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Der Minister Ministerium furArbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Ministerium furArbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen, 40190 Dusseldorf An den Prasidenten des Landtags Nordrhein-Westfalen Herrn Andre Kuper MdL Dusseldorf fiir den Ausschuss fur Arbeit, Gesundheit und Soziales ,,Geburt im hebammengeleiteten KreiBsaal: Ergebnisse der Teilstudien" Datum:. '.August 2020 Seite 1 von 1 Aktenzeichen 1122/0008 bei Antwort bitte angeben Nora Kurth Telefon0211 855-4115 Telefax 0211 855- [email protected] Sehr geehrter Herr Landtagsprasident, anliegend ubersende ich einen Bericht der beiden Teilstudien mit den Ergebnissen des Forschungsprojekts GEscHlcK (Geburt im hebammengeleiteten Krei&saal - Entscheidungsablaufe, Qualitatssicherung und ,Best Practice' Modell') am Universitatsklinikum Bonn (UKB) sowie das Fact Sheet zu den Teilstudien. lch bitte Sie, den beigefugten Bericht an die Mitglieder des Ausschusses furArbeit, Gesundheit und Soziales weiterzuleiten. Mitfreundlichen GruG>en '^HV^WK*^. (Karl-Josef Laumann) Dienstgebaude und Lieferanschrift: Furstenwall 25, 40219Dusseldorf Telefon0211 855-5 Telefax0211 855-3683 [email protected] www.mags.nrw Offentliche Verkehrsmittel: Rheinbahn Linie 709 Haltestelle: Stadttor Rheinbahn Linien 708, 732 Haltestelle: Polizeiprasidium Anlanen

Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

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Page 1: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

Der Minister

Ministerium furArbeit,

Gesundheit und Soziales

des Landes Nordrhein-Westfalen

Ministerium furArbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen, 40190 Dusseldorf

An den

Prasidenten

des Landtags Nordrhein-Westfalen

Herrn Andre Kuper MdL

Dusseldorf

fiir den Ausschuss fur Arbeit, Gesundheit und Soziales

,,Geburt im hebammengeleiteten KreiBsaal: Ergebnisse der

Teilstudien"

Datum:. '.August 2020

Seite 1 von 1

Aktenzeichen 1122/0008

bei Antwort bitte angeben

Nora Kurth

Telefon0211 855-4115

Telefax 0211 855-

[email protected]

Sehr geehrter Herr Landtagsprasident,

anliegend ubersende ich einen Bericht der beiden Teilstudien mit den

Ergebnissen des Forschungsprojekts GEscHlcK (Geburt im

hebammengeleiteten Krei&saal - Entscheidungsablaufe,

Qualitatssicherung und ,Best Practice' Modell') am Universitatsklinikum

Bonn (UKB) sowie das Fact Sheet zu den Teilstudien.

lch bitte Sie, den beigefugten Bericht an die Mitglieder des Ausschusses

furArbeit, Gesundheit und Soziales weiterzuleiten.

Mitfreundlichen GruG>en

'^HV^WK*^.

(Karl-Josef Laumann)

Dienstgebaude und

Lieferanschrift:

Furstenwall 25,

40219Dusseldorf

Telefon0211 855-5

Telefax0211 855-3683

[email protected]

www.mags.nrw

Offentliche Verkehrsmittel:

Rheinbahn Linie 709

Haltestelle: Stadttor

Rheinbahn Linien 708, 732

Haltestelle: Polizeiprasidium

Anlanen

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Parlamentspapiere
Page 2: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein
Page 3: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

FACT SHEET

HEBAMMENKREIßSAAL Nordrhein-Westfalen

Der „hebammengeleitete Kreißsaal“ (HGK) ist ein ergänzendes geburtshilfliches Betreuungskon-zept und für gesunde Schwangere geeignet, die nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf eine unkomplizierte Geburt erwarten können. Der Hebammenkreißsaal unterstützt Frauen in ihrem Wunsch nach einer interventionsarmen Geburt aus eigener Kraft.

Wesentliche Bestandteile des Konzepts sind die von Hebammen und Ärzteschaft gemeinsam er-arbeiteten Kriterienkataloge zur Aufnahme und Weiterleitung sowie die kontinuierliche („Eins-zu-Eins“) Betreuung während der Geburt durch die Hebamme. Bei Auffälligkeiten im Geburtsverlauf oder auf Wunsch der Frau erweitert sich die geburtshilfliche Betreuung um die Kompetenz des Arztes.

Mit rund 380.000 Euro Förderung vom Landeszentrum Gesundheit (LZG.NRW) führt das Univer-sitätsklinikum Bonn unter Leitung von Frau Priv.-Doz. Dr. Merz und Herrn Kocks ein mehrteiliges Forschungsprojekt durch (Geburt im hebammengeleiteten Kreißsaal (GEscHIcK) – Entscheidungs-abläufe, Qualitätssicherung und ‚Best Practice‘ Modell‘), in dem (a) erstmals Daten zur medizini-schen Sicherheit hebammengeleiteter Geburten in Deutschland erhoben wurden und (b) Hebam-men sowie Ärztinnen und Ärzte aller nordrhein-westfälischen Kliniken mit Hebammenkreißsälen ihre Erfahrungen zusammengetragen und diskutiert haben. Die Ergebnisse dieser beiden Unter-suchungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

(a) Die retrospektive Analyse aller hebammengeleiteten Geburten am Universitätsklinikum Bonn über einen Zeitraum von acht Jahren (2010 – 2017) konnte nachweisen:

Gleiche Sicherheit: bei Frauen, die aus dem HGK in den ärztlichen Kreißsaal weitergeleitet wur-den, traten sowohl bei den Müttern als auch bei den Neugeborenen Komplikationen nicht häu-figer auf, als in der Kontrollgruppe.;

Weniger Interventionen: im Vergleich zu einer ausgewählten Kontrollgruppe o wurden im HGK weniger Geburten vaginal-operativ beendet (HGK: 6,2 %, ÄGK: 9,5 %); o war die PDA-Rate im HGK niedriger (HGK: 19,1 %, ÄGK: 41,2 %); o wurden im HGK weniger Dammschnitte durchgeführt (HGK: 4,3 %, ÄGK: 7,9 %); eine

Verringerung höhergradiger Geburtsverletzungen wurde nicht bestätigt.;

Klares Regelwerk: die von Ärztinnen und Ärzten sowie Hebammen gemeinsam erarbeiteten Kriterienkataloge für die Aufnahme in den HGK und die ggf. erforderliche Weiterleitung in die ärztliche Betreuung bei Auftreten von Besonderheiten sowie die formale Regelung der Kommu-nikation zwischen den Berufsgruppen stellen eine tragfähige Basis für eine sichere Geburt im HGK dar.

(b) In den Diskussionen der Hebammen und Ärztinnen und Ärzten zur Arbeit im Hebammen- kreißsaal wurde übereinstimmend konstatiert:

die Arbeit im Hebammenkreißsaal fördert die natürliche Geburt und stärkt die Gebärenden; die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft & Hebammen verbessert sich:

o der fachliche Austausch intensiviert sich; o gegenseitige Unterstützung wird gegeben; o das Vertrauen in die jeweils andere Berufsgruppe steigt;

die Arbeitszufriedenheit und die positive, professionelle Selbstwahrnehmung von Hebammen steigt;

ein „Spill-over“ Effekt für die Betreuung ärztlich geleiteter Geburten wird beobachtet.

Page 4: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

Die vergleichende Untersuchung der gelebten Praxis der Hebammenkreißsäle ergab, dass sich alle Kliniken bei der Etablierung an den Vorgaben des ‚Handbuch Hebammenkreißsaal‘1 orientier-ten. Das dort beschriebene Konzept umfasst einen Betreuungsbogen von der Schwangerschaft bis ins Wochenbett und kann daher trotz einer fehlenden rechtlich bindenden Definition als Modell gelten.

Die beteiligten Hebammen, Ärztinnen und Ärzte erarbeiteten Anpassungen für den Bereich ‚Be-treuung der Gebärenden‘, die ein vereinfachtes Auswahlverfahren und einen verschlankten Krite-rienkatalog beinhalten. Kommen diese Änderungsvorschläge zur Anwendung, wird der Zugang zum Hebammenkreißsaal erleichtert. Die Betreuungsform steht damit einer größeren Anzahl an Schwangeren offen. Diese Anpassungen können dazu beitragen, dass sich mehr Schwangere für eine Geburt im Hebammenkreißsaal interessieren und sich auch mehr Kliniken für die Einrichtung eines Hebammenkreißsaals entscheiden.

Herausforderungen: Das Modell hebammengeleiteter Kreißsaal hat bisher keine breite Veranke-rung in der Versorgungslandschaft gefunden. Seit Einführung des HGK in Deutschland vor rund 15 Jahren haben in Nordrhein-Westfalen neun Kliniken verschiedener Versorgungsstufen das Mo-dell eingeführt. Deutschlandweit werden 23 HGK vorgehalten (Stand 2019). Tatsächlich:

haben im Jahr 2017 nur rund 4,6 % (7 von 153) Kliniken mit Geburtshilfe in NRW das Versor-gungkonzept angeboten, obwohl es für alle geburtshilflichen Abteilungen geeignet ist;

gab es im Jahr 2017 nur rund 500 Geburten in den HGK in NRW. Bei 168.505 klinischen Ge-burten entspricht dies nur ca. 0,3 % aller Geburten in NRW;

kommt das Versorgungskonzept nur bei ca. 1,5 % der Geburten zum Einsatz, obgleich die Gruppe der Schwangeren mit risikofreier Geburt bei mindestens 20 % aller Gebärenden liegt.

Die Forschungsergebnisse belegen, dass der Hebammenkreißsaal bei Beachtung der vorab ge-meinsam von beiden Berufsgruppen festgelegten Auswahl- und Weiterleitungskriterien Frauen eine interventionsarme, sichere Geburt ermöglicht und als eine Bereicherung für die beteiligten Berufsgruppen sowie für die Gebärenden erlebt wird.

1 Bauer N, Kehrbach A, Krahl, Astrid, von Rahden, Oda, zu Sayn-Wittgenstein, Friederike. Handbuch

Hebammenkreißsaal: Von der Idee zur Umsetzung. Osnabrück: Verbund Hebammenforschung; 2007

Im Jahr 2017 fanden in NRW 168.505 Geburten statt. Für die klinische Versorgung von Schwangeren, Müttern und Neugeborenen standen 153 geburtshilfliche Abteilungen, davon sieben mit HGK zur Verfügung.

In NRW kommen rund 99 % der Kinder in Geburtskliniken zur Welt. Dabei lag im Jahr 2017 die Kaiserschnittrate in NRW bei 31 % und damit leicht über dem Bundesdurchschnitt von 30,5 %.

Zum Stichtag 31. Dezember 2017 waren in den Krankenhäusern in NRW insgesamt 2.420 Hebammen tätig. Davon waren 1.795 Hebammen teilzeitbeschäftigt, was einem Anteil von ca. 75 % entspricht.

Zahlen zur geburtshilflichen Versorgung in NRW (Stand 2017)

Page 5: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

0

gefördert vom

Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle

in Nordrhein-Westfalen und Annäherung

an ein ‚Best Practice‘ Modell

hebammengeleiteter Kreißsaal

vorgelegt von

Waltraut M. Merz unter Mitarbeit von

Andreas Kocks, Andrea Heep, Pirathayini Kandeepan und Sophia Tietjen

Bonn, Mai 2019, aktualisiert August 2020

Page 6: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

1

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................................... 1

Abkürzungen ................................................................................................................................ 4

(I) Zusammenfassung ................................................................................................................ 5

(I.a.) Inhalt und Zielsetzung des Forschungsprojekts GEscHIcK ........................................................... 5

(I.b.) Umfang der Nutzung von Hebammenkreißsälen ........................................................................ 5

(I.c.) Wissenschaftliche Evidenz ........................................................................................................... 6

(I.d.) Arbeitsgrundlage Deutschland – Handbuch Hebammenkreißsaal .............................................. 7

(I.e.) Der Kriterienkatalog..................................................................................................................... 7

(I.f.) Umsetzbarkeit einer Eins-zu-Eins Betreuung ............................................................................... 8

(I.g.) Weitere Hürden - Gegenargumente ............................................................................................ 9

(I.h.) Hauptargumente für den Hebammenkreißsaal von dort Arbeitenden ..................................... 10

(I.i.) Ausblick ....................................................................................................................................... 10

(II) Einführung ............................................................................................................................ 11

(III) Hintergrund, Fragestellung und Aufbau der Untersuchung .................................................... 13

(III.a.) Der Hebammenkreißsaal in Deutschland ................................................................................ 13

(III.b.) Fragestellungen ....................................................................................................................... 15

(III.c) Aufbau der Untersuchung - Auf dem Weg zu einem ‚Best Practice‘ Modell ............................. 15

(1.) Begriffsbestimmungen ............................................................................................................ 15

(2.) Literaturrecherche .................................................................................................................. 16

(3.) Datenerhebung ....................................................................................................................... 16

(4) Erfahrungsaustausch der Berufsgruppen ................................................................................ 17

(5) Identifikation der Komponenten eines ‚Best Practice‘ Modells .............................................. 17

(6) Konsentierung: Zu einem gemeinsamen Verständnis ............................................................. 17

(7) Gegnerschaften, Hemmnisse und Hürden ............................................................................... 17

(IV) Ergebnisse ........................................................................................................................... 19

(IV.a) Begriffsbestimmungen ............................................................................................................. 19

(1.) ‚Best Practice‘ .......................................................................................................................... 19

(2.) Definition des Versorgungskonzepts hebammengeleiteter Kreißsaal.................................... 22

(IV.b) Literaturrecherche ................................................................................................................... 24

(1.) internationale wissenschaftliche Publikationen ..................................................................... 24

(2.) Deutschsprachige gesundheitspolitische und wissenschaftliche Publikationen .................... 32

Gesundheitspolitische Publikationen ................................................................................................ 32

Wissenschaftliche Publikationen ....................................................................................................... 36

(IV.c) Geburtshilfliche Statistik ........................................................................................................... 39

Page 7: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

2

(1.) Begriffsbestimmungen ............................................................................................................ 40

(2.) Analyse geburtshilflicher Datenbanken .................................................................................. 41

(3.) Kalkulation der für den Hebammenkreißsaal geeigneten Schwangeren ............................... 44

(4.) Personalstandsanalyse NRW ................................................................................................... 45

(5.) Leistungsziffern der sieben Einrichtungen in NRW mit Hebammenkreißsaal ........................ 47

(IV.d) Erfassung und Bearbeitung der Komponenten eines ‚Best Practice‘ Modells hebammengeleiteter Kreißsaal .......................................................................................................... 49

(1.) Datenerhebung: Instrumente und Methoden ........................................................................ 49

(2.) Fragebogen Eins: Basisdaten .................................................................................................. 50

(3.) Sichtung der hebammenkreißsaal-spezifischen Unterlagen aller Krankenhäuser ................. 50

(4.) Vergleich der Kriterienkataloge der Hebammenkreißsäle in NRW ........................................ 51

(5.) Fragebogen Zwei: Etablierung von Hebammenkreißsälen und Erfahrungen mit dem Konzept

....................................................................................................................................................... 54

(6.) Erste Klausurtagung ................................................................................................................ 57

Eins-zu-Eins Betreuung und Betreuungskriterien ............................................................................. 58

Interdisziplinäre Zusammenarbeit .................................................................................................... 58

Mitarbeit des gesamten Hebammenteams ...................................................................................... 59

Die Versorgung von Geburtsverletzungen ........................................................................................ 59

Einfluss des Konzeptes auf die Arbeitszufriedenheit ........................................................................ 59

Stärken und Schwächen des Konzepts .............................................................................................. 60

Hürden und Herausforderungen bei der Einführung ........................................................................ 60

(7.) Bearbeitung der Ist-Analyse und Verschlankung des Kriterienkatalogs ................................. 62

Ist-Analyse ......................................................................................................................................... 62

Der Kriterienkatalog: Garant der medizinischen Sicherheit des Hebammenkreißsaals ................... 64

Anpassung des Kriterienkatalogs ...................................................................................................... 64

(IV.e) Konsentierung des Kriterienkatalogs und Empfehlungen der Experten für ein ‚Best Practice’ Modell Hebammenkreißsaal .............................................................................................................. 67

(1.) Ergebnisse der zweiten Klausurtagung ................................................................................... 68

(2.) Empfehlungen der Teilnehmenden für ein ‚Best Practice‘ Modell ......................................... 69

(3.) Finale Konsentierung des verschlankten Kriterienkatalogs .................................................... 71

(IV.f) Erfassung von Argumenten gegen das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal .................. 71

(V) Diskussion ............................................................................................................................ 73

(V.a) Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse ................................................................... 73

(1.) Geburtshilfliche Statistik NRW - derzeitige Bedeutung des Modells ...................................... 73

Wie viele Schwangere sind aufgrund ihrer Vorgeschichte und ihres Schwangerschaftsverlaufs für

das Konzept geeignet? ...................................................................................................................... 74

Wie bekannt ist der Hebammenkreißsaal? ....................................................................................... 75

Page 8: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

3

Wie praktikabel ist der Hebammenkreißsaal für Kliniken? ............................................................... 76

Attraktivität des Hebammenkreißsaals für Schwangere ................................................................... 77

(2.) Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Umsetzung des Hebammenkreißsaals – die

empirische Praxis in NRW.............................................................................................................. 77

Übersicht ........................................................................................................................................... 77

Der Betreuungsbogen ....................................................................................................................... 78

Zusammenarbeit zwischen den Professionen ................................................................................... 79

Unterwegs zu einer ‚Best Practice‘ – ein verschlankter Kriterienkatalog ......................................... 80

(3.) Diskussion der Argumente von Gegnern des Hebammenkreißsaals und anderen

Widerständen ................................................................................................................................ 81

(V.b) Diskussion der nationalen und internationalen Literatur .......................................................... 83

(1.) Publikationen aus Deutschland ............................................................................................... 83

(2.) Bedeutung des Modells im internationalen Vergleich – Einfluss der ‚Birthplace Studie‘ ....... 84

(V.c) Entwicklung eines ‚Best Practice‘ Modells ................................................................................. 85

VI Anhang .................................................................................................................................. 88

ANHANG 1. Fragebogen EINS ............................................................................................................ 88

ANHANG 2. Fragebogen ZWEI ........................................................................................................... 90

ANHANG 3. Programm Klausurtagung EINS ....................................................................................... 94

ANHANG 4. Klausurtagung EINS, Poster Eins ..................................................................................... 96

ANHANG 5. Klausurtagung EINS, Poster Zwei .................................................................................... 97

ANHANG 6. Klausurtagung EINS, Poster Drei ..................................................................................... 98

ANHANG 7. Klausurtagung EINS, Poster Vier ..................................................................................... 99

........................................................................................................................................................... 99

ANHANG 8. Programm Klausurtagung ZWEI .................................................................................... 100

......................................................................................................................................................... 100

ANHANG 9. Revidierter Kriterienkatalog, Fassung 30. Januar 2019, mit Ampelsystem ................... 102

ANHANG 10. Finaler Kriterienkatalog, Fassung 30. April 2019 ........................................................ 106

Literatur ....................................................................................................................................109

Page 9: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

4

Abkürzungen

AKF - Arbeitskreis Frauengesundheit

AWMF - Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

BMG - Bundesministerium für Gesundheit

BPM - Best Practice Modell

BZgA - Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

DGGG - Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

DGHWI - Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft

DHV - deutscher Hebammenverband

DKG - deutsche Krankenhausgesellschaft

DNQP - Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege

GBA - Gemeinsamer Bundesausschuss

HGK - hebammengeleiteter Kreißsaal

ILO - Internationale Arbeitsorganisation

IQWiG - Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

IQTIG - Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen

KI - Konfidenzintervall

LZG.NRW - Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen

MAGS - Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

MGEPA - Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter

NICE - National Institute for Health and Care Excellence

NRW - Nordrhein-Westfalen

QM - Qualitätsmanagement

RR - Relatives Risiko

SOP - Standard Operating Procedure

UKB - Universitätsklinikum Bonn

WHO - Weltgesundheitsorganisation

Hinweis: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird im Folgenden auf eine

geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der

Gleichbehandlung für beide Geschlechter.

Page 10: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

5

(I) Zusammenfassung

(I.a.) Inhalt und Zielsetzung des Forschungsprojekts GEscHIcK

Gefördert vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen untersucht das

Forschungsprojekt ‚Geburt im hebammengeleiteten Kreißsaal (GEscHIcK) –

Entscheidungsabläufe, Qualitätssicherung und ‚Best Practice‘ Modell‘ - verschiedene Aspekte

des Versorgungsmodells Hebammenkreißsaal. Es leistet damit einen Beitrag zu den

Empfehlungen des Runden Tisches Geburtshilfe von 2015 (5), das Versorgungskonzept

Hebammenkreißsaal weiterzuentwickeln. Es widmet sich der Frage in drei Teilprojekten. Die

Teilprojekte eins und zwei untersuchen die medizinische Sicherheit des

Versorgungskonzepts, den Informationsstand der Schwangeren zu unterschiedlichen

Betreuungsmodellen, Entscheidungsabläufe für bzw. gegen den Hebammenkreißsaal sowie

die Zufriedenheit mit dem gewählten Betreuungskonzept. Ergebnisse dieser Teilprojekte

werden gesondert berichtet.

Der vorliegende Bericht behandelt die Erstellung eines ‚Best Practice‘ Modells

Hebammenkreißsaal. Nach einer Erfassung der quantitativen Nutzung des

Versorgungskonzepts und einer Analyse der vorhandenen wissenschaftlichen Evidenz

wurden die Erfahrungen der zum Untersuchungszeitpunkt bestehenden sieben

Hebammenkreißsäle des Landes NRW mit dem Konzept erfasst. Hierfür wurden die

Arbeitsweisen der Institutionen analysiert; die Einzelkomponenten einer kritischen Analyse

unterzogen; die Ergebnisse mit den Beteiligten im Rahmen zweier Klausurtagungen

diskutiert; und in einem letzten Schritt die Komponenten eines ‚Best Practice‘ Modells

zusammengeführt und konsentiert.

(I.b.) Umfang der Nutzung von Hebammenkreißsälen

Sechzehn Jahre nach der wissenschaftlich begleiteten Einführung des Versorgungskonzepts

durch den Verbund Hebammenforschung in Deutschland in 2003 ist zu konstatieren, dass

das ergänzende Angebot der hebammengeleiteten Geburt im Land Nordrhein-Westfalen wie

auch in den übrigen Bundesländern (so ist aufgrund der vorliegenden Zahlen anzunehmen)

Page 11: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

6

bisher keine breite Verankerung bei der Wahl des Geburtsorts gefunden hat. Nur 5,9% der

geburtshilflichen Einrichtungen in NRW bieten das Versorgungkonzept an, obgleich es für

alle Institutionen geeignet ist.

Eine Auswertung der geburtshilflichen Kennzahlen der Jahre 2009 bis 2018 verdeutlicht für

NRW die geringe Verbreitung. Für das Jahr 2017 ergaben sich für NRW ca. 500 Geburten in

hebammengeleiteten Kreißsälen. Dies entspricht ca. 0,3% aller Geburten in NRW.

Die Gruppe der Schwangeren mit risikofreier Geburt liegt im Vergleich dazu bei mindestens

20% aller Gebärenden. Das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal kommt damit derzeit

bei nur ca. 1,5% der Schwangeren, für die es offensteht, zum Einsatz.

(I.c.) Wissenschaftliche Evidenz

“Midwife-led continuity-of-care models, in which a known midwife or small group of known

midwives supports a woman throughout the antenatal, intrapartum and postnatal

continuum, are recommended for pregnant women in settings with well functioning

midwifery programmes” (1).

Diese Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation fasst die wissenschaftliche Evidenz eines

hebammengeleiteten Betreuungsmodells zusammen.

Tatsächlich kommen alle Meta-Analysen zum Ergebnis, dass

eine Betreuungskontinuität (entweder als Betreuungsbogen, der Schwangerschaft,

Geburt und Wochenbett umfasst, oder eine kontinuierliche Betreuung unter Geburt)

verschiedene Parameter eines Geburtsverlaufs positiv beeinflusst;

eine kontinuierliche Betreuung die Zufriedenheit der Frauen in der Schwangerschaft und

unter der Geburt erhöht; und

für Frauen mit niedrigem Risiko einer Komplikation eine nicht-ärztlich geleitete Geburt

weniger interventionsbehaftet ist, Kenngrößen verschiedener Resultate positiv

beeinflusst, und die Zufriedenheit der Gebärenden steigert.

Wissenschaftlich Maßstäbe setzte die Birthplace Studie 2011 in England (2). Sie ist in Umfang

(64.538 Schwangere) und Methodik bis heute einzigartig. Die Studie erbrachte den

Nachweis, dass im Vergleich zum ärztlich geleiteten Versorgungsmodell Geburten im

hebammengeleiteten Konzept für Frauen mit niedrigem Risiko zu einer niedrigeren

Page 12: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

7

Interventionsrate und höheren Spontangeburtsrate bei gleichem Ergebnis für Neugeborene

führen. Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) überarbeitete daraufhin

seine klinische Leitlinie „Intrapartum care for healthy women and babies“ (3).

Seither werden in England bei der Beratung Schwangerer zur Wahl des Geburtsorts die

Ergebnisse der Birthplace Studie einbezogen. Die Vorteile der verschiedenen Geburtsorte

(geburtshilfliche Abteilung, Hebammenkreißsaal, Geburtshaus, Hausgeburt) werden in der

Leitlinie anhand der Studienergebnisse detailliert ausgeführt. Die Leitlinie enthält auch die

Forderung, diese Ergebnisse bei der Beratung der Schwangeren zur Wahl ihres Geburtsorts

zu besprechen.

Die Studie, ihre Ergebnisse und die daraufhin erfolgte Umschreibung der Leitlinie in England

haben bisher keine Berücksichtigung in der bundesdeutschen Diskussion und keinen Eingang

in die Literatur gefunden. Die Gründe dafür sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

(I.d.) Arbeitsgrundlage Deutschland – Handbuch Hebammenkreißsaal

Für die Einführung und Realisierung des Versorgungskonzepts hebammengeleiteter

Kreißsaal steht in Deutschland seit 2007 mit dem Handbuch Hebammenkreißsaal,

herausgegeben vom Verbund Hebammenforschung, ein praxisorientiertes, wissenschaftlich

fundiertes und anwenderfreundliches Dokument zur Verfügung (4). Es gibt allen

Interessierten geeignete Handlungsanweisungen für eine Implementierung des Modells.

Alle Kliniken, die das Versorgungskonzept nach Veröffentlichung des Handbuchs in NRW

einführten, taten dies in Anlehnung an das Handbuch und folgen in weiten Bereichen dessen

Vorgaben.

(I.e.) Der Kriterienkatalog

Auf der Basis des Handbuchs Hebammenkreißsaal (4) wurden als Hauptkomponenten für

eine Implementierung des Versorgungskonzepts die institutionelle, organisatorische,

inhaltliche und formale Vorbereitung identifiziert. Als zentrale inhaltliche Komponente

erwies sich der Kriterienkatalog, der die Grundlage für die Auswahl sowie fortlaufende

Page 13: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

8

Überprüfung der weiterbestehenden Eignung einer Schwangeren bzw. Gebärenden für den

Verbleib im Konzept bildet und damit Garant der medizinischen Sicherheit des Konzepts ist.

Gemeinsam mit den Vertretern aller Hebammenkreißsäle in NRW erarbeitete GEscHIcK

einen verschlankten Kriterienkatalog. Dieser ersetzt keineswegs den Katalog des Handbuchs

Hebammenkreißsaal. Vielmehr stellt er eine Alternative dar, um interessierten

Einrichtungen, die anstelle des Gesamtkonzepts, das einen Betreuungsbogen von

Schwangerschaftsbeginn bis zum Ende der Stillzeit umfasst, nur das Segment Geburt im

hebammengeleiteten Kreißsaal implementieren möchten, ein praktikables Instrument zur

Verfügung zu stellen.

Der von GEscHIck erarbeitete verschlankte Kriterienkatalog zielt auf einen höheren

Verbreitungsgrad des Betreuungskonzepts und eine Inanspruchnahme des Modells auch

durch Einrichtungen, die das Gesamtkonzept nicht anwenden wollen oder können.

Im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners bei Anwendung des Modells in seiner

‚kleinen‘ Version (d.h. ausschließlich für die Geburt, ohne Betreuungsbogen) kann - so zeigt

die Praxis eines Krankenhauses bereits – die vorgeburtliche Vorstellung und Entscheidung

über den Einschluss der Schwangeren in das Modell auch innerhalb eines einzigen Gesprächs

in der Spätschwangerschaft abgeschlossen werden.

In den Kriterienkatalog neu aufgenommen (bisher ohne eigenständige Wertigkeit, jedoch

üblicherweise Standard) ist die Überprüfung der Eignung der Schwangeren bei Aufnahme zur

Geburt. Die Erweiterung des Kriterienkatalogs um eine Checkliste bei der Aufnahme zur

Geburt in den Kreißsaal dient dazu, die weiterbestehende Eignung der Gebärenden für den

Hebammenkreißsaal zu überprüfen.

(I.f.) Umsetzbarkeit einer Eins-zu-Eins Betreuung

Die Praktikabilität des Modells ist eng mit personellen Ressourcen verknüpft. In der

Diskussion mit Hebammen und Ärzten wird die mit dem Konzept verbundene

Personalintensität oft als ein möglicher Hinderungsgrund für die Umsetzung angeführt,

insbesondere vor dem Hintergrund des derzeitigen Fachkräftemangels. Übereinstimmend

Page 14: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

9

wird von Hebammen die Umsetzung einer kontinuierlichen Betreuung unter der Geburt

(Eins-zu-Eins Betreuung) als eine Herausforderung bezeichnet, die unter der derzeitigen

Personalsituation sowie den steigenden Geburtenzahlen kaum zu leisten ist.

Für Gebärende besitzt die Eins-zu-Eins Betreuung eine große Anziehungskraft, da der

Mangel an klinisch tätigen Hebammen die Sorge verstärkt, unter Geburt unzureichend

betreut zu werden. Die Attraktivität des Gesamtkonzepts – aus eigener Kraft

interventionsarm zu gebären – ist schwieriger zu beurteilen; es scheint, dass Gebärende eine

Dichotomisierung in ‚ganz natürlich‘ bzw. ‚alles technisch‘ ablehnen, sondern sich für ihre

Geburt das Beste aus beiden Modellen - ärztlich und hebammengeleitet - wünschen.

(I.g.) Weitere Hürden - Gegenargumente

Das Versorgungsmodell Hebammenkreißsaal findet nicht bei allen geburtshilflich tätigen

Ärzten Unterstützung und wird teilweise heftig abgelehnt. Das Forschungsprojekt hat

ausgewiesene Kritiker nach Einwänden befragt. Geäußerte Einwände bestanden vor allem in

einer Skepsis vor dem Resultat des eigenverantwortlichen Arbeitens von Hebammen sowie

der Befürchtung, das Konzept treibe einen Keil zwischen die Berufsgruppen.

Aber auch Hebammen befürworten das Konzept nicht ungeteilt. Ihre Vorbehalte beruhen

insbesondere auf der Angst vor Übernahme der Verantwortung, der Hemmschwelle, neue

Tätigkeiten zu erlernen und auszuführen, sowie der bereits vorhandenen hohen

Arbeitsbelastung im klinischen Alltag.

In welchem Umfang sich weitere Akteure des Gesundheitswesens für oder gegen die

Förderung des Versorgungskonzepts aussprechen würden, war nicht Gegenstand der

Untersuchung. Die Teilnehmer der Klausurtagungen waren sich aber einig: Eine Einführung

des Konzepts kann nur gelingen, wenn Hebammen und Ärzte gleichermaßen daran

interessiert sind.

Page 15: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

10

(I.h.) Hauptargumente für den Hebammenkreißsaal von dort Arbeitenden

Hebammen sehen in dem Konzept eine Chance zur Wiedererlangung ihrer originären

Hebammentätigkeit. Dies meint insbesondere eine größere Autonomie bezüglich der

Betreuung sowie eine engere Bindung zur Gebärenden. Die beteiligten Ärzte sehen eine

Geburt im Hebammenkreißsaal dann nicht in Widerspruch zu ihrer professionellen

Integrität, wenn die Anwendung des Kriterienkatalogs sowie die Weiterleitung in das

ärztliche Betreuungsmodell bei Auftreten einer Besonderheit gesichert ist.

Beide Berufsgruppen sehen das Modell als Möglichkeit, die Individualität der Entbindenden

zu respektieren und eine physiologische Geburt zu unterstützen.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit empfinden beide Berufsgruppen nicht nur als

unproblematisch, sondern beide Seiten berichteten von einem Team-Effekt, der die

interprofessionelle Zusammenarbeit stärkt. Der positive Effekt in der interdisziplinären

Zusammenarbeit resultiert darüber hinaus in einem ‚Spill-over‘ in das ärztlich geleitete

Modell.

(I.i.) Ausblick

Die Erstellung eine ‚Best Practice‘ Modells hebammengeleitete Geburt stellt eine geeignete,

aber keine ausreichende Maßnahme dar, um die Verbreitung des Versorgungskonzepts zu

fördern.

Das Modell steht vor folgenden Herausforderungen:

Es reflektiert derzeit (noch) nicht generell akzeptierte Werte und Prinzipien;

Es „passt“ in weiten Teilen (noch) nicht in die gegenwärtige geburtshilfliche Kultur;

Die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis („Value for Money“) ist offen;

Es fehlt derzeit die institutionelle Integration in die beteiligten Berufsgruppen sowie die

Einbettung in das gesellschaftliche Umfeld.

Hier gilt es, die Hürden und Hemmnisse bezüglich der Verbreitung des

Versorgungskonzeptes zu identifizieren und eine Strategie zu ihrer Überwindung zu

entwickeln.

Page 16: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

11

(II) Einführung

Das Universitätsklinikum Bonn (UKB) hat unter der Bezeichnung „Geburt im

hebammengeleiteten Kreißsaal (GEscHIcK) – Entscheidungsabläufe, Qualitätssicherung und

Best Practice Modell“ ein Forschungsprojekt konzipiert und vom Landeszentrum Gesundheit

Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW) die Förderzusage für den Bewilligungszeitraum 1.5.2018 bis

30.4.2020 erhalten (LZG.NRW, Aktenzeichen LZG TG 75-001/2018).

GEscHIcK schließt an die Arbeit des ‚Runden Tisches Geburtshilfe‘ an, den das damalige

Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) des Landes Nordrhein-

Westfalen, heute das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) des Landes

Nordrhein-Westfalen im Jahr 2014 einberufen hatte. Der Runde Tisch war seinerzeit

beauftragt, „im intensiven Dialog zwischen den an der geburtshilflichen Versorgung in NRW

beteiligten Akteurinnen und Akteuren sowie den zuständigen Ministerien der

Landesregierung die aktuelle Situation der Hebammen und der Geburtshilfe in Nordrhein-

Westfalen darzustellen sowie Konzepte zur Sicherung und zum Ausbau der wichtigen

Funktion der Hebammen für die Geburtshilfe und die Begleitung junger Familien in

Nordrhein Westfalen zu erarbeiten“ (5).

Der vom Ministerium 2015 vorgelegte Abschlussbericht zur Arbeit des Runden Tisches

enthält zahlreiche Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgung in der Schwangerschaft

und bei der Geburt. In den Handlungsempfehlungen ist unter der Überschrift ‚Zukünftige

Versorgungsstrukturen‘ vermerkt: „Der Runde Tisch empfiehlt die Versorgungsforschung zu

verstärken ….“ und „Der Runde Tisch empfiehlt, das Versorgungskonzept

„Hebammenkreißsaal“ weiterzuentwickeln“ (5).

Das UKB hat 2009 den ersten und bislang einzigen hebammengeleiteten Kreißsaal (HGK) an

einer Universitätsklinik eingerichtet und verfügt über eine langjährige Erfahrung mit diesem

Betreuungsmodell. In Zusammenarbeit von ärztlicher Leitung der Geburtshilfe,

Pflegedirektion und Hebammen wurde das Forschungskonzept GEscHIcK entwickelt, um

flächendeckend für NRW die Versorgungsforschung zum HGK zu vertiefen.

