukunft es geht

2 Keine Stimme darf einer Partei gegeben werden die nichteindeutig klargestellt hat daszlig sie gegen Kohl und dessen Poli-tik angetreten ist und keinesfalls mit der CDUCSU ein Regie-rungsbuumlndnis eingehen wird

3 Den Rechtsauszligen-Parteien darf es nicht gelingen in denBundestag einzuziehen Wie einst am Ende der WeimarerRepublik wuumlrden sie sich als Trumpf in der Hinterhand desGroszligen Geldes erweisen

Aber die Bundesbuumlrgerinnen und -buumlrger haben noch mehrMoumlglichkeiten als am Wahltag ihre Stimme abzugeben AlsDemokraten koumlnnen und muumlssen sie zum Beispiel den Mundaufmachen wenn in ihrer Gegenwart soziale menschenverach-tende Parolen aufkommen Das heiszligt Zivilcourage beweisenAuszligerdem hat jede und jeder von uns die Moumlglichkeit imBekanntenkreis Informationen weiterzugeben was um sonoumltiger ist wenn aufwendige Propaganda zu vernebeln ver-sucht was der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes bisher ange-richtet hat Nicht zuletzt gilt es in Mieter- und Verbraucherver-baumlnden in Umwelt- und Friedensinitiativen und vor allem inden Gewerkschaften demokratischen Widerstand gegen ruumlck-sichtslose Ausbeutung und Entrechtung zu leisten

Solche Moumlglichkeiten gibt es nicht nur einmal alle vier Jahresondern jeden Tag

B E RNT E NGE L MANN

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Ein deutsches GeschichtsbuchErster Teil

464 Seiten stb 24 NeuausgabeDM

Wir Untertanen ist Engelmanns kritischezutiefst demokratische Darstellung einesJahrtausends deutscher VergangenheitEngelmann schreibt Geschichte vonunten steht auf der Seite des Volkesnimmt dessen Perspektive ein wenn esum die groszligen Maumlnner und ihre ver-meintlich groszligen Taten geht die immermit dem Schweiszlig und dem Blut der

Namenlosen errungen wurden

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Ein deutsches GeschichtsbuchZweiter Teil

336 Seiten stb 57 NeuausgabeDM 1880

In diesem Buch behandelt Bernt Engel-mann die Jahre zwischen 1918 und 1938

in denen mehr Legenden und Luumlgenverbreitet wurden als je zuvor in einemvergleichbaren Zeitraum raquoim Feldeunbesiegtlaquo raquoKriegsschuldluumlgelaquo raquoSchand-

von Versailleslaquo raquoJudenrepubliklaquoraquoVolk ohne Raumlaquo Engelmann ver-gleicht die Legenden mit dem wasdamals wirklich geschah und entziehtdamit auch den neuen Rechten denBoden fuumlr ihre altbekannten Helden-

denkmaler

Steidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

DO R OT HE E B E C KHARTMUT ME I NE

Eacute iquestshy shy raquoregdeg regraquofrac14middotsup1 raquoreg laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoreg

Wie Reichtum vertuschtund Armut verdrangt wird

240 Seiten gebunden DM 3400

Die Zahl der Arbeitslosen Sozialhilfe-empfaumlnger und Obdachlosen steigtGleichzeitig gibt es immer mehr Reicheund Superreiche In Krisenzeiten mah-nen die politischen und wirtschaftlichenEliten Kuumlrzungen zuallererst bei denkleinen Leuten an Politiker mit fuumlrst-licher Altersversorgung predigen dieAbsenkung des Rentenniveaus gutge-hende Unternehmen Lohnsenkung undArbeitsplatzabbau alte und neue Reichedie Abschaffung der VermoumlgenssteuerDorothee Beck und Hartmut Meine nen-nen Namen und Zahlen Wer sind diefuumlnfzig reichsten Familien in Deutsch-land Was koumlnnen sich Arbeitslose undSozialhilfeempfaumlnger heute noch lei-sten Und sie stellen sich die Frage wieeine Reformperspektive aussehen kanndie wieder mehr Verteilungsgerechtig-keit und sozialen Ausgleich zum Ziel hat

Steidl Verlag Duumlstere Str 4 37073 Goumlttingen

Page 7: Bernt Engelmann,

gezielt betriebenen Umverteilung ist die Masse des Geldesendguumlltig wieder bei denen gelandet die schon immer den laut-staumlrksten Anspruch darauf erhoben haben

Bernt Engelmann war stets ein kritischer Begleiter seinerZeit gepraumlgt von historischem Bewuszligtsein Vor allem durchseinen an deutscher Geschichte geschulten Blick hat er stetsaufs Neue das Leben der Leute unten beschrieben und sich sozum Sprachrohr und Anwalt jener gemacht die nicht gelernthaben sich auszudruumlcken und fuumlr ihre Rechte zu kaumlmpfenEngelmann hat durch seine Recherche sehr fruumlh erkannt daszligdas Prinzip der Regierung Kohl auf die Verarmung des Staateshinauslaumluft mit all den Folgen die wir jetzt landauf landabbeklagen Wenn sich inzwischen Vorstaumlnde von Konzernen aufAktionaumlrsversammlungen oumlffentlich bruumlsten trotz hoher Ge-winne in Deutschland keine Steuern mehr zu zahlen ist energi-sche Gegenwehr an der Zeit soweit man unsere Demokratienoch als beste aller Staatsformen und verteidigungswertes Gutbetrachtet

Wenn sich allerdings das notwendige Vertrauen der Buumlrgerdessen jede Regierung bedarf inzwischen nur noch aus der Lei-besfuumllle des Kanzlers und seinem schon ans Wahnhafte gren-zenden Optimismus speist der eine Niederlage nach der ande-ren zu immer neuen Erfolgen umluumlgt ist es um die Politik inunserem Lande miserabel bestellt Und als habe er nicht selbstall die Jahre die Richtlinien der Politik am Standort Deutsch-land bestimmt mahnt er mit einem sich steigernden Brusttonder Empoumlrung die Beseitigung all jener Miszligstaumlnde an fuumlrderen Entstehung er selbst die Verantwortung traumlgt

Bernt Engelmann hat das Ende der Kohl-Zeit nicht mehrerlebt Wir sind verpflichtet diesen laumlhmenden Zustand inden unser Land dank einer unbarmherzigen Politik geraten istmoumlglichst bald zu beenden Kohl hat seine Zeit gehabt ZurAbwendung des Anschluszligkonkurses ist die Auswechslung desGeschaumlftsfuumlhrers zu einer Uumlberlebensfrage im raquoFreizeitparkDeutschlandlaquo geworden

Klaus Staeck

Bernt Engelmann hat die Arbeit am Schwarzbuch 1994 unmit-telbar vor seinem Tod beendet Der Verlag hat sich entschlos-sen das Buch 1998 vier Jahre spaumlter erneut aufzulegen weilKohl seirsquos geklagt der Text nichts an seiner bedruumlckendenAktualitaumlt eingebuumlszligt hat Im Gegenteil Was sich 1994 noch alsgewagte Prognose als provokanter Beitrag zur Bundestagswahlauffassen lieszlig sieht sich nun taumlglich in den Wirtschaftsteilender Zeitungen bestaumltigt So hatte es Engelmann nun auch nichtgemeint als er dem Buch den Untertitel Eacute middotraquo sup3 iquestsup2 raquomiddotsup2 raquosup2 Iacute notiquestiquestnotreglaquomiddotsup2 middotraquoregnot gab die CDUFDP-Koalition gleichwohl Denn dieUmverteilung von unten nach oben die Konservative undLiberale im letzten Wahlkampf zu ihrem Programm machtenhaben sie in der zuruumlckliegenden Legislaturperiode mit bestenKraumlften angepackt Wer heute sagt er habe es damals nichtgewuszligt habe es nicht wissen koumlnnen der lese EngelmannsIacute frac12 copyiquestregbrvbar frac34laquofrac12 -und vermag dann auch zu erahnen was die naumlch-sten vier Jahre bringen koumlnnen wenn sich das Wahlvolk erneutverkohlen laumlszligt

Die in diesem Buch angegebenen Zahlen sind nicht aktuali-siert worden mit Ausnahme der Liste der reichsten Deut-schen die auf einer Zusammenstellung von Dorothee Beckund Hartmut Meine beruht veroumlffentlicht in dem Band

laquosup2 frac14 Eacute raquomiddotsup2 notregmiddotsup2 microraquoregocirc der im Herbst 1997 im Steidl Verlagerschienen ist Dort findet sich das derzeit aktuellste undumfangreichste Zahlenmaterial zur Verteilung des Reichtumsin der Bundesrepublik

Die Deutschen gelten als reich reicher als ihre Nachbarn vondenen allenfalls die Schweizer sich mit ihnen messen koumlnnenund erst recht im internationalen Vergleich Wie enorm derWohlstand in den alten und neuen Laumlndern ist (oder zu seinscheint) zeigt die amtliche Statistik

Das Geldvermoumlgen der privaten Haushalte (ohne derenHaus- und Grundbesitz Wertsachen und sonstige Vermoumlgens-werte) erbrachte ihnen 1992 etwas mehr als 200 Milliarden DMan Zinsen und Dividenden Das sind grob gerechnet 2500DM jaumlhrliche Einnahmen aus angelegtem Geldvermoumlgen fuumlrjede und jeden im vereinten Deutschland ob Saumlugling oderGreis Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt Ehepaarmit zwei Kindern -hat also laut Statistik zusaumltzliche Jahresein-kuumlnfte von 10000 DM (und im Hintergrund eine angelegteGeldreserve von 180000 bis 200000 DM die diese Zinsenerbringt) ein schoumlnes Zubrot beispielsweise fuumlr einen jun-gen Familienvater der als Beamter mit 1850 DM netto imMonat die Wohnungsmiete in einer Groszligstadt aufbringen undalle Ausgaben der vierkoumlpfigen Familie bestreiten muszlig

Nun wissen wir allerdings daszlig solch ein dem statistischenDurchschnitt genau entsprechender Fall in der Praxis nur ganzselten vorkommt Die allermeisten Arbeitnehmerfamilienhaben naumlmlich keine sechsstelligen Geldreserven und wennbei ihnen von Zinsen die Rede ist so handelt es sich in derRegel um solche die sie fuumlr aufgenommene Kleinkredite undDarlehen seufzend zu zahlen haben

Die Statistik luumlgt dennoch nicht sie wirft nur Arm und Reichin einen Topf Schon ein einziger Bewohner eines Mietshausesvielleicht dessen Eigentuumlmer der uumlber zwei Millionen DMGeldvermoumlgen verfuumlgt schafft im Verein mit den uumlbrigenHausbewohnern einem Dutzend Familien von Habenichtsen

jenen truumlgerischen statistischen Durchschnitt der uns einenallgemeinen Wohlstand vorgaukelt

Wenn wir uns daruumlber im Klaren sind kann uns auch ein wei-teres statistisches Ergebnis nicht mehr taumluschen naumlmlich daszligsich die Ertraumlge der privaten Geldvermoumlgen der Deutschen imLaufe des letzten Jahrzehnts nahezu verdreifacht haben Diesefuumlr uns scheinbar so erfreuliche Tatsache sagt uumlber die Vertei-lung des so stark vermehrten Wohlstands gar nichts aus Siekann beispielsweise bedeuten daszlig nur die ohnehin sehr Wohl-habenden noch um vieles reicher geworden sind die groszligeMehrheit der Unbemittelten aber unveraumlndert arm gebliebenund noch um einige soziale Absteiger vermehrt worden ist Ge-nau dieser Fall ist wie wir noch sehen werden tatsaumlchlich ein-getreten Profitiert von dieser Entwicklung haben im wesentli-chen nur die Herren des Groszligen Geldes

Was ist das eigentlich das raquoGroszlige GeldlaquoDie allermeisten Deutschen gleich ob in Ost oder West

haben davon keine oder nur eine ganz blasse Ahnung JedesMultimillionenvermoumlgen gilt ihnen schon als raquoGroszliges GeldlaquoUnd wenn sie selbst einmal im Lotto gewinnen sollten sagenwir knapp sechs Millionen DM steuerfrei - dann ist das nachMeinung der Freunde und Nachbarn und wohl auch nach ihrereigenen Einschaumltzung bereits das Groszlige Geld

Stellen wir uns nun einmal vor der oder die Gluumlckliche laumlszligtsich den ganzen Lottogewinn bar auszahlen dicke Packen vondruckfrischen Tausendern dazu noch etliche Buumlndel von200- und 100-DM-Scheinen saumluberlich aufgestapelt wobei einMeter Houmlhe jeweils genau einer Million DM entspricht derLottogewinn von knapp sechs Millionen Mark als Banknoten-stapel also vom Fuszligboden bis fast zur Decke der sechs Meterhohen Schalterhalle reicht

Doch so eindrucksvoll der Anblick dieses hohen Stapels auchsein mag als das raquoGroszlige Geldlaquo kann der Banknoten-Turm nochlaumlngst nicht gelten Unsere wirklichen Superreichen koumlnntensolche Vorstellung nur mitleidig belaumlcheln die Dimension die-ses scheinbaren Reichtums waumlre ihnen gar zu winzig

Als das amerikanische laumlngst auch hierzulande in deut-scher Sprache erscheinende Wirtschaftsmagazin raquoForbeslaquo im

Sommer 1990 die 400 reichsten deutschen Unternehmer vor-stellte da gab sich das Blatt mit gewoumlhnlichen Multimillionauml-ren gar nicht erst ab raquoForbeslaquo begann seine Aufzaumlhlung erst imraquoMultimegalaquo-Bereich also bei den mehr als hundertfachenDM-Millionaumlren

Die Summe der Vermoumlgen aller 400 Personen oder Familiendie raquoForbeslaquo vorstellte belief sich damals im Sommer 1990auf rund 200 Milliarden DM das Doppelte dessen was dieRegierung Kohl an Staatsanleihe aufzunehmen gedachte undfuumlr ausreichend hielt die ruinierte Wirtschaft der gerade verein-nahmten DDR zu sanieren und wieder in Schwung zu brin-gen Anders ausgedruumlckt Schon die Haumllfte des Vermoumlgensder 400 reichsten Westdeutschen haumltte nach offizieller Mei-nung gereicht fuumlr uumlber 16 Millionen raquoBruumlder und Schwesterndruumlbenlaquo gesunde wirtschaftliche Verhaumlltnisse zu schaffen

400 Privatvermoumlgen von zusammen 200 Milliarden DMergeben einen durchschnittlichen Reichtum der von raquoForbes1990 vorgestellten westdeutschen raquoSpitzenklasselaquo von je 500Millionen DM Stapelte man diese Summe nach Art des Lotto-gewinns in Banknoten waumlre ein solcher Bargeldturm 500Meter hoch mehr als dreimal so hoch wie der Koumllner Dom

Indessen gab es schon vor vier Jahren als das Wirtschaftsma-gazin die Superreichen der BRD vorzustellen begann nichtwenige deutsche Multimilliardaumlre die ihr Geld houmlher haumlttenstapeln koumlnnen als die Zugspitze (2 963 Meter) houmlher noch alsdas Gipfelkreuz des Mont Blanc (4 810 Meter) ja die mit ihremgebuumlndelten Baren sogar den Mount Everest (8 848 Meter)uumlberragt haumltten Von solchen gewaltigen Houmlhen aus betrachtetsind die Banknotenstapel der Lottogewinner aber auch die derzehn- zwoumllf- oder auch 25fachen Multimillionaumlre eine mit blo-szligem Auge gar nicht mehr wahrnehmbare Bagatelle und damitsollte nun auch klar sein was Geldlaquo wirklich bedeutet

Uumlbrigens seit 1990 sind die Kassen von Bund Laumlndern undGemeinden immer leerer geworden eine Schuldenlast vonastronomischer Houmlhe zwingt die oumlffentlichen Haumlnde zu rigo-rosen Sparmaszlignahmen und der Konjunktureinbruch der zuverzeichnen war (und noch ist) hat fuumlr Millionen Deutscheerhebliche Einkommenseinbuszligen mit sich gebracht (wovon im

einzelnen noch ausfuumlhrlich die Rede sein wird) Der Super-reichtum indessen hat keineswegs gelitten im Gegenteil

Das Groszlige Geld in den Haumlnden einiger deutscher Multimil-liardaumlre hat sich seit 1990 weiter kraumlftig vermehrt Hier nur einBeispiel Deutschlands Reichster der der breiten Oumlffentlich-keit nahezu unbekannte Erivan Haub aus MuumllheimRuhr (Ten-gelmann Kaiserrsquos Plus KD und nicht zuletzt was hierzu-lande nur Preiswert zu bedeuten scheint jedochzugleich die konzerneigene groumlszligte Einzelhandelskette derUSA Atlantic kennzeichnet) wurde im Sommer1990 auf deutlich uumlber sechs Milliarden DM Vermoumlgen taxiertdrei Jahre spaumlter im Sommer 1993 aber bereits auf mehr alszehn Milliarden DM Und so wie bei Haub ist es auch bei denzwei Dutzend anderen Deutschen die 1993 in die raquoForbeslaquo-Liste der raquoHundert Reichsten der Weltlaquo aufgenommen wur-den Ihre gigantischen Vermoumlgen sind in den Rezessionsjahrennicht kleiner sondern noch betraumlchtlich groumlszliger geworden(Eine Liste dieser deutschen Multimilliardaumlre findet sich aufden folgenden Seiten)

Wollten wir die Vermoumlgen der in den internationalen Spit-zenreichtum aufgestiegenen Deutschen durch gewaltige Bar-geldstapel (1 Meter = 1 Million DM) anschaulich machen sohaumltten wir ein Hochgebirgspanorama vergleichbar mit demHimalaya wobei der niedrigste Gipfel 3 400 Meter hoch diedrei houmlchsten gar Zehntausender waumlren houmlher als der houmlchsteBerg unserer Erde

Nachdem wir mit Hilfe dieser in Wirklichkeit ja niemalsvorkommenden gigantischen Banknotentuumlrme eine unge-

vom Groszligen Geld bekommen haben kehrenwir zuruumlck auf den Boden der Tatsachen beispielsweise derBonner Politik Da stellt sich dann heraus daszlig die erdachtenBargeldstapel als Ausdruck der Macht des Groszligen Geldes garnicht so unrealistisch sind wie man meinen koumlnnte

Mitunter nehmen naumlmlich auch bundesdeutsche Superrei-che statt ihres Scheckbuchs Bargeldstapel vorzugsweise solchevon druckfrischen Tausendern stecken davon einige Buumlndel inneutrale Umschlaumlge und uumlberreichen diese dann dem einenoder anderen ihrer Bekannten als Geschenk

Curt Engelhornund Familie Mrd DM

Familie Quandt Beteiligungen Mrd DM

Theo undKarl Albrecht Einzelhandel Mrd DM

Familie Haniel

Familie Merck

Handel Mrd DM

ChemiePharma Mrd DM

Familie Henkel Chemie Mrd DM

Erivan Haubund Familie Einzelhandel Mrd DM

Otto Beisheim GroszlighandelBeteiligungen Mrd DM

Familie Boehringer ChemiePharma Mrd DM

Friedrich Karl Flick jr Beteiligungen Mrd DM

Michael Ottound Familie Versandhandel 765 Mrd DM

FamilieSchmidt-Kuthenbeck Groszlighandel Mrd DM

Rolf Gerling Versicherungen Mrd DM

Familie Schickedanz Versandhandel Mrd DM

Natuumlrlich geschieht dies nicht in aller Oumlffentlichkeit wo-moumlglich vor laufenden Fernsehkameras vielmehr sehr diskretund stets handelt es sich bei den von Superreichen mit solchenGeldgeschenken groszligzuumlgig Bedachten um einfluszligreiche Politi-ker die zwar sehr uumlppige regulaumlre Einkuumlnfte haben aber trotz-dem immer Geld brauchen weil sie kostspielige Wahlkaumlmpfezu fuumlhren haben und fuumlrchten muumlssen nicht wiedergewaumlhlt zuwerden wenn ihnen das Geld ausgeht

Von diesen unterstuumltzungsbeduumlrftigen Politikern erwartendie superreichen Spender der gebuumlndelten Tausendmarkschei-ne dann ihrerseits allerlei Gefaumllligkeiten und diese werdenihnen in aller Regel auch schon bald nach der Gelduumlbergabevon den dankbaren Politikern erwiesen

Indessen sind solche fuumlr die Spender belanglos winzigenfuumlr die Empfaumlnger sehr stattlichen und hochwillkommenenGeldgeschenke meist in Raten von 50000 bis 250000 DMund die im Gegenzug erwiesenen Gefaumllligkeiten beileibe nichtals kriminelle Vergehen etwa als aktive und passive Beste-chung im Sinne der Paragraphen 331 ff des Strafgesetzbuchesgedacht oder zu verstehen Dergleichen kommt nur in wenigerreichen und weniger maumlchtigen Kreisen mitunter vor und wirdwenn es ruchbar wird sehr streng bestraft

Ganz anders liegt der Fall bei uumlppigen Geldgeschenken vonSuperreichen an Mitglieder des Bundeskabinetts und Vorsit-zende von Koalitionsparteien

Erstens wuumlrden bundesdeutsche Multimillionaumlre niemalsgegen Gesetze und Vorschriften verstoszligen wollen Sie wuumln-schen sich vielmehr eine Anpassung der Gesetze und Ausfuumlh-rungsbestimmungen an ihre auf groszlige Gewinne gerichtetenPlaumlne Der eine will beispielsweise ein Gesetz das inlaumlndischeVerkaufserloumlse die er in den USA profitabel anlegen will vonetlichen hundert Millionen Mark Steuern befreit Der andereverlangt eine Lockerung von Umweltschutzbestimmungenwodurch ihm enorme Ausgaben fuumlr die Umruumlstung von Che-mie-werken und Papierfabriken erspart werden Ein Dritterwuumlnscht die Streichung einiger zwar gesundheitsschaumldlicheraber sehr gut verkaumluflicher Chemikalien von einer Verbotslisteund alle gemeinsam fordern die Aumlnderung eines Paragraphen

der bislang die Beschaumlftigten eines indirekt durch Streikgelaumlhmten Werks beguumlnstigt hat also lauter fuumlr Superreicheganz natuumlrliche Verlangen die ihren Interessen dienen undihren Profit steigern so daszlig es nur gilt die Gesetze und Vor-schriften den Beduumlrfnissen des Groszligen Geldes entsprechendabzuaumlndern damit alles ganz legal vor sich gehen kann

Zweitens aber sind die Zuwendungen die die Superreichenden an der Gesetzgebung maszliggeblich beteiligten Politikernmachen (oder machen lassen) so geringfuumlgig im Vergleich zuden enormen Vorteilen die sie sich damit verschaffen daszlig keinbundesdeutscher Staatsanwalt sie als strafrechtlich relevantansehen koumlnnte

Wenn beispielsweise ein Multimilliardaumlr wie Herr Flick zurErlangung von etlichen hundert Millionen Mark Steuererspar-nis nur lumpige zwei drei Millionen an diverse Spitzenpoli-tiker verteilt hat weniger als ein Prozent des Gewinns - sovermochte keiner der Beteiligten darin etwas Unrechtes zuerkennen raquoJede Sparkasse verschenkt doch Pfennigartikel wieKugelschreiber oder Wandkalender selbst an Kunden die nurein paar Mark an jaumlhrlichen Kontogebuumlhren einbringenlaquo mein-te einer der Flick-Bediensteten treuherzig

Doch mit der Erwaumlhnung einer der vielen Flick-Millionen-spenden sind wir schon mitten in der Praxis des Bonner Alltagsund koumlnnen die theoretischen Erwaumlgungen abschlieszligen Dennnun sollte jeder und jedem klar sein was Groszliges Geld ist undwelche Macht damit ausgeuumlbt wird

Gewiszlig laut Verfassung wird der die Richtlinien der Politikbestimmende Kanzler von der Bundestagsmehrheit gewaumlhltund uumlber deren Zusammensetzung entscheiden die Waumlhlerin-nen und Waumlhler in allgemeiner gleicher direkter und gehei-mer Wahl So bestimmt es das Grundgesetz in dessen Artikel20 Absatz 2 es folgerichtig heiszligt raquoAlle Staatsgewalt geht vomVolke auslaquo

Doch das war nicht immer so (wie das Kapitel raquoKurzerflug in die deutsche Geschichtelaquo es noch naumlher beschreibenwird) Hier soll es genuumlgen daran zu erinnern daszlig noch bis vorwenig mehr als 75 Jahren im groumlszligten Teil Deutschlands dassogenannte Dreiklassenwahlrecht galt bei dem es die Superrei-

chen weitaus bequemer hatten Es gab einigen wenigen Multi-millionaumlren ebenso viele Stimmen wie Zigtausenden von Nor-malverdienern und es entrechtete die Armen voumlllig ebensoalle Frauen und Jugendlichen Kurz die Superreichen brauch-ten keine Abgeordneten zu bestechen sondern bestimmtenselbst die Mehrheitsverhaumlltnisse

Dieser fuumlr das Groszlige Geld so angenehme Zustand endete1918 als das vom raquoEisernen Kanzlerlaquo Bismarck geschaffeneKaiserreich ruhmlos unterging

Indessen ging nur der Kaiser die Superreichen bliebenunter ihnen auch die Familie der Fuumlrsten Bismarck und dieHohenzollernprinzen als neu hinzugekommener Kriegsge-winnler des Ersten Weltkriegs auch Friedrich Flick Sie alle(oder ihre Erben) brachten ihre riesigen Vermoumlgen sicher durchdie Nachkriegswirren und die totale Geldentwertung die dendeutschen Mittelstand verarmen lieszlig und fanden neue Wegeder Machtausuumlbung zwecks weiterer Vermehrung ihres Reich-tums

Sie uumlberstanden die vierzehn Jahre der Weimarer Republikwurden in den folgenden zwoumllf Jahren der Nazi-Diktatur unddes Zweiten Weltkriegs noch um vieles reicher vor allemdurch Ruumlstungsauftraumlge Ausbeutung von Millionen Sklaven-arbeitern Pluumlnderung der eroberten Gebiete und raquoArisierunglaquojuumldischen Vermoumlgens und hatten auch nach der vollstaumlndigenNiederlage der groszligdeutschen Wehrmacht und dem Untergangder Hitler-Diktatur in den westlichen Besatzungszonen derspaumlteren Bundesrepublik keinen Grund zur Klage Das GroszligeGeld blieb unangetastet kam sicher durch die Krisenjahre derersten Nachkriegszeit wurde von der Waumlhrungsreform ver-schont und vermehrte sich dann geradezu explosionsartig alsdas raquoWirtschaftswunderlaquo einsetzte

Zwanzig Jahre lang wurde die Bundesrepublik im Zeichendes Kalten Krieges und der massiven Aufruumlstung von konserva-tiven Kanzlern regiert und zu einem Paradies der Superreichendie sich fuumlr Groszligverdiener maszliggeschneiderte Gesetze undSteuergeschenke noch und noch machen lieszligen und ihrerseitsden sie so gut bedienenden Politikern die Wahlkaumlmpfe finan-zierten

Ende der sechziger Jahre kam endlich ein Umschwung DieStudenten rebellierten gegen das konservative Establishmentgegen die von der Springer-Presse betriebene Volksverdum-mung gegen die zutiefst unmoralische undemokratische undunsoziale Herrschaft des Groszligen Geldes Mit Willy Brandtkam erstmals ein Kanzler ans Ruder der das Eis des KaltenKrieges zu brechen begann eine Friedenspolitik einleitete undein inneres Reformwerk in Gang setzte Seine ParoleDemokratie wagenlaquo fand groszligen Widerhall

Indessen sorgte der kleine Koalitionspartner des Bundes-kanzlers Willy Brandt (SPD) die FDP stets dafuumlr daszlig dieBaumlume nicht in den Himmel wuchsen sprich daszlig die Politikden Interessen des Groszligen Geldes nicht abtraumlglich war unddennoch betrieben damals rechtskonservative Kreise der Wirt-schaft bereits wenn auch zunaumlchst vergeblich den Sturz WillyBrandts indem sie Abgeordnete der Koalition mit betraumlchtli-chen Summen zum Abfall vom sozialliberalen Regierungslagerbewogen

Die damaligen Vorgaumlnge sind geradezu ein Musterbeispielfuumlr das direkte Einwirken des Groszligen Geldes auf die BonnerPolitik und deshalb seien sie zum besseren Verstaumlndnis dergegenwaumlrtigen Verhaumlltnisse im folgenden Kapitel kurz be-schrieben

Nichts zeigt deutlicher wie hohl Helmut Kohls staumlndig imMunde gefuumlhrte Phrase von der raquogeistig-moralischen Wendelaquoin Wahrheit ist als das Vorgehen seiner engsten Freunde undFoumlrderer (und sein eigenes Verhalten) im Fruumlhjahr 1972 alsschon die Weichen fuumlr den Aufstieg des raquoSchwarzen Riesenlaquoins Kanzleramt von den Repraumlsentanten des Groszligen Geldesgestellt wurden

In den spaumlten 1960er und fruumlhen siebziger Jahren war imWesten Deutschlands viel die Rede von raquomehr Mitbestim-munglaquo Genauer Alle Groszligunternehmen sollten nicht alleinvon den Kapitalgebern sondern im gleichen Umfang also pari-taumltisch auch von den Arbeitern und Angestellten in ihrergesamten Unternehmenspolitik bestimmt werden so wie esim Montanbereich bei Kohle und Stahl von der britischenBesatzungsmacht eingefuumlhrt worden war und sich glaumlnzendbewaumlhrt hatte

Allerdings waren den seit 1969 in Bonn regierenden Sozial-demokraten in dieser Frage die Haumlnde gebunden ihr Koaliti-onspartner die FDP hatte sich ausbedungen das ThemaraquoMitbestimmunglaquo fuumlr die Dauer des Regierungsbuumlndnissesraquoauszuklammernlaquo Um so intensiver nahmen sich die nun inder Opposition stehenden Christdemokraten der gewerkschaft-lichen Forderung an zumindest ihr damals starker raquolinkerlaquo Fluuml-gel unter Fuumlhrung von Norbert Bluumlm Gemeinsam mit demaufstrebenden Helmut Kohl damals schon Ministerpraumlsidentin Rheinland-Pfalz erarbeitete Bluumlm einen Mitbestimmungs-Entwurf fuumlr das CDU-Parteiprogramm der dann auf heftigenWiderstand der Herren des Groszligen Geldes stieszlig Der CSU-Schatzmeister und Mitgesellschafter des Flick-Konzerns DrWolfgang Pohle sah in dem BluumlmKohl-Entwurf bereits raquodieGrenzen zur Planwirtschaft gefaumlhrlich verwischtlaquo der dama-lige IIenkel-Konzernmanager Kurt Biedenkopf stieszlig ins selbeHorn und CDU-Rechtsauszligen Alfred Dregger sah schon denraquoKommunismus durch die Hintertuumlrlaquo in die Groszligunternehmendringen

Dennoch gab man dem BluumlmKohl-Entwurf reelle Chan-cen auf dem CDU-Parteitag vom Januar 1971 eine Mehrheit zuerhalten und ins Wahlprogramm der Union aufgenommen zu

werden zumal auch der damalige CDU-Vorsitzende RainerBarzel Mitbestimmungs-Sympathien zu hegen schien

Aber dann kam alles ganz anders Nachdem Kohl von einemFlick-Vertrauensmann dem Daimler-Personalchef Dr HannsMartin Schleyer aufgesucht und ins Gebet genommen wordenwar machte er sich daran ein raquoKompromiszlig-Papierlaquo zu entwer-fen Kohls neuer Entwurf sicherte dem Kapital die Herschaftraumlumte aber den Arbeitnehmern gewisse Mitwirkungsrechteein Es lohnt indessen nicht die Einzelheiten zu schildernDenn kaum war der urspruumlngliche BluumlmKohl-Entwurf aufdem Parteitag erwartungsgemaumlszlig gescheitert weil sich herum-gesprochen hatte daszlig Kohls allgemeine Zustim-mung linden wuumlrde da erwies es sich daszlig nicht einmal Hel-mut Kohl selbst fuumlr seinen eigenen Plan einzutreten bereit warEr empfahl statt dessen einen Entwurf der Industrie undstimmte fuumlr diesen

Damit hatte Helmut Kohl -vom Standpunkt der Herren desGroszligen Geldes gesehen seine Bewaumlhrungsprobe bestandenauch wenn er dann bei der Kandidatur fuumlr den CDU-Parteivor-sitz gegen Rainer Barzel ein letztes Mal unterlag Der erbosteNorbert Bluumlm aber lieszlig sich vor der Presse zu der Aumluszligerunghinreiszligen raquoWir sind eben doch eine Unternehmerparteilaquo

Rainer Barzel erkannte nun in Helmut Kohl seinenlichsten Rivalen den es abzuschuumltteln galt So wagte er imFruumlhjahr 1972 den Versuch Kanzler Willy Brandt durch ein kon-struktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzen

Der kuumlhne Versuch anstelle von Brandt Kanzler zu werdenund damit jede innerparteiliche Konkurrenz auszustechen miszlig-lang und uumlberdies verlor die von Barzel gefuumlhrte Union auchdie Bundestagswahl vom November 1972 Der raquogluumlckloselaquozel den seine Partei und deren Geldgeber daraufhin gern kalt-gestellt haumltten war aber keineswegs bereit freiwillig einem an-deren Platz zu machen und er hielt auch noch einige Truumlmpfebereit die er auszuspielen drohte falls man versuchen wuumlrdeihn beiseite zu schieben Seine Drohungen zeigten erheblicheWirkung und nun war guter Rat wirklich sehr teuer

Es begann was in den geheimen erst zehn Jahre spaumlteroumlffentlich bekanntgewordenen Aufzeichnungen des

gen Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard v Brauchitsch als raquokon-zertierte Aktionlaquo bezeichnet wurde Von CDU-Seite wurdenHeinrich Koumlppler und Helmut Kohl aktiv auf Unternehmer-seite Professor Kurt Biedenkopf vom Henkel-Konzern derunvermeidliche Flick-Vertrauensmann Dr Hanns MartinSchleyer und natuumlrlich auch vBrauchitsch sodann GuidoSandler vom Oetker-Konzern endlich auch Konrad Henkelder Chef des Henkel-Konzerns Das Ergebnis war daszlig RainerBarzel ein raquoweicher Falllaquo angeboten werden konnte Zu seinenstattlichen regulaumlren Bezuumlgen sollten jaumlhrlich 250 bis300000 DM Honorare kommen die ihm der FrankfurterRechtsanwalt Dr Paul zukommen lassen wuumlrde der seinerseitsdas Geld von raquoIndustriemandantenlaquo bekaumlme Und genausogeschah es

Zehn Jahre spaumlter schrieb Erich Boumlhme daruumlber im raquoSpiegellaquounter der Uumlberschrift Dr Kohllaquo

raquoRainer Candidus Barzel der gescheiterte Kanzleraspirantdes Jahres 1972 dessen salbungsvolle Tiraden die DeutschenAnfang der siebziger Jahre uumlberreichlich genervt hatten undden die Union schlieszliglich aus Fraktions- und Parteivorsitzhebelte waumlre nie zum gtsozialen Falllt geworden Trotz einschlauml-giger Sorgen die der damalige Kohl-Intimus Kurt Biedenkopfdem Barzel-Nachfolger Kohl aktenkundig machte Durch-schlag an das Haus Flick versteht sich Das Haus Flickzahlte Barzel kassierte (mit zusaumltzlichen Garnierungen vonder Chase Manhattan Bank und vom Hause Oetker) der erfolg-lose CDU-Chef raumlumte ohne Gezeter das Feld Das Flick-Kuumlrzel Dr hatte seinen Zweck erfuumlllt wg DrKohl dessen Chefstuhl mit eintausendsiebenhundert Flick-Tausendern Millionen DM) freigefaumlchelt worden warlaquo

Auch Barzel-Nachfolger Kohl war zunaumlchst gluumlcklos 1976trat er als Kanzlerkandidat der Union an und unterlag bei denBundestagswahlen 1980 wurde Kohls Rivale Franz JosefStrauszlig als Kanzlerkandidat nominiert und scheiterte ebenfallsAber dann am 1 Oktober 1982 kam Helmut Kohls groszligeStunde Mit Hilfe der abgefallenen raquoGruppe Genscher-Lambs-dorfflaquo der FDP wurde der gewaumlhlte Bundeskanzler HelmutSchmidt (SPD) durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum

gestuumlrzt Kohl zum Kanzler gewaumlhlt mit einer Mehrheit vonsieben Stimmen und gegen den erklaumlrten Willen jener Waumlhlerdenen Genscher im Herbst 1980 feierlich versprochen hatte erwerde raquovier Jahre als zuverlaumlssiger und aufrichtiger Partnerlaquomit Helmut Schmidt und der SPD die Koalition fortsetzen

Ein Drittel der FDP-Bundestagsfraktion darunter fast alleFrauen verweigerte Genscher und dem Grafen Lambsdorffdie Gefolgschaft bei diesem Betrug am Waumlhler Aber seither istKohl Bundeskanzler und regiert die BRD auf eine Weise diehaargenau den Wuumlnschen derer entspricht die mit Hilfe derMacht des Groszligen Geldes den Kanzlerwechsel langfristig vor-bereitet und dann herbeigefuumlhrt hatten

Warum war ihre Wahl auf den Pfaumllzer Helmut Kohl gefallenWodurch hatte er sich vor anderen Bewerbern um das Kanzler-amt ausgezeichnet und die Gunst der Herren des Groszligen Gel-des erworben so daszlig sie ihm zunaumlchst den Chef-Sessel derCDU mit fast zwei Millionen Mark Barzel-Abfindung raquofreigefauml-cheltlaquo und schlieszliglich auch die zur Kanzlerwahl fehlendenStimmen raquobeschafftlaquo hatten Ja wer war uumlberhaupt dieser Hel-mut Kohl den die meisten Bundesbuumlrger nur als jungen Lan-desvater von Rheinland-Pfalz und als Wahlverlierer von 1976kannten

Helmut Kohls politische Karriere begann in seiner wirtschaft-lich vom Chemie-Riesen BASF beherrschten traditionell vonder SPD regierten -Heimatstadt Ludwigshafen Dort war er am3 April 1930 als Sohn eines kleinbuumlrgerlichen Finanzbeamtenzur Welt gekommen

Kohls autorisierter Biograph Karl Guumlnter Simon der demheutigen Kanzler in seinem 1969 erschienenen Buch raquoDieKronprinzenlaquo immerhin schon ein knappes Dutzend Seitengewidmet hat berichtet darin daszlig Helmut (raquoHellelaquo) Kohl raquoausschwarzem Elternhauslaquo stamme daszlig der kraumlftige hochgewach-sene Oberrealschuumller schon 1949 im ersten Bundestagswahl-kampf fuumlr die CDU als Redner aufgetreten sei (und zwar wieFreunde und Gegner uumlbereinstimmend sich erinnern raquolauthemdsaumlrmelig und naszligforschlaquo) und daszlig er dann langsamraquoSchritt fuumlr Schrittlaquo Karriere gemacht habe

Schon als 17jaumlhriger war Kohl der Jungen Union beigetretenmit 25 Jahren wurde er bereits Mitglied des rheinland-pfaumllzi-schen CDU-Landesvorstands mit 28 Jahren Kreisvorsitzenderin Ludwigshafen und juumlngster Landtagsabgeordneter im Main-zer Parlament Nach dem Wunsch seiner Eltern studierte erzunaumlchst Rechtswissenschaft in Heidelberg denn er solltehoumlherer Beamter werden Aber er interessierte sich nur fuumlr Poli-tik genauer fuumlr seine eigene politische Karriere Geld ver-diente er sich nebenher erst als Praktikant bei der BASF alsDirektionsassistent bei der Eisengieszligerei Mock als kaufmaumlnni-scher Volontaumlr bei der Miederwarenfabrik raquoFelinalaquo dann alsReferent des Landesverbands der chemischen Industrie vonRheinland-Pfalz-Saar in Ludwigshafen Ehe er dort -mit einemAnfangsgehalt von DM spaumlter 3 000 DM-seine Taumltigkeitaufnahm erwarb er nach immerhin neun Jahren oder 18Semestern die seit seinem Abitur vergangen waren den Dok-torgrad nicht den juristischen denn er hatte im 5 Semesterumgesattelt sondern den Dr phil des Fachs Geschichte miteiner 160 Schreibmaschinenseiten umfassenden vornehmlichaus sorgsam gesammelten Zeitungsmeldungen bestehendenArbeit zum Thema raquoDie politische Entwicklung in der Pfalzund das Wiedererstehen der Parteien nach

Dr Kohls Sternstunde kam wenn man seinen BiographenGlauben schenken darf am 3 April 1959 seinem 29 Geburts-tag mitten im rheinpfalzischen Landtagswahlkampf Kohl kan-didierte zum ersten Mal und nun stand ihm so beschrieb esLothar Wittmann raquoein groszliger Auftritt bevor Konrad Ade-nauer wird zu einer Groszligveranstaltung erwartet Im hochrotenLudwigshafen soll der Besuch des Kanzlers zu einer eindrucks-vollen Demonstration der Schwarzenlaquo werden Zu diesemBehuf hat CDU-Geschaumlftsfuumlhrer Fritze Keller zwei gewal-tige Wurstmarktzelte aus Bad Duumlrkheim auf dem Marktplatzaufstellen lassen (Sie) fassen 8 000 Besucher KleinmuumltigeZweifler haben Kohl vor solchen Ausmaszligen gewarnt 20Minuten vor Beginn der auf 20 Uhr angesetzten Versammlungist die Nervositaumlt groszlig Uumlber Polizeifunk wird angekuumlndigt daszligder Kanzlerwagen bereits Darmstadt passiert hat und die Zeltesind erst zu houmlchstens 20 Prozent gefuumlllt Wenn der Besucher-

strom so duumlnn bleibt wird es eine Blamage geben Kurz ent-schlossen dirigiert Kohl den Kanzlerkonvoi ins Hotel St Hu-bertus um Der geplagte Kanzler muszlig die Moumlglichkeit habensich vor dem Auftritt noch etwas frisch zu machen

Als der Kanzler dann eintrifft sind die Zelte brechendvoll Der Zustrom hat in letzter Minute und schlagartig ein-gesetzt Drei Redner an diesem Abend Helmut Kohl haumllt eineschwungvolle Begruumlszligungsrede dann Peter Altmeier der(rheinland-pfalzische) Ministerpraumlsident dann Konrad Ade-nauer Helmut Kohl bringt enthusiastische Stimmung ins Zelter spricht angriffslustig wettert gegen Herbert Wehners Agitati-onsbesuch in der BASF Droht die Politisierung der BetriebeKonrad Adenauer wird aufmerksam mustert interessiert denlangaufgeschossenen Nachwuchsredner fragt seinen Nach-barn Peter Altmeier wer denn dieser hoffnungsvolle jungeMann seilaquo und ernennt so moumlchte man vermuten wennman dieser eindrucksvollen Schilderung gefolgt ist HelmutKohl sogleich zu seinem politischen Enkel und spaumlteren Nach-folger