Page 17: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

12

GEscHIcK beruht auf drei thematischen Teilprojekten, die inhaltlichen aufeinander bezogen

sind, aber getrennt erforscht werden:

Teilprojekt Eins umfasst eine Analyse zur medizinischen Sicherheit des Konzepts;

Teilprojekt Zwei erhebt mittels Interviews mit Schwangeren Daten zu Informiertheit und

Informationswegen über unterschiedliche Versorgungsmodelle. Zudem erfragt es

nachgeburtlich die Zufriedenheit mit dem gewählten Entbindungsmodell;

Teilprojekt Drei entwickelt ein ‚Best Practice‘ Modell (BPM) des HGK.

Die drei Teilprojekte haben unterschiedliche Förderlaufzeiten und werden mit

unterschiedlichen Methoden erforscht. Hier vorgelegt wird der Abschlussbericht zum

Teilprojekt ‚Best Practice‘. Die beiden anderen Teilprojekte erfahren eine separate

Berichterstattung.

Page 18: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

13

(III) Hintergrund, Fragestellung und Aufbau der Untersuchung

(III.a.) Der Hebammenkreißsaal in Deutschland

Das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal kann in Deutschland mittlerweile auf eine

zwanzigjährige Geschichte verweisen. Nach Etablierung des Konzeptes in verschiedenen

europäischen Ländern wurde das Versorgungsmodell ab ca. 1998 zunächst durch den

Verbund Hebammenforschung beforscht. Dem Verbund gehören die folgenden

Einrichtungen an: (a) Stiftung Fachhochschule Osnabrück; (b) Hochschule Osnabrück; (c)

Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen; und (d) Bremer

Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin.

Im Jahr 2003 wurde schließlich der erste Hebammenkreißsaal Deutschlands in Bremerhaven

Reinkenheide eröffnet. Gefördert mit Bundesmittel begleitete der Verbund die Entwicklung

wissenschaftlich (Näheres siehe Internetseite Hochschule Osnabrück, Hebammenforschung,

abgerufen am 21.4.2019) (6). Unter anderem entstand das Handbuch Hebammenkreißsaal –

ein praxisorientiertes, wissenschaftlich fundiertes und anwenderfreundliches Dokument, das

umfassende Handlungsanweisungen für eine Implementierung des Versorgungmodells

liefert (4).

Weder in NRW noch in einem anderen Bundesland hat der Hebammenkreißsaal seit seiner

erstmaligen Einführung eine große Verbreitung gefunden. Laut Deutschem

Hebammenverband (DHV) bieten derzeit bundesweit insgesamt 23 Kliniken, in NRW neun,

eine geburtshilfliche Abteilung mit Hebammenkreißsaal an (siehe Internetseite DHV,

abgerufen am 31.7.2020) (7). Zahlen zu den Geburten in diesem Versorgungskonzept sind

bisher nicht publiziert. Sie liegen nach unserer im Rahmen des Forschungsprojekts

durchgeführten Datenerhebung für NRW derzeit bei 3,4%; damit finden derzeit insgesamt

ca. 0,2% aller Geburten in NRW hebammengeleitet statt.

Die Entwicklung des Hebammenkreißsaals ist eingebettet in die aktuelle

gesundheitspolitische Landschaft Deutschland, die von großen Veränderungen

gekennzeichnet ist. Nach einer längeren Phase des kontinuierlichen Rückgangs der

Page 19: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

14

Geburtenzahlen ist in den letzten Jahren ein Anstieg der Geburten in Deutschland wie auch

in NRW zu verzeichnen. Gleichzeitig vollzieht sich eine Konzentration der geburtshilflichen

Versorgung. Im Zeitraum 1991 bis 2015 wurden 40,2% der geburtshilflichen Einrichtungen

an Krankenhäusern geschlossen (8). Hinzu kommt der steigende finanzielle Druck in der

klinischen und außerklinischen Geburtshilfe. So arbeiten laut Deutscher

Krankenhausgesellschaft (DKG) rund 60% der geburtshilflichen Abteilungen nicht

kostendeckend (8). Für die außerklinische Geburtshilfe ist der Kostendruck mit der

Anhebung der Haftpflichtversicherungsprämien stark gestiegen.

Parallel zu den gesundheitspolitischen Veränderungen vollzieht sich auch im Hinblick auf die

Geburtsform ein stetiger Wandel. Der Trend zur Entbindung mittels Kaiserschnitt ist in

Deutschland ungebrochen, 30,5% aller Geburten erfolgten im Jahr 2018 mittels Kaiserschnitt

(NRW: 31,0%) (siehe Internetseite Statistisches Bundesamt, abgerufen am 27.4.2019) (9).

Diese Entwicklung in Deutschland spiegelt den globalen Trend wider – seit dem Jahr 2000

stieg die Kaiserschnittrate global durchschnittlich um 3,7% pro Jahr an und kletterte von

12,1% auf 21,1% im Jahr 2015 (10). In Westeuropa lag der durchschnittliche jährliche Anstieg

mit 2,1% zwar niedriger, erreichte aber bei einer Ausgangsrate von 19,6% (im Jahr 2000) im

Jahr 2015 mit 26,9% ein höheres Niveau (10). Die Problematik hat mittlerweile auf

internationaler Ebene Beachtung gefunden. So veröffentlichte die

Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 2015 ein Positionspapier hierzu, das von der bis

dato formulierten Festlegung einer optimalen Kaiserschnittrate abrückt und stattdessen die

Durchführung eines Kaiserschnitts für Frauen fordert, die einen solchen benötigen.

Gleichzeitig wird die Anwendung einer neuen, einheitlichen Klassifikation zur Erfassung der

Indikationen eines Kaiserschnitts empfohlen, die eine Analyse sowie einen Vergleich auf

internationaler Ebene ermöglicht (11). Noch jünger ist das Positionspapier der

Weltorganisation der Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe (International Federation

of Gynecology and Obstetrics, FIGO) aus 2018. Hier wurde zur Reduktion ‚überflüssiger‘

Kaiserschnitte ein Sechs-Punkte-Maßnahmenkatalog erstellt, der unter anderem

Empfehlungen für Interventionen auf der medizinischen, organisatorischen und

gesundheitspolitischen Ebene umfasst (siehe Internetseite FIGO, abgerufen am 12.5.2019)

(12, 13).

Page 20: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

15

(III.b.) Fragestellungen

Die Fragestellungen des Forschungsprojekts zur Untersuchung der Hebammenkreißsäle in

NRW können wie folgt formuliert werden:

1. Wie ist der aktuelle wissenschaftliche Stand zu hebammengeleiteten

Versorgungsmodellen, sowohl in der internationalen Literatur als auch bezüglich der

Entwicklung des Konzepts Hebammenkreißsaal in Deutschland?

2. Wie wurde das Konzept in NRW in die Praxis umgesetzt?

2.a. In welchem Umfang ist der Hebammenkreißsaal in NRW verbreitet?

2.b. In welcher Weise folgen die in NRW etablierten Hebammenkreißsäle einer

Modellvorgabe?

2.c. Worin bestehen die Stärken und Schwächen der Hebammenkreißsäle in NRW?

3. Lassen sich aus der Praxis der hebammengeleiteten Kreißsäle in Nordrhein-Westfalen und

den Erfahrungen der dort Arbeitenden Erkenntnisse ableiten, die Interessierte für eine

Umsetzung des Konzeptes in ihren Einrichtungen nutzen können?

(III.c) Aufbau der Untersuchung - Auf dem Weg zu einem ‚Best Practice‘ Modell

Die Untersuchung erfolgte in sieben Teilschritten.

(1.) Begriffsbestimmungen

Die Untersuchung beginnt mit einer Bestimmung der beiden Kernbegriffe

‚hebammengeleiteter Kreißsaal‘ und ‚Best Practice‘. Der Begriff ‚hebammengeleiteter

Kreißsaal‘ wurde auf der Basis der vorliegenden deutschsprachigen Dokumente unter

Einbeziehung der neuesten internationalen Literatur definiert.

‚Best Practice‘ ist ein illustrativer Terminus und umgangssprachlich zu einem gängigen

Begriff geworden. Im Gesundheitssektor ist seine Verwendung als Fachbegriff jedoch nicht

verbreitet. Eine kombinierte Recherche in medizinischen und allgemeinen Datenbanken

führte zur Identifikation von Dokumenten, die eine Bestimmung des Begriffs ‚Best Practice‘

erlauben.

Page 21: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

16

(2.) Literaturrecherche

Ein ‚Best Practice‘ Modell kann nicht voraussetzungslos an einer bestimmten Praxis

ansetzen, sondern muss die in wissenschaftlichen Publikationen gebündelte Analyse und

Bewertung der Arbeitsweise des Versorgungsmodells einbeziehen. Für die Erstellung eines

‚Best Practice‘ Modells sind daher neben Publikationen aus der Medizinwissenschaft auch

Veröffentlichungen aus den Bereichen Gesundheitswesen, Gesundheitspolitik und -

administration zu berücksichtigen.

Angepasst an die Thematik erfolgte die Literaturrecherche auf zwei Ebenen.

(i) Für die wissenschaftliche Bearbeitung des Themas erfolgte eine selektive

Literaturrecherche der internationalen und deutschen Literatur, die in so genannten „peer-

reviewed“ Journalen publiziert wurde, über eine Datenbank-Abfrage (Pubmed). Das

Literaturverzeichnis der Publikationen wurde auf weitere relevante Veröffentlichungen

geprüft. Desgleichen wurde die Cochrane Database of Systematic Reviews nach Beiträgen

zum Thema durchsucht.

(ii) Deutsche und internationale Dokumente, die aus den Bereichen Gesundheitswesen und -

politik stammen oder von relevanten Akteuren der Gesundheitsversorgung in Auftrag

gegeben wurden. Die Suche hiernach erfolgte über Stichworteingaben in den gängigen

Suchmaschinen sowie einer Durchsicht der Literaturverweise der gefundenen Dokumente.

Aufgrund der Heterogenität der Versorgungsstrukturen des Gesundheitssystems wurden

internationale Dokumente nur berücksichtigt, falls sie eine Bezugnahme auf bundesdeutsche

Verhältnisse beinhalteten.

(3.) Datenerhebung

Der dritte Untersuchungsschritt umfasste die Erhebung der Daten.

(a) Quantitative Datenerhebung: Hierfür wurden die Datensätze der Perinatalstatistik

ausgewertet, die Versorgungskapazität erhoben und die Anzahl der Geburten in den

Hebammenkreißsälen in NRW erfasst.

(b) Qualitative Datenerhebung: Mit Hilfe von Fragebögen, Telefoninterviews und der

Sichtung der für den HGK erstellten Dokumente wurde die Umsetzung des

Versorgungskonzepts Hebammenkreißsaal in NRW erfasst. Neben Struktur- und

Organisationsdaten wurden alle Aspekte des Versorgungsmodells einbezogen. Diese

Page 22: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

17

umfassten die formalen Kennzahlen (Leistung und Personal), Rahmenbedingungen, Inhalte,

Implementierung, gelebte Praxis und Besonderheiten. Dazu gehörten auch Schwierigkeiten

und Hürden bei der Einführung der Hebammenkreißsäle. Die Erhebung bezog Vertreter der

Ärzte- und Hebammenschaft ein.

(4) Erfahrungsaustausch der Berufsgruppen

Ärzte und Hebammen aus den Einrichtungen mit Hebammenkreißsälen in NRW trafen sich

zu einer ersten moderierten Klausurtagung, um Stärken und Schwächen des

Betreuungsmodells zu diskutieren und diese als allgemeine oder standortspezifische

Charakteristika zu bestimmen. Eingeladen waren je eine ärztliche und eine Hebammen-

Vertretung pro Einrichtung. Die Themen wurden in homogenen oder gemischten

Arbeitsgruppen und im Plenum bearbeitet.

(5) Identifikation der Komponenten eines ‚Best Practice‘ Modells

In einer Zusammenführung der Erkenntnisse der Untersuchungsschritte 1-4 identifizierte die

wissenschaftliche Projektverantwortliche verschiedene Komponenten eines ‚Best Practice‘

Modells und stellte diese im Rahmen der Klausurtagungen sowie in der elektronischen

Kommunikation mit den Vertretern der Hebammenkreißsäle zur Diskussion.

(6) Konsentierung: Zu einem gemeinsamen Verständnis

Im Rahmen der zweiten moderierten Klausurtagung diskutierten Vertreter der Ärzte und

Hebammen aus den Hebammenkreißsälen die erarbeiteten Komponenten eines ‚Best

Practice‘ Modells. Die Debatte zielte auf eine Konsentierung der jeweiligen Vorschläge. Die

Konsentierung umfasste auch einen angepassten Kriterienkatalog.

(7) Gegnerschaften, Hemmnisse und Hürden

Das Thema ‚Hemmnisse und Hürden‘ erwies sich in den Interviews mit den Kliniken und auf

der Klausurtagung als wenig ergiebig. Aufgrund der geringen Rückmeldungen beschloss die

GEscHIcK-Forschungsleitung, mit zwei Kritikern des Hebammenkreißsaals, einem Arzt und

Page 23: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

18

einem Juristen, zusätzlich semistrukturierte Interviews zu führen, um Hürden und

Hemmnisse des Modells besser erfassen zu können.

Die Frage nach Befürwortung bzw. Ablehnung des Versorgungskonzepts war nicht explizit

Gegenstand des Forschungsantrags und kann hier nicht schlüssig beantwortet werden. Die in

den beiden Interviews artikulierten Argumente sind anonymisiert wiedergegeben und in die

Diskussion der Ergebnisse einbezogen.

Page 24: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

19

(IV) Ergebnisse

(IV.a) Begriffsbestimmungen

(1.) ‚Best Practice‘

In der Betriebswirtschaftslehre wird ‚Best Practice‘ als ein pragmatisches Verfahren

bezeichnet, das vorhandene Erfahrungen erfolgreicher Organisationen bewertet und diese

nach Prüfung der Übertragbarkeit zur Grundlage der Gestaltung neuer Verfahrensweisen

festlegt. Das dreiteilige Verfahren aus Bewertung der Erfahrung, Prüfung der Übernahme

und Umsetzung in eine neue Verfahrensweise zielt auf die Optimierung des Vorhandenen.

‚Best Practice‘ in diesem Verständnis ist keine Innovation, entsprechend ist Kreativität kein

Bestandteil.

Eine extensive Internet-Recherche in medizinisch-wissenschaftlichen und allgemeinen

Datenbanken sowie die Konsultation der dort aufgeführten Primärliteratur führte zur

Identifikation zweier Dokumente, die sich näher mit ‚Best Practice‘ befassen (14, 15). Das

Dokument der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation, ILO)

aus 2003 beinhaltet eine ausführliche Vorstellung und Diskussion des Konzepts ‚Best

Practice‘ im Zusammenhang der Ausgestaltung von Arbeitsplätzen bei HIV Positivität bzw.

AIDS Erkrankung von Beschäftigten. Die folgenden Ausführungen stammen aus dieser

Quelle. ‘Best Practice’ wird von der ILO wie folgt definiert (14):

“Best practice is a means of systematically building on effective approaches to any given

issue by examining existing experiences and processes that work, understanding them in the

light of agreed values, expert opinion and the best available evidence and extracting from

them lessons learnt that can be applied in the context of different social, economic and

cultural settings.”

Auch in dieser umfangreichen Definition steht nicht Innovation im Sinne der Entwicklung von

etwas Neuem im Fokus, sondern die Kondensierung erfolgreich in der Praxis etablierter

Verfahrensweisen. Sie verweist auf die Notwendigkeit der Adaptation eines ‚Best Practice‘

Page 25: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

20

Modells an die jeweiligen Umstände, die durch die sozialen, ökonomischen und kulturellen

Rahmenbedingungen bestimmt sind. ‚Best Practice‘ ist also kein Prototyp, der in

Serienproduktion gehen soll; noch ist sie eine Vorschrift, die als Instruktion ‚von oben‘

erlassen wird. Vielmehr überprüft eine ‚Best Practice‘ die vorhandenen Erfahrungen,

bewertet sie nach Erfolg und Misserfolg und erarbeitet Vorschläge, wie diese vorheilhaft in

eine neue Praxis umgesetzt werden können. Diese Anpassung erfolgt individuell an die

jeweiligen Umstände (14).

Zur Prüfung, ob die Vorschläge auch wirklich einer ‚Best Practice‘ entsprechen, hat die ILO

eine umfangreiche Checkliste bereitgestellt (ebenda, S. 16):

- Does this ‘best practice’ reflect generally accepted values and principals such as those in

the ILO Code of Practice?

- Does it reflect expert opinions, guidelines and the best available evidence?

- Is it relevant? Does it tackle the problem faced? Does it ‘fit’ with the company or

organization, country and culture?

- Is it effective? Does it work here?

- Is it efficient? Does it cost more than it should or is it value for money?

- Is it ethically sound? Does it meet local standards for compassion, tolerance, respect,

confidentiality, empowerment and participation?

- Is it sustainable or will it need support from outside to keep going?

- Does it have systematic evaluation designed in? Can its successes be quantified?

- Has it been shown to work well at multiple sites? Has it been ‘replicated’?

- Has it been positively evaluated at one site only? Was it ‘successfully demonstrated’?

- Has it been shown to work and to be sustainable somewhere else or is it an innovation?

Folgt man diesen Ausführungen der ILO, die sich letztlich an die betriebswirtschaftliche

Definition anlehnt, nur den gesellschaftspolitischen Kontext stärker betont, läßt sich ‚Best

Practice‘ als einfaches und überaus zweckmäßiges Werkzeug für einen gemeinsamen

Erfahrungsaustausch bezüglich der Praktikabilität einer Verfahrensweise verwenden. Für die

Erstellung eines ‚Best Practice‘ Modells hebammengeleiteter Kreißsaal ergeben sich damit

die folgenden Bedingungen, die besonderer Berücksichtigung bedürfen (14):

Page 26: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

21

Ist der Hebammenkreißsaal fachlich evidenzbasiert?

Bewegt sich der Hebammenkreißsaal rechtlich innerhalb des Haftungsrahmens

unterschiedlicher Versicherer?

Ist der Hebammenkreißsaal institutionell bei den beteiligten Berufsgruppen

verankert?

Ist der Hebammenkreißsaal organisatorisch für verschiedene Arbeitsabläufe und

Dienstplanmodelle anwendbar?

Ist der Hebammenkreißsaal in ein vor- und nachgeburtliches fachliches und

gesellschaftliches Umfeld eingebettet?

Findet die Etablierung eines Hebammenkreißsaals mit allen Akteuren gemeinsam

statt?

Um eine Vermengung von Begriffen zu verhindern, wird hier noch eine definitorische

Abgrenzung des Begriffs ‚Best Practice‘ gegenüber den Begriffen ‚Evidence-based Practice‘

und ‚Scaling up‘ vorgenommen.

Evidenz-basierte Modelle leiten sich ausschließlich von vorhandenen wissenschaftlichen

Grundlagen ab. Erfahrungen von Anwendern fließen nicht direkt ein, sondern werden nur

insofern berücksichtigt, als sie als wissenschaftliche Forschungsergebnisse vorliegen. Zudem

werden gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt, sondern gelten als

gegeben. Beispiele für den Bereich Geburtshilfe sind die Leitlinie des britischen ‚National

Institute for Health and Care Excellence‘ (NICE) „Intrapartum care for healthy women and

babies“ (16); der Expertinnenstandard „Förderung der physiologischen Geburt“ (17); und die

entsprechende Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen

Fachgesellschaften (AWMF); die evidenzbasierte Leitlinie zur physiologischen Geburt wird

derzeit erstellt, geplantes Erscheinungsdatum 31.3.2020 (siehe Internetseite AWMF,

abgerufen am 18.4.2019) (18).

Die Verwendung des Begriffs ‚Scaling up‘ in der Betriebswirtschaftslehre beinhaltet ein

Maßnahmenbündel zur Verbreitung eines erfolgreich getesteten (Pilot)Modells. ‚Scaling up‘

wird auch im medizinischen Kontext verwendet. So gibt es eine Initiative der WHO

‚Implementing Best Practices‘ (siehe Internetseite der Initiative, abgerufen am 27.4.2019)

(19), die Dokumente für eine erfolgreiche Verbreitung gesundheitspolitischer Themen

bereitstellt (20, 21). Diese Initiative wurde 1999 von der WHO, der ‚United States Agency for

Page 27: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

22

International Development‘ (USAID), dem ‚United Nations Population Fund‘ (UNFPA) und

weiteren Kooperationspartnern initiiert. ‚Scaling Up‘ beinhaltet keine wissenschaftliche

Auseinandersetzung mit einem entsprechenden Thema, sondern setzt diese als bereits

erfolgt voraus, und befasst sich nur mit den Komponenten einer erfolgreichen Verbreitung

eines zuvor erfolgreich getesteten Versorgungsmodells.

(2.) Definition des Versorgungskonzepts hebammengeleiteter Kreißsaal

Eine Definition des Versorgungskonzepts Hebammenkreißsaal ist in mehreren Dokumenten

des deutschsprachigen Raums zu finden. Im Handbuch Hebammenkreißsaal des Verbunds

Hebammenforschung von 2007 (4) wird auf S. 11 die folgende Definition gegeben:

„Das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal ist ein hebammengeleitetes geburtshilfliches

Betreuungsmodell im klinischen Setting, in dem Hebammen gesunde Frauen in der

Schwangerschaft, während und nach der Geburt sowie im Wochenbett betreuen. Die

Hebammen arbeiten in dieser Abteilung selbstständig und eigenverantwortlich…. Der

Hebammenkreißsaal ersetzt nicht den üblichen ärztlich geleiteten Kreißsaal, sondern stellt

eine Erweiterung des geburtshilflichen Angebots der Klinik dar. Beide Abteilungen arbeiten

in enger Kooperation miteinander, so dass im Falle einer sich entwickelnden Komplikation

vor, während oder nach der Geburt die Frau vom Hebammenkreißsaal in die ärztliche

Betreuung des üblichen Kreißsaals weitergeleitet werden kann. Grundlage hierfür ist eine

kontinuierliche Einstufung anhand eines interdisziplinär erarbeiteten geburtshilflichen

Kriterienkataloges…. Das Konzept Hebammenkreißsaal sieht sich als Teil eines

Versorgungskonzeptes von Frauen und ihren Familien, das die physiologische Geburt, die

Betreuungskontinuität und die Bedürfnisse der Nutzerinnen in den Mittelpunkt stellt. Dazu

werden bestimmte Angebotsstationen eingerichtet. Es wird eine breite Palette an

Versorgungsleistungen angeboten, die auf einander aufbauen und jeweils die

Zielvorstellungen des Konzeptes Hebammenkreißsaal verfolgen.“

Als Ziele des Betreuungsangebotes werden „die Förderung der Eigenständigkeit und Selbst-

und Mitbestimmung der Gebärenden, die Unterstützung bei der Bewältigung der

Herausforderungen der Geburt und der frühen Elternschaft durch die Stärkung der

Page 28: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

23

weilblichen Kompetenz sowie ein Zugewinn an Lebensqualität und Zufriedenheit durch ein

gelungenes Geburtserlebnis“ genannt (4).

Das Handbuch führt folgende Merkmale eines Hebammenkreißsaals auf (4):

formulierte Betreuungskriterien für eine hebammengeleitete Geburt;

einheitliches entsprechendes Qualifikationsniveau der Hebammen;

Kriterienkatalog zur kontinuierlichen Einschätzung des Schwangerschafts- und

Geburtsverlaufs;

klare räumliche Organisation des Hebammenkreißsaals;

Gewährleistung einer personellen Betreuungskontinuität.

Zu den im Handbuch formulierten Betreuungskriterien gehören die Vermeidung

medizinischer Interventionen, so z.B. die Vermeidung einer Geburtseinleitung; die

Bevorzugung einer intermittierenden (im Gegensatz zur kontinuierlichen) kindlichen

Herztonüberwachung; die Vermeidung einer Eröffnung der Fruchtblase; der Verzicht auf

Schmerzmittel; und die Vermeidung eines Dammschnitts. Die Gewährleistung einer

personellen Betreuungskapazität wird als eine nahezu Eins-zu-Eins Betreuung verstanden.

Eine ausführliche Erläuterung des Konzepts findet sich auch in Bauer 2011 (22).

International sind sowohl für den Betreuungsort als auch das Personal verschiedene Begriffe

gebräuchlich. Darüber hinaus ist die Betreuung von Frauen während Schwangerschaft,

Geburt und Wochenbett zwischen den Professionen unterschiedlich geregelt. Als ‚midwife-

led continuity-of-care model‘ wird die Betreuungskontinuität während Schwangerschaft,

Geburt und Wochenbett durch Hebammen definiert (1, 23). Diese wird noch differenziert in

‚caseload‘ und ‚team‘ midwifery. Im Gegensatz zur ‚team midwifery‘ findet die Betreuung im

‚caseload‘ Modell möglichst durch dieselbe Hebamme (maximal 2-3 Hebammen) statt.

Personen, die während einer Geburt unterstützend anwesend sind, werden auch als ‚labor

companions‘ bezeichnet. Die Unterstützung kann durch den Partner, ein Familienmitglied

oder einen Freund, eine nichtmedizinische Helferin (Doula) oder eine Angestellte des

Gesundheitswesens erfolgen (24). ‚Labor companions‘ sind Fürsprecher der Gebärenden,

unterstützen sie emotional bei der Bewältigung der Geburt, und vermitteln zwischen den

Erbringern der Dienstleistung und der Gebärenden (25). Geburtsorte werden in Analogie

Page 29: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

24

zum deutschsprachigen Raum in Hausgeburten, Geburtshäuser (‚freestanding midwifery

units‘), Hebammenkreißsäle (‚alongside midwifery units‘) und geburtshilfliche Abteilungen in

einer Klinik unterschieden. Bei der Bewertung der internationalen Literatur sind diese

verschiedenen Definitionen zu berücksichtigen.

(IV.b) Literaturrecherche

(1.) internationale wissenschaftliche Publikationen

Die internationale wissenschaftliche Literatur zu Geschichte, Rahmenbedingungen und

Inhalten hebammengeleiteter Betreuungskonzepts bis zum Jahr 2010 sind in einer

Publikation von Bauer besprochen. Dort findet sich auch eine Literaturrecherche der

zwischen 1984 bis 2008 publizierte Studien zum Thema (22). Die hier vorgelegte

Literaturrecherche konzentriert sich daher auf den Zeitraum 2008-2019.

2018 erschien die Neuauflage der 1996 erstmals publizierten Empfehlungen der WHO

„Intrapartum care for a positive childbirth experience“ (1). Diese vollständig überarbeitete

Neuauflage stellt sicherlich einen Meilenstein für die Geburtsbetreuung von Frauen mit

niedrigem Risiko dar. Sie enthält 56 evidenzbasierte Empfehlungen, u.a. zu den Punkten

“respectful maternity care”; “effective communication”; “companionship during labor”; und

“continuity of care”. Letztere Empfehlung wird wie folgt ausgeführt: “Midwife-led

continuity-of-care models, in which a known midwife or small group of known midwives

supports a woman throughout the antenatal, intrapartum and postnatal continuum, are

recommended for pregnant women in settings with well functioning midwifery

programmes”. Wie auch in u.g. Publikation (23) wird angemerkt, dass hebammengeleitete

Betreuungsmodelle eine Vielzahl von Interventionen beinhalten und es unklar ist, ob der

positive Effekt durch die Betreuungskontinuität, die Betreuungsphilosophie der Hebammen

oder beides hervorgerufen wird (1).

In den Jahren 2012 bis 2019 erschienen sieben Übersichtsarbeiten in der Cochrane Database

of Systematic Reviews, s.u. (24, 26–28, 25, 29, 23). Sie untersuchen unterschiedliche Aspekte

Page 30: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

25

einer nicht-ärztlich geleiteten Geburtshilfe. Aufgrund unvermeidlicher Einschränkungen, die

sich aus der Wahl der angewandten Methodik ergibt (weder ist eine prospektive

Randomisierung noch ist eine Verblindung der Teilnehmenden möglich) ist das

Evidenzniveau trotz einer stattlichen Anzahl eingeschlossener Studien mit jeweils hoher

Fallzahl überwiegend niedrig. Dennoch ist das Fazit aller Meta-Analysen wie folgt:

eine Betreuungskontinuität (entweder als Betreuungsbogen, der Schwangerschaft,

Geburt und Wochenbett umfasst, oder eine kontinuierliche Betreuung unter Geburt)

beeinflusst verschiedene Parameter eines Geburtsverlaufs positiv;

eine kontinuierliche Betreuung erhöht die Zufriedenheit der Frauen in der

Schwangerschaft und unter der Geburt;

für Frauen mit niedrigem Risiko einer Komplikation ist eine nicht-ärztlich geleitete

Geburt weniger interventionsbehaftet, beeinflusst verschiedene Resultate positiv,

und steigert die Zufriedenheit der Gebärenden.

(ad 1) Cochrane Qualitative Evidence Synthesis 2019. Perceptions and experiences of labour

companionship (24).

Die Studie untersucht die Wahrnehmung von und Erfahrung mit ‚Labor Companionship‘

sowie Faktoren, die die Einführung von ‚Labor Companions‘ beeinflussen. Unter ‚Labor

Companionship‘ wird die Unterstützung verstanden, die eine Gebärende erhält. Die

Unterstützung kann durch Partner, Familienmitglied, Freund, Doula oder Angestellte des

Gesundheitswesens erfolgen. Als Methode dieser Studie wurde eine qualitative

Evidenzsynthese gewählt, die für die Untersuchung komplexer Interventionen geeignet ist

und ein Verständnis der Erfahrungen und Einstellungen von Individuen ermöglicht. Die

Studie bezieht sich auf die Ergebnisse des Cochrane Reviews 2017 (s.u.), die einen positiven

Effekt einer kontinuierlichen Betreuung unter Geburt nachweist.

51 Publikationen, zumeist aus Industrienationen, wurden identifiziert, davon keine aus

Deutschland. Die Studien untersuchten überwiegend die Sicht der Gebärenden. Sie

erbrachten als Ergebnis, dass die Unterstützung durch ‚Labor Companions‘ in den Bereichen

Information, Kommunikation, Interessensvertretung, sowie praktischer und emotionaler

Unterstützung erfolgt. Verschiedene Ursachen, die die Einführung eines ‚Labor

Companionship‘ beeinflussen wurden identifiziert, unter anderem mangelndes Wissen der

Page 31: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

26

Gebärenden und ihrer professionellen Betreuer bezüglich der Vorteile, die mit einer ‚Labor

Companionship‘ verbunden sind.

(ad 2) Cochrane Review 2017. Continuous support for women during childbirth (26).

Hier handelt es sich um eine Überarbeitung der Übersichtsarbeit aus 2013 (25), s.u..

Gegenstand der Untersuchung ist der Effekt einer kontinuierlichen (Eins-zu-Eins) Betreuung

unter Geburt auf Mutter und Neugeborenes, im Vergleich zu einer Standard-Betreuung.

Leistungserbringer der kontinuierlichen Betreuung sind nicht auf die Berufsgruppe der

Hebammen beschränkt.

26 Studien mit 15.858 Frauen aus 17 Ländern wurden eingeschlossen, davon keine

Untersuchung aus Deutschland. Die Analyse erbrachte einen positiven Einfluss auf die

folgenden Parameter:

- Rate an Spontangeburten (relatives Risiko (RR) 1,08, Konfidenzintervall (KI) 1,04-1,12);

- Schmerzmittel-Rate (RR 0,90, KI 0,84-0,96);

- Rate an Periduralanästhesien (PDA) (RR 0,93, CI 0,88-0,99);

- Geburtsdauer (mittlere Dauer -0,69 Stunden);

- Kaiserschnittrate (RR 0,75, KI 0,64-0,88);

- Rate vaginal-operativer Entbindungen (RR 0,90, KI 0,85-0,96);

- negative Bewertung oder negative Gefühle bezüglich des Geburtserfahrung (RR 0,69, KI

0,59-0,79);

- 5-Minuten Apgar Score (RR 0,62, KI 0,46-0,85).

Die Datenqualität in allen Studien wurde als niedrig bewertet, unter anderem aufgrund der

fehlenden Möglichkeit einer Verblindung der rekrutierten Frauen und ihrer Betreuer.

(ad 3) Cochrane Review 2016. Midwife-led continuity models versus other models of care

for childbearing women (23).

Die Analyse widmet sich dem innerklinischen Vergleich hebammengeleiteter

Entbindungsmodelle gegenüber ärztlich oder gemeinsam geleiteten Entbindungsmodellen

bezüglich der Primärereignisse Geburtsmodus, Schmerzmittelbedarf, Geburtsverletzung,

Frühgeburtlichkeit und perinatale Mortalität, sowie 35 Sekundärereignissen. In die

Auswertung wurden nur Studien einbezogen, bei denen Gebärende zufällig einem der

verschiedenen Geburtsmodelle zugeteilt wurden. Als ‚Midwife-led continuity model of care‘

Page 32: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

27

wurde die Betreuungskontinuität während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett durch

Hebammen definiert.

Fünfzehn Publikationen aus drei Kontinenten mit insgesamt 17.674 Frauen aus den Jahren

1989 bis 2013 wurden in die Untersuchung eingeschlossen, keine davon aus Deutschland.

Die Studien untersuchten sowohl Schwangere mit niedrigem als auch mit erhöhtem Risiko

für Komplikationen.

Die Ergebnisse sind wie folgt:

- eine PDA ist bei hebammengeleiteten Geburten weniger häufig (RR 0,85, 95%-KI 0,78-

0,92; 14 Studien von hoher Qualität, 17.674 Frauen);

- vaginal-operative Entbindungen erfolgen bei einer hebammengeleiteten Geburt seltener

(RR 0,90, 95%-KI 0,83-0,97; 13 Studien von hoher Qualität mit 13.238 Frauen);

- Frauen im hebammengeleiteten Versorgungskonzept gebären häufiger spontan (RR

1,05, 95%.KI 1,03-1,07; 12 Studien von hoher Qualität mit 16.687 Frauen);

- eine Frühgeburt tritt bei hebammengeleiteten Geburten seltener auf (RR 0,76; 95%-KI

0,64-0,91; 8 Studien von hoher Qualität mit 13.238 Frauen);

- die perinatale Mortalität ist im hebammengeleiteten Betreuungsmodell niedriger (RR

0,84, 95%-KI 0,71-0,99; 13 Studien von hoher Qualität mit 17.561 Frauen).

Für die Sekundärergebnisse wird eine erhebliche Heterogenität festgestellt. Die

vorgesehene Untersuchung der Zufriedenheit der Frauen wurde nicht quantitativ

ausgewertet, da die Messmethoden zu uneinheitlich waren, und der Rücklauf der Befragung

zumeist unter 80% lag. Bei der Umsetzung der Betreuungsmodelle zeigt sich ein Unterschied

bezüglich der Betreuungskontinuität: in hebammengeleiteten Modellen kannten 63-98%

der Frauen die betreuende Hebamme, während diese Zahl für die anderen

Betreuungsmodelle zwischen 0,3 und 21% der Frauen lag. Die durchgeführten

Untergruppenanalysen (z.B. ‚caseload midwifery‘ versus ‚team midwifery‘ versus ärztliche

Betreuung versus geteilte Betreuungsmodelle; niedriges versus gemischtes Risikokollektiv)

erbrachten heterogene Ergebnisse. Die Autoren formulieren ihre Hypothese bezüglich der

Effektivität einer Betreuungskontinuität wie folgt: „Continuity of care is a means of

delivering care in a way which acknowledges that a woman’s health needs are not isolated

events, and should be managed over time”. Darunter wird eine frauenzentrierte Betreuung

mit Be

Page 33: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

28

ziehungsaufbau verstanden und Kontinuität in den Bereichen Management, Information

und Beziehung, wobei die Autoren konzedieren, dass die Definition nicht sehr klar ist, und

entsprechend schwierig die Untersuchung bzw. Messung ist.