Dies war jedoch keineswegs der Fall die Ernennung zumAdenauer-Enkel nahm Helmut Kohl spaumlter selber vor undauch die wunderbare Publikumsvermehrung in den Ludwigs-hafener Zelten kam nicht von ungefaumlhr Sie hatte viel ArbeitAnstrengung und Hilfe von den Unternehmern aus demUmland erfordert von denen einer sich ruumlhmte er habe es sich12 000 DM kosten lassen raquoseine Leutelaquo in Bussen raquoheranzukar-ren ihnen 5 Mark pro Kopf spendiert fuumlr Verzehr und damitKohls Schau gerettetlaquo

Wie dem auch sei Jedenfalls ist eines sicher naumlmlich daszligHelmut Kohl damals schon einen millionenschweren Industri-ellen zum Freund und Foumlrderer hatte der Kohls Talente ZU

schaumltzen wuszligte und wie er spaumlter wiederholt erklaumlrte raquoeinenguten Riecherlaquo fuumlr kommende Spitzenpolitiker hatte die sichihren Maumlzenen dann als sehr nuumltzlich erweisen konnten

Helmut Kohls damaliger reicher Goumlnner war uumlbrigens derGroszligaktionaumlr und Vorstandsvorsitzende eines aufbluumlhendenUnternehmens mit uumlber zweitausend Beschaumlftigten in der vonLudwigshafen nur acht Kilometer entfernten pfaumllzischen

stadt Frankenthal Fast zwei Jahrzehnte lang waumlhrend ausdem Ludwigshafener JU-Fuumlhrer ein Stadtrat dann ein CDU-Landtagsabgeordneter Fraktionsvorsitzender schlieszliglich so-gar ein rheinland-pfaumllzischer Ministerpraumlsident CDU-Bun-desvorsitzender und Kanzlerkandidat wurde war Helmut Kohlein haumlufiger Gast in der Frankenthaler Industriellen-Villa Inallen diesen Jahren gab es zwischen Kohl und seinem reichenGoumlnner viele Gespraumlche uumlber politische und wirtschaftlicheFragen Der junge Politiker Kohl holte sich manchen Rat vonseinem um 23 Jahre aumllteren beinahe vaumlterlichen Freund lieszligsich von diesem erzaumlhlen wie man aus sehr bescheidenenAnfangen uumlber Krieg Niederlage und Waumlhrungsreform hin-weg zu Multimillionaumlrs- und Konzernherren-Houmlhen aufsteigtund er scheint sich damals vorgenommen zu haben es seinemFoumlrderer gleichzutun zumindest hinsichtlich eines ruumlcksichts-losen Gebrauchs der Ellbogen und eines Mindestmaszliges anmoralischen Skrupeln sowie einer sorgfaumlltigen Pflege dessenwas sein erfahrener Goumlnner raquonuumltzliche Beziehungenlaquo zu nen-nen pflegte

Tatsaumlchlich hatte dieser Frankenthaler Industrielle glaumln-zende Verbindungen und sogar enge freundschaftliche Bezie-hungen zu bereits arrivierten und kommenden Spitzenleutenaus Politik und Wirtschaft Einigen davon praumlsentierte undempfahl er seinen Schuumltzling Helmut Kohl und auch sonstkonnte der steinreiche Konzernchef dem aufsteigenden Jung-politiker auf mancherlei Weise behilflich sein

Natuumlrlich stellte Helmut Kohl seinem Foumlrderer auch dasMaumldchen vor mit dem er sich zu verloben und wie es fuumlreinen christlichen Politiker obligatorisch war in Baumllde zu ver-heiraten gedachte und erst nachdem Kohls einstige Tanzstun-denfreundin und zukuumlnftige Ehefrau Hannelore von der Fami-lie des Frankenthaler Industriellen in Augenschein genommenworden war traf der angehende Landespolitiker Vorbereitun-gen fuumlr die Gruumlndung eines eigenen Hausstands Zwei Monatenach seinem Einzug ins Mainzer Landesparlament verheira-tete er sich mit Hannelore Renner

Nun konnte Helmut Kohl seinem Foumlrderer hie und da auchschon ein paar Gefaumllligkeiten erweisen denn sein Einfluszlig in

der Mainzer CDU-Fraktion war von Anfang an groszlig und ande-rerseits steigerte der reiche Industrielle das Ansehen des juumlng-sten Abgeordneten indem er diesen mitnahm auf eine Afrika-reise wie sie sich damals Anfang der sechziger Jahre ein nochunbekannter Provinzpolitiker kaum zu ertraumlumen wagte FrauHannelore durfte derweilen mit der Gattin des IndustriellenFerien im schweizerischen Zermatt machen wo den Damenein luxurioumlses Chalet Zurverfuumlgung stand Die Traumreise aufdie Kohl damals von seinem noblen Goumlnner mitgenommenwurde ging ins Koumlnigreich Marokko dessen Honorarkonsulfuumlr Rheinland-Pfalz sein vaumlterlicher Freund geworden war undsie wurde fuumlr Helmut Kohl zu einem Erlebnis wie aus Tausend-undeiner Nacht Uumlbrigens es sei hier nur am Rand vermerktweil es das harte Urteil vieler anderer politischer Freunde wieGegner uumlber den jungen Politiker Kohl bestaumltigt Auch der ihmso wohlwollende Industrielle ruumlgte gerade im Anschluszlig andiese Marokkoreise die miserablen Umgangsformen seinesSchuumltzlings Wie schon gelegentlich zuvor und noch oftmalsspaumlter als Kohl schon laumlngst Ministerpraumlsident in Mainz gewor-den war bedauerte der Herr Konsul wenngleich nur im enge-ren Familien- und Freundeskreis das raquoungehobelte Beneh-menlaquo Kohls und sein raquoschrecklich ruumlcksichts- und taktlosesAuftretenlaquo Der engste Freund des Herrn Konsuls dem erdavon erzaumlhlte lachte indessen nur und sagte wie er spaumlterdem Autor selbst erzaumlhlte - raquoLaszlig man Fritz wenn er werdensoll was wir uns ausgedacht haben kann er gar nicht ruumlcksichts-los genug seinlaquo

Uumlbrigens der bislang verschwiegene Name des Kohl-Ent-deckers und langjaumlhrigen -Goumlnners war Dr Fritz Ries damali-ger Chef und Groszligaktionaumlr des raquoPegulanlaquo-Konzerns mitHauptsitz in Frankenthal Dessen alter Freund einstiger Kom-militone und bei der Heidelberger schlagendenVerbindung raquoSuevialaquo und spaumlterer stellvertretender Vorsitzen-der des raquoPegulanlaquo-Aufsichtsrats aber hieszlig Dr Hanns MartinSchleyer war bereits der Vertrauensmann des Daimler-Groszlig-aktionaumlrs Friedrich Flick in der Untertuumlrkheimer Konzernzen-trale und bald auch stellvertretender Vorsitzender vonsamtmetalllaquo sowie Vizepraumlsident der Arbeitgebervereinigung

Er sollte noch houmlher aufsteigen ehe er im Herbst 1977 von Ter-roristen entfuumlhrt und ermordet wurde doch in unseremZusammenhang ist zunaumlchst nur von Bedeutung daszlig es DrRies und Dr Schleyer waren die den Jungpolitiker HelmutKohl raquovormerktenlaquo fuumlr zukuumlnftige Jahre wenn eine raquoBundes-regierung nach Maszliglaquo und nach dem Herzen der groszligen Kon-zerne aufzustellen sein wuumlrde

Wir werden auf Dr Fritz Ries und Dr Hanns MartinSchleyer noch einmal zuruumlckkommen doch hier sei uumlber Riesnur noch angemerkt daszlig es fuumlr den raquoPegulanlaquo-Konzern unddessen Produkte vor allem Fuszligbodenbelaumlge aus Kunststoff1975 eine Absatzkrise gab Nur durch eine Landesbuumlrgschaft inMillionenhoumlhe konnten die Banken bewogen werden demUnternehmen noch einmal uumlber die Runden zu helfen DasFachblatt raquoWirtschaftswochelaquo meldete dazu am 5 Maumlrz 1976raquoTatsaumlchlich muumlssen die Finanzkalamitaumlten bei Ries und den

Pegulan-Werken noch gravierender sein als in der vom23 Januar 1976 dargestellt Der rheinland-pfalzische Finanzmi-nister Johann Wilhelm Gaddum muszligte dem SPD-Abgeordne-ten Rainer Rund auf eine Anfrage zur Pegulan-Krise denn aucheingestehen Landesbuumlrgschaften werden nur dann gewaumlhrtwenn die Sicherheiten im Sinne der Beleihungsgrundsaumltze derKreditinstitute nicht ausreichen Im Klartext heiszligt das lan haumltte ohne die Buumlrgschaft des Landes keinen Kredit mehrbekommen Ob indes diese Landeshilfe allein wegen dergefaumlhrdeten Arbeitsplaumltze zugesagt wurde oder ob der CDU-Kanzlerkandidat und Rheinland-Pfalz-Chef Kohl zusaumltzlichein gutes Wort fuumlr Ries einlegte bleibt offenlaquo

Offen bleibt auch ob der sowohl von der serioumlsen raquoWirt-schaftswochelaquo als auch vom exklusiven raquoManager-Magazinlaquoverbreitete angebliche Ries-Ausspruch uumlber Kohl -raquoAuch ich ihn nachts um drei anrufe muss er springen laquo- korrekt wieder-gegeben worden ist Immerhin bezeichneten Ries-TochterMonika und deren Ehemann Rechtsanwalt Herbert Krall die-

Mit Gewiszligheit laumlszligt sich nur sagen daszlig das damals von Hel-mut Kohl gefuumlhrte Land Rheinland-Pfalz den Konzern des Dr

Ries durch Uumlbernahme von Buumlrgschaften in Millionenhoumlhelange vor dem Zusammenbruch bewahrt hat Dabei hat moumlgli-cherweise der Umstand eine Rolle gespielt daszlig dem Ries-Kon-zern schon zuvor bedeutende Landesmittel zuteil gewordenwaren deren Gesamthoumlhe von Fachleuten auf zig MillionenDM veranschlagt wurde

Ebenfalls durch Kohl zuteil geworden war Dr Fritz Ries imFebruar 1972 der Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuzeine ungewoumlhnliche Ehrung fuumlr einen Mann dessen raquounter-nehmerische Leistung und Engagement fuumlr die Gesellschaftlaquowie es in der Verleihungsurkunde hieszlig wahrlich nicht unum-stritten waren Denn Fritz Ries Kohls raquoWeichenstellerlaquo vonihm auch manchmal als raquoder gute Mensch von Frankenthallaquobezeichnet hatte eine recht dunkle unternehmerische Vergan-genheit Der am 4 Februar 1907 in Saarbruumlcken geborene FritzRies Sohn des Inhabers einer Moumlbelhandlung hatte nach demAbitur ein Jurastudium begonnen erst in Koumlln dann in Heidel-berg wo er-wie schon kurz erwaumlhnt den acht Jahre juumlngerenKorpsstudenten Hanns Martin Schleyer als raquoLeibfuchslaquo unterseine Fittiche nahm

Schleyer es sei hier nur am Rande angemerkt war als Sohneines Landgerichtsdirektors in OffenburgBaden 1915 geborenworden und bereits als Schuumller 1931 der Hitlerjugend beigetre-ten 1933 in die SS aufgenommen worden (Mitgliedsnummer227014) und galt mit 19 Jahren schon als raquoAlter Kaumlmpferlaquo dervon 1934 an die Universitaumlt Heidelberg in eine raquoForschungs-und Erziehungsanstalt nationalsozialistischer Praumlgunglaquo zu ver-wandeln sich bemuumlhte Er leitete dort spaumlter auch in Inns-bruck dann in Prag das sogenannte raquoStudentenwerklaquo aus des-sen SS-Mannschaftshaumlusern der Sicherheitsdienst (SD) derNazis seinen Nachwuchs rekrutierte Von 1939 an stand derSS-Fuumlhrer Dr Schleyer im neuen raquoProtektorat Boumlhmen undMaumlhrenlaquo an der Spitze der gesamten SS-raquoHochschularbeitlaquoihm unterstanden rund 160 Angestellte und sein Jahresetatbetrug rund zehn Millionen Reichsmark

Von 1939 an war SS-Hauptsturmfuumlhrer Dr Schleyer einemMann direkt unterstellt der als Chef des raquoReichssicherheits-hauptamteslaquo an der Spitze des SD der Gestapo und der

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ten Polizei stand SS-Obergruppenfuumlhrer Reinhard HeydrichIm September 1941 wurde Heydrich unter Beibehaltung seinerMachtstellung im Reich auch noch Stellvertreter des Reichspro-tektors von Boumlhmen und Maumlhren und damit der eigentlicheHerrscher in der Tschechoslowakei Dr Schleyer seine rechteHand und Kontrolleur der tschechoslowakischen Industrie biszum letzten Tag der deutschen Besatzung Erst am 8 Mai 1945schlug er sich mit den letzten SS-Verbaumlnden unter Mitnahmevon Geiseln tschechischen Frauen und Kindern zu den schonkurz vor Prag stehenden Amerikanern durch und wurde vondiesen interniert und einige Jahre lang gefangengehalten

Doch zuruumlck zu Fritz Ries der sich beim HeidelbergerKorps raquoSuevialaquo bei Mensuren jene raquoSchmisselaquo genanntenFechtnarben holte die fuumlr eine Karriere damals sehr foumlrderlichwaren Unmittelbar vor dem Verbot der korpsstudentischenMensuren forderte Ries noch einen Kommilitonen der seineEhre verletzt hatte auf Pistolen wobei ihm sein raquoLeibfuchslaquoSchleyer wie dieser sich erinnerte und dem Autor lachenderzaumlhlte die Waffe zum Kampfplatz trug

Schon kurz darauf beendete Fritz Ries sein Studium als Drjur und begann sogleich -im Herbst 1934 seine Unternehmer-karriere nachdem er im Jahr zuvor der Nazipartei beigetretenwar und die Tochter des wohlhabenden Rheydter ZahnarztesDr Heinemann geheiratet hatte Mit schwiegervaumlterlichemGeld entfaltete er wie er selbst in einem Schreiben an einehohe Nazi-Parteistelle ohne falsche Bescheidenheit anfuumlhrte raquoeine auszligerordentliche unternehmerische Aktivitaumltlaquo Er hatteeine Leipziger Gummiwarenfabrik Fluumlgel Polter erworbenund diesen 120-Mann-Betrieb in wenigen Jahren zu einem mitt-leren Konzern ausgebaut fast ausschlieszliglich mit Hilfe soge-nannter raquoArisierungenlaquo

Durch die judenfeindliche Politik der Nazis waren die fruumlhe-ren Eigentuumlmer gezwungen ihre Unternehmen weit unterdem tatsaumlchlichen Wert und zu demuumltigenden Bedingungen anraquoArierlaquo wie Dr Ries zu verkaufen Anzumerken ist daszlig DrRies innerhalb kuumlrzester Zeit zum branchenbeherrschendenPraumlservativ-Hersteller des raquoGroszligdeutschen Reicheslaquo aufruumlckteund fuumlr seine ruumlde auch im raquoangeschlossenenlaquo Oumlsterreich prak-

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tizierte raquoArisierungslaquopolitik starke Ruumlckendeckung durch dieNazi-Partei erhielt

Vom Herbst 1939 an also gleich nach Beginn des ZweitenWeltkrieges wurde der Ries-Konzern raquoauf den Kriegsbedarfder Wehrmacht umgestellt und stark erweitertlaquo Die Beschaumlftig-tenzahl hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt verzehnfacht derUmsatz war auf mehr als das Zwanzigfache gestiegen und balderreichten die Umsaumltze und Gewinne geradezu schwindelndeHoumlhen Denn von 1941 an konnte Dr Ries seinen Gummikon-zern auf die eroberten polnischen Gebiete ausdehnen immerneue Betriebe raquouumlbernehmenlaquo dabei unterstuumltzt von einemeigens fuumlr solche Aufgaben engagierten SS-Standartenfuumlhrerim Sicherheitsdienst (SD) Herbert Packebusch

Packebusch nach dem die Staatsanwaltschaft Kiel wegendringenden Verdachts des Mordes in zahlreichen Faumlllen nochJahrzehnte nach Kriegsende vergeblich fahndete half Dr Riesauch bei der Beschaffung von Arbeitskraumlften So arbeitetenallein in einem der Ries-Betriebe im eroberten Polen denraquoOberschlesischen Gummiwerkenlaquo in Trzebiniazien) laut einer raquoGefolgschaftsuumlbersichtlaquo vom 30 Juni 1942insgesamt 2 653 juumldische Zwangsarbeiter davon 2 160 Frauenund Maumldchen Vornehmlich mit deren Hilfe sprich aufgrundruumlcksichtsloser Ausbeutung stieg der Umsatz in Trzebinia von101861 RM im Dezember 1941 auf 1300 619 RM im April 1942also binnen vier Monaten auf mehr als das Zwoumllffache

Die erhalten gebliebenen Berichte des deutschen Aufsichts-personals geben Einblick in die im Ries-Werk Trzebinia damalsherrschenden schrecklichen Zustaumlnde zeigen die rigorose Aus-beutung und die taumlglichen Miszlighandlungen der fuumlr Dr Riesschuftenden Frauen und Maumldchen

So erging folgende Anordnung raquoWir haben den Arbeitskraumlf-ten erklaumlrt daszlig die Arbeitsleistung in den naumlchsten Tagenwesentlich gesteigert werden muszlig da wir sonst annehmendaszlig die Arbeit sabotiert wirdlaquo was nach Lage der Dinge eineklare Morddrohung war denn nachlassende Leistung oder garSabotage wurde mit sofortiger raquoUmsiedlunglaquo in das knapp 20Kilometer entfernte KZ Auschwitz geahndet wo raquoArbeitsunfauml-higelaquo sofort vergast wurden

Da die deutschen Behoumlrden aber bereits damit begannenalle Juden der Gegend ohne Ruumlcksicht auf ihren Wert alsArbeitskraumlfte der raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquo des DrRies nach Auschwitz zu schaffen beschloszlig dieser raquoVollblutun-ternehmerlaquo aus der Not eine Tugend zu machen zumindestfuumlr sich selbst Weil am Ende sicherlich auch diese letzten Fach-kraumlfte raquoumgesiedeltlaquo werden wuumlrden zwecks spaumlterer Ermor-dung wie alle Beteiligten wuszligten - galt es Vorsorge fuumlr seinenKonzern zu treffen Da hatte nun ein trefflicher Ries-Mitarbei-ter die Idee die nach Auschwitz raquoumgesiedeltenlaquo und dort aufihren Tod wartenden Juden nicht unproduktiv im KZ herumsit-zen zu lassen sondern ihre Wartezeit mit nutzbringenderArbeit fuumlr den Ries-Konzern auszufuumlllen

Und so geschah es Im Lager Auschwitz wurde eine raquoGroszlig-nebenstellelaquo errichtet raquoEs stehen in Kuumlrze etwa 3 000 bis 5 000weibliche Arbeitskraumlfte zur Verfuumlgunglaquo heiszligt es in der Mel-dung vom 10 Juli 1942 Die erforderlichen Naumlh- und sonstigenMaschinen aus dem Besitz schon ermordeter juumldischer Hand-werker kaufte der Ries-Konzern der SS billig ab und fortanbrauchte sich Dr Ries der in einer schoumlnen eigens fuumlr ihn

in Trzebinia wohnte um diemorallaquo seiner Belegschaft nicht mehr zu sorgen Darum kuumlm-merte sich die SS und die raquoOberschlesischen Gummiwerkelaquolieferten nur das zu verarbeitende Material und holten die fer-tige Ware im KZ ab um sie mit sattem Gewinn an die Wehr-macht und andere Abnehmer zu verkaufen

Wie in Ostoberschlesien und Galizien so hatte Dr Riesnoch einige weitere Produktionsstaumltten im annektierten Polenin Konzernbesitz gebracht unter anderen einen Groszligbetriebin Lodz das die Deutschen in raquoLitzmannstadtlaquo umgetaufthatten

Natuumlrlich arbeiteten auch die raquoGummiwerke Warthelandlaquowie Dr Ries seine Lodzer Erwerbung nannte erst mit juumldi-schen dann mit polnischen Zwangsarbeitern nur die Aufseherund das Wachpersonal erhielten regulaumlre Bezahlung

Nebenbei bemerkt auch die deutschen raquoGefolgschaftsmit-gliederlaquo wurden bespitzelt und raquovertraulichlaquo gemeldet etwawenn sie den katholischen Gottesdienst besucht hatten Und

schlieszliglich ging die Brutalitaumlt im Ries-Konzern so weit daszlig diepolnischen Arbeitskraumlfte zumeist junge Frauen und Maumldchennicht nur nach beendeter Schicht in einem Barackenlager unterAufsicht gestellt sondern auch waumlhrend der Arbeitszeit imSaal eingeschlossen und nach Schluszlig der Arbeit durchsuchtwurden Verantwortlich fuumlr diese und andere raquoenergischelaquoMaszlignahmen war ein von Dr Ries im zweiten Halbjahr 1944 ein-gestellter neuer Direktor der am 30 Oktober 1944 auch schrift-lich anordnete daszlig jeder der mehr als einmal anseinem Arbeitsplatz unentschuldigt fehlte zur raquoauszligerbetrieb-lichen Bestrafunglaquo durch die Gestapo zu bringen sei

Zu dieser Zeit war die raquoVerlagerunglaquo- das heiszligt der Abtrans-port nach Westen von allem was nicht niet- und nagelfest war bereits in vollem Gange und der neue Direktor erwarb sich beider Rettung des Ries-Besitzes vor der anruumlckenden RotenArmee raquodurch Umsicht Schneidigkeit und Haumlrtelaquo wie Dr Riesihm bescheinigte groszlige Verdienste

Der Name dieses neuen Direktors der ein Kaumlmpferlaquoder Nazipartei und zuletzt Leiter einer Dienststelle im schongeraumlumten Krakau gewesen war soll hier nicht verschwiegenwerden Es handelte sich um Artur Missbach einen spaumlterenCDU-Bundestagsabgeordneten der als solcher vor allem da-durch von sich reden machte daszlig er Ende der sechziger Jahreauf amtlichem Papier des Bundestags Werbebriefe fuumlr dieInvestment-Schwindelfirma IOS verschickte Mit dem Bundes-adler im Briefkopf pries MdB Missbach damals die IOS-Zertifi-kate als raquodie derzeit beste und sicherste Anlage mit der houmlch-sten Renditelaquo an und gleichzeitig verkaufte er unter demDecknamen raquoSebastian Bachlaquo fuumlr mindestens drei MillionenDollar IOS-Anteile an deutsche Sparer die den -wegen Steuer-hinterziehung landesfluumlchtigen raquoSebastian Bachlaquo dann eben-so verfluchten wie ihre wertlos gewordenen Papiere

Doch zuruumlck zu Dr Ries dem mit seinem Direktor Miss-bach sehr zufriedenen Konzernchef der im Winterseine riesige Beute aus Polen mit Lastwagen-Konvois undGuumlterzuumlgen weit nach Westen raquoverlagertelaquo und was die Bar-geldbestaumlnde des Konzerns betraf so erinnerte sich Ries-Toch-ter Monika der 17 Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart im

Prozeszlig um das Buch raquoGroszliges Bundesverdienstkreuzlaquo als Zeu-gin benannt deutlich daran wie sich ihr Vater im Familien-kreis am abendlichen Kaminfeuer haumlufig mit Stolz dazubekannt hat anno 1945 raquoRiesensummen persoumlnlich und koffer-weise nach Westen geschafftlaquo zu haben

Fuumlnf Jahre spaumlter indessen am 28 November 1950 schil-derte Dr Ries seine Lage gegen und nach Kriegsende folgen-dermaszligen raquo1944 gruumlndete ich die Gummiwerke Hoya GmbHMit dieser Gruumlndung wollte ich lediglich einen Teil der Maschi-nen aus den mir gefaumlhrdet erscheinenden oumlstlichen Gebietenretten Tatsaumlchlich waren bei Kriegsende in Hoya neue Maschi-nen fuumlr etwa 15 Millionen RM gelagert Weiterhin standenmir bei Beendigung des Krieges einige hunderttausend MeterStoff zur Verfuumlgunglaquo Um einen Teil des kofferweise gerette-ten aber immer wertloser werdenden Bargelds anzulegenerwarb Dr Ries kurz nach Kriegsende auf der am weitestenwestlich gelegenen deutschen Nordseeinsel Borkum raquoKoumlhlersStrandhotellaquo das groumlszligte Haus am Platze Es stellte nach heuti-gen Maszligstaumlben ein Multimillionenobjekt dar Was aber derBesitz von raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo in den Not-jahren 1945-48 bedeutete laumlszligt sich heute uumlberhaupt nicht mehrermessen Schon mit drei Metern Anzug- oder Mantelstoffkonnte man bis zur Wahrungsreform vom Juni 1948 durchTausch oder Verkauf auf dem Schwarzen Markt die Ernaumlhrungeiner fuumlnfkoumlpfigen Familie fuumlr mindestens zwei Monate sicher-stellen Mit raquoeinigen hunderttausend Metern Stofflaquo haumltte mandie Lebensmittelversorgung einer Groszligstadt waumlhrend sechsDekaden gewaumlhrleisten koumlnnen als die amtlichen Rationenwie 1947 in Wuppertal bei nur noch 650 Kalorien pro Tag lagen

Jedenfalls darf man sagen daszlig Dr Ries die Nazi-Diktaturund den Zweiten Weltkrieg nicht nur heil sondern geradezuglaumlnzend uumlberstanden hatte ebenso die Wirren das Elend undden Hunger der ersten Nachkriegsjahre In Polen waren ihm

Die Machenschaften des Dr Fritz Ries deren Entdeckung und Veroumlffentli-chung durch den Autor dieses Schwarzbuches und die Auswirkungen der Ver-oumlffentlichung sind ausfuumlhrlich dargestellt in dem Taschenbuch raquoGroszliges Bun-desverdienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

Abermillionen an Kriegsbeute zuteil geworden nicht nur wert-volle zum Teil fabrikneue Maschinen waggonweise TextilienAutoreifen Gummistiefel -schuhe und Maumlntel sondern auchkofferweise Bargeld dazu Unmengen von KunstgegenstaumlndenTeppichen und Juwelen sowie wie die erhalten gebliebenenDokumente beweisen die Wertsachen seiner Arbeitssklavender Schmuck und das Zahngold der geschundenen MaumlnnerFrauen und Kinder

Um so erstaunlicher ist es daszlig Dr Ries obwohl aus Saar-bruumlcken und spaumlter in Leipzig beheimatet zeitweise in Trzebi-nia bei Auschwitz und zuletzt auf Borkum wohnhaft mit Kon-zernsitz in Leipzig dann in Hoya an der Weser und schlieszliglichin Frankenthal von den dortigen rheinpfalzischen Behoumlrdendennoch als raquoHeimatvertriebenerlaquo anerkannt wurde Ja manbescheinigte ihm dem groszligen Beutemacher sogar einen treibungsschadenlaquo Am 10 Oktober 1953 sein Schuumltzling Hel-mut Kohl war bereits ein Lokalmatador der CDU mit gutenBeziehungen bestaumltigte ihm das Ausgleichsamt bei der Stadt-verwaltung Frankenthal Aktenzeichen 16Mke - daszlig raquoderAntragsteller Dr Fritz Ries hier die Feststellung der folgendenVertreibungsschaumlden beantragt hat1 Geschaumlftsanteil an der Oberschlesischen

Gummiwerke GmbH Trzebinia uumlberNennbetrag (Kapitalforderung) 1445 000 RM

2 Geschaumlftsanteil an der raquoGummiwerkeWartheland AGlaquo Litzmannstadt uumlber 500 000 RM

3 Verlust eines Einfamilienhauses mit10 Zimmern in Trzebinia Kreis Krenau(Oberschlesien) Grundvermoumlgen

Weiter wird bestaumltigt daszlig die Angaben des Antragstellers indem Feststellungsantrag hinreichend dargetan sindlaquo

Mit anderen Worten Einem Saarlaumlnder der mit Wohn- undKonzernsitz in Leipzig das eroberte Polen ausgepluumlndert Skla-venarbeiter aufs grausamste ausgebeutet und sich deren Besitzwiderrechtlich angeeignet hatte wurde amtlich bescheinigtdaszlig nicht seine Opfer sondern er selbst zu entschaumldigen seiund daszlig seine dreisten Behauptungen als Beweis ausreichtenUnd so wie in diesem Fall ging es dutzendfach weiter

An jeder Finanzquelle die die oumlffentliche Hand damalseinem schuldlos verarmten und unterstuumltzungsbeduumlrftigenHeimatvertriebenen sprudeln lieszlig wenn er einerseits im OstenMillionenverluste erlitten hatte andererseits an seinem Auf-nahmeort neue Arbeitsplaumltze zu schaffen bereit war labte sichDr Ries mit Hilfe seiner politischen Freunde von der CDU inreichem Maszlige

Gluumlcklicherweise fuumlr ihn hatte man Dr Fritz Ries als blo-szligen raquoMitlaumluferlaquo der Nazi-Partei eingestuft und damit galt dermillionenschwere Kriegsgewinnler und als V-Mann derGestapo auserwaumlhlte raquoabsolut zuverlaumlssige NationalsozialistlaquoDr Ries in Rheinland-Pfalz (und damit in der ganzen Bundes-republik) als politisch voumlllig unbelasteter Ehrenmann

Wann immer sich bei den Lastenausgleichs- und anderenAumlmtern Zweifel regten etwa was die behauptete Houmlhe der raquoVer-treibungsschaumlden laquo des Dr Ries betraf wurden sie so nachzu-lesen in den Akten des damaligen Ries-Generalbevollmaumlchtig-ten fuumlr die Regelung seiner raquoAnspruumlchelaquo Dr Grote-Mismahl durch starken politischen Druck von oben beseitigt

Wer diesen Druck ausuumlbte laumlszligt sich nicht mehr mit Sicher-heit feststellen und es waumlre unfair diese Machenschaftenallein dem 1953 gerade erst zum Mitglied des Geschaumlftsfuumlhren-den Landesvorstands der regierenden CDU aufgeruumlckten Ries-Guumlnstling Helmut Kohl anzulasten von dem allerdings fest-steht daszlig er in den folgenden Jahren als er zum einfluszligreich-sten Politiker des fest in der Hand seiner Partei befindlichenBundeslands Rheinland-Pfalz aufstieg seinem langjaumlhrigenFoumlrderer Dr Ries wiederholt sehr behilflich gewesen ist

So stellt sich die Frage ob Helmut Kohl uumlber die duumlstere Ver-gangenheit seines groszligzuumlgigen Foumlrderers und dessen dreisteLuumlgen hinsichtlich seiner angeblichen raquoVertreibungsschaumldenlaquogenau Bescheid gewuszligt hat Ries-Tochter Monika Krall anwalt-lich als Zeugin gehoumlrt war sich nicht absolut sicher ob ihrraquoVater auch in Gegenwart von Dr Kohl sich seiner so profitab-len Unternehmertaumltigkeit in Polen geruumlhmt hat und wenn jaob dann nur so allgemein oder mit genauen Einzelheitenlaquo

Eine damalige Ries-Angestellte die sich ihrerseits genaudaran erinnert gab indessen zu Protokoll daszlig raquoHerr Konsul

Dr Ries dem Herrn Dr Kohl stolz von seinen Betrieben in Polen und von den gluumlcklicherweiselaquo in groszligerAnzahl zur Verfuumlgung stehenden juumldischen und polnischenZwangsarbeitern erzaumlhlt hatlaquo Sie wuszligte sogar noch das fahre Datum war im Fruumlhjahr 1967 der Herr Konsul DrRies bekam das Groszlige Bundesverdienstkreuz das Herr DrKohl damals CDU-Landesvorsitzender ihm verschafft hatteDr Ries erzaumlhlte ihm dann er haumltte schon damals in Polen dasKriegsverdienstkreuz verliehen bekommen laquo Diese Zeugindie in Frankenthal beschaumlftigt ist wollte begreiflicherweisenicht namentlich genannt werden

Indessen spielt die Frage ob Helmut Kohl schon damals imFruumlhjahr 1967 die ganze scheuszligliche Wahrheit uumlber die Vergan-genheit seines langjaumlhrigen Foumlrderers kannte keine groszligeRolle Denn schon fuumlnf Jahre spaumlter heftete Kohl seit 1969 Mi-nisterpraumlsident von Rheinland-Pfalz dem Dr Ries auch nochden Stern zum Groszligen Bundesverdienstkreuz an die Brust undzu diesem Zeitpunkt war Helmut Kohl wie sich beweisen laumlszligtvoll unterrichtet uumlber den Werdegang dieses Mannes der ihnals jungen Politiker raquoentdecktlaquo nach Kraumlften gefoumlrdert und dieKarriere erst ermoumlglicht hatte Kohl wuszligte Bescheid uumlber dieskrupellose raquoArisierungenlaquo des raquoKondom-Koumlnigslaquo Ries des-sen Beziehungen zur Gestapo und uumlber dessen Raubzuumlge in Po-len Er war daruumlber im Bilde daszlig sich Ries bei und in Auschwitzbereichert und Tausende von Arbeitssklavinnen fuumlr sich hatteschuften lassen Desgleichen wuszligte er daszlig die Entschaumldigun-gen fuumlr angebliche raquoVertreibungsschaumldenlaquo seines Goumlnners er-schwindelt waren Trotzdem zeichnete er ihn mit dem zweit-houmlchsten Orden aus den die Bundesrepublik zu vergeben hattepries oumlffentlich raquodas staunenswerte Lebenswerklaquo und raquodie vor-bildlichen unternehmerischen Leistungenlaquo des Dr Ries undwar ihm weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefaumlllig

Helmut Kohl warjedoch zu dieser Zeit laumlngst nicht mehr dereinzige Spitzenpolitiker der Unionsparteien von dem Dr Riesstolz behaupten zu koumlnnen meinte raquoWenn ich den nachts umdrei anrufe muszlig er springenlaquo

Dazu muszlig man wissen daszlig sich Konsul Dr Ries dessenraquoPegulanlaquo-Konzern damals noch florierte einen -wie er fand

raquostandesgemaumlszligenlaquo Landsitz nebst Jagdrevier Golfplatz undSchloszlig zugelegt hatte das als der Steiermarklaquo geruumlhmteSchloszliggut Pichlarn eine der schoumlnsten Besitzungen Oumlster-reichs Dort verkehrten als Gaumlste des Schloszligherrn Dr Ries nach den Veroumlffentlichungen der Lokalpresse in den fruumlhensiebziger Jahren etliche fuumlhrende Persoumlnlichkeiten der bun-desdeutschen Wirtschaft und Politik von denen wir hier einknappes Dutzend als repraumlsentative Auswahl nennen und zujedem Namen ein paar Erlaumluterungen geben wollen

raquoHerr Generalbevollmaumlchtigter Tesmann (es handelte sich umRudolf Tesmann geboren 1910 in Stettin einen fruumlherenhohen SS-Fuumlhrer letzter bekannter DienstgradSS-Obersturmbannfuumlhrer - vom Maumlrz 1944 bis KriegsendeVerbindungsmann zu Reichsleiter Martin Bormann Tesmannwurde 1945 von den Englaumlndern interniert und von seinem Mit-gefangenen dem Kaufhauskoumlnig Helmut Horten nach beiderEntlassung 1948 in den Horten-Konzern zuletzt als Generalbe-vollmaumlchtigter uumlbernommen Tesmann war auszligerdem damalsPraumlsidiumsmitglied des gtWirtschaftsrats der

Herr Dr Hanns Martin Vorstandsmitglied der Daim-ler-Benz AG mit Frau (den wir bereits kennengelernt habenund von dem noch im Zusammenhang mit der weiteren politi-schen Karriere Helmut Kohls die Rede sein wird)

Herr Dr Alfred Dregger mit Frau (damals Vorsitzender derhessischen CDU seit 1982 Fraktionsvorsitzender der CDUCSU im Bundestag und inoffiziell Fuumlhrer des rechten soge-nannten raquoStahlhelmlaquo-Fluumlgels der Union)

Herr Bundestagsabgeordneter Siegfried Zoglmann (geboren1913 in Boumlhmen seit 1928 Mitglied der in der CSR illegalen Hitlerjugend (HJ) 1934 HJ-Fuumlhrer in der Reichsjugendfuumlh-rung in Berlin 1939 Oberster HJ-Fuumlhrer im Boumlh-men und Maumlhren und Abteilungsleiter des 1940 erbat und erhielt Zoglmann vom Hein-rich Himmler persoumlnlich die Erlaubnis als SS-Fuumlhrer in diegtLeibstandarte SS Adolf Hitlerlt einzutreten Nach 1945 Werbe-fachmann im Rheinland 1950 Mitglied des NRW-Landesvor-stands der FDP bis 1958 Landtagsabgeordneter von 1957 biszu seinem Ausscheiden aus Altersgruumlnden Mitglied des Bun-

destags zunaumlchst FDP- seit 1972 CSU-Abgeordneter MitHilfe Zoglmanns und anderer FDP-Uumlberlaumlufer sollte damalsWilly Brandt gestuumlrzt werden die Verhandlungen hieruumlberwurden auf dem Ries-Schloszlig Pichlarn gefuumlhrt)

1931 Mitglied der NSDAP seit 1932 enger Mitarbeiter des Nazi-Propagandachefs und damaligen gtGauleiterslt von Groszlig-Berlin Dr Josef Goebbels in dessen Reichsministerium gtfuumlr Volksauf-klaumlrung und Propagandalt Taubert 1933 eintrat zunaumlchst alsReferatsleiter zustaumlndig fuumlr gtAktivpropaganda gegen dieJudenlt Von 1942 an Chef des gtGeneralreferats Ostraumlt dane-ben seit 1938 auch Richter am 1 Senat des beruumlchtigten gtVolks- gerichtshofslt und beteiligt an Todesurteilen gegen Wider-standskaumlmpfer Auszligerdem lieferte Ministerialrat Dr TaubertText und Idee zu dem 1940 uraufgefuumlhrten Hetzfilm raquoDer ewigeJudelaquo worin die in KZs und Gettos eingepferchten Juden mitRatten und anderem raquolebensunwertemlaquo Ungeziefer verglichenwurden 1945 tauchte der als Kriegsverbrecher gesuchte DrTaubert mit Hilfe westlicher Geheimdienste zunaumlchst unterum 1950 jedoch in Bonn wieder auf leitete die Kalte Kriegs-Propaganda gegen die DDR dann fuumlr VerteidigungsministerFranz Josef Strauszlig den Aufbau der psychologischen Kriegfuumlh-rung bei der Bundeswehr Scharfe Proteste des Zentralrats derJuden fuumlhrten dazu daszlig Strauszlig sich von Dr Taubert offizielltrennen muszligte und dieser trat dann als Leiter der Rechtsabtei-lung und des Persoumlnlichen Buumlros von Konsul Dr Fritz Riesbeim raquoPegulanlaquo-Konzern in Frankenthal ein In enger Abstim-mung mit Ries und sowie mit finanzieller Hilfe ausBonn und von etlichen Industriellen leitete Dr Taubert dieHetzkampagnen gegen Willy Brandt und den Aufbau ultrarech-ter und neonazistischer Gruppen und Presseorgane)

Und schlieszliglich zaumlhlte zu den Gaumlsten des Dr Ries aufSchloszlig Pichlarn auch

dent in Muumlnchen und er fand in der Berichterstattung deroumlsterreichischen Presse uumlber die Gaumlste auf Schloszlig Pichlarndamals die meiste

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Was die steiermaumlrkischen Zeitungen indessen nicht wuszligtenDer CSU-Chef Strauszlig und Konsul Dr Ries waren damalslaumlngst Duzfreunde und uumlberdies hatte Dr Ries die Ehefrau sei-nes Spezis Frau Marianne Strauszlig geborene Zwicknagl zu sei-ner Teilhaberin gewonnen dies uumlbrigens ohne daszlig es FrauStrauszlig einen Pfennig gekostet haumltte

Frau Strauszlig war in die am 23 Februar 1971 gegruumlndete Ries-Gesellschaft raquoDyna-Plastiklaquo in Bergisch-Gladbach eingetretenlaut Handelsregister zunaumlchst mit einer Kommanditeinlagevon 304 500 DM was damals einer Beteiligung von etwa 14 Pro-zent entsprach 1973 wurde das raquoDyna-Plastiklaquo-Kapitel erhoumlhtwobei der Anteil von Frau Strauszlig auf 406 000 DM oder 16 Pro-zent Kapitalanteil stieg Frau Strauszlig hatte jedoch weder dieerste Einlage noch die spaumltere Erhoumlhung einzuzahlen brau-chen diese sollten sich vielmehr raquoaus den Gewinnen auffuumlllenlaquo

im Klartext Dr Ries hatte der Frau seines so einfluszligreichenDuzfreundes ein kleines Geschenk gemacht eine erst 14-dann 16prozentige Beteiligung an einer gutgehenden Konzern-Tochtergesellschaft wohl in der richtigen Annahme daszlig kleineGeschenke die Freundschaft erhalten weshalb weitere aumlhnli-

Beteiligungen der Frau Marianne Strauszlig an bluumlhendenUnternehmen der Ries-Gruppe folgten

Die enge Freundschaft des CSU-Bosses dessen Bewunde-rung fuumlr die unternehmerischen Leistungen des Dr Ries unddie Beteiligung von Frau Marianne Strauszlig am Ries-Konzerndessen finanzielle Grundlagen ja wie wir bereits wissen min-destens teilweise in Auschwitz im Getto von Lodz (Litzmann-

sowie in weiteren Leidensstaumltten der versklavten Judengelegt worden waren erklaumlren vielleicht das von der raquoFrankfur-ter Rundschaulaquo 1969 zitierte Strauszlig-Wort (von dem er erst etwazwei Jahre vor seinem Tod abgeruumlckt ist) raquoEin Volk das diesewirtschaftlichen Leistungen erbracht hat hat ein Recht

Helmut Kohl beobachtete das raquoTechtelmechtellaquo seinesFreundes Dr Ries mit dem CSU-Boszlig Strauszlig von Mainz ausmit sehr gemischten Gefuumlhlen Nicht zuletzt dank der Start-hilfe und langjaumlhrigen Foumlrderung durch Dr Ries hatte er esdort inzwischen zum Ministerpraumlsidenten gebracht Ende Mai

1970 auch schon seine Kandidatur fuumlr den CDU-Bundesvorsitzangemeldet sich aber im Oktober 1971 auf dem CDU-Parteitageine Abfuhr geholt statt seiner war Rainer Barzel gewaumlhlt wor-den Kohl war jedoch entschlossen es nochmals zu probierenund 1975 zugleich ein noch houmlheres Ziel anzustreben naumlmlichKanzlerkandidat der Union zu werden und spaumltestens dannwuumlrde er in Strauszlig seinen gefaumlhrlichsten Rivalen haben

Indessen haumltte ihn sein langjaumlhriger Goumlnner Dr Ries schondamals beruhigen koumlnnen Ries und seine Freunde aus derbundesdeutschen Konzernwelt hatten bereits ganz bestimmtePlaumlne und tatsaumlchlich waren sie sich schon darin einig gewor-den es mit Helmut Kohl als Kanzlerkandidaten zu versuchenwogegen sie nach langem Hin und Her den CSU-Chef FranzJosef Strauszlig als zwar sehr nuumltzlich im Ruumlstungszentrum Muumln-chen aber als raquowenig geeignetlaquo als Regierungschef in Bonnangesehen und von der Liste der moumlglichen Kanzlerkandida-ten gestrichen hatten Allerdings auch darin waren sich dieHerren des Groszligen Geldes einig geworden sollte HelmutKohl raquoeine intellektuelle Stuumltzelaquo erhalten Denn so unbestrit-ten Kohls demagogische Talente und sein ruumlcksichtsloser Ge-brauch der Ellenbogen waren so wenig vertraute man seinengeistigen Faumlhigkeiten

Deshalb war ebenfalls auf Schloszlig Pichlarn schon zuBeginn der siebziger Jahre entschieden worden dem Dr Kohlfuumlrs kuumlnftige Kanzleramt eine raquoNummer zweilaquo an die Seite zustellen einen wie der damalige Hauptbeteiligte es nannte raquoIntelligenzbolzenlaquo der Kohls erkennbares intellektuellesDefizit ausgleichen und in Wahrheit raquodie Richtlinien der Poli-tiklaquo bestimmen sollte Wieder war es Dr Fritz Ries der von denganz groszligen Bossen dazu ausersehen wurde einerseits dieschon erkorene raquoNummer zweilaquo auf den gemeinsam gefaszligtenPlan raquoeinzustimmenlaquo andererseits seinem Schuumltzling Kohlklarzumachen daszlig er solche raquointellektuelle Stuumltzelaquo brauchenwuumlrde und zu akzeptieren haumltte denn schlieszliglich wolle er dochder Nachfolger Adenauers und womoumlglich sogar Bismarckswerden Auch diese so erklaumlrte der gewiefte GeschaumlftsmannDr Ries dem unbedarften Doktor der Geschichte Kohl haumltteneine graue Eminenz im Kanzleramt gehabt der eine seinen

Staatssekretaumlr Dr Globke der anderen seinen Geheimrat vHolstein

Helmut Kohl schien-wie eine Zeugin dieses Gespraumlchs sichdeutlich erinnert zwar uumlber Adenauers Staatssekretaumlr imKanzleramt Dr Hans Maria Globke Bescheid zu wissen eswar ihm wohl nicht entgangen daszlig dieser Dr Globke bis zuAdenauers Ruumlcktritt im Jahre 1963 die Bonner Personalpolitikvon der Gruumlndung der BRD an maszliggeblich beeinfluszligt auchdie westdeutschen Geheimdienste geleitet und zugleich dasVertrauen des hohen katholischen Klerus genossen hatte (diesuumlbrigens auch schon zur Zeit der Nazi-Diktatur als damaligerJudenreferent des Reichsinnenministeriums erst unter dem1946 in Nuumlrnberg als Hauptkriegsverbrecher hingerichteten -Dr Wilhelm Frick dann unter dessen Nachfolger dem raquoReichs-fuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler weshalb er selbst als Nr 101 aufder Kriegsverbrecherliste der Alliierten verzeichnet gewesenwar)

Aber Helmut Kohl hatte wie er dem Konsul Dr Ries freimuuml-tig gestand von einer raquograuen Eminenzlaquo Bismarcks namensFriedrich v Holstein noch nie etwas gehoumlrt was von seinemvaumlterlichen Freund und Goumlnner schmunzelnd zur Kenntnisgenommen worden war und er hatte dann gesagt Kohl muumlssenoch einiges lernen Spitzenpolitiker brauchten genau wie dieInhaber groszliger Unternehmen hochintelligente und fleiszligigeRatgeber zumal dann wenn diplomatische Meisterstuumlckegefordert seien Dabei gab er Kohl augenzwinkernd zu verste-hen daszlig Intelligenz Fleiszlig und diplomatisches Geschick nichtgerade zu dessen hervorstechenden Eigenschaften zaumlhlten

Wie Konsul Dr Ries dann die heikle Aufgabe loumlste demkuumlnftigen Kanzlerkandidaten des Groszligen Geldes eine vonihm und seinen maumlchtigen Freunden ausgesuchte -raquoNummerzweilaquo schmackhaft zu machen verdient uneingeschraumlnkteBewunderung und wird im uumlbernaumlchsten Kapitel geschildertwerden

Doch zunaumlchst lieszlig Ries seinen Schuumltzling Kohl im unklarendaruumlber wen er fuumlr ihn als raquointellektuelle Stuumltzelaquo im Augehatte Er ging statt dessen so erinnert sich die Zeugin deutlichzu seinem Lieblingsthema uumlber und lobte die geniale Strategie

des raquoReichsgruumlnderslaquo Bismarck Man muumlsse sie den gewandel-ten Verhaumlltnissen und der abermaligen Notwendigkeit wirt-schaftlicher Expansion diesmal nicht mit militaumlrischen Mit-teln geschickt anpassen Ein raquoUumlberrollen der Zone bei derersten Gelegenheitlaquo bezeichnete Dr Ries damals als raquodurchausmachbarlaquo und er sah sein aufmerksam lauschendes politischesZiehkind Helmut Kohl bereits als raquomoumlglichen Eisernen Kanz-ler dieser neuen oumlkonomischen Groszligmachtlaquo

Was nun diese heute fast prophetisch anmutenden Visio-nen des Dr Fritz Ries zu Beginn der siebziger Jahre angeht sowaren sie damals bei westdeutschen Industriellen seines Altersund Schlages durchaus keine Seltenheit Ratgeberwie Dr Eber-hard Taubert und andere fruumlhere raquoOstraumlaquo-Experten bestaumlrk-ten ihre Brotherren fleiszligig in solchen Wunschtraumlumen undwas die Bismarck-Schwaumlrmerei des Dr Ries betraf so war sieebenfalls in Mode zumal in konservativen Kreisen und bei

raquoAlten Herrenlaquo schlagender StudentenverbindungenWarum das bedarf einer kurzen Erlaumluterung

Kurzer Ausflug in die deutscheGeschichte

Der erste deutsche Reichskanzler der Neuzeit Otto v Bis-marck mit dem Helmut Kohl gern verglichen werden moumlchtefuumlhrt in manchen Geschichtsbuumlchern den Beinamen raquoEisernerKanzlerlaquo weil er mit groszliger Energie und meist im Alleingangoft gegen die Volksmeinung und die Parlamentsmehrheit mit-unter auch gegen die Wuumlnsche und Absichten des Staatsober-haupts seine eigene Politik verfolgte Diese war darauf gerich-tet durch eine Reihe von Eroberungskriegen und geschickteraquoVereinnahmungenlaquo das Koumlnigreich Preuszligen dessen Regie-rungsgeschaumlfte er von 1862 an fuumlhrte zur staumlrksten Macht inEuropa werden zu lassen

Dieses Preuszligen war bis zum Untergang der Hohenzollern-Monarchie im Jahre 1918 ein besonders reaktionaumlrer und milita-ristischer Obrigkeitsstaat wo adlige Groszliggrundbesitzer soge-nannte Junker zu denen auch Bismarck gehoumlrte den Ton anga-ben und alle houmlheren Posten in Staat und Armee besetzt hiel-ten Bei seinem Eintritt in die Politik machte sich der junge Bis-marck mit der Feststellung bekannt raquoIch bin ein Junker undwill meinen Vorteil davon habenlaquo Indessen war er trotz dieserArroganz sehr intelligent und weit gebildeter als die allermei-sten seiner Standesgenossen

Fuumlr das Abgeordnetenhaus des Junkerstaats Preuszligen demer angehoumlrte galt - bis 1918 - ein Dreiklassenwahlrecht ZweiDrittel aller Erwachsenen durften ohnehin nicht waumlhlen weilsie entweder Frauen oder unter 25 oder Empfaumlnger oumlffentlicherBeihilfen waren oder keinem eigenen Haushalt vorstandenDas uumlbrige Drittel war in drei Klassen eingeteilt Die wenigenHoumlchstbesteuerten die mittleren Steuerklassen und die Masseder Niedrigstbesteuerten waumlhlten jeweils die gleiche Anzahlvon Wahlmaumlnnern die ihrerseits gemeinsam den Abgeordne-ten des Bezirks bestimmten Damit war garantiert daszlig die Rei-

und Wohlhabenden immer das Sagen hatten der breiteMittelstand unterlegen blieb und die Masse des Volkes gar kein-nen Einfluszlig auf die Zusammensetzung des Parlaments aus-uumlben konnte

Trotz dieser voumlllig undemokratischen Verhaumlltnisse vermoch-te Bismarck als er 1862 preuszligischer Ministerpraumlsident gewor-den war in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit nur gegendas Parlament und an diesem vorbei zu regieren weil auch denwohlhabenden Buumlrgern Preuszligens seine auf Krieg gerichtetePolitik und die enormen Ruumlstungsausgaben verhaszligt warenErst als Bismarck ihnen durch umfangreiche Eroberungen denersehnten groumlszligeren Markt und stark vermehrten Profit be-schert hatte waren auch die meist nationalliberalen Besitz-buumlrger von ihm begeistert

Durch drei Angriffskriege 1864 im Buumlndnis mit Oumlsterreichgegen das kleine Daumlnemark 1866 gegen den Deutschen Bundund dessen Vormacht Oumlsterreich gegen Frankreich verwirklichte Bismarck seine kuumlhnen Plaumlne und man nanntedies (und nennt es wohl noch heute) sein raquoEinigungswerklaquoDabei hatte er in Wahrheit keineswegs alle Deutschen in einemNationalstaat vereinigt vielmehr rund ein Fuumlnftel aller Deut-schen Mitteleuropas ausgesperrt Die uumlber zehn MillionenDeutschoumlsterreicher von Nordboumlhmen bis Suumldtirol waren alsgeschlagene raquoFeindelaquo nicht in das 1871 gegruumlndete DeutscheReich aufgenommen worden Dafuumlr zaumlhlte das Bismarck-Reichunter seinen damals 42 Millionen Einwohnern uumlber vier Millio-nen Nichtdeutsche darunter knapp drei Millionen raquoMuszligpreu-szligenlaquo polnischer Muttersprache je rund 150 000 Litauer ren und Kaschuben knapp 200000 Daumlnen sowie annaumlhernd300 000 Franzosen und Wallonen Sie waren durch Eroberun-gen preuszligische Untertanen geworden oder lebten im annek-tierten von Preuszligen beherrschten raquoReichslandlaquo Elsaszlig-Lothrin-gen Uumlberhaupt war das von Bismarck geschaffene DeutscheReich in Wahrheit nur ein vom stark vergroumlszligerten Preuszligen be-herrschtes Wirtschaftsgebiet dessen nichtpreuszligische Teile einegewisse Scheinsouveraumlnitaumlt genossen Die Bezeichnung raquoDeut-

Reichlaquo war eine geschickte Taumluschung weil das mittel-europaumlische Reich des Mittelalters das in der Neuzeit

gen worden und 1806 auch formal untergegangen war einegaumlnzlich andere Struktur und Bedeutung auch keine wirklicheZentralgewalt keine staumlndige Hauptstadt zudem flieszligendeGrenzen gehabt hatte und weder zum Reich noch zum Deut-schen Bund der von 1815 bis 1866 bestanden hatte war daseigentliche Preuszligen je gerechnet worden

Mit dem raquoBlitzkrieglaquo Preuszligens gegen den Deutschen Bundhatte Bismarck diesen zerschlagen Oumlsterreich in Deutschlandentmachtet und daraus verdraumlngt Preuszligen aber stark vergrouml-szligert um Schleswig-Holstein das Koumlnigreich Hannover Hes-sen-Kassel Hessen-Nassau und die Reichsstadt Frankfurt amMain - so daszlig dieser von ihm regierte Hohenzollernstaat dersich einige Jahrzehnte zuvor schon halb Sachsen und dasRheinland einverleibt hatte nun zu einer Mitteleuropa beherr-

gegen Frankreich wurde Preuszligen-Deutschland zur staumlrkstenMacht auf dem Kontinent vereinnahmte Lothringen und dasElsaszlig gruumlndete das nun von Berlin aus regierte DeutscheReich und gliederte diesem zur Verstaumlrkung des preuszligischenUumlbergewichts Ost- und Westpreuszligen sowie das Groszligherzog-tum Posen an

Noch 23 Jahre zuvor nach der Maumlrzrevolution von 1848 warder damalige Preuszligenkoumlnig Friedrich Wilhelm IV unter demDruck der demokratischen Erhebung der Berliner zu der Erklauml-rung gezwungen gewesen raquoPreuszligen geht fortan in Deutsch-land auflaquo Das hatte dem Wunsch der groszligen Mehrheit entspro-chen die ein demokratisches im Frieden mit den Nachbarnlebendes Deutschland ohne Fuumlrsten und Kleinstaaterei gefor-dert hatte

Aber die demokratische Revolution war dann von preuszligi-schem Militaumlr niedergewalzt worden unter dem Befehl jenesPrinzen Wilhelm den Bismarck 1871 zum Deutschen Kaiserproklamieren lieszlig als es ihm gelungen war Deutschland inPreuszligen aufgehen zu lassen unter Fortbestand der Adelspri-vilegien und der Scheinsouveraumlnitaumlt von 26 deutschen Klein-

Dieses von Bismarck geschaffene und dann noch fast zweiJahrzehnte lang regierte Hohenzollernreich erfuumlllte die

der Industrie und Handels war aber nach obrigkeits-staatlichen autoritaumlren gaumlnzlich undemokratischen Grundsaumlt-zen aufgebaut Adel Militaumlr und im Bunde mit diesen die Her-ren der sich stuumlrmisch entwickelnden Industrie gaben den Tonan Die immer staumlrker werdende Opposition der ausgebeutetenIndustriearbeiterschaft versuchte Bismarck durch die raquoSoziali-stengesetzelaquo mundtot zu machen und die Sozialdemokratiesamt ihren Gewerkschaften zu zerschlagen vergeblich dennbeide wurden noch um vieles staumlrker Deshalb wurde dieArmee abermals vermehrt denn sie sollte auch den raquoinnerenFeindlaquo in Schach halten

Erfolgreich war Bismarck hingegen mit seiner DiplomatieSie war darauf gerichtet sein raquoDeutsches Reichlaquo genanntesGroszligpreuszligen zu festigen und das Risiko weiterer Kriege zu ver-meiden Diese kluge Zuruumlckhaltung wurde nach BismarcksSturz im Jahre 1890 schon bald aufgegeben Kaiser Generalitaumltund Groszligkapital draumlngten auf weitere Machtausdehnung Siewollten die Vorherrschaft nicht allein auf dem europaumlischenKontinent sondern auch auf den Meeren Dem unausweichli-chen Konflikt mit allen anderen Groszligmaumlchten den dieses Stre-ben nach Weltherrschaft heraufbeschwor sah die deutscheFuumlhrung siegesgewiszlig

Indessen endete der Erste Weltkrieg 1918 mit der militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Zusammenbruch derHohenzollern-Monarchie Im selben Spiegelsaal des VersaillerSchlosses wo das Bismarck-Reich gegruumlndet worden warwurde 47 Jahre spaumlter dessen Untergang besiegelt und Deutsch-land auf die Grenzen zurechtgestutzt die dann bis 1937 galten

Die Kriegstreiber von 1914 und die konservative deutscheRechte wollten sich jedoch weder mit diesen raquounrechtmaumlszligigenlaquoGrenzen noch mit den uumlbrigen Folgen der militaumlrischen Nie-derlage von 1918 abfinden Deutschlands Abruumlstung und dieHerstellung demokratischer und sozial gerechterer Verhaumllt-nisse waren ihnen ein Greuel Die Herren des Groszligen Geldeszumal die der Ruumlstungsindustrie im Bunde mit den Militaumlrsund den um ihre verlorenen Privilegien trauernden preuszligi-schen Junkern betrieben fortan den Sturz der Republik Siefinanzierten rechte und ultrarechte Kampforganisationen vom

raquoStahlhelmlaquo bis zur SS schufen einen deutschnationa-len Presse und Filmindustrie weitgehend beherrschenden Pro-pagandaapparat und nutzten die Weltwirtschaftskrise die inDeutschland ihren Houmlhepunkt erreichte der durchMassenarbeitslosigkeit und Elend geschwaumlchten Republiknach nur vierzehn Jahren ihres Bestehens den Garaus zumachen

Die Nazi-Diktatur die sie Anfang 1933 errichteten unddurch rechtskonservative Fachleute ihres Vertrauens unterKontrolle zu halten hofften war aber von noch kuumlrzerer DauerAnfangs erfuumlllten die Nazis zwar die vom Groszligen Geld in siegesetzten Erwartungen Sie zerschlugen sofort und mit aumluszliger-ster Brutalitaumlt die Gewerkschaften und die miteinander verfein-deten Linksparteien beseitigten die Tarifautonomie dieBetriebsraumlte das Streikrecht und begannen sogleich mit massi-ver Aufruumlstung Auch der Krieg den Hitler 1939 vom Zaunbrach brachte anfangs die erhofften Eroberungen und Ausbeu-tungsmoumlglichkeiten Aber er endete wie nicht anders zu erwar-ten gewesen war nach sechs Jahren des Grauens und der Ver-wuumlstung groszliger Teile Europas mit der vollstaumlndigen militaumlri-schen Niederlage Deutschlands und dem Untergang der Nazi-Diktatur in Schutt und Schande

45 Jahre lang war das uumlbriggebliebene Deutschland erst invier Besatzungszonen dann in zwei selbstaumlndige jahrzehnte-lang keine Beziehungen zueinander unterhaltende Staaten auf-geteilt die entgegengesetzten gesellschaftlichen und politi-schen Systemen angehoumlrten

Konrad Adenauer erster Bundeskanzler von 1949 bis 1963zog aus den Gegebenheiten politische Konsequenzen die sei-ner Herkunft Erfahrung und Grundeinstellung entsprachenEr wurzelte noch im 19 Jahrhundert und hatte die ersten 42Jahre seines Lebens unter dem autoritaumlren Regime des wilhel-minischen Kaiserreichs verbracht Er war Rheinlaumlnder Katho-lik Mitglied der katholischen Zentrumspartei wo er dem eherrechten Fluumlgel angehoumlrte der im Sozialismus den Erzfeind imFaschismus einen moumlglichen Verbuumlndeten sah 1929 als Mus-solini der den italienischen Arbeiterfuumlhrer Giacomo Mateottikurz zuvor hatte ermorden lassen seinen Frieden mit dem

Vatikan machte telegrafierte ihm Adenauer damals Koumllner

staben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragenlaquo1919 nach dem Untergang der Hohenzollern-Monarchie hatteAdenauer schon mit dem Gedanken geliebaumlugelt Westdeutsch-land vom sozialistisch regierten Reich abzuspalten und es alsstarken Partner in eine katholisch-konservative Wirtschafts-union der westlichen Nachbarn Belgien Luxemburg undFrankreich einzubringen 1945 nahm er diese Plaumlne sogleichwieder auf

raquoNach meiner Ansichtlaquo erklaumlrte Adenauer am 5 Oktober1945 raquosollten die Westmaumlchte die drei Zonen die sie besetzt hal-ten tunlichst in einem rechtsstaatlichen Verhaumlltnis zueinanderbelassen Das Beste waumlre wenn die Russen nicht mittun wollensofort wenigstens aus den drei westlichen Zonen einen Bundes-staat zu bildenlaquo Es konnte ihm also mit der Teilung Deutsch-lands gar nicht schnell genug gehen und er fuumlgte dann noch

einem solchen westdeutschen Bundesstaat zu genuumlgen muumlszligteman die Wirtschaft dieses westdeutschen Gebiets mit der Frank-reichs und Belgiens so eng wie moumlglich verflechtenlaquo

Es war indessen nicht allein Adenauers Sympathie fuumlr einenges Buumlndnis mit den katholischen Nachbarn oder seine tiefeAbneigung gegen alles auch nur entfernt Sozialistische die ihnauf eine Spaltung Restdeutschlands in einen kapitalistischenWeststaat und einen den Sowjets uumlberlassenen Oststaat hinar-beiten lieszlig Vielmehr war er auch obwohl zwoumllf Jahre lang Prauml-sident des Preuszligischen Staatsrats der Weimarer Republik einentschiedener Gegner Preuszligens

raquoWir im Westen lehnen vieles was gemeinhinGeistlt genannt wird ablaquo so hatte er in der raquoWeltlaquo vom 30 vember 1946 erklaumlrt raquoIch glaube daszlig die deutsche Hauptstadteher im Suumldwesten liegen soll als im weit oumlstlich gelegenen Ber-

Sobald aber Berlin wieder Hauptstadt wird wird das Miszlig-trauen im Ausland unausloumlschlich werden Wer Berlin zur neuenHauptstadt macht schafft geistig ein neues Preuszligenlaquo Schon fruuml-her hatte Adenauer Berlin eine raquoheidnische Stadtlaquo genanntPreuszligen als raquoAnfang Asienslaquo bezeichnet Die Schaffung der

Bundesrepublik mit dem linksrheinischen buumlrgerlich-konser-vativen und gutkatholischen Bonn als Hauptstadt und die Ent-muumlndigung der Westberliner in Bundestag und Bundesratwaren ganz nach seinem Herzen und sicherten die Herrschaftseiner Union denn die Hochburgen des katholischen Zen-trums hatten vor 1933 in Gebieten gelegen die nun zur BRDgehoumlrten die der Sozialdemokraten aber uumlberwiegend in dernunmehrigen DDR und in Ostberlin

Wenn Adenauer als Bundeskanzler dennoch bei jeder Gele-genheit von einer zu erhoffenden und zu erstrebenden raquoWie-dervereinigunglaquo sprach und auch raquodie Grenzen vonforderte so waren dies notwendige Zugestaumlndnisse an dieGefuumlhle der fast zwoumllf Millionen Fluumlchtlinge und Vertriebenendie sich in den ersten zehn Jahren in Westdeutschland fremdund benachteiligt fuumlhlten und damals noch auf eine baldigeRuumlckkehr in die fruumlhere Heimat hofften Aber seine tatsaumlchli-che Politik war keineswegs auf eine Wiedervereinigung ausge-richtet vielmehr auf die rasche und alle Bereiche umfassendeIntegration der BRD in das westliche Buumlndnis die er ja auchmit erstaunlichem Erfolg betrieb wogegen er jeden Vorschlagvon oumlstlicher Seite die Einheit Deutschlands wiederherzustel-len dafuumlr auf Aufruumlstung NATO-Mitgliedschaft und Stationie-rung von Atomwaffen zu verzichten als raquokommunistischesBlendwerklaquo energisch zuruumlckwies auch Viermaumlchtegarantienfuumlr ein neutralisiertes Gesamtdeutschland (nach dem MusterOumlsterreichs) als raquoFirlefanzlaquo abtat

Unter Adenauer wurde Anfang der fuumlnfziger Jahre die soge-nannte Hallstein-Doktrin entwickelt Sie beruhte auf demAnspruch der Bundesrepublik allein die Rechtsnachfolge desuntergegangenen Deutschen Reiches angetreten zu haben unddie Interessen aller Deutschen zu vertreten Die DDR war die-ser Doktrin zufolge raquonichtexistentlaquo also staatsrechtlich garnicht vorhanden

Dieser Unfug der auch keinerlei Kontakte auf Regierungs-ebene zwischen Bonn und Ostberlin zulieszlig zementierte dieTeilung Deutschlands und machte es dem stalinistischenRegime Walter Ulbrichts leicht ja uumlberhaupt erst moumlglich sichvoumlllig abzukapseln und einzumauern immer unter Hinweis

eumleth

auf die kompromiszliglos feindselige Haltung Bonns die wach-sende militaumlrische Bedrohung durch die Bundesrepublik unddie Notwendigkeit sich gegen die westdeutsche Propagandaund Agentenflut zu schuumltzen Erst durch Willy Brandt denersten sozialdemokratischen Kanzler wurde von 1969 an eineneue Ostpolitik gewagt und die Hallstein-Doktrin fallengelas-

Die neue von der CDUCSU heftig bekaumlmpfte OstpolitikWilly Brandts mit dem Ziel die friedensgefaumlhrdende Hochruuml-stung abzubauen und die innerdeutschen Beziehungen nichtzuletzt den Reiseverkehr allmaumlhlich zu normalisieren machtedem Kalten Krieg ein Ende und setzte auf raquoWandel durchAnnaumlherunglaquo

Diese Hoffnung erfuumlllte sich im Herbst 1989 Aber es warennun Helmut Kohl dessen Union und deren freidemokratischeKoalitionspartner die ernten konnten was Willy Brandt unddessen politische Freunde nach muumlhseliger Abtragung der inJahrzehnten des Kalten Krieges angehaumluften Hindernissegesaumlt hatten Kohl ohne eigenes Zutun ploumltzlich zum raquoKanzlerder deutschen Einheitlaquo aufgestiegen nutzte seine ChanceNachdem sich die DDR aus eigener Kraft vom Honecker-Regime befreit hatte versprach Kohl deren Buumlrgerinnen undBuumlrgern goldene Berge raquobluumlhende Landschaftenlaquo und gren-zenlose Konsumfreiheit und tatsaumlchlich gelang ihm so derkaum noch erhoffte Wahlsieg im Dezember 1990

Seither haben die Menschen im raquoBeitrittsgebietlaquo der neuenBundeslaumlnder erfahren was es heiszligt brutal und ruumlcksichtslosvereinnahmt und dem raquofreien Spiel der Kraumlftelaquo ausgeliefert zuwerden Sie konnten nicht ahnen daszlig es Helmut Kohl und sei-ner Regierungskoalition nur darum ging (und noch geht) auchoumlstlich der Elbe jene Umverteilung von unten nach ganz obendurchzufuumlhren die in Westdeutschland schon seit Jahren imGange war Dieser Prozeszlig der keinerlei Ruumlcksicht auf die so-zial Schwachen zulaumlszligt dient allein den Interessen der Super-reichen

Denn dafuumlr wurde Helmut Kohl von Konsul Dr Ries derihn von der Schulbank an gefoumlrdert und ihm spaumlter umfangrei-che Hilfe bei seinem politischen Aufstieg verschafft hatte im

Auftrag der Herren des Groszligen Geldes auserwaumlhlt Dafuumlrwurde Kohl an die Spitze der CDU gehievt und mit einem klu-gen Ratgeber versehen der ihn ins Kanzleramt begleiten undKohls Maumlngel zumal die an Intelligenz und Takt ausgleichensollte

Nachdem wie bereits geschildert Rainer Barzels CDU-Chefsessel fuumlr Helmut Kohl mit Hilfe von viel Flick-Geld raquofrei-gefaumlcheltlaquo worden war hatte Dr Ries 1972173 die delikate Auf-gabe den kuumlnftigen Ratgeber behutsam auf dieses Amt vorzu-bereiten seinen Schuumltzling Helmut Kohl auf die fuumlr ihn auser-sehene raquoNummer einzustimmen und beide unter seineFittiche zu nehmen

Zum besseren Verstaumlndnis vorausgeschickt Im Juli 1976 nur13 Monate vor der Entfuumlhrung und schlieszliglichen ErmordungDr Hanns Martin Schleyers durch RAF-Terroristen hatte derAutor dieses Schwarzbuchs ein laumlngeres Gespraumlch mit diesemraquoBoszlig der Bosselaquo der damals Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG Praumlsident der Bundesvereinigung der DeutschenArbeitgeberverbaumlnde (BDA) und Vertrauensmann der Flick-Gruppe war bald darauf auch noch Praumlsident des Bundesver-bands der Deutschen Industrie (BDI) wurde Die Unterhal-tung war auf Wunsch Dr Schleyers zustande gekommen

Bei dem gemeinsamen Mittagessen in einem MuumlnchenerHotel zeigte sich Dr Schleyer ungewoumlhnlich offen Soweit esseine und seiner Freunde politischen Plaumlne betraf erklaumlrte eres sei ein Irrtum zu glauben Franz Josef Strauszlig sei ihr Favoritfuumlr das Kanzleramt raquoEr hat groszlige Qualitaumltenlaquo meinte damalsSchleyer uumlber Strauszlig raquoaber er ist zu unkontrolliert und zuangreifbar laquo

Nun gab es wahrlich Gruumlnde genug den damaligen CSU-Chef fuumlr raquozu angreifbarlaquo zu halten Er stand wie das Landge-richt Muumlnchen ihm bescheinigt hatte raquoim Ruch der Korrup-tionlaquo und seine Laufbahn war seit den fruumlhen fuumlnfziger Jahrenals er Bundesverteidigungsminister Adenauers wurde eineKette von Skandalen und Affaumlren Aber Dr Schleyer hatte wiesich dann herausstellte mit der raquoAngreifbarkeitlaquo des FJS etwasanderes gemeint und dessen skandaloumlse Verquickung von poli-tischer Amtsfuumlhrung und privaten Geschaumlften unter die Rubrikraquozu unkontrolliertlaquo eingeordnet Das ergab sich aus einemZusatz der sinngemaumlszlig etwa besagte Ihm Schleyer sei es egal

Naumlheres daruumlber ist nachzulesen in Bernt Engelmann raquoGroszliges Bundesver-dienstkreuz mit Sternlaquo Steidl Verlag Goumlttingen 1987

daszlig die Leute nun wuumlszligten daszlig er mal SS-Fuumlhrer gewesen seiaber er wolle ja nicht Bundeskanzler werden

Schleyers Bemerkung Strauszlig waumlre als Kanzler raquozu angreif-barlaquo hatte sich also auf dessen Nazi-Vergangenheit bezogenund zwar etwa in der Bedeutung Als Ministerpraumlsident in Bay-ern kann ein Mann wie Strauszlig noch durchgehen aber nicht alsBundeskanzler in Bonn

Zur weiteren Klarstellung Franz Josef Strauszlig leugnete zeit-lebens seine Nazi-Vergangenheit er hatte fuumlr alles ganz harm-lose Erklaumlrungen Gewiszlig er habe dem NSKK angehoumlrt aberdieses NS-Kraftfahrkorps sei unpolitisch gewesen er selbst nurMitglied wegen seiner Leidenschaft fuumlrs Motorradfahren alsStudent habe er einer raquoPflichtorganisationlaquo dem NS Deut-schen Studentenbund (NSDStB) als einfaches Mitglied ange-houmlrt schlieszliglich sei er gegen Kriegsende raquoOffizier fuumlr wehrgei-stige Fuumlhrunglaquo gewesen habe den Soldaten Geschichtsunter-richt erteilt aber als er dann NSFO NS-Fuumlhrungsoffizierhatte werden sollen da habe er abgelehnt und sich dem heimli-chen Widerstand angeschlossen

Tatsaumlchlich ist urkundlich erwiesen daszlig es mit alledem eineganz andere Bewandtnis gehabt hat und Dr Schleyer wuszligteaus eigener Erfahrung daszlig der NSDStB alles andere war alseine harmlose raquoPflichtorganisationlaquo naumlmlich die auf nur5 000 Mitglieder im ganzen Groszligdeutschen Reich strikt be-grenzte Kaderschule fuumlr den SD den gefuumlrchteten Sicher-heitsdienst der SS dem ja auch Dr Schleyer selbst angehoumlrthatte

Wenn aber Hanns Martin Schleyer und die ihm nahestehen-den Kreise damals 1976 von Franz Josef Strauszlig als Kanzler-kandidat nichts hielten wen mochten er und seine Freundedann im Auge haben

Der Autor stellte ihm diese Frage und uumlberraschenderweiseerwiderte Dr Schleyer ohne ZoumlgernraquoWir setzen auf das Tandem KohlBiedenkopflaquo

Professor Kurt Biedenkopf der 1973 zur allgemeinen Uumlber-raschung Generalsekretaumlr des CDU-Bundesvorstands gewor-den war galt als raquoVordenkerlaquo der Union Im uumlbrigen war er fuumlrdie bundesdeutsche Oumlffentlichkeit im Wahljahr 1976 noch ein

unbeschriebenes Blatt Wer sich uumlber den Professor der bislangkein Bundestagsmandat gehabt hatte naumlher informierenwollte fand im raquoWer ist werlaquo folgenden auf eigenen Angabendes Professors beruhenden Eintrag

am 28 Januar 1930 in (Vater Wilhelm -

mitglied der C Rudolf Poensgen-Stiftung Vorsitzender des

- Buchveroumlffentlichungen Aktuelle Grundsatzfragen des Kartell-

beschraumlnkungen und Wirtschaft 1958 Unternehmer und Gewerk-

Diese Angaben waren nicht sehr aufschluszligreich Zunaumlchst lie-szligen sie vermuten daszlig es sich bei Professor Biedenkopf umeinen stillen Gelehrten handelte der im In- und Ausland flei-szligig studiert hatte um dann eine steile Universitaumltskarriere ein-zuschlagen In rascher Folge war er Privatdozent Ordinariusund sogar Rektor der Bochumer Ruhruniversitaumlt gewordendaneben mit zahlreichen Buchveroumlffentlichungen hervorgetre-ten und in Stifterverbaumlnden aktiv gewesen Aber dann hatte ihnploumltzlich die Politik in Beschlag genommen und er war sozusa-gen aus dem Stand CDU-Generalsekretaumlr geworden

Noch ein weiterer Umstand gab dem Leser der Kurzbiogra-phie Raumltsel auf denn es fehlte darin selbst der kleinste Hinweisauf Herkunft Schulzeit Beruf des Vaters und dergleichenMan konnte vermuten daszlig da vielleicht ein schlichtes Proleta-rierkind aus Bescheidenheit oder falscher Scham seinenraschen Aufstieg ein wenig zu verschleiern trachtete

Indessen war Professor Dr Kurt H Biedenkopf beileibe keinsozialer Aufsteiger vielmehr der Sohn des Dipl Ing Wilhelm

Biedenkopf aus Chemnitz Jahrgang 1900 der bis zu seiner Pen-sionierung ordentliches Vorstandsmitglied einer Perle unterden zur Flick-Gruppe gehoumlrenden Unternehmen naumlmlich derraquoDynamit-Nobel AGlaquo in Troisdorf gewesen war zuvor techni-scher Direktor vielfacher Aufsichts- und Beirat waumlhrend desZweiten Weltkriegs auch ein vom raquoFuumlhrerlaquo besonders belo-bigter und belohnter raquoWehrwirtschaftsfuumlhrerlaquo Ganz zufaumllli-gerweise war Vater Wilhelm Biedenkopf zuletzt auch Mitglieddes Beirats jenes Unternehmens in Bergisch-Gladbach daswesentlich zu den Gewinnen des raquoPegulanlaquo-Konzerns beigetra-gen hatte und an dem Frau Marianne Strauszlig die Gattin desCSU-Chefs von Konsul Dr Ries hochherzigerweise mitzuletzt etwa 16 Prozent beteiligt worden war

Ein weiterer Zufall Sohn Kurt der spaumltere CDU-General-sekretaumlr war waumlhrend eines beruflich bedingten Aufenthaltsseines Vaters als die BASF dessen Dienste in Anspruchgenommen hatte anno 1930 in LudwigshafenRh zur Weltgekommen genau wie Helmut Kohl und mit diesem hatte erauch gemeinsam die Volksschule besucht

Dann aber hatten sich ihre Wege getrennt Der aus unbemit-telter Beamtenfamilie stammende Helmut Kohl muszligte sichwie wir bereits wissen recht muumlhsam nach oben hangeln unddabei spielte sein Foumlrderer Dr Ries eine wichtige Rolle KurtBiedenkopf hingegen hatte in den USA politische Wissenschaf-ten in Muumlnchen und Frankfurt Jura und Volkswirtschaft stu-diert zum Doktor der Rechte und zum Master of Law promo-viert sich mit einer Arbeit uumlber raquoDie Grenzen der Tarifautono-mielaquo habilitiert (und damit zugleich die Aufmerksamkeit derKonzernherren und des Arbeitgeberverbands erregt) und war1967 juumlngster Rektor der Bundesrepublik in Bochum gewordenIn den folgenden Jahren hatte er sich gesellschafts- und wirt-schaftspolitisch zu profilieren begonnen raquoIn seinem BekenntnisZU einer funktionsfaumlhigen Marktwirtschaft mit Wettbewerb und

schrieb damals raquoDer Spiegellaquo uumlber ihn raquolaumlszligt ersich von niemandem uumlberbietenlaquo

Weithin bekannt geworden war der Professor aber erst 1968als ihn Bundeskanzler Kiesinger mit der Leitung einer Kommis-sion beauftragte die fuumlr die Bundesregierung die Frage der

betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer untersuchensollte Diese raquoBiedenkopf-Kommissionlaquo wie sie dann genanntwurde rang sich zwar zu einer Wuumlrdigung der gut funktionie-renden paritaumltischen Mitbestimmung in der Montanindustriedurch entschied sich aber gegen die Ausdehnung diesesModells auf die gesamte Wirtschaft wie es GewerkschaftenSPD und CDU-Sozialausschuumlsse gefordert die Unternehmerjedoch als raquoruinoumls fuumlr die Wirtschaftlaquo abgelehnt hatten Iacute raquomiddotnot raquoreg

iquestfrac34raquoreg iquestlaquofrac12 frac14raquosup2 deg iquestregnotraquomiddotraquomiddotsup1 raquosup2 raquosup2 YacuteUumlEuml oacuteIacute plusmnbrvbar middotiquestacuteiquestlaquoshyshy frac12 $shyshy raquosup2 iquest shyfrac14raquoreg pararaquofrac14raquo Uumlraquosup3 plusmnmicroregiquestnotmiddotshy middotraquoreglaquosup2 sup1 frac14raquoreg Eacute middotregnotoacute

shyfrac12 iquestordmnot brvbar laquo frac34raquomicroltsup3 deg ordmraquosup2 shylaquofrac12cedil raquoograveu Umgekehrt fand nun einer dergroumlszligten bundesdeutschen Konzerne die Henkel-Gruppe daszligdieser so unternehmerfreundliche Professor genau der richtigeMann fuumlr sein Topmanagement sei Anfang 1971 konntedenkopf seine akademische Laufbahn vorerst beenden undGeschaumlftsfuumlhrer der Henkel GmbH werden Von diesem Kom-mandoposten des nicht nur im Waschmittelbereich fuumlhrendenChemie-Riesen dessen Eigentuumlmer als Groszligaktionaumlre desDEGUSSA-Konzerns und der NUKEM-Reaktorbau-Holdingbetraumlchtlichen Einfluszlig auf die Wirtschaft und die Politik derBundesrepublik ausuumlben lieszlig sich Professor Biedenkopf zwei-einhalb Jahre spaumlter weglocken und uumlbernahm den Posten desGeneralsekretaumlrs der in die Opposition verbannten CDU

Niemand vermutlich nicht einmal Kurt Biedenkopf selbstwird mit Bestimmtheit sagen koumlnnen wer oder was den Profes-sor dazu bewogen hat sich von der sicheren Kommandobruumlcke

Die NUKEM GmbH in Hanau gehoumlrt zu 35 Prozent der DEGUSSA derenGroszligaktionaumlr die Familie Henkel (raquoPersillaquo usw) ist Die NUKEM GmbH istihrerseits mit 40 Prozent des Kapitals an der ALKEM GmbH Hanau betei-ligt Der Geschaumlftsfuumlhrer dieser Brennelementefabrik Dr Alexanderkoff seit 1963 CDU-Bundestagsabgeordneter sowie vier weitere ALKEM-Manager wurden im Sommer 1986 von der Staatsanwaltschaft beschuldigtraquowesentliche technische Aumlnderungen im Produktionsablauf ohne atomrecht-liche Genehmigungsverfahren vorgenommen und damit die Sicherheit derAnlage verringert zu Warrikoff fanden sich dann andere Verwen-dungsmoumlglichkeiten Geschaumlftsfuumlhrendes Vorstandsmitglied des Wirtschafts-verbandes Kernbrennstoff-Kreislauf Vorsitzender des Verwaltungsrates derNVD -Nukleare Versicherungsdienst GmbH Bundesvorstandsmitglied desCDU-Wirtschaftsrates

des Henkel-Konzerns in die Wogen der Politik zu stuumlrzen Ver-buumlrgt ist jedoch daszlig Konsul Dr Fritz Ries dem Wunsch seinerGaumlste auf Schloszlig Pichlarn und inbesondere dem seines altenFreundes Hanns Martin Schleyer doch einen raquoIntelligenzbol-zenlaquo zu finden der bereit und imstande waumlre Helmut Kohlsdeutliche Maumlngel auszugleichen sowie beide auf ihre gemein-same Rolle raquoeinzustimmenlaquo mit Eifer und Geschick nachge-kommen ist

Vom Herbst 1972 an organisierte Dr Ries auf seiner steier-maumlrkischen Besitzung sogenannte raquoPichlarner TopmanagerGipfeltreffenlaquo die sich bald groszliger Beliebtheit erfreutenDenn die zur Ries-Besitzung gehoumlrende ProminentenherbergeraquoSchloszlighotel Pichlarnlaquo eignete sich vorzuumlglich dazu das Ange-nehme mit dem Nuumltzlichen zu verbinden

Nuumltzlich waren die Bekanntschaften die man dort machenkonnte denn zu den Pichlarner Gaumlsten gehoumlrten PolitikerIndustriekapitaumlne Bankiers Praumllaten und Militaumlrs nuumltzlichwaren auch die Vortraumlge die man dort houmlren konnte und dieanschlieszligenden Diskussionen und nuumltzlich war schlieszliglichauch die Moumlglichkeit die Pichlarn bot sich im Fitness-Zen-trum in der Schwimmhalle beim Golfspiel zu Pferde oder imJagdrevier vom Streszlig des Alltags zu erholen und die uumlberfluumlssi-gen Pfunde wegzutrimmen Angenehm waren die schoumlne Um-gebung die gepflegte Gastronomie und nicht zuletzt die rei-zende Betreuung teils durch attraktive Hostessen teils durchdie nicht minder liebenswuumlrdigen Toumlchter des Hauses

Kein Wunder also daszlig auch Professor Kurt Biedenkopf gernder Einladung folgte an solchen raquoPichlarner Topmanager-Gip-feltreffenlaquo teilzunehmen und da er wie man der steiermaumlrki-schen raquoSuumld-Ost-Tagespostlaquo damals entnehmen konnte dermit Abstand raquoprominenteste auslaumlndische Teilnehmer und Vor-tragendelaquo dieser Veranstaltungen war ist es leicht begreiflichdaszlig ihm die ganz besondere Fuumlrsorge des Schloszligherrn Dr Riesund seiner bei diesen Treffen stets anwesenden Tochter IngridKuhbier galt Beide lieszligen es sich nicht nehmen Professordenkopf nicht nur als bloszligen Dozenten prominenten Teilneh-mer der raquoGipfeltreffenlaquo und Hotelgast zu behandeln sondernvielmehr als einen engen Freund der Familie

In der Folgezeit - Kurt Biedenkopf war nun schon General-sekretaumlr der CDU geworden vertieften sich diese Beziehun-gen noch Man besuchte sich haumlufiger man telefonierte vielmiteinander und fuumlr die Zeit nach der Bundestagswahl 1976wurden in Pichlarn Frankenthal und Bonn gewisse Uumlberra-schungen erwartet die des ruumlhrigen Konsuls Ansehen und Ein-fluszligmoumlglichkeiten weiter vermehren wuumlrden