(ad 4) Cochrane Review 2013. Package of care for active management in labour for reducing

caesarean section rates in low-risk women (27).

In dieser Übersichtsarbeit werden Komponenten eines ‚active management of labour‘

bezüglich ihres Effekts auf Kaiserschnittraten und Zufriedenheit von Gebärenden mit

niedrigem Risiko untersucht. Es wurden nur randomisiert kontrollierte Studien analysiert. Als

Vergleichsgruppe dienten unterschiedliche Arten der Standard-Betreuung.

Das Konzept des ‚active management of labour‘ wurde ursprünglich von O’Driscoll 1970

publiziert (30, 31). Es beinhaltet die folgenden Komponenten: (i) exakte Definition des

Geburtsbeginns; (ii) routinemäßige Eröffnung der Fruchtblase; (iii) Unterstützung der

Wehentätigkeit mit Oxytocin bei langsamem Geburtsfortschritt; (iv) Verwendung eines

Partogramms zur Beurteilung des Geburtsfortschritts; (v) strenge Kriterien bezüglich der

Definition einer protrahierten Geburt sowie auffälliger kindlicher Herztöne; (vi) Eins-zu-Eins

Betreuung unter Geburt; und (vii) Audit der vaginal-operativen Geburten.

Sieben Studien mit 5.390 Frauen wurden in die Auswertung aufgenommen, davon keine aus

Deutschland. Es handelte sich ausschließlich um Erstgebärende. Die Ergebnisse erbrachten

keine signifikanten Unterschiede zwischen den Betreuungsmodellen. Nur nach Ausschluss

einer Studie, in der viele Fälle nach initialer Randomisierung nicht in die Auswertung

einbezogen wurden, ergab sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Kaiserschnitt-

Raten (RR 0,77, 95%-KI 0,63-0,94). Die Autoren formulieren die Hypothese, dass manche

Komponenten des ‚Active Management‘ Pakets wirksamer als andere sind.

(ad 5) Cochrane Review 2013. Continuous support for women during childbirth (25).

Die überarbeitete Version der systematischen Übersichtsarbeit wurde im Jahr 2017 von

Bohren MA et al. publiziert (s.o.) (26). Auf eine nähere Ausführung dieser Publikation wird

daher verzichtet.

(ad 6) Cochrane Review 2013. Planned hospital birth versus planned home birth (29).

Page 34: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

29

Diese Analyse untersucht die Auswirkung einer geplanten Hausgeburt im Vergleich zu einer

geplanten Geburt im Krankenhaus. Bedingungen für eine Hausgeburt waren wie folgt: (i)

niedriges Risikoprofil der Schwangeren; (ii) Betreuung der Geburt durch eine erfahrene

Hebamme; (iii) Sicherstellung der Betreuung im Fall einer erforderlichen Verlegung. Nur zwei

randomisierte Studien wurden identifiziert, keine davon aus Deutschland. Nur eine Studie

mit elf Teilnehmerinnen erbrachte Ergebnisse, die aufgrund der kleinen Gruppengröße keine

Schlussfolgerung zulässt.

(ad 7) Cochrane Review 2012. Alternative versus conventional institutional settings for birth

(28).

Alternative Geburtsumgebungen wurden bezüglich ihres Einflusses auf verschiedene

Ereignisse untersucht. Die Auswertung ist beeinträchtigt, da im Fall einer alternativen

Geburtsumgebung auch die Organisation der Betreuung differiert. Dies betrifft insbesondere

das Personal sowie die Betreuungsintensität im Rahmen der alternativen Geburtsumgebung.

Ein unabhängiger Effekt der Geburtsumgebung konnte daher nicht berechnet werden. Es

wurden zehn Studien mit 11.795 Frauen eingeschlossen. Eine alternative Geburtsumgebung

erhöhte unter anderem die Wahrscheinlichkeit einer Spontangeburt sowie die Stillrate sechs

bis acht Wochen nach Geburt. Sie senkte die Schmerzmittel- und PDA-Rate, die Häufigkeit

einer Wehenunterstützung mit Oxytocin, die vaginal-operative Entbindungsrate sowie die

Rate an Dammschnitten.

Neben der Durchsicht der Cochrane Datenbank ergab die Literatur-Recherche sechs weitere

relevante internationale Studien (32–35, 2, 36) wie folgt:

(ad 1) Larkin P et al. 2017. Women’s preferences for childbirth experiences in the Republic

of Ireland; a mixed methods study (32).

Diese retrospektive Erhebung fand in vier verschiedenen Krankenhäusern der Republik

Irland statt. Die Erhebung erfolgte mittels Fragebogen drei Monate nach Geburt. 905 Frauen

wurden kontaktiert, der Rücklauf betrug 59,3%. Die befragten Frauen setzten klare

Prioritäten für die Bereiche Schmerzerleichterung, partnerschaftliches Verhältnis mit der

Hebamme und individualisierte Betreuung. Die Befragten wollten überwiegend nicht

dichotomisiert werden in ‚ganz natürlich‘ und ‚alles technisch‘, sondern die besten

Page 35: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

30

Komponenten aus beiden Betreuungsmodellen. Die alles überragende Präferenz war die

Möglichkeit zur Schmerzerleichterung.

(ad 2) Henshall C et al. 2016. A systematic review to examine the evidence regarding

discussions by midwives, with women, around their options for where to give birth (33).

Die Studie beruht auf einer Literaturrecherche zwischen 2000 und 2015. Es wurden

Publikationen gesucht zum Thema, wie Hebammen mit Schwangeren den Geburtsort und

das Geburtsmodell diskutieren. Elf Studien wurden in die Auswertung eingeschlossen, keine

aus Deutschland. Als Einflussfaktoren der Diskussion von Hebammen mit Schwangeren

bezüglich der Wahl des Geburtsortes fanden sich Organisationsdruck, professionelle

Normen, unzureichendes Wissen und unzureichendes Zutrauen, sowie ein Einfluss der

Hebammen-Kolleginnen.

(ad 3) Forster DA et al. 2016. Continuity of care by a primary midwife (caseload midwifery)

increases women’s satisfaction with antenatal, intrapartum and postpartum care: results

from the COSMOS randomised controlled trial (34).

Diese Sekundäranalyse der prospektiv randomisierten COSMOS Studie (s.u.) (35)

untersuchte die Zufriedenheit der Frauen mit dem zugewiesenen Betreuungsmodell. Eine

weitere Fragestellung widmete sich der Auswirkung einer Betreuungskontinuität unter

Geburt auf die Zufriedenheit. Zur Methode s.u. (35). Von den 2.314 randomisierten Frauen

antworteten 88% (im ‚caseload‘ Modell) bzw. 74% (im Standard Modell) zwei Monate

postpartal. Es fand sich eine höhere Zufriedenheit der ‚caseload‘-Gruppe bezüglich der

folgenden Punkte:

- Schwangerenvorsorge (Odds Ratio (OR) 3,35, 95%-KI 2,79-4,03);

- Betreuung unter Geburt (OR 2,14, 95%-KI 1,78-2,57);

- nachgeburtliche Betreuung im Krankenhaus (OR 1,56, 95%-KI 1,32-1,85);

- ambulante Wochenbettbetreuung (OR 3,19, 95%-KI 2,64-3,85).

(ad 4) McLachlan HL et al. 2012. Effects of continuity of care by a primary midwife (caseload

midwifery) on caesarean section rates in women of low obstetric risk: the COSMOS

randomised controlled trial (35).

Für diese prospektive, randomisierte Studie wurden Schwangere mit niedrigem Risiko

rekrutiert, die sich an einem Perinatalzentrum Australiens für die Betreuung anmeldeten. Sie

Page 36: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

31

wurden zwei verschiedenen Betreuungsmodellen zugewiesen. Im ‘caseload‘ Modell fand die

Betreuung durch maximal zwei Hebammen statt. Die Standard-Betreuung beinhaltete eine

Betreuung durch Hebammen, Allgemeinärzte und Fachärzte der Geburtshilfe. 2.314 Frauen

wurden randomisiert. Primärer Endpunkt war die Kaiserschnittrate. Sekundäre Endpunkte

bestanden für die Mutter in der Rate vaginal-operativer Geburten, Schmerzmittelbedarf,

Geburtsverletzungen und Geburtseinleitungen; für das Neugeborene im

Schwangerschaftsalter bei Geburt, Geburtsgewicht, Apgar Score und Verlegung. Frauen im

‚caseload‘ Modell schnitten in allen erhobenen Endpunkten besser ab:

- die Kaiserschnittrate war niedriger (RR 0,78, 95%-KI 0,67-0,91);

- die Rate an Spontangeburten war höher (RR 1,13, 95%-KI 1,06-1,21);

- die PDA-Rate war niedriger (RR 0,88, 95%-KI 0,79-0,996);

- die Rate an durchgeführten Dammschnitten war niedriger (RR 0,79, 95%-KI 0,67-0,92);

Für das Neugeborene ergaben sich keine Nachteile; die Verlegungsrate war niedriger (RR

0,63, 95%-KI 0,44-0,90).

(ad 5) Birthplace Studie 2011. Perinatal and maternal outcomes by planned place of birth

for healthy women with low risk pregnancies: the Birthplace in England national prospective

cohort study (2).

Diese Studie stellt bezüglich ihres Designs, ihrer Größe und der Studiendurchführung

international sicherlich die wichtigste Studie zum Thema medizinische Sicherheit und Wahl

des Geburtsorts dar.

Alle geburtshilflichen Einrichtungen Englands nahmen teil: Hausgeburtshilfe, ‚freestanding

midwifery units‘ (ungefähr bundesdeutschen Geburtshäusern entsprechend), ‚alongside

midwifery units‘ (ungefähr bundesdeutschen hebammengeleiteten Kreißsälen

entsprechend), sowie eine stratifizierte Zufallsauswahl (ärztlich geleiteter) geburtshilflicher

Kliniken. Zwischen 2008 und 2010 wurden 64.538 gesunde Schwangere nach unauffälligem

Schwangerschaftsverlauf jenseits der 37. Schwangerschaftswoche rekrutiert.

Ausschlusskriterien waren ein geplanter Kaiserschnitt sowie in ein Kaiserschnitt vor

Geburtsbeginn. Als primärer Endpunkt wurde ein zusammengesetzter Parameter wie folgt

bestimmt: perinatale Mortalität (intrauteriner Fruchttod nach Geburtsbeginn und früher

neonataler Todesfall); und perinatale Morbidität (neonatale Enzephalopathie,

Mekoniumaspirations-Syndrom, Verletzung des Plexus brachialis‚ Humerus- und

Page 37: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

32

Klavikulafraktur). Sekundäre Endpunkte waren unter anderem der Geburtsmodus sowie

geburtshilfliche Interventionen. Insgesamt ergaben sich zwischen den Geburtsorten keine

signifikanten Unterschiede für die untersuchten Endpunkte. Lediglich für die Untergruppe

der Erstgebärenden konnte eine signifikant höhere Chance eines Ereignisses bei geplanter

Hausgeburt (adjustierte OR 1,75, 95%-KI 1,07-2,86) nachgewiesen werden. Die

geburtshilfliche Interventionsrate war für Geburten außerhalb der ärztlich geleiteten

Einrichtungen signifikant niedriger. Die Transfer-Rate von den außerklinischen Geburtsorten

in eine ärztlich geleitete geburtshilfliche Abteilung betrug 36-45% (Erstgebärende) bzw. 9-

13% (Mehrgebärende). Inhaltlich und organisatorisch bestanden klare Regeln bezüglich

einer eventuell erforderlichen Verlegung.

(ad 6) Bernitz S et al. 2011. Is the operative delivery rate in low-risk women dependent on

the level of birth care? A randomised controlled trial (36).

In dieser randomisierten Studie wurden Frauen mit niedrigem Risiko entweder einer Geburt

im Hebammenkreißsaal, einer ‚regulären‘ Klinikgeburt oder einer Geburt in der ‚special unit‘

(Facharzt-Anwesenheit) eines Krankenhauses zugewiesen. Endpunkte waren neben der Rate

an vaginal-operativen Geburten eine Wehenunterstützung unter Geburt, Schmerzmittel,

nachgeburtliche Blutung, Geburtsverletzung, Verlegung unter Geburt, pH und Apgar Score

des Neugeborenen, sowie dessen Verlegung. 1.111 Schwangere, die bei Aufnahme zur

Geburt als Niedrig-Risiko eingestuft wurden, nahmen an der Studie teil. Bezüglich des

primären Endpunkts ergab sich kein Unterschied zwischen den Betreuungsmodellen. Die

Verlegungsrate aus dem Hebammenkreißsaal in eine Einrichtung mit höherem

Versorgungsgrad unter Geburt betrug 28,4%.

(2.) Deutschsprachige gesundheitspolitische und wissenschaftliche Publikationen

Die Suche hiernach erfolgte über Stichworteingaben in den gängigen Suchmaschinen sowie

einer systematischen Bearbeitung der Literaturverweise der gefundenen Dokumente. Die

Dokumente werden im Folgenden chronologisch aufgeführt.

Gesundheitspolitische Publikationen

(ad 1) Arbeitskreis Frauengesundheit 2018. Maßnahmen zur Verbesserung der klinischen

Geburtshilfe (37).

Page 38: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

33

Im Forderungskatalog des Arbeitskreises Frauengesundheit (AKF) werden politische

Entscheidungsträger und Institutionen wie die Bundeszentrale für gesundheitliche

Aufklärung (BZgA), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Gemeinsame

Bundesausschuss (GBA), die Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und

Geburtshilfe DGGG sowie Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft DGHWi)

aufgefordert, konkrete Schritte zur Verbesserung der klinischen geburtshilflichen Versorgung

zu unternehmen.

(ad 2) BMG 2017. Nationales Gesundheitsziel Gesundheit rund um die Geburt 2017 (38).

In der Broschüre ‚Nationales Gesundheitsziel Gesundheit rund um die Geburt‘ werden fünf

gesundheitspolitische Ziele zur Förderung einer physiologischen Schwangerschaft und

Geburt formuliert. Herausgeber der Broschüre ist der Kooperationsverbund

gesundheitsziele.de, dem über 100 Akteure aus Bund und Ländern aus den Bereichen

Kostenträger, Leistungserbringer, Patienten- und Selbsthilfeorganisationen, Wissenschaft

und Wirtschaft angehören. Die fünf Ziele sind wie folgt: (i) Eine gesunde Schwangerschaft

wird ermöglicht und gefördert; (ii) Eine physiologische Geburt wird ermöglicht und

gefördert; (iii) Die Bedeutung des Wochenbetts und die frühe Phase der Elternschaft sind

anerkannt und gestärkt; (iv) Das erste Jahr nach der Geburt wird als Phase der

Familienentwicklung unterstützt. Eine gesunde Entwicklung von Eltern und Kind wird

ermöglicht und gefördert; (v) Lebenswelten und Rahmenbedingungen rund um die Geburt

sind gesundheitsförderlich gestaltet. Im zweiten Ziel werden Komponenten erläutert, die

eine physiologische Geburt ermöglichen und fördern. Im Abschnitt ‚Zusammenarbeit der

beteiligten Berufsgruppen und kontinuierliche Betreuung‘ werden verschiedene

Betreuungsmodelle einschließlich des hebammengeleiteten Versorgungskonzepts

vorgestellt.

(ad 3) Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag Sachstand 2017 (WD 9-3000-

079/16). Zur Frage der Sicherstellung einer angemessenen personellen Ausstattung mit

Hebammen in stationären Geburtshilfeeinrichtungen in ausgewählten Ländern (8).

In dieser Publikation des deutschen Bundestages wird der Sachstand zur Frage der Sicherung

einer angemessenen personellen Ausstattung mit Hebammen in stationären

Geburtshilfeeinrichtungen in sieben ausgewählten europäischen Ländern erläutert. Eine

Page 39: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

34

Vorstellung der Ausgangslage in Deutschland ist auch enthalten. Hier werden zunächst

finanzielle, institutionelle und personelle Eckdaten wie folgt erwähnt: Die Anzahl der

Krankenhäuser, die Geburten durchführen, ist zwischen 1991 und 2015 um ca. 40% (von

1186 auf 709) zurückgegangen. Ca. 60% der geburtshilflichen Abteilungen arbeiten nicht

kostendeckend. Sodann wird eine Befragung des Deutschen Hebammenverbandes (DHV)

zitiert, nach der sich fast die Hälfte der Hebammen um drei Frauen gleichzeitig während der

Geburt kümmert, s.u. (39).

(ad 4) 2016 Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag Dokumentation 2016 (WD 9-

3000-056/16). Informationen zu Risikoschwangerschaften und zur Pränataldiagnostik (40).

In dieser Dokumentation findet sich eine Abhandlung über die Zunahme der

Risikoschwangerschaften, insbesondere in Bezug auf die Inanspruchnahme der

Pränataldiagnostik. Die im Dokument angegebenen Quellen konstatieren für drei Viertel

bzw. vier von fünf Schwangeren eine Risikoschwangerschaft. Als Gründe werden u.a. die

Erweiterung der Risikokataloge des Mutterpasses von initial 17 auf 52 Risiken genannt.

(ad 5) Der Runde Tisch Geburtshilfe Abschlussbericht 2015 (5).

Initiiert von der nordrhein-westfälischen Regierungsfraktion aus SPD und Bündnis 90/Die

Grünen und vereinbart im Koalitionsvertrag vom 18.6.2012 wurde ‚Der Runde Tisch

Geburtshilfe‘ mit dem Ziel eingerichtet, zukunftsfähige Versorgungsstrukturen mit ihren

hierfür erforderlichen Bedingungen zu erarbeiten. Relevante Akteure aus den Bereichen

Kostenträger, Leistungserbringer, Patienten- und Selbsthilfeorganisationen, Wissenschaft

und Wirtschaft wurden eingeladen. Anlass war die angespannte Situation der Hebammen

sowie die steigende Kaiserschnittrate. Die Ergebnisse der Diskussionen wurden in elf

Handlungsempfehlungen zusammengefasst. Im Bereich Versorgungsstrukturen empfahlen

die Teilnehmenden eine Weiterentwicklung des Versorgungskonzepts Hebammenkreißsaal.

(ad 6) DHV Hebammenbefragung 2015. Die Arbeitssituation von angestellten Hebammen in

Kliniken (39).

Die Online-Befragung wurde durch das Picker Institut durchgeführt, Auftraggeber war der

DHV. Weniger als die Hälfte (44,3%) der angestellten Hebammen (1.692 Hebammen)

beantworteten die Befragung. Für die Auswertung wurde als vergleichende Bezugsgröße

Page 40: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

35

eine aus der Datenbank des Picker Instituts zusammengesetzte Gruppe herangezogen.

Rücklaufquote und Methode schränken die Aussagekraft der Befragung sehr ein.

(ad 7) MGEPA NRW Gesundheitsberichte Spezial 2013. Schwangerschaft und Geburt in

Nordrhein-Westfalen (41).

Dieses Dokument des Ministeriums beinhaltet eine Analyse der geburtshilflichen Zahlen

Nordrhein-Westfalens des Jahres 2011. Weitere Kapitel behandeln die Problematik der

Über- und Unter-Inanspruchnahme der geburtshilflichen Vorsorgeuntersuchungen, das

Konzept einer risikoadaptierten Vorsorge, die Risiko-Klassifikationen des Mutterpasses,

sowie die personelle Ausstattung der geburtshilflichen Abteilungen. Das

Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal findet ebenfalls Erwähnung.

(ad 8) Bertelsmann Stiftung Faktencheck Gesundheit 2012. Kaiserschnittgeburten –

Entwicklung und regionale Verteilung (42).

In dieser von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebenen Untersuchung findet sich dort

auf S. 76 eine Tabelle mit Einstellungsfragen zur Technikorientierung Schwangerer im

Rahmen der Mutterschaftsvorsorge und Geburt. Unabhängig vom Geburtsmodus

(Vaginalgeburt, primäre und sekundäre Sectio) lag die Zustimmung („stimme voll zu“ und

„stimme eher zu“) der 1.310 Befragten über 86%. Des Weiteren werden

Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die u.a. den Ausbau des Versorgungskonzeptes

Hebammenkreißsaal und eine Eins-zu-Eins Betreuung befürworten, da sie dazu beitragen,

die Kaiserschnittrate zu senken.

(ad 9) Bertelsmann Stiftung Projekt Gesundheitsmonitor 2012. Einflussfaktoren auf den

Geburtsmodus: Kaiserschnitt versus Spontangeburt (43).

Die Studie umfasst die Befragung von 4.161 Frauen der Barmer Ersatzkasse, die 2011 ein

Kind geboren hatten. Die Rücklaufquote betrug 39%. Die Ergebnisse beinhalten unter

anderem eine Empfehlung einer Stärkung der Hebammentätigkeiten.

(ad 10) Landtag Nordrhein-Westfalen Drucksache 15/2795 vom 12.9.2011. Antwort der

Landesregierung auf die Große Anfrage 3 der Fraktion DIE LINKE. Situation der Hebammen

und Entbindungspfleger in Nordrhein-Westfalen (44).

Page 41: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

36

Das Dokument gibt Antworten zu den Fragen nach Geburtsorten, gesetzlichen Regelungen,

Finanzierung, Erweiterung der Hebammentätigkeit, Beschäftigungsstatus, freiberuflichen

Hebammen, Arbeitssituation der Hebammen in Kliniken, Familienhebammen,

Hebammenaus- und Fortbildung sowie der weiteren Entwicklung der geburtshilflichen

Versorgung in NRW.

Wissenschaftliche Publikationen

In einer Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im

Gesundheitswesen (IQWiG) vom 31. Januar 2019 gab das Institut seine Unterstützung einer

Fachgesellschaft bei der Erstellung einer interdisziplinären S3-Leitlinie bekannt (siehe

Internetseite IQWiG, abgerufen am 18.3.2019) (45). Beauftragt vom BMG im September

2016 recherchierte und bewertete das Institut Studien zu verschiedenen Fragen rund um das

Thema vaginale Geburt und erstellte insgesamt acht Evidenzberichte. Die acht Teilberichte

sowie ein zusammenfassender Sachbericht wurden nun vom IQWiG veröffentlicht. Die

folgenden Publikationen behandeln relevante Fragestellungen zum Versorgungskonzept

hebammengeleitete Geburt:

(ad 1) IQWiG Evidenzbericht zur Anwesenheit und Verfügbarkeit des geburtshilflichen

Fachpersonals 2018 (Bericht Nr. 635, ISSN 1864-2500 und Rapid Report V16-01B) (46).

Die bearbeitete Fragestellung wurde wie folgt formuliert: „Wie wirken sich die Anwesenheit

/ Verfügbarkeit des jeweiligen geburtshilflichen Fachpersonals bei Schwangeren am Termin

unter der Geburt ab der aktiven Eröffnungsperiode (EP) auf verschiedene maternale und

neonatale Endpunkte im Vergleich zur Standardversorgung (ohne ständige Anwesenheit /

Verfügbarkeit) aus? Dabei wird zwischen folgenden Betreuungspersonen unterschieden:

- Eins-zu-Eins Betreuung durch Hebammen;

- Verfügbarkeit von Gynäkologinnen oder Gynäkologen / ärztlichen Geburtshelfern über

24 Stunden;

- Verfügbarkeit von Pädiatern über 24 Stunden;

- Verfügbarkeit von Anästhesisten über 24 Stunden.

Zielpopulation und Untersuchungszeitraum schließen auch für das Versorgungsmodell

Hebammenkreißsaal geeignete Gebärende ein. Jedoch sind auch Studien mit Risiko-

Gebärenden eingeschlossen (z.B. Zhang T & Lu C 2016, ausschließliche Rekrutierung von

Page 42: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

37

Frauen nach vorangegangener Kaiserschnittentbindung) (47). Die definierten Endpunkte

„kritisch für die Entscheidung“ enthalten Kriterien, für die eine Signifikanz aufgrund der

Seltenheit des Ereignisses nicht zu erwarten ist (z.B. mütterliche Mortalität – in

Industrienationen derzeit ca. eine von 10.000 Mutterschaften). Die Literaturrecherche

erbrachte nur für die Eins-zu-Eins Betreuung Ergebnisse, die eingeschlossenen fünf Studien

wurden in China, USA, Iran und Kanada durchgeführt. Die o.g. englische Birthplace Studie

wurde nicht erfasst (2). Für die Eins-zu-Eins Betreuung durch Hebammen konnte für die

kritischen Endpunkte Entbindungsmodus und höhergradige Dammverletzungen sowie für

zwei wichtige Endpunkte (Wehenmittel, künstliche Fruchtblaseneröffnung) Ergebnisse mit

sehr niedriger Evidenz wie folgt ermittelt werden:

- Geburtsmodus vaginale Geburt (RR 1,15, 97,5%-KI 1,07-1,23);

- Geburtsmodus Kaiserschnitt (RR 0,27, 97,5%-KI 0,13-0,55);

- höhergradige Dammrisse (RR 0,25, 95%-KI 0,08-0,83);

- Wehenmittel unter Geburt (RR 0,81, 95%-KI 0,69-0,95);

- Amniotomie (RR 0,73, 95%-KI 0,60-0,90).

Die fehlende Übertragbarkeit der Ergebnisse auf deutsche Versorgungsstrukturen wird

erwähnt.

(ad 2) IQWiG Evidenzbericht zur Erfahrung / Expertise des geburtshilflichen Fachpersonals

2018 (Bericht Nr. 705, ISSN 1864-2500 und Rapid Report V16-01B) (48).

Die bearbeitete Fragestellung wurde wie folgt formuliert: „Wie wirkt sich die Erfahrung /

Expertise von ärztlichen Geburtshelfern und Hebammen bei Schwangeren am Termin unter

der Geburt ab der aktiven Eröffnungsperiode (EP) auf verschiedene maternale und

neonatale Endpunkte im Vergleich zu dem jeweiligen Fachpersonal mit geringerer Erfahrung

/ Expertise aus?“

Zielpopulation, Untersuchungszeitraum, kritische und wichtige Endpunkte entsprechen

denen des obigen Evidenzberichts. Abgesehen von einer Studie, die Frauen nach

vorangegangenem Kaiserschnitt untersucht, wurde nur eine Publikation eingeschlossen. Die

Birthplace Studie wurde auch im Rahmen der Suchstrategie dieses Evidenzberichts nicht

erfasst (2). Es konnte nachgewiesen werden, dass auf Schulungsmaßnahmen basierende

Weiterbildungsstrategien mit dem Ziel, die Kaiserschnittrate zu senken, zu einer Zunahme

vaginaler Geburten und einer abnehmenden neonatalen Mortalität führte. Aufgrund der

Page 43: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

38

niedrigen Datenlage wurden zusätzlich Beobachtungsstudien analysiert. Die Tatsache, dass

in Deutschland immer qualifiziertes Fachpersonal bei Geburt anwesend ist, relativiert die

Relevanz der Fragestellung.

(ad 3) Arbeiten aus dem Verbund Hebammenforschung

Eine Literaturrecherche der deutschsprachigen Literatur, und hier insbesondere des

Verbunds Hebammenforschung (siehe Internetseite Verbund Hebammenforschung,

abgerufen am 29.4.2019) (49), findet sich bis zum Jahr 2010 in der Publikation von Bauer

(50), sowie der Übersichtsarbeit von Knape et al. für die Jahre 1990 bis 2012 (51), s.u..

(ad 4) Expertinnenstandard Förderung der physiologischen Geburt 2014 (17).

Dieser monodisziplinäre Expertinnenstandard wurde vom Verbund Hebammenforschung

und dem Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) verfasst.

Bezüglich des Versorgungskonzepts hebammengeleitete Geburt widmet sich ein Kapitel dem

Effekt einer kontinuierlichen Unterstützung unter Geburt bzw. einer Eins-zu-Eins Betreuung.

Die Literaturrecherche umfasst den Zeitraum 1980-2012 und schließt o.g. Publikationen bis

2012 mit Ausnahme der Birthplace Studie (2) ein.

(ad 5) Assoziation zwischen Betreuungszeit und Arbeitsintensität von Hebammen und

Geburtsmodus 2014 (52).

Die von Knape et al. 2014 publizierte Studie beinhaltet eine retrospektive Sekundäranalyse

prospektiv gewonnener Daten der Osnabrücker Forscherinnengruppe.

Studienteilnehmerinnen bestanden aus einem „Convenience Sample“ (999 der in der

Primäranalyse eingeschlossenen 1.238 Frauen). Schwächen in der Methodik (Auswahl

Studienteilnehmerinnen; Anzahl der Variablen im Verhältnis zum Datenvolumen;

Signifikanzfestlegungen im Rahmen des Regressionsmodells) sowie widersprüchliche

Angaben zu den Studienteilnehmerinnen limitieren die Aussagekraft der Untersuchung.

Page 44: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

39

(Ad 6) Literaturübersicht der Effektivität der Eins-zu-Eins Betreuung während der Geburt

2013 (51).

In dieser von Knape et al. 2013 publizierten Literaturübersicht wird konstatiert, dass

Ergebnisse internationaler Studien aufgrund unterschiedlicher Versorgungsstrukturen nur

bedingt auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können.

Eine aktuellere Literaturrecherche und –bewertung der Thematik ist in dem Cochrane

Systematic Review von 2017 (26) zu finden.

(IV.c) Geburtshilfliche Statistik

Eine Geburt im hebammengeleiteten Kreißsaal ist nur für die Frauen möglich, deren

Schwangerschaft unkompliziert verläuft und die keine Risiken für die Geburt aufweisen. Im

Handbuch Hebammenkreißsaal wird angegeben, dass nach WHO-Kriterien ca. 70% aller

Geburten in Deutschland als normale Geburten einzustufen seien, die keiner

medizintechnischen Intervention bedürfen (4). Eine Berechnungsgrundlage bzw.

Quellenangabe ist nicht beigefügt.

GEscHIcK bearbeitet die Frage nach der Anzahl der für den Hebammenkreißsaal geeigneten

Gebärenden in drei Schritten. Zunächst wird eine Bestimmung der Begriffe

Schwangerschaftsrisiko, Risikoschwangerschaft, Geburtsrisiko und Risikogeburt durchgeführt

und aufgezeigt, auf welcher Grundlage diese Bezeichnungen erhoben werden. Sodann

werden die vorhandenen geburtshilflichen Datenbanken analysiert. Nach Betrachtung der

verfügbaren Daten und ihrer Bewertung wird eine eigene Kalkulation durchgeführt, um die

Gruppe der Gebärenden zu bestimmen, für die das Versorgungskonzept aufgrund der o.g.

Kriterien (unauffälliger Schwangerschaftsverlauf; unkomplizierte Geburt zu erwarten) offen

steht.

In einem weiteren Abschnitt wird die Versorgungskapazität in NRW analysiert.

Zuletzt werden die Leistungsziffern der sieben Einrichtungen in NRW mit

Hebammenkreißsaal, die im Rahmen des Forschungsprojekts erhoben wurden vorgestellt.

Page 45: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

40

(1.) Begriffsbestimmungen

Risikoschwangerschaft: „Risikoschwangerschaften sind Schwangerschaften, bei denen

aufgrund der Vorgeschichte oder erhobener Befunde mit einem erhöhten Risiko für Leben

und Gesundheit von Mutter oder Kind zu rechnen ist“. Diese Definition wird vom GBA in den

Mutterschafts-Richtlinien gegeben (53).

Schwangerschaftsrisiko: Dieses wird auf zweifache Weise erhoben, nämlich im Rahmen der

Mutterschafts-Richtlinien im Mutterpass Katalog A (Anamnese und allgemeine Befunde bei

der ersten Vorsorgeuntersuchung) und Katalog B (besondere Befunde im

Schwangerschaftsverlauf). Im Katalog A sind 25 Risiken vorgegeben, weitere können

dokumentiert werden. Jedoch bedeutet nicht jedes dokumentierte Risiko ein

Schwangerschaftsrisiko - eine ärztliche Bewertung des Katalogs A ist erforderlich, um ein

Schwangerschaftsrisiko bei Erstuntersuchung festzustellen. Im Katalog B ist keine ärztliche

Bewertung vorgesehen, um ein Schwangerschaftsrisiko im Schwangerschaftsverlauf

festzustellen. Jedes der 24 Kriterien (und weitere, die dokumentiert werden können)

entspricht einem Schwangerschaftsrisiko.

Offen ist, ob jedes Schwangerschaftsrisiko eine Risikoschwangerschaft bedeutet. In der

Publikation Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestag (40) wird konstatiert, dass

das Vorliegen zweier Schwangerschaftsrisiken eine Risikoschwangerschaft ausmacht. Diese

Festlegung ist jedoch nicht in den Mutterschafts-Richtlinien des GBA enthalten.

Geburtsrisiko: Geburtsrisiken werden in Katalog C (Indikationen zur Geburtseinleitung und

operativen Entbindung, Geburtsrisiken) der Perinatalstatistik erhoben. Offen ist, ob jedes

der 38 aufgeführten Geburtsrisiken mit einer Risikogeburt gleichzusetzen ist. Problematisch

für unsere Fragestellung ist die Tatsache, dass Katalog C sowohl Befunde beinhaltet, die vor

Geburtsbeginn bekannt sind (z.B. Mehrlingsschwangerschaft), jedoch auch Befunde

beinhaltet, die erst im Geburtsverlauf manifest werden (z.B. Fieber unter der Geburt);

letzterer Befund stellt für eine Schwangere, die im Hebammenkreißsaal gebären möchten

kein Ausschluss-, jedoch ein Weiterleitungskriterium dar. Zudem sind in Katalog C Befunde

enthalten, die für eine hebammengeleitete Geburt nur bei Auftreten zusätzlicher Faktoren

ein Geburtsrisiko darstellen (z.B. vorzeitiger Blasensprung: falls die Geburt ohne zeitliche

Page 46: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

41

Verzögerung nach vorzeitigem Blasensprung einsetzt, so stellt dies keinen

Weiterleitungsgrund in die ärztliche Versorgung dar).

Der Begriff Risikogeburt ist nicht weiter definiert. Üblicherweise wird unter einer

Risikogeburt eine Geburt bezeichnet, bei der eine erhöhte Gefahr für Mutter oder Kind

besteht. Der GBA führt aus: „Aus Risikoschwangerschaften können sich Risikogeburten

entwickeln.“ Danach werden drei Befunde benannt, für die mit einem erhöhten Risiko unter

der Geburt zu rechnen ist, nämlich Frühgeburt, Placenta praevia / vorzeitige Placentalösung,

sowie jede Art von Missverhältnis Kind / Geburtswege (53). Diese Befunde repräsentieren

jedoch nur einen kleinen Teil der Befunde, die ein erhöhtes Geburtsrisiko beinhalten.

Die Erhebung geburtshilflicher Leistungsziffern in Deutschland und NRW erfolgt auf der

Grundlage der o.g. Kataloge. So ist bereits vor der Analyse der verfügbaren Datenbanken zu

konstatieren, dass aufgrund der Einteilung der Schwangerschaftsrisiken und Geburtsrisiken,

der Definition von Risikoschwangerschaft und Risikogeburt eine exakte Festlegung des

Anteils Gebärender, für die eine Geburt im Hebammenkreißsaal in Frage kommt nicht

möglich ist.

(2.) Analyse geburtshilflicher Datenbanken

Die Erfassung der geburtshilflichen Leistungsziffern erfolgt durch die Perinatalstatistik. Sie ist

ein gesetzlich verankertes Instrument, das im Sinne der Qualitätssicherung geburtshilfliche

Leistungsziffern in Deutschland erfasst. Mit der bundesweiten Auswertung ist das Institut für

Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) beauftragt, die

Auswertung für das Land Nordrhein-Westfalen führt die Landesgeschäftsstelle

Qualitätssicherung NRW durch. Neben der deskriptiven Statistik werden auch ausgewählte

Qualitätsindikatoren analysiert (siehe https://iqtig.org/, abgerufen am 28.4.2019). Die

deskriptive Statistik folgt dem Aufbau des Mutterpasses und enthält Informationen zur

Schwangeren, zur jetzigen Schwangerschaft, und zur Geburt. Darüber hinaus werden

Befunde während der Schwangerschaft (Katalog A und B) sowie Geburtsrisiken (Katalog C)

gesondert erfasst. Nachfolgend eine Auflistung ausgewählter Daten der Perinatalstatistik

Deutschand und NRW sowie des Qualitätsberichts außerklinische Geburtshilfe.