Es dauerte jedoch bis 1980 die Wahlen des Herbstes 1976brachten der von Helmut Kohl als Kanzlerkandidat von KurtBiedenkopf als CDU-Generalsekretaumlr gefuumlhrten Union nichtden erhofften Wahlsieg und sowohl Konsul Dr Ries als auchHanns Martin Schleyer weilten schon nicht mehr unter denLebenden bis die Beziehungen Biedenkopfs zur Ries-TochterIngrid nunmehr geschiedener Kuhbier auch standesamtlichbeurkundet wurden Professor Biedenkopf inzwischen eben-falls geschieden von seiner Ehefrau Sabine die ihm vier Kindergeboren hatte heiratete also die mit ihm schon so langebefreundete Ries-Tochter (und Mitgesellschafterin von FrauMarianne Strauszlig bei der raquoDyna-Plastiklaquo und anderen raquoPegu- lanlaquo-Konzerntoumlchtern) In damaligen Ausgaben des Prominen-ten-Lexikons raquoWer ist werlaquo verschwieg Kurt Biedenkopf aller-dings (und verschweigt noch immer) daszlig seine zweite Ehefrauebenfalls geschieden und eine Tochter des verstorbenen Kon-suls Dr Ries ist Dort lautete der auf eigenen Angaben beru-hende Eintrag verheiratet in 2 Ehe mit Ingrid geborenerKuhbierlaquo wo es doch richtig heiszligen muumlszligte raquo mit Ingridgeb Ries gesch Kuhbier raquoOb er sich nun seiner neuen fami-liaumlren Beziehungen zu dem toten Industriellen schaumlmte dereinen bedeutenden Teil seines Vermoumlgens der Ausbeutung vonZwangsarbeitern in und um Auschwitz und Lodz zu verdankenhatte oder ob es ihm fuumlr einen prominenten Christdemokratenunschicklich erschien allzu viele Scheidungen bekannt werdenzu lassen bleibt Kurt Biedenkopfs Geheimnis

Nach Auskunft des Testamentsvollstreckers des 1977 verstor-benen Konsuls Dr Fritz Ries sind heute weder Frau Ingrid Bie-denkopf geborene Ries oder deren Geschwisternoch die Erbender toumldlich verungluumlckten Frau Marianne Strauszlig am raquoPegulanlaquo- Konzern oder dessen Tochterfirmen beteiligt die raquoPegulan

AGlaquo gehoumlrt heute mehrheitlich der bundesdeutschen Holding-gesellschaft der British American Tobacco Co (BAT) BesagterTestamentsvollstrecker ist uumlbrigens der Muumlnchener Fachanwaltfuumlr Steuerrecht langjaumlhrige CSU-Bundestagsabgeordnete (seit1969 ohne eigenen Wahlkreis aber mit stets sicherem Listen-platz) und heutige GEMA-Chef Professor Dr Reinhold Kreile(zeitweilig Mitglied des CSU-Parteivorstands und -Praumlsidi-ums) der bis zum Verkauf des bundesdeutschen Flick-Imperi-ums auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Konzern-Holding-gesellschaft der raquoFriedrich Flick Industrieverwaltung Kom-manditgesellschaft auf Aktienlaquo in Duumlsseldorf war

Und damit schlieszligt sich nun der Kreis Denn es war der Per-sonalchef der Daimler-Benz AG (damaliger HauptaktionaumlrFlick) zugleich BDI- und BDA-Praumlsident Dr Hanns MartinSchleyer der seinen alten Freund und Bundesbruder KonsulDr Fritz Ries 1972 nach den vergeblichen Versuchen WillyBrandt durch ein konstruktives Miszligtrauensvotum zu stuumlrzenin die Plaumlne einweihte wie der zweite Versuch einer raquoWendelaquogestartet werden sollte

Der gluumlcklose Barzel muszligte Kanzlerkandidatur und CDU-Parteivorsitz aufgeben bekam zum Trost viel Geld groumlszligten-teils von Flick dazu das Groszligkreuz des Verdienstordens derBundesrepublik (spaumlter auch noch einen Ministersessel undsogar das Amt des Bundestagspraumlsidenten bis die Flick-Zah-lungen ruchbar wurden und er zuruumlcktreten muszligte) statt Rai-ner Barzel sollte Helmut Kohl antreten aber nicht allein son-dern auf dem raquoTandemlaquo mit Biedenkopf Dabei war demraquoSchwarzen Riesenlaquo Kohl von dessen Planungs- und Lenkfauml-higkeiten auch die Herren des Groszligen Geldes nicht so rechtuumlberzeugt waren die Rolle des sich abstrampelnden und dabeiimmer froumlhlich laumlchelnden Lieferanten der Antriebskraft zuge-dacht hingegen dem unternehmerfreundlichen und konzern-verbundenen raquoIntelligenzbolzenlaquo Biedenkopf die Rolle desStrategen und Steuermanns

Das raquoTandemlaquo-Team verfehlte aber 1976 das Wahlziel undzerstritt sich auf der Oppositionsbank bei gegenseitigen Schuld-zuweisungen Als Helmut Kohl 1982 im dritten Anlauf und wie-derum durch ein-nun knapp gewonnenes -konstruktives Miszlig-

trauensvotum Helmut Schmidt (SPD) stuumlrzen und endlichim Kanzleramt abloumlsen konnte vollzog er was er vollmundigeine raquogeistig-moralische Wendelaquo nannte ohne Biedenkopfder von 1990 an als Gastprofessor in Leipzig die Studenten dieMarktwirtschaft (und das Fuumlrchten) lehrte und heute Minister-praumlsident von Sachsen ist

Die Erfinder und Bastler des raquoTandemslaquo Ries und Schleyerstarben 1977 Den Nachlaszlig des Kohl-Entdeckers MarianneStrauszlig-Partners und Biedenkopf-Schwiegervaters Ries (undauch den von Marianne Strauszlig die toumldlich verungluumlckte) aberregelte dann wieder der Ranghoumlchste im Flick-Aufsichtsratwas die Frage aufwirft ob es in deutschen Landen seit demErsten Weltkrieg uumlberhaupt irgend etwas in Politik und Wirt-schaft Bedeutsames gegeben hat oder gibt worauf das HausFlick nicht auf die eine oder andere Weise Einfluszlig genommenhat

Natuumlrlich sind sehr reiche Leute daran interessiert daszlig die poli-tischen Entscheidungen ihnen nicht schaden sondern nuumltzendaszlig sie ihre Macht erhalten und ihren Profit mehren beidesnicht einschraumlnken oder gar beseitigen Deshalb versuchen sieauf die politischen Entscheidungsprozesse Einfluszlig zu nehmenteils indirekt beispielsweise uumlber die von ihnen beherrschtenMedien teils direkt und mit dem ihnen vertrautesten Mittelmit viel Geld das sie den Parteien und Politikern spenden vondenen sie sich die beste Vertretung ihrer eigenen Interessenversprechen

Die Grenzen zwischen legitimer Interessenwahrung undmiszligbraumluchlicher oder gar gesetzwidriger Ausuumlbung wirtschaft-licher Macht sind flieszligend Die moralische Beurteilung dessenwas noch als statthaft gelten kann und was nicht wird in derRegel strenger ausfallen als die juristische Wertung die anGesetze gebunden ist und diese werden ja von Politikern for-muliert und beschlossen die nicht nur gewaumlhlte Volksvertretersind sondern auch haumlufig den Einfluumlssen der wirtschaftlichMaumlchtigen unterliegen

Dies vorausgeschickt wollen wir uns nun mit einem Super-reichen beschaumlftigen der sechs Jahrzehnte lang starken Ein-fluszlig auf die deutsche Politik genommen hat Er hat in der Poli-tik stets nur ein Mittel zur Erhaltung der gesellschaftlichenMachtverhaumlltnisse und zur Vergroumlszligerung des eigenen Profitsgesehen Noch heute uumlber seinen Tod hinaus beeinfluszligt dasGeld das er zu Lebzeiten in Politiker und Parteien investiertein erheblichem Maszlige die Bonner Szene und von dort aus dasgesamte politische Geschehen in Deutschland Der Name die-ses Superreichen Friedrich Flick ist zugleich zum Synonymfuumlr den Miszligbrauch wirtschaftlicher Macht geworden

Friedrich Flick kam 1883 in Ernsdorf bei Siegen als Holz-haumlndlersohn zur Welt Mit dem Zeugnis der mittleren Reifeund dem Kaufmannsdiplom begann er 1906 als Prokurist derBremer Huumltte in Geisweid seine Karriere 1913 gerade 30 Jahrealt wurde er Direktor der raquoEisenindustrie zu Menden undSchwertelaquo 1915 im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs wech-selte der zwar wehrpflichtige und kerngesunde Meterlange Direktor Flick der aber als raquounabkoumlmmlichlaquo vom Militaumlr-dienst befreit war in den Vorstand der Charlottenhuumltte zu Nie-derschelden und wurde 1917 deren Generaldirektor

Mit eigenen Ersparnissen und Bankkrediten verschaffte ersich bis 1918 die Mehrheit der Anteile an der Charlottenhuumlttedie am Krieg glaumlnzend verdient hatte Er nutzte diese Gewinnezu Modernisierungen zum Ankauf kleinerer Unternehmensowie zur Anlage riesiger Reserven an Schrott der im Kriegespottbillig zu haben war Auch sparte er Steuern indem er ins-gesamt 17 Millionen Mark Kriegsanleihe zeichnete Genauzwei Tage vor Waffenstillstand als jedem klar wurde daszligDeutschland den Krieg verloren hatte verkaufte Flick diegesamte von seiner Charlottenhuumltte gezeichnete Kriegsan-leihe die dann wertlos wurde zu noch guumlnstigem Kurs underwarb mit dem Erloumls Aktien oberschlesischer Zechen Erkonnte also mit dem Verlauf des Ersten Weltkriegs bei dem diemeisten schwerste Opfer hatten bringen muumlssen fuumlr sich per-soumlnlich sehr zufrieden sein

In den folgenden Jahren der totalen Geldentwertung setzteFlickjede Mark die er einnahm oder sichvon den Banken nochborgen konnte sofort in Sachwerte um tilgte dann seine Schul-den mit voumlllig wertlosem Bargeld ruumlckte aber die heiszligbegehr-ten staatlich subventionierten Erzeugnisse seiner Betriebe nurnoch gegen Devisen Rohstoffe oder Aktien heraus 1924 alsdie deutsche Inflation endete zaumlhlte er zu deren groszligenGewinnern Er war 41 Jahre alt und bereits ein Industriemagnatmit einigen hundert Millionen Mark neuer stabiler Waumlhrungund weitgestreutem Konzernbesitz

geriet die deutsche Stahlindustrie in eine Absatz-krise und muszligte sich in Notgemeinschaftenszligen Der wichtigste Zusammenschluszlig war die raquoVereinigte

Stahlwerke AGlaquo kurz raquoStahlvereinlaquo genannt zu dem sichThyssen Rheinstahl Phoenix und auch Flick zusammenfan-den Fuumlr die Einbringung aller raquoCharlottenhuumlttelaquo-Betriebebekam Flick 20 Prozent der Stahlvereins-Aktien und damitgehoumlrte ihm genau ein Fuumlnftel des neuen Konzerns der seiner-seits fast die Haumllfte der gesamten Stahlerzeugung und rund einDrittel der Kohlefoumlrderung des Deutschen Reiches be-herrschte

Noch erstaunlicher war was folgte Knapp vier Jahre spaumltermitten in der Weltwirtschaftskrise die fast 10 Millionen Deut-sche arbeitslos machte gehoumlrte Flick ploumltzlich die Mehrheitdes raquoStahlvereinlaquo-Kapitals ohne daszlig er auch nur eine Markzusaumltzlich investiert haumltte Er hatte sich dazu eines Tricksbedient der im Grunde ganz simpel war

Die Mehrheit der raquoStahlvereinlaquo-Aktien war im Besitz derraquoGelsenkirchener Bergwerks-AGlaquo (raquoGelsenberglaquo) gewesenWer raquoGelsenberglaquo beherrschte hatte damit auch den raquoStahlver-einlaquo in der Tasche Also verkaufte Flick heimlich seinen raquoStahl-vereinlaquo-Anteil und erwarb mit dem Erloumls raquoGelsenberglaquo-Aktien Das reichte vollauf sich die Kontrolle uumlber raquoGelsen-berglaquo und damit uumlber den ganzen raquoStahlvereinlaquo zu verschaffenund so hatte er ploumltzlich die beherrschende Stellung in derMontanindustrie und damit im gesamten Wirtschaftsleben deskrisengeschuumlttelten Reiches

Das war aber erst ein Zwischenziel seines Plans der groszligeCoup stand noch aus der ihn in den Jahren des Elends und derMassenarbeitslosigkeit zum reichsten Mann Deutschlandsmachen sollte Im November 1931 kam an den Boumlrsen dasGeruumlcht auf der Creacutedit Lyonnais die staumlrkste Bank Frank-reichs wolle sich die deutsche Not zunutze machen und miteinem Schlag die Kontrolle uumlber die Industrie des Ruhrgebietserobern-mit Hilfe der raquoGelsenberglaquo-Mehrheit raquoGelsenberglaquo-Aktien wurden an den Boumlrsen zu nur noch 20 Prozent desNennwerts notiert und die Franzosen sollten schon 100 Pro-zent geboten haben

Diese Geruumlchte an denen kein wahres Wort war alarmier-ten die Presse Alle buumlrgerlichen Blaumltter forderten ein soforti-ges Eingreifen der Reichsregierung die auch eilig zu einer Son-

dersitzung zusammentrat und beschloszlig den Ausverkauf desRuhrgebiets um jeden Preis zu verhindern

Zwar waren die Kassen leer Renten Beamtengehaumllter undUnterstuumltzungssaumltze waren schon drastisch gekuumlrzt wordenAber dennoch darin waren sich Regierung und Reichswehr-Generalitaumlt einig - die Ruhrindustrie durfte nicht den Fran-zosen ausgeliefert werden Also verhandelte Reichsfinanzmi-nister Dr Dietrich ein Liberaler mit Flick und am Endekaufte das arme Reich die raquoGelsenberglaquo-Mehrheit zum Vier-fachen des Kurses (aber immer noch unter dem Preis den dieFranzosen angeblich geboten hatten) Denn Flick wollte alsguter Patriot erscheinen Auszligerdem spendete er dem Finanz-minister Dietrich und dem Kanzler Bruumlning (Katholisches Zen-trum) zusammen rund eine Million Reichsmark fuumlr derenWahlfonds

Dazu ist etwas Grundsaumltzliches anzumerken das nochheute gilt Wenn ein Superreicher einem Politiker viel Geldraquofuumlr Wahlkampfzweckelaquo spendet dann ist es so auch dieAbsicht des Spenders dem Empfaumlnger uumlberlassen was erdamit macht Er kann alles seiner Partei zukommen lassen sichdamit beliebt machen Wahlplakate drucken und kleben lassenHandgelder an Wahlhelfer verteilen doch er kann auch dieSumme fuumlr sich behalten und sein Gewissen -falls vorhandendamit beruhigen daszlig sein des Spitzenkandidaten persoumln-liches Wohl letztlich auch dem Wahlkampf dient Es empfiehltsich dann von erhaltenen 900 000 Mark zunaumlchst 100 000 Markdem Partei-Schatzmeister zu geben mit der Erklaumlrung dies seieine Abschlagszahlung auf eine zu erwartende noch groumlszligereSumme Spaumlter wenn der Wahlkampf vorbei die Parteikasseleer ist kann er dem Schatzmeister noch etwas zukommen las-sen und diesem raten den genauen Gesamtbetrag zu verges-sen und sich nur zu merken daszlig es sich um eine sechsstelligeSumme gehandelt habe die der Parteiboszlig von einem edlenSpender raquobeschafftlaquo und an die Parteikasse abgefuumlhrt haumltteDas eroumlffnet dem Schatzmeister ebenfalls Moumlglichkeitenseine Zweifel und sein etwa vorhandenes Gewissen zu beruhi-gen Alles was der Spender derurspruumlnglichen Summe fuumlr seinGeld erwartet ist die Erfuumlllung seiner Wuumlnsche

Bei der raquoGelsenberglaquo-Transaktion von 1931 bekam Flick fastalles was erwollte das etwa Vierfache dessen was sein Aktien-paket wert war dazu zunaumlchst den Ruhm ungemein patrio-tisch gehandelt und auf den moumlglichen Mehrerloumls in Paris ver-zichtet zu haben Dieser Ruhm verflog jedoch als durchsik-kerte daszlig es ein franzoumlsisches Angebot gar nicht gegebenhatte raquoDie einzig moumlgliche Antwortlaquo schrieb damals ein fuumlh-render Wirtschaftsjournalist raquowaumlre gewesen daszlig die Reichsre-gierung den Schachtelkonzern Charlottenhuumltte-GelsenbergVereinigte Stahlwerke umgehend verstaatlicht haumltte Daruumlberhinaus haumltte der vorliegende Tatbestand Anlaszlig genug gebotenHerrn Flick als Schaumldiger der Interessen des Deutschen Rei-ches zu enteignen

(Dieser Artikel stammte uumlbrigens von dem konservativenProfessor Friedrich Zimmermann der schon damals das Pseu-donym raquoFerdinand Friedlaquo benutzte wie spaumlter als Leitartiklerder Springer-Presse Obwohl sich noch mancher Anlaszlig gebotenhaumltte forderte er nie wieder die Enteignung Flicks was mit des-sen Methoden der raquoPressepflegelaquo zusammenhaumlngen mochte)

Nachdem Friedrich Flick 1931 die Staatskasse um rund 100Millionen Mark aumlrmer gemacht hatte betaumltigte er sich als raquoWirt-

Die ihm verbliebene Unternehmensgruppewurde zum drittgroumlszligten Stahlerzeuger Deutschlands (nachdem raquoStahlvereinlaquo und Krupp) mit eigener Koks- und Kohlen-basis im Ruhrgebiet und knapp 100000 Beschaumlftigten Auchtrat Flick kaum waren die Nazis an der Macht dem exklusivenraquoFreundeskreis des Reichsfuumlhrers SSlaquo bei pflegte dort Bezie-hungen zu den neuen Machthabern besichtigte zusammenmit anderen Wirtschaftsbossen Ordensburgen und KZ-Lagerund uumlberwies alljaumlhrlich dem immer maumlchtiger werdendenraquoReichsfuumlhrer SSlaquo Heinrich Himmler sechsstellige Betraumlge fuumlrdessen private Hobbies Dies war sein bescheidener Dank fuumlrdie vielen Vorteile die die Nazis ihm und den anderen Bossenverschafften die Zerschlagung der Gewerkschaften und Arbei-terparteien von Streiks die Beseitigung der Tarifau-tonomie die Festsetzung niedriger Loumlhne die Einfuumlhrung desraquoFuumlhrerprinzipslaquo in der Industrie wo es nur noch Befehl undGehorsam gab die Steuererleichterungen und Subventionen

zur Foumlrderung der heimischen Wirtschaft und nicht zuletzt diestuumlrmische Nachfrage nach Stahl infolge der von den Nazisbetriebenen Aufruumlstung

Von 1938 an konnte sich Flick auch an der raquoArisierunglaquo juumldi-scher Unternehmen in Deutschland dann auch in Oumlsterreichund der Tschechoslowakei beteiligen ja wurde mit GoumlringsHilfe zum groumlszligten raquoArisierungslaquogewinnler des raquoDritten Rei-cheslaquo (Noch im Nuumlrnberger Kriegsverbrecherprozeszlig lobteGoumlring Herrn Flick sehr zu dessen Leidwesen als raquoabsolut ver-trauenswuumlrdiglaquo und raquosehr groszligzuumlgiglaquo)

Insgesamt spendete Flick den obersten Nazis rund Mil-lionen Mark Dafuumlr bekam er raquoArmisierungslaquomoumlglichkeitennoch und noch Arbeitssklaven fuumlr seine Huumltten und Zechen zuZigtausenden gebot uumlber das groumlszligte private Industrie-Impe-rium Mitteleuropas und wurde der Reichste im GroszligdeutschenReich raquoNiemandlaquo so lobte ihn damals das NS-WochenblattraquoDas Reichlaquo raquohat die Ernennung zum Wehrwirtschaftsfuumlhrermehr verdient als Friedrich Flicklaquo

Allerdings traf Flick schon von 1943 an Vorkehrungen fuumlrden Fall einer deutschen Niederlage Er kannte durch seinenkonzerneigenen Nachrichtendienst die Plaumlne der Alliierten fuumlreine Aufteilung Deutschlands und etwa 16 Monate vor Kriegs-ende begann sein Konzern mit der heimlichen raquoVerlagerunglaquoseiner wertvollsten Besitztuumlmer von Osten nach Westen vorallem in die kuumlnftige amerikanische Zone Waumlhrend der vonGoebbels proklamierte raquototale Krieglaquo noch andauerte und taumlg-lich mehr Opfer an Gut und Blut forderte packten Flick undseine engsten Mitarbeiter bereits ihre Koffer und setzten sichvon Berlin ab Familie Flick (und mit ihr der Sandkastenfreunddes juumlngsten Sohns Friedrich Karl Eberhard v Brauchitsch)zog auf das Hofgut Sauersberg bei Bad Toumllz das als Ausweich-quartier angekauft worden war und dort erwartete Flick dieAnkunft der Amerikaner

Am 13 Juni 1945 wurde der Konzernherr der weit oben aufder Kriegsverbrecherliste stand verhaftet Nach zweieinhalb-jaumlhriger Untersuchungshaft kam er vor das Nuumlrnberger Militaumlr-tribunal zusammen mit seinem Vetter und Vertrauten KonradKaletsch und dem Chef seines Nachrichtendienstes Otto

Steinbrinck Kaletsch wurde freigesprochen Steinbrinck zufuumlnf Flick zu sieben Jahren Gefaumlngnis verurteilt aber schonMitte 1950 waren beide wieder frei Flick hatte seinen 67Geburtstag schon hinter sich aber das Beste in seinem Indu-striellenleben sollte erst noch kommen

Schon im Gefaumlngnis hatte sich Flick mit Hilfe der Unterla-gen die ihm Vetter Kaletsch und sein Anwalt Dr WolfgangPohle (spaumlter Schatzmeister der CSU) allwoumlchentlich brachtenGedanken uumlber den Wiederaufbau seines Konzerns gemachtvon dem im Westen einiges uumlbriggeblieben war derhuumlttelaquo-Konzern in der Oberpfalz die ehedem raquoarisiertenlaquo Hochofenwerke Luumlbeck AG sowie Mehrheitsbeteiligungen ander Harpener Bergbau AG und der Essener Steinkohlenberg-werks AG Treuhaumlnder und Verwalter dieser Reste war uumlbrigensder Bankier Robert Pferdmenges ein enger Freund und Bera-ter Adenauers und Flicks langjaumlhriger Privatsekretaumlr RobertTillmanns saszlig seit 1949 als CDU-Bundestagsabgeordneter inBonn wenig spaumlter als Bundesminister fuumlr besondere Aufga-ben im Kabinett gluumlckliche Umstaumlnde fuumlr den gerade haftent-lassenen fast 70jaumlhrigen Kriegsverbrecher

Der hatte schon von der Gefaumlngniszelle aus den Verkauf sei-ner Ruhrkohlen-Interessen eingeleitet konnte sie sogleichguumlnstig abstoszligen und verfuumlgte im Herbst 1950 uumlber fast eineViertelmilliarde DM an fluumlssigen Mitteln mit denen er sich inzukunftstraumlchtige Industriezweige einkaufte vor allem in dieAutomobil- Maschinen- Papier- und Kunststoff-Industrie

Es wuumlrde Baumlnde fuumlllen wollte man alle Transaktionen schil-dern mit deren Hilfe Flick sein Nachkriegs-Imperium auf-baute Am Ende seines Lebens gehoumlrten ihm jedenfalls dieFeldmuumlhle AG die Maximilianshuumltte eine starke Mehrheit ander Buderus AG in Wetzlar zu deren Konzern auch die Muumln-chener Panzerschmiede Krauss-Maffei zaumlhlte die Dynamit-Nobel AG in Troisdorf sowie ein dickes Paket Daimler-Benz(raquoMercedeslaquo)-Aktien das Anfang der siebziger Jahre alleineinen Wert von mehr als zwei Milliarden DM darstellte

Schon 1958 nur acht Jahre nach Flicks Haftentlassung hatteBundeskanzler Adenauer ihm zum 75 Geburtstag und raquozumgroszligen und staunenswerten Lebenswerklaquo gratuliert

lich konnte man nur staunen was der durch fuumlnfjaumlhrige Kriegs-verbrecherhaft ungebrochene alte Herr in so kurzer Zeit wiederzusammengerafft und wie fest er sein Industriereich im Griffhatte Dagegen war es schlecht bestellt um die Erbfolge Mitseinen beiden Soumlhnen Otto-Ernst und Friedrich-Karl standsich der autokratische Uumlbervater miserabel Erst sollte Otto-Ernst (raquoOElaquo) alles uumlbernehmen Friedrich-Karl (raquoFKlaquo) vomVater raquodas Biirschchenlaquo genannt sollte mit ein paar hundertMillionen abgefunden werden Dann gab es Krach mit raquoOElaquo mehrfache Aumlnderungen des Testaments jahrelange Prozessein denen Vater und Sohn Groszligvater und Enkel Bruumlder undSchwaumlgerinnen vor den Gerichten stritten was Hunderte vonMillionen verschlang schlieszliglich einen Vergleich durch denraquoOElaquo hoch abgefunden endguumlltig ausschied seine beidenSoumlhne sollten sobald sie 28 Jahre alt waren ihre Beteiligungenam Konzern selbst vertreten (wurden aber spaumlter von ihremOnkel raquoFKlaquo abgefunden und ausgebootet) Uumlbrig blieb alskuumlnftiger Alleinherrscher raquodas Buumlrschchenlaquo raquoFKlaquo Er erbtebeim Tode des fast 90jaumlhrigen Vaters im Jahre 1972 das gesamteFlick-Imperium

Zweifel an der Befaumlhigung seines Juumlngsten hatte FriedrichFlick stets gehabt und deshalb Eberhard v Brauchitsch raquoFKslaquoJugendfreund diesem als Generalbevollmaumlchtigten an dieSeite gestellt Aber 1971 ein Jahr vor dem Tod des alten Flickwar es zum Krach zwischen den Freunden gekommen Brau-chitsch hatte ein Angebot von Axel Springer angenommen undwar dessen Generalbevollmaumlchtigter geworden Ein Jahr spauml-ter vom Totenbett des Vaters aus rief raquoFKlaquo wie er nungenannt wurde v Brauchitsch zuruumlck

raquoIn den fruumlhen siebziger Jahrenlaquo so raquoDer Spiegellaquo raquoarbeite-ten gtFKFlt und zunaumlchst bestens zusammen Nach demTod des Alten halfv B die Alleinherrschaft des Sohnes abzusi-chern Dann setzte das Duo zu seinem Herkules-Werk an Umdie Steuerbefreiung fuumlr die Daimler-Milliardenlaquo den Erloumlsdes Verkaufs eines Teils von Flicks Daimler-Benz-Aktienraquodurchzudruumlcken muszligte die traditionelle Spenden-Maschine-rie des Hauses Flick auf houmlchste Touren gebracht werden Geld spielte keine Rolle Die schwarze Kasse quoll uumlber von

jenen Millionen die v Brauchitsch uumlber die katholische SteylerMission dem Staat direkt abgeluchst hatte Doch fehlte es demKonzernchef und seinem Helfer auch nicht an herkoumlmmlichverdientem Geld Kein Wunder denn auch nach dem Ver-kauf der Mehrzahl seiner Daimler-Aktien an einen Oumllscheichwar raquoFKFlaquo noch mit zehn Prozent am Daimler-Konzern betei-ligt es gehoumlrte ihm ein Drittel des US-Konzerns Grace dieFeldmuumlhle AG samt riesigem Auslandsbesitz war 100prozentigin Flick-Eigentum und er hielt weiterhin eine starke Mehrheitam Buderus-Konzern An dessen Muumlnchener Tochter Krauss-Maffei blieb Flick auch nach Verkauf der Waffenschmiede anMBB und den Diehl-Konzern mit zehn Prozent beteiligt undschlieszliglich war auch die Dynamit-Nobel AG zu fast 100 Prozentin Flick-Eigentum

Was aber die laut raquoSpiegellaquo uumlberquellende schwarze Kasseund die beim Auffuumlllen hilfreiche Steyler Mission betraf sowaren die Steuerfahnder Anfang 1982 einem abenteuerlichenGegengeschaumlft auf die Spur gekommen Ein Unternehmendas die Finanzen der katholischen Steyler Mission verwaltetdie raquoSoverdia Gesellschaft fuumlr Gemeinwohl mbHlaquo hatte vomHaus Flick rund 10 Millionen DM an Spenden erhalten aufden ersten Blick ein frommes Werk wie man es von Flick garnicht erwartet haumltte Doch bei naumlherem Hinsehen fanden dieFahnder heraus daszlig Pater Josef Schroumlder der raquoSoverdialaquo-Geschaumlftsfuumlhrer 80 Prozent der erhaltenen Summe gleich wie-der an den Spender bar zuruumlckgezahlt hatte

Dazu damals raquoDer Spiegellaquo raquoFlick-Chefbuchhalter Diehlerinnert sich wurde ich erstmals von (dem da-maligen Flick-Generalbevollmaumlchtigten) Kaletsch angewiesenvon Herrn Pater Schroumlder Geld in Empfang zu nehmen Eshandelte sich um einen Betrag von 800000 DM Mir wardamals klar daszlig zwischen diesem Betrag und der vorher gege-benen Spende (von 1000 000 DM) ein unmittelbarer Zusam-menhang bestand Im folgenden Jahr ereignete sich der gleicheVorgang mit demselben Betrag Insgesamt zehn MillionenMark flossen innerhalb von zehn Jahren an die Soverdiaacht Millionen kamen wieder in Flicks schwarze Kasse zu-ruumlck laquo

Zehn Prozent der Spendensumme durfte die Steyler Mis-sion behalten weitere zehn Prozent gingen an den damaligenCDU-Bundestagsabgeordneten Walter Loumlhr der raquodie Sachelaquoausgetuumlftelt hatte raquoDen besten Schnittlaquo - so raquoDer Spiegellaquoraquoaber machte die Flick-Gruppe Sie strich nicht nur die gehei-men Ruumlckfluumlsse in Houmlhe von 80 Prozent der Spenden ein (undkonnte damit die schwarze Kasse fuumlllen) sondern konnte auchSpendenbescheinigungen uumlber 10 Millionen DM beim Finanz-amt vorlegen Die Steuerverguumlnstigung betrug damals bis zu 51Prozent der Spendensummelaquo im Falle Flick also nochmals einraquoVerdienstlaquo von mehr als fuumlnf Millionen DM

Dennoch war diese krumme Spenden-Angelegenheit nurein vergleichsweise unbedeutender Nebenaspekt des eigentli-chen Skandals des raquoMilliardendingslaquo Denn so die Staatsan-waumllte -mit Unterstuumltzung der zustaumlndigen Bundesminister Fri-derichs und Graf Lambsdorff gewiszlig aber unter Vorspiegelungfalscher Tatsachen erreichte die Flick-Gruppe zu Unrecht eineSteuerbefreiung in Houmlhe von 450 Millionen DM Um 800 Mil-lionen DM aus dem Verkauf von Daimler-Aktien steuerfrei ineine starke Beteiligung an dem US-Chemiekonzern Graceinvestieren zu koumlnnen gab sie dieses Geschaumlft die Verschie-bung der Riesensumme ins Ausland als volkswirtschaftlicheGroszligtat aus

Zum Segen fuumlr die deutsche Wirtschaft so behaupteten dieFlick-Bosse treuherzig verschaffe diese Geldanlage der BRDden ersehnten Zugang zu neuesten amerikanischen Technolo-gien raquoIn Wahrheitlaquo so Spiegellaquo raquopassierte gar nichtsGrate-Praumlsident Peter Grace kehrte von einer Deutschland-Reise mit der Erkenntnis zuruumlck daszlig mit den neuen Eigentuuml-mern zwar Spesen zu machen waumlren aber kein Technologie-transferlaquo

Der Bonner Staatsanwaltschaft die in den Flick-Chefetagenuumlber hundert Aktenordner beschlagnahmte wurde bald auchklar von wem viele der steuersparenden Ratschlaumlge stammtennaumlmlich von einem alten Freund des Hauses Flick Franz JosefStrauszlig Aus dessen Vernehmungsprotokoll konnte raquoDer Spie-gellaquo folgendes zitieren

raquoIch (Franz Josef Strauszlig) habe wie angegeben HerrnFlick vor etwa acht Jahren geraten in Nordamerika zu investie-ren Ich habe ihm geraten seine inlaumlndischen Betriebe zu ent-schulden und zu modernisieren Ich habe in diesem Zusam-menhang ihm einmal wahrscheinlich im Jahre 1978 einenBrief geschrieben in dem ich ihm geraten habe die Vorausset-zung des sect 6b (Einkommensteuergesetz) und sect 4 (Auslandsin-vestitionsgesetz) sehr genau zu nehmen Ich war damals derMeinung daszlig fuumlr die Erfuumlllung der Kriterien unter anderemein Kooperationsabkommen mit der Firma Grace die Pruumlfungder hiermit verbundenen steuerrechtlichen Frage erleichternwuumlrdelaquo

Auf den Vorhalt des Staatsanwalts raquo Herr Ministerpraumlsi-dent wir haben Sie nunmehr davon in Kenntnis gesetzt daszligsich aus den im Jahre 1974 beginnenden Aufzeichnungen desFlick-Konzerns aus dem Hefter gtCSUlt der sich im Gewahrsamder Staatsanwaltschaft befindet folgende Vermerke ergebengt214 (75)KavB wg FJS12 7 (76) Dr FKF wg FJS11 7 (78) Dr FKF wg FJS2410 (79) Dr FKF wg FJSKoumlnnen Sie dazu irgendeine Erklaumlrung abgebenlaquo

Antwort von Ministerpraumlsident Strauszligraquo1 Ich bin am Zustandekommen keiner dieser Unterlagenbeteiligt

2 Offensichtlich gibt es auch keine Quittungen die ichselbstverstaumlndlich bei eventuellen Auszahlungen wenngewuumlnscht ausgestellt haumltte zumal steuerlich relevante Vor-gaumlnge offensichtlich uumlberhaupt nicht zugrunde liegen

3 Der Beginn Ihrer Unterlagen ist deshalb verwirrend oderirrefuumlhrend womit ich keine Absicht unterstelle weil nebenunzaumlhligen Kleinspendern auch einige Groszligspender darunterdie Flick-Unternehmungen die CSU immer wieder unter-stuumltzt haben Ich darf nebenbei bemerken daszlig es sich hier

Gemeint sind offensichtlich mit raquoKalaquo Konrad Kaletsch mit raquovBlaquo Eberhard vBrauchitsch mit raquoDr FKFlaquo Dr Friedrich Karl Flick mit raquoFJSlaquo Franz JosefStrauszlig damals bayerischer Ministerpraumlsident und CSU-Parteivorsitzender

nicht um die Honorierung von Ratschlaumlgen handelt sondernum eine bestimmte politische Linie im In- und Ausland laquo

Diese Aussage des inzwischen verstorbenen Franz JosefStrauszlig der sich wenn er Gefahr witterte wie ein Tintenfischeinzunebeln pflegte laumlszligt-wenn man den Schwall von Phrasenund Schutzbehauptungen beiseite laumlszligt - zweierlei deutlicherkennen

Strauszlig konnte nicht bestreiten von Flick viel Geld bekom-men zu haben Aber er wollte das nicht als raquoHonorierung vonRatschlaumlgenlaquo verstanden wissen weil ihn dies in den Verdachtder Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten haumltte bringen koumln-nen Statt dessen sollte es sich um eine raquoUnterstuumltzunglaquo einerund zwar doch wohl seiner -raquopolitischen Linie im In- und Aus-landlaquo gehandelt haben wozu angemerkt sei daszlig die auslaumlndi-schen Politiker mit denen Strauszlig enge Beziehungen unter-hielt meist Ultrarechte Faschisten und Rassisten waren Pino-chet in Chile dessen Regime er lobte Suumldafrikas Apartheids-Fanatiker spanische Neofaschisten und sogar die Fuumlhrer dertuumlrkischen Grauen Woumllfe die fuumlr ihre Bluttaten beruumlchtigtwaren

Noch seltsamer als die Erklaumlrung die Strauszlig der Justiz fuumlrdas viele Flick-Geld gab das er erhalten hatte war die Aussagevon Dr Friedrich Karl Flick im Prozeszlig gegen die Ex-MinisterFriderichs und Graf Lambsdorff Als der Richter den ZeugenDr Flick nach Wesen und Zweck der Spenden an raquoFJSlaquo befragte erwiderte dieser von Spenden verstehe er nichts erkoumlnne da raquonur mutmaszligenlaquo

Und das tat er dann auch raquoSpendenlaquo so gab er zu Protokollraquodas war das berechtigte Anliegen von demokratischen Par-teien wiersquos auch beim Vater fruumlher oder beim Onkel Kaletschuumlblich gewesen sein mag um ein offenes Ohr zu findenlaquo

Aber so wollte der Richter wissen ob er nie daran gedachthabe sich damit Vorteile fuumlr den eigenen Betrieb zu verschaf-fen

Darauf Dr Flick raquoDiese Uumlberlegungen sind mir unbe-kanntlaquo

Alsdann sollte dieser offenbarvoumlllig selbstlose Spender demGericht erklaumlren wie denn so eine Spendenzahlung an einen

Spitzenpolitiker vor sich gegangen sei zum Beispiel wenn DrFlick dem Ministerpraumlsidenten Strauszlig 250 Tausendmark-scheine uumlberreicht habe

Ausnahmsweise konnte Dr Flick in diesem Fall mit einerklaren Antwort dienen raquoDa ist er (Strauszlig) beim erstenmal insNebenzimmer gegangen und hat nachgezaumlhlt Und dann ist erzuruumlckgekommen und hat sich bedanktlaquo

Beim zweitenmal so fuumlgte er noch stolz hinzu raquohat er dannnicht mehr nachgezaumlhltlaquo

Nun wollte der Richter auch noch wissen warum das HausFlick seine uumlppigen Spenden an Politiker stets in bar entrich-tete

Dr Flick raquoMeines Wissens hat sich das einfach so ergebenWenn man sich im suumlddeutschen Raum so begegnet ist hatman das Geld der Einfachheit halber gleich uumlbergebenlaquo

Kein Gedanke an die Moumlglichkeit einer Steuerhinterzie-hung auch nicht an die Eventualitaumlt daszlig vielleicht die Empfaumln-ger lieber Bargeld nahmen raquoumlaquo- so fragte der offenbar durch-aus mit dem praktischen Leben vertraute Richter raquonichtimmer Rechenschaft bei ihren Schatzmeistern ablegen zu muumls-senlaquo Flick wuszligte es nicht

Er erklaumlrte dem Gericht daszlig er eigentlich von gar nichtsgewuszligt habe schon uumlberhaupt nichts von den angedeutetenMoumlglichkeiten Kurz Multimilliardaumlr Dr Flick uumlberzog mitun-ter - so raquoDer Spiegellaquo raquoallzu erkennbar seine Rolle als Kon-zerndepplaquo Uumlbertroffen wurde er nur noch von einem seinerGroszligspenden-Empfaumlnger dessen Rolle vor Untersuchungsaus-schuumlssen Justiz und Presse man analog die eines raquoPolitdep-penlaquo nennen muumlszligte Bundeskanzler Dr Helmut Kohl

Bei seiner Vernehmung durch die Bonner Staatsanwalt-schaft am 5 Juli 1982 hatte Dr Kohl damals noch nicht Bundes-kanzler zugegeben vom Haus Flick gelegentlich groumlszligere Bar-geld-spenden erhalten zu haben Daszlig es insgesamt 565000DM gewesen waren die Flick-Chefbuchhalter Diehl zwischen1974 und 1980 exakt verbucht hatte war Kohl indessen wie ersagte raquovoumlllig unbekanntlaquo

Befragt was ihm denn raquovoumlllig unbekanntlaquo gewesen sei dieHoumlhe der Summe oder die Verbuchung durch Diehl erwiderte

Helmut Kohl pikiert er koumlnne raquouumlber Einzelheiten aus der Er-innerung keine Angaben machenlaquo

Indessen erinnerte er sich zwei Jahre spaumlter am 7 Novem-ber 1984 vor dem Flick-Untersuchungsausschuszlig des Bundesta-ges genau daran daszlig eine raquokleinerelaquo Flick-Spende lumpige30 000 DM raquobei uns nicht eingetroffenlaquo sei - eine Zahlung dieder akribische Flick-Chefbuchhalter Diehl mit Datum vom6 Dezember 1977 verbucht hatte

Fuumlr diese raquoNikolaus-Spendelaquo wie sie genannt wurde gab esjedoch ganz besonders viele und starke Indizien Am Nikolaus-Tag 1977 waren 60 000 DM von einem raquoinoffiziellenlaquo Konto desHauses Flick bei einer Duumlsseldorfer Filiale der DeutschenBank bar abgehoben worden Die Abbuchung bei der Bank undder Eintrag ins schwarze Kassenbuch bei Flick stimmten uumlber-ein und dazu paszligte auch der Vermerk des pingelig genauenChefbuchhalters vom 6 Dezember 1977 raquovB wg Kohl 30 000DM wg Graf Lambsdorff 30 000 DMlaquo macht zusammen60 000 DM Parallel dazu hatte v Brauchitsch am 6 Dezember1977 den Erhalt eines Barbetrags von 60 000 DM korrekt quit-tiert und auf der Ruumlckseite der Quittung war vermerkt raquo30 Ko30 GrLalaquo womit ja auch nur gemeint sein konnte das Geldginge je zur Haumllfte an Helmut Kohl und an Otto Graf Lambs-dorff

Uumlberdies trug der vorbildliche Flick-Chefbuchhalter ins Kas-senbuch fuumlr raquoInoffizielle Zahlungenlaquo am 6 Dezember 1977 einraquovB wg Kohl und Lambsdorff 60 000laquo und man darf wohlannehmen daszlig mit der Zahl keine roten Rosen weiszligen Maumluseoder gruumlnen Aumlpfel gemeint waren sondern bare DMark

Doch auch damit noch nicht genug Am Vorabend des Niko-laus-Tages 1977 am 5 Dezember hatte eine Brauchitsch-Sekre-taumlrin ihrem Chef folgende Notiz vorgelegt die sich bei denGerichtsakten befindet raquoFrau Weber Sekr Kohl fragt an obes Ihnen recht ist wenn sie morgen Dienstag gegen 16Uhr kurz bei Ihnen vorbeikommtlaquo und dazu hat Eberhard vBrauchitsch im Dezember 1985 vor dem Bonner Landgerichtausgesagt raquoSielaquo Frau Weber vom Sekretariat Kohl raquohatschon mal fuumlr Herrn Kohl Geld empfangen und dies wiedie Akten zeigen nicht gerade selten Mindestens vier Besuche

Frau Webers bei v Brauchitsch sind vermerkt die mit Zahlun-gen von je 50000 DM und einer von 30000 DM alle raquowgKohllaquo uumlbereinstimmten

Das fuumlr Helmut Kohl Aumlrgerliche ist daszlig es fuumlr die meistenFlick-Spenden raquowg Kohllaquo entsprechende Eingangsbuchungenbei der CDU-Schatzmeisterei gibt nicht jedoch fuumlr die raquoNiko-laus-Spendelaquo und auch nicht fuumlr weitere 25 000 DM die eben-falls fehlen Schlieszliglich fehlt inzwischen noch etwas naumlmlichHelmut Kohls Erinnerung an die Geldwaschanlagen vonRheinland-Pfalz die die von der Industrie kommenden sehrgroszligzuumlgigen Parteispenden am Finanzamt vorbei (und fuumlr dieSpender enorm steuersparend) in die richtigen Troumlge lenktenPater Josef von der Steyler Mission konnte ja nur einen Teil desenormen Bedarfs an raquogewaschenemlaquo Geld befriedigen mitdem die Herren des Groszligen Geldes allen voran das HausFlick die raquogeistig-moralische Wendelaquo in Bonn vorfinanzierten

Helmut Kohl seit 1966 Landesvorsitzender der CDU seit1969 auch Ministerpraumlsident in Rheinland-Pfalz und seit 1975Bundesvorsitzender der CDU die neben CSU und FDP vondem Spenden-Unwesen am meisten profitiert hatte erinnertesich als Kanzler an rein gar nichts mehr uumlberhaupt nicht an dieGeldwaschanlagen in Rheinland-Pfalz Kohl hatte als es umvergleichsweise Bagatellen ging die 30 000 DM der raquoNikolaus-Spendelaquo und die ebenfalls fehlenden 25 000 DM von Flick -alles vergessen Allenfalls fielen ihm wenn die Staatsanwaumlltenach der raquoStaatsbuumlrgerlichen Vereinigunglaquo (SV) in Koblenzfragten die lustigen Abende ein die er dort nachvortraumlgen mit-unter verbracht hatte Kohl hatte aber raquokeinerlei Erinnerunglaquodaran daszlig diese Koblenzer SV die wichtigste Geldsammel-und -Waschanlage nicht nur fuumlr Rheinland-Pfalz sondern fuumlrdie ganze Bundesrepublik gewesen war und daszlig man inKoblenz auch deshalb feucht-froumlhlich gefeiert hatte weil dankder raquobesonderen Foumlrderungswuumlrdigkeitlaquo die der raquogemeinnuumlt-zigenlaquo SV von der Landesregierung bescheinigt worden warseiner CDU etliche hundert Millionen DM heimlicher Spen-den der Industrie steuerbeguumlnstigt zugeflossen waren

Vielleicht hatte Helmut Kohl so vermutete sein damaligerSchnelldenker und Wahlkampf-Manager der von ihm inzwi-

schen gefeuerte Heiner Geiszligler etwas vorlaut -bei seinen Aus-sagen uumlber die raquoSVlaquo aber auch nur Erinnerungsluumlcken und gabirrige und unvollstaumlndige Antworten als Opfer eines raquoBlack-outlaquo Diese von dem klugen von Kohl ungnaumldig entlassenenGeneralsekretaumlr Heiner Geiszligler erwogene Moumlglichkeit daszligdem Kanzler mitunter wenn auch nur voruumlbergehend der Ver-stand abhanden komme sollten die Waumlhlerinnen und Waumlhlerbedenken denn ein Regierungschef mit gelegentlichen Aus-fallerscheinungen ist keine angenehme Vorstellung fuumlr dieMenschen in raquodiesem unserem Landelaquo

Indessen gibt es fuumlr Helmut Kohls Vergeszliglichkeit hinsicht-lich des Verbleibs der raquoNikolaus-Spendelaquo oder auch derMachenschaften der Koblenzer raquoSVlaquo noch eine andere Erklauml-rung als die von Geiszligler vermuteten Gedaumlchtnisluumlcken infolgeeines Blackouts Um Kohls Zoumlgern zu verstehen daruumlber dieWahrheit zu sagen muszlig man noch einmal zuruumlck zu denUrspruumlngen der steilen Karriere des Schwarzen Riesen nachLudwigshafen-Oggersheim und nach Frankenthal

Im Fruumlhjahr 1933 als sich die Hitler-Diktatur gerade etablierthatte und mit immer neuen Wellen des Terrors zu konsolidie-ren begann bereiteten sich drei Heidelberger Juristen geradeauf ihre unterschiedlichen Karrieren vor Dr Eberhard Taubertsah seiner Berufung ins neue Reichspropagandaministeriumentgegen wo er als juumlngster Ministerialrat zunaumlchst die raquoAktiv-propaganda gegen die Judenlaquo leiten sollte SS-Fuumlhrer DrHanns Martin Schleyer nahm die raquoGleichschaltunglaquo der Hei-delberger Universitaumlt vor und betrieb ihre Einstimmung auf dieam 10 Mai durchgefuumlhrte Buumlcherverbrennung sein Freund DrFritz Ries der an diesem Akt der Barbarei als junger Dokto-rand teilnahm schmiedete bereits Plaumlne wie er auf Kosten derJuden rasch reich werden und zunaumlchst zum Kondom-Koumlnigdes raquoDritten Reicheslaquo aufsteigen koumlnnte tatsaumlchlich lieszlig erschon ein Jahr spaumlter die Verpackungen der Erzeugnisse einesgerade raquouumlbernommenenlaquo Betriebs mit dem stolzen Aufdruckversehen

Im selben Fruumlhjahr 1933 am 13 Maumlrz kam im nahen Mann-heim ein Knabe zur Welt dessen spektakulaumlre Laufbahn sichmit den abenteuerlichen Karrieren der drei genannten Heidel-berger Juristen durchaus messen kann Auch kreuzten sichseine Wege wiederholt mit denen der Herren Doktoren RiesSchleyer und Taubert und fast unvermeidlicherweise auch mitdenen Helmut Kohls der drei Jahre zuvor 1930 im Mannheimgegenuumlberliegenden Ludwigshafen geboren war

Der junge Mannheimer des Jahrgangs 1933 hieszlig Hans-OttoScholl besuchte wie Kohl und auch Biedenkopf die Schulein Ludwigshafen studierte dann ebenfalls in HeidelbergRechtswissenschaft und begann auch kaum daszlig er sein Stu-dium beendet hatte Anfang der sechziger Jahre eine politischeKarriere in Rheinland-Pfalz Allerdings stellte Dr Hans-Otto

Scholl seine unbestreitbaren Talente nicht der CDU zur Verfu-gung sondern der in Rheinland-Pfalz seit 1951 mit der CDUzusammen die Regierung bildenden FDP daneben demBundesverband der pharmazeutischen Industrie dessenHauptgeschaumlftsfuumlhrer er wurde Daszlig sich die maumlchtige Pharma-Industrie der Bundesrepublik den jungen Rechtsanwalt undProvinzpolitiker Dr Scholl zum Cheflobbyisten erkor hing mitden besonderen Verhaumlltnissen in Rheinland-Pfalz zusammenwo Dr Scholl in kuumlrzester Zeit zum FDP-Fraktionsvorsitzen-den im Landtag und dann auch zum Landesvorsitzenden auf-steigen konnte und eng befreundet war mit dem CDU-Nach-wuchspolitiker Dr Kohl der 1963 ebenfalls Fraktions- und 1965auch Landesvorsitzender seiner Partei wurde So eng war dasVerhaumlltnis Dr Scholl zum Dr Kohl daszlig die beiden sogar Villaan Villa wohnten der eine in der Marbacher Straszlige9 derandere in Nummer 11 und die beiden Matadore der das Laumlnd-chen Rheinland-Pfalz regierenden Parteien machten sichgegenseitig auch mit ihren finanzstarken Goumlnnern und mitderen einfluszligreichen Freunden bekannt Durch Helmut Kohllernte Hans-Otto Scholl den Konsul Dr Fritz Ries im nahenFrankenthal kennen und in dessen Haus die Duzfreunde desHausherrn Dr Hanns Martin Schleyer und Franz Josef Strauszligsowie die graubraune Eminenz Dr Eberhard Taubert umge-kehrt wurde Helmut Kohl durch Dr Scholl mit allen groszligenund steinreichen Unternehmern der Pharma-Industrie be-kannt von denen im einzelnen noch die Rede sein wird

Es laumlszligt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen weraus diesem Freundes- und Bekanntenkreis den Einfall hatteim Schutze der mit gesicherter Mehrheit das Land Rheinland-Pfalz regierenden Parteien eine Geldwaschanlage zu etablie-ren aber vieles spricht dafuumlr daszlig es Dr Fritz Ries gewesen istund daszlig Kohl im Bunde mit Scholl die Idee in die Tat umsetze

Die Grundidee war einfach Die Industriellen wollten eineihnen genehme Politik und Gesetzgebung die dazu bereitenPolitiker wollten dafuumlr Geld Die Wirtschaftsbosse waren zwarwillens fuumlr volle Kassen zu sorgen nur sollte sie das moumlglichstwenig kosten sondern zu Lasten der Allgemeinheit gehenNun gab es ja bereits Gesetze die Spenden an Parteien steuer-

abzugsfaumlhig machten Aber es gab da Houmlchstgrenzen und diePolitiker wollten weit mehr als die Bestimmungen zulieszligenund auszligerdem war bei regelrechten Parteispenden die Anony-mitaumlt der Spender nicht zu wahren die begreiflicherweise gernunbekannt bleiben wollten Also brauchte man eine Einrich-tung die jede Menge Geld entgegennehmen dafuumlr voll steuer-abzugsfaumlhige Quittungen ausstellen und die empfangenenBetraumlge diskret an diejenigen weiterleiten konnte die sie letzt-lich bekommen sollten weil sie die Entscheidungen trafenoder herbeifuumlhrten die die Spender sich erhofften

Alle diesevoraussetzungen erfuumlllte die dann ins Leben geru-fene raquoStaatsbuumlrgerliche Vereinigunglaquo (SV) in Koblenz undnatuumlrlich bekam diese SV nicht nur sofort die staatliche Aner-kennung als raquogemeinnuumltzig und besonders foumlrderungswuumlrdiglaquosondern wurde auch so ausgestattet daszlig sie ihre Goumlnner undFoumlrderer aufs trefflichste bewirten konnte zumal nachdemeiner der Gruumlndervaumlter Helmut Kohl Ministerpraumlsident vonRheinland-Pfalz geworden war und sein Spezi Nachbar undKoalitionspartner Dr Scholl als Landesfuumlrst der zum Zuumlng-lein an der Waage gewordenen FDP fuumlr Dr Ries DrSchleyer und deren Freunde an Bedeutung enorm hinzuge-wonnen hatte

In Bonn war naumlmlich im Herbst 1969 erstmals seit Bestehender Bundesrepublik ein Sozialdemokrat im Kanzleramt InKoalition mit der FDP regierte nun Willy Brandt Konsul DrRies war von den besorgten Herren des Groszligen Geldes beauf-tragt worden die FDP-Politiker raquoumzustimmenlaquo und dieungeliebte neue Regierung bei naumlchster Gelegenheit zu stuumlr-zen

Fuumlr Dr Scholl gab es zudem eine spezielle Aufgabe ZumRegierungsprogramm der sozialliberalen Bonner Koalitiongehoumlrte im Rahmen der Gesundheitsreform auch eine gruumlndli-che Novellierung der Arzneimittelgesetzgebung und dies tan-gierte die wichtigsten Interessen (sprich die enormen Profite)der Pharma-Industrie deren Verbandshauptgeschaumlftsfuumlhrer er

Von der Pharma-Industrie wurden deshalb hohe Millionen-betraumlge bereitgestellt die Dr Scholl nachdem sie bei der raquoSVlaquo

in Koblenz raquogewaschenlaquo und steuerabzugsfaumlhig gemacht wor-den waren gezielt zu verteilen hatte Es ging darum diejeni-gen Politiker und auch Beamten zu raquofoumlrdernlaquo die Einfluszlig aufdie Arzneimittelgesetzgebung und die Gesundheitspolitik hat-ten

In der Bundesrepublik wurden zu Beginn der Aktivitaumltendes Dr Scholl jaumlhrlich etwa acht Milliarden DM fuumlr Arzneimit-tel ausgegeben Als seine Taumltigkeit Anfang der achtziger Jahreendete waren es jaumlhrlich rund 17 Milliarden DM also mehr alsdas Doppelte raquoFast die Haumllfte dieser gigantischen Steigerungdie alle Bundesbuumlrger belastet haumlttelaquo so raquoDer Spiegellaquo imJuni 1985 - raquosich einsparen lassenlaquo waumlren damals nicht dieKernpunkte der geplanten Reform der Arzneimittelgesetzge-bung raquovon der Pillen-Lobby herausgeschossenlaquo worden

Die vom damaligen Pharmaverbands-HauptgeschaumlftsfuumlhrerDr Scholl mit sehr viel Geld betriebene Beeinflussung desGesetzgebungsverfahrens hat sich fuumlr die Arzneimittelherstel-ler also glaumlnzend gelohnt Sie lohnte sich aber auch fuumlr DrScholls Freunde von der CDU

So hatte CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep raquozugleichim Namen von Herrn Dr Kohl und Herrn Professor Bieden-kopflaquo runde 70 000 DM kassiert von Curt Engelhorn Chef

des Familienunternehmens raquoBoehringer Mannheim GmbHlaquo(damaliger Pharma-Umsatz Milliarden DM) und zwaruumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo Der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende Alfred Dregger hatte die Staatsanwaltschaft raquoeinigehunderttausend Mark abkassiertlaquo bei der raquoWella AGlaquo inDarmstadt und ebenfalls uumlber Dr Scholl und die raquoSVlaquo VomPharma-Werk E Merck in Darmstadt erhielt die CDU-Promi-nenz rund eine Million DM und waumlren die Spendenlistenzumal deren wichtigste Teile nicht durch besondere Umstaumlndedem Einblick der Oumlffentlichkeit entzogen worden lieszligen sichgewiszlig noch weitere zusammen mehr als 20 Millionen DMnachweisen die Dr Scholl an CDU- und FDP-Prominenzzumal an seine engsten Spezis groszligzuumlgig verteilt hat

Indessen war Dr Scholl mit dem Pharma-spendengeld mit-unter allzu groszligzuumlgig zumal sich selbst gegenuumlber Alsbandsvorstand dies bemerkte wurde Dr Scholl raquowegen zu

eigenmaumlchtigen Umgangs mit dem Verbandsvermoumlgenlaquo gefeu-ert und muszligte sich verpflichten dem Verband MillionenDM zuruumlckzuerstatten Erstaunlicherweise erhielt Dr Schollaber dennoch nach seiner Entlassung eine monatliche Pensionvom Pharma-Verband in Houmlhe von 5700 DM -raquoSchweigegeldlaquofragte raquoDer Spiegellaquo damals und solche Vermutung erscheintnicht ganz abwegig zumal im Lichte spaumlterer Erkenntnisse

Noch erstaunlicher war es daszlig der gefeuerte Verbandsge-schaumlftsfuumlhrer der 1981 auch als FDP-Landesvorsitzenderzuruumlcktreten muszligte wenig spaumlter im Mainzer Landtag von denFreidemokraten wieder zum Fraktionsvorsitzenden gewaumlhltwurde Aber bei den Neuwahlen vom Maumlrz 1983 kam die FDPmit nur noch Prozent nicht mehr in denMainzer Landtag Dr Scholl war damit auch als Politikerarbeitslos brauchte aber nicht zu darben Als ehemaliger Abge-ordneter bezog er ein Uumlbergangsgeld von monatlich 5 400 DMmit seiner Pension vom Pharmaverband also zusammen 11100DM im Monat

Indessen sah er sich selbst und dann sahen ihn auch seinepolitischen Freunde -als dringend unterstuumltzungsbeduumlrftig anCDU-Ministerpraumlsident Bernhard Vogel damals noch nicht inThuumlringen sondern in Rheinland-Pfalz Kohl-Nachfolger undebenfalls Empfaumlnger betraumlchtlicher Pharma-Spenden aus derHand des Dr Scholl besorgte dem nun arbeitslosen Freunddeshalb einen mit 5000 DM monatlich honorierten Berater-vertrag bei der raquoDeutschen Anlagen-Leasinglaquo (DAL) in Mainzan der die rheinpfalzische Landesbank erheblich beteiligt istAber auch mit den auf 16 100 DM monatlich gestiegenengen war Dr Scholl noch nicht zufrieden Er wandte sich hilfesu-chend an seinen langjaumlhrigen Freund und Nachbarn HelmutKohl seit 1982 Bundeskanzler in Bonn

Klugerweise so stellt es jedenfalls ein mit der Angelegen-heit bestens vertrauter Bonner Beamter dar-waumlhlte Dr Scholleinen privaten Weg dem Kanzler seine Not zu schildern Uumlberjene Frau Juliane Weber die wir schon fluumlchtig kennengelernthaben aus den Notizen des Flick-Bevollmaumlchtigten Eberhard vBrauchitsch und zwar als Abholerin der offenbar verlorenge-gangenen raquoNikolaus-Spendelaquo von 30 000 DM Kohllaquo lieszlig

er Helmut Kohl wissen daszlig nun er es sei der finanzielle Unter-stuumltzung benoumltige

Ob nun Frau Weber ein gutes Wort fuumlr den Freund aus Main-zer Tagen eingelegt hat oder ob Kohl aus eigenem Antrieb taumltigwurde Jedenfalls setzte sich der Bundeskanzler sofort und ineiner Weise fuumlr Dr Scholl ein daszlig bei dem Kohl nahestehen-den und treuergebenen Beamten die Befuumlrchtung aufkam derKanzler koumlnnte erpreszligbar sein Denn dieser verschaffte demlaumlngst nicht mehr in bestem Ruf stehenden Duzfreund den er1982 noch mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausge-zeichnet hatte unverzuumlglich einen Beratervertrag bei der Deut-schen Lufthansa (an der der Bund mit mehr als 50 Prozent be-teiligt ist) Dadurch erhoumlhten sich Dr Scholls feste Bezuumlge umweitere 10 000 DM Monatsgehalt sowie 5000 DM monatlicheraquoAufwandsentschaumldigunglaquo auf nunmehr insgesamt 31100 DM

Die Befuumlrchtungen des um Kohl besorgten Beamten warenjedoch sicherlich unbegruumlndet Kohl hat sich wohl lediglichdem Spezi Dr Scholl der ihm und Seinerpartei jahrelang finan-ziell so uumlberaus behilflich gewesen warpflichtet gefuumlhlt Auch konnte Helmut Kohlja nicht ahnen daszligihn der Freund herb enttaumluschen wuumlrde

Gut ein Jahr nachdem Dr Scholls Bezuumlge dank des KanzlersFuumlrsorge auf uumlber 31000 DM monatlich erhoumlht worden warenereignete sich ein auf den ersten Blick ganz gewoumlhnlicher Raub-uumlberfall Am 28 Dezember 1984 drang ein bewaffneter Mannin ein Baden-Badener Juweliergeschaumlft ein und entkam nach-dem er die Anwesenden bedroht und den Inhaber niederge-schlagen hatte mit einer Beute im Verkaufswert von Millio-nen DM Bei der Fahndung nach den geraubten Juwelen fanddie Polizei in einem Bankschlieszligfach in Zuumlrich nicht nur einenTeil des fehlenden Schmucks sondern auch eine MengePapiere die Einblick gaben in die Spendenpraxis der bundes-deutschen Pharma-Industrie Damit war klar daszlig der bereitsgefaszligte Verdaumlchtige tatsaumlchlich der Raumluber von Baden-Badenwar Rechtsanwalt Dr Scholl der zwei Jahrzehnte lang fuumlh-rende F D P-Politiker von Rheinland-Pfalz und ehemaligeHauptgeschaumlftsfuumlhrer des Pharma-Verbands ein Intimus desamtierenden Bundeskanzlers

Lassen wir diese fuumlr Helmut Kohl schockierende Angelegen-heit damit ihr Bewenden haben Dr Scholls Motive hatten mitPolitik nichts zu tun und er hat seine Freiheitsstrafe laumlngst ver-buumlszligt

Allerdings haumltte sich Helmut Kohl schon fruumlher daruumlber imklaren sein muumlssen daszlig groszligzuumlgige lsquoGeldspender nicht voumllligselbstlos handeln Lange vor dem ersten Haumlndedruck mit demdamaligen Pharma-Lobby-Haumluptling Dr Scholl haumltte Kohl wis-sen muumlssen Wenn steinreiche Industrielle dicke Geldbuumlndelverteilen oder durch ihre Beauftragten verteilen lassen so istdies im allgemeinen kein Ausdruck uneigennuumltziger Naumlchsten-liebe Vielmehr erwarten die Spender in aller Regel Gegendien-ste die ihnen ein Vielfaches dessen einbringen was sie gespen-det haben und dabei verlangen sie mituntervon den Beschenk-ten sogar Ungesetzliches ja schlimmer noch Sie fordern eineAumlnderung der Gesetze und Vorschriften zu ihren Gunsten undzum groszligen Schaden fuumlr die Allgemeinheit oder vereiteln -wiees der Pharma-Industrie mit Hilfe der von Dr Scholl verteiltenMillionen gelang ein dringend gebotenes Reformwerk

Helmut Kohls Verhalten gegenuumlber Spendenverteilern obsie Dr Scholl oder v Brauchitsch Flick Henkel oder Oetkerheiszligen setzt ihn dem Verdacht aus daszlig er den von ihm ge-schworenen Eid raquoSchaden abzuwenden und den Nutzen zumehrenlaquo nicht auf das deutsche Volk bezieht wie es die Eides-formel fordert sondern nur auf einen winzigen Teil dieses Vol-kes naumlmlich auf die spendablen Herren des Groszligen Geldessowie auf sich selbst und einige wenige Personen die ihmnahestehen

Das Ganze wird noch erheblich verschlimmert durch einBenehmen Helmut Kohls im privaten Umgang mit den Reprauml-sentanten des Groszligen Geldes das seinen Waumlhlerinnen undWaumlhlern wenn sie davon erfahren die Schamroumlte ins Gesichttreiben muumlszligte Nehmen wir als Beispiel einen scheinbar neben-saumlchlichen im Untersuchungsausschuszlig des Bundestages zurFlick-Spendenaffaumlre aktenkundig gewordenen Vorgang

Da rief Kanzler Kohl eines Tages bei Eberhard v Brauchitschan dem Flick-Generalbevollmaumlchtigten der seinem Konzernetliche Hundert Millionen Mark faumllliger Steuern sparen will

und dafuumlr mit Bargeldbuumlndeln den stets beduumlrftigen Politikerngefaumlllig ist Zweck des Anrufs ist die Mitteilung des Bundes-kanzlers raquoDu houmlr mal Eberhard ich komme morgen abendbei euch vorbei Ich wuumlrde gern mal wieder anstaumlndig Kaviare s s e n

Natuumlrlich ging v Brauchitsch sofort auf diesen Wunsch sei-nes Duzfreundes ein der sich bei nur knapp 40000 DMMonatsgehalt sein -neben Saumagen -liebstes Essen offenbarnicht leisten konnte oder wollte Aber damit nicht genug Einpaar Tage spaumlter wieder ein Anruf bei v Brauchitsch diesmalvon Frau Hannelore Kohl aus Oggersheim raquoDu weiszligt dochEberhard wie gern ich Kaviar esse aber den gibtrsquos bei euch janur wenn ich nicht dabei bin

was macht man dann als guterzogener Mensch Als ichdas naumlchste Mal mit Herrn Kohl zusammen warlaquo so berichteteHerr v Brauchitsch habe ich ihm eine Dose Kaviar mitge-geben Den moumlchte er doch bitte mit Frau Gemahlin essen

Auch damit noch nicht genug denn die Schilderung desFlick-Repraumlsentanten geht weiter

raquoNach einer gewissen Zeit gibt es wieder ein Telefonat zwi-schen Frau Kohl und mirlaquo Bei dieser Gelegenheit fragte vchitsch raquoDu haumlttest eigentlich was sagen koumlnnen -wie war dennder Kaviarlaquo Darauf Hannelore Kohl raquoKaviar Ich habe keinengekriegt Du kennst doch den Helmut Der hat ihn mit in seineWohnung in Bonn genommen und ihn selber aufgegessen laquo

Woraufhin der wohlerzogene v Brauchitsch das Haus Flickabermals in Unkosten stuumlrzte das halbe Kilo Kaviar kosteteseinerzeit 560 DM und seinen Fahrer beauftragte der Kanz-lergattin rasch eine Dose vom Feinsten nach Ludwigshafen-Oggersheim zu bringen Mit einen dreizeiligen Begleit-brief die russische Marmelade wirklich in DeineHaumlnde kommt anbei direkt herzliche Gruumlszligelt laquo

Uumlbrigens der Untersuchungsausschuszlig und damit auch diePresse und die Oumlffentlichkeit haumltten von alledem wohl nieetwas erfahren waumlre im Privatsekretariat des Flick-Beauftrag-ten eine kurze Danksagung fuumlr die erwiesene Aufmerksamkeiteingegangen Da diese ausblieb wurden die sonst laumlngst ver-nichteten Kopien und Belege saumluberlich abgeheftet und die

Staatsanwaumllte die den Vorgang fuumlr strafrechtlich relevant hiel-ten beschlagnahmten die Akte

Der Vorfall der ein Schlaglicht auf den miserablen Stil wirftder im Hause Kohl die Arroganz der Macht begleitet ist indes-sen nur ein typisches Beispiel fuumlr die Dreistigkeit mit der sichdieser Politiker und die Seinen uumlber alle Normen gesittetenZusammenlebens hinwegsetzen von der staumlndigen Miszligach-tung der Gesetze und Vorschriften durch den amtierendenKanzler ganz zu schweigen

Zum besseren Verstaumlndnis sei hier noch aus der Fuumllle derSkandale die fuumlr die bisherige Amtszeit des Kanzlers Kohlkennzeichnend waren einer herausgegriffen der ganz zu An-fang stand

Am 11 Januar 1983 also nur wenige Wochen nach GenschersBetrug am Waumlhler und dem konstruktiven Miszligtrauensvotumdurch das Helmut Schmidt (SPD) gestuumlrzt und Helmut Kohl(CDU) Bundeskanzler wurde drangen Beamte der Bundesan-waltschaft und des Bundeskriminalamts in die Redaktions-raumlume der Hamburger Monatszeitschrift raquokonkretlaquo ein Siedurchsuchten alle Buumlros und dann auch die Privatwohnungendes damaligen Chefredakteurs Manfred Bissinger und desraquokonkretlaquo-Autors Juumlrgen Saupe angeblich wegen des dringen-den Verdachts der raquoPreisgabe von Staatsgeheimnissenlaquo Siewiesen eine besondere Ermaumlchtigung des Bundeskanzleramtsvor unterschrieben von Kohls Schulfreund engem Vertrautenund damaligen Staatssekretaumlr fuumlr die Geheimdienste Walde-mar Schreckenberger

Dies lieszlig darauf schlieszligen daszlig Kohl selbst oder seine naumlch-ste Umgebung die spektakulaumlre Aktion veranlaszligt hatte dennuumlblicherweise ist es der Generalbundesanwalt der seine Be-houmlrde und die Beamten des BKA taumltig werden laumlszligt Tatsaumlchlichwurden aber die Durchsuchungen bei raquokonkretlaquo von der Bun-desanwaltschaft eilig zur raquoRoutineangelegenheitlaquo herunterge-spielt und der Presse gegenuumlber begruumlndet mit einer mehr alsein Jahr zuruumlckliegenden raquokonkretlaquo-Veroumlffentlichung uumlber denfruumlheren BND-Spitzenfunktionaumlr Hans Langemann eine zwie-lichtige Gestalt die unter Franz Josef Strauszlig zum Chef derbayerischen Staatsschutzdienste avanciert und spaumlter gefeuert

worden war teils wegen Unfaumlhigkeit und Geschwaumltzigkeitteils wegen des Sicherheitsrisikos das sein Privatleben bot

Indessen lag der Verdacht sehr nahe daszlig es sich in Wahrheitnicht um diese weit zuruumlckliegende Veroumlffentlichung handeltesondern um einen erst gerade erschienenen raquokonkretlaquo-Artikelund einen damit zusammenhaumlngenden privaten Racheakt Hel-mut Kohls In der Ausgabe vom Januar 1983 hatte Chefredak-teur Manfred Bissinger den Kanzler in einem Artikel scharfangegriffen und es hieszlig darin raquoWie ein Mann seine Familiebehandelt und uumlber die Familie spricht kann im Gegensatznicht krasser sein als bei Helmut Kohl Seine Worte sind schein-heilig und verlogen wenn man weiszlig wie er lebt

Gemeint war das Privatleben des Kanzlers im Bereich Eheund Familie den Lieblingsthemen des salbadernden Volksred-ners Kohl raquoIch spreche so leidenschaftlich zu diesem Themalaquohatte er gerade erst getoumlnt raquoweil fuumlr mich ganz ist daszlig dieimmer wieder notwendige geistig-moralische Erneuerungunseres Landes eben nur dann kommen kann wenn die Jun-gen ihr Beispiel zu Hause erfahren und eingeuumlbt werden indie Tugenden unseres Landes am Beispiel der eigenen Elternin der Waumlrme und Geborgenheit der eigenen Familielaquo Dochals Helmut Kohl von Mainz nach Bonn umgezogen war hatteer seine Frau Hannelore und seine beiden Soumlhne im Oggershei-mer Bungalow zuruumlckgelassen Seine Sekretaumlrin Juliane Weberaber war mit ihm umgezogen nicht nur ins Bonner Buumlro son-dern auch in sein neues Haus in Bonn-Pech Am 14 Oktober1982 zwei Wochen nach Kohls Einzug ins Bundeskanzleramthatte raquoBILDlaquo aus der raquogeheimnisvollen Welt der neuen Nr 1laquoder Kanzlergattin Hannelore Kohl gemeldet Sie raquokam nachBonn selten uumlbernachtet hat sie dort so gut wie nielaquo

raquoIn Bonn ist es ein offenes Geheimnislaquo hatte Bissinger inraquokonkretlaquo uumlber das Verhaumlltnis Kohls mit seiner Sekretaumlringeschrieben raquoDie Journalisten kennen nicht nur Juliane Weber(die uumlbrigens auch verheiratet ist)laquo sie wissen auch wie Kohlzu ihr steht raquoDie Wahrheit schreiben will keiner Das houmlch-ste der Gefuumlhle ist mal ein Scherz fuumlr Insider Der gtSpiegelltuumlber Juliane Weber schlaumlgt ihm auch die Eier auf weil der

Kanzler sie so heiszlig nicht anfassen maglt Normalerweise wuumlrdeman daruumlber zur Tagesordnung uumlbergehen

Soweit die wesentlichen Stellen aus dem fuumlr Helmut Kohlund seine Gefaumlhrtin so aumlrgerlichen raquokonkretlaquo-Artikel dergewiszlig nicht geschrieben - und bestimmt nicht hier zitiert - wor-den waumlre haumltte Kohl nicht selbst dafuumlr gesorgt daszlig man uumlberseine Intimsphaumlre eben nicht taktvoll schweigen kann

Der Kanzler selbst hat aus seiner privaten eine oumlffentlicheAngelegenheit gemacht denn zum erstenmal seit Bestehender Bundesrepublik ja wenn man die Hitler-Diktatur aus-nimmt in der ganzen neueren deutschen Geschichte hat einKanzler die Finanzierung seines Verhaumlltnisses nicht ausner Tasche vorgenommen sondern sie dreist dem Steuerzahleraufgebuumlrdet Damit nicht genug Helmut Kohl hat seiner Juli-ane Weber die fuumlr ihn wie wir bereits wissen auch oumlfters dasvon der Industrie gespendete Bargeld kassieren darf auch einePfruumlnde verschafft die ihr nicht zusteht Gegen das Beamten-recht und gegen die Einwaumlnde des Personalrats der darauf hin-wies daszlig Frau Weber sogar die in den Richtlinien vorgeschrie-bene Oberschul- und Universitaumltsbildung fehle ganz zuschweigen vom Staatsexamen wurde die Kanzler-Gefaumlhrtinmit den Bezuumlgen eines Regierungsdirektors als persoumlnlicheReferentin eingestellt weil Kohl das raquoeinzigartigelaquo VertrauenVerhaumlltnis geltend machte das zwischen ihm und JulianeWeber bestehe und sich damit durchsetzte

Erst diese von Kohl eingefuumlhrte raquoMaumltressenwirtschaftlaquo (wieBeamte des Kanzleramts seinen Regierungsstil nennen der esFrau Weber gestattet mit der einleitenden keinen Wider-spruch duldenden Formel raquoDer Kanzler wuumlnscht ihre eige-nen Forderungen durchzusetzen) hat dazu veran-laszligt die Oumlffentlichkeit daruumlber zu informieren

Kohl selbst informierte die Oumlffentlichkeit auf seine WeiseIn derselben Woche in der das Kanzleramt die Haussuchungenbei raquokonkretlaquo vornehmen lieszlig verkuumlndete er vollmundiggilt fuumlr uns der Satz Eine gesunde Familie ist die Vorausset-zung eines gesunden Staates und Staatspolitik muszlig sich taumlg-lich an diesen Satz erinnernlaquo

Ein paar Tage spaumlter bemuumlhten sich Kanzlergehilfen dieBonner Journalisten davon zu uumlberzeugen daszlig die Aktion ge-

raquokonkretlaquo nichts zu tun gehabt haumltte mit der dort veroumlffent-lichten Geschichte uumlber die zur Regierungdirektorin ernannteKanzler-Gefaumlhrtin Denn diese Veroumlffentlichung haumltte ja Kohlund Frau Weber noch gar nicht zur Kenntnis gelangt sein koumln-nen weil sie im Januar-Heft stand der Durchsuchungsbefehlaber sei bereits am 29 Dezember 1982 unterzeichnet wordenDie Wahrheit hingegen ist daszlig raquokonkretlaquo wegen der Feiertageseine Januar-Ausgabe bereits am 21 Dezember ausgelieferthatle So war also Zeit genug gewesen etwaige Rachegeluumlstereifen zu lassen und dann auch zu stillen

Indessen ist der Vorfall samt seinem skandaloumlsen Hinter-grund der Einsetzung der raquoeinzigartigenlaquo Gefaumlhrtin als Direk-torin ins Kanzleramt nur ein weiteres Beispiel fuumlr den misera-blen Stil des Politikers Helmut Kohl der staumlndig von raquogeistig-moralischer Erneuerunglaquo redet sich aber nicht scheut denSuperreichen Steuergeschenke in Milliardenhoumlhe auf Kostender Allgemeinheit vor allem der Lohnsteuerpflichtigen zumachen und dafuumlr bei den Herren des Groszligen Geldes abzukas-sieren Bleibt noch zu fragen welche unsittlichen Forderungenauszliger den bereits genannten speziellen Wuumlnschen des HausesFlick und denen der Pharma-Industrie die Konzerngewaltigenan Helmut Kohl und dessen Regierung noch gestellt habenund inwieweit diese Forderungen bereits erfuumlllt worden sindDenn natuumlrlich wollen die milliardenschweren Herren fuumlr ihrehohen Spenden auch wenn diese Betraumlge durch Schwinde-leien und Steuerhinterziehung ergaunert worden sind diegewuumlnschten Resultate sehen

Aber mit den vom Groszligen Geld erhofften Ergebnissen kanndie Regierung Kohl in reichem Maszlige aufwarten Ihre Bilanznach zwoumllf Jahren raquoWendelaquopolitik ist fuumlr die Superreichen derBundesrepublik so zufriedenstellend daszlig sie sich vergnuumlgt dieHaumlnde reiben koumlnnen

Sehen wir uns an wie Kohl sich ihnen gleich in seinen erstenRegierungsjahren nuumltzlich gemacht hat

Helmut Kohl finanziert und

von ihm bekommen hat

An nichts wird so glaumlnzend verdient wie am RuumlstungsgeschaumlftViele der groumlszligten Vermoumlgen der Bundesrepublik im Megamil-lionen- und Multimilliardenbereich stammen aus Kriegsgewin-nen aus Waffenlieferungen ins Ausland vor allem aber ausAuftraumlgen der Bundeswehr Die Erben von Harald und HerbertQuandt -geschaumltztes Vermoumlgen zusammen Milliarden DM- der Flick-Erbe Dr Friedrich Karl Flick und seine Neffen -zu-sammen mindestens Milliarden DM schwer - Familie vSiemens Milliarden DM - die Roumlchling-Erben etwaMilliarden oder um aus der Fuumllle der moumlglichen Beispielenoch einen weiteren Kroumlsus zu nennen Karl Diehl der aufMunition Zuumlnder Panzerketten und Kanonen spezialisiert istund auf Milliarden DM Vermoumlgen geschaumltzt wird - sie undviele andere verdanken ihr vieles Geld groszligenteils dem gewalti-gen Ruumlstungsbedarf nicht zuletzt dem der Bundeswehr

Um so erschrockener muumlssen die Konzernherren gewesensein als Kanzler Kohl kaum daszlig er trickreich in sein Amthievt worden war mit der Parole in den Bundestagswahlkampf1983 zog raquoFrieden schaffen mit immer weniger Waffenlaquo

Indessen beruhigten sich die Ruumlstungsmagnaten sehr raschals sie merkten daszlig Kohl ihnen nur eins seiner demagogischenKunststuumlckchen vorfuumlhrte Die damaligen Meinungsumfragenhatten erbracht daszlig die uumlberwaumlltigende Mehrheit der Bevoumllke-rung nichts sehnlicher wuumlnschte als einen sicheren Friedendurch eine massive Abruumlstung in Ost und West Fast 80 Prozentder Befragten sympathisierten mit der Friedensbewegung be-jahten deren Ziele und bekundeten ihr Vertrauen zu Gorba-tschow und die Glaubwuumlrdigkeit seiner Vorschlaumlge zur Beile-

gung des Ost-West-Konflikts und zur stufenweisen AbruumlstungAngesichts dieser breiten Zustimmung der Bundesbuumlrger zuden Bemuumlhungen den Ruumlstungswahnsinn zu beenden hattesich Helmut Kohl veranlaszligt gesehen ganz ungeniert mit demVersprechen auf Stimmenfang zu gehen ebenfalls fuumlr Abruuml-stung zu sorgen

Doch er tat das GegenteilDie Ruumlstungsausgaben der Bundesrepublik stiegen unter

Helmut Kohls Kanzlerschaft kontinuierlich weiter 1983 betru-gen sie 46751 Millionen DM 1986 uumlberschritten sie erstmalsdie 50-Milliarden-Grenze und 1990 erreichten sie mit mehr als54 Milliarden DM den houmlchsten Stand in Friedenszeiten denes in der deutschen Geschichte je gegeben hat

Obwohl von einer tatsaumlchlichen Bedrohung nicht mehr dieRede sein und spaumltestens seit der Jahreswende nie-mand mehr daran zweifeln kann daszlig Abruumlstung das Gebot derStunde ist und keinesfalls weiter aufgeruumlstet werden darf sahder Haushaltsentwurf der Kohl-Regierung fuumlr 1991 abermalsrund 50 Milliarden DM vor Die scheinbare Verminderung umetwa zwei Prozent beruht zudem auf einem Rechentrick DiePersonalverstaumlrkungsmittel wurden aus dem Wehr- in den Fi-nanzetat uumlbertragen Trotz Verringerung der Bundeswehr-Trup-penstaumlrke um fast ein Drittel sind die Verteidigungsausgabenbis heute nur wenig unter die 50-Milliarden-DM-Grenze ge-sunken

Diese gigantische Vergeudung von oumlffentlichen Mitteln ge-houmlrt zur Strategie der Regierung Kohl die das Ziel hat dasVolksvermoumlgen umzuverteilen zu Lasten fast aller Buumlrgerin-nen und Buumlrger und zum Nutzen der wenigen Superreichendenn wenn Groszligunternehmen Hunderte von Millionen Markinvestieren wie sie es taten als sie zwei Jahrzehnte lang sehrviel Geld in die Kassen von CDU CSU und F DP sowie in dieTaschen fuumlhrender Politiker flieszligen lieszligen dann wollen sie fuumlrihr Geld natuumlrlich auch Gegenleistung erbracht sehen die diehohen Ausgaben nachtraumlglich uumlberreichlich lohnen

Neben den Sonderwuumlnschen einzelner Groszligunternehmerbeispielsweise Flicks Wunsch nach Befreiung von allen Steuer-zahlungen fuumlr sein raquoMilliardendinglaquo die ihm dann ja auch

gewaumlhrt wurde oder einzelner Branchen -wie etwa die eben-falls gelungene Abwehr vernuumlnftiger Sparmaszlignahmen im Arz-neimittelbereich durch die Pharma-Industrie haben alle gro-szligen Bosse unseres Landes auch einige gemeinsame WuumlnscheSie wollen mehr Profit egal ob durch steuerliche Entlastungoder durch Befreiung von laumlstigen weil hohe Kosten verursa-chenden Auflagen etwa im Umwelt- oder Arbeitsschutzbe-reich ob durch Senkung ihrer Lohn- und Lohnnebenkostenoder durch hohe Subventionen

Es gibt noch vieles was den Profit kraumlftig steigert und amliebsten ist es den groszligen Bossen wenn ihnen die Regierungalles auf einmal und in moumlglichst reichem Maszlige beschert DieCDUCSUFDP-Regierung hat sich seit 1983 die groumlszligteMuumlhe gegeben den Konzernen nur ja alles recht zu machenDas ist freilich immer mit einem Problem verbunden Wennman so viel zugunsten von wenigen Superreichen tut geht diesleider zu Lasten der breiten Mehrheit Da die Regierung aberwenn sie uumlber den naumlchsten Wahltag hinaus am Ruder bleibenwill (und nach dem Willen ihrer Geldgeber aus der Konzern-welt auch soll) eine Mehrheit der Waumlhlerstimmen benoumltigtmuszlig sie das Kunststuumlck fertigbringen sich all denen uumlberzeu-gend als Wohltaumlterin anzupreisen die sie zugunsten des Gro-szligen Geldes benachteiligt und geschaumldigt hat Ihr Spezialist fuumlrdiese schwierige Aufgabe heiszligt Dr Norbert Bluumlm langjaumlhrigerVorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse auch Mitglied einerDGB-Gewerkschaft seit 1983 Bundesminister fuumlr Arbeit (wasaber wohl nur eine irrefuumlhrende Abkuumlrzung ist denn tatsaumlch-lich fungiert Dr Bluumlm als Minister fuumlr Arbeitgeberinteressen)raquoDen Opfern des Sozialabbaus in ihrer Sprache zu antwortenihnen die staatlichen Maszlignahmen mit ihren eigenen Worten alsWohltat zu verkaufen diesen Trick beherrscht kaum ein ande-rer Politiker so sicher und vertrauenerweckend wie NorbertBluumlmlaquo heiszligt es in der hervorragenden Studie von Hans UskeraquoDie Sprache der Wendelaquo uumlber diesen mit Roszligtaumluschermetho-den arbeitenden Demagogen der den Abbau der Sozialleistun-gen mit der Notwendigkeit rechtfertigt den Staat vor Verschul-dung zu bewahren und zwar folgendermaszligen

raquoDafuumlr brauche ich gar keine volkswirtschaftlichen TheorienDas entspricht auch dem Lebensgefuumlhl der Arbeiterfamilie