Page 47: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

42

Perinatalstatistik Nordrhein-Westfalen 2017 (54)

In Nordrhein-Westfalen fanden 2017 168.505 Geburten statt. Die Kaiserschnitt-Rate betrug

31,0%. Nur Frauen mit einer reifen Einlings-Schwangerschaft (d.h. mit einem

Schwangerschaftsalter von mindestens 37 Schwangerschaftswochen), deren Ungeborenes in

Schädellage liegt, kommen prinzipiell für eine Geburt im Versorgungsmodell HGK in Frage.

Diese Konstellation lag bei 86,74% (146.160) aller Gebärenden vor. Knapp zwei Drittel der

Frauen aus dieser Gruppe (95.215, 65,14%) erlebten eine vaginale Geburt.

Eine Risiko-Schwangerschaft wurde 33,09% (55.763) aller Frauen bei Erstuntersuchung der

Schwangerschaft attestiert. Nur 20,50% (34.536) aller Frauen waren ohne

Schwangerschaftsrisiko. Noch geringer ist die Zahl der Frauen, die weder ein

Schwangerschafts- noch ein Geburtsrisiko hatten: laut Perinatalstatistik waren dies in NRW

im Jahr 2017 nur 6,77% (11.409) aller Gebärenden.

Perinatalstatistik BRD 2017 (55)

In Deutschland fanden im Jahr 2017 761.176 Geburten statt, davon ca. 98,5% in einer

klinischen Einrichtung. Bundesweit wurden 34,02% aller Schwangerschaften (258.937) im

Mutterpass als Risikoschwangerschaft dokumentiert. Geburtsrisiken wurden 79,63%

(616.158) aller Gebärenden attestiert.

Als häufigste Schwangerschaftsbefunde wurden angegeben (in der Reihenfolge ihrer

Häufigkeit):

Familiäre Belastung 24,87%

Allergie 23,23%

Schwangere über 35 Jahren 18,11%

Frühere eigene schwere Erkrankungen 15,73%

Vorangegangener Kaiserschnitt 14,27%

Adipositas 10,20%

Page 48: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

43

Als häufigste Geburtsrisiken werden angegeben (in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit):

Vorzeitiger Blasensprung 22,29%

Vorangegangener Kaiserschnitt oder andere Uterusoperationen 21,52%

Pathologisches fetales Herzfrequenzmuster 20,14%

Terminüberschreitung 15,70%

Sonstige Nabelschnurkomplikationen 11,64%

Grünes Fruchtwasser 10,49%

Außerklinische Geburten 2015 / 2017 (56, 57)

BRD - Schwangere insgesamt 714.574

außerklinisch geplante und/ oder geborene Kinder 1,56% (11.181)

davon geplant und ungeplant außerklinisch geborene Kinder 83,76% (9.366)

außerklinisch begonnene und in die Klinik verlegt Geburten 16,23% (1.815)

NRW - Schwangere insgesamt 160.468

außerklinische Geburten 0,99% (1.601)

davon Geburten in von Hebammen geführten Einrichtungen 66,27% (1.061)

Hausgeburten 33,72% (540)

Nach Bundesländern aufgeschlüsselte Ergebnisse sind in den Berichten der Jahre 2016 und

2017 nicht enthalten. Für 2015 werden im Land NRW 1.601 außerklinische Geburten

angegeben. Dies entspricht einem Anteil von 0,99% aller Geburten in NRW. Die Geburten

fanden zu zwei Drittel (66,27%) in von Hebammen geführten Einrichtungen und zu einem

Drittel (33,72%) als Hausgeburten statt. Zahlen zur außerklinischen Geburtshilfe finden sich

auch in der Perinatalstatistik NRW 2017 (54). Die Angabe „Entbindung in der Klinik bei

weitergeleiteter Haus-/Praxis-/Geburtshausgeburt, die außerklinisch subpartal begonnen

wurde“ (ebendort, S. 87) erscheint mit 1.637 Fällen (0,97% aller Geburten) nicht plausibel.

Vielmehr scheint es sich bei dieser Zahl um die Summe der Geburten, die außerklinisch

geplant und ungeplant stattfanden, sowie der außerklinisch begonnenen und in die Klinik

verlegten Frauen zu handeln. Grund für diese Annahme ist die Publikation der

bundesdeutschen Zahlen zu außerklinischen Geburten, die für das Jahr 2015 vorliegt (s.o.).

Page 49: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

44

(3.) Kalkulation der für den Hebammenkreißsaal geeigneten Schwangeren

Die folgende Aufstellung beruht auf der Perinatalstatistik BRD 2017 (57). Die aufgeführten

Befunde stellen Ausschlusskriterien für eine Geburt im hebammengeleiteten Kreißsaal dar.

Mehrlinge ca. 2%

Frühgeburt ca. 7%

Übertragung ca. 0,5%

Lageanomalie ca. 5%

Kleinwuchs ca. 1%

Gewicht (BMI) > 35 ca. 5%

Z.n. Sectio ca. 14%

Hypertensive Schwangerschaftserkrankung ca. 2%

Vorbestehender oder Schwangerschaftsdiabetes ca. 5%

Geschätztes Kindsgewicht zu niedrig / zu hoch nicht erfassbar

Geburtskomplikationen bei vorangegangenen Geburten nicht erfassbar

Kindliche Schädigung bei vorangegangenen Geburten nicht erfassbar

Nachgeburtliche Komplikationen bei vorangegangenen Geburten nicht erfassbar

Auffälligkeiten der Plazenta oder Nabelschnur nicht erfassbar

Angesichts mehrerer relevanter, statistisch aber nicht erfasster Ausschlusskriterien wird

bereits deutlich, dass eine zuverlässige statistische Bestimmung der Gruppe der für den

Hebammenkreißsaal geeigneten Schwangeren nicht möglich ist. Wenn zu den in der

Perinatalstatistik ausgewiesenen 40-42% Schwangeren mit Ausschlusskriterien noch

mindestens 20-25% Schwangere hinzuaddiert werden, die in der obigen Liste einem der

statistisch nicht ausgewiesenen Kriterium zugeordnet werden können, liegt der Anteil nicht

geeigneter Schwangerer bereits bei einer Größenordnung von 60-65%. Damit wird klar, dass

mehr als die Hälfte aller Schwangeren nicht für eine Geburt im Hebammenkreißsaal geeignet

sind.

Zusätzlich zu dieser Aufstellung sind jedoch noch weitere Kriterien zu berücksichtigen, die

vor der Entscheidung über eine Aufnahme in den Hebammenkreißsaal einer Konsultation

bedürfen. Je nach Ausprägung des Kriteriums wird ein nicht erfassbarer Anteil Schwangerer

bereits vor Geburtsbeginn in die ärztliche Betreuung weitergeleitet werden. Sie betreffen

Page 50: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

45

neben dem Alter (< 18 oder > 40 Jahre: ca. 5%) mütterliche Besonderheiten in der

Vorgeschichte wie Vorerkrankungen und Voroperationen; Auffälligkeiten im

Schwangerschaftsverlauf wie Anämie, Infektionen oder vaginale Blutungen; und

Auffälligkeiten beim Ungeborenen wie Fehlbildungen oder verminderte / vermehrte

Fruchtwassermenge. Diesen Ausschlusskriterien müssen weitere 10-15% der Schwangeren

hinzugerechnet werden. Insgesamt liegt die Gruppe der nicht für den Hebammenkreißsaal

geeigneten Schwangeren damit bei 70-80%.

Unter Berücksichtigung der Ausführungen und Zugrundelegung eines sehr strengen

Bewertungsmaßstabs kommt GEscHIcK zum Ergebnis, dass in NRW mindestens 20% aller

Gebärenden eine risikofreie Geburt erwarten können.

(4.) Personalstandsanalyse NRW

Die Analyse der Versorgungskapazität wurde unter Einbeziehung der in NRW gemeldeten

Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie der gemeldeten Hebammen

durchgeführt.

Die Berechnung der Anzahl der Beschäftigten, die in der Geburtshilfe als Ärzte und

Hebammen tätig sind, ist schwierig. Für die Berufsgruppe der Ärzte erfolgte eine Anfrage an

die zuständigen Ärztekammern (Nordrhein und Westfalen-Lippe). Jedoch lässt sich für

angestellte Ärzte keine Aussage treffen, wie viele in welchem Umfang in die geburtshilfliche

Versorgung eingebunden sind; darüber hinaus fehlen Daten über den Anteil an Geburten,

die nicht von einem Facharzt betreut werden. Für die Berufsgruppe der Hebammen gestaltet

sich eine Kalkulation noch schwieriger, da (i) für diese Berufsgruppe bis heute keine zentrale

Meldestruktur existiert; (ii) der Anteil nicht berufstätiger oder teilzeitberufstätiger

Hebammen nicht erfasst wird; und (iii) der Anteil Hebammen, die neben einer angestellten

Tätigkeit noch ambulant tätig sind, unbekannt ist. In der Drucksache 15/2795 des Landtags

Nordrhein-Westfalen vom 12.9.2011 wird für die Berichtsjahre 2000 – 2009 die Anzahl der

Geburten je festangestellter Hebamme zwischen 79,15 (Berichtsjahr 2000) und 64,96

(Berichtsjahr 2009) angegeben (58). In der Publikation von Bauer 2011 wird für das Jahr

2007 eine Zahl von 19.000 Hebammen erwähnt, die im ambulanten und stationären

Versorgungsbereich tätig waren (22). Angaben für das Jahr 2017 finden sich im

Qualitätsbericht außerklinische Geburtshilfe. Hiernach waren 2017 bundesweit ca. 11.000

Page 51: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

46

Hebammen in Kliniken in Voll- oder Teilzeit tätig, davon 9.385 als angestellte und 1.848 als

Beleghebammen (56).

GEscHIcK hat versucht, aus verschiedenen Quellen (41, 5) eine Annäherung an die aktuelle

Zahl der von Hebammen bzw. Ärzten zu betreuenden Schwangeren / Gebärenden in NRW zu

kalkulieren. Die Daten, die sich in den verschiedenen Quellen finden, sind in Tabelle 1 und 2

zusammengestellt.

Tabelle 1. Personalstandsanalyse: Hebammen in NRW.

NRW Hebammen

gesamt

Hebammen

angestellt

Hebammen

ambulant

Hebammen

freiberuflich

2010/11 (1) 5178 2235 2723 220

2015 (2) 4932§ . . .

§im Jahr 2012 in NRW berufstätig

(1) Quelle: MGEPA 2013 (41)

(2) Quelle: Abschlussbericht Runder Tisch NRW 2015 (5)

Tabelle 2. Personalstandsanalyse: Fachärzte Gynäkologie und Geburtshilfe in NRW.

NRW Ärzte gesamt Ärzte ambulant Ärzte stationär

2010/11 (1) 3975* 2516 1302

2018/19 (2) 5701 2672 1935

Davon Nordrhein 2018 3535§ 1571 894

Davon Westfalen-Lippe 2019 2166 1101 1041

*für 157 Fachärzte keine Angaben

§davon 2568 berufstätig

(1) Quelle: MGEPA 2013 (41)

(2) Quelle: Angaben der Ärztekammer Nordrhein (Stand 31.12.2018) sowie Westfalen-Lippe (Stand

15.4.2019)

Page 52: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

47

Bei einer Gesamtgeburtenzahl von 143.097 ergeben sich damit für das Jahr 2011 pro Klinik-

Facharzt in NRW 110 Geburten, pro niedergelassenen Facharzt die Betreuung von 57

Schwangerschaften. Für Hebammen ergeben sich 58 Geburten pro Klinikhebamme, und 53

Schwangere / Wöchnerinnen pro ambulant tätiger Hebamme.

Neuere Zahlen liegen für Hebammen in NRW für 2012 vor: Hier ergeben sich pro

Klinikhebamme 73 Geburten, pro ambulant tätige Hebamme die Betreuung von 55

Schwangeren / Wöchnerinnen. Für Fachärzte liegen Zahlen in NRW für 2018/19 vor: Pro

Klinik-Facharzt ergeben sich 89 Lebendgeburten und pro Facharzt in der Niederlassung die

Betreuung von 64 Schwangerschaften, die in einer Geburt enden.

Diese Zahlen stellen jedoch aufgrund der oben geschilderten Problematik der

Personalerfassung nur eine grobe Schätzung dar. Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl

betreuter Schwangerer und Gebärender pro Facharzt bzw. Hebamme deutlich höher liegt.

(5.) Leistungsziffern der sieben Einrichtungen in NRW mit Hebammenkreißsaal

Zahlen zu Geburten im Versorgungskonzept hebammengeleiteter Kreißsaal liegen weder für

Deutschland noch für NRW vor. Um einen ersten Einblick zu erhalten, fragte das

Forscherteam im Rahmen von Vorab-Telefonaten 2017 die Leistungsziffern aller

Geburtseinrichtungen NRWs mit Hebammenkreißsaal ab. Eine systematische Erfassung

wurde nur in einer Klinik vorgenommen, nur diese konnte exakte Angaben machen. Die

anderen Hebammenkreißsäle NRWs gaben plausible Schätzungen. Nach Addition aller

Angaben ergaben sich für das Jahr 2017 ca. 500 Geburten in hebammengeleiteten

Kreißsälen. Dies entsprach einem Anteil von 0,296% aller Geburten in NRW, bzw. 0,34% aller

Einlingsgeburten aus Schädellage am Entbindungstermin.

Von November 2018 bis April 2019 wurden die Leistungsziffern der sieben Einrichtungen in

NRW mit hebammengeleiteten Kreißsälen über monatliche telefonische Abfragen erfasst.

Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 wiedergegeben. Während dieses sechsmonatigen

Erhebungszeitraums fanden in den Einrichtungen NRWs mit Hebammenkreißsaal 5.347

Geburten statt, davon 184 im Hebammenkreißsaal. Dies entspricht 3,4 % aller Geburten in

Kliniken, die das Versorgungsmodell anbieten, und ca. 0,2-0,3% aller Geburten in NRW.

Page 53: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

48

Tabelle 3. Monatliche Leistungsziffern der sieben geburtshilflichen Abteilungen in NRW mit

dem Versorgungskonzept hebammengeleiteter Kreißsaal (November 2018 bis April 2019).

Krankenhaus / Monat 1 2 3 4 5 6 7

Nov 2018

bis April

2019 in %

November 18

Geburten gesamt 141 70 81 133 212 86 174 897 100,00

Geburten HGK 3 3 0 7 5 4 4 26 2,898

Dezember 18

Geburten gesamt 131 72 68 131 223 76 178 879 100,00

Geburten HGK 4 4 0 5 12 3 4 32 3,64

Januar 19

Geburten gesamt 157 69 79 132 232 79 187 935 100,00

Geburten HGK 7 2 1 7 6 4 6 33 3,529

Februar 19

Geburten gesamt 146 73 72 130 210 70 143 844 100,00

Geburten HGK 5 3 0 5 5 3 5 26 3,08

März 19

Gesamt Geburten 158 62 91 128 226 68 179 912 100,00

Geburten HGK 7 1 3 5 7 4 4 31 3,399

April 19

Geburten gesamt 142 67 88 128 236 67 152 880 100,00

Geburten HGK 4 1 6 8 11 3 3 36 4,09

Page 54: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

49

(IV.d) Erfassung und Bearbeitung der Komponenten eines ‚Best Practice‘ Modells

hebammengeleiteter Kreißsaal

Neben der Berücksichtigung der wissenschaftlichen Evidenz müssen für ein ‚Best Practice‘

Modell die Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der vorhandenen Hebammenkreißsäle

erfasst werden. Für den empirischen Vergleich ist zu berücksichtigen, wie das Konzept an

den jeweiligen Standorten in die Praxis umgesetzt ist und welche Erfahrung die dort Tätigen

machen. Alle Anwender sollten einbezogen werden, und alle Aspekte des

Versorgungsmodells (formale Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, Implementierung,

gelebte Praxis, Schwierigkeiten, Besonderheiten und Hürden) erfasst werden.

(1.) Datenerhebung: Instrumente und Methoden

Die Datenerfassung zur empirischen Erfassung der standortspezifischen Umsetzung des

Konzepts und die Einbindung der Erfahrungen der dort Praktizierenden erfolgte an allen zum

Zeitpunkt des Projektbeginns bestehenden Hebammenkreißsälen in NRW und umfasste

jeweils Vertreter der Ärzte- und Hebammenschaft. Eingesetzt wurden unterschiedliche

Erhebungsinstrumente, die dynamisch aufeinander bezogen waren, indem die Auswertung

einer Erhebung die Art der folgenden Methode beeinflusste. Alle sieben Krankenhäuser in

NRW waren nach dem Erhalt von Informationen über Ziele und Methoden des

Forschungsprojekts bereit, am Teilprojekt ‚Best Practice‘ teilzunehmen. Ferner stellten sie

ihre Beteiligung an der Datenerhebung zu den Teilprojekten 2 und 3 in Aussicht. Für die

pseudonymisierte Auswertung wurde eine mündliche Einverständnis eingeholt.

Die folgenden Instrumente kamen für die Datenerhebung zum Einsatz:

(i) Fragebögen zur Erfassung von Basisdaten (Fragebogen 1), siehe Anhang 1;

(ii) Telefoninterviews, strukturiert über einen Fragebogen mit offenen und

geschlossenen Fragen (Fragebogen 2), siehe Anhang 2;

(iii) Sichtung und Vergleich der für die Hebammenkreißsäle erstellten Dokumente

aller Kliniken;

(iv) Sichtung der Bewertungsbögen zum Kriterienkatalog des Handbuchs

Hebammenkreißsaal (4);

(v) Erste Klausurtagung mit ärztlichen und Hebammenvertretern aller Kliniken mit

Hebammenkreißsälen in NRW zum Erfahrungsaustausch zu den

Page 55: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

50

Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Konzeptanwendung der jeweiligen

Standorte;

(vi) Zweite Klausurtagung zur Erarbeitung von Komponenten eines ‚Best Practice‘.

(2.) Fragebogen Eins: Basisdaten

Fragebogen 1 (siehe Anhang 1) wurde im Rahmen eines Besuchs der Mitglieder der

Projektgruppe bei den teilnehmenden Kliniken zur Vorstellung des Forschungsprojekts im

Zeitraum Juni bis Juli 2018 erhoben. Erfragt wurden allgemeine Daten (Klinikgröße,

Versorgungslevel, Personalstamm, Organisation Schwangerenbetreuung) sowie Daten zum

Versorgungskonzept HGK (Eröffnungsjahr, Implementierungsschritte, organisatorische,

personelle und inhaltliche Einbettung in die bestehende ärztlich geleitete geburtshilfliche

Versorgung, Qualitätssicherung).

Die Auswertung erfolgte in pseudonymisierter Form. Das Versorgungslevel der beteiligten

Kliniken lag zwischen I und IV, jedoch ohne Beteiligung einer Klinik des Levels III. Die

Erfahrung mit dem Konzept betrug zwischen sechs Monaten und 10 Jahren. Alle Kliniken, die

das Konzept nach 2007 einführten (fünf der sieben Kliniken), taten dies in Anlehnung und

nach Vorgabe des Handbuchs Hebammenkreißsaal (4). Die beiden Kliniken, die das

Versorgungsmodell bereits vor der Publikation des Handbuchs eingeführt hatten, gaben an,

ähnlich zu den Vorgaben des Handbuchs vorgegangen zu sein. Das ergänzende

Betreuungsmodell wurde von allen Kliniken beworben. Alle Kliniken erstellten spezielle

Dokumente (siehe unten), die auch eine Einverständniserklärung der Gebärenden

einschließt. Die Voraussetzungen für eine Teilnahme am Konzept wurden in allen Kliniken

mittels eines von der Berufsgruppe der Ärzte und Hebammen gemeinsam erstellten

Dokuments (Kriterienkatalog) schriftlich festgelegt (siehe unten). Die (geschätzte oder

erfasste) Anzahl von Geburten im hebammengeleiteten Kreißsaal in den 12 Monaten vor der

Befragung lag zwischen 20 und 120 Frauen, die geschätzte Überleitungsrate in das ärztliche

Betreuungsmodell 40-60%. In der Mehrzahl der Kliniken (fünf der sieben Kliniken) beteiligen

sich alle Hebammen am Betreuungsmodell.

(3.) Sichtung der hebammenkreißsaal-spezifischen Unterlagen aller Krankenhäuser

Alle Krankenhäuser erstellten spezielle Dokumente für das Konzept hebammengeleitete

Geburt, siehe Tabelle 4). Kriterienkatalog und Einverständnis-Erklärung werden von allen

Page 56: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

51

Häusern verwendet und sind nach der Vorlage des Handbuchs Hebammenkreißsaal erstellt.

Zwei Krankenhäuser beziehen die aktuelle nordrhein-westfälische Berufsordnung für

Hebammen in die Einverständniserklärung ein. Weitere Dokumente, die nicht von allen

Häusern erstellt wurden beinhalten einen Aufnahme-/Dokumentationsbogen; einen

Geburtsplan; eine Standard Operating Procedure (SOP) Hebammenkreißsaal; eine interne

Statistik; einen Fragebogen zur Zufriedenheit; sowie Broschüren mit Informationen zum

Versorgungskonzept. Als ‚Kernstück‘ der Dokumentationen wurde der Kriterienkatalog

identifiziert. Er wird im Folgenden vergleichend vorgestellt.

Tabelle 4. Für den Hebammenkreißsaal erstellte Dokumente der sieben geburtshilflichen

Abteilungen in NRW mit dem Versorgungskonzept hebammengeleiteter Kreißsaal.

Unterlagen/ Kliniken 1 2 3 4 5 6 7

Aufnahmebogen/ Dokumentation ja nein ja ja ja nein ja

Einverständniserklärung ja ja ja ja ja ja ja

Kriterienkatalog ja ja ja ja ja ja ja

Interne Statistik nein nein nein nein ja ja ja

Personenbefragung (prä/post) ja nein ja nein ja nein ja

Flyer nein ja nein ja ja nein ja

Gesprächsleitfaden ja ja ja ja ja ja nein

SOPs nein nein nein ja ja nein nein

Abschlussuntersuchung Wöchnerin nein nein nein ja nein nein nein

Postpartale Zufriedenheit ja nein nein nein nein nein nein

Geburtsplan nein nein ja nein ja nein ja

(4.) Vergleich der Kriterienkataloge der Hebammenkreißsäle in NRW

Der Kriterienkatalog dient allen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, die das

Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal anbieten, als Entscheidungsgrundlage für die

Aufnahme einer Schwangeren in das Betreuungsmodell, sowie zur kontinuierlichen

Einstufung. Einrichtungen, die das Konzept nach Erscheinen des Handbuchs

Hebammenkreißsaal 2007 (4) etablierten, nutzen die dort enthaltene Vorlage. Die beiden

Page 57: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

52

Krankenhäuser, die das Modell vor 2007 eingeführt hatten, hatten einen eigenen

Kriterienkatalog entwickelt. Der Kriterienkatalog sieht über die Vorgabe eines Erst- und

Zweitgesprächs einen zweistufigen Rekrutierungsprozess vor. Dieses Verfahren wird - mit

Ausnahme einer Einrichtung, die aus Zeitgründen den Aufnahmeprozess auf ein Vorgespräch

reduziert hat - von allen Hebammenkreißsälen NRWs praktiziert.

Die Inhalte der Kriterienkataloge aller Hebammenkreißsäle NRWs und zusätzlich des

Handbuchs Hebammenkreißsaal (4) wurden vom Forschungsteam verglichen und

entsprechend der Themenkomplexe wie folgt zusammengefasst:

Themenkomplex 1: Anamnese und Befunde bei Schwangerschaftseintritt

(Mutterpass: Katalog A)

Hier herrscht Einigkeit bezüglich der Notwendigkeit einer Arztkonsultation (oder eines

Ausschlusses) bei Vorliegen relevanter Vorerkrankungen und nach Komplikationen bei

vorangegangenen Geburten.

Eine differierende Bewertung findet bezüglich psychosozialer und biometrischer Daten statt.

Unterschiedliche Handlungsanweisungen bestehen für das Kriterium Zustand nach Sectio /

anderen Uterusoperationen: sie sind von der Bewertung der vorhandenen Datenlage des

verantwortlichen Arztes abhängig.

Ein Widerspruch besteht in der Bewertung des Kriteriums „totes / geschädigtes Kind in der

Anamnese“. Während bei Erfüllung dieses Kriterium einstimmig eine Konsultation

vorgesehen ist, wird in Folgepunkten des Katalogs für Situationen, die dieses Kriterium

illustrieren (Zustand nach Schulterdystokie, Zustand nach vorzeitiger Plazentalösung,

Zustand nach kindlichen Geburtsschäden) einstimmig die Betreuung im ärztlich geleiteten

Kreißsaal gefordert.

Verschiedene Ziffern des Kriterienkatalogs A des Handbuchs Hebammenkreißsaal fehlen in

den Kriterienkatalogen aller Hebammenkreißsäle (Ziffern 5; 14-17; 19; 25-26). Sie betreffen

u.a. frühere Bluttransfusion, Vielgebärende, Zustand nach Frühgeburt unter der 37.

Schwangerschaftswoche und andere Kriterien.

Page 58: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

53

Themenkomplex 2: Befunde im Schwangerschaftsverlauf

(Mutterpass: Katalog B)

Hier herrscht Einigkeit bezüglich der Notwendigkeit einer Arztkonsultation bzw. einer

Weiterleitung in den ärztlich geleiteten Kreißsaal für mütterliche Erkrankungen (incl.

Drogen-, Alkohol-, Nikotinkonsum), Medikamenteneinnahme, schwerwiegende

geburtshilfliche Befunde (z.B. Plazenta prävia), sowie bei Auftreten schwangerschafts-

spezifischer Erkrankungen (z.B. Präeklampsie).

Die Handlungsanweisungen bei Vorliegen eines Gestationsdiabetes in seinen verschiedenen

Formen sowie bezüglich der Kriterien „besondere psychische / soziale Belastung“ und

anderen sozio-ökonomischen Kriterien (z.B. Minderjährigkeit) sind von sehr großer

Heterogenität gekennzeichnet.

Ein praxisrelevantes Kriterium wurde zusätzlich in alle Kataloge aufgenommen (Ziffer 53.

Virusinfektionen; akuter Herpes genitalis; akute Condylome).

Im Vergleich zum Kriterienkatalog des Handbuchs Hebammenkreißsaal werden mehrere

Kriterien nicht erwähnt (Ziffern 40; 41; 43 des Katalogs B). Diese betreffen vor allem den

Themenkomplex Frühgeburtlichkeit.

Themenkomplex 3: Geburtsrisiken

(Perinatalerhebung: Katalog C)

Hier herrscht Einigkeit bezüglich der Notwendigkeit einer Arztkonsultation bzw. einer

Weiterleitung in das ärztlich geleitete Versorgungsmodell bei unter der Geburt

entstehenden Auffälligkeiten der Mutter (z.B. Präeklampsie, Fieber) und des Ungeborenen

(z.B. pathologisches fetales Herzfrequenzmuster), im Fall von Lage-, Stellungs- und

Haltungsanomalien des Ungeborenen, sowie bei Erforderlichkeit einer medikamentösen

Intervention (Schmerzmittel, Wehenunterstützung).

Unterschiedliche Handlungsanweisungen bestehen bezüglich des Vorgehens bei vorzeitigem

Blasensprung, Terminüberschreitung und protrahiertem Geburtsverlauf.

Die Ziffern 63-64, 67-70, und 75-76 des Kriterienkatalogs Handbuch Hebammenkreißsaal

fehlen in den Kriterienkatalogen aller HGKs. Sie betreffen die Themenkomplexe

Frühgeburtlichkeit und verschiedene mütterliche Erkrankungen.

Page 59: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

54

Themenkomplex 4: Postnatale Krankheiten / Störungen Neugeborenes

(Perinatalerhebung: Katalog D)

Einigkeit besteht bezüglich der Notwendigkeit einer Arztkonsultation bzw. einer

Weiterleitung in den ärztlich geleiteten Kreißsaal bei Auffälligkeiten des Neugeborenen, die

sich aus dem Geburtsverlauf ergeben (z.B. Anpassungsstörung), und Fehlbildungen.

Auch bezüglich dieses Themenkomplexes weisen die praktizierenden Hebammenkreißsäle

weniger Kriterien als die Vorlage Handbuch Hebammenkreißsaal aus. Die nicht

eingeschlossenen Ziffern (6-8, 10-15, 18-19, 21-24, 28, 35-36, und 39) betreffen

verschiedene Erkrankungen und Fehlbildungen des Neugeborenen.

Themenkomplex 5: Postpartale Störungen Frau

(Perinatalerhebung: Katalog E)

Einigkeit besteht bezüglich der Notwendigkeit einer Arztkonsultation bzw. einer

Weiterleitung in den ärztlich geleiteten Kreißsaal bei Auftreten von Besonderheiten der

Plazentaphase und der Versorgung von Geburtsverletzungen.

Themenkomplex 6: Sonstiges

Zwei Einrichtungen führen als zusätzliches Kriterium mit der Handlungsanweisung

Weiterleitung „Wunsch der Hebamme“ auf.

(5.) Fragebogen Zwei: Etablierung von Hebammenkreißsälen und Erfahrungen mit dem Konzept

Fragebogen Zwei (siehe Anhang 2) wurde auf der Grundlage der Informationen des ersten

Fragebogens sowie der Kenntnis, dass alle Einrichtungen das Handbuch Hebammenkreißsaal

als Orientierung nutzen, im Rahmen von Telefoninterviews erhoben. Die Befragung erfolgte

im Zeitraum September bis Oktober 2019, und wurde nach Berufsgruppen getrennt

durchgeführt, d.h. Befrager und Befragte gehörten der gleichen Berufsgruppe an.

Fragebogen Zwei konzentrierte sich auf Fragen zur Etablierung des Konzeptes an der

jeweiligen Einrichtung. Darüber hinaus hatten die Befragten die Möglichkeit, ihre

Erfahrungen mit dem Konzept, dessen Stärken und Schwächen zu formulieren. Die

Auswertung von Fragebogen Zwei erfolgte pseudonymisiert.

Page 60: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

55

(Ad 1) Vorgehensweisen bei der Etablierung der Hebammenkreißsäle in NRW

1. Institutionelle Vorbereitung, einschließlich einer Bestandsaufnahme

Eine institutionelle Vorbereitung inklusive einer Bestandsaufnahme wurde mehrheitlich

durchgeführt, jedoch auf Nachfrage weder in der im Handbuch Hebammenkreißsaal (4)

vorgegebenen Systematik noch nach einem anderen System. Die Durchführung einer

Bestandsaufnahme vor der Implementierung eines neuen Konzeptes stellt einen integralen

Teil eines erfolgreichen Projektmanagements dar. Entsprechend nimmt die Ist-Analyse im

Handbuch Hebammenkreißsaal einen großen Raum ein – 58 Punkte auf 12 Seiten (4). Die Ist-

Analyse des Handbuchs wird daher vom Forscherteam bezüglich ihrer Inhalte

durchgearbeitet, s.u..

Mit Ausnahme einer Einrichtung besuchten alle im Stadium der Planung einen bereits

bestehenden Hebammenkreißsaal. Die Mehrzahl der Befragten empfiehlt diese Maßnahme

auch Interessierten, die die Einrichtung eines Hebammenkreißsaals planen.

2. Organisatorische Vorbereitung einschließlich Erstellung eines Arbeitsplans

Die organisatorische Vorbereitung beinhaltete für alle Hebammenkreißsäle die Einbeziehung

weiterer Berufsgruppen bzw. Funktionsträger des Krankenhauses (z.B. Pflegedienstleitung,

Neonatologie, Vertretung aus dem Qualitätsmanagement). Eine Steuerungsgruppe mit

interdisziplinärer Besetzung wurde von allen Kliniken bestimmt.

3. Inhaltliche Vorbereitung

Fünf der sieben Einrichtungen führten gezielte vorbereitende Qualifikations- und

qualitätssichernde Maßnahmen durch (Fortbildungsveranstaltungen, Fallbesprechungen

etc.). Alle Hebammenkreißsäle erstellten HGK-spezifische Dokumente. Diese sind in Tabelle

4 (s.o.) aufgelistet.

4. Formale Vorbereitung

Eine rechtliche Prüfung wurde von allen Einrichtungen durchgeführt, ohne dass hierbei

nennenswerte Probleme berichtet wurden. Die Öffentlichkeitsarbeit erfolgte überwiegend

über bereits bestehende Informationswege (Kreißsaalführung, Internetauftritt, Broschüren

etc.).

Page 61: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

56

(ad 2) Erfahrungen mit dem Hebammenkreißsaal, Stärken und Schwächen

Antworten der im Hebammenkreißsaal Praktizierenden zu ihren Erfahrungen mit dem

Konzept, dessen Stärken und Schwächen können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Anstoß zur Einführung des Versorgungskonzepts kam sowohl von Hebammen- als auch

von Ärzteseite. Mit Ausnahme zweier Einrichtungen konnten alle Hebammen des jeweiligen

Teams nach entsprechenden Informationsveranstaltungen zur Mitarbeit im Konzept

gewonnen werden. Die Vorbereitungszeit lag zwischen sechs und 24 Monaten. Die

Implementierung erfolgte - an die örtlichen Verhältnisse angepasst – in den folgenden

Bereichen durchaus unterschiedlich: Einbeziehung verwandter Berufsgruppen (z.B. Vertreter

aus den Bereichen Qualitätsmanagement, Pflegedienstleitung, Kinderärzte) und Sektoren

(z.B. Schwangerenambulanz, Neugeborenenstation, Wöchnerinnenstation, Elternschule);

Durchführung einer formalisierten Vorab-Analyse; Umsetzung der Eins-zu-Eins Betreuung

bzw. Dienstplangestaltung; Formalisierung der Arztkonsultation. In Vorbereitung auf die

Einführung des Versorgungskonzepts organisierten Hebammen aller Einrichtungen

Schulungen zu verschiedenen Themen (z.B. praktisches Training zur Versorgung von

Geburtsverletzungen; Fortbildungen zur CTG-Auswertung und zu Gesprächsführung). Eine

rechtliche Prüfung bzw. Vorlage des Konzepts bei der Verwaltung fand in allen Einrichtungen

statt. Zweifel und Skepsis bezüglich des Versorgungskonzeptes gab es sowohl von Ärzteseite

als auch von der Verwaltung und / oder der Pflegedirektion. Die Skepsis bezog sich sowohl

auf Arbeitsinhalte als auch auf die Umsetzung (z.B. bezüglich Dienstplangestaltung und

organisatorischen Rahmenbedingungen).

Die befragten Ärzte negieren überwiegend eine Auswirkung auf ihre Arbeitszufriedenheit.

Hebammen bejahen die Frage nach der Verbesserung der Arbeitszufriedenheit durch ihre

Tätigkeit im Hebammenkreißsaal. Sie empfinden die Arbeit im HGK als eine Bereicherung,

die jedoch auch zu einer Belastung werden kann - entweder aufgrund der höheren

Verantwortung oder personeller Engpässe. Hebammen finden sich mit ihrer Arbeit im HGK

von Ärzten mehr wertgeschätzt.

Die Fragen nach Stärken und Schwächen des Konzepts werden sehr ausführlich und

innerhalb der beiden Berufsgruppen in weiten Teilen übereinstimmend beantwortet: Ärzte

schätzen die Arbeit der Hebammen in dem Versorgungsmodell als motivierend für

Page 62: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

57

Hebammen ein. Hebammen sehen in der Arbeit im Konzept eine Möglichkeit der

Wiedererlangung ihrer originären Hebammentätigkeit. Beide Berufsgruppen betrachten den

Hebammenkreißsaal als Möglichkeit, die Individualität der Gebärenden zu respektieren und

eine physiologische Geburt zu unterstützen. Schwächen des Konzepts werden

übereinstimmend vorwiegend in der Personalintensität des Konzepts gesehen.