Die Arbeiterfamilie hat nie auf Pump gelebt Sie hat immergewuszligt Man kann nicht mehr essen als auf dem Tisch stehtund ein Staat kann nicht mehr ausgeben als er einnimmt Dasentspricht dem Lebensgefuumlhl der Arbeitnehmerlaquo So Dr Bluumlmim Bundestag am 18 Dezember 1983 zur Begruumlndung derdamals eingeleiteten Regierungspolitik die dann nicht nursystematisch Sozialleistungen kuumlrzte und Arbeitnehmerrechteeinschraumlnkte sondern zugleich die Staatsschulden mehr alsverdoppelte

raquoDer Staatlaquo merkt Hans Uske treffend an raquoist natuumlrlichkeine Arbeiterfamilie und Staatsschulden sind nicht miteinem Uumlberziehungskredit zu vergleichen Aber nehmen wirmal an sei tatsaumlchlich in so tiefer Not wie eine Arbei-terfamilie Wieso nimmt Bluumlm dann den armen Familienmit-gliedern Geld weg um es dem reichen Onkel als Steuerge-schenk in den Rachen zu werfen Wenn er uns schon alle zueiner riesigen Arbeiterfamilie macht waumlre es klar daszlig uns dieWohlhabenden aus der Patsche helfen muumlszligten In richtigenArbeiterfamilien gehoumlrt das zum guten Benehmen

In derselben Bundestagsrede vom 8 Dezember 1983 gabsich Dr Bluumlm sogar noch ein biszligchen proletarischerraquoDie Zinsen der staatlichen Schuldenpolitik bekommennicht die Rentenempfaumlnger die Sozialhilfeempfaumlnger sonderndiejenigen die dem Staat das Geld leihen konntenlaquo erklaumlrte ermehr fuumlr das Fernsehpublikum das seine Rabulistik in derraquoTagesschaulaquo serviert bekam als fuumlr seine wenigen Zuhoumlrer imBundestag raquoDas sind nicht die armen Leute das sind dieOumllscheichs die Banken und die Besserverdienenden Schuldenabbauen ist soziale Politiklaquo

raquoIst das nicht klassenkaumlmpferischlaquo heiszligt es dazu in dem bis-sigen Kommentar von Hans Uske raquowie Kollege Bluumlm hiergegen Oumllscheichs Banken und Besserverdienende vorgeht InWirklichkeit benutzt er ein paar proletarische Reizworte umden Klassenkampf von oben den er selbst mit vorantreibtsprachlich in einen angeblichen Kampf gegen Oumllscheichs undBanken zu verwandeln Seine Arbeitersprache setzt Bluumlm einwie es ihm gerade paszligtlaquo

Denn bei anderer Gelegenheit kann er genauso geschicktdie - angeblich faulenzenden Sozialhilfeempfaumlnger die er

eben noch als raquoarme Leutelaquo fuumlr seine Scheinargumentationbenutzt hat in Parasiten und raquoAusbeuterlaquo verwandeln und fol-gendermaszligen -in seinem Buch raquoDie Arbeit geht weiterlaquo Muumln-chen 1983 Seite 9 verunglimpfen

raquoAber ist es nicht eine moderne Form der Ausbeutung sichunter den Palmen Balis in der Haumlngematte zu sonnen alterna-tiv vor sich hin zu leben im Wissen daszlig eine Sozialhilfe vonArbeitergroschen finanziert im Notfall fuumlr Lebensunterhaltzur Verfuumlgung stehtlaquo

Dazu noch einmal der Kommentar von Hans Uske an-dere Politiker stuumltzt sich bluumlm auf schon vorhandene Vorurteilegegen gtDruumlckebergerlt Bluumlms Spezialitaumlt ist jedoch der Appellans Klassenbewuszligtsein gtAusbeutunglt Machen die Unter-nehmer muszlig der Arbeiter gegen kaumlmpfen gtArbeitergroschenltSind sauerverdient wollen die Reichen wegnehmen muszlig manverteidigen den Palmen Balislt Da liegen die Playboysam Strand sonnen sich Ausbeuter von sauer verdienten Arbei-tergroschen Waumlhrend er so die Opfer seines Sozialabbausdenunziert hofft Bluumlm auf Applaus von Arbeitern -was beson-ders makaber ist da die ja selbst zu seinen Opfern gehoumlrenlaquo

Norbert Bluumlm geht sogar noch einen Schritt weiter Im Som-mer 1986 lieszlig sein Ministerium verbreiten von einem Sozialab-bau koumlnne uumlberhaupt nicht die Rede sein im Gegenteil DieSozialausgaben haumltten vielmehr seit der raquoWendelaquo eine kraumlftigeSteigerung erfahren Und tatsaumlchlich Wenn man wie es ein zudieser dreisten Behauptung geliefertes Schaubild tat alle Aus-gaben im Gesundheitswesen vor allem die von der raquoPillen-lobbylaquo unter vormaliger Fuumlhrung des spaumlteren JuwelenraumlubersDr Scholl herbeigefuumlhrte - Kostenexplosion bei Arzneimittelnhinzurechnete ebenso die den Gemeinden aufgebuumlrdeten So-zialhilfe-Lasten dann hatten sich allerdings schon in diesenersten Jahren der Regierungstaumltigkeit von Kohl und Bluumlm dieSozialausgaben drastisch erhoumlht nur waren die Leistungenauf die der oder die einzelne Anspruch hatten keineswegsgestiegen sondern hatten sich real vermindert Kraumlftig ver-mehrt hatten sich hingegen die Profite beispielsweise die derPharma-Industrie aber auch die Honorareinnahmen etwa beiden Zahnaumlrzten

Tatsaumlchlich haben zwoumllf Jahre Kohlscher raquoWendelaquopolitikMillionen in die Armut getrieben dafuumlr die Reichen noch umvieles reicher gemacht

Beguumlnstigt durch die bis Anfang der neunziger Jahre anhal-tende Hochkonjunktur sind die Unternehmergewinne und Ver-moumlgensrenditen explosionsartig gestiegen aber gleichzeitighat die Kohl-Regierung den Groszligverdienern immer neue Steu-ergeschenke gemacht Das hat diese aber nicht davon abgehal-ten in steigendem Maszlige Steuern zu hinterziehen Wie derwegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung rechtskraumlftig verur-teilte Ex-Bundeswirtschaftsminister und inzwischen Ex-FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff dazu bemerkt hat befindeter sich mit diesem Delikt raquoin allerfeinster Gesellschaftlaquo In derTat Steuerhinterziehungen groszligen Stils und Kapitalflucht insAusland werden nicht von Otto Normalverbraucher nicht vonLohnsteuerpflichtigen und auch nicht von kleinen und mittle-ren Beamten Rentnern Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfaumln-gern begangen

Was die beiden letzten groszligen Gruppen der Bevoumllkerungbetrifft so haben Kanzler Kohl und sein Arbeitsminister Bluumlmzur Verminderung der Arbeitslosigkeit und Armut bislang nureines getan unermuumldlich eine Verschoumlnerung der Statistikbetrieben Schon mit der 7 Novelle zum Arbeitsfoumlrderungsge-setz wurde die Moumlglichkeit geschaffen rund 100 000 Arbeits-lose zwischen 50 und 59 Jahren endguumlltig aus der Statistik ver-schwinden zu lassen ebenso rund 40 000 arbeitslose FrauenEine statistische Absenkung der Arbeitslosenquote kam spaumlterauf folgende Weise zustande Man setzte die Arbeitslosennicht mehr ins Verhaumlltnis zu den abhaumlngig Beschaumlftigten son-dern zu allen Erwerbspersonen Das fuumlhrte dazu daszlig sich dieArbeitslosenquote von einem Tag auf den anderen um fasteinen Prozentpunkt verringerte ohne daszlig ein einziger Arbeits-loser Arbeit bekommen haumltte

Doch solche Methoden genuumlgten nicht um das so Kohlleidige Thema raquoArbeitslosigkeitlaquo zu raquoentschaumlrfenlaquo Deshalbdachte sich die Leiterin des Allensbacher Instituts fuumlr Demo-skopie Frau Professor Noelle-Neumann etwas Neues ausKohls Hof-Demoskopin machte dem Kanzer schon 1986 den

im Hinblick auf die Bundestagswahlen vom Januarraquoden Block der Arbeitslosen aufzuteilenlaquo Rund 700 000

Arbeitslose sollten raquoals Alkoholiker Drogensuumlchtige sozialeAussteigerlaquo oder schlicht als raquofreiwillig arbeitsloslaquo diffamiertund zumindest auf dem Papier von der erschreckendenGesamtzahl in Abzug gebracht der immer noch gewaltige Restunterteilt werden in raquoAlleinernaumlhrer Arbeitslose in Haushal-ten in denen es einen zweiten Hauptverdiener gibt undArbeitslose die Nebenverdiener sindlaquo

Frau Noelle-Neumann hat damals der Bundesregierunggeraten diese Zahlenakrobatik nicht selbst vorzunehmen Einsolches Rechenkunststuumlck raquodas vor der heiszligen Phase des Wahl-kampfes abgeschlossen werden solllaquo muumlszligte raquoaus privaterInitiativelaquo in Auftrag gegeben werden wie es dann auchgeschah Arbeitgeberverbaumlnde Konzerne und raquoandere privateGeldgeberlaquo beauftragten die Allensbacher tatsaumlchlich mit derDurchfuumlhrung dieses Roszligtaumluschertricks werden dieArbeitslosigkeit einigermaszligen wegerklaumlrenlaquo versicherte dazuim Sommer 1986 ein Allensbach-Mitarbeiter raquoLeicht wird dasnicht gerade sein aber es wird hoffentlich reichen der Bundes-regierung im Wahlkampf uumlber die Runden zu helfenlaquo

Diese und andere Taumluschungsmanoumlver die seitdem in rei-chem Maszlige angewendet worden sind aumlnderten natuumlrlich nichtdas geringste am tatsaumlchlichen Ausmaszlig der Dauermassenar-beitslosigkeit die sich nicht verringerte sondern vergroumlszligerteDoch vor allem wenn Wahlen anstanden war es der Kohl-Regierung jedesmal besonders wichtig den Waumlhlerinnen undWaumlhlern Sand in die Augen zu streuen damit ihnen das Aus-maszlig vor allem aber die Gruumlnde der Arbeitslosigkeit nicht deut-lich werden Sie sollen nicht merken warum wohl Arbeitgeber-verbaumlnde Konzerne raquound andere private Geldgeberlaquo daraninteressiert sind daszlig Millionen Menschen ohne festen Arbeits-platz bleiben und dafuumlr auch noch diffamiert und mit Verach-tung bestraft werden Mit der Massenarbeitslosigkeit wird naumlm-lich die Voraussetzung geschaffen Loumlhne und Gehaumllter imunteren Bereich zu druumlcken und die Beschaumlftigten zu raquofreiwilli-gemlaquo Verzicht auf wohlerworbene Anspruumlche und hart er-kaumlmpfte Rechte zu bewegen Durch die Diffamierung der raquoFrei-

gestelltenlaquo sollen die Solidaritaumlt mit den Arbeitslosen untergra-ben und die Aumlngste der noch Beschaumlftigten vor Entlassung undsozialem Abstieg geschuumlrt werden

raquoJe mehr Arbeitslose wir haben und je schlechter es ihnengeht desto besser wird die Arbeitsmoral desto weniger druumlk-ken uns die Lohnkostenlaquo Diese Grundregel der groszligen Bossestellte der Groumlszligte von ihnen Friedrich Flick bereits 1931 waumlh-rend der Weltwirtschaftskrise auf einer Aktionaumlrsversamm-lung in Duumlsseldorf auf und an der Guumlltigkeit dieser Regel undihrer immer rigoroseren Anwendung hat sich bis heute nichtsgeaumlndert

Am schlechtesten dran sind jene jugendlichen Arbeitslosenohne Ausbildung denen Kanzler Kohl vollmundig raquofuumlr jedenund jede eine Lehrstellelaquo versprochen hat (woran er aber nichtmehr erinnert werden moumlchte) Um der Statistik willen werdenmaumlnnliche Dauerarbeitslose im wehrpflichtigen Alter zu kur-zen Uumlbungen einberufen die Unterbrechung genuumlgt sie ausder Rubrik raquoDauerarbeitsloselaquo verschwinden zu lassen

Auch das sogenannte Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz derRegierung Kohl brachte gerade fuumlrjunge Leute drastische Ver-schlechterungen Zur Freude der Bosse foumlrdert das Gesetz dasHeuern und Feuern und erlaubt ohne sachliche Begruumlndungbefristete Arbeitsvertraumlge bis zu 18monatiger Dauer Auszliger-dem wurde die zulaumlssige Dauer der ohnehin houmlchst bedenk-lichen ausbeuterischen Leiharbeit verlaumlngert

Mit dem 1985 ausgerechnet zum 1 Mai in Kraft getretenenGesetz wurde der Kuumlndigungsschutz durchloumlchert Houmlchst um-strittene von den Gewerkschaften bekaumlmpfte Formen der Teil-zeitarbeit wurden gesetzlich verankert sowohl die Arbeits-platzteilung das sogenannte raquoJob-sharinglaquo als auch die raquokapa-zitaumltsorientierte variable Arbeitszeitlaquo (KAPOVAZ) Die Ju-gendschutzbestimmungen wurden eingeschraumlnkt die erlaubteSchichtzeit auf Bau- und Montagestellen wurde fuumlr Jugendli-che auf elf Stunden verlaumlngert der Arbeitsbeginn von siebenauf sechs Uhr vorverlegt in Baumlckereien sogar auf vier Uhr

Das Beschaumlftigungsfoumlrderungsgesetz das entgegen seinemverheiszligungsvollen Namen nicht zur Schaffung von Arbeitsplaumlt-zen beitrug sondern im Gegenteil zu verstaumlrkter Ausbeutung

von Arbeitskraft fuumlhrte wurde ergaumlnzt durch etliche Novellenzum Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) Dieses aus den sechzi-ger Jahren stammende Gesetz hatte urspruumlnglich den Zweckdaszlig die Bundesanstalt fuumlr Arbeit nicht bloszlig diejenigen finan-ziell unterstuumltzt die arbeitslos sind sondern der Arbeitslosig-keit auch aktiv entgegenwirkt Die von Dr Kohl gefuumlhrte Regie-rung bewerkstelligte mit mehreren Novellen zum AFG sowohleinen Abbau der Leistungen fuumlr die Arbeitslosen als auch einedrastische Einschraumlnkung der Moumlglichkeiten aktiver Arbeits-marktpolitik zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsmaszlignahmen

Wenn man wie es die Regierung Kohl sich zum Ziel gesetzthat massiven Sozialabbau und Umverteilung von unten nachganz oben copymiddotacuteacuteocircdann ist ein scheinheiliger Spruumlcheklopfer wieNorbert Bluumlm unentbehrlich Neben den von ihm betriebenendrastischen Kuumlrzungen der Sozialleistungen fallt ihm ja auchnoch die Aufgabe zu die reiche Bundesrepublik allmaumlhlich inein Billiglohnland umzuwandeln wo allein die Bosse dasSagen haben und die Lohn- und Gehaltsempfaumlnger schutzlossind

Alle bisherigen Maszlignahmen der Regierung Kohl und ihresArbeits- und Sozialministers Bluumlm die angeblich dem raquoAbbauder Arbeitslosigkeitlaquo dienen sollen zielen darauf in hundert-jaumlhrigem Kampf muumlhsam errungene Rechte der Arbeiter undAngestellten Schritt fuumlr Schritt abzubauen Bluumlms Begruumlndungim Bundestag raquoDas Arbeitsrecht unter den Bedingungen derArbeitslosigkeit muszlig Bruumlcken bauen und darf nicht dazu fuumlh-ren daszlig die Privilegierten die Arbeitsbesitzer sich in dieFestung zuruumlckziehen und die Beute unter sich verteilenlaquo

Statt gezielt die Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen wie es seineAufgabe waumlre will Bluumlm denn das meint er in Wahrheit daszligdie raquoArbeitsbesitzerlaquo auf ihre raquoBeutelaquo naumlmlich auf ihren inharten Tarifkaumlmpfen errungenen Besitzstand an gesichertemLohn und ertraumlglichen Arbeitsbedingungen verzichten lernenund ihre raquoPrivilegienlaquo naumlmlich in jahrzehntelangem politi-schen Kampf durchgesetzte Rechte zum Beispiel auf Kuumlndi-gungsschutz einfach aufgeben

Ex-Bundesminister Graf Lambsdorff resozialisierter Geld-waumlscher Steuerhinterzieher und Flick-Helfer einerseits lang-

jaumlhriger FD P-Chef und Gralshuumlter der superfreien Marktwirt-schaft andererseits verkuumlndete das Gleiche wie Norbert Bluumlmnur unverbluumlmter In einem Interview in dem auf Volksver-dummung spezialisierten Achtgroschenblatt das sich ambesten fuumlr solche Verlautbarungen eignet lieszlig der Graf sichherbei sein Patentrezept zur Bekaumlmpfung der Arbeitslosigkeitzu verraten

raquoDagegen gibt es nur eine Medizin Disziplin bei kuumlnftigenLohnvereinbarungen Denn fuumlr niedrige Loumlhne gibtrsquos genugArbeitlaquo

Als raquoschlimmsten Fehlerlaquo bezeichnete Graf Lambsdorff dervom Hause Flick so reich Bedachte die Anhebung der Loumlhneund Gehaumllter in den raquounteren Einkommensstufenlaquo da sichgerade die einfachste Arbeit raquoam besten durch Maschinenersetzenlaquo lieszlige

Ganz abgesehen davon daszlig Loumlhne gleichzeitig KaufkraftSteuern und Sozialversicherungsbeitraumlge bedeuten wird derZynismus der graumlflichen Argumentation wie Hans Uske in sei-ner Untersuchung raquoDie Sprache der Wendelaquo anmerkt erst rich-tig deutlich raquowenn wir uns in die Zukunft versetzen und an-nehmen Lambsdorffs Rezept waumlre bereits verwirklicht Nehmen wir also an die Loumlhne seien gesenkt worden sagenwir um 20 Prozent Sofort sinken die Kosten der Unterneh-mer in den lohnintensiven Bereichen dort wo viele Arbeits-kraumlfte noumltig sind Die Verlockung Maschinen anzuschaffenwird geringer Dank der Wende-Regierung koumlnnten wir end-lich wieder mit den Computern konkurrieren Die meistenLeute waumlren aumlrmer einige sogar sehr viel aumlrmer aber viele haumlt-ten wieder Arbeit Nun gehoumlrt aber zur Wirtschaftsplanungder Bundesregierung die Foumlrderung des technischen Fort-schritts Milliarden flieszligen in EDV-Forschung und Computer-Entwicklung Groszligkonzerne engagieren sich im Elektronik-markt Dieser geballte Einsatz muszlig sich bezahlt machen Was tun wir jetzt Die vernuumlnftigste Loumlsung Unsere Arbeits-kraft muszlig noch billiger werden auszligerdem lernen wir noch bes-ser computern und dann muumlssen wir noch billiger werdenund dann -leben wir in einem Billiglohnland Und wenn dienaumlchste konjunkturelle Krise kommt und wenn durch die

rasante Entwicklung des technischen Fortschritts die Arbeits-losenzahl weiter ansteigt dann wird diese Sorte von Vernunftdarauf nur eine Antwort wissen Das Opfer der Bevoumllkerungwar nicht groszlig genug der Guumlrtel muszlig noch enger geschnalltwerdenlaquo

Auf dem Wege zur Verwirklichung solcher Absichten sahendie groszligen Bosse und die von ihnen mit Millionenspendengefoumlrderte Regierung Kohl ein Hindernis den DGB und die indiesem Buumlndnis zusammengeschlossenen Einheitsgewerk-schaften Folgerichtig setzte die Regierung Kohl kaum daszlig siedurch den Waumlhlerbetrug der FDP an die Macht gekommenwar die Schwaumlchung der Gewerkschaften auf ihr ProgrammIhr erstes Ziel war die Streikfahigkeit und damit das Grund-recht auf Streik als legitimes Kampfmittel der wirtschaftlichSchwaumlcheren auszuhoumlhlen Durch eine Aumlnderung des Paragra-phen 116 Arbeitsfoumlrderungsgesetz (AFG) sollte zunaumlchst ein-mal die Durchsetzungsfaumlhigkeit der Gewerkschaften in derTarifpolitik beendet werden

Worum es dabei ging erlaumluterte der DGB am Beispiel desArbeitskampfes mit dem die IG Metall das Tabu der 40-Stund-den-Wochen brach raquoWaumlhrend dieses Arbeitskampfes haben inder Metallindustrie 55 000 Arbeitnehmer gestreikt 170 000Arbeitnehmer wurden in den umkaumlmpften Tarifgebieten ausge-sperrt Uumlber 300 000 Arbeitnehmer wurden bundesweit kaltausgesperrt Das heiszligt Von zehn Arbeitnehmern die in denArbeitskampf einbezogen waren waren neun ausgesperrt undeiner streikte Die Arbeitgeber haben durch massenhafte Aus-sperrung im umkaumlmpften Tarifgebiet bundesweit kalte Aus-sperrungen verursacht oder willkuumlrlich herbeigefuumlhrt unddiese Praxis wollen sie sich in Zukunft von den Sozialaumlmternbezahlen lassen Sie wollen mit der Existenzangst der Arbeit-nehmer und ihrer Familien Tarifpolitik machen Wenn Gesetzwird was die Arbeitgeber wollen und die Regierung vollziehtwird das Streikrecht zwar auf dem Papier erhalten bleiben aberin der Praxis bis zur Unkenntlichkeit verstuumlmmelt seinlaquo

Dennoch wurde die Aumlnderung des Paragraphen 116 AFGgegen den millionenfachen Protest der organisierten Arbeit-nehmer von der Regierung Kohl durchgepeitscht Weit groumlszliger

als ihr Respekt vor den demokratischen Grundrechten war dieRucksicht auf ihre Geldspender in den Chefetagen der Groszlig-konzerne im Falle des Grafen damals noch Flick inzwischendie maumlchtige Allianz-Versicherung die sich im Fruumlhsommer

das DDR-Versicherungswesen unter den Nagel gerissendessen Verpflichtungen in Milliardenhoumlhe aber den Steuerzah-lern uumlberlassen hat

Unter der Federfuumlhrung von Minister Dr Bluumlm wurde mitden Stimmen der schwarz-goldenen Koalition von CDUCSUund F D P der Paragraph 116 im Sinne der Konzernherren abge-aumlndert Graf Lambsdorff aumluszligerte vollste Zufriedenheit Mitden kleinen Korrekturen die den Gewerkschaften am Endenoch bewilligt worden waren raquolieszlige sich lebenlaquo meinte er ImKlartext Das raquoAnti-Gewerkschaftsgesetzlaquo wie es der dama-lige DGB-Vorsitzende Ernst Breit genannt hat entsprachdurchaus den Forderungen der Konzerne deren Bestreben dar-auf gerichtet war und ist die Gewerkschaften vor allem tarifpo-litisch handlungsunfaumlhig zu machen

Tatsaumlchlich hat die Regierung Kohl mit der von ihr durchge-fuumlhrten Aumlnderung des Streik-Paragraphen 116 AFG einen derdringendsten Wuumlnsche ihrer Geldgeber erfuumlllt der so einBDI-Festredner im Jahresruumlckblick - raquozum Vermaumlchtnis vonHanns Martin Schleyerlaquo gehoumlrte

Auch bei den Feierlichkeiten zum 10 Todestag des Kohl-Ent-deckers Dr Fritz Ries im Juli 1987 in Frankenthal an denenKanzler Kohl seinem langjaumlhrigen Foumlrderer trotz dessenSchandtaten um und in Auschwitz uneingeschraumlnktes Lobspendete und die raquovorbildliche Unternehmerpersoumlnlichkeitlaquodes verewigten Groszligraquoarisiererslaquo und Kondom-Koumlnigs prieswaren die versammelten Freunde aus Industrie und Bankweltsich darin einig daszlig die gegluumlckte Aumlnderung des AFGraquoein richtiger Schritt auf dem richtigen Wegelaquo gewesen sei

immer reicher und dieArmen immer aumlrmer werden

Wie sich der Sozialabbau bereits nach vier Jahren raquoWendelaquo-Politik ausgewirkt hatte beschrieb der SPD-SozialexperteEgon Lutz 1986 im Bundestag raquoDer Sozialabbau der Regie-rung Kohl hat zu einer neuen Armut gefuumlhrt Durch Kuumlrzun-gen von Sozialleistungen und Anhebung von Sozialversiche-rungsbeitraumlgen wurden die sozial Schwaumlcheren in groszligemUmfang belastet Mitte 1985 haben nahezu 40 Prozent (derArbeitslosen) uumlberhaupt keine Leistungen mehr aus derArbeitslosenversicherung erhalten Nur noch ein Drittel allerArbeitslosen bezog Arbeitslosengeld und zugleich sank dasdurchschnittlich gezahlte Arbeitslosengeld um annaumlhernd vierProzent obwohl die durchschnittlichen Lebenshaltungs-kosten im selben Zeitraum um Prozent gestiegen sindlaquo

Auch in der Folgezeit am Ende der achtziger Jahre besser-ten sich trotz damals noch anhaltender Hochkonjunktur undgutgefuumlllter Kassen diese katastrophalen Verhaumlltnisse um kei-nen Deut Infolge des Anstiegs der Lebenshaltungskosten ver-schlechterten sie sich noch Langzeitarbeitslosigkeit anstei-gende Uumlberschuldung vieler Familien und drastische Verknap-pung preisguumlnstigen Wohnraums lieszligen immer mehr Mittel-schichtfamilien in die Armut absinken Die Regierung Kohlbrachte den sozialen Wohnungsbau zum Erliegen und trug mitihrer Gesetzgebung kraumlftig dazu bei daszlig die Mieter in wach-sende Bedraumlngnis gerieten und die Wohnungsnot sich vergrouml-szligerte Sie erleichterte die Umwandlung preisguumlnstiger Woh-nungen in Buumlros oder unerschwinglich teure Eigentumswoh-nungen und lieszlig den Abstand zwischen Mietkosten und Haus-haltseinkommen immer kleiner werden was auch zur Folgehat daszlig sich die Sozialstruktur ganzer Stadtviertel aumlndert dieMenschen aus ihrer gewohnten Umgebung in ferne raquoSchlafstaumlt-

tenlaquo und raquoWohnsiloslaquo in Randlagen abgedraumlngt werden unddie Obdachlosigkeit dramatisch zunimmt

Ausgerechnet bei ohnehin benachteiligten Gruppen wieFrauen mit niedrigen Renten oder Schwerbehinderten setzteder im Kabinett Kohl fuumlr Arbeit und Soziales zustaumlndige Mini-ster Norbert Bluumlm den Rotstift an So wurde den Hausfrauender Invaliditaumltsschutz trotz oft jahrelanger Beitragszahlung indie Rentenversicherung einfach gestrichen

Alles was der Regierung Kohl zum Thema Armut einfalltsind dumme Spruumlche Dreist behauptete Norbert Bluumlm imBundestag raquoAltenarmut ist nicht Rentenarmut Ich bestreitedaszlig die Ursachen von Armut in der Rentenversicherung liegenArmut kann auch das Ergebnis von wenigen Beitragsjahrenvon geringem Lohn seinlaquo -was gewiszlig niemand leugnen kannnur waumlre es die Aufgabe einer sozialen Demokratie zumal ineinem so uumlberaus reichen Land wie der Bundesrepublik jenesich aus der ungerechten Entlohnung der Frauen ergebendenviel zu niedrigen Renten nicht als Resultat eines Naturgesetzeshinzunehmen sondern auszugleichen Gerade die heute imRentenalter stehenden Frauen von denen sich die meisten einJahrzehnt lang durch Kriegs- und Nachkriegsnotjahre alleindurchschlagen muszligten oft die ganze Last der Kindererzie-hung des Haushalts und der Erwerbsarbeit trugen von ihrenPfennigloumlhnen nur Mindestbeitraumlge zur Rentenversicherungleisten und niemals Nachzahlungen aufbringen konnten ver-dienten im Alter die solidarische Hilfe der westdeutschenWohlstandsgesellschaft Niemand koumlnnte die Bundesregierungdaran hindern ihre Milliardengeschenke an die Superreichenin betraumlchtliche Rentenerhoumlhungen umzuwandeln so daszligkeine und keiner die oder der sein Leben lang hart gearbeitetaber wenig verdient hat nun auch noch im Alter darben muszligES waumlre dann nicht einmal noumltig die Versicherungsbeitraumlge zuerhoumlhen Aber dazu meinte Kohls Sozialminister Dr Bluumlm

raquoWir wollen die Rente lohn- und leistungsbezogen lassenWirwollen nicht die Einheitsrente die Sockelrente Wirwollennicht die groszlige sozialistische Gulaschkanone von deren Ein-heitsbrei jeder einen Schlag bekommtlaquo

Solche Rabulistik eines Mannes der sich und seine Politikraquochristlichlaquo und raquosoziallaquo nennt laumlszligt einen schaudern Dennniemand verlangt eine raquoEinheitsrentelaquo wohl aber waumlre es drin-gend erforderlich und finanziell durchaus moumlglich - einedeutlich uumlber der Armutsgrenze liegende Mindestrente einzu-fuumlhren Und wenn man auf die Steuergeschenke an die Super-reichen durchaus nicht verzichten will genuumlgte zur Finanzie-rung auch die Vergeudungen im Ruumlstungsbereich oder beiam Ende fallengelassenen Prestigeobjekten wie derdorfer Plutonium-WAA einzuschraumlnken

Als Folge der Massenarbeitslosigkeit und des Sozialabbausist seit der raquoWendelaquo die Zahl der Sozialhilfeempfaumlnger staumlndiggestiegen in den ersten zwei Jahren um rund 500 000 aufMillionen bis Ende 1987 abermals um 500 000 auf 31 Millio-nen 1991 gab es in Westdeutschland Millionen Sozialhilfe-empfaumlnger Eine halbe Million kam kurzfristig in Ostdeutsch-land hinzu nachdem die DDR der Bundesrepublik raquobeigetre-tenlaquo war Und diese Zahlen wachsen weiter

In dem Ende 1989 veroumlffentlichten raquoArmutsberichtlaquo der Pari-taumltischen Wohlfahrtsverbaumlnde mit der Uumlberschrift raquoWessen wiruns schaumlmen muumlssen in einem reichen Landlaquo wurde daraufhingewiesen daszlig die Unternehmer-Nettoeinkommen zwi-schen 1982 und 1988 um 74 Prozent gestiegen waren in absolu-ten Zahlen um etwa 180 Milliarden DM auf MilliardenDM Demgegenuumlber betrug der Zuwachs der Netto-Lohn- undGehaltssumme nur Prozent der Anstieg in absoluten Zah-len nur Milliarden DM Der Anteil des Bruttoeinkommensaus Unternehmertaumltigkeit und Vermoumlgen am gesamten Volks-einkommen wuchs zwischen 1982 und 1988 von auf 32 Pro-zent Die Lohnquote entwickelte sich dagegen im gleichenZeitraum von auf 68 Prozent zuruumlck

Die Reichen wurden also sehr viel reicher die Armen nurzahlreicher und noch aumlrmer Etwa Millionen Bundesbuumlrge-rinnen und -buumlrger das waren zehn Prozent der Bevoumllkerungder Bundesrepublik lebten 1988 an oder unterhalb dessen wasder Bericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandes diemutsschwellelaquo nannte unterhalb derer sich Hunger men-schenunwuumlrdige Wohnverhaumlltnisse drohende Obdachlosig-

keit Mangelkrankheiten Verelendung und Hoffnungslosig-keit ausbreiten

Die Entwicklung die laumlngst vor Eingliederung der DDR indie BRD zu diesen Ergebnissen fuumlhrte ging seitdem weiterund beschleunigte sich noch Die Lohnquote in Westdeutsch-land sank 1991 auf Prozent Die abhaumlngig Beschaumlftigtenkonnten im Gegensatz zu den Unternehmern ihre realenNettoeinkommen gar nicht mehr verbessern sondern erlittenEinbuszligen Im Gesamtzeitraum von 1982 bis 1992 stiegen dieNettoloumlhne und -gehaumllter daher nur um Prozent die realenEinkommen der Unternehmer dagegen um 123 Prozent

Besonders stolz pries die Regierung Kohl in den achtzigerJahren ihr Steuersenkungsgesetz Es entlastete die Steuerzah-ler in zwei Stufen zwar um fast 20 Milliarden DM doch warendiese Entlastungen so sozial ungerecht wie irgend moumlglich ver-teilt Sie kamen in erster Linie den Beziehern hoher und houmlch-ster Einkommen zugute

Verheiratete Durchschnittsverdiener hatten eine steuerlicheErsparnis von etwa zwoumllf DM monatlich Hingegen fiel die Ent-lastung von Spitzenverdienern 50mal houmlher aus obwohl siebei Jahreseinkommen von einer Million DM und mehr nur20mal mehr Steuerlast zu tragen hatten als ein Durchschnitts-verdiener Die Erhoumlhung des Kinderfreibetrags brachte denEinkommensmillionaumlren eine etwa 22mal houmlhere Entlastungals dem Durchschnittsverdiener

Selbst die geringfuumlgigen oft schon durch die erhoumlhten Bei-traumlge zur Kranken- und Sozialversicherung ausgeglichenenoder gar ins Gegenteil verkehrten Steuererleichterungen fuumlrDurchschnittsverdiener waren eine Taumluschung da zugleich dieMehrwertsteuer angehoben wurde Diese Steuer muszlig letztlichvon der Masse der Verbraucher aufgebracht werden auf die alleanderen vom Produzenten bis zum Groszlig- und Einzelhandelsie abwaumllzen koumlnnen

Was die Mehrwertsteuererhoumlhung um einen Prozentpunktan zusaumltzlichen Einnahmen erbrachte annaumlhernd acht Milliar-den DM wurde denen die von der Einkommensteuersenkungohnehin am meisten profitierten als zusaumltzliches Steuerge-schenk zuteil Das mehrstufige Programm der Regierung Kohl

zur Senkung der Unternehmenssteuern kostete naumlmlich eben-falls acht Milliarden DM-durch massiven Abbau der Gewerbe-steuer durch Senkung der Vermoumlgenssteuer und durch

bei den AbschreibungsmoumlglichkeitenDas sind nur einige Beispiele fuumlr die steuerliche Umvertei-

lung von unten nach oben Die direkte Besteuerung der Unter-nehmensgewinne vor Kohls Amtsantritt gut 33 Prozent ver-ringerte sich bis Anfang der neunziger Jahre auf kaum mehr als20 Prozent Die Abzuumlge von den Arbeitseinkommen dagegenstiegen zwischen 1980 und 1991 von Prozent der Brutto-loumlhne und -gehaumllter auf Prozent und wurden inzwischennoch weiter angehoben

Die Unternehmerverbaumlnde und ihre regierungsamtlichenPropagandisten vom Schlage solcher Bundeswirtschaftsmini-ster wie Otto Graf Lambsdorff oder Guumlnther Rexrodt verbrei-ten unentwegt die Maumlr Deutschland sei ein viel zu teurer Indu-striestandort geworden die Unternehmer seien mit viel zuhohen Kosten belastet das muumlsse sich endlich aumlndern Sie spe-kulieren darauf daszlig jede Behauptung wenn sie sie nur oftgenug wiederholen irgendwann geglaubt wird Massenver-dummungsblaumltterwie BILD aus dem Springer-Konzern wirkendaran eifrig mit Die Wahrheit bleibt dem verraquobildlaquoeten Publi-kum verborgen den Unternehmerverbaumlnden und Ministernhingegen ist sie wohlbekannt Nachzulesen ist sie in einerUntersuchung der Deutschen Bundesbank die gewiszlig nichtim Verdacht steht dem Kapitalismus feindlich gegenuumlberzu-stehen

In einer Auswertung der Bilanzen von 18 000 Unternehmenkommt die Bundesbank zu dem Ergebnis daszlig seit Ende dersiebziger Jahr der Anteil der Ausgaben fuumlr Steuern am Umsatzder Unternehmen nicht gestiegen sondern gesunken ist undzwar um etwa ein Sechstel Der gleichen Untersuchung zufolgeist auch der Anteil der Personalkosten am Umsatz zuruumlckge-gangen Beide zusammen Personalkosten und Steuerbela-stung machten 1989 kaum mehr als 20 Prozent des Gesamtum-satzes aus und verringerten sich inzwischen weiter Das heiszligtRund 80 Prozent des Umsatzes dienen anderen Zwecken nichtzuletzt den Unternehmergewinnen

Das reale Sozialprodukt je Beschaumlftigten (Arbeitsproduktivi-taumlt) erhoumlhte sich 1980 bis 1992 um 18 Prozent je Beschaumlftigten-stunde um 27 Prozent Aufgrund von Erfindungen und Ratio-nahsierungen koumlnnen industrielle Guumlter jetzt mit geringeremArbeitsaufwand also erheblich schneller hergestellt werdenDie Gewerkschaften reagierten fruumlhzeitig darauf indem sieArbeitszeitverkuumlrzungen forderten Helmut Kohl widersetztesich Diese Forderung sei raquodumm und toumlrichtlaquo wetterte erErst in harten Kaumlmpfen gelang es den Gewerkschaften in klei-nen Schritten uumlber lange Zeitraumlume die Arbeitszeit zu verkuumlr-zen und dadurch der sich ausbreitenden Arbeitslosigkeit entge-genzuwirken So kam die Erhoumlhung der Arbeitsproduktivitaumltwenigstens zu einem Teil den arbeitenden Menschen selbstzugute wofuumlr sie allerdings auch mit Lohn- und Gehaltsver-zichten zahlen muszligten Hauptnutznieszliger der Rationalisierun-gen waren und blieben die Unternehmer

Der Korrektheit halber muumlssen wir hier freilich einschraumln-ken daszlig nicht alle Unternehmer gleichermaszligen von der Politikder Regierung Kohl profitieren Den groumlszligten Nutzen haben inder Regel diejenigen die ohnehin schon die Reichsten undMaumlchtigsten sind Vor allem die Groszligbanken deren Frankfur-ter Verwaltungspalaumlste nicht zufaumlllig die houmlchsten im Landesind In den Jahren 1990 bis 1992 verbuchte die Kreditwirt-schaft einen Bilanzgewinn von mehr als 20 Milliarden DMwovon allein Milliarden auf die Groszligbanken entfielen 1993konnten die Finanzkonzerne neue Gewinnrekorde vermeldenwaumlhrend andere kleinere Unternehmen uumlber die Rezessionstoumlhnten und uumlbers Jahr mehr als 15 000 Firmen zahlungsunfauml-hig wurden Dem Volk wurden raquoSolidaritaumltsopferlaquo abverlangtdas Groszlige Geld wuchs und wucherte wie nie zuvor

1989 hatten die Groszligbanken fast fuumlnf Milliarden Mark Zins-uumlberschuszlig kassiert Das war schon ein stattliches Ergebnis1993 aber in der Krise gelang es ihnen einen Zinsuumlberschuszligvon 23 Milliarden DM einzuheimsen In der tiefsten Rezessionseit Bestehen der Bundesrepublik profitierten sie vom steigen-den Kreditbedarf des Staates der Kommunen der Gewerbe-treibenden und der Privathaushalte Waumlhrend zum Beispielvom Herbst 1992 bis Herbst 1993 die Bundesbank den Diskont-

und den Lombardsatz die Leitzinsen um Prozentpunktereduzierte senkten die Banken die Kontokurrentzinsen nurum und die Ratenkredite fuumlr Kleinkunden um Prozent-punkte dagegen die Guthabenzinsen um 25 Prozent Das ver-anlaszligte selbst die raquoWirtschaftswochelaquo vom 13 Dezember 1993zum Murren raquoDie Banken stoszligen sich an Zinssenkungengesund die Wirtschaft kommt nicht auf die Beinelaquo- eine Kritikdie indessen in zweifacher Hinsicht praumlzisiert werden muszligdenn erstens brauchten sich die Banken nicht gesundzustoszligenweil sie ohnehin vor Gesundheit strotzten und zweitens hatdie Krise zwar viele einzelne Betriebe erwischt aber raquodie Wirt-schaftlaquo im allgemeinen steht auf festen Beinen wie ein Blickauf die Boumlrsenkurse zeigt Der Deutsche Aktienindex (DAX)kletterte 1993 zum Jahresende auf 2267 Punkte Ein Jahr zuvorhatte dieser aus 30 Standardwerten errechnete Boumlrsenkurs bei1545 Punkten gestanden Das war uumlbers Jahr eine Steigerungum Prozent Die Aktionaumlre wurden zwischen Neujahr undWeihnachten fast um die Haumllfte reicher allein durch ihre andeutschen Boumlrsen getaumltigten Geschaumlfte Groszligaktionaumlre erleb-ten also eine praumlchtige Weihnachtsbescherung am Ende einesJahres in dem im vereinigten Deutschland die Arbeitslosigkeitin eine Groumlszligenordnung aumlhnlich wie in der Schluszligphase derWeimarer Republik hineinwuchs und Armut zum Massen-schicksal wurde

Der Zusammenbruch des SED-Regimes in der DDR imNovember 1989 hat Helmut Kohls ohnehin sehr hohe Selbst-einschaumltzung ins Gigantische wachsen lassen Laumlngst ist eruumlberzeugt davon daszlig nicht Michail Gorbatschow nicht dieBeispiele Polens Ungarns und der Tschechoslowakei die fried-liche Revolution im anderen Teil Deutschlands in Gang gesetztund den mutigen Maumlnnern und Frauen der demokratischenOpposition zum Sieg verholfen haben sondern daszlig er alleinvermutlich durch sein Anstimmen des Deutschlandliedes vomBalkon des Dresdner Rathauses unter Miszligachtung der Haydn-schen Melodie -Honecker verjagt und die Mauer zum Einsturzgebracht haumltte wofuumlr ihm das deutsche Volk diesseits und jen-seits von Elbe und Saale auf den Knien danken sollte Er beruftsich auf den preuszligischen Strategen Moltke der meinte raquoGluumlckhat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tuumlchtigelaquo (womitdieser freilich eingeraumlumt hat daszlig auch dem MittelmaumlszligigenErfolg winken koumlnne) Dagegen empfahl ihm die raquoSuumlddeut-sche Zeitunglaquo schon im Sommer 1990 raquoeher davon zuchen daszlig er einfach Schwein gehabt hatlaquo

Aber Einsicht und Bescheidenheit sind Helmut Kohl we-sensfremd weshalb er auch die glaumlnzende Konjunktur zu An-fang der neunziger Jahre fuumlr das Werk seiner weisen Regierunghielt desgleichen die deutsche Fuszligball-Weltmeisterschaft imSommer 1990 Im Bundestagswahlkampf im Herbst 1990 bot erdiese nationale Erfolgsserie Einheit Aufschwung WMgleichsam im Dreierpack mit dem Aufdruck raquoAlles von Kohllaquoan Die Mogelpackung sollte im nationalen Rausch durchge-hen weil raquodie Maumlnnchen drauszligen im Landlaquo (womit er aber alle

Maumlnner und Frauen meint die auszligerhalb des Kanzler-Bunga-lows leben) so vergeszliglich oder so wenig informiert sind

In Wahrheit war von den Ereignissen in der DDR im Herbstniemand so sehr uumlberrascht worden wie die Kohl-Regie-

rung die dann allerdings die sich ihr so unverhofft bietendeChance eiligst ergriff Innerhalb weniger Wochen waren diemutigen Frauen und Maumlnner die das Honecker-Regime ge-stuumlrzt hatten ruumlcksichtslos vom Platz gedraumlngt und durch einevon Bonn aus an immer kuumlrzerer Leine gehaltene Uumlbergangsre-gierung ersetzt worden Mit Versprechungen Kohls der DDRein unverzuumlgliches Wirtschaftswunder zu bescheren und ihrdurch reichen DM-Segen den Einzug ins Paradies der freienMarktwirtschaft zur reinen Lustpartie werden zu lassen wur-den die Volkskammerwahlen vom 18 Maumlrz 1990 zu einemTriumph jener Blockparteien die vierzig Jahre lang von derSED ausgehalten worden waren und nun ihr Heil bei Kohlamp Co sahen

Damit war der Weg frei fuumlr den Einzug des Groszligen Geldes indie DDR und deren eilige Vereinnahmung Aber der verspro-chene reiche und sofortige Segen blieb natuumlrlich aus Vielmehrmuszligte die Regierung Helmut Kohls so sehr sie dies auch zuvertuschen suchte zunaumlchst einmal fuumlr einen drastischen So-zialabbau sorgen denn natuumlrlich waren und sind die Herrendes Groszligen Geldes vorrangig daran interessiert Profit zumachen und dabei ist all das was sie raquoSozialklimbimlaquo zu nen-nen belieben nur hinderlich

So muszligte die Regierung Kohl jetzt eine wahre Sisyphusar-beit leisten zum einen rasch alles beseitigen was ihren Auf-traggebern laumlstig ist vom Kuumlndigungsschutz uumlber das Aussper-rungsverbot und das bezahlte Babyjahrbis zum letzten betrieb-lichen Kinderhort zum anderen ein immer schnelleres Tempoeinschlagen um Fakten zu schaffen bevor sich diejenigen diedabei auf der Strecke bleiben muszligten uumlber die unvermeidli-chen katastrophalen Folgen der hastigen Vereinnahmung klar-werden konnten

So hieszlig es denn fuumlr Helmut Kohl und seine Ministerriegeimmer neue Ausreden erfinden und Beschwichtigungen ver-breiten beispielsweise behaupten daszlig niemand im Lande zu

befuumlrchten brauche die Zeche bezahlen zu muumlssen Dabei warvon vornherein klar daszlig es gewaltige Summen kosten wuumlrdeOstdeutschland den westlichen Standards anzugleichen alsozum Beispiel das Straszligen- und das Telefonnetz auszubauenWohngebaumlude und Industrieanlagen zu modernisieren und soweiter Auszligerdem konnte sich jeder Einsichtige an fuumlnf Fin-gern abzaumlhlen daszlig sich diese Kosten vervielfachen muszligtenwenn funktionierende Strukturen einfach ruumlcksichtslos zer-schlagen wurden An fruumlhzeitigen Warnungen kompetenterWirtschaftswissenschaftler und auch des damaligen Praumlsiden-ten der Deutschen Bundesbank fehlte es nicht Doch Kohlbehauptete dreist alles lasse sich ohne Steuererhoumlhungenfinanzieren Und damit ihm Kritik nicht hinderlich werdenkonnte beschleunigte er sein Tempo

Nach dem Willen Kohls und seiner Geldgeber verwandeltensich die Laumlnder der DDR in eine Art raquoKronkolonie Ostelbienlaquoso Jens Reich als Sprecher der demokratischen Buumlrgerbewegun-gen in der damals neu gewaumlhlten Volkskammer wo sie rasch indie Opposition gedraumlngt wurden

Die Rolle der Gounverneurin durfte nach der Ermordungdes ersten Praumlsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwed-der die CDU-Politikerin Birgit Breuel uumlbernehmen KohlsVertraute gerantierte fuumlr die Anwendung fruumlhkapitalistischerMethoden der Ausbeutung des Ramsch-Einkaufs von Grundund Boden und des sozialen und kulturellen Kahlschlags

Als wessen Treuhaumlnderin betaumltigte sich Birgit Breuel Galtihre Treue etwa den Genossenschaftsbauern Den Beschaumlftig-ten der Industriebetriebe Dem Volk dem die Betriebe nomi-nell gehoumlrten Oder dem Bundesfinanzminister dem CSU-Vorsitzenden Theo Waigel dem die Treuhandanstalt unter-stellt ist

Genossenschaftsbauern wurden aumlhnlich verdraumlngt wie Indu-strie-Beschaumlftigte Das Volkseigentum wurde privatisiert undder Bundeshaushalt zog aus den Verkaumlufen keinen Gewinnsondern die Treuhandanstalt erwies sich als Weltmeisterin imSchuldenmachen In dreieinhalb Jahren vermehrte sie die Bun-desschulden um die mit keinem Hochgebirge der Welt mehr zuveranschaulichende Summe von Milliarden Mark

dem es der Regierung des Dr Kohl in Bonn schon gelungenwar die 1982 bei der raquoWendelaquo uumlbernommenen Bundesschul-den auf mehr als das Doppelte anwachsen zu lassen

Als Folge des Vernichtungswerks der raquoTreuhandanstaltlaquoliegt Ostdeutschlands Wirtschaft vier Jahre nach dem Fall derMauer am Boden etwa auf dem Niveau eines Entwicklungslan-des wie Sri Lanka Nur noch etwa drei Prozent steuerten 1992die neuen Laumlnder zur deutschen Industrieproduktion beiOhne Ruumlcksicht auf die Beduumlrfnisse der Menschen wurde alleszerschlagen was dem Groszligen Geld beim Einzug in Ost-deutschland als hinderlich oder unbrauchbar erschien und dieAnstalt belohnte diejenigen denen sie das DDR-Volkseigen-tum uumlbereignete noch mit uumlppigen Zusatzgeschenken DieKonditionen der Uumlbereignungsvertraumlge zum Beispiel Freistel-lung der Erwerber von Verpflichtungen und Risiken wurdenvon der Breuel-Anstalt in manchen Faumlllen so guumlnstig gestaltetdaszlig der Buumlndnis 90-Abgeordnete Ulrich-Karl Engel im Landtagvon Sachsen-Anhalt dafuumlr nur diese Erklaumlrung fand raquoOrgani-sierte Kriminalitaumlt beginnt im Nadelstreifenlaquo Nach alarmie-renden Feststellungen des Bundesrechnungshofes und nachEinleitung etlicher staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfah-ren sah schlieszliglich Ende 1993 der Bundestag Anlaszlig einen Treu-hand-Untersuchungsausschuszlig einzusetzen

Angesichts der von dieser Behoumlrde hinterlassenen Schuldendie noch kuumlnftige Generationen belasten werden wandte sichder Chemnitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Gerald Thal-heim gegen raquopolitische Legendenbildunglaquo in Bonn raquoDort wirdausschlieszliglich die sozialistische DDR-Miszligwirtschaft fuumlr die-heutige Lage verantwortlich gemachtlaquo

Gerade im raquoSuperwahljahrlaquo 1994 wird die Regierungspropa-ganda krampfhaft an dieser Legende festhalten Die Wahrheitaber ist daszlig ein groszliger Teil der Treuhand-Schulden erst nachDDR-Zeiten durch eine raquoAufbau-Politiklaquo entstand mit der vielzerstoumlrt aber wenig aufgebaut wurde

Wem so fragten wir galt die Treue der Treuhand-Praumlsiden-tin Wo ist sie verwurzelt

Birgit Breuel Kohls Statthalterin fuumlr den Osten ist Tochterund Erbin des Hamburger Bankiers Alwin Muumlnchmeyer der

jahrzehntelang Boszlig des Bankhauses Schroumlder MuumlnchmeyerCo war All seine Amter in Vorstaumlnden Aufsichtsrauml-

ten und Beiraumlten aufzuzaumlhlen fehlt hier der Platz Erwaumlhnunggebuumlhrt aber zumindest der Tatsache daszlig die deutschen Ban-kiers als es galt den Praumlsidenten des Bundesverbandes derdeutschen Banken zu waumlhlen dieses Amt Alwin Muumlnchmeyerantrugen der es jahrelang ausuumlbte An der Hamburger

ist es kein Geheimnis Der ganze Ehrgeiz von TochterBirgit war es seit eh und je diesem Vater zu beweisen daszlig sieseiner wuumlrdig sei eine nicht nur sondern 150prozentigeSachwalterin des Groszligen Geldes

Privatisierung oder raquoEntstaatlichunglaquo wie sie es gernnennt war und blieb immer das Hauptbestreben der CDU-Politikerin zuerst in der Hamburger Buumlrgerschaft dann in dervon Ernst Albrecht geleiteten niedersaumlchsischen CDUFDP-Regierung der sie zwischen 1978 und 1990 anfangs als Wirt-schafts- spaumlter als Finanzministerin angehoumlrte In vielenReden und Schriften stritt sie wacker gegen Subventionen vorallem bei der CDU-Mittelstandsvereinigung zu deren nieder-saumlchsischen Landesvorsitzenden sie sich waumlhlen lieszlig Mittel-staumlndischen Unternehmern redete sie ein es vertrage sichnicht mit den Prinzipien der Marktwirtschaft wenn sich derStaat um die Wirtschaft kuumlmmere und deswegen duumlrften sieauch unter keinen Umstaumlnden Subventionen beanspruchenGroszligunternehmen dagegen wurden unter Breuels Minister-Verantwortung in Niedersachsen reichlich mit Subventionenbedacht beispielsweise das zum Roumlchling-Konzern gehoumlrendeRuumlstungsunternehmen Rheinmetall dem sie ein groszligenteilsmit oumlffentlichen Mitteln finanziertes Zentrum zur Entwicklungneuer Kriegswaffentechniken bauen lieszlig

Bereits 1979 formulierte Birgit Breuel ein umfassendes Priva-tisierungsprogramm das wie sie verhieszlig zu einem raquoMehr anindividueller Freiheitlaquo fuumlhren werde Das Programm nannteSchlachthoumlfe und kommunale WohnraumvermittlungsstellenSportstadien und Verkehrseinrichtungen Krankentransportund Muumlllabfuhr Kuumlchen in Kliniken und Reinigungsdienstefuumlr Schulen oder fuumlr Behoumlrden -wobei es sich guumlnstig traf daszligsich der niedersaumlchsische Landesvorsitzende des CDU-Wirt-

schaftsrats Hartwig Piepenbrock mit seinem groszligen Gebaumlude-reinigungsunternehmen das dann schnell noch viel groumlszligerwurde fuumlr solche Aufgaben bereithielt meist mit stunden-weise beschaumlftigten Frauen unter schlechteren Arbeitsbedin-gungen mit niedrigeren Loumlhnen und unzureichenden Soziallei-stungen

Es gehe aber nicht allein um Kostenguumlnstigkeit erlaumlutertedie niedersaumlchsische Ministerin in ihrem Programm Die Uumlber-tragung oumlffentlicher Aufgaben auf private Traumlger koumlnne auchdann in Betracht kommen private Leistungserstellungteurer ist als die verwaltungseigenelaquo Hier muumlsse raquodas Gebotder Sparsamkeit gegen das ordnungspolitisch erstrebte Zielabgewogen werdenlaquo - und dieses Ziel hieszlig eben Privatisie-rung

Ausdruumlcklich erlaumluterte die niedersaumlchsische Ministerindaszlig manche Leistungen raquoin der Regel nicht kostendeckenderstellt werden koumlnnen (zum Beispiel Theater MuseenSchwimmbaumlder)laquo Diese Einsicht hinderte sie nicht sich auchfuumlr die Privatisierung von Theatern Museen Schwimmbaumldernwie auch von Schulen Universitaumlten und Postaumlmtern einzuset-zen raquoNotfallslaquo meinte sie in ihrem Programm muumlsse dieoumlffentliche Hand raquoZuschuumlsse gewaumlhrenlaquo

Nach Birgit Breuels Verstaumlndnis sollen sich also die Aufga-ben des Staates nicht aus allgemeinen Beduumlrfnissen herleitensondern aus den Gewinninteressen einzelner denen sie letzt-lich alles was der Allgemeinheit gehoumlrt zuschieben willraquoSelbst bei der Steuerverwaltunglaquo schrieb sie koumlnne sie sichraquoin wesentlichen Teilen eine privatwirtschaftliche Struktur vor-stellenlaquo

In Niedersachsen konnte die Bankierstochter jedoch mitihren Kampagnen gegen raquouumlberzogene Sozialstaatlichkeitlaquo undihren Tiraden gegen die Gewerkschaften (raquoVater Staat ist gefor-dert sein wachsames Auge und wenn noumltig seine strafendeHand gegen die Organisationen der Arbeitnehmer zu richtenlaquo)noch wenig ausrichten Die zur Privatisierung ausersehenenAbteilungen von Krankenhaumlusern und Stadtverwaltungenwehrten sich kraumlftig und Putzfrauen sowie Friedhofs-gaumlrtner lieszligen durch ihren Widerstand manchen Breuel-Plan

scheitern Und als die CDU-Politikerin im von ihr geleitetenWirtschaftsministerium eine Botenstelle teilen wollte unter-sagte ihr das eine Einigungsstelle unter Vorsitz des hannover-schen Landgerichtspraumlsidenten Birgit Breuels Job-sharing-Modell haumltte die Stelleninhaber mit einem halbierten Boten-Gehalt an die Sozialhilfegrenze rutschen lassen

Unmittelbar nachdem 1990 die niedersaumlchsischen Waumlhlerin-nen und Waumlhler die Regierung Albrecht abgewaumlhlt hatten fandBirgit Breuel mit dem Segen des Kanzlers und derer denen eres immer recht machen will ihre neue Verwendung als Vor-standsmitglied und bald als Praumlsidentin der TreuhandanstaltNun konnte sie sich endlich als raquoEntstaatlicherinlaquo austobenwie sie es sich in ihrem Programm von 1979 gewuumlnscht hatteEifriger Mittaumlter im Vorstand war von 1991 bis 1993 GuumlntherRexrodt (FDP) jetzt Kohls Wirtschaftsminister

Wer warum welche ehemaligen DDR-Betriebe uumlbernehmendurfte ist ein Raumltsel das wohl auch der vom Bundestag aufDraumlngen der Opposition eingesetzte Untersuchungsausschuszlighoumlchstens partiell wird loumlsen koumlnnen Nehmen wir als Beispieldie Eisen- und Huumlttenwerke in Thale wo in DDR-Zeiten fast7 000 Menschen arbeiteten Dieser Betrieb der einst zwei juumldi-schen Familien bis zu deren Verdraumlngung durch die Nazis ge-houmlrt hatte repraumlsentiert allein schon durch seine Lage aufeinem groszligen Areal inmitten der Stadt Thale einen betraumlchtli-chen Wert-ganz abgesehen von den teilweise noch in den acht-ziger Jahren mit westlichen Maschinen modernisierten Produk-tionsstaumltten

Fuumlr Sanierungsmaszlignahmen und als Liquiditaumltshilfen zahltedie Treuhandanstalt Zigmillionen Das Land Sachsen-Anhaltgab Buumlrgschaften Das Eigentum wurde ohne daszlig sich dieAnstalt lange mit Anspruumlchen der juumldischen Vorbesitzer auf-hielt einem westdeutschen raquoInvestorlaquo uumlberschrieben DieWahl der Treuhandanstalt fiel auf den durch Waumlhlerentscheidbeschaumlftigungslos gewordenen indessen nicht am Hungertuchnagenden sondern bestens versorgten ehemaligen niedersaumlch-sischen Ministerpraumlsidenten Ernst Albrecht mit dem BirgitBreuel zwoumllf Jahre lang in Hannover zusammen regiert hatteDer Preis den Dr Albrecht zahlen muszligte belief sich auf 1 (in

Worten eine) DM Da er als Kompagnon einen Bremer Rechts-anwalt mit fuumlnf Prozent beteiligte brauchte der hannoverscheCDU-Politiker der jahrelang als stellvertretender Parteivorsit-zender neben Dr Kohl dem CDU-Praumlsidium angehoumlrt hattegenau gesagt nur 95 Pfennig aufzubringen

Angeblich durch ein raquoVersehenlaquo uumlberschrieb ihm die Treu-handanstalt auch ein groszliges Suumldhang-Gelaumlnde im Harz mitBeherbergungs- und Freizeit-Einrichtungen die fruumlher denBeschaumlftigten der Eisen- und Huumlttenwerke und ihren Familien-angehoumlrigen zur Verfuumlgung gestanden hatten Das raquoVersehenlaquowurde nicht etwa korrigiert sondern Firmenchef Albrechtdurfte diese Immobilie alsbald weiterverkaufen fuumlr mehr alsvier Millionen Mark

In einem programmatischen Buch mit dem Titel raquoDer Staatlaquohatte Ernst Albrecht einst beklagt den Deutschen fehle soetwas wie es die Briten in den Kolonien gehabt haumltten und dieUS-Amerikaner im Wilden Westen Nun kann Albrecht an derprivatwirtschaftlichen Erschlieszligung des deutschen Ostens mit-wirken dank Treuhandanstalt die ihn zunaumlchst zum Auf-sichtsratsvorsitzenden der Eisen- und Huumlttenwerke Thaleberief und ihn dann zum Eigentuumlmer machte eine Entschei-dung die auch dann fragwuumlrdig wirkt wenn Albrecht glaub-haft versichert keinen persoumlnlichen Nutzen aus dem Eigen-tum zu ziehen sondern sich mit den Aufsichtsratstantiemenzu begnuumlgen Die Belegschaft in Thale schrumpfte inzwischenauf einige hundert Beschaumlftigte

Im allgemeinen sorgte die Treuhandanstalt dafuumlr daszlig die-jenigen die schon in Westdeutschland monopolartige Wirt-schaftsmacht besitzen diese auf Ostdeutschland ausdehnenkonnten So wurde die Presse Beute westdeutscher Groszligver-lage wie Springer Bauer Burda und Bertelsmann BauerBranchenerster auf dem Markt bunter Wochenblaumltter zweiein-halbfacher Vermoumlgensmilliardaumlr Hauptbeteiligter an Schmutz-Wahlkampagnen der CDUCSU hatte seit langem denWunsch gehabt auch ins Tageszeitungsgeschaumlft einzusteigenwas ihm jedoch in Westdeutschland miszliglang weil hier derMarkt aufgeteilt besetzt also gar kein freier Markt mehr istDie Treuhandanstalt erfuumlllte ihm seinen Wunsch Er erhielt die

ehemalige SED-Bezirkszeitung raquoVolksstimmelaquo in Magdeburgeine der auflagenstaumlrksten deutschen Regionalzeitungen

Westdeutsche Fuumlrsten die nach dem Zweiten Weltkriegdurch die Bodenreform ihre ostelbischen Latifundien verlorenhatten ergreifen nun nach und nach wieder Besitz einige wieder schwerreiche und erzkonservative Philipp Ernst Fuumlrst vonSchaumburg-Lippe zunaumlchst als Paumlchter der TreuhandanstaltAls Ende 1993 die Breuel-Behoumlrde erstmals ein ostdeutschesWald- und Forstgebiet privatisierte schlug sie den 828 Hektargroszligen Forst Schleiz-Langenbuch in Thuumlringen dem hessi-schen raquoInvestorlaquo Franz Alexander Fuumlrst von Isenburg zu

Im Sinne der raquoAlteigentuumlmerlaquo die freilich im Westen laumlngstauf Steuerzahlers Kosten Lastenausgleich erhalten hatten ver-fuhren die Regierung Kohl und die Treuhandanstalt nach demPrinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo- was fuumlr diejenigen dieinzwischen in der DDR gelebt und gearbeitet hatten Wegnah-me ohne Entschaumldigung bedeutet Zu den raquoAlteigentuumlmernlaquodie sich bei der Treuhandanstalt und oumlrtlichen Vermoumlgensaumlm-tern draumlngelten gehoumlrten sofort etliche raquoArisierungslaquogewinnlerler vom Typ unseres alten Bekannten Dr Fritz Ries die geradewegen der Umstaumlnde unter denen sie einst in der Nazi-Zeitjuumldischen Besitz erlangt hatten nach dem Zweiten Weltkrieg inOstdeutschland enteignet worden waren Die Klaumlrung vonEigentumsanspruumlchen erwies sich oft als sehr muumlhsam Anungeklaumlrten Vermoumlgensfragen gingen inzwischen viele tausen-de Industrie- Handwerks- und Agrarbetriebe zugrunde Beam-te des Bundesfinanzministeriums entwickelten ein Konzeptwonach Alteigentuumlmer denen ein unerwarteter Gluumlcksfall derGeschichte laumlngst verlorengeglaubte ostelbische Besitztuumlmerbeschert verpflichtet werden sollten eine Vermoumlgensabgabezu zahlen und damit das fuumlr die Entschaumldigung anderereigentuumlmerbenoumltigte Geld aufzubringen Aber die Bonner Re-gierung entschied anders naumlmlich so wie sie es im Dienste desGroszligen Geldes als ihre Aufgabe ansieht Die Vermoumlgendenbrauchen keine Abgabe zu entrichten Fuumlr Entschaumldigungenmuumlssen die Steuerzahler aufkommen -jedoch erst vom Jahre2004 an Die Regierung Kohl plant die weitere Umverteilungvon unten nach oben schon bis ins naumlchste Jahrhundert voraus

In vielen Faumlllen waren westdeutsche Konzerne nur deswe-gen an der Uumlbernahme ostdeutscher Betriebe interessiert weilsie Konkurrenz ausschalten wollten Bekanntestes Beispiel istdie Kaligrube Bischofferode Das von den uumlber 700 Bischoffe-roumlder Bergleuten gefoumlrderte besonders hochwertige Kalisalzwar international nachgefragt bis zur Schlieszligung der GrubeEnde 1993 muszligten Uumlberstunden geleistet werden Ein Kauf-interessent stand bereit der sich gute Gewinne ausrechnenkonnte Doch der Ludwigshafener Chemie-Riese BASF beidem einst der Nachwuchspolitiker Helmut Kohl als Praktikanterste Erfahrungen hatte sammeln duumlrfen setzte sich mit sei-nem Interesse an einem gesamtdeutschen Kali-Monopol durch

Wirtschaftlich gestaltete sich die Eingliederung Ostdeutsch-lands in die Bundesrepublik wofuumlr sich Dr Kohl so gern alsEinheitskanzler feiern laumlszligt im wesentlichen als Eroberung desMarktes und Ausschaltung potentieller Konkurrenz in denneuen Bundeslaumlndern Statt Sanierung ruumlckstaumlndiger Teile derDDR-Wirtschaft Vernichtung von drei Vierteln des dortigenIndustriepotentials preisguumlnstige Aneignung interessanterProduktionskapazitaumlten und Immobilien Privatisierung vonProfiten Verstaatlichung von Verlusten alles zuverlaumlssig prak-tiziert durch die Treuhandanstalt

Die verheiszligenen Investitionen im Osten blieben in allerRegel aus Das lag nicht etwa daran daszlig es in Westdeutschlandan Kapital gefehlt haumltte das in den raquoNeuen Laumlndernlaquo haumltteinvestiert werden koumlnnen Wie wir schon gesehen haben hattesich das Groszlige Geld in den achtziger Jahren gewaltig vermehrtund Anfang der neunziger Jahre machte es noch groumlszligereGewinnspruumlnge Weil Jahr fuumlr Jahr viel mehr eingenommen alsinvestiert wurde staute sich Liquiditaumlt in einem fruumlher unbe-kannten Ausmaszlig raquoDas Liquiditaumltspolster der westdeutschenProduktionsunternehmenlaquo schrieb im Mai 1991 die DeutscheBundesbank sei reichlich bisher noch nie gewesenlaquo Aberdie westdeutschen Konzerne hatten wenig Interesse im Ostenneue Betriebe zu errichten

Ende 1993 legte der Paritaumltische Wohlfahrtsverband gemein-sam mit dem DGB erneut einen raquoArmutsbericht vorlaquo worin ervor allem die Lage in Ostdeutschland untersucht Zur Treu-

handpolitik heiszligt es dort raquoGroszlige Bedeutung fuumlr die Wirt-schafts- und Beschaumlftigungsentwicklung in den neuen Bundes-laumlndern hatte die Politik der Treuhandanstalt ihr kam nachdem Treuhandgesetz primaumlr die Aufgabe zu das volkseigeneVermoumlgen der ehemaligen DDR zu privatisieren und zu ver-werten nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft Diebestehenden Unternehmen sollten so rasch als moumlglich zer-schlagen und in Privateigentum uumlberfuumlhrt werdenlaquo Dagegensei es raquoweder urspruumlngliches Ziel noch bisherige Praxis derTreuhandlaquo gewesen Betriebe raquomit der Zielsetzung einer Erhal-tung von Produktions- und Beschaumlftigungsstandortenlaquo zusanieren Deswegen sei raquoein Groszligteil der zum Zeitpunkt derMaueroumlffnung vorhandenen Arbeitsplaumltze inzwischen verlo-rengegangenlaquo Ergebnis raquoAuf jeweils zwei Beschaumlftigtekommt derzeit in Ostdeutschland ein Erwerbsloserlaquo

1990 im Jahre des raquoBeitrittslaquo der DDR zur BundesrepublikDeutschland hatte die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland

Prozent betragen zwei Jahre spaumlter war sie bereits aufProzent gestiegen in den Bevoumllkerungsgruppen der Alleiner-ziehenden und der bis 64jaumlhrigen sogar schon auf 25 Pro-zent Die Zerschlagung von Betrieben betrifft in besonderemMaszlige auch die Jugendlichen die sich um Ausbildungsplaumltzebewerben 1992 fanden von den im Osten als Bewerber regi-strierten Jungen und Maumldchen nur Prozent einen betriebli-chen Ausbildungsplatz teilweise im Westen Das Defizit ver-groumlszligerte sich 1993 dadurch daszlig sich staatliche Subventionenfuumlr auszligerbetriebliche Ausbildungsplaumltze verringerten

Alleinerziehende gab es in der ehemaligen DDR deutlichmehr als in Westdeutschland Prozent aller Familienhaus-halte Die Untersuchung des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbandsfuumlhrt das zuruumlck raquoauf zahlreiche soziale Erleichterungen undVerguumlnstigungen sowie die Tatsache daszlig Alleinerziehende inihrem Status gesellschaftlich akzeptiert warenlaquo- was sich inzwi-schen gruumlndlich geaumlndert hat raquoIm Zuge Vereinigunghaben sich die Rahmenbedingungen fuumlr Allemerziehende imOsten deutlich verschlechtert und das Risiko der gesellschaftli-chen Ausgrenzung und Verarmung dieser Gruppe hat sichebenso deutlich erhoumlhtlaquo

Um zu illustrieren wie tief Kohls Einheitspolitik gerade dieMuumltter in den neuen Laumlndern hat stuumlrzen lassen erinnert derParitaumltische Wohlfahrtsverband in seinem Bericht an die Lei-stungen auf die sie in der DDR Anspruch hatten raquoSo erhieltenMuumltter von zwei und mehr Kindern sowie Alleinerziehendeeinen zusaumltzlich bezahlten Hausarbeitstag pro Monat DerAnspruch auf einen Schwangerschaftsurlaub betrug sechsWochen vor und 20 Wochen nach der Geburt mit einem Ein-kommen in Houmlhe des Nettoverdienstes Daneben konnte nachGeburt des ersten Kindes ein Babyjahr in Form bezahltenUrlaubs bei einer Unterstuumltzung zwischen 65 und 90 Prozentdes Nettoeinkommens genommen werden nach Geburt desdritten Kindes und der folgenden Kinder sogar eineinhalbJahre und bis zu drei Jahren wenn das Kind nicht versorgt wer-den konnte oder krank war Unabhaumlngig von einer Freistellungwurde den Frauen pro Kind ein Jahr bei der Rentenversiche-rung angerechnet ab dem dritten Kind erhoumlhte sich dieZurechnungszeit auf drei Jahre pro Kind Fuumlr die Betreuungkranker Kinder waren je nach Familienstand und Kinderzahlvier bis maximal dreizehn Wochen bezahlter Freistellungs-urlaub pro Jahr moumlglich Zur finanziellen Entlastung von Fami-lien und alleinstehenden Muumlttern trugen weitere Leistungenbei wie ein im Vergleich zur BRD deutlich houmlheres KindergeldUnterhalts- und Ausbildungsbeihilfen und eine Geburtenbei-hilfe in Houmlhe von 1000 Mark Studierende Muumltter hatten An-spruch auf umfassende Unterstuumltzung unter anderem bei derWohnraumversorgung und Kinderbetreuung VertreterInnenvon Familienverbaumlnden gehen davon aus daszlig in der DDR 75bis 80 Prozent aller Kosten die ein Kind von der Geburt biszum 18 Lebensjahr verursacht von Staat und Gesellschaftgetragen wurden gegenuumlber maximal einem Viertel in derBRD Gleichzeitig stand ein umfassendes hochsubventionier-tes und damit fuumlr die Mutter kostenloses Angebot staatlicherKinderbetreuung bei taumlglichen Oumlffnungszeiten zwischen neunund zwoumllf Stunden zur Verfuumlgung das bereits in der zehntenLebenswoche ansetzte und je nach Alter zwischen 81 und 94Prozent der Kinder erfaszligte laquo Hinzu kamen noch ein speziel-

ler Kuumlndigungsschutz fuumlr Alleinerziehende und manche weite-ren Verguumlnstigungen

Obwohl Dr Kohl und sein Sozialminister Dr Bluumlm immerdas Wort raquoFamilielaquo im Munde fuumlhren hatten sie fuumlr sol-

che Errungenschaften nichts uumlbrig und sorgten fuumlr deren Besei-tigung

Von den Ende 1989 in der DDR ausgewiesenen 340 000alleinerziehenden Muumlttern war schon Ende 1991 jede sechsteohne Erwerbsarbeit Das fruumlher in der DDR unbekannteDilemma sich zwischen Beruf und Kind entscheiden zu muumls-sen und die nun rasch angestiegenen Kosten von Mutterschaftund Kinderbetreuung fuumlhrten laut Armutsbericht zu einer ein-deutigen Reaktion raquoFrauen entscheiden sich mit zunehmen-der Tendenz gegen Kinder Die Geburtenrate sank zwischen1989 und 1991 um die Haumllfte Sterilisationen stiegen sprunghaftan ihr Nachweis stellt im Kampf um die raren Arbeitsplaumltzeoffensichtlich einen Konkurrenzvorteil darlaquo Wie vertraumlgt sichdas mit den staumlndigen Bekenntnissen der CDUCSU zumSchutz der Familien mit ihren wuumltenden Attacken gegen dieunter Willy Brandts Kanzlerschaft eingefuumlhrte Liberalisierungdes $218 (Schwangerschaftsabbruch) Die Antwort ist einfachFuumlr die Unionschristen endet die Fuumlrsorgepflicht des Staatesan der Kasse und Unternehmerinteressen haben stets Vorrangvor denen der Lohnabhaumlngigen

Wegen der unzureichenden Foumlrderung von Familien mitKindern steigt in Deutschland die Kinderarmut steil an Der

weist fuumlr 1992 fuumlr Westdeutschland den Anteilder in Armut lebenden Kinder unter 16 Jahren mit Prozentin Ostdeutschland mit Prozent aus Als raquowohnraumunter-versorgtlaquo registriert er Prozent aller westdeutschen und391 Prozent aller ostdeutschen Kinder und Jugendlichen undresuumlmiert raquoKindheit insbesonder in groumlszligeren Familien istin beiden Teilen der Bundesrepublik mit einemauszligerordentli-chen Armutsrisiko verknuumlpftlaquo Jedesmal wenn Kohl und Bluumlmmit reichlich Spucke das Wort raquoFamilljelaquo uumlber die Lippen brin-gen sollen wir ihnen diese Feststellung entgegenhalten

raquoDie Chance im Zuge der Sozialunion eine umfassende So-zialreform einzuleiten um die jeweiligen Staumlrken der beiden

Systeme sozialer Sicherung zu erhalten und die vorhandenenDefizite zugunsten eines umfassenderen und houmlheren Siche-rungsniveaus zu korrigieren ist aus politischen Gruumlnden nichtgenutzt wordenlaquo beklagt der Armutsbericht Und er zaumlhlt vie-les auf was in Ostdeutschland guumlnstiger geregelt war als inWestdeutschland Armut in dem Sinne daszlig arm ist wer weni-ger als die Haumlfte des Durchschnittseinkommens erhaumllt habe esin der DDR wegen der gleichmaumlszligigen Verteilung der Einkom-men auf niedrigem Niveau nicht gegeben zumal die Guumlter desGrundbedarfs stark subventioniert waren In DDR-Zeitenhabe man zwar verdeckte Wohnungsnot gekannt aber keineoffene Obdachlosigkeit Nur neun Prozent der Erwerbstaumltigenin der DDR haumltten keinen Ausbildungsabschluszlig gehabt (gegen-uumlber 19 Prozent in Westdeutschland) raquoBehinderte Menschenwaren in der DDR uumlber verschiedene Schutzvorschriftenwesentlich staumlrker in das Alltagsleben integriert als es dieBestimmungen des bundesdeutschen Schwerbehindertenge-setzes verlangen Die deutsche Einigung ging fuumlr behinderteMenschen mit einer schlagartigen Ausgrenzung aus demArbeitsleben Hinzu kaumlmen jetzt soziale Diskriminie-rungen und eine raquoeklatante Verschlechterunglaquo im Rentenrechtder Behinderten

Pflegebeduumlrftige hatten in der DDR einen individuellenAnspruch auf Pflegegeld den sie durch die Vereinigung verlo-ren Pflegeheimaufenthalt und medizinische Betreuung warengratis Jetzt muumlssen die Pflegebeduumlrftigen selbst zahlen DerWeg ins Heim ist fuumlr die meisten ein Weg in die Sozialhilfe Dasbedeutet auch daszlig Angehoumlrige finanziell herangezogen wer-den -raquoein gravierender Bruch fuumlr ostdeutsche Pflegebeduumlrftigeund ihre Angehoumlrigen nach uumlber 40 Jahren prinzipiellerKostenfreiheit im Gesundheitssystemlaquo Was Pflegebeduumlrfti-gen nach der Waumlhrungsunion auf ihren Sparbuumlchern verblie-ben war wurde ihnen von den Sozialhilfe-Behoumlrden bis aufeinen Restbetrag genommen Weitgehend zerschlagen wurdendie Strukturen der raquoVolkssolidaritaumltlaquo einer in der DDR staat-lich gefoumlrderten Organisation die mit 6 500 Gemeindeschwe-stern vielen weiteren hauptamtlichen und rund 200 000 ehren-amtlichen Kraumlften vor allem fuumlr die ambulante Betreuung von

Pflegebeduumlrftigen zustaumlndig war und zum Beispiel fuumlr symboli-sche 50 Pfennig am Tag denjenigen Essen brachte die nichtselbst kochen konnten Wegen Auslaufens von Arbeitsbeschaf-fungsmaszlignahmen sind jetzt auch die rund 1000 Altenklubs inOstdeutschland in ihrem Bestand gefaumlhrdet

Viel schneller als die Angleichung der Einkommen (1992betrug das durchschnittliche Einkommen pro Person in einemOst-Haushalt Prozent im Verhaumlltnis zum Westen) vollzogsich die Angleichung der Mietpreise Allein im Jahre 1991 stie-gen die Mieten im Osten um das 35- bis Vierfache Inzwischensetzte sich der Anstieg fort einzig aus Spekulationsgruumlndennicht etwa zum Ausgleich fuumlr Modernisierungsmaszlignahmendie bisher meist unterblieben Wegen auflaufender Mietschul-den kommt es zu vielen Raumlumungsklagen So waren allein inMagdeburg Anfang 1993 rund 1900 Raumlumungsklagen anhaumln-gig Obdachlosigkeit entsteht laut Armutsbericht vielfach auchdurch rabiate Methoden alter oder neuer Hausbesitzer diebestrebt sind Wohnungen zu raquoentmietenlaquo Notwendige Ver-besserungen des Wohnungsbestands scheiterten bisher aucham Prinzip raquoRuumlckgabe vor Entschaumldigunglaquo in etwa einer Mil-lion Faumllle waren 1993 die Besitzverhaumlltnisse noch nicht geklaumlrtdie uumlberforderten Gerichte und Behoumlrden werden damit wohlnoch Jahre beschaumlftigt sein

Als psychosoziale Folgen dieser Entwicklung nennt derArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB Wachsende Verunsicherung Empfindung von Nichtge-brauchtsein und Leere Gefuumlhle des Ausgeliefertseins und dereigenen Ohnmacht sich ausdehnende Hoffnungslosigkeit undSinnlosigkeit sich verfestigende seelische Probleme (Schlaf-stoumlrungen) Ruumlckzug ins Private und zunehmende politischeUninteressiertheit Empfinden eines grundlegenden Statusver-lustes sich einstellende Inaktivitaumlt und zunehmende Neigungzum Alkoholkonsum Auffaumlllig seien zudem verstaumlrkt auftre-tende Gesundheitsstoumlrungen als Reaktion auf soziale und kul-turelle Ausgrenzung (Auch Kinokarten verteuerten sich raschum 700 Prozent und wurden fuumlr viele unerschwinglich)

Das Versprechen des Kanzlers Dr Kohl daszlig es niemandemschlechter gehen werde erwies sich bald nach der von ihm

gewonnenen Bundestagswahl vom Dezember 1990 als hohlUm so groumlszliger waren die Hoffnungen nach einer Uumlbergangs-zeit von allenfalls drei oder vier Jahren werde es allen Ostdeut-schen besser gehen Doch auch diese Hoffnung erfuumlllte sichnicht Im Gegenteil Fuumlr betraumlchtliche Teile der Bevoumllkerung istein Ende der Abwaumlrtsentwicklung nicht absehbar Im Armuts-bericht von Ende 1993 heiszligt es dazu raquoIn einer Vielzahl vonLebensbereichen droht die Versorgung in den neuen Bundes-laumlndern weit hinter den im Westen der Republik vorhandenenStandards zuruumlckzubleiben Dies gilt vorrangig fuumlr die Versor-gung im Arbeitsmarkt- und Beschaumlftigungssystem Dies giltjedoch auch fuumlr die Versorgung mit Bildungsguumltern mit Woh-nungen und mit Sozial- und GesundheitsdienstleistungenlaquoKommunale Kostentraumlger seien raquoaufgrund ihrer prekaumlrenHaushaltssituation kaum in der Lage die laufenden Kosten fuumlrdie soziale Infrastruktur vor Ort zu bestreitenlaquo Die Autorendes Armutsberichts zitieren Prognosen wonach eine Anglei-chung der Lebensverhaumlltnisse zwischen Ost und West nocheinen Zeitraum von raquomindestens zehn Jahrenlaquo erfordern wirdSie selbst halten es fuumlr raquooffen ob eine solche Angleichung tat-saumlchlich stattfinden oder ob das Beitrittsgebiet nicht vielleichtuumlber einen laumlngeren Zeitraum eine Armutsregion im vereintenDeutschland bleiben wirdlaquo

Halten wir fest Als sich Buumlrgerinnen und Buumlrger der DDRlange entbehrte Freiheiten erkaumlmpften als das SED-Regimezusammenbrach als das uumlble Spitzelsystem des Staatssicher-heitsdienstes beseitigt wurde da handelten die Ostdeutschensouveraumln und der westdeutsche Kanzler hatte auszliger Spruumlchenwenig beizutragen Die Einheit aber inszenierte er dann -nichtohne ostdeutsche Helfer namentlich den Staatssekretaumlr Guumln-ther Krause der spaumlter zur Belohnung zeitweilig Bundesver-kehrsminister sein durfte als groszligen Volksbetrug Betrogenund gedemuumltigt stehen jetzt nicht nur Millionen Ostdeutscheda sondern fuumlr materielle und politische Kosten muumlssen mehrund mehr auch die Westdeutschen aufkommen nicht die Rei-chen die noch viel reicher wurden sondern die Armen Wasder raquoEinheitskanzlerlaquo angerichtet hat ist die tiefe sozialeSpaltung Deutschlands

Mit den raquoSolidarpaktlaquo-Beschluumlssen von 1993 deren Inhaltso zynisch ist wie der Name und mit den raquoSpar- und Konsoli-dierungsbeschluumlssenlaquo fuumlr 1994 wurde zu Lasten der Armen inganz Deutschland tief in die Leistungen des Arbeitsfoumlrderungs-und des Sozialhilfegesetzes eingegriffen Kuumlrzungen des Ar-beitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe des Kurzarbeiter-und des Schlechtwettergeldes Verteuerungen fuumlr die Krankenund andere Zumutungen treiben wie der Praumlsident des Verban-des der Kriegs- und Wehrdienstopfer Behinderten und Sozial-rentner Deutschlands (VdK) Walter Hirrlinger feststellte er-neut raquohunderttausende Menschen und deren Familien in dieArmutlaquo diese Maszlignahmen seien deshalb raquosozial unverant-wortlichlaquo Der Deutsche Kinderschutzbund wies zu Jahres-beginn 1994 darauf hin daszlig in Deutschland inzwischen schoneine halbe Million Kinder in Obdachlosen-Unterkuumlnften lebenDas Resuumlmee im Armutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrts-verbands und des DGB lautet Die von der Regierung Kohlfavorisierte wirtschaftsliberale Strategie der Lastenverteilungbedeute raquodaszlig die Lasten allein von den Arbeitnehmern undSozialleistungsempfaumlngern uumlbernommen werden muumlssenlaquoNach einem Jahrzehnt der Umverteilung zu Lasten der sozialSchwaumlchsten nehme die Zahl der Armen im Westen unveraumln-dert zu und die derzeitige Wirtschafts- und Sozialpolitik lauferaquodarauf hinaus daszlig heute und in den kommenden Jahren dieLasten der Vereinigung vorrangig zwischen den Armen imWesten und im Osten geteilt werdenlaquo Daher sei es raquokaumverwunderlich daszlig die Politikverdrossenheit in der Bevoumllke-rung zunimmtlaquo Obwohl raquodas neue Gesamtdeutschland einesder reichsten Laumlnder der Erdelaquo sei koumlnne diese Politik zurFolge haben raquodaszlig die soziale und politische Stabilitaumlt derBundesrepublik in den neunziger Jahren ernsthaft gefaumlhrdetwirdlaquo

Das Groszlige Geld aber wurde bestens bedient Es konnte sichin Ostdeutschland alles und jedes aneignen was ihm brauch-bar erschien es konnte die dortigen Absatzmaumlrkte in Besitznehmen es konnte seine Gewinne sprunghaft steigern und inengem Zusammenwirken mit der Regierung des Dr HelmutKohl konnte es die wachsende Veraumlngstigung vieler Menschen

auch noch zum Abbau zahlreicher in fruumlheren Jahrzehntenmuumlhsam erkaumlmpfter Arbeitnehmer- und Buumlrgerrechte nutzen