Die Auswertung von Fragebogen Zwei führte zur Identifikation von Themenblöcken mit

Diskussionsbedarf. Als Methode zur Bearbeitung der diskussionswürdigen Themen wurde

das Prinzip der Klausurtagung gewählt. Pro Einrichtung wurde je eine ärztliche und eine

Hebammen-Vertretung eingeladen. Die Themenbereiche wurden in homogenen oder

gemischten Arbeitsgruppen bearbeitet. Moderierte Diskussionen fanden in homogenen oder

gemischten Gruppen oder im Plenum statt (s.u.).

(6.) Erste Klausurtagung

Nach der Auswertung der verfügbaren Daten wurde die erste Klausurtagung durchgeführt.

Diese diente dem direkten Erfahrungsaustausch der Praktizierenden sowie der Diskussion

der gewonnenen Erkenntnisse. Als Medium zur Darstellung der Ergebnisse wurden Poster

erstellt.

Klausurtagung Eins fand am 6.12.2018 statt (Programm siehe Anhang 3). Mit Ausnahme

eines ärztlichen Vertreters waren für alle Einrichtungen jeweils ein Arzt sowie eine

Hebamme anwesend. Ein fachfremder Moderator leitete die Klausurtagung. Thema,

Fragestellungen und Ziele der Klausurtagung wurden mit dem Moderator in vorbereitenden

Sitzungen diskutiert. Drei Ziele der Veranstaltung wurden vorab festgelegt:

Die Komponenten eine ‚Best Practice‘ Modells hebammengeleiteter Kreißsäle sind

identifiziert;

Wesentliche Herausforderungen bei der Umsetzung der einzelnen Komponenten

sowie des Gesamtkonzepts sind identifiziert und diskutiert;

Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von hebammengeleiteten Kreißsälen sind

identifiziert.

Als Einstieg in die Teamarbeit wurden die Ergebnisse des ersten Fragebogens in Form eines

Posters vorgestellt (siehe Anhang 4). Des Weiteren waren die Ergebnisse der Auswertung

Page 63: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

58

des zweiten Fragebogens durch das Projektteam in drei Postern zusammengefasst worden.

Diese wurden vorgestellt und diskutiert (siehe Anhang 5-7). Themenkomplexe betrafen

die Eins-zu-Eins Betreuung und Betreuungskriterien eines Hebammenkreißsaals;

die interdisziplinäre Zusammenarbeit;

die Mitarbeit des gesamten Teams;

die Versorgung von Geburtsverletzungen;

den Einfluss des Versorgungsmodells auf die Arbeitszufriedenheit;

Stärken und Schwächen des Modells;

Hürden und Herausforderungen bei der Einführung.

Eins-zu-Eins Betreuung und Betreuungskriterien

Die Punkte Eins-zu-Eins Betreuung und Betreuungskriterien wurden, wie schon in den

Telefoninterviews für Fragebogen Zwei, vorwiegend auf der formalen und nicht auf der

inhaltlichen Ebene behandelt. Die Gewährleistung einer Eins-zu-Eins Betreuung wurde in

den verschiedenen Einrichtungen sehr unterschiedlich wie folgt umgesetzt: mit

unverändertem Personalstamm; nach Schaffung einer zusätzlichen Stelle; durch

Umwidmung einer ärztlichen Teilzeitstelle; oder durch eine Änderung des Dienstplanmodells

(Einführung Rufdienst). Ein Diskussionsschwerpunkt lag auf der Frage nach der

Notwendigkeit, eine zweite Hebamme zur Geburt hinzuzuziehen, insbesondere falls dies aus

Kapazitätsgründen schwierig bis unmöglich ist. Es wurde diskutiert, ob eine ausbleibende

Hinzuziehung zwangsläufig eine Weiterleitung in das ärztliche Betreuungsmodell nach sich

ziehen müsse.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit war bereits bei den Telefoninterviews für Fragebogen

Zwei als unproblematisch beschrieben worden. Dies wurde auf der Klausurtagung erneut

bestätigt. Unterschiede ergaben sich im Grad der Formalisierung der Zusammenarbeit, die

von einer unbürokratischen mündlichen Information bis zu einer schriftlichen

Dokumentation in der Patientenakte reicht. Weitere Diskussionspunkte ergaben sich im

Rahmen der Klausurtagung nicht.

Page 64: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

59

Mitarbeit des gesamten Hebammenteams

Überwiegend bedurfte es mehrerer Maßnahmen, um alle Hebammen des entsprechenden

Teams einer Klinik zu einer Mitarbeit im HGK zu motivieren. Dennoch gelang dies nicht in

allen Einrichtungen. Die fehlende Beteiligung einzelner Hebammen wird vom Rest des

Teams als Nachteil bewertet. Auch hier ergab sich im Rahmen der Klausurtagung kein

weiterer Diskussionsbedarf.

Die Versorgung von Geburtsverletzungen

Bereits im Vorfeld hatten sich hier Differenzen zwischen den Anwendern des

Betreuungskonzepts ergeben. Während die Versorgung von Geburtsverletzungen in

manchen Einrichtungen ein selbstverständlicher Bestandteil der Hebammenarbeit ist, wird

diese in anderen Institutionen durch ein ärztliches Konsil geregelt. Die konsiliarische

Regelung bewerten sowohl die beteiligten Ärzte als auch die Hebammen als ein Minus - von

ärztlicher Seite wird die ausschließliche Delegation dieses Teils der Geburt als negativ erlebt,

Hebammen erleben ihre fehlende Kompetenz als nachteilig. Die Diskussion erbrachte als

Hauptursache eine fehlende Praxis, aus der eine große Hemmschwelle entsteht. Hier

wurden Praxistipps ausgetauscht wie z.B. das Üben der Versorgung von Geburtsverletzungen

bei Geburten im ärztlichen geleiteten Entbindungsmodell unter ärztliche Supervision.

Einfluss des Konzeptes auf die Arbeitszufriedenheit

Bereits im Telefoninterview zu Fragebogen Zwei war eine Auswirkung auf die

Arbeitszufriedenheit von den ärztlichen Vertretern überwiegend negiert worden, während

Hebammen die Frage nach einer höheren Arbeitszufriedenheit bejahten. Hebammen

empfinden die Arbeit im Versorgungskonzept als eine Bereicherung, die jedoch auch zu einer

Belastung werden kann. Letztere entsteht z.B. aufgrund der Verantwortung oder personeller

Engpässe. Im Rahmen der Klausurtagung ergab sich eine Diskussion zum Thema

bürokratischer Aufwand der Geburtsdokumentation. Hebammen empfinden die Übernahme

der Geburtsdokumentation als Belastung; Ärzte betrachten das Übernehmen der

Dokumentation einer hebammengeleiteten Geburt nicht als ihre Aufgabe und – sofern sie

doch von ihnen durchgeführt werden muss – als Nachteil des Modells.

Page 65: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

60

Stärken und Schwächen des Konzepts

Zu den bereits im Telefoninterview zu Fragebogen Zwei geäußerten Stärken des Konzepts

ergaben sich in der Diskussion keine weiteren Aspekte. Beide Berufsgruppen waren sich

bezüglich der Stärke des Konzepts einig und identifizierten diese in den folgenden Bereichen:

formal-institutionell im Sinne einer Angebotserweiterung;

inhaltlich im Sinne der Förderung einer natürlichen Geburt und Stärkung der Frau;

persönlich-professionell im Sinne einer Wertschätzung der Hebammenarbeit.

Ein interessanter Punkt wurde von allen Teilnehmenden berichtet:

Hebammenkompetenzen, die über die Arbeit im HGK wiedererlangt wurden, werden in die

ärztlich geleitete Geburt übernommen. Als Übertragungs-Effekt generiert die Arbeit im

Hebammenkreißsaal auch in den ärztlichen geleiteten Kreißsaal eine positive Wirkung.

Bezüglich der Schwächen des Versorgungskonzepts wurden ebenfalls keine weiteren

wesentlichen Punkte zu den bereits im Interview erhobenen hinzugefügt. Die Aufwendigkeit

des Konzepts wurde von beiden Professionen bestätigt.

Hürden und Herausforderungen bei der Einführung

In homogenen Arbeitsgruppen (Hebammen mit Hebammen und Ärzte mit Ärzten) wurden

Hürden und Herausforderungen bei der Einführung des Versorgungskonzepts bearbeitet.

Hier ergaben sich erwartungsgemäß unterschiedliche Aspekte. Von Hebammenseite wurde

als größte Hürde die Einigkeit im Team identifiziert. Das Zeitbudget – sowohl bezüglich der

Zeit für die Projektarbeit als auch bezüglich der Eins-zu-Eins Betreuung – wurde als weiteres

Hemmnis identifiziert. Zusätzliche Punkte waren der größere bürokratische Aufwand (die

Geburtendokumentation, die im ärztlichen Modell durch den entbindenden Arzt

durchgeführt wird, ist im HGK Aufgabe der Hebamme), rechtliche Hürden, sowie

Unklarheiten bei organisatorischen Abläufen und Entscheidungen. Als Herausforderung

wurde entsprechend insbesondere die prekäre zeitliche Situation hervorgehoben,

verbunden mit der Befürchtung, dass positive Ziele durch die Zusatzbelastung aus dem

Fokus rücken. Die Zeitproblematik erschien in jedem Aspekt – bezüglich der

Dienstplangestaltung, der Personalallokation, der Berücksichtigung hebammengeleiteter

Geburten bei hohem Arbeitsaufkommen, sowie bei der Planung und Zeitallokation der

erforderlichen Fortbildungen.

Page 66: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

61

Die interdisziplinäre Kommunikation wurde ebenfalls als Herausforderung thematisiert,

speziell die Durchführung von Konsilen bzw. Regelung der Weiterleitung. Als weitere

Herausforderung wurde die Umsetzung des Betreuungsbogens aufgeworfen, die das

Wochenbett bzw. Entlass-Management der Mutter nach hebammengeleiteter Geburt

beinhaltet. Der Umgang mit Geburtsverletzungen bzw. die Versorgung derselben wurde

erwartungsgemäß ebenfalls als Herausforderung für den Betrieb eines HGKs identifiziert.

Von Seiten der Ärzteschaft wurden als Hürden insbesondere Befürchtungen formuliert, die

die Abgabe von Verantwortung, die Sorge, aus der Geburtshilfe gedrängt zu werden (und

daraus abgeleitet die mangelnde Erfahrung von Ärzten in der Betreuung physiologischer

Geburten) betrafen. ‚Loslassen können‘ erschien allen Beteiligten eine große Hürde. Die

organisatorische Einbindung des Versorgungskonzepts in den regulären Kreißsaal-Alltag

erschien eine Herausforderung. Desgleichen die aus der Wiedererlangung von Fähigkeiten

und Kenntnissen resultierende Übernahme von Aufgaben durch Hebammen. Zudem wurde

eine ungleich verteilte Motivation zwischen den Hebammen und die daraus folgende

Notwendigkeit, Interesse bzw. Motivation für das Versorgungskonzept zu wecken und

beizubehalten, auch im Hinblick auf den unterschiedlichen Ausbildungsstand sowie die

Personalfluktuation, als Herausforderung identifiziert. Juristische und finanzielle Aspekte

wurden ebenfalls als Herausforderung thematisiert.

Im nächsten Schritt wurden in gemischten Arbeitsgruppen Vorschläge erarbeitet, um Hürden

und Herausforderungen zu begegnen. Einigkeit bestand darin, dass Hürden und

Herausforderungen von beiden Berufsgruppen gemeinsam bewältigt werden sollen. Die

Klärung von Verantwortlichkeiten bzw. Rollen und die Etablierung von Supervisionen und

Fallbesprechungen – sowohl intra- als auch interprofessionell - wurde jedoch als Aufgabe der

ärztlich Verantwortlichen gesehen. Vorschläge zum Thema Teambildung waren wie folgt:

Aufklärung; Interesse wecken; Schulungen – sowohl als gemeinsame interdisziplinäre

Teamschulungen, als auch als hebammenspezifische Schulungen (durch Ärzte, z.B. zur

Versorgung von Geburtsverletzungen); gemeinsame Entscheidungen herbeiführen; die Be-

Werbung des Konzepts – über Einbindung in die Ausbildungsinhalte in Hebammenschulen,

über Kongresse und Berufsverbände.

Page 67: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

62

Die erfolgreiche Bearbeitung der Hürden und Hemmnisse führt laut übereinstimmender

Bewertung beider Berufsgruppen zu mehr Freude an der Arbeit, zur Wertschätzung der

eigenen Arbeit und der Arbeit der anderen Berufsgruppe, zu Sicherheit und gegenseitigem

Vertrauen, zur interdisziplinären Arbeit auf Augenhöhe sowie zur Arbeitserleichterung und

übersichtlichen Arbeitsorganisation.

Zuletzt wurden die durch das Projektteam identifizierten Komponenten eines

Hebammenkreißsaals vorgestellt und in dieser Form durch die Teilnehmer der Klausurtagung

bestätigt. Eine externe Begleitung bei der Implementierung sowie ein

Zertifizierungsverfahren wurde angeregt.

In einer abschließenden Denkrunde wurden potentielle Hintergründe einer Kritik an dem

Versorgungskonzept gesammelt. Genannt wurde die Unwissenheit bei Hebammen; die

Angst vor Veränderungen per se in beiden Berufsgruppen; die Angst vor Machtverlust, vor

Bedeutungsverlust und vor Qualitätsverlust (Ärzte); die Angst vor Übernahme der alleinigen

Verantwortung (Hebammen); sowie das Sicherheitsbedürfnis der Gebärenden. Die Frage,

wie damit konstruktiv und nicht konfrontativ umgegangen werden könnte wurde aufgrund

des Zeitbudgets nicht bearbeitet.

(7.) Bearbeitung der Ist-Analyse und Verschlankung des Kriterienkatalogs

Ist-Analyse

Die Durchführung einer Bestandsaufnahme ist eine unabdingbare Voraussetzung vor Beginn

der Umsetzung eines Projekts, nach Aufkommen der Projektidee. Sie folgt den Vorgaben

gängiger betriebswirtschaftlicher Modelle, z.B. als ‚SWOT-Analyse‘ (SWOT: strengths,

weaknesses, opportunities, threats). Hierzu gehört die Durchführung einer externen Umfeld-

Analyse (Chancen und Risiken) und einer internen Analyse (Profil der Stärken und

Schwächen). Danach erfolgt die Erstellung einer Matrix, die die externe und interne Analyse

gegenüberstellt; in der Matrix werden Überschneidungen gefiltert und auszubauende,

aufzuholende, abzusichernde und zu meidende Faktoren identifiziert. Alle Akteure sollten an

der SWOT-Analyse beteiligt werden. Für die Projekterstellung HGK wären dies neben

Hebammen Vertreter der Bereiche Pflegedienstleitung, Verwaltung und ärztlicher Dienst

Page 68: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

63

Geburtshilfe, unter Konsultation von Vertretern des Krankenhausträgers, der Versicherung,

Rechtsabteilung, Administration und weiterem ärztlichen und Pflegepersonal (Kinderärzte,

Pflegepersonal Wöchnerinnenstation und Neugeborenenstation). Nach Analyse der Chancen

und Risiken sowie der Umfeldanalyse und Identifikation vorhandener und benötigter

Ressourcen wird das Projektziel eindeutig und vollständig, messbar, realisierbar und

terminiert definiert. Sodann wird – entsprechend der Arbeitsaufträge – ein Projektplan mit

Arbeitspaketen und Meilensteinen festgelegt.

Die Auswertung des zweiten Fragebogens erbrachte, dass die Akteure der jeweiligen

Krankenhäuser eine Bestandsaufnahme zwar mehrheitlich durchgeführt hatten, jedoch nicht

nach einer bestimmten Vorgabe. Da die Durchführung einer systematischen

Bestandsaufnahme eine wichtige Komponente eines erfolgreichen Projektmanagements

darstellt und im Handbuch Hebammenkreißsaal einen großen Raum einnimmt – 58 Punkte

auf 12 Seiten (4), untersuchte GEscHIcK die Osnabrücker Vorgabe nach Möglichkeiten, über

eine Verschlankung die Durchführung einer Bestandsaufnahme zu erleichtern.

Nach ausgiebiger Diskussion im Forschungsteam wurde knapp die Hälfte der 58 im

Handbuch Hebammenkreißsaal erwähnten Punkte (23 Punkte, entsprechend 40%) für

wichtig erachtet; diese konnten fünf Themenbereichen wie folgt zugeordnet werden und

erscheinen notwendige Komponenten einer Bestandsaufnahme:

Personal

Planstellen (besetzte und offene Stellen); Stellenschlüssel, Anzahl Hebammen pro

Schicht;

Infrastruktur

Kreißsaal-Ausstattung: Gebärwanne, Geburtsbett, Hilfsmittel vertikale Geburt,

wohnliche Atmosphäre;

Arbeitsorganisation

Schnittstellengestaltung; Integration in bestehende Organisationsformen (z.B.

Zertifizierung babyfreundliches Krankenhaus); Entlass-Management;

Qualifikation und inhaltliche Ausgestaltung

Definition Arbeitsinhalte (Abgrenzung zu nicht-originärer Hebammentätigkeit); SOP

Aufnahme zur Geburt; SOP Übergabe; Fertigkeiten zur Förderung der physiologischen

Geburt und des Bondings;

Page 69: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

64

Qualitätsmanagement

SOPs jenseits des HGKs; Möglichkeiten der Fortbildung; Interdisziplinarität.

Darüber hinaus wurde ein weiterer Themenbereich identifiziert. Dieser betrifft rechtliche

Aspekte wie z.B. die versicherungsrechtliche Klärung des HGKs, die eine Geburt ohne

ärztliche Anwesenheit beinhaltet sowie Haftpflicht-Aspekte, d.h. die Überprüfung der

Deckungssumme für eine Geburt im HGK.

Der Kriterienkatalog: Garant der medizinischen Sicherheit des Hebammenkreißsaals

Der Kriterienkatalog ist ein Bewertungsinstrument für Hebammen, entlang dessen sie eine

Entscheidung treffen können, ob Schwangere für eine Entbindung im hebammengeleiteten

Kreißsaal geeignet sind. Zum einen gibt der Kriterienkatalog den Hebammen die Parameter

an die Hand, anhand derer sie bei Erstvorstellung der Schwangeren die Eignung für das

Geburtsmodell bewerten können. Zum anderen hilft er zu prüfen, ob Frauen nach ihrer

Aufnahme in den Hebammenkreißsaal dort verbleiben können oder in die ärztlich geleitete

Betreuung weitergeleitet werden müssen. Die fortlaufende Anwendung des

Kriterienkatalogs gewährleistet damit die medizinische Sicherheit des Hebammenkreißsaals.

Die Durchsicht der Kriterienkataloge aller Hebammenkreißsäle, die Rückmeldungen der

Vertreter der Hebammen und Ärzte zur Vorlage Handbuch Hebammenkreißsaal sowie die

Diskussionen im Rahmen der ersten Klausurtagung erbrachten, dass der grundsätzliche

Aufbau des Kriterienkatalogs, der einen zweistufigen Aufnahmeprozess mittels zweier

Vorgespräche von allen Hebammenkreißsälen akzeptiert ist. Alle Befragten gaben an, dass

sich der Kriterienkatalog in der Praxis bewährt, und hatten nur geringfügige Anpassungen

der Vorlage vorgenommen. Eine prinzipielle Infragestellung von Aufbau und Inhalt des

Kriterienkatalogs fand nicht statt. Jedoch gab eine Klinik an, aus zeitlichen Gründen den

Aufnahmeprozess mittlerweile auf ein Vorgespräch reduziert zu haben; erste Erfahrungen

mit dem einstufigen Aufnahmeprozess, so die Rückmeldung der verantwortlichen

Hebamme, seien durchaus positiv.

Anpassung des Kriterienkatalogs

Die Überarbeitung des Kriterienkatalogs in der vorliegenden Form wurde von den Beteiligten

nicht eingefordert, sondern beruht auf der Initiative von GEscHIcK. Der überarbeitete

Page 70: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

65

Kriterienkatalog wird bezüglich Konzeption und Kriterien im Sinne eines ‚kleinsten

gemeinsamen Nenners‘ erstellt. Modifikationen oder Ergänzungen sind nachdrücklich

möglich.

Nachfolgend die Überlegungen, die der Überarbeitung zugrunde liegen:

Vorgeburtlich erfolgen zwei Gespräche mit den sich für den HGK interessierenden

Schwangeren. Für jedes Gespräch ist die Bearbeitung des Kriterienkatalogs mit

jeweils 53 Punkten vorgesehen. Dieses Vorgehen kann sehr aufwendig erscheinen.

Hintergründe für die die Durchführung von zwei Gesprächen sowie der Terminierung

des Erstgesprächs im zweiten Schwangerschaftsdrittel (24.-28.

Schwangerschaftswoche) sind die frühzeitige Vorstellung des Versorgungskonzepts;

die Beratung und Unterstützung in der Schwangerschaft, bei der

Entscheidungsfindung zur Wahl des Geburtsmodells und bei

Schwangerschaftsbeschwerden; sowie die Anbindung der Schwangeren an die

Geburtsklinik im Sinne eines Betreuungsbogens. Internationale Daten legen jedoch

nahe, dass Schwangere ihre Wahl für ein Geburtsmodell bereits in der ersten

Schwangerschaftshälfte treffen (59–63). Für Deutschland liegt keine

wissenschaftliche Untersuchung zur Wahl des Geburtsorts seit Einführung des

Versorgungskonzepts HGK vor. Im Sinne eines ‚kleinsten gemeinsamen Nenners‘ der

Anwendung des Konzepts ausschließlich für den Bereich Geburt (ohne den vor- und

nachgeburtlichen Betreuungsbogen) kann - so zeigt die gelebte Praxis eines

Krankenhauses bereits - die vorgeburtliche Vorstellung unter Vernachlässigung der

ergänzenden Beratung auch innerhalb eines einzigen Gesprächs in der

Spätschwangerschaft abgeschlossen werden.

Der mehrstufige Aufnahmeprozess in das Modell, der ein vorläufiges Einschließen der

Schwangeren nach dem Erstgespräch beinhaltet, kann für die Schwangere

Unsicherheit erzeugen, schafft Mehrarbeit und erschwert eine statistische Erfassung.

Eine Vereinfachung des Verfahrens ist durch eine Entscheidung über Ein- und

Ausschluss nach nur einem Gespräch in der Spätschwangerschaft zu erwarten. Damit

erübrigt sich auch die Kontrolle eventueller auffälliger Befunde der Erstvorstellung

(z.B. Kindslage).

Der physiologische Geburtsverlauf einer gesunden Schwangeren ist klar definiert. Der

Kriterienkatalog dient Hebammen als Entscheidungshilfe für den Fall, dass eine

Page 71: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

66

Schwangere oder Gebärende diese Kriterien nicht unmittelbar erfüllt. Die Wertigkeit

auffälliger Befunde ist jedoch sehr unterschiedlich: Ein Befund kann offensichtlich

sein – so ist z.B. der Nabelschnurvorfall ein geburtshilflicher Notfall, der eine

unmittelbare Weiterleitung in die ärztliche Betreuung bedingt. Ein Befund kann

jedoch auch eine Wertigkeit haben, die von der verantwortlichen ärztlichen Seite

unterschiedlich gewichtet wird (z.B. eine Schwangerschaft nach einem Kaiserschnitt

und danach erfolgter vaginaler Geburt). Oder ein Befund relativiert sich durch die

individuelle Vorgeschichte (z.B. eine Schwangere, die nach Definition kleinwüchsig

ist, aber bereits erfolgreich vaginal geboren hat). Desgleichen obliegt es der

jeweiligen ärztlichen Verantwortung, bei einer auffälligen Vorgeschichte der

Schwangeren vor einer endgültigen Entscheidung weitergehende Untersuchungen

anzuordnen (z.B. eine Ultraschalluntersuchung, falls das zuvor geborene Kind eine

intrauterine Wachstumsrestriktion aufwies).

Auf der Grundlage dieser Überlegungen erfolgte die Überarbeitung des Kriterienkatalogs

sowohl formal, d.h. bezüglich Anzahl und Zeitpunkten der Eignungsprüfung bzw. der

Notwendigkeit einer Weiterleitung, als auch inhaltlich wie folgt:

Reduktion der Vorgespräche in der Schwangerschaft auf ein Vorgespräch in der

Spätschwangerschaft (34.-38. SSW).

Überprüfung der weiterbestehenden Eignung der Schwangeren für den HGK bei

Aufnahme zur Geburt. Diese Maßnahme gehört üblicherweise zum

Standardvorgehen, wird bisher jedoch nicht separat dokumentiert. Der

Kriterienkatalog wird daher um eine Checkliste bei Aufnahme zur Geburt in den

Kreißsaal erweitert. Damit fallen im Katalog C der Perinatalstatistik (s.o.) die meisten

Ziffern weg; die restlichen Ziffern des Katalogs C sind überflüssig, da sie

pathologische Geburtsverläufe beinhalten, die per se von einer hebammengeleiteten

Geburt ausgeschlossen sind.

Es wird eine Reduktion der Handlungsanweisungen des Kriterienkatalogs von vier auf

zwei vorgenommen, nämlich ‚Konsultation‘ und ‚Weiterleitung‘. Bisher existieren

zwei weitere Handlungsanweisungen, nämlich ‚Konsultation, Einzelfallentscheidung‘

und ‚Einzelfallentscheidung Hebamme‘. Erstere erscheint redundant, da bei einer

Konsultation die Entscheidung aufgrund der Vorlage des einzelnen Falles erfolgt.

Page 72: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

67

Letztere Handlungsanweisung erscheint ausschließlich für die Befunde „besondere

psychische Belastung“ bzw. „besondere soziale Belastung“. Diese Befunde leiten sich

aus dem Mutterpass ab, um eine Risikoschwangerschaft zu erkennen. Da im Rahmen

des Vorgesprächs eine Einschätzung der Hebamme bezüglich der Eignung einer

Schwangeren stattfindet, die die psychosoziale Situation als integralen Bestandteil

der Risikobewertung einschließt, erscheint eine besondere Hervorhebung nicht

erforderlich.

Eine weitere Änderungen Kriterienkatalog betrifft die Anpassung der Terminologie:

Kriterium C 62 (Missbildung) wird in ‚Fehlbildung‘ umbenannt.

Der Entwurf des angepassten Kriterienkatalogs wurde den jeweiligen ärztlichen und

Hebammen-Vertretern der HGKs in NRW am 1. Februar 2019 zugesandt mit der Bitte, ihn

vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrung kritisch auf seinen Inhalt und seine praktische

Anwendbarkeit hin zu überprüfen. Die eingehenden Rückmeldungen wurden gesammelt und

für die im Rahmen der zweiten Klausurtagung anstehende Konsentierung aufbereitet.

(IV.e) Konsentierung des Kriterienkatalogs und Empfehlungen der Experten für ein ‚Best

Practice’ Modell Hebammenkreißsaal

Die Auswertung der Rückläufe des angepassten Kriterienkatalogs führte zur Identifikation

von Themenblöcke mit Diskussionsbedarf. Als Methode zur Bearbeitung der

diskussionswürdigen Themen wurde das Prinzip der Klausurtagung gewählt, für die

wiederum je eine ärztliche und Hebammen-Vertretung pro Institution eingeladen wurde.

Nach Chefarztwechsel der Klinik Paderborn wurde eine Teilnahme an der Entwicklung eines

‚Best Practice‘ Modells nicht mehr unterstützt. Daraufhin sagte die Vertreterin der

Hebammen der Klinik ihr Kommen ab. Eine ärztliche Teilnahme war bereits nach

Durchführung des ersten Interviews nicht mehr gewünscht. Auf Nachfrage wurde mitgeteilt,

dass das Konzept an der Klinik weitergeführt wird, jedoch ohne aktive Unterstützung der

ärztlichen Leitung.

Page 73: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

68

(1.) Ergebnisse der zweiten Klausurtagung

Klausurtagung ZWEI fand am 13.3.2019 statt (Programm siehe Anhang 8). Der fachfremde

Moderator der ersten Klausurtagung leitete auch die zweite Klausurtagung. Thema,

Fragestellungen und Ziele der Klausurtagung wurden mit dem Moderator in vorbereitenden

Sitzungen diskutiert. Die Ziele der Veranstaltung wurden vorab wie folgt festgelegt:

Der überarbeitete Kriterienkatalog ist diskutiert und angenommen;

Voraussetzungen für die Einführungen eines Hebammenkreißsaals sind identifiziert.

Als Einstieg in die Teamarbeit bekamen die Teilnehmenden zunächst die Aufgabe, in

homogenen Gruppen (Ärzte untereinander und Hebammen untereinander)

zusammenzutragen, was die jeweilige Berufsgruppe in der praktischen Arbeit im

Hebammenkreißsaal und in der Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Berufsgruppe

besonders schätzt.

Sodann wurde in homogenen Arbeitsgruppen der überarbeitete Kriterienkatalog diskutiert.

Um eine effiziente Bearbeitung zu ermöglichen, wurden die einzelnen Punkte des

Kriterienkatalogs vorab nach einem Ampelsystem drei Kategorien zugeteilt (siehe Anhang 9).

Unter einer grünen Markierung wurden Kriterien zusammengefasst, für die kein

Diskussionsbedarf antizipiert wurde (Beispiel: Einschlusskriterium Schädellage). Gelb

markiert wurden Kriterien, für die ein gewisser Diskussionsbedarf vermutet wurde (Beispiel

Altersgrenze). Rote Kriterien beinhalteten Themen, deren Handlungsanweisungen beim

Vergleich der Kriterienkataloge als sehr heterogen identifiziert worden waren, und für die

ein großer Diskussionsbedarf erwartet wurde (Beispiel Kaiserschnitt oder andere

Operationen an der Gebärmutter in der Vorgeschichte).

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden dann im Plenum vorgestellt und diskutiert.

Danach erfolgte die Konsentierung gruppenweise für die grün hinterlegten Kriterien, und

einzeln für die gelb und rot markierten Kriterien. Hierbei ergaben sich für einige Kriterien

neue Aspekte bzw. Modifikationswünsche. Ein Teil dieser Punkte konnte in der

entsprechenden Modifikation sogleich konsentiert werden. Die übrigen Punkte wurden

zur nochmaligen Bearbeitung an die Projektgruppe mit dem Auftrag gegeben, diese zu

bearbeiten und nach entsprechender Anpassung erneut zur Kommentierung zu versenden.

Page 74: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

69

Letzteres Verfahren wurde für die folgenden fünf Kriterien des überarbeiteten

Kriterienkatalogs erforderlich:

(1) Kriterium Nummer 3: Terminüberschreitung bzw. Übertragung;

(2) Kriterium Nummer 6: Kaiserschnitt oder andere Gebärmutter-Operationen in der

Vorgeschichte;

(3) Kriterium Nummer 9: Z.n. Atonie;

(4) Kriterium Nummer 12: Makrosomie bzw. Schätzgewicht > 4500g;

(5) Kriterium Nummer 43: Verwendung der folgenden Schmerzmittel: Opioide, PDA, Lachgas.

Ein nicht dem Kriterienkatalog zugehöriger, aber dennoch wichtiger Punkt wurde zur

Sprache gebracht und ebenfalls nachträglich zur Kommentierung versandt. Dieser betrifft die

Frage der parenteralen Medikamentengabe durch Hebammen, insbesondere die Bolusgabe

Oxytocin zur Prophylaxe einer postpartalen Blutung. Diese Maßnahme beruht auf höchstem

Evidenzniveau, wird in allen Leitlinien uneingeschränkt empfohlen (1, 64, 65) und bei allen

Geburten im ärztlichen Versorgungmodell durchgeführt. Die parenterale Gabe von

Medikamenten ist jedoch in der Berufsordnung der Hebammen nicht enthalten. Damit

ergibt sich das Problem, dass eine medizinisch sinnvolle Maßnahme, die zur Sicherheit der

Gebärenden beiträgt, Frauen im Hebammenkreißsaal potentiell vorenthalten wird.

Andererseits gibt es jedoch auch Gebärende, die diese Maßnahme ablehnen. In einem der

sieben Hebammenkreißsäle ist die Empfehlung zur postpartalen parenteralen Oxytocin-Gabe

bereits in den formalen Ablauf der Aufnahme in den HGK integriert. In Form einer

Information im Rahmen des zweiten Vorabgesprächs und sowie einer Verschriftlichung der

Empfehlung, die im Rahmen der Einverständniserklärung unterschrieben wird, wird beiden

Seiten – der Pflicht zur Information einer medizinisch sinnvollen Maßnahme und dem

Wunsch der Gebärenden nach freier Entscheidung – Rechnung getragen. Dieses Vorgehen

wurde im Rahmen der Klausurtagung diskutiert und im Nachgang zusammen mit den o.g.

fünf Kriterien des überarbeiteten Kriterienkatalogs an alle Teilnehmenden zur

Kommentierung versendet.

(2.) Empfehlungen der Teilnehmenden für ein ‚Best Practice‘ Modell

Im Rahmen der zweiten Klausurtagung wurden in homogen zusammengesetzten

Kleingruppen Ideen der Anwender gesammelt, die diese aufgrund ihrer praktischen

Page 75: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

70

Erfahrung mit der Implementierung und Praxis des Hebammenkreißsaals potentiellen

Interessenten des Versorgungskonzepts geben würden. Sie lassen sich wie folgt

zusammenfassen:

(1) Empfehlungen zur institutionellen Vorbereitung

Dienstplangestaltung: die Dienstplangestaltung sollte derart erfolgen, dass eine

erfahrene Hebamme pro Schicht anwesend ist;

Stellenplan: der Stellenplan sollte ggf. eine Rufbereitschaft für Hebammen

beinhalten;

Ausstattung der Gebärumgebung: die Ausstattung der Gebärumgebung sollte derart

erfolgen, dass sie zur Förderung einer physiologischen Geburt beiträgt.

(2) Empfehlungen zur organisatorischen Vorbereitung

In der organisatorischen Vorbereitung wird die Miteinbeziehung von Vertretern des

Qualitätsmanagements in die Projektleitung bzw. Steuerungsgruppe empfohlen.

(3) Empfehlungen zur inhaltlichen Vorbereitung

Weiterbildung: Weiterbildungen werden nicht nur zum Kompetenzerwerb des

Hebammenteams empfohlen; Weiterbildungsmaßnahmen sollten auch der

Teamentwicklung und –pflege gelten;

Berufserfahrung: Die inhaltliche Vorbereitung sollte von Hebammen mit mindestens

zweijähriger Berufserfahrung gestaltet werden;

Erstellung von SOPs: Eine Standardisierung möglichst aller im Hebammenkreißsaal

angewandten Abläufe und Verfahrensweisen wird empfohlen.

(4) Empfehlungen zur formalen Vorbereitung

Juristische Überprüfung: Nach aktueller Rechtslage darf eine Schwangere bei Geburt

in einem Krankenhaus erwarten, dass die Geburt unter der Leitung und

Verantwortung eines Arztes stattfindet, und die Klinik einen fachärztlichen Standard

gewährleistet. Eine Überprüfung der erstellten Hebammenkreißsaal-Dokumente

durch die zuständige juristische Instanz des Krankenhauses wird daher empfohlen.

Page 76: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

71

Dies betrifft insbesondere das Dokument ‚Einverständniserklärung der Schwangeren

für die Geburt im Hebammenkreißsaal‘;

Versicherungsschutz: Eine Nachfrage beim Versicherungsträger wird empfohlen, um

den Versicherungsschutz bei hebammengeleiteten Geburten sowie die

Deckungssumme zu klären.

(3.) Finale Konsentierung des verschlankten Kriterienkatalogs

Die meisten Kriterien des modifizierten Kriterienkatalogs konnten im Rahmen der zweiten

Klausurtagung konsentiert werden. Die übrigen sechs Punkte wurden nach entsprechender

Bearbeitung durch die Projektgruppe erneut zur Kommentierung versendet und eine finale

Konsentierung erzielt. Die fünf Punkte des Kriterienkatalogs wurden entsprechend in die

finale Version aufgenommen.

Das im Rahmen der zweiten Klausurtagung zusätzlich diskutierte Thema der Empfehlung zur

postpartalen parenteralen Oxytocin-Gabe wurde ebenfalls wie folgt konsentiert:

Die Empfehlung zur Oxytocin-Gabe als leitlinienkonforme Maßnahme zur Verhinderung

einer postpartalen Blutung wird in die Einverständniserklärung aufgenommen. Eine

Entscheidung der Gebärenden für oder gegen die prophylaktische Oxytocin-Gabe erfolgt

nach entsprechender Aufklärung. Die Umsetzung des Punktes – als Zustimmungs- oder

Widerspruchsregelung, gesondert unterschriftenpflichtig oder innerhalb des Gesamt-

Einverständnisses – liegt im Ermessen der jeweiligen Klinik.

(IV.f) Erfassung von Argumenten gegen das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal

Um Argumente gegen das Betreuungsmodell kennenzulernen, wurden exemplarisch

Interviews mit Kritikern des Konzepts geführt.

(a) Interview mit einem ärztlichen Kritiker des Modells: Interviewer A. Kocks und A. Heep.

Das Interview fand am 27.2.2019 statt, Dauer ca. 1,5 Stunden. Eine detaillierte Kenntnis des

Versorgungskonzepts war nicht vorhanden. Die bereits bestehende Zusammenarbeit

zwischen den Berufsgruppen wurde als gut bewertet, mit Zufriedenheit auf Hebammenseite.

Eine Etablierung des Konzepts wurde daher nicht nur für überflüssig gehalten; es wurde

Page 77: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

72

sogar die Befürchtung geäußert, das Konzept treibe einen Keil zwischen die Berufsgruppen.

Darüber hinaus wurden Bedenken bezüglich der Relevanz des Versorgungskonzepts

geäußert, da eine vaginale Geburt ohne Schmerzerleichterung mittels PDA eine Rarität sei.

(b) Interview mit einem juristischen Kritiker des Modells: Dieses wurde am 2.4.2019 in Form

eines Telefoninterviews durchgeführt, Dauer ca. 40 Minuten, Interviewer W. Merz. Eine

detaillierte Kenntnis des Versorgungskonzepts war nicht vorhanden. Argumente gegen eine

hebammengeleitete Geburt bezogen sich vorwiegend auf die außerklinische Geburtshilfe.

Jedoch wurde auch für den Hebammenkreißsaal ein erhebliches rechtliches Problem

geäußert, da im Schadensfall der Krankenhausträger nicht von seiner Verpflichtung

entbunden ist, eine dem fachärztlichen Standard entsprechende Leitung der Geburt zu

gewährleisten.

Page 78: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

73

(V) Diskussion

(V.a) Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

(1.) Geburtshilfliche Statistik NRW - derzeitige Bedeutung des Modells

Sechzehn Jahre nach der wissenschaftlich begleiteten Einführung des Versorgungskonzepts

durch den Verbund Hebammenforschung in Deutschland ist zu konstatieren, dass das

ergänzende Angebot der hebammengeleiteten Geburt im Land NRW wie auch in den

übrigen Bundesländern (so ist aufgrund der vorliegenden Zahlen anzunehmen) bisher weder

bei den geburtshilflichen Einrichtungen eine nennenswerte Verbreitung gefunden hat, noch

bei den Gebärenden in größerem Umfang nachgefragt wird. Das Versorgungkonzept, das

grundsätzlich in allen geburtshilfliche Institutionen zur Anwendung kommen könnte, wird bis

heute nur in insgesamt neun, entsprechend 5,9% aller geburtshilflichen Einrichtungen in

NRW angeboten. Genaue Angaben bezüglich der Zahl der dort betreuten Geburten liegen

nicht vor. Nach initialen Schätzungen (per Telefoninterview erhobene Auskünfte vor

Projektbeginn) gebären in Einrichtungen mit HGK ca. 3% der Schwangeren in diesem Modell.

Dies entspricht ca. 0,3% aller Geburten in NRW. Die vorläufigen Ergebnisse unserer

Erhebung, die bislang einen Zeitraum von sechs Monaten umfassen, bestätigen diese Zahlen.

Um diesen Zahlen bewerten zu können sind Antworten auf die folgenden Fragen zu finden:

(1) Wie viele Frauen sind überhaupt für das Modell ‚geeignet‘ und bilden die Nachfrage, die

maximal möglich wäre?

(2) Ist das Versorgungskonzept bei den geburtshilflichen Einrichtungen als Anbietern und

den Schwangeren als Klienten überhaupt bekannt?

(3) Ist das Konzept für die geburtshilflichen Einrichtungen praktikabel?

(4) Ist das derzeit angewandte Modell für Schwangere attraktiv?

Page 79: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

74

Wie viele Schwangere sind aufgrund ihrer Vorgeschichte und ihres Schwangerschaftsverlaufs für das

Konzept geeignet?

Eine Schätzung des Anteils Schwangerer, für die das Konzept HGK überhaupt in Frage

kommt, gestaltet sich schwierig. Derzeit wird Schwangeren mittels der in den Katalogen A

und B des Mutterpasses aufgeführten Kriterien ein Schwangerschafts- oder Geburtsrisiko

attestiert. Die Art der Einstufung führt, wie oben dargestellt zu einer Inflationierung der

Gruppe der Risikoschwangeren. Zwar ist in den letzten Jahren durchaus eine Veränderung

des allgemeinen Profils Schwangerer zu konstatieren. Diese Risikozunahme ist unter

anderem durch den Anstieg des mütterlichen Alters bei Schwangerschaft, den höheren

Anteil von adipösen Frauen, sowie durch eine Zunahme von Schwangerschaften bei Frauen

mit Vorerkrankungen bedingt. Jedoch erfolgt im Mutterpass keine Bewertung der Risiken. So

wird der Altersdiabetes des Onkels einer Schwangeren genauso in die Risikoklassifikation

einbezogen wie ein Herzinfarkt, den eine Schwangere hinter sich hat. Die in der

Perinatalstatistik NRW 2017 aufgeführten 6,77% aller Gebärenden, die weder ein

Schwangerschafts- noch ein Geburtsrisiko haben, sind dieser Art der Risikoerfassung

geschuldet.

Die hieraus resultierende Problematik wurde bereits von verschiedenen Seiten aufgegriffen

und diskutiert (40, 66).

Einschätzungen jenseits der aus den Mutterpassdaten gewonnenen amtlichen Statistik sind

rar. Im Handbuch Hebammenkreißsaal werden ca. 70% aller Geburten in Deutschland als

Geburten eingestuft, die keiner medizintechnischen Intervention bedürfen (4). Mehr als zwei

von drei Schwangeren wären damit für den HGK geeignet. Das Handbuch bezieht sich auf die

WHO, gibt aber keine Berechnungsgrundlage bzw. Quellenangabe an. Nach unserer

Einschätzung ist diese hohe Zahl risikofreier Geburten nicht mit den Daten der

Perinatalstatistik in Einklang zu bringen.

Nach differenzierter Analyse der verfügbaren statistischen Daten (s.o.) kommt GEscHIcK zum

Schluss, dass mindestens 20% aller Gebärenden in Deutschland bzw. NRW als Gebärende mit

niedrigem Risiko eingestuft werden können. Hierunter ist eine gesunde Frau nach

unauffälligem Schwangerschaftsverlauf und ohne Geburtsrisiko mit einer reifen Einlings-

Schwangerschaft zu verstehen.

Page 80: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

75

Setzt man die Gruppe der Schwangeren, die die Kriterien für eine Geburt im

Hebammenkreißsaal erfüllen bei 20% an und setzt diese ‚Maximalnachfrage‘ ins Verhältnis

zur tatsächlichen Nutzung, die bei 0,3% liegt, ergibt sich eine Nutzung des

Versorgungskonzepts von ca. 1.5%. Mit anderen Worten: Rund 60 mal mehr Frauen als dies

heute tun, könnten in einem HGK gebären. Der Umfang der ‚Unternutzung‘ ist derart

markant, dass eine Debatte über medizinische Ausschlusskriterien dem eigentlichen

Problem nicht gerecht wird. Selbst unter Zugrundelegung der Perinatalstatistik, die den

Anteil von Risikoschwangerschaften und -geburten deutlich überhöht ansetzt, besteht die

starke Unternachfrage nach einer Geburt im Hebammenkreißsaal weiter.

Wie bekannt ist der Hebammenkreißsaal?

Untersuchungen zum Bekanntheitsgrad des Versorgungsmodells wurden in Deutschland

bislang nicht durchgeführt. Es kann jedoch angenommen werden, dass das Modell dem in

der klinischen Geburtshilfe tätigen Personenkreis bekannt ist. Diese Annahme darf man für

beide Professionen treffen. Dafür spricht, dass das Konzept sowohl in den jeweiligen

Fachverbänden als auch auf Kongressen öfters Diskussionsthema war. So veröffentlichte z.B.

der DHV 2012 ein Positionspapier zum Versorgungskonzept (67). Zudem existiert auf der

Internetpräsenz des DHV eine Rubrik Hebammenkreißsaal (siehe Internetseite DHV,

abgerufen am 12.5.2019) (7). Im DHV hat sich auch ein „Netzwerk Hebammenkreißsaal“

gegründet. Offen bleibt, ob niedergelassene Fachärzte, die als Betreuer der Frauen ab der

Frühschwangerschaft fungieren, über eine ausreichende Kenntnis des Versorgungsmodells

verfügen.

Über den Bekanntheitsgrad des Modells bei Schwangeren lassen sich keine gesicherten

Aussagen treffen. In Regionen, in denen der Hebammenkreißaal angeboten wird, können die

jeweiligen Einrichtungen Informationen zu dem Konzept verbreiten. Zudem kann

angenommen werden, dass Frauen, die dort geboren haben, mittels Mund-zu-Mund

Propaganda für die Verbreitung der Information sorgen. Alle an unserer Untersuchung

beteiligten Vertreter gaben an, in ihrer Einrichtung Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Der

Umfang beschränkt sich jedoch üblicherweise auf die Vorstellung des Konzepts im Rahmen

der so genannten ‚Kreißsaalführungen‘ - Veranstaltungen, in denen das Personal der

jeweiligen Klinik interessierten Schwangeren Örtlichkeiten (z.B. Kreißsaal,

Page 81: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

76

Wöchnerinnenstation) und Abläufe vorstellt; auf Flyer in Papierformat, die in den

Ambulanzen der jeweiligen Kliniken ausliegen; sowie auf die Vorstellung des Konzepts auf

der jeweiligen Internetpräsenz. Die Art der Informationspräsentation ist darauf gerichtet,

Frauen mit Wissen zu versorgen, die aktiv nach dem Konzept fragen. Jedoch versucht keine

Klinik, alle Schwangeren, die sich für eine Geburt in der jeweiligen Institution interessieren,

über das Konzept aufzuklären und damit allen eine Wahl für oder gegen eine

hebammengeleitete Geburt zu ermöglichen. Hierzu trägt sicher auch das Konzept in seiner

bisherigen Form bei, das eine Vorstellung der am HGK Interessierten bereits früh im

Schwangerschaftsverlauf beinhaltet.

Zum Bekanntheitsgrad des Hebammenkreißsaals in Gegenden, in denen das Konzept von

keiner Einrichtung angeboten wird, kann nur spekuliert werden. Zwar wird das Modell in

Informationsbroschüren erwähnt (41, 68, 38). Ob Schwangere diese Informationswege aber

nutzen, ist unbekannt.

Wie praktikabel ist der Hebammenkreißsaal für Kliniken?

Neben Fragen zu wirtschaftlicher Rentabilität und rechtlichen Voraussetzungen von

Hebammenkreißsälen, die hier nicht behandelt werden, hängt die Praktikabilität des Modells

vor allem von der Bereitschaft der Einrichtungen, sich mit konzeptionellen Neuerungen zu

befassen, organisatorische Veränderungen durchzuführen und von personellen Ressourcen

ab. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, die durch eine Zunahme der

Geburtenzahlen bei einem gleichzeitigen Mangel an klinisch tätigen Hebammen

gekennzeichnet ist, erweist sich vor allem die personelle Ausstattung für die

Hebammentätigkeit als Problem. Mittlerweile berichten Einrichtungen, die das

Versorgungskonzept anbieten, von Weiterleitungen in das ärztliche Versorgungsmodell aus

organisatorischen Gründen, d.h. aufgrund personeller Engpässe. Soll gesundheitspolitisch

das Ziel sein, den HGK weiter zu verbreiten, muss insbesondere eine Kapazitätserweiterung

erfolgen - nicht nur durch die Eröffnung neuer HGKs, sondern auch durch eine Zunahme der

Anzahl klinisch tätiger Hebammen.

Page 82: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

77

Attraktivität des Hebammenkreißsaals für Schwangere

Die Attraktivität des Konzepts für Schwangere ist schwierig zu beantworten. Die Durchsicht

der Literatur sowie die Debatten auf unseren beiden Klausurtagungen weisen jedoch darauf

hin, dass die Attraktivität für einzelne Komponenten des Modells unterschiedlich ausfällt.

Die dem Versorgungskonzept inhärente Komponente der Eins-zu-Eins Betreuung für

Gebärende besitzt eine große Anziehungskraft, da aufgrund des Mangels an klinisch tätigen

Hebammen bei Schwangeren die Befürchtung besteht, unter der Geburt unzureichend

betreut zu werden.

Die Philosophie des Gesamtkonzepts beinhaltet aber auch die Vorstellung, aus eigener Kraft

und interventionsarm zu gebären. Ob dieser Aspekt für Gebärende einen vergleichbar hohen

Stellenwert hat wie die Fragen nach der Betreuungskontinuität durch eine Hebamme ist

offen. Aus den hierzu vorliegenden Publikationen kann geschlossen werden, dass ein

Großteil der Gebärenden eine Dichotomisierung in ‚ganz natürlich‘ oder ‚alles technisch‘

ablehnt und für ihre Geburt ‚das Beste‘ aus beiden Modellen wünscht (42, 32). Dies trifft

insbesondere auf die Situation zu, bei Wunsch nach einer Schmerzerleichterung jederzeit die

Möglichkeit zur Durchführung einer Regionalanästhesie zu haben.

(2.) Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Umsetzung des Hebammenkreißsaals – die empirische Praxis

in NRW

Übersicht

Welche Aussagen und Erkenntnisse lassen sich aus unseren Debatten über ein ‚Best Practice‘

Modell Hebammenkreißsaal gewinnen?

Zunächst wurden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Implementierung und

gelebten Praxis der Institutionen mit Hebammenkreißsälen betrachtet. Die

Bestandsaufnahme ergab, dass sich alle Einrichtungen in NRW bei der Einrichtung des HGK

am Handbuch Hebammenkreißsaal orientieren, jedoch durchaus in unterschiedlichem Maß.

Die vier Themenkomplexe, im Handbuch auch als Arbeitspakete bezeichnet, nämlich die

institutionelle, organisatorische, inhaltliche und formale Vorbereitung, wurden

unterschiedlich umgesetzt. Hervorzuheben sind insbesondere die folgenden Punkte:

Page 83: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

78

Der Hebammenkreißsaal wurde meist ohne eine formale Vorab-Analyse im Rahmen der

institutionellen Vorbereitung eingeführt;

In der organisatorischen Vorbereitung zeigten sich zwischen den Einrichtungen große

Unterschiede bezüglich der Einbeziehung institutioneller Funktionsträger (Beispiel

Vertreter des Qualitätsmanagements oder der Pflegedienstleitung) und von Vertretern

der vor- oder nachbetreuende Arbeitseinheiten (Beispiel Wöchnerinnenstation) in die

Planung. Entsprechend wurde die Schnittstellengestaltung (z.B. zwischen Kreißsaal und

Wöchnerinnenstation) in den jeweiligen Institutionen sehr unterschiedlich umgesetzt;

Die formal-rechtliche Vorbereitung lehnte sich meist eng an die Vorgaben des

Handbuchs an. Insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen werden dort

ausführlich besprochen (4). Alle Einrichtungen erstellten eine Einverständniserklärung,

die von der Schwangeren unterschrieben werden muss. Diese Maßnahme trägt der

besonderen Situation Rechnung, dass die Gebärende im Fall eines unauffälligen

Geburtsverlaufs nachdrücklich auf die im Krankenhaus vorgesehene Anwesenheit eines

Arztes zur Geburt verzichtet;

Die inhaltliche Umsetzung des Konzeptes kann nur unter Bezugnahme auf institutionelle

und organisatorische Zusammenhänge dargelegt werden. Wir stellen die Schwierigkeiten

hier am Beispiel des Betreuungsbogens dar.

Der Betreuungsbogen

Ein Betreuungsbogens, der den ambulanten Bereich der Schwangerschafts- und

Wöchnerinnenbetreuung sowie den stationären Bereich Geburt umfasst, ist aufgrund der

derzeitigen Struktur des deutschen Gesundheitssystems schwerlich realisierbar. Die Bereiche

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zeichnen sich vielmehr durch die fehlende

intersektorelle Verknüpfung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung aus.

Hebammen oder Ärzte, die eine Schwangere betreuen, sind nur dann auch Betreuende bei

der Geburt, wenn sie als Beleghebammen oder in Beleg-Abteilungen arbeiten. Die

Versorgungsform der Beleghebamme bzw. des Facharztes mit Belegbetten in einer

Einrichtung ist nicht verbreitet und steht daher nur einem sehr kleinen Anteil Schwangerer

zur Verfügung. Die Betreuung im Wochenbett wiederum findet bei Frauen, die die

Schwangerenvorsorge ausschließlich ärztlich durchgeführt haben, durch eine ihr bis dato

unbekannte Hebamme statt.

Page 84: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

79

Der im Handbuch dargelegte Betreuungsbogen, der eine Betreuungskontinuität ab

Schwangerschaftsbeginn bis zum Ende der Stillzeit umfasst, wird daher in keiner Institution

umgesetzt. Die Anwender nutzen nur Teile des im Handbuch ausgeführten

Betreuungsbogens, und beziehen die Betreuungskontinuität vor allem auf den Bereich der

Geburt bzw. des stationären Aufenthaltes der Frau im Rahmen der Geburt, der meist einen

Aufenthalt auf der Wöchnerinnenstation beinhaltet. Hier stellen institutionelle Vorgaben

und Dienstplangestaltungen oftmals weitere Hürden für eine Umsetzung des

Betreuungsbogens dar. In manchen Kliniken reicht der Betreuungsbogen daher nicht einmal

über den gesamten stationären Aufenthalt – dort wird die Wöchnerin nach

hebammengeleiteter Geburt von dem ‚üblichen‘ Personal der Wöchnerinnenstation betreut.

Dies ist insbesondere in den Einrichtungen der Fall, in denen das Personal der

angegliederten Funktionseinheiten (Wöchnerinnenstation, Kinderzimmer,

Schwangerenambulanz etc.) nicht in die Projektplanung und -arbeit einbezogen war.

Von allen Kliniken wird das Betreuungskonzept für den Bereich der Geburt in ähnlicher

Weise umgesetzt. Dies gilt für (a) das Auswahlverfahren mithilfe des Kriterienkatalogs; (b)

die organisatorische Ausgestaltung der Betreuung unter der Geburt; (c) die interdisziplinäre

Zusammenarbeit; sowie (d) die kontinuierliche Bewertung der Eignung der Gebärenden

inklusive der Weiterleitungskriterien. Diese vier Bereiche können als Kern der

Hebammenkreißsäle in NRW bezeichnet werden. Gleichzeitig wurde im Rahmen unserer

Fachtagungen von den anwesenden Hebammen mehrfach übereinstimmend angemerkt,

dass die Umsetzung der kontinuierlichen Betreuung unter Geburt (Eins-zu-Eins) aufgrund der

derzeitigen Personalsituation sowie den steigenden Geburtenzahlen zu einer großen

Herausforderung geworden ist.

Zusammenarbeit zwischen den Professionen

Bemerkenswert, weil auch die gesundheitspolitische und insbesondere die

verbandspolitische Debatte tangierend, war die Reaktion der Teilnehmer unserer

Klausurtagungen auf die Frage, wie sich die Arbeit im Hebammenkreißsaal auf die

Zusammenarbeit von Hebammen und Ärzten auswirkt. Übereinstimmend betonten Ärzte

wie Hebammen, dass sie die interprofessionelle Zusammenarbeit nicht nur als

Page 85: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

80

unproblematisch empfinden; beide Seiten betonten sogar die Entstehung eines Team-

Effekts.

Im Rahmen der zweiten Klausurtagung wurde in homogenen Arbeitsgruppen (Hebammen

und Ärzte getrennt) die Frage diskutiert „Was wir an der Zusammenarbeit mit Euch (Ärzten

bzw. Hebammen) besonders schätzen“. Hier wurde sehr deutlich, dass die Arbeit im

Hebammenkreißsaal zu gegenseitigem Vertrauen führt. Zwischen den Berufsgruppen findet

ein besserer Austausch statt, gegenseitige Unterstützung wird gegeben. Arbeiten auf

Augenhöhe wird gelebt, ein gemeinsames Ziel verfolgt. Gleichzeitig fordert das

Betreuungskonzept die Beteiligten immer wieder heraus, kritisch das eigene Handeln zu

überdenken. Der positive Effekt in der interprofessionellen Zusammenarbeit resultiert in

einem ‚Spill-over‘ in das ärztlich geleitete Modell: Hebammen wenden ihre für die Arbeit im

HGK erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch in der Betreuung einer ärztlich geleiteten

Geburt an und verbessern damit auch die Betreuungsqualität im konventionellen

Versorgungsmodell; zudem wird der bessere Austausch zwischen den Berufsgruppen auch

im ärztlichen Versorgungsmodell gelebt.

Unterwegs zu einer ‚Best Practice‘ – ein verschlankter Kriterienkatalog

Eine mögliche Ursache, die zur mangelnden Inanspruchnahme des Konzepts beiträgt,

besteht in dem zweistufigen Einschlussverfahren. Dieses macht eine frühzeitige Anmeldung

der Schwangeren, die sich für das Modell interessieren erforderlich. Schwangere, die keine

Kenntnis vom HGK haben, stellen sich üblicherweise vier bis sechs Wochen vor dem

errechneten Geburtstermin in der Klinik ihrer Wahl vor. Damit scheiden sie für eine Geburt

im HGK aus formalen Gründen aus, da hier der erste Gesprächstermin für den Zeitraum 24.

bis 28. Schwangerschaftswoche, also sechs bis zehn Wochen früher vorgesehen ist. Daher

entstand der Impuls, einen verschlankten Kriterienkatalog zu erstellen, der das

Aufnahmeverfahren auf einen Kontakt in der Spätschwangerschaft reduziert.

Der verschlankte Kriterienkatalog erfüllt mehrere Zwecke:

Die Verringerungen der Anzahl der Vorgespräche mit Schwangeren über ihre Eignung

für den Hebammenkreißsaal von zwei auf eines ermöglicht Kliniken mit einem

Page 86: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

81

vorhandenen HGK eine höhere Zulassung von Schwangeren für das

Entbindungsmodell.

Darüber hinaus lässt sich der verschlankte Aufnahmeprozess leichter in bestehende

Klinikstrukturen integrieren und vereinfacht damit Institutionen, die eine Einführung

planen, die Implementierung.

Der verschlankte Kriterienkatalog bietet somit das Potential, einen höheren

Verbreitungsgrad des Hebammenkreißsaals zu ermöglichen. So können Schwangere,

die bis in die Spätschwangerschaft keine Kenntnis von dem Versorgungskonzept

haben, auch noch bei der Vorstellung zur Geburt, die üblicherweise vier bis sechs

Wochen vor dem Entbindungstermin stattfindet, über das Konzept informiert und –

sofern Interesse geweckt ist – sogleich bezüglich ihrer Eignung geprüft und ggf. in

den HGK aufgenommen werden.

Auch der Zwang für Schwangere, schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der

Schwangerschaft zum Konzept informiert zu sein, sich anzumelden und eine

Entscheidung treffen zu müssen entfällt hierdurch.

Der verschlankte Kriterienkatalog mit einem Zulassungsgespräch zu einem späteren

Zeitpunkt erspart darüber hinaus auch den Frauen, die sich für eine

hebammengeleitete Geburt entschieden haben, durch die Besonderheiten im

Schwangerschaftsverlauf aber zwischen dem ersten und dem zweiten Gespräch

wieder ausscheiden (z.B. aufgrund der Entstehung eines Gestationsdiabetes oder

einer Lageanomalie des Feten) die damit verbundenen Frustrationen.

Der verschlankte Kriterienkatalog soll keineswegs die Angemessenheit des im Handbuch

Hebammenkreißsaal erstellen Katalogs in Frage stellen. Vielmehr geht es darum, den

Kliniken, die einen HGK neu einrichten wollen, jedoch nur das Segment hebammengeleitete

Geburt implementieren möchten, ein praktikables Instrument als Alternative zur Verfügung

zu stellen.

(3.) Diskussion der Argumente von Gegnern des Hebammenkreißsaals und anderen Widerständen

Auf unseren Klausurtagungen wurde auch das Thema ‚Hemmnisse‘ und ‚Widerstände‘ bei

der Einrichtung von HGKs aufgegriffen. Die Diskussion erbrachte aber wenige Einsichten,

Page 87: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

82

vielleicht deswegen, weil diejenigen, die in und mit einem Hebammenkreißsaal arbeiten, zu

‚Überzeugten‘ des Konzepts geworden sind. Aus diesem Grunde beschlossen die GEscHIck-

Projektverantwortlichen, zusätzlich ausgewiesene Gegner des Versorgungskonzepts zu

befragen. Ausgewählt wurden zwei Personen, die jeweils eine ärztliche und eine rechtliche

Sichtweise gegen den Hebammenkreißsaal vertreten. Ihre Positionen werden hier

anonymisiert und nur in der Sache wiedergegeben.

Ein zentrales Argument der ärztlichen Gegner des Versorgungskonzepts ist die These, das

Konzept treibe einen Keil zwischen die Berufsgruppen. Bisher, so die Aussage, würden

Hebammen und Ärzte als Team zusammenarbeiten. Der HGK würde die beiden

Berufsgruppen nunmehr trennen und sie ‚in Lager spalten‘.

In den Einrichtungen in NRW, die schließlich einen Hebammenkreißsaal einrichteten, waren

die Initiatoren und Unterstützer während der Anfangsphase genau mit diesen

Befürchtungen konfrontiert. Heute sind dort diese Bedenken zerstreut.

Die positive Wertschätzung der interprofessionellen Zusammenarbeit durch die Betroffenen

lässt die Annahme zu, dass Kritik vor allem von denjenigen geäußert wird, die keine eigene

Erfahrung mit dem Konzept Hebammenkreißsaal haben und sich nicht mit der vorhandenen

Literatur auseinandersetzen. Die These vom ‚Keil zwischen die Berufsgruppen treiben‘ kann

als Ausdruck der Ablehnung von Veränderungen, als Wunsch, den Status Quo zu erhalten,

als Skepsis vor dem Resultat des eigenverantwortlichen Arbeitens der Berufsgruppe der

Hebammen oder gar als Angst vor Machtverlust interpretiert werden.

Die Rechtslage, so die Gegner des Versorgungskonzepts, liefert ein starkes Argument für die

ärztliche Präsenz bei der Geburt. Entsteht ein Geburtsschaden, ist neben der betreuenden

Hebamme immer auch der zuständige ärztliche Mitarbeiter mit angeklagt. Darüber hinaus

beinhaltet das rechtliche Regelwerk die Erfüllung eines Facharzt-Standards bei der Geburt.

Dagegen spricht, dass auch im Hebammenkreißsaal bereits im Rahmen der Schwangerschaft

als auch unter der Geburt durch die Anwendung des Kriterienkatalogs mit seinen

Handlungsanweisungen fortwährend ein intensiver Austausch zwischen Ärzte und

Hebammen stattfindet.

Ein HGK kann nur funktionieren, wenn er von beiden Berufsgruppen volle Unterstützung

erhält. Die Übernahme der Verantwortung durch Hebammen führt zu einem intensiveren

Page 88: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

83

Austausch zwischen den Berufsgruppen, und entfaltet die gegenteilige Wirkung als von ihren

Kritikern postuliert.

Widerstände gegen das Modell gibt es jedoch auch von Hebammenseite. Diese beruhen

insbesondere auf (a) der Angst vor Übernahme der Verantwortung; (b) der Hemmschwelle,

sich neue Kenntnisse anzugeignen; sowie (c) der bereits hohen Arbeitsbelastung im

klinischen Alltag.

Widerstände weiterer Akteure (Krankenhausträger, Versicherungen etc.) waren nicht

Gegenstand des Forschungsprojekts. Das Wissen um deren Argumente ist jedoch sicherlich

Vorbedingung einer erfolgreichen Verbreitung des Konzepts.

(V.b) Diskussion der nationalen und internationalen Literatur

(1.) Publikationen aus Deutschland

Mehrere gesundheitspolitische Publikationen haben das Versorgungskonzept

Hebammenkreißsaal zum Thema. Erwähnenswert sind vor allem die Vorstellung des Modells

in der Broschüre des BMG 2017 (38), für NRW die Broschüre der Verbraucherzentrale 2015

(68), sowie die Empfehlung des Runden Tischs Geburtshilfe NRW von 2015 zur

Weiterentwicklung des Konzepts (5). Diese Veröffentlichungen werden flankiert von einer

Reihe von Untersuchungen – zumeist des Verbunds Hebammenforschung und daraus

hervorgegangener Forschungsverbünde.

Dennoch haben die darin formulierten gesundheitspolitischen Empfehlungen und

wissenschaftlichen Ergebnisse bisher nicht zu einer größeren Verbreitung geführt. Mögliche

Erklärungen sind u.a., dass an der Formulierung der Empfehlungen nicht alle

Interessensvertreter beteiligt waren, und diese ihre Verbände und

Informationsmöglichkeiten nicht zur Bekanntmachung nutzten; oder die wissenschaftliche

Bearbeitung des Themas nicht in hochrangigen internationalen Journalen erfolgte und daher

von Gegnern des Modells nicht wahrgenommen bzw. nicht für ausreichend gehalten wurde,

um ihre Skepsis zu widerlegen.

Page 89: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

84

(2.) Bedeutung des Modells im internationalen Vergleich – Einfluss der ‚Birthplace Studie‘

Das Versorgungskonzept wurde in Deutschland erst nach seiner Einführung in anderen

europäischen Ländern (Skandinavien, Großbritannien) etabliert. Jedoch fand das Konzept

auch in anderen Ländern oft keine große Verbreitung (22). Für Großbritannien führte die

Publikation der Birthplace Studie 2011 zu einer Zäsur (2). Diese auf höchstem

wissenschaftlichen Niveau durchgeführte Studie erbrachte den Nachweis, dass im Vergleich

zum ärztlich geleiteten Versorgungsmodell Geburten im hebammengeleiteten Konzept für

Frauen mit niedrigem Risiko zu einer niedrigeren Interventionsrate und höheren Rate an

vaginalen Geburten bei vergleichbarem Resultat für die Neugeborenen führen. Das ‚National

Institute for Health and Care Excellence‘ (NICE) überarbeitete daraufhin seine klinische

Leitlinie „Intrapartum care for healthy women and babies“ (3). Bezüglich der Beratung

Schwangerer zur Wahl des Geburtsorts wird die Birthplace Studie in dieser Leitlinie

detailliert zitiert. Die verschiedenen Entbindungsorte (geburtshilfliche Abteilung,

Hebammenkreißsaal, Geburtshaus, Hausgeburt) werden in der Leitlinie ausgeführt, die

Beratenden werden aufgefordert, die Ergebnisse der Studie in ihre Beratung einzubeziehen

und mit der Schwangeren zu diskutieren.

Die Hauptstudie wurde von mehreren Publikationen und Berichten flankiert (Details siehe

Internetseite der ‚National Perinatal Epidemiology Unit‘, abgerufen am 17.4.2019) (69).

Insbesondere erwähnenswert erscheint die vom ‚National Institute for Health Research‘

geförderte Studie, die, basierend auf der Birthplace Studie weiterführende Analysen

insbesondere unter dem Aspekt der Versorgungsforschung durchführte (70). Lag der Anteil

der Frauen, die in England in einer hebammengeführten Einrichtung entbunden haben im

Jahr 2007 bei ca. 5%, so stieg dieser Anteil in den darauffolgenden Jahren auf ca. 11%.

Auch wenn sich die Versorgungsstrukturen zwischen Deutschland und England

unterscheiden - warum diese sowohl aufgrund ihres prospektiven Designs als auch der

Anzahl rekrutierter Frauen (64.538 Gebärende) einzigartige Studie bisher in der

bundesdeutschen Diskussion keine Berücksichtigung und keinen Eingang in die Literatur

gefunden hat (48, 46), bleibt unerklärlich.

Page 90: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

85

(V.c) Entwicklung eines ‚Best Practice‘ Modells

Ist die Entwicklung eines ‚Best Practice‘ Modells eine geeignete Maßnahme, um eine

Verbreitung des Versorgungskonzepts Hebammenkreißsaal zu fördern?

Legt man die von der ILO gegebene Arbeitsdefinition zugrunde (14), ist die Erstellung eines

‘Best Practice’ Modells, das auf systematische Art die Arbeitsweise der Hebammenkreißsäle

zusammenfasst, eine Bedingung für dessen Förderung. Dort heisst es: “Best practice is a

means of systematically building on effective approaches to any given issue by examining

existing experiences and processes that work, understanding them in the light of agreed

values, expert opinion and the best available evidence and extracting from them lessons

learnt that can be applied in the context of different social, economic and cultural settings.”

Die ILO-Definition leitet eine ‚Best Practice‘ aber nicht nur aus der Systematisierung der

Erfahrungen bereits etablierter Einrichtungen ab. Um eine ‚Best Practice‘ als Förderstrategie

zu erhalten, muss ein Konzept auch (a) den vorherrschenden Werten entsprechen, (b)

Expertenmeinungen widerspiegeln, und (c) die Erfahrungen müssen in den sozialen,

wirtschaftlichen und kulturellen Kontext eingebunden werden. Hinsichtlich dieser Faktoren

sind in NRW – und aufgrund der aktuellen Zahlen übertragbar auf Deutschland – deutliche

Einschränkungen festzustellen.

(a) Das Versorgungsmodell HGK reflektiert derzeit (noch) nicht generell akzeptierte Werte

und Prinzipien. Der HGK ‚passt‘ derzeit auch (noch) nicht in die gegenwärtige geburtshilfliche

Kultur.

(b) Eine breit verankerte Expertise im Sinne zahlreicher Untersuchungen, wissenschaftlicher

Veröffentlichungen und einer großen Anzahl von Experten ist nicht vorhanden. Darüber

hinaus fehlt (derzeit) auch die institutionelle Integration des Konzepts in den beteiligten

Berufsgruppen, insbesondere für die Ärzteschaft.

(c) Die wirtschaftliche Frage nach einem ‚Value for Money‘ ist derzeit nicht zu beantworten.

Unter anderem müssten mögliche Zusatzkosten für einen höheren Personaleinsatz von

Hebammen mit dem Spareffekt bei ärztlichen Leistungen bzw. dem Mehrverdienst von

Kliniken durch deren anderweitige Tätigkeiten verglichen werden. Wären Arbeitsfreisetzung

von Ärzten und vermehrter Arbeitsaufwand von Hebammen im gleichen Verhältnis

festzustellen, könnten Einrichtungen unter sonst konstanten Bedingungen ihren Umsatz

steigern. Bestätigen sich die Aussagen, dass HGKs die Kaiserschnittrate senken und der

Page 91: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

86

Apparateeinsatz abnimmt, könnten dies betriebswirtschaftliche Faktoren für oder gegen das

Modell werden.

Unter diesen Rahmenbedingungen kann ein ‚Best Practice‘ Modell derzeit nicht darauf

zielen, Teil einer Strategie zu einer länderweiten Verbreitung des Versorgungskonzepts

Hebammenkreißsaal zu sein. Hierfür sind andere Instrumente geeignet, die z.B. in der WHO-

Initiative „Implementing Best Practices“ beschrieben werden (20, 21). Vielmehr kann es

aufgrund der limitierenden Rahmenbedingungen nur darauf zielen, die Voraussetzungen für

Institutionen positiv zu beeinflussen, die bereits jetzt die Bereitschaft zur Einrichtung bzw.

Erweiterung eines HGKs haben.