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gelang esden Metall-Industriellen einen geltenden Tarifvertrag auszu-hebeln Mit raquoOumlffnungsklauselnlaquo soll das gesamte Tarifrechtzum Einsturz gebracht die Gewerkschaftsbewegung entmach-tet werden Mit sogenannten raquoBeschleunigungs-laquochungs-laquo und raquoEntlastungsgesetzenlaquo schraumlnkte die von Kohlgefuumlhrte Bonner Koalition wesentliche Mitspracherechte derBuumlrgerinnen und Buumlrger ein so daszlig jetzt uumlber die Koumlpfe vonBetroffenen hinweg aumluszligerst zweifelhafte umweltgefaumlhrdendeGroszligprojekte beispielsweise in der Gentechnik verwirklichtwerden koumlnnen Zur Begruumlndung muumlssen immer wieder dieraquodeutsche oder der raquoStandort Deutschlandlaquo herhaltenDas raquoStandortsicherungsgesetzlaquo und weitere angeblich ausnationalen Interessen notwendige Beschluumlsse tun ein uumlbrigesum die Reichen und Superreichen im Lande von sozial- undrechtsstaatlichen Fesseln zu befreien

Der Verantwortung fuumlr die Folgen dieser Politik entledigtsich der Bund aufs vornehmste indem er sie an die Kommunendelegiert Deren Sache ist es dann fuumlr die explodierende Zahlvon Sozialhilfe-Abhaumlngigen zu sorgen In finanzieller Bedraumlng-nis unter zunehmendem Schuldendruck schlieszligen die Kommu-nen jetzt Theater Buumlchereien und Schwimmbaumlder erhoumlhenKindergarten-Beitraumlge der Eltern ins Unbezahlbare oder fuumlh-ren Gebuumlhren fuumlrs Betreten von Parkanlagen ein Was kuumlm-mertrsquos die Reichen Sie haben private Schwimmbaumlder und koumln-nen rasch nach Mailand oder Monte Carlo fliegen um dort indie Oper zu gehen

raquoDiese neue Regierung ist notwendig geworden weil sich diealte die bisherige Regierung als unfaumlhig erwies gemeinsamdie Arbeitslosigkeit zu bekaumlmpfen das Netz sozialer Sicherheitzu gewaumlhrleisten und die zerruumltteten Staatsfinanzen wieder inOrdnung zu bringenlaquo So begruumlndete Dr Helmut Kohl nach-dem er durch den Wortbruch der FDP Kanzler geworden wardie damalige raquoWendelaquo Mehr als ein Jahrzehnt spaumlter ist dieMassenarbeitslosigkeit zur Dauerplage geworden die sichimmer weiter ausbreitet In das Netz sozialer Sicherheit hat dieRegierung des Groszligen Geldes ein Loch nach dem anderengerissen so daszlig mehr und mehr Menschen hindurchfallenUnd die Staatsfinanzen sind so zerruumlttet daszlig noch Generatio-nen zu schuften haben werden um den gigantischen Schulden-berg abzutragen

Daszlig eine neue Regierung notwendig geworden ist wirdjetzt auch in Kreisen der Wirtschaft eroumlrtert und zwar imZusammenhang mit den Folgen der Rezession die 199293viele mittelstaumlndische Unternehmen in rote Zahlen oder ganzin den Ruin gestuumlrzt hat

Die Krise gehoumlrt zum Kapitalismus wie die KonjunkturBeide loumlsen sich regelmaumlszligig ab In der Rezession macht dasGroszlige Geld jedesmal reiche Beute denn was die kleinen undmittleren Unternehmer aufgeben muumlssen krallen sich die gro-szligen Die jeweilige Regierung ist an der Tatsache zyklischer Kri-sen unschuldig Insofern muumlssen wir ausdruumlcklich auch dieRegierung des Dr Helmut Kohl in Schutz nehmen Dochdamit sich der Zorn des Mittelstandes nicht etwa gegen dasGroszlige Geld richtet muszlig in Krisenzeiten die jeweilige Regie-rung als Suumlndenbock herhalten Daher droht Kohl jetzt auchGefahr aus den Kreisen denen er immer treu gedient hat

In der ersten schweren Wirtschaftskrise der Bundesrepublikmuszligte der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard

abtreten in der sogenannten raquoOumllkriselaquo Willy Brandtfuumlr die Krise wurde Helmut Schmidt verantwortlichgemacht Ist jetzt infolge der vierten Wirtschaftskrise seitGruumlndung der Bundesrepublik Helmut Kohl an der ReiheNotfalls werden seine Auftraggeber ihn fallenlassen Abernicht deswegen weil sie mit seiner Politik nicht mehr einver-standen waumlren im Gegenteil Fuumlr sie ist die Hauptsache daszligKohls Politik weitergefuumlhrt wird notfalls auch ohne Kohl

Die Opfer dieser Politik hingegen haumltten davon nur weiterenSchaden In ihrem Interesse kommt es also hauptsaumlchlich dar-auf an daszlig in Bonn endlich eine grundlegend andere Politikeingeleitet wird eine Politik die auf soziale Gerechtigkeit ori-entiert ist auf mehr Demokratie auf Schutz der Menschen-rechte und Schutz der natuumlrlichen Lebensgrundlagen

Mit einem bloszligen Austausch des Personals in Bonn ist esnicht getan Er ist ohnehin laumlngst im Gange Immer schnellerdreht sich das Personalkarussell Insgesamt 20 Minister sindseit 1982 aus den von Helmut Kohl gefuumlhrten Bundeskabinet-ten vorzeitig ausgeschieden Anfangs geschah das selten inzwi-schen immer haumlufiger 1992 traten vier Minister zuruumlck 1993fuumlnf darunter Juumlrgen Moumlllemann (FDP) nach seiner Brief-bogenaffaumlre und Guumlnther Krause (CDU) nach seinen diversenAutobahnbau- Raststaumlttenkonzessions- Umzugs- und Putz-frauenaffaumlren

Auch in den unionsgefuumlhrten Laumlnderregierungen in West-deutschland sind es noch zwei in Ostdeutschland (Berlin ein-geschlossen) fuumlnf - broumlckelt es Bayerns Ministerpraumlsident MaxStreibl (CSU) stolperte uumlber die Amigo-Affaumlre In Baden-Wuumlrt-temberg muszligte Lothar Spaumlth unter dem Verdacht der Bestech-lichkeit abtreten und sein Nachfolger muszligte weil die FDPbei der Landtagswahl durchfiel mit der SPD koalieren Spaumlthwurde dann zum Trost aumlhnlich wie sein abgewaumlhlter nieder-saumlchsischer Amtskollege Ernst Albrecht von der Treuhandan-stalt mit dem Aufsichtsratsvorsitz eines fruumlher volkseigenenUnternehmens betraut In Sachsen konnte sich der Schwieger-sohn von Konsul Dr Fritz Ries Prof Dr Kurt Biedenkopf als

Ministerpraumlsident fest etablieren Aber in Thuumlringen Mecklen-burg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sah sich die CDUschon nach kurzer Zeit zur Auswechslung der von ihr gestelltenRegierungschefs gezwungen in Sachsen-Anhalt inzwischensogar zweimal Beim zweiten Male muszligte gleich das ganzeKabinett umgebildet werden Mehrere westdeutsche CDU-und FDP-Politiker die in Magdeburg als Minister eingesetztworden waren um die raquoOssislaquo fachmaumlnnisch in demokratischeRechtsstaatlichkeit einzuuumlben hatten zusaumltzlich zu ihrenziellen Amtsbezuumlgen raquoBesitzstandswahrunglaquo beansprucht undzu diesem Zweck unter anderem fruumlhere EisenbahnfreikartenTagegelder Aufsichtsratstantiemen Vortragshonorare steuer-freie Kostenpauschalen oder den Geldwert der Gratisbenut-zung eines Dienstwagens anrechnen lassen So hatte sich zumBeispiel der fruumlhere Fachhochschullehrer und Europaparla-mentarier Werner Muumlnch aus dem niedersaumlchsischen Vechtazum Spitzenverdiener hochgerechnet so dreist daszlig er sichals der Landesrechnungshof nachzurechnen begann nichtmehr im Amt halten konnte Eine Schluumlsselrolle in der Zula-gen-Affaumlre spielte der Staatssekretaumlr im Magdeburger Finanz-ministerium Eberhard Schmiege den Muumlnch dort eingesetzthatte Bis 1990 hatte Schmiege unter Ministerin Birgit Breueldie Haushaltsabteilung des niedersaumlchsischen Finanzministeri-ums geleitet Kaum waren diverse Minister ausgewechseltabtreten muszligte zum Beispiel Sozialminister Werner SchreiberBundesvorsitzender der CDU-Sozialausschuumlsse der an sichselbst besonders sozial gedacht hatte - da stellte sich herausdaszlig auch Schmiege und die anderen dreizehn Staatssekretaumlrestattliche raquoAmtszulagenlaquo kassiert hatten

Solche Affaumlren lieszligen sich propagandistisch allzu schlechtmit Bescheidenheits- Spar- Opfer- und Solidaritaumltsappellender raquoWendelaquo-Koalition an die Bevoumllkerung vereinbaren Aucharglose gutglaumlubige bisherige CDU-Waumlhlerinnen und -Waumlhlerschaumlrften inzwischen ihr Gehoumlr fuumlr die zynischen Untertoumlne inKohl-Reden Beispiel die Rede des Kanzlers am 21 Oktober1993 im Bundestag die nur als Verhoumlhnung der Opfer seinerPolitik der nunmehr (ohne statistische Tricks gerechneten)mehr als fuumlnf Millionen Arbeitslosen verstanden werden

konnte raquoWir koumlnnen die Zukunft nicht dadurch sichern daszligwir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisie-renlaquo toumlnte Dr Kohl Zugleich propagierte der Chef derraquoWendelaquo-Koalition die Ruumlckkehr zur 40-Stunden-Woche unddie Abschaffung von zwei Feiertagen Beides zusammenge-nommen wuumlrde die Arbeitslosenzahl in Deutschland noch-mals um nahezu eine Million hochschnellen lassen

Der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes hat zur Genuumlgegezeigt wie man einen Staat ruiniert Er ist reif zur Abloumlsungdie aber schwerlich gelingen kann wenn viele Waumlhlerinnenund Waumlhler verbittert zu Hause bleiben und besonders gefaumlhr-lich wuumlrde es wenn sie ihr Heil rechtsauszligen suchen wuumlrdenNotwendig ist jetzt eine selbstbewuszligte Antwort des betroge-nen Volkes

Um es zu einem solchen demokratischen Urteil nicht kom-men zu lassen versuchen die Bonner Regierenden und ihreHintermaumlnner mit Hilfe ihres Propaganda-Apparats die Waumlh-lerinnen und Waumlhler irrezufuumlhren und einzuschuumlchtern Ex-perten dafuumlr sind der CDUCSU-Fraktionsvorsitzende imBundestag Wolfgang Schaumluble Innenminister Manfred Kan-ther Finanzminister Theo Waigel und ihre Verbuumlndeten in derSpringer-Presse Nach der Methode raquoHaltet den wollensie Angst und Zorn die sich in der Bevoumllkerung angestauthaben ausgerechnet auf diejenigen Menschen lenken dieschon ganz unten gelandet sind auf die Opfer denen es amschlechtesten geht auf die Sozialhilfeempfaumlnger die pauschalverdaumlchtigt werden Sozialleistungen zu miszligbrauchen auf diemit ihrer duumlrftigen Habe in Haumlusernischen kampierendenObdachlosen denen vorgeworfen wird sie stoumlrten das Stadt-bild auf Ausgegrenzte die im Alkohol letzte Zuflucht suchenoder auf Auslaumlnder Beispiel die generalstabsmaumlszligig geplanteKampagne des zeitweiligen CDU-Generalsekretaumlrs (jetzt Bun-desverteidigungsministers) Volker Ruumlhe gegen das Asylrecht

Als die sozialen Folgen der hastigen DDR-Vereinnahmungspuumlrbar wurden luden die CDUCSU und die publizistischenWegbereiter ihrer Politik zu denen an erster Stelle der Springer-Konzern gehoumlrt den Asylbewerbern die Schuld auf Wohn-raum wurde knapp am wenigsten durch Asylbewerber weit

mehr durch Aussiedler und Uumlbersiedler die jetzt nicht mehrUumlbersiedler genannt und uumlberhaupt nicht mehr registriert wer-den (aber es sind immer noch jaumlhrlich Hunderttausende) ammeisten aber durch die katastrophale Bonner Wohnungspolitikdie immer mehr Wohnraum von unten nach oben umverteiltDieses soziale Problem wurde nun ins Nationalistische ge-dreht Springers BILD-Zeitung beteiligte sich daran mit Schlag-zeilen wie raquoMiethai kuumlndigt Deutschen fuumlr Asylantenlaquo Manbedenke daszlig BILD gewoumlhnlich nicht dazu neigt Hausbesitzerals Miethaie zu bezeichnen In diesem Zusammenhang abergeschah es als Mittel zum Zweck die Leserinnen und Leser zuaumlngstigen eine Verdraumlngung durch Fluumlchtlinge als akute Be-drohung vorzuspiegeln und auf solche Weise Aggressionenanzustacheln

Im Sommer und Herbst 1991 brachte dieses Blatt (gedruckteAuflage etwa fuumlnf Millionen Exemplare) eine Serie uumlber raquoDieAsylantenlaquo Dort war beispielsweise zu lesen raquoStellen Sie sichdiesen Fall vor Ein Mann klingelt bei Ihnen moumlchte herein-kommen Der Mann sagt daszlig er maumlchtige Feinde habe dieihm ans Leben wollen Sie gewaumlhren ihm Unterschlupf Dochschnell stellen Sie fest Der Mann wurde gar nicht verfolgt erwollte nur in Ihrem Haus leben Und Er benimmt sich sehrsehr schlecht Schlaumlgt Ihre Kinder Stiehlt Ihr Geld Putzt sichseine Schuhe an Ihren Gardinen Sie wuumlrden ihn gerne los Siewerden ihn aber nicht los Deutsche Asyl-Wirklichkeit 1991laquo

Parallel zur BILD-Serie mit gleicher Stoszligrichtung setztehe seine Kampagne in Gang Er schrieb an alle Untergliederun-gen der CDU raquoIch bitte Sie in den Kreisverbaumlnden in denGemeinde- und Stadtraumlten den Kreistagen und Laumlnderparla-menten die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPDdort herauszufordernlaquo Ruumlhe lieferte mit diesem Rundschrei-ben Argumentationsleitfaden Vorlagen fuumlr Antraumlge und Anfra-gen in Kommunal- und sonstigen Parlamenten sowie eineMuster-Presseerklaumlrung Zum Beispiel sollte landauf landabgefragt werden ob Asylbewerber etwa in Hotels untergebrachtseien was das kosten koumlnne und ob Auslaumlnder womoumlglichzuviel staatliche Unterstuumltzung in Anspruch naumlhmen und soweiter

Der SPD-Vorstand prangerte diese Kampagne in einer uumlber-zeugenden Broschuumlre an Unter der Uumlberschrift raquoGrundrechtauf Asyl Das anstaumlndige Deutschland zeigt Flaggelaquo hieszlig es amSchluszlig der Broschuumlre raquoEiner Aumlnderung des Grundgesetzesstimmt die SPD nicht zu laquo Doch nach einigen Monaten gab derParteivorstand der Sozialdemokraten der Kampagne nach DieBroschuumlre wurde nicht weiterverbreitet Ein Teil der SPD-Frak-tion im Bundestag stimmte der Grundgesetzaumlnderung zu undverhalf ihr damit zur Zweidrittelmehrheit

Die Kampagne hatte noch einen zweiten Effekt den der Prauml-sident des Bundesamtes fuumlr Verfassungsschutz Eckart Werthe-bach folgendermaszligen beschreibt raquoHier wurde ein Ackerbestellt auf dem der Rechtsextremismus seine fremdenfeindli-che Ernte noch auf geraume Zeit einfahren wirdlaquo (raquoDie Weltlaquo30 November 1993) Das ist offenkundig Die Propaganda fuumlrdie Aushebelung von Grund- und Menschenrechten ermun-terte Neonazis zur Gewalt Nach Angaben des Vorsitzendender Vereinigung raquoGegen Vergessen fuumlr Demokratielaquo HansJochen Vogel kamen innerhalb von gut zwei Jahren bis Herbst1993 durch 4761 rechtsextremistische Gewalttaten in Deutsch-land 26 Menschen ums Leben und 1783 wurden verletzt

wurden Anschlaumlge auf Asylbewerber-Wohnungen ver-uumlbt 209mal auf juumldische Einrichtungen 13mal wurden KZ-Gedenkstaumltten geschaumlndet (raquoDie Zeitlaquo 5 November 1993)

Den Kanzler der raquogeistig-moralischen Erneuerunglaquo kuumlm-merte das wenig Neonazi-Aufmaumlrsche wie in Rostock undFulda auch die Ermordung tuumlrkischer Frauen und Kinder inMoumllln und Solingen durch neonazistische Brandstifter tat er abals waumlren sie kaum der Erwaumlhnung wert Von den Orten derUntaten hielt er sich fern und er vermied es auch an den Trau-erfeiern teilzunehmen was er durch seinen Regierungsspre-cher damit begruumlnden lieszlig daszlig er raquoBeileidstourismuslaquo ab-lehne (Bei Trauerfeiern fuumlr ermordete Industriemanager hatteer nie gefehlt auch nicht bei der Trauerfeier fuumlr einen in Kam-bodscha ermordeten Bundeswehr-Feldwebel und der patheti-sche Staatsakt zu dem er den damaligen US-PraumlsidentenRonald Reagan vor den Graumlbern von SS-Maumlnnern auf demFriedhof von Bitburg noumltigte erregte Aufsehen in aller Welt)

Systematisch bemuumlhte sich die Bundesregierung denRechtsextremismus herunterzuspielen So verbreitete das Bun-desinnenministerium eine Studie unter dem Titel raquoHat Rechts-extremismus in Deutschland eine Chancelaquo Sie kam zu demErgebnis raquodaszlig Rechtsextremismus in Deutschland bedeutungs-los istlaquo Seine Bedeutung so hieszlig es dort raquoscheint nur in denVorstellungen seiner Gegner zu liegenlaquo Das raquorechtsextremisti-sche Schreckbildlaquo diene den Antifaschisten als Mittel zurDestabilisierung der Demokratie erfuhr man aus der BonnerPublikation Zu einem Zeitpunkt als die Blutspur des braunenTerrors gegen Fluumlchtlinge aber auch gegen Behinderte undandere Minderheiten laumlngst nicht mehr zu uumlbersehen war sug-gerierte die Studie (Verfasser Prof Dr H H Knuumltter) derRechtsextremismus sei kaum mehr als eine bloszlige Behauptungder Antifaschisten die eigentliche Gefahr liege im Antifaschis-mus Aumlhnlich leugnete Generalbundesanwalt Alexander vonStahl (FDP) bevor er uumlber einen Wust von Widerspruumlchen beider Verfolgung mutmaszliglicher RAF-Terroristen stolperte be-harrlich jeden organisierten Terror von rechts und unterlieszligdeswegen auch dessen Bekaumlmpfung obwohl in Neonazi-Grup-pen laumlngst steckbriefartige Dossiers uumlber GewerkschafterGruumlne Jungsozialisten und andere Antifaschisten kursierten

Den Kanzler selbst der seinen Aufstieg den einstigen NazisDr Ries Dr Schleyer und Dr Taubert verdankt interessiertdie Bedrohung von rechts uumlberhaupt nicht Vor Herausforde-rungen sich ernsthaft mit der Nazi-Vergangenheit auseinan-derzusetzen schuumltzt er sich mit der raquoGnade der spaumltenGeburtlaquo Den Opfern des von seinen Mentoren mitbetriebe-nen staatlichen Terrors versagt er ehrendes und mahnendesGedenken indem er sie wie bei der Neugestaltung der raquoAltenWachelaquo unter den Linden in Berlin - einfach unter die raquoOpfervon Krieg und Gewaltherrschaftlaquo subsumiert Zu solchemGedenken koumlnnen dann auch die Traditionsverbaumlnde von SSund Ritterkreuz-Orden aufmarschieren

Zu den raquoRepublikanernlaquo des ehemaligen Waffen-SS-Man-nes Franz Schoumlnhuber zur Deutschen Volks-Union (DVU) desschwerreichen Muumlnchener Verlegers (raquoDeutsche National-Zei-tunglaquo) und Immobilienspekulanten Dr Gerhard Frey und zu

anderen Rechtsauszligen-Gruppen haben CDU und CSU mancheuntergruumlndigen Beziehungen Gelegentlich deckt Frey sie nachdem Tode von Verbindungsmaumlnnern auf denen er dann stolzeNachrufe widmet wie dem einstigen bayerischen Kultusmini-ster und Verfassungsrechtslehrer Prof Dr Theodor Maunz(CSU) oder dem ehemaligen Geheimdienst-Chef ReinhardGehlen In eigens gegruumlndeten Akademien Foren oder in Zeit-schriften wie raquoMutlaquo kommunizieren CDUCSU-Rechte undUltrarechte miteinander Wer mit wem gemeinsame Sachemacht und gegen wen ist da laumlngst keine Frage mehr MichaelGlos Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in Bonn sagt es soraquoDie linksradikale PDS und die Gruumlnen sind eine groumlszligereGefahr fuumlr unser Land als die Republikaner und die RechtenlaquoEin Neonazi-Fuumlhrer wie der Hamburger Christian Worchmacht sich solche Ermunterungen sofort zunutze und leistetseinerseits Unterstuumltzung In einem Aufruf fuumlr den saumlchsischenJustizminister Steffen Heitmann (CDU) den Kohl fuumlr das Amtdes Bundespraumlsidenten nominiert hatte schrieb Worch raquoWerwill uns wegen unserer strikten Einstellung zum Auslaumlnder-und vor allem Asylantenproblem noch alsund gtextremistische Minderheitlt disqualifizieren wenn zumin-dest Ansaumltze unserer Vorstellungen selbst vom ersten Mann imStaate oumlffentlich verbreitet werdenlaquo

Wenn CDUCSU-Politiker den raquostarken Staatlaquo propagierenalso den Abbau von Buumlrgerrechten (zum Beispiel durch die Er-maumlchtigung des Staates zur Verwanzung von Privatraumlumen dienicht dadurch harmloser wird daszlig ihr jetzt auch Sozialdemo-kraten zustimmen) und wenn der CDUCSU-Fraktionsvorsit-zende im Bundestag Wolfgang Schaumluble vor Weihnachten1993 sogar vorschlaumlgt bei einer raquogroumlszligeren Sicherheitsbedro-hung im Innernlaquo die Bundeswehr einzusetzen (es gehe darumdurch eine entsprechende Grundgesetzaumlnderung raquodas Hauswetterfest zu machenlaquo erlaumluterte Schaumluble) wenn schlieszliglichder Kanzler und sein jetziger Bundesverteidigungsminister Vol-ker Ruumlhe immer offener fuumlr die Beteiligung deutscher Truppenan Militaumlraktionen eintreten die mit dem Verfassungsauftragder Bundeswehr zur Landesverteidigung nichts zu tun habendann ist das alles ganz im Sinne der Ultrarechten

Fruumlhere Bonner Bekenntnisse zur Friedensstaatlichkeit sindimmer leiser geworden Das Ruumlstungsgeschaumlft hat sich unterder Kanzlerschaft von Helmut Kohl kraumlftig weiterentwickeltund ist auch nach dem Ende der Sowjetunion und des War-schauer Paktes die bis dahin als einzige Bedrohung der Bun-desrepublik und als alleinige regierungsamtliche Begruumlndungfuumlr Bundeswehr und Ruumlstungsausgaben gegolten hatten nichtzum Erliegen gekommen Daimler-Benz gehoumlrt zwar nichtmehr zum Flick-Konzern aber auch jetzt unter der Regie derDeutschen Bank dringt dieses Unternehmen weiterhin aufBonner Milliarden fuumlr Projekte wie den raquoJaumlger 90laquo inzwischenumbenannt in raquoEurofighter 2000laquo Deutsche Waffen im Wertevon mehreren Milliarden Mark werden seit Jahren zum Bei-spiel an die Tuumlrkei und an Indonesien geliefert wo das Militaumlrsie zur blutigen Unterdruumlckung und Ausrottung nationalerMinderheiten verwendet

Laut UN-Waffenregister geht weltweit der Waffenhandelseit einigen Jahren zuruumlck die deutschen Waffenexporte dage-gen nehmen zu In dieser Branche ist Deutschland an diezweite Stelle nach den USA aufgeruumlckt Beim Export von Waf-fensystemen zur Landkriegfuumlhrung (groszligkalibrige ArtilleriePanzer und gepanzerte Kampffahrzeuge) fuumlhrt Deutschland inStuumlckzahlen etwa ebenso viel aus wie Ruszligland FrankreichGroszligbritannien und China zusammengenommen Bei Rake-ten und Raketenwerfern nimmt es bereits die Spitzenstellungein

Mit 18 Milliarden Mark beteiligte sich die auf sozialem Ge-biet so sparsame Bundesregierung am Golf-Krieg mit demder zeitweilige US-Praumlsident George Bush eine raquoneue Weltord-nunglaquo herbeifuumlhren wollte Sie aumluszligerte bei dieser Gelegenheitihr Bedauern daruumlber daszlig das Grundgesetz sie hindere sichauch mit Bundeswehreinheiten zu beteiligen Diese Bedenkenwurden dann bald aufgegeben Inzwischen setzte die Bundes-regierung wiederholt deutsche Militaumlrverbaumlnde auszligerhalb desNATO-Gebietes ein wobei sie sich immer weiter vom grund-gesetzlichen Auftrag der Bundeswehr entfernte Die Expedi-tion von 1500 Bundeswehrsoldaten nach Somalia hatte mitLandesverteidigung nicht das geringste zu tun Zweck war

angeblich die Versorgung indischer UN-Truppen die jedochnie in Somalia auftauchten Einige Wochen vor der Expeditionhatte Minister Ruumlhe noch versichert vor einem solchen Bun-deswehreinsatz werde selbstverstaumlndlich die Zustimmung desBundestages eingeholt Aber dann wartete die Bundesregie-rung ab bis der Bundestag in die Weihnachtsferien 1992193gegangen war Das Parlament erhielt keine Gelegenheit uumlberdiesen ersten Auslandseinsatz einer geschlossenen Einheit seitGruumlndung der Bundeswehr auch nur zu diskutieren Nicht ein-mal der Auswaumlrtige Ausschuszlig wurde unterrichtet Die Kostendes Einsatzes summierten sich innerhalb eines Jahres auf rund300 Millionen Mark wofuumlr wie die Stellvertretende SPD-Vor-sitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul vorrechnete in Deutsch-land jeden Tag eine Kindertagesstaumltte haumltte gebaut werdenkoumlnnen

Bei den europaumlischen Nachbarn und langjaumlhrigen Verbuumlnde-ten der Bundesrepublik waumlchst unuumlberhoumlrbar das Miszligtrauengegenuumlber dem von Kohl regierten Deutschland das sich ehr-geizig reckt um neben den USA zweiter oder gar erster Weltpo-lizist zu werden Wenn der griechische Vize-AuszligenministerTheodoros Pangalos 1994 Vorsitzender des Ministerrats derEuropaumlischen Union Deutschland raquoeinen Riesen mit bestiali-scher Kraft und dem Hirn eines Kindeslaquo nennt dann ist dasnicht als Beleidigung des deutschen Volkes gemeint wohl aberals Charakterisierung der gegenwaumlrtigen Bonner Politik We-sentlichen Anlaszlig zu solchem Miszligtrauen gab das Vorpreschender Bundesregierung bei der Anerkennung Sloweniens undKroatiens als eigenstaumlndige Staaten womit Jugoslawien zer-schlagen und ein furchtbarer Konflikt zwischen den vermischtlebenden Voumllkern angefacht wurde Waffenschmieden wie dieGewehrfabrik Heckler Koch in Oberndorf am Neckar profi-tieren jetzt direkt oder indirekt von dem Krieg aller gegenalle im ehemaligen Jugoslawien

Griechenland muszligte als besondere Provokation die Aner-kennung des eigenstaumlndigen Staates raquoMazedonienlaquo verstehendenn die Masse der Mazedonier wohnt in Griechenland

Auf auslaumlndische Aumluszligerungen des Miszligtrauens pflegt Kohlpatzig mit der Bemerkung zu reagieren daszlig sich dahinter

raquoNeidlaquo verberge Und wenn er an den von Deutschland begon-nenen Zweiten Weltkrieg erinnert wird verbittet er sich jedenVergleich mit dem heutigen von ihm regierten DeutschlandAber niemand anderes als die Bundesregierung ist dafuumlrverant-wortlich daszlig in der Bundeswehr Nazi-Traditionen wachgehal-ten werden daszlig zum Beispiel die raquoDietl-Kasernelaquo in Fuumlssennach jenem Generaloberst benannt ist von dem Hitler sagteraquoDietl hat den Typ des nationalsozialistischen Offiziers geschaf-fen eines Offiziers der nicht weichlich ist im Verlangen undFordern nicht schwaumlchlich im Einsatz der Menschen sondernder genau weiszlig daszlig fuumlr diesen Kampf kein Opfer zu groszlig oderzu teuer istlaquo

Weil nach dem Ende der Sowjetunion und des WarschauerPaktes von einer militaumlrischen Bedrohung des deutschen Terri-toriums keine Rede mehr sein konnte entstand im Januar 1992ein Positionspapier des Bundesverteidigungsministeriumsunter dem Titel und militaumlrstrategischeGrundlagen und konzeptionelle Grundrichtung der Neugestal-tung der Bundeswehrlaquo Darin ist zu lesen raquounter Zugrundele-gung eines weiten Sicherheitsbegriffslaquo koumlnnten raquodie Sicher-heitsinteressen fuumlr den Zweck dieser militaumlrpolitischen Lagebe-urteilunglaquo unter anderem wie folgt definiert werden raquoAuf-rechterhaltung des freien Welthandels und des Zuganges zustrategischen Rohstoffenlaquo Von derartigen Aufgaben der Bun-deswehr steht im Grundgesetz kein Wort

Mit dem Streben nach einer Weltpolizisten-Rolle verbindetsich auch der dringende Wunsch nach einem staumlndigen Sitz imSicherheitsrat der Vereinten Nationen Bei Gruumlndung der UN1945 hatten deren Mitglieder den fuumlnf Hauptsiegermaumlchten desZweiten Weltkrieges das Privileg zugesprochen staumlndig imSicherheitsrat vertreten zu sein dessen zehn andere Mitgliederwechselweise gewaumlhlt werden Damit wurde vor allem die Ver-antwortung dieser fuumlnf Staaten anerkannt eine stabile Nach-kriegsordnung zu schaffen und ein Wiederaufleben des deut-schen Militarismus zu verhindern Es mag jetzt Gruumlnde gebendieses Privileg abzuschaffen Das koumlnnte der Demokratisie-rung der Vereinten Nationen dienen Den gegenteiligen Effektaber haumltte es wenn wie Dr Kohl wuumlnscht der UN-Sicherheits-

rat zu einer Art Weltregierung der wirtschaftlich Maumlchtigstengemacht wuumlrde

Laumlngst ist Deutschland Exportweltmeister Je Beschaumlftigtenist die Exportleistung dreimal so hoch wie in den USA oder inJapan Doch das genuumlgt Kohl und seinen Hintermaumlnnern nochnicht Darum bestehen sie darauf daszlig die Sozialpolitik demangeblichen Erfordernis Deutschlands Position in der Welt-wirtschaft zu staumlrken untergeordnet werden muumlsse

Was hilft es der eingangs erwaumlhnten arbeitslos gewordenenalleinerziehenden Mutter Katrin Krause in Halle an der Saaleund ihrem Kind wenn sich die Regierung des Dr Helmut Kohlimstande zeigt trotz gegenteiliger Verfassungsgebote ein Bun-deswehr-Bataillon in Ostafrika zu stationieren Was wuumlrde esdem unter Druck groszliger Konzerne geratenen mittelstaumlndi-schen Unternehmen in Limburg an der Lahn wo Katrin Krau-ses Vetter Norbert um seinen Arbeitsplatz zu fuumlrchten beginntnuumltzen wenn es Kohl und seinem Auszligenminister dem fruumlhe-ren Geheimdienstchef Klaus Kinkel (FDP) gelaumlnge einenstaumlndigen Sitz im UN-Weltsicherheitsrat zu erlangen

Die unsoziale Auspowerung der eigenen Bevoumllkerungangeblich notwendig zur raquoStandortsicherunglaquo kann fruumlheroder spaumlter genau das Gegenteil bewirken Die Wirtschaft kannmit den Mitteln die sie staumlrken sollen ruiniert werden DieUntauglichkeit der von Kohl Lambsdorff Rexrodt Waigel undBluumlm angewendeten Mittel ist in den USA durch Reagan undBush und in Groszligbritannien durch den Thatcherismus laumlngsterwiesen

Wenn immer mehr Menschen arbeitslos sind weil sie fuumlr dieWarenproduktion nicht mehr gebraucht werden wenn zu-gleich Loumlhne und Gehaumllter stagnieren oder real sinken wennSozialabgaben wachsen und Leistungen gekuumlrzt werden dannsinken zwangslaumlufig Kaufkraft und Absatz Wenn zugleich diearmen Laumlnder der Erde auf Grund ungerechter von den rei-chen Laumlndern diktierter Handelsbeziehungen noch aumlrmer wer-den fallen sie als Absatzmaumlrkte aus Die Industrie stoumlszligt da-durch an Expansionsgrenzen Der Konkurrenzkampf wird haumlr-ter Hauptwaffe in diesem Kampf ist die weitere Absenkung der

Kosten sprich Personalabbau Laumlszligt sich so auf die Dauer diedeutsche Wirtschaft staumlrken

Kohl Waigel Rexrodt beklagen in Deutschland werde zuwenig in Forschung Entwicklung und Berufsbildung inve-stiert Aber sie selbst streichen den Forschungshaushalt zusam-men Solche Widerspruumlche mehren sich und werden zu einerakuten Gefahr fuumlr die wirtschaftliche Entwicklung

Jahrelang versprach der Kanzler den Deutschen die Ge-winne von heute seien die Investitionen von morgen und dieArbeitsplaumltze von uumlbermorgen Seine Politik erlaubte den Un-ternehmen wor allem den groszligen Konzernen gewaltige Ge-winnsteigerungen aber von den Gewinnen wurde nur weniginvestiert und die Investitionen dienten hauptsaumlchlich zurWegrationalisierung von Beschaumlftigten Arbeitsplaumltze wurdenso nicht geschaffen sondern vernichtet Und wenn die Massen-kaufkraft weiter sinkt wenn also noch weniger Waren abgesetztwerden koumlnnen als bisher dann werden noch viel mehr Men-schen arbeitslos werden

Das ist es was wir bei einer Fortsetzung der Politik des DrHelmut Kohl zu erwarten haben Und sein WirtschaftsministerRexrodt qualifiziert durch seine Treuhand-Erfahrungen imPlattmachen hat nun tatsaumlchlich eine Idee wie er Arbeitslosig-keit bekaumlmpfen will durch staumlrkere steuerliche Entlastung rei-cher Leute die Dienstmaumldchen einstellen

Was wir zu erwarten haben ist weitere Privatisierung nachdem Programm von Birgit Breuel trotz solcher niederschmet-ternder Erfahrungen wie mit dem raquoGruumlnen Punktlaquo der allePrinzipien des Umweltschutzes verhoumlhnt und die Verbraucherzusaumltzlich belastet Allerletzte Koalitionsabsicht Anfang 1994Privatisierung von Arbeitsaumlmtern

Die Folgen der bisherigen Umverteilung von unten nachoben sind schon schlimm genug als daszlig diese Politik fortge-fuumlhrt werden duumlrfte Nach zwoumllf Jahren Kohl-Regierung ist esin Deutschland dahin gekommen daszlig Hospitaumller Patientenmit schweren Krankheiten ablehnen weil die Behandlung zuteuer waumlre Und dahin daszlig in den Staumldten die Mieten fuumlr Neu-bauwohnungen das heiszligt fuumlr nach 1948 gebaute WohnungenJahr fuumlr Jahr um rund zehn Prozent steigen waumlhrend die Netto-

Einkommen stagnieren oder sinken Und dahin daszlig immermehr Menschen um uumlberhaupt arbeiten zu koumlnnen gering-fuumlgige Beschaumlftigungsverhaumlltnisse ohne Sozialversicherungs-schutz annehmen (was auch die Einnahmen von Krankenkas-sen und Rentenversicherungen mindert)

raquoFuumlr den weiteren Verlauf der neunziger Jahrelaquo heiszligt es imArmutsbericht des Paritaumltischen Wohlfahrtsverbands und desDGB sei raquodavon auszugehen daszlig sich durch die anhaltendeMassenarbeitslosigkeit und die fehlenden beziehungsweiseauslaufenden Mindestsicherungselemente in der Sozialversi-cherung das Problem der arbeitsmarktbedingten Armut imSinne von Sozialhilfebeduumlrftigkeit zu einem sozialpolitischenProblem ersten Ranges entwickeln wirdlaquo

Aber dieser Fortgang der Geschichte ist nicht zwangslaumlufigIhm muszlig Einhalt geboten werden Und das muumlssen wir selbertun

Selbst im schicken Muumlnchen lebten Ende 1993 bereits140 000 Menschen in Armut 50 000 waren arbeitslos 60 000Familien uumlberschuldet 12 000 hatten keine Bleibe 1200 lebtenauf der Straszlige Angesichts solcher Zustaumlnde machte ein erfah-rener Kommunalpolitiker der fruumlhere Muumlnchener Oberbuumlrger-meister Georg Kronawitter (SPD) folgenden Vorschlag Wennsich der Staat endlich entschlieszlige Einkommen aus Arbeit undaus Vermoumlgen gleichwertig zu besteuern koumlnne er von denSuperreichen mit einer 15prozentigen Sondersteuerjaumlhrlich 60Milliarden Mark holen in zehn Jahren also 600 MilliardenMark Das sei ihnen durchaus zuzumuten erklaumlrte Kronawit-ter denn seit 1970 habe sich das Privatvermoumlgen der Westdeut-schen auf 9492 Milliarden Mark versechsfacht Die Haumllftedavon gehoumlre den oberen zehn Prozent der Haushalte Kleineund mittlere Vermoumlgen beispielsweise derjenigen die sich einHaumluschen vom Mund abgespart oder geerbt haben koumlnntenund muumlszligten von der Sondersteuer freigestellt bleiben (raquoDerSpiegellaquo 22 November 1993)

Dieservorschlag bedeutet Umverteilung andersherum vonoben nach unten Darauf kommt es jetzt an Von Kohl und sei-ner Koalition koumlnnen wir eine solche Abkehr von ihrer bisheri-gen Politik nicht erwarten Was wir von anderen Parteien zu

erwarten haben sollten wir deren Kandidaten eingehend fra-gen Und wir sollten sie ebenfalls an ihrem bisherigen Verhal-ten messen

Am Wahltag ist dreierlei noumltig um die Mehrheitsverhaumlltnissein Deutschland zu aumlndern damit Helmut Kohl seine verhaumlng-nisvolle Politik nicht fortsetzen kann

1 Keine Stimme darf dadurch verloren gehen daszlig Wahlbe-rechtigte der Wahl fernbleiben Wer Politik zu raquodooflaquo oder zuraquoschmutziglaquo findet soll wissen daszlig sie erst wirklich aumlrgerlichund schmutzig wird wenn sich die Verantwortlichen nichtselbst darum kuumlmmern Verantwortlich aber ist jeder und jedeWahlberechtigte Das gilt besonders fuumlr die Jungwaumlhler umderen eigene Zukunft es geht

2 Keine Stimme darf einer Partei gegeben werden die nichteindeutig klargestellt hat daszlig sie gegen Kohl und dessen Poli-tik angetreten ist und keinesfalls mit der CDUCSU ein Regie-rungsbuumlndnis eingehen wird

3 Den Rechtsauszligen-Parteien darf es nicht gelingen in denBundestag einzuziehen Wie einst am Ende der WeimarerRepublik wuumlrden sie sich als Trumpf in der Hinterhand desGroszligen Geldes erweisen

Aber die Bundesbuumlrgerinnen und -buumlrger haben noch mehrMoumlglichkeiten als am Wahltag ihre Stimme abzugeben AlsDemokraten koumlnnen und muumlssen sie zum Beispiel den Mundaufmachen wenn in ihrer Gegenwart soziale menschenverach-tende Parolen aufkommen Das heiszligt Zivilcourage beweisenAuszligerdem hat jede und jeder von uns die Moumlglichkeit imBekanntenkreis Informationen weiterzugeben was um sonoumltiger ist wenn aufwendige Propaganda zu vernebeln ver-sucht was der Eiserne Kanzler des Groszligen Geldes bisher ange-richtet hat Nicht zuletzt gilt es in Mieter- und Verbraucherver-baumlnden in Umwelt- und Friedensinitiativen und vor allem inden Gewerkschaften demokratischen Widerstand gegen ruumlck-sichtslose Ausbeutung und Entrechtung zu leisten

Solche Moumlglichkeiten gibt es nicht nur einmal alle vier Jahresondern jeden Tag

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Wir Untertanen ist Engelmanns kritischezutiefst demokratische Darstellung einesJahrtausends deutscher VergangenheitEngelmann schreibt Geschichte vonunten steht auf der Seite des Volkesnimmt dessen Perspektive ein wenn esum die groszligen Maumlnner und ihre ver-meintlich groszligen Taten geht die immermit dem Schweiszlig und dem Blut der

Namenlosen errungen wurden

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In diesem Buch behandelt Bernt Engel-mann die Jahre zwischen 1918 und 1938

in denen mehr Legenden und Luumlgenverbreitet wurden als je zuvor in einemvergleichbaren Zeitraum raquoim Feldeunbesiegtlaquo raquoKriegsschuldluumlgelaquo raquoSchand-

von Versailleslaquo raquoJudenrepubliklaquoraquoVolk ohne Raumlaquo Engelmann ver-gleicht die Legenden mit dem wasdamals wirklich geschah und entziehtdamit auch den neuen Rechten denBoden fuumlr ihre altbekannten Helden-

denkmaler

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Wie Reichtum vertuschtund Armut verdrangt wird

240 Seiten gebunden DM 3400

Die Zahl der Arbeitslosen Sozialhilfe-empfaumlnger und Obdachlosen steigtGleichzeitig gibt es immer mehr Reicheund Superreiche In Krisenzeiten mah-nen die politischen und wirtschaftlichenEliten Kuumlrzungen zuallererst bei denkleinen Leuten an Politiker mit fuumlrst-licher Altersversorgung predigen dieAbsenkung des Rentenniveaus gutge-hende Unternehmen Lohnsenkung undArbeitsplatzabbau alte und neue Reichedie Abschaffung der VermoumlgenssteuerDorothee Beck und Hartmut Meine nen-nen Namen und Zahlen Wer sind diefuumlnfzig reichsten Familien in Deutsch-land Was koumlnnen sich Arbeitslose undSozialhilfeempfaumlnger heute noch lei-sten Und sie stellen sich die Frage wieeine Reformperspektive aussehen kanndie wieder mehr Verteilungsgerechtig-keit und sozialen Ausgleich zum Ziel hat

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