GEscHIcK leistet in dreifacher Weise einen Beitrag, um die Rahmenbedingungen für den

Ausbau von HGKs in NRW zu schaffen:

(1) Angebotskapazität: Wir haben einen verschlankten Kriterienkatalog entwickelt, der die

Erfahrungen mit dem Hebammenkreißsaal in NRW widerspiegelt. Er schafft eine

Voraussetzung, um die Angebotskapazität zu erhöhen.

(2) Entwicklung von Expertise: Im Rahmen des Forschungsprojekts GEscHIcK legen wir neben

der hier vorgestellten Diskussion eines ‚Best Practice‘ Modells eine Untersuchung zur

medizinischen Sicherheit des Modells vor. Die Ergebnisse werden das Wissen über die

medizinische Sicherheit von Hebammenkreißsälen in NRW vertiefen. Eine Umfrage unter

Schwangeren wird zudem die Gründe für die Wahl bzw. Ablehnung einer Geburt im

Hebammenkreißsaal untersuchen. Damit soll belegt werden, dass Hebammenkreißsäle

medizinisch sicher sind, und dass die geringe Nachfrage nach einer Geburt im HGK mit einer

entsprechend gestalteten Öffentlichkeitsarbeit gesteigert werden kann.

(3) Verbreitung des Wissens über den Hebammenkreißsaal in den jeweiligen Berufsgruppen:

Unsere Ergebnisse werden über Publikationen und Kongressbeiträge in die jeweiligen

Berufsgruppen getragen. Es ist zu erwarten, dass darüber die Wahrnehmung zu den

Page 92: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

87

Vorteilen des Versorgungskonzepts steigt, und die Bereitschaft, dieses als ein alternatives

Betreuungsmodell zu akzeptieren, verbessert wird.

Page 93: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

88

VI Anhang

ANHANG 1. Fragebogen EINS

Checkliste externe Hebammenkreißsäle, erstes Treffen Klinik; CA; Kreißsaal-OA; ltd Hebamme Datum:

(I) Allgemeine Fragen

Versorgungslevel_______________________________________________

Geburten / Jahr________________________________________________

Anzahl Kreißsäle________________________________________________

Planstellen Hebammen__________________________________________

Rufbereitschaften für Hebammen ja nein

Planstellen Ärzte_______________________________________________

Anmeldung zur Geburt ja nein

wenn ja: ärztliche Sprechstunde ja nein

Hebammensprechstunde ja nein

für alle Schwangeren ja nein

nur für HGK ja nein

nur für Risiko-Schwangere ja nein

(II) Eckdaten Hebammenkreißsaal

Eröffnung HGK________________________________________________

Anmeldungen HGK / Monat______________________________________

Geburten / Jahr im HGK_______________________________________

Leitbild erstellt? ja nein

Rechtliche Prüfung durch KH-Versicherung? ja nein

Öffentlichkeitsarbeit? ja nein

wenn ja: elektronisch ja nein

Informationsveranstaltungen ja nein

Printmedien ja nein

sonstige__________________________________________

Statistische Erfassung? ja nein

wenn ja: Anmeldungen HGK ja nein

Geburten im HGK ja nein

geburtshilfliche Daten ja nein

Neugeborenen-Daten ja nein

sonstige__________________________________________

Page 94: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

89

(III) Organisation Hebammenkreißsaal

Anzahl Anmeldegespräche / Monat________________________________

Dauer Anmeldegespräche________________________________________

Kriterienkatalog vorhanden: ja nein

wenn ja: Erstellung mit Ärzten ja nein

Erstellung mit Pflegepersonal ja nein

Beteiligung weiterer Berufsgruppen___________________

Hebammen in Rufbereitschaft für HGK ja nein

gesamtes Hebammenteam im HGK ja nein

zweite Hebamme zur Geburt ja nein

Dokumentation ja nein

wenn ja: Einverständniserklärung ja nein

Vorsorgebogen ja nein

Wünsche zur Geburt ja nein

Evaluationsbogen ja nein

Sonstige Dokumente________________________________

Bemerkungen______________________________________________________________

Page 95: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

90

ANHANG 2. Fragebogen ZWEI

2. Erhebungsbogen

Forschungsprojekt Hebammenkreißsaal NRW

Klinik …………………………………………………………………………………….. Datum……………………………

Interview mit Hebamme

Arzt

Von der Idee…

1. Woher / von wem kam die Idee, einen Hebammenkreißsaal in Ihrer Klinik zum Implementieren?

2. Wie haben Sie es erreicht, das Team für das Konzept Hebammenkreißsaal zu motivieren?

3. Haben Sie einen bestehenden Hebammenkreißsaal kontaktiert?

nein ja, welche? ………………………………………………………………………………………………..

4. Haben Sie im Vorfeld einen anderen Hebammenkreißsaal besucht?

nein ja, welche? ………………………………………………………………………………………………..

…zur Implementierung

5. Waren außer den Hebammen weitere Berufsgruppen an der Implementierung beteiligt?

nein

wenn ja, welche?……………………………………………………………………………………………………………………………………

6. Haben Sie bei der Implementierung mit dem Handbuch Hebammenkreißsaal der Hochschule

Osnabrück gearbeitet?

nein ja

7. Gab es andere Literatur, die herangezogen wurde?

nein

wenn ja, welche?……………………………………………………………………………………………………………………………………

8. Haben Sie eine IST-Analyse im Vorfeld durchgeführt?

nein ja

9. Haben Sie eine Steuerungsgruppe für die Implementierung gebildet?

Page 96: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

91

nein ja

Wenn ja, wen haben Sie alles an der Steuerungsgruppe beteiligt?

10. Haben Sie einen Projektplan erstellt?

nein ja

11. Haben Sie Untergruppen für die Implementierung gebildet?

nein ja

12. Haben sich alle Hebammen an der Implementierung beteiligt?

ja wenn nein, Gründe?

13. Wie lange hat die Implementierung gedauert?..............................................................................

14. Haben Sie besondere Fortbildungen im Rahmen der Implementierung im Hebammen-Team

durchgeführt?

nein ja

Wenn ja, welche?

15. Haben Sie eine besondere rechtliche Prüfung des neuen Konzeptes in Ihrer Einrichtung

durchgeführt?

nein ja

Wenn ja, gab es Probleme? Welche?

16. Haben Sie Betreuungskriterien für die Arbeit im Hebammenkreißsaal bzw. ein Leitbild entwickelt?

nein ja

Wenn ja, wie und welche? (z.B. Umgang mit Schmerz, Selbstbestimmung fördern etc.)....?

17. Haben Sie Fallbesprechungen eingeführt (im Hebammenteam/interdisziplinär)?

nein ja

Page 97: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

92

18. Wurden andere Bereiche im Krankenhaus, wie Wöchnerinnenstation, Neugeborenen-Zimmer,

Schwangerenambulanz, Elternschule etc. an der Implementierung beteiligt?

nein, Gründe?

ja, gab es hier Veränderungen durch den HGK?

Alltag im Hebammenkreißsaal

19. Wie wird eine 1 zu 1 Betreuung umgesetzt?

20. Wie wird die Hinzuziehung des Arztes bei Fragen umgesetzt?

21. Hat sich Ihr Kriterien-Katalog Hebammenkreißsaal in der Praxis bewährt?

Ja, was klappt gut?

Nein, Gründe?

22. Haben Sie Anpassungen an Ihrem Kriterienkatalog Hebammenkreißsaal vorgenommen?

nein ja, welche?

23. Bieten Hebammen die Versorgung von Geburtsverletzungen an?

ja nein, was sind die Hindernisse?

Page 98: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

93

24. Arbeiten noch alle Hebammen im Team im Hebammenkreißsaal oder gibt es Hebammen, die ihre

Mitarbeit im Hebammenkreißsaal beendet oder nie begonnen haben?

ja nein, Gründe?

25. Hat die Arbeit im Hebammenkreißsaal Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit?

26. Gibt es ein Einarbeitungskonzept für neue Kolleginnen?

ja nein

Rückblick / Ausblick

Nach XX Monate n/Jahren Hebammenkreißsaal an ihrem Haus….

31. Wo sehen Sie die Stärken des Konzeptes?

32. Wo sehen Sie die Schwächen des Konzeptes?

33. Was würden Sie einer Klinik empfehlen, die sich dem Konzept Hebammenkreißsaal neu zuwenden

möchte?

Page 99: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

94

ANHANG 3.

Programm

Klausurtagung

EINS

Page 100: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

95

Entwicklung eines „Best Practice Modells“ hebammengeleiteter Kreißsäle

1-tägige Klausur von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (je eine Hebamme und einE Arzt / Ärztin) der sieben Kliniken Nordrhein-Westfalens, die mit dem Konzept

des hebammengeleiteten Kreißsaals arbeiten Datum: 06.12.2018. (09:00 – 17:00) Ort: Bibliothek, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Universitätsklinik Bonn

(Sigmund-Freud-Str. 25, 53127 Bonn) Ziele der Veranstaltung: Die Komponenten eines Best Practice Modells von hebammengeleiteten Kreißsälen sind identifiziert Wesentliche Herausforderungen bei der Umsetzung der einzelnen Komponenten sowie des

Gesamtkonzepts sind identifiziert und diskutiert Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von hebammengeleiteten Kreißsälen sind identifiziert

Ablauf

09:00 Eröffnung, Begrüßung, Vorstellungsrunde

09:30 Ziele und Programm, Organisatorisches

09:45 Vorstellung der Ergebnisse aus der Vorabfrage zu Hebammenkreißsälen (Dr. Merz /

Fr. Heep)

10:30 Kaffeepause

10:45 Hemmende und treibende Kräfte bei Einführung und Betrieb hebammengeleiteter

Kreißsäle

1. Arbeitsgruppen

2. Vorstellung und Diskussion der Arbeitsgruppenergebnisse

12:30 Mittagspause

13:30 Empfehlungen, um Hürden bei Einführung bzw. Herausforderungen im Betrieb von

Hebammenkreißsälen zu begegnen

1. Arbeitsgruppen

2. Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse

15:00 Kaffeepause

15:15 Analyse der Kritik an Hebammenkreißsälen

16:00 Ausblick (nächsten Schritte, Vereinbarungen)

Feedback und Abschluss der Veranstaltung

Page 101: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

96

ANHANG 4. Klausurtagung EINS, Poster Eins

Page 102: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

97

ANHANG 5. Klausurtagung EINS, Poster Zwei

Page 103: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

98

ANHANG 6. Klausurtagung EINS, Poster Drei

Page 104: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

99

ANHANG 7. Klausurtagung EINS, Poster Vier

Page 105: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

100

ANHANG 8. Programm Klausurtagung ZWEI

Page 106: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

101

Entwicklung eines „Best Practice Modells“ hebammengeleiteter Kreißsäle

2. Workshop Datum: 13.03.2019 09:00 – 17:00 Ort: Bibliothek, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Universitätsklinik Bonn (Sigmund-Freud-Str. 25, 53127 Bonn) TeilnehmerInnen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (je eine Hebamme und einE Arzt / Ärztin) der sieben hebammengeleiteten Kreißsäle NRW Ziele der Veranstaltung:

• Der überarbeitete Kriterienkatalog ist

diskutiert und angenommen.

• Voraussetzungen für die Einführung

eines Hebammenkreißsaal sind

identifiziert.

Page 107: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

102

ANHANG 9. Revidierter Kriterienkatalog, Fassung 30. Januar 2019, mit Ampelsystem

Ein- und

Ausschlusskriterien

Handlungs-

anweisung

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eb

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Au

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de

r

Pla

zen

tap

has

e

Kommentare

1 Einling Einschluss-

kriterium

X

2 Schädellage Einschluss-

kriterium

X X

3 SSW (37+0 bis 41+0) Einschluss-

kriterium

X

4 Größe (< 150cm) Ausschluss-

kriterium

X

5 Gewicht (Ausgangs-BMI >

35)

Ausschluss-

kriterium

X

6 Z.n. Sectio / anderen

Uterus-Operationen

Ausschluss-

kriterium

X

7 Z.n. vorzeitiger

Plazentalösung

Ausschluss-

kriterium

X

8 Z.n. kindlichem Schädigung

unter der Geburt

Ausschluss-

kriterium

X

9 Z.n. Atonie Ausschluss-

kriterium

X

10

SIH Ausschluss-

kriterium bzw.

Weiterleitung

x x

11 iGDM Ausschluss-

kriterium

X X

12

Vorbefundlich: fetale

Wachstumsrestriktion

(IUGR/SGA) oder

Makrosomie

(Schätzgewicht >4500g)

Ausschluss-

kriterium bzw.

Weiterleitung

x x

13

Vorbefundlich: Plazenta-

oder Nabelschnuranomalie

(tiefer Plazentasitz/Plazenta

Ausschluss-

kriterium bzw.

Weiterleitung

x x

Page 108: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

103

Ein- und

Ausschlusskriterien

Handlungs-

anweisung

Erh

eb

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has

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Kommentare

previa; Inserto velamentosa/

Vasa previa)

14

IUFT Ausschluss-

kriterium bzw.

Weiterleitung

x x

Allgemeine Anamnese

15 Alter (<16 >40 Jahre) Konsultation X

16 Allergie (Ausnahme:

Hausstaub, Pollen)

Konsultation X

17 Blutungs- oder

Thromboseneigung

Konsultation X

18

Bestehende oder

durchgemachte

schwerwiegende

Erkrankung

Konsultation X

19 Voroperation(en), nicht am

Uterus

Konsultation X

20 Dauermedikation Konsultation X

21 Besondere psychische oder

soziale Belastung

Konsultation X

22 Nikotin-, Alkohol- oder

Drogenabusus

Konsultation X

Geburtshilfliche

Anamnese

23 Z.n. Geburt eines SGA oder

LGA Feten

Konsultation X

24 Z.n. IUFT Konsultation X

25 Z.n. Prä-, Eklampsie, HELLP Konsultation X

Page 109: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

104

Ein- und

Ausschlusskriterien

Handlungs-

anweisung

Erh

eb

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g b

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Vo

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g b

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Au

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eb

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Erh

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Pla

zen

tap

has

e

Kommentare

Besondere Befunde im

Schwangerschafts-verlauf

26 Vaginale Blutung nach dem

ersten Trimester

Konsultation X X

27 Anämie (z.B. Hb <10g/dl) Konsultation X X

28 dGDM Konsultation X X

29 Infektionen (z.B. Lues, HIV,

Hepatitis, HPV, HSV)

Konsultation X X

30 Pränatal diagnostizierte

Anomalie

Konsultation X X

31 Rh- und andere

Blutgruppen-Antigene

Konsultation X X

32 Oligo-, Polyhydramnie Konsultation X X

33 V.a. Plazentainsuffizienz,

V.a. LGA

Konsultation X X

Aufnahme zur Geburt

34 Vorzeitiger Blasensprung Konsultation x

35 Aktive HSV Infektion Weiterleitung X

36 Pathologisches fetales

Herzfrequenzmuster

Weiterleitung X X

37 Vaginale Blutung Konsultation X X

Geburt

38 Grünes Fruchtwasser Konsultation X X

39 Temperatur > 38°C / V.a.

AIS

Weiterleitung X X X

40 Protrahierte Geburt EP /

AP

Weiterleitung X

Page 110: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

105

Ein- und

Ausschlusskriterien

Handlungs-

anweisung

Erh

eb

un

g b

ei

Vo

rste

llun

g

Erh

eb

un

g b

ei

Au

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zu

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eb

un

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r G

eb

urt

Erh

eb

un

g in

de

r

Pla

zen

tap

has

e

Kommentare

41 Haltungs- oder

Einstellungsanomalie

Weiterleitung X

42 Geburtsstillstand EP / AP Weiterleitung X

43 Schmerzmittel (z.B.

Opioide, PDA, Lachgas)

Weiterleitung X X

44 Wunsch der Schwangeren Weiterleitung X X X

45 Wunsch der Hebamme Weiterleitung X X X

Plazentaphase

46 Verstärkte Blutung Weiterleitung X

47 Plazentalösungsstörung Weiterleitung X

48 Komplizierte

Geburtsverletzung

Weiterleitung X

50 Sonstige mütterliche

Auffälligkeiten

Konsultation X

Neugeborenes

51 Anpassungsstörung Weiterleitung X

52 V.a. Infektion Konsultation X

53 V.a. Fehlbildung Konsultation X

54 Geburtsverletzung Weiterleitung X

Page 111: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

106

Kriterienkatalog

Handlungs-

anweisung

Erhebung

bei

Vorstellung

in der SS

Erhebung

bei

Aufnahme

zur Geburt

Erhebung

unter

Geburt

Erhebung in

der

Plazenta-

phase

EINSCHLUSS-UND AUSSCHLUSSKRITERIEN

1 Einling Einschluss-

kriterium

X

2 Schädellage Einschluss- kriterium

X X

3 SSW (37+0 bis 41+0) Einschluss-

kriterium

X

4 Größe (< 150cm) Ausschluss-

kriterium

X

5 Gewicht (BMI > 35) Ausschluss-

kriterium

X

6 Z.n. Sectio1 Ausschluss-

kriterium

X

7 Z.n. vorzeitiger

Plazentalösung

Ausschluss-

kriterium

X

8 Z.n. kindlicher Schädigung

unter Geburt

Ausschluss-

kriterium

X

9 Z.n. Schulterdystokie Ausschluss-

Kriterium

X

10 Z.n. Atonie2 Ausschluss-

kriterium

X

11 SIH Ausschluss-kriterium bzw.

Weiterleitung

X X

12 iGDM Ausschluss-

kriterium bzw.

Weiterleitung

X X

13 Vorbefundlich: Fetale

Wachstumsrestriktion (IUGR/SGA) oder

Makrosomie (Schätzgewicht

>4500g)3

Ausschluss-

kriterium bzw. Weiterleitung

X X

14 Vorbefundlich: Plazenta-

oder Nabelschnur-Anomalie (tiefer Plazentasitz / Plazenta

prävia; Insertio velamentosa /

Vasa prävia)

Ausschluss-

kriterium bzw.

Weiterleitung

X X

15 IUFT Ausschluss-

kriterium bzw.

Weiterleitung

X X

16 Wunsch der Hebamme Ausschluss-kriterium bzw.

Weiterleitung

X X X X

ANHANG 10. Finaler Kriterienkatalog, Fassung 30. April 2019

Page 112: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

107

Handlungs-

anweisung

Erhebung

bei

Vorstellung

in der SS

Erhebung

bei

Aufnahme

zur Geburt

Erhebung

unter

Geburt

Erhebung in

der

Plazenta-

phase

ALLGEMEINE ANAMNESE

17 Alter (<16 oder >40 Jahre) Konsultation X

18 Allergie4 Konsultation X

19 Blutungs- oder Thromboseneigung

Konsultation X

20 Bestehende oder

durchgemachte

schwerwiegende Erkrankung

Konsultation X

21 Voroperation(en) am Uterus,

nicht Sectio

Konsultation X

22 Voroperation(en), nicht am

Uterus4

Konsultation X

23 Dauermedikation4 Konsultation X

24 Besondere psychische oder soziale Belastung

Konsultation X

25 Z. n. / Z. b. Nikotin-, Alkohol-

oder Drogenkonsum

Konsultation X

GEBURTSHILFLICHE ANAMNESE

26 Z.n. Geburt eines SGA oder

LGA Feten

Konsultation X

27 Z.n. IUFT Konsultation X

28 Z.n. Prä-, Eklampsie, HELLP Konsultation X

BESONDERE BEFUNDE IM SCHWANGERSCHAFTS-VERLAUF

29 Vaginale Blutung nach dem

ersten Trimester

Konsultation X X

30 Anämie (Hb <10g/dl) Konsultation X X

31 dGDM5 Konsultation X X

32 Infektionen (z.B. Lues, HIV,

Hepatitis, HPV, HSV)

Konsultation X X

33 Pränatal diagnostizierte

Anomalie

Konsultation X X

34 Rh- und andere Blutgruppen-Antikörper

Konsultation X X

35 Oligo-, Polyhydramnie Konsultation X X

36 V.a. Plazentainsuffizienz,

V.a. LGA

Konsultation X X

37 Terminüberschreitung (41+0

bis 42+0)

Konsultation X X

Page 113: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

108

Handlungs-

anweisung

Erhebung

bei

Vorstellung

in der SS

Erhebung

bei

Aufnahme

zur Geburt

Erhebung

unter

Geburt

Erhebung in

der

Plazenta-

phase

AUFNAHME ZUR GEBURT

38 Vorzeitiger Blasensprung6 Konsultation X

39 Aktive genitale HSV Infektion Weiterleitung

X

40 Pathologisches fetales

Herzfrequenzmuster

Weiterleitung X X

41 Vaginale Blutung7 Konsultation X X

GEBURT

42 Grünes Fruchtwasser Konsultation X X

43 Temperatur > 38°C / V.a. AIS Weiterleitung X X X

44 Protrahierte Geburt EP8 Konsultation X

45 Protrahierte Geburt AP8 Weiterleitung

46 V.a. Haltungs- oder

Einstellungsanomalie

Konsultation X

47 Geburtsstillstand EP / AP8 Weiterleitung X

48 Schmerzmittel (Opioide,

PDA, Lachgas9)

Weiterleitung X X

49 Wunsch der Schwangeren Weiterleitung X X X

50 organisatorische Gründe Weiterleitung X X X

PLAZENTAPHASE

51 Verstärkte Blutung Weiterleitung X

52 Plazentalösungsstörung8 Weiterleitung X

53 Komplizierte

Geburtsverletzung

Konsultation X

54 Sonstige mütterliche

Auffälligkeiten

Konsultation X

NEUGEBORENES10

55 Anpassungsstörung Konsultation X

56 V.a. Infektion Konsultation X

57 V.a. Fehlbildung Konsultation X

58 Geburtsverletzung Konsultation X

1 ggf. Z.n. Sectio und nachfolgend unkomplizierter Spontanpartus: Konsultation 2 ggf. Konsultation 3 ggf. >4000g (nach abteilungs- bzw. klinikeigener SOP) 4 sofern nicht durch abteilungs- bzw. klinikeigene Liste mit Spezifizierungen ausgenommen 5 ggf. Ausschlusskriterium bzw. Weiterleitung 6 ohne Geburtsbeginn innerhalb der abteilungs- bzw. klinikeigenen SOP-Frist 7 Bei einer Zeichnungsblutung handelt es sich nicht um eine pathologische vaginale Blutung 8 ggf. mit Zeitangabe (nach abteilungs- bzw. klinikeigener SOP) 9 Die Anwendung von Lachgas ist in manchen Hebammenkreißsälen gestattet 10 Falls es sich um eine Abteilung / Klinik mit angeschlossener Kinderklinik handelt, so ist zusätzlich eine

Konsultation mit dem Verantwortlichen dieser Fachabteilung erforderlich

Page 114: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

109

Literatur 1. World Health Organization. WHO recommendations: Intrapartum care for a positive childbirth

experience. Geneva; 2018.

2. Brocklehurst P, Hardy P, Hollowell J, Linsell L, Macfarlane A, McCourt C et al. Perinatal and maternal

outcomes by planned place of birth for healthy women with low risk pregnancies: the Birthplace in

England national prospective cohort study: Birthplace in England Collaborative Group. BMJ 2011;

343(d7400).

3. National Institute for Health and Care Excellence. Intrapartum care for healthy women and babies

(CG190) 2018. Available from: URL: nice.org.uk/guidance/cg190.

4. Bauer N, Kehrbach A, Krahl, Astrid, von Rahden, Oda, zu Sayn-Wittgenstein, Friederike. Handbuch

Hebammenkreißsaal: Von der Idee zur Umsetzung. Osnabrück: Verbund Hebammenforschung; 2007.

5. Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen. Der

Runde Tisch Geburtshilfe: Abschlussbericht [VNr 165]. Düsseldorf; 2015.

6. Hochschule Osnabrück. Verbund Hebammenforschung: Abgeschlossene Projekte [cited 2019 May 21].

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Page 119: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

1

gefördert vom

Medizinische Sicherheit des Versorgungskonzepts

hebammengeleiteter Kreißsaal:

Eine retrospektive Kohortenstudie am Zentrum

für Geburtshilfe des Universitätsklinikums Bonn

vorgelegt von

Waltraut M. Merz

unter Mitarbeit von

Laura Tascon-Padron, Andrea Heep und Marie-Therese Puth

Bonn, Juni 2019, aktualisiert August 2020

Page 120: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

2

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................................... 2

Abkürzungen ................................................................................................................................ 5

(I) Zusammenfassung ................................................................................................................ 6

(I.a.) Inhalt und Zielsetzung des Forschungsprojekts GEscHIcK ........................................................... 6

(I.b.) Die medizinische Sicherheit des Hebammenkreißsaals ............................................................... 6

(I.c.) Forschungsmethode .................................................................................................................... 7

(I.d.) Ergebnisse ................................................................................................................................... 7

(I.e.) Insgesamt .................................................................................................................................... 8

(II) Einführung ....................................................................................................................... 10

(III) Hintergrund und Fragestellung ........................................................................................ 12

(III.a.) Der Hebammenkreißsaal in Deutschland................................................................................. 12

(III.b.) Die medizinische Sicherheit des Hebammenkreißsaals – Vorbemerkungen ........................... 14

(III.c.) Der Kriterienkatalog – Voraussetzung für die Standardisierung des HGK ................................ 16

(III.d.) Fragestellung ........................................................................................................................... 16

(IV) Material und Methoden ................................................................................................... 17

(IV.a.) Wahl der Untersuchungsmethode .......................................................................................... 17

(IV.b.) Datenquellen für die Analyse .................................................................................................. 17

1. Datenbank Hebammenkreißsaal (Datenquelle A) ..................................................................... 17

2. Geburtenbücher UKF (Datenquelle B) ....................................................................................... 18

3. Elektronische Datenbank (Datenquelle C)................................................................................. 18

4. Patientenakte (Datenquelle D) .................................................................................................. 19

(IV.c.) Auswahl der Studiengruppe .................................................................................................... 19

(IV.d.) Auswahl der Kontrollgruppe .................................................................................................... 20

(IV.e.) Definition der Untersuchungsvariablen ................................................................................... 21

(IV.f.) Statistische Methoden ............................................................................................................. 22

(V) Ergebnisse ....................................................................................................................... 24

(V.a.) Teil 1: Vergleich Studien- und Kontrollgruppe .......................................................................... 24

1. Nichtunterlegenheit des HGK bezüglich geburtshilflicher Merkmale ....................................... 24

2. Nichtunterlegenheit des HGK bezüglich des ‚composite outcome‘ Neugeborenes ................. 25

3. Logistische Regressionsanalysen ............................................................................................... 26

(V.b.) Teil 2: Analyse der aus dem HGK weitergeleiteten Geburten .................................................. 26

1. Weiterleitungsrate und –gründe ............................................................................................... 27

2. Mütterliche Merkmale der weitergeleiteten Geburten ............................................................ 28

3. Neugeboren-Merkmale der weitergeleiteten Geburten .......................................................... 29

Page 121: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

3

(VI) Diskussion ....................................................................................................................... 31

(VI.a.) Diskussion der Studienergebnisse ........................................................................................... 31

1. Vergleich Studien- und Kontrollgruppe ..................................................................................... 31

2. Weiterleitungen ......................................................................................................................... 33

Ergebnisse der weitergeleiteten Geburten ........................................................................................ 34

(VI.b.) Diskussion internationaler Studienergebnisse ........................................................................ 36

(VI.c.) Limitationen ............................................................................................................................. 38

(VI.d.) Insgesamt ................................................................................................................................ 39

Tabellen ..................................................................................................................................... 41

Tab. 1. Mütterliche Charakteristika nach Studien- und Kontrollgruppe (N=1224). ............................ 41

Tab. 2. Geburtshilfliche Charakteristika der Mutter nach Studien- und Kontrollgruppe (N=1224). .. 42

Tab. 3. Geburtshilfliche Charakteristika für Nichtunterlegenheitstest (Nichtunterlegenheitsgrenze

2%) nach Studien- und Kontrollgruppe (N=1224). ............................................................................. 44

Tab. 4. Indikationen für Sectios (alle Formen) und vaginal-operative Entbindungen nach Studien-

und Kontrollgruppe (N=205). ............................................................................................................. 44

Tab. 5. Charakteristika der Neugeborenen nach Studien- und Kontrollgruppe (N=1224). ................ 45

Tab. 6. Geburtsgewicht (kategorisiert) der Neugeborenen nach Studien- und Kontrollgruppe

(N=1224). ........................................................................................................................................... 46

Tab. 7. Charakteristika der Neugeborenen für Nichtunterlegenheitstest (Nichtunterlegenheitsgrenze

2%) nach Studien- und Kontrollgruppe (N=1209Ϯ). ............................................................................ 47

Tab. 8. Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bzgl. des Merkmals Geburtsmodus (spontan

vs. Sectio/vag. operativ) (N=1224). .................................................................................................... 48

Tab. 9. Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bzgl. des Merkmals Geburtsmodus (spontan

vs. vaginal-operativ) (N=1115Ϯ). ......................................................................................................... 49

Tab. 10. Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bzgl. des Composite Outcomes der

Neugeborenen (Nein vs. Ja) (N=1209Ϯ). ............................................................................................ 50

Tab. 11. Weiterleitungen, unter und nach Geburt (N=612). .............................................................. 51

Tab. 12. Weiterleitungsgründe, unter und nach Geburt (N=308). ..................................................... 51

Tab. 13. Mütterliche Charakteristika nach Studien- und Kontrollgruppe unter Einbezug der

Weiterleitung (N=1224). .................................................................................................................... 52

Tab. 14. Weitere Charakteristika der Mutter nach Studien- und Kontrollgruppe unter Einbezug der

Weiterleitung (N=1224). .................................................................................................................... 53

Tab. 15. Indikationen für Sectios (alle Formen) und vaginal-operative Entbindungen nach Studien-

und Kontrollgruppe und Einbezug der Weiterleitung (N=205). ......................................................... 54

Tab. 16. Charakteristika der Neugeborenen nach Studien- und Kontrollgruppe unter Einbezug der

Weiterleitung (N=1224). .................................................................................................................... 55

Tab. 17. Charakteristika der Neugeborenen bzgl. Composite Outcome nach Studien- und

Kontrollgruppe unter Einbezug der Weiterleitung (N=1209Ϯ). .......................................................... 57

Page 122: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

4

Tab. 18. Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bzgl. des Merkmals Weiterleitung (Nein vs.

Ja) (N=612). ....................................................................................................................................... 58

Anhang: Kriterienkatalog HGK Bonn............................................................................................ 59

Literatur ..................................................................................................................................... 63

Page 123: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

5

Abkürzungen

BE - Base Excess

BMI - Body Mass Index

HGK - hebammengeleiteter Kreißsaal

KI - Konfidenzintervall

LZG.NRW - Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen

MAGS - Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

MGEPA - Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter

NRW - Nordrhein-Westfalen

OR - Odds Ratio

pH art. - pH-Wert in der Nabelschnurarterie

PDA - Periduralanästhesie

UKB - Universitätsklinikum Bonn

WHO - Weltgesundheitsorganisation

Hinweis: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird im Folgenden auf eine

geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der

Gleichbehandlung für beide Geschlechter.

Page 124: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

6

(I) Zusammenfassung

(I.a.) Inhalt und Zielsetzung des Forschungsprojekts GEscHIcK

Gefördert vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen untersucht das

Forschungsprojekt „Geburt im hebammengeleiteten Kreißsaal (GEscHIcK) –

Entscheidungsabläufe, Qualitätssicherung und ‚Best Practice‘ Modell“ verschiedene Aspekte

des Versorgungsmodells Hebammenkreißsaal. Es leistet damit einen Beitrag zu den

Empfehlungen des Runden Tisches Geburtshilfe von 2015 (1), das Versorgungskonzept

Hebammenkreißsaal weiterzuentwickeln.

GEscHIcK widmet sich der Frage in drei Teilprojekten. Teilprojekt Eins umfasst die

Untersuchung zur medizinischen Sicherheit des Hebammenkreißsaals. Die Antwort auf die

medizinische Sicherheit wird in zwei getrennten Untersuchungen gegeben. Zum einen

erfolgt eine retrospektive vergleichende Analyse der Geburten am Universitätsklinikum Bonn

(UKB) für den Zeitraum 2010 – 2017. Zum anderen erfolgt eine prospektive vergleichende

Analyse der Geburten am UKB und fünf weiteren Hebammenreißsälen in NRW für den

Zeitraum 2018 – 2020. Teilprojekt Zwei untersucht den Informationsstand der Schwangeren

zu unterschiedlichen Betreuungsmodellen, Entscheidungsabläufe für bzw. gegen den

Hebammenkreißsaal sowie die Zufriedenheit mit dem gewählten Betreuungskonzept.

Teilprojekt Drei erstellt ein ‚Best Practice‘ Modell Hebammenkreißsaal. Der vorliegende

Bericht beinhaltet Teilprojekt Eins, und hiervon die retrospektive vergleichende Analyse der

Geburten am UKB für den Zeitraum 2010 – 2017.

(I.b.) Die medizinische Sicherheit des Hebammenkreißsaals

Daten zur medizinischen Sicherheit des Hebammenkreißsaals liegen für Deutschland nicht

vor. International werden alle Formen der hebammengeleiteten Geburtshilfe auch bezüglich

der Frage der medizinischen Sicherheit auf hohem wissenschaftlichem Niveau erforscht. Die

Ergebnisse können jedoch aufgrund von Unterschieden in den Versorgungsstrukturen nicht

Page 125: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

7

Eins-zu-Eins auf deutsche Verhältnisse übertragen werden. Das Forschungsprojekt GEscHIcK

führt die erste Untersuchung in Deutschland durch, die in systematischer Weise Daten

erhebt, um die medizinische Sicherheit von Hebammenkreißsälen zu bewerten.

(I.c.) Forschungsmethode

Die Studie wurde als retrospektive Kohortenstudie durchgeführt. Hierfür wurden alle

Geburten im Hebammenkreißsaal (Studiengruppe) der Jahre 2010 bis 2017 mit ärztlich

geleiteten Geburten des gleichen Untersuchungszeitraums verglichen (Kontrollgruppe). Die

Kontrollgruppe erfüllte die gleichen Bedingungen wie die Studiengruppe, d.h. es wurden nur

gesunde Schwangere nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf aufgenommen. Darüber

hinaus wurde die Parität bei der Auswahl berücksichtigt. Sodann wurde die Nicht-

Unterlegenheit der hebammengeleiteten Geburten für vorab festgelegte relevante

geburtshilfliche und Neugeborenen-Ergebnisse untersucht und weitere Merkmale zwischen

den Gruppen als untersuchungsrelevant definiert.

(I.d.) Ergebnisse

Studien- und Kontrollkollektiv umfassten jeweils 612 Frauen. Unsere Analyse ergab eine

Nicht-Unterlegenheit der hebammengeleiteten Geburten für die geburtshilflichen Merkmale

Geburtsmodus und peripartale Blutung sowie für das ‚composite outcome‘ der Neugeboren.

Dieses besteht aus den drei Merkmalen 5-Minuten Apgar <7, arterieller Nabelschnur-pH <

7,10, und ungeplante postnatale Verlegung und ist erfüllt, wenn eines der drei Merkmale

vorliegt. Ein ‚composite outcome‘ war gewählt worden, um die Detektionsrate eines

negativen Ergebnisses bei Neugeborenen zu erhöhen.

Für die folgenden Merkmale ergaben sich bei Geburten im hebammengeleiteten Kreißsaal

Vorteile: Geburtsdauer, Dammschnitte, vaginal-operative Geburten und Periduralanästhesie

(PDA) zur Schmerzerleichterung. Das einzige Merkmal mit einem schlechteren Ergebnis im

Hebammenkreißsaal betraf höhergradige Geburtsverletzungen.

Page 126: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

8

Weiterleitungen in den ärztlichen Kreißsaal während oder nach der Geburt erfolgten in

50,3% der Geburten. Der Wunsch der Gebärenden nach einer PDA sowie Auffälligkeiten des

fetalen Herzfrequenzmusters stellten die häufigsten Gründe für eine Weiterleitung dar. Über

zwei Drittel (68,2%) der Weiterleitungen betraf Erstgebärende. Damit wurden knapp drei

Viertel aller Erstgebärenden (74,7%) während oder nach der Geburt in den ärztlichen

Kreißsaal weitergeleitet. Unterschiede in weiteren Merkmalen konnten nicht festgestellt

werden.

Die vergleichende Betrachtung der Untergruppe der Weiterleitungen erbrachte auch für

Geburten nach Weiterleitung eine hohe Sicherheit. Die Kaiserschnittrate war nicht erhöht,

‚composite outcomes‘ des Neugeborenen traten nicht häufiger auf.

(I.e.) Insgesamt

Unsere Analyse bestätigt die Nicht-Unterlegenheit von Geburten im Hebammenkreißsaal im

Vergleich zu ärztlich geleiteten Geburten. Dies gilt auch für die Gruppe der Weiterleitungen.

Für einige Merkmale scheint eine hebammengeleitete Geburt sogar einen Vorteil zu

beinhalten. Insbesondere Mehrgebärende haben eine hohe Chance, im Hebammenkreißsaal

zu gebären. Unsere Ergebnisse stehend weitgehend im Einklang mit internationalen Studien.

Die Aussage zur medizinischen Sicherheit unterliegt jedoch folgenden Einschränkungen:

Nur so genannte „low-risk“ Schwangere werden zur Geburt in den

Hebammenkreißsaal aufgenommen;

Während der Geburt wird die weiterbestehende Eignung fortwährend durch die

betreuende Hebamme überprüft;

Bei Auftreten von Auffälligkeiten ist eine unmittelbare Weiterleitung in den

ärztlichen Kreißsaal gewährleistet.

Verfahrensregeln für die Aufnahme und Weiterleitung sind üblicherweise in einem

Kriterienkatalog nach interprofessionellem Diskurs zwischen Ärzten und Hebammen

festgelegt. Der Kriterienkatalog fungiert somit als Garant für die medizinische Sicherheit des

Versorgungskonzepts.

Page 127: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

9

Derzeit existieren für einen Hebammenkreißsaal jedoch weder bindende Vorgaben bezüglich

seiner Umsetzung noch unterliegt er einer Qualitätssicherung. Um ein hohes Niveau des

Hebammenkreißsaals zu gewährleisten, sollte die Festlegung eines Kriterienkatalogs für die

Zulassung zum Hebammenkreißsaal sowie die Indikationen für eine Weiterleitung in die

ärztliche Betreuung erwogen werden. Als Vorlagen hierfür stehen der vom Verbund

Hebammenforschung sowie der von GEscHIcK erarbeitete Kriterienkatalog zur Verfügung (2,

3).

Page 128: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

10

(II) Einführung1

Das Universitätsklinikum Bonn (UKB) hat unter der Bezeichnung „Geburt im

hebammengeleiteten Kreißsaal (GEscHIcK) – Entscheidungsabläufe, Qualitätssicherung und

Best Practice Modell“ ein Forschungsprojekt konzipiert und dafür vom Landeszentrum

Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW) die Förderzusage für den Bewilligungszeitraum

1.5.2018 bis 30.4.2020 erhalten (LZG.NRW, Aktenzeichen LZG TG 75-001/2018).

GEscHIcK schließt an die Arbeit des ‚Runden Tisches Geburtshilfe‘ an, den das damalige

Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) des Landes Nordrhein-

Westfalen, heute das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) des Landes

Nordrhein-Westfalen, im Jahr 2014 einberufen hatte. Der Runde Tisch war seinerzeit

beauftragt, „im intensiven Dialog zwischen den an der geburtshilflichen Versorgung in NRW

beteiligten Akteurinnen und Akteuren sowie den zuständigen Ministerien der

Landesregierung die aktuelle Situation der Hebammen und der Geburtshilfe in Nordrhein-

Westfalen darzustellen sowie Konzepte zur Sicherung und zum Ausbau der wichtigen

Funktion der Hebammen für die Geburtshilfe und die Begleitung junger Familien in

Nordrhein Westfalen zu erarbeiten“ (1).

Der vom Ministerium 2015 vorgelegte Abschlussbericht zur Arbeit des Runden Tisches

enthält zahlreiche Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgung in der Schwangerschaft

und bei der Geburt. In den Handlungsempfehlungen ist unter der Überschrift ‚Zukünftige

Versorgungsstrukturen‘ vermerkt: „Der Runde Tisch empfiehlt die Versorgungsforschung zu

verstärken ….“ und „Der Runde Tisch empfiehlt, das Versorgungskonzept

„Hebammenkreißsaal“ weiterzuentwickeln“ (1).

Das UKB hat 2009 den ersten und bislang einzigen hebammengeleiteten Kreißsaal (HGK) an

einer Universitätsklinik in Deutschland eingerichtet und verfügt über eine langjährige

Erfahrung mit diesem Betreuungsmodell. In Zusammenarbeit von ärztlicher Leitung der

Geburtshilfe, der Pflegedirektion und Hebammen wurde das Forschungskonzept GEscHIcK

entwickelt, um flächendeckend für NRW die Versorgungsforschung zum HGK zu vertiefen.

1Die Einführung lehnt sich eng an das Kapitel Einführung des Forschungsberichts GEscHIcK Teilprojekt III

„Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein-Westfalen und Annäherung an ein ‚Best Practice‘ Modell hebammengeleiteter Kreißsaal“(3) an. Das Forschungsprojekt GEscHIcK besteht aus mehreren Säulen,

über die separat berichtet wird. Es scheint geboten, im Kapitel Einführung den Hintergrund des

Forschungsprojekts, den Bezugsrahmen, sowie die Forschungsteile jeweils erneut darzustellen.

Page 129: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

11

GEscHIcK beruht auf drei thematischen Teilprojekten, die inhaltlich aufeinander bezogen

sind, aber getrennt erforscht werden und eine je eigene Berichterstattung erfahren:

Teilprojekt Eins umfasst die Analyse zur medizinischen Sicherheit des

Hebammenkreißsaals. Die Antwort auf die medizinische Sicherheit wird in zwei

getrennten Untersuchungen gegeben. Zum einen erfolgt eine retrospektive

vergleichende Analyse der Geburten am UKB für den Zeitraum 2010 – 2017. Zum

anderen erfolgt eine prospektive vergleichende Analyse der Geburten am UKB und fünf

weiteren Hebammenkreißsälen in NRW für den Zeitraum 2018 – 2020.

Teilprojekt Zwei erhebt mittels Interviews mit Schwangeren Daten zu Informiertheit und

Informationswegen über unterschiedliche Versorgungsmodelle. Zudem erfragt es

nachgeburtlich die Zufriedenheit mit dem gewählten Entbindungsmodell;

Teilprojekt Drei entwickelt ein ‚Best Practice‘ Modell (BPM) des HGK.

Die drei Teilprojekte haben unterschiedliche Förderlaufzeiten und werden mit

unterschiedlichen Methoden erforscht. Hier vorgelegt wird der Abschlussbericht zum

Teilprojekt ‚Medizinische Sicherheit‘, retrospektive Betrachtung. Das Teilprojekt

‚Medizinische Sicherheit‘, prospektive Betrachtung, sowie die beiden anderen Teilprojekte

erfahren eine separate Berichterstattung.

Page 130: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

12

(III) Hintergrund und Fragestellung

(III.a.) Der Hebammenkreißsaal in Deutschland2

Das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal kann in Deutschland mittlerweile auf eine

zwanzigjährige Geschichte verweisen. Nach Etablierung des Konzeptes in verschiedenen

europäischen Ländern wurde das Versorgungsmodell ab ca. 1998 zunächst durch den

Verbund Hebammenforschung beforscht. Im Jahr 2003 wurde schließlich der erste

Hebammenkreißsaal Deutschlands in Bremerhaven Reinkenheide eröffnet. Gefördert mit

Bundesmitteln begleitete der Verbund die Entwicklung wissenschaftlich (Näheres siehe

Internetseite Hochschule Osnabrück, Hebammenforschung, abgerufen am 21.4.2019) (4).

Unter anderem entstand das Handbuch Hebammenkreißsaal – ein praxisorientiertes,

wissenschaftlich fundiertes und anwenderfreundliches Dokument, das umfassende

Handlungsanweisungen für eine Implementierung des Versorgungmodells liefert (2).

Weder in NRW noch in einem anderen Bundesland hat der Hebammenkreißsaal seit seiner

erstmaligen Einführung eine große Verbreitung gefunden. Laut Deutschem

Hebammenverband (DHV) bieten derzeit bundesweit insgesamt 23 Kliniken, in NRW neun,

eine geburtshilfliche Abteilung mit Hebammenkreißsaal an (siehe Internetseite DHV,

abgerufen am 30.7.2020) (5). Zahlen zu den Geburten in diesem Versorgungskonzept sind

bisher nicht publiziert. Sie liegen nach unserer im Rahmen des Forschungsprojekts

durchgeführten Datenerhebung für NRW derzeit bei 3,4%; damit finden derzeit insgesamt

ca. 0,2% aller Geburten in NRW hebammengeleitet statt.

Die Entwicklung des Hebammenkreißsaals ist eingebettet in die aktuelle

gesundheitspolitische Landschaft Deutschland, die von großen Veränderungen

gekennzeichnet ist. Nach einer längeren Phase des kontinuierlichen Rückgangs der

Geburtenzahlen ist in den letzten Jahren ein Anstieg der Geburten in Deutschland wie auch

2Dieses Kapitel lehnt sich eng an das gleichnamige Kapitel des Berichts „Bestandsaufnahme der

Hebammenkreißsäle in Nordrhein-Westfalen und Annäherung an ein ‚Best Practice‘ Modell hebammengeleiteter Kreißsaal“ (3) an.

Page 131: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

13

in NRW zu verzeichnen. Gleichzeitig vollzieht sich eine Konzentration der geburtshilflichen

Versorgung. Im Zeitraum 1991 bis 2015 wurden 40,2% der geburtshilflichen Einrichtungen

an Krankenhäusern geschlossen (6). Hinzu kommt der steigende finanzielle Druck in der

klinischen und außerklinischen Geburtshilfe. So arbeiten laut Deutscher

Krankenhausgesellschaft (DKG) rund 60% der geburtshilflichen Abteilungen nicht

kostendeckend (6). Für die außerklinische Geburtshilfe ist der Kostendruck mit der

Anhebung der Haftpflichtversicherungsprämien stark gestiegen.

Parallel zu den gesundheitspolitischen Veränderungen vollzieht sich auch im Hinblick auf die

Geburtsform ein stetiger Wandel. Der Trend zur Entbindung mittels Kaiserschnitt ist in

Deutschland ungebrochen, 30,5% aller Geburten erfolgten im Jahr 2018 mittels Kaiserschnitt

(NRW: 31,0%) (siehe Internetseite Statistisches Bundesamt, abgerufen am 27.4.2019) (7).

Diese Entwicklung in Deutschland spiegelt den globalen Trend wider – seit dem Jahr 2000

stieg die Kaiserschnittrate global durchschnittlich um 3,7% pro Jahr an und kletterte von

12,1% auf 21,1% im Jahr 2015 (8). In Westeuropa lag der durchschnittliche jährliche Anstieg

mit 2,1% zwar niedriger, erreichte aber bei einer Ausgangsrate von 19,6% (im Jahr 2000) im

Jahr 2015 mit 26,9% ein höheres Niveau (8). Die Problematik hat mittlerweile auf

internationaler Ebene Beachtung gefunden. So veröffentlichte die

Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 2015 ein Positionspapier hierzu, das von der bis

dato formulierten Festlegung einer optimalen Kaiserschnittrate abrückt und stattdessen die

Durchführung eines Kaiserschnitts für Frauen fordert, die einen solchen benötigen.

Gleichzeitig wird die Anwendung einer neuen, einheitlichen Klassifikation zur Erfassung der

Indikationen eines Kaiserschnitts empfohlen, die eine Analyse sowie einen Vergleich auf

internationaler Ebene ermöglicht (9). Noch jünger ist das Positionspapier der

Weltorganisation der Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe (International Federation

of Gynecology and Obstetrics, FIGO) aus 2018. Hier wurde zur Reduktion ‚überflüssiger‘

Kaiserschnitte ein Sechs-Punkte-Maßnahmenkatalog erstellt, der unter anderem

Empfehlungen für Interventionen auf der medizinischen, organisatorischen und

gesundheitspolitischen Ebene umfasst (10, 11).

Page 132: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

14

(III.b.) Die medizinische Sicherheit des Hebammenkreißsaals –

Vorbemerkungen

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema medizinische Sicherheit des

Hebammenkreißsaals ist eng mit der Art und Weise seiner Umsetzung verknüpft. In NRW

orientieren sich alle Hebammenkreißsäle an dem vom Verbund Hebammenforschung

vorgegebenen Konzept (2) oder haben, sofern die Einrichtung eines Hebammenkreißsaals

der Publikation voranging, ihr Konzept mit diesem nachträglich abgeglichen (eigene

Umfrage-Ergebnisse) (3). Der Begriff Hebammenkreißsaal ist jedoch in Deutschland nicht

geschützt. Zur Festlegung eines Hebammenkreißsaals als Versorgungskonzept gibt es weder

ein Zertifizierungsverfahren noch eine Leitlinie. Eine Transparenz bezüglich der Art der

Umsetzung in der jeweiligen Institution wird nicht gefordert, eine Dokumentation im Sinne

einer Qualitätssicherung ist nicht vorgeschrieben. Letztlich kann das Konzept völlig frei nach

den Vorstellungen der sich dafür Interessierenden umgesetzt werden. Daten, die erhoben

werden, um die medizinische Sicherheit des Versorgungskonzepts zu bewerten, stehen

daher immer unter dem Vorbehalt, dass sie nur für eine bestimmte Ausgestaltung des

Hebammenkreißsaals gelten und nicht oder nur bedingt verallgemeinerbar sind.

Daten zur medizinischen Sicherheit des Versorgungskonzepts Hebammenkreißsaal in

Deutschland liegen bisher nicht vor. Gründe hierfür bestehen unter anderem darin, dass

diese Geburten in der Perinatalstatistik nicht gesondert erfasst werden. Daten von Geburten

in den übrigen in Deutschland vorhandenen nicht-ärztlichen Betreuungsmodellen –

Geburtshaus und Hausgeburt – werden in Analogie zu Krankenhausgeburten an eine

zentrale Stelle gemeldet. Die ‚Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe

e.V.‘ (QUAG) erfasst die außerklinischen Geburten aller gesetzlich versicherten Frauen und

führt eine Auswertung durch (12). Da in Deutschland derzeit jedoch 98,4% aller Geburten in

einem Krankenhaus stattfinden (13), ist die Anzahl der außerklinisch durchgeführten

Geburten mit ca. 10.000 pro Jahr zu gering, um schwere Komplikationen, die typischerweise

selten auftreten, ausreichend genau zu erfassen. So liegt die Müttersterblichkeit in

Deutschland bei ca. einer von 10-15.000 Schwangeren. Die perinatale Mortalität ist mit ca.

0,5% zwar höher, beinhaltet jedoch in über der Hälfte (59,8%) bereits vorgeburtlich

Page 133: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

15

eingetretene Todesfälle (13). Damit stehen auch für die perinatale Mortalität keine Zahlen in

einer für einen statistischen Vergleich erforderlichen Größenordnung zur Verfügung.

International wurde und wird das Versorgungskonzept (und darüber hinaus die anderen

Formen der hebammengeleiteten Geburtshilfe – Geburtshaus und Hausgeburt) unter

anderem auch bezüglich der Frage der medizinischen Sicherheit intensiv und auf hohem

wissenschaftlichen Niveau beforscht.

Die folgenden Unterschiede in der Versorgungsstruktur müssen bei der Bewertung der

internationalen Studien zum Thema berücksichtigt werden:

Die Schwangerenvorsorge ist in vielen Ländern in der Hand von Hebammen oder

Allgemeinmedizinern, die Weiterleitung in die fachärztliche Betreuung erfolgt in

diesem Versorgungskonzept ausschließlich bei Auftreten von Besonderheiten;

Die Schwangerenvorsorge kann krankenhausbasiert oder ambulant etabliert sein;

Die Verbreitung und Ausgestaltung der ergänzenden Versorgungskonzepte

Hebammenkreißsaal, Geburtshaus und Hausgeburt sind international sehr

unterschiedlich;

Die Verzahnung des ambulanten und stationären Sektors ist unterschiedlich geregelt;

dies betrifft sowohl die Infrastruktur für den Fall einer notfallmäßigen Verlegung der

Gebärenden in eine Klinik, als auch die Betreuungskontinuität;

Nicht zuletzt variieren auch Anzahl und Qualifikation der zur Verfügung stehenden

Betreuenden.

Trotz dieser Unterschiede kommen alle Metaanalysen zum Schluss, dass nicht-ärztlich

geleitete Geburten so genannter ‚low-risk‘ Schwangerer weniger Interventionen beinhalten

und verschiedene Merkmale einer Geburt positiv beeinflussen (siehe Kapitel Diskussion).

Dennoch können diese Ergebnisse internationaler Studien nicht Eins-zu-Eins auf deutsche

Verhältnisse übertragen werden. Das Forschungsprojekt GEscHIcK führt damit die erste

Untersuchung in Deutschland durch, die in systematischer Weise Daten erhebt, um die

medizinische Sicherheit von Hebammenkreißsälen zu bewerten. Dabei ist ein besonderes

Augenmerk auf die Kriterien zu legen, die für die Zuordnung Schwangerer in Risikogruppen

herangezogen werden. Die Definition einer ‚low-risk‘ Schwangerschaft ist zentral für den

Zugang zu einer Geburt im Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal.

Page 134: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

16

(III.c.) Der Kriterienkatalog – Voraussetzung für die Standardisierung

des HGK

Der Kriterienkatalog ist ein Bewertungsinstrument für Hebammen, entlang dessen sie eine

Entscheidung treffen können, ob Schwangere für eine Geburt im hebammengeleiteten

Kreißsaal geeignet sind. Zum einen gibt der Kriterienkatalog den Hebammen die Parameter

an die Hand, anhand derer sie bei Erstvorstellung der Schwangeren die Eignung für das

Geburtsmodell bewerten können. Zum anderen hilft er zu prüfen, ob Frauen nach ihrer

Aufnahme in den Hebammenkreißsaal dort verbleiben können oder in die ärztliche

Betreuung weitergeleitet werden müssen. Die fortlaufende Anwendung des

Kriterienkatalogs gewährleistet damit die medizinische Sicherheit des Hebammenkreißsaals.

Im Rahmen der wissenschaftlichen Einführung des Konzepts wurde vom Verbund

Hebammenforschung der Hochschule Osnabrück ein Kriterienkatalog erarbeitet (2).

Interessierte können diesen als Vorlage für den eigenen Hebammenkreißsaal verwenden.

Jedoch existiert keine Vorschrift, die zur Anwendung eines Kriterienkatalogs verpflichtet.

(III.d.) Fragestellung

Die medizinische Sicherheit des ergänzenden geburtshilflichen Betreuungskonzepts

Hebammenkreißsaal stellt eine Vorbedingung seiner medizinisch-gesellschaftlichen

Akzeptanz und Verbreitung dar. Nur wenn der Ausgang der Geburt für Mutter und

Neugeborenes vergleichbar gut - oder für eine bestimmte Gruppe Schwangerer sogar besser

- als im ärztlichen Kreißsaal ist, ist das Konzept zukunftsfähig.

Damit lautet die Fragestellung unserer Untersuchung:

Wie ist die medizinische Sicherheit des ergänzenden Versorgungskonzepts

Hebammenkreißsaal im Vergleich zum ärztlich geleiteten Versorgungskonzept zu bewerten?

Page 135: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

17

(IV) Material und Methoden

(IV.a.) Wahl der Untersuchungsmethode

In der medizinischen Forschung kommen für den Vergleich zweier Behandlungsmethoden

verschiedene Untersuchungsmethoden in Frage. Das höchste Evidenzniveau wird mittels

eines prospektiv randomisierten, doppelt verblindeten Studiendesigns erreicht. Dieses

Evidenzniveau ist jedoch für unsere Fragestellung nicht zu erreichen, da weder eine

Verblindung der Behandelnden – in unserem Fall der Hebammen und Ärzte - noch eine

Verblindung der Behandelten – in unserem Fall der Gebärenden - möglich ist. Darüber

hinaus ist eine Randomisierung prinzipiell zwar möglich, scheitert in der Praxis jedoch meist

an der mangelnden Bereitschaft Gebärender, sich bei Aufnahme zur Geburt zufällig einem

Betreuungsmodell zuordnen zu lassen.

Die prospektive Kohortenstudie stellt daher für unsere Fragestellung das Studiendesign mit

dem höchstmöglichen Evidenzniveau dar. Im Rahmen des Forschungsprojekts GESchIcK wird

derzeit eine Untersuchung mit diesem Studiendesign durchgeführt. Neben dem UKB sind

fünf weitere Hebammenkreißsäle in NRW beteiligt. Ergebnisse dieser Studie sind für Mai

2020 zu erwarten.

Auch eine retrospektive Kohortenstudie ermöglicht einen Vergleich unterschiedlicher

Behandlungsmethoden. Das im Vergleich zur prospektiven Methode niedrigere

Evidenzniveau kann durch verschiedene Maßnahmen wie z.B. Gruppengröße angehoben

werden. Für die vorliegende Untersuchung wurde ein retrospektives Studiendesign gewählt.

(IV.b.) Datenquellen für die Analyse

1. Datenbank Hebammenkreißsaal (Datenquelle A)

Mit der Einführung des Versorgungskonzepts Hebammenkreißsaal am UKB wurde ab dem

Jahr 2010 als qualitätssichernde Maßnahme eine Datenbank angelegt. Diese wird

fortlaufend geführt und erfasst vorab festgelegte Untersuchungsmerkmale der

Schwangeren, der Geburt, der Nachgeburtsphase sowie des Neugeborenen. Die Datenbank

umfasst alle Fälle, die am UKB nach Prüfung ihrer Eignung zur Geburt im

Page 136: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

18

Hebammenkreißsaal zugelassen wurden. Alle Frauen werden über die Aufnahme in die

Datenbank mündlich aufgeklärt. Ihr Einverständnis hierfür bestätigen die Schwangeren mit

ihrer Unterschrift im Rahmen der allgemeinen Einverständniserklärung für die Geburt im

Hebammenkreißsaal. Die Aufnahme in die Datenbank erfolgt verschlüsselt. Alle Fälle werden

anhand ihrer Geburtennummer und des Jahres ihrer Geburt pseudonymisiert. Die

Datenbank ist auf einem zugangs- und passwortgeschützten Computer der geburtshilflichen

Abteilung des UKB abgelegt.

2. Geburtenbücher UKF (Datenquelle B)

Alle Geburten der Frauenklinik des UKB werden fortlaufend in ein Geburtenbuch

eingetragen, und jedes Jahr wird ein neues Geburtenbuch angelegt. Damit ist eine

eindeutige Zuordnung der hebammengeleiteten Geburten mit der Datenquelle A möglich.

Eine Verknüpfung der Nummern mit der Identität der Frauen ist nur anhand der in der

Frauenklinik an einem nicht öffentlich zugänglichen Ort hinterlegten Geburtenbücher

möglich.

3. Elektronische Datenbank (Datenquelle C)

Die Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin des UKB verwendet zur

Dokumentation pränatal erhobener Befunde (z.B. Ultraschalluntersuchungen, invasive

Eingriffe etc). die elektronische Datenbank Viewpoint (Fa. GE Healthcare GmbH, Solingen,

Deutschland). Neben der Dokumentation der pränatalmedizinischen Befunde werden

weitere ambulante Vorstellungen während der Schwangerschaft, die Geburt sowie der

nachgeburtliche Verlauf in die Datenbank aufgenommen. Diese Dateneingabe erfolgt im

Rahmen des Aufenthalts zur Geburt und wird durch die betreuenden Hebammen und Ärzte

durchgeführt. Der Zugang zu der elektronischen Datenbank ist passwortgeschützt, die

Computer befinden sich an nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Orten innerhalb der

Abteilung. Frauen erhalte bei ihrer ersten Vorstellung in der Abteilung eine

Identifikationsnummer. Jede abgeschlossene Schwangerschaft wird als eigener Fall unter der

Nummer der Frau abgespeichert.

Page 137: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

19

4. Patientenakte (Datenquelle D)

In der Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin des UKB werden ambulante

Vorstellungen und stationäre Aufnahmen in Papierform dokumentiert. Nach Abschluss der

Behandlung – in diesem Fall Entlassung nach der Geburt – wird die Papierakte digitalisiert

und danach vernichtet. Die digitalisierte Papierakte wird dem klinikeinheitlichen

Patientenerfassungssystem zugeordnet. Ein Zugang zur elektronischen Akte ist nur an

passwortgeschützten Computern für Mitarbeiter der Klinik möglich.

(IV.c.) Auswahl der Studiengruppe

Die Aufnahme einer Schwangeren in den Hebammenkreißsaal sowie die Entscheidung zur

Weiterleitung einer Schwangeren oder Gebärenden in den ärztlichen Kreißsaal erfolgt am

UKB anhand eines eigens dafür erstellten Kriterienkatalogs. Dieser wurde im Rahmen der

Einführung des Hebammenkreißsaals unter Beteiligung von Vertretern der Hebammen sowie

Ärzten der Fachrichtung Geburtshilfe und Neonatologie erstellt. Der Kriterienkatalog UKB

orientiert sich am Handbuch der Osnabrücker Forschergruppe (2) und wurde an die

Besonderheiten einer Universitätsklinik des Versorgungslevel 1 angepasst (siehe Anhang).

Da nur gesunde Frauen nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf in den

Hebammenkreißsaal zugelassen werden, besteht die Studiengruppe daher aus Fällen, die

folgende Kriterien erfüllen:

Einlingsschwangerschaft, Schwangerschaftsalter >37 Wochen, Schädellage, keine

schwerwiegenden Vorerkrankungen, keine Voroperationen an der Gebärmutter, keine

schwerwiegenden schwangerschaftsspezifischen Erkrankungen, Body Mass Index (BMI,

berechnet als Kilogramm Körpergewicht pro Quadratmeter Körpergröße, kg/m2) bei

Schwangerschaftsbeginn ≤ 35.

Die Auswahl der Studiengruppe erfolgte mithilfe der Datenbank Hebammenkreißsaal

(Datenquelle A). Zunächst wurden alle Fälle des Zeitraums 1.1.2010 bis 31.12.2017

ausgewählt. Aus dieser Gruppe wurden sodann die Fälle ausgeschlossen, die eine Geburt im

Hebammenkreißsaal geplant hatten, aber aufgrund von Besonderheiten im Verlauf der

Spätschwangerschaft (nach Aufnahme in das Versorgungskonzept, vor Aufnahme zur

Page 138: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

20

Geburt) bereits in das ärztliche Versorgungsmodell weitergeleitet worden waren. Die

restlichen Fälle, also Schwangere, die bei Geburtsbeginn in den Hebammenkreißsaal

aufgenommen wurden, stellen die Studiengruppe dar.

(IV.d.) Auswahl der Kontrollgruppe

Für die Auswahl der Kontrollgruppe wurden die gleichen Kriterien wie folgt angewendet:

Einlingsschwangerschaft, Schwangerschaftsalter >37 Wochen, Schädellage, keine

schwerwiegenden Vorerkrankungen, keine Voroperationen an der Gebärmutter, keine

schwerwiegenden schwangerschaftsspezifischen Erkrankungen, BMI bei

Schwangerschaftsbeginn ≤ 35.

Darüber hinaus wurde bei der Auswahl der Kontrollgruppe noch die Parität berücksichtigt, so

dass für jede Erstgebärende im Hebammenkreißsaal eine Erstgebärende (bzw.

Mehrgebärende für Mehrgebärende) aus dem ärztlichen Versorgungsmodell ausgesucht

wurde. Die Begründung für dieses Vorgehen liegt in dem Unterschied der Geburtsverläufe

Erstgebärender (entsprechend Nulliparität) gegenüber Mehrgebärenden (entsprechend ab

Parität Eins).

Zur korrekten Auswahl der Kontrollgruppe wurde wie folgt vorgegangen:

Zunächst wurde im Geburtenbuch (Datenquelle B) ein Fall aus der Studiengruppe

(Datenquelle A) aufgesucht. Sodann wurde im Geburtenbuch die zeitlich unmittelbar

darauffolgende Geburt auf ihre Eignung als Kontrolle geprüft. Die Prüfung war für die

Kriterien Parität, Einlingsschwangerschaft, Schwangerschaftsalter, Schädellage,

Voroperationen an der Gebärmutter möglich, da diese Informationen in Datenquelle B

hinterlegt sind. Die Prüfung der restlichen Kriterien (schwerwiegende Vorerkrankungen oder

schwangerschaftsspezifischen Erkrankungen) erfolgte aus Datenquelle C sowie

gegebenenfalls aus Datenquelle D. Falls nach Durchlaufen dieser Prüfungsschritte eine

Eignung des Falls gegeben war, wurde er in die Kontrollgruppe aufgenommen. Ansonsten

wurde im Geburtenbuch die nächstfolgende Geburt aufgesucht und erneut wie oben

beschrieben auf ihre Eignung geprüft. Die Aufnahme der Fälle in die Kontrollgruppe erfolgte

pseudonymisiert mittels der an den Fall vergebenen Nummer aus Datenquelle C. Dieses

Page 139: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

21

Verfahren wurde für jeden Fall aus dem Studienkollektiv durchgeführt, Studien- und

Kontrollgruppe haben damit die gleiche Fallzahl.

(IV.e.) Definition der Untersuchungsvariablen

Zur Beantwortung der Frage nach der medizinischen Sicherheit von Geburten im

Hebammenkreißsaal wurden die folgenden mütterlichen, geburtshilflichen und

Neugeborenen-Merkmale bestimmt:

Mütterliche Merkmale

Alter bei Geburt

Parität

Körpergewicht: erster im Mutterpass dokumentierter BMI in der Schwangerschaft

Geburtshilfliche Merkmale

Geburtsdauer: Gesamt, Austreibungsperiode, Pressperiode

Periduralanästhesie (PDA) zur Schmerzbehandlung während der Geburt

Geburtsmodus

Dammschnitt

Geburtsverletzung

Auffälligkeiten in der Plazentaphase

verstärkte Blutung in der Plazentaphase (>500 ml)

Neugeborenen-Merkmale

Geburtsgewicht

Apgar Score nach 1, 5 und 10 Minuten

pH in der Nabelschnurarterie

Base Excess (BE) in der Nabelschnurarterie

ungeplante Verlegung des Neugeborenen

Für Neugeborene wurde aufgrund der Seltenheit eines schwerwiegenden Ereignisses ein

‚composite outcome‘ festgelegt. Damit sind verschiedene Variablen gemeint, die in eine

Page 140: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

22

Bewertung einfließen. Das ‚composite outcomes‘ ist aus den Merkmalen niedriger Apgar

Score (5-Minuten Apgar <7), niedriger pH im Nabelschnurblut (pH <7,10) und ungeplante

Verlegung aus dem Kreißsaal in die Neugeborenen-Abteilung zusammengesetzt.

(IV.f.) Statistische Methoden

Die deskriptive Darstellung umfasst für kategoriale Merkmale absolute und relative

Häufigkeiten, für metrische Merkmale neben Mittelwert und Standardabweichung (MW, SD)

auch Median, 25% und 75%-Quantil (Median, Q1-Q3) bzw. Minimum und Maximum (Min,

Max) bestimmt. Unterschiede in den Merkmalen zwischen Studien- und Kontrollgruppe

wurden mittels Chi-Quadrat (χ2)-Test (bzw. Fisher’s Exakter Test) für kategoriale Merkmale

auf statistische Signifikanz überprüft. Metrische Merkmale wurden mittels Zweistichproben

t-Tests (bzw. Wilcoxon-Rangsummentest) überprüft.

Die Auftrittshäufigkeiten besonders wichtiger Merkmale der Mutter (Geburtsmodus,

verstärkte Blutung, höhergradige Geburtsverletzung) und des ‚composite outcomes‘ des

Neugeborenen sollten in der Studiengruppe nicht wesentlich höher als in der Kontrollgruppe

ausfallen, um die medizinische Sicherheit des Hebammenkreißsaals zu belegen. Die Differenz

der Auftrittshäufigkeiten dieser Merkmale wurde auf Nichtunterlegenheit geprüft, als

signifikante Verschlechterung wurde hier die Schranke (entspricht der

Nichtunterlegenheitsgrenze) auf 2% gesetzt. Für die Differenz der Auftrittshäufigkeiten

zwischen Studien- und Kontrollgruppe wurde zusätzlich das 95%-Konfidenzintervall (95%-KI)

bestimmt.

Über multiple logistische Regressionsanalysen mit dem mütterlichen Merkmal

Geburtsmodus bzw. dem ‚composite outcome‘ des Neugeborenen als abhängige Variable

wurden zusätzlich Risikoschätzer (Odds Ratio, OR) des Gruppeneffektes bestimmt. Die

Modelle wurden um die Merkmale adjustiert, die in der bivariaten Analyse Unterschiede

zwischen der Studien- und Kontrollgruppe zeigten, so dass die finalen Schätzer unabhängig

von diesen zu interpretieren sind.

Page 141: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

23

Die Untergruppe der in das ärztliche Betreuungsmodell weitergeleiteten Gebärenden

(Studiengruppe-weitergeleitet) wurde beschreibend ausgewertet. Die mütterlichen

Merkmale, Geburtsverläufe und Neugeborenen-Merkmale wurden im Vergleich zu den

Gebärenden im Hebammenkreißsaal und zur Kontrollgruppe dargestellt. Sodann wurde eine

logistische Regressionsanalyse mit den unabhängigen Variablen Parität, Alter, BMI und

Geburtsgewicht des Neugeborenen bestimmt, um Merkmale mit vergrößerten oder

verkleinerten Risiken auf eine Weiterleitung zu identifizieren.

Das Signifikanz-Niveau wurde für alle Testprozeduren auf α=5% festgelegt. Alle

Auswertungen wurden mit den statistischen Programmen R (Version 3.5.2) (siehe

Internetseite R Core Team) (14) und SAS® Software (Version 9.4, SAS Institute Inc. Cary, NC,

USA) durchgeführt.

Page 142: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

24

(V) Ergebnisse

Im Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2017 wurden am UKB 612 Gebärende im

Hebammenkreißsaal betreut. Die Kontrollgruppe umfasst 612 Gebärende aus dem ärztlich

geleiteten Kreißsaal mit vergleichbarem Risikoprofil, die also für eine Geburt im

Hebammenkreißsaal geeignet gewesen wären. Der Anteil Erstgebärender ist in beiden

Gruppen identisch (281 Frauen, 45,9%).

Die Darstellung der Ergebnisse beginnt mit dem Vergleich der Geburten im

Hebammenkreißsaal (Studiengruppe) mit den ärztlich geleiteten Geburten (Kontrollgruppe).

Danach folgt die Untergruppenanalyse der Fälle, die während oder nach der Geburt vom

Hebammenkreißsaal in die ärztliche Betreuung weitergeleitet wurden. Zur besseren

Übersicht befinden sich die Tabellen am Ende des Manuskripts.

(V.a.) Teil 1: Vergleich Studien- und Kontrollgruppe

1. Nichtunterlegenheit des HGK bezüglich geburtshilflicher Merkmale

Zunächst wurden die mütterlichen Merkmale Parität, Alter und BMI zwischen Studien- und

Kontrollgruppe verglichen (siehe Tabelle 1). Hier wurde bezüglich der Parität die korrekte

Auswahl der Kontrollgruppe bestätigt. Darüber hinaus zeigte sich auch eine gute

Übereinstimmung bezüglich des jeweiligen Anteils an Mehrgebärenden. Das mütterliche

Alter erwies sich zwischen den Gruppen als unterschiedlich; Gebärende im

Hebammenkreißsaal waren durchschnittlich knapp ein Jahr älter. Auch der Anteil

übergewichtiger Frauen zu Beginn der Schwangerschaft, definiert als BMI ≥ 25 und < 35, lag

in der Studiengruppe höher. Da ein BMI >35 nach Kriterienkatalog UKB ein

Ausschlusskriterium darstellt (siehe Anhang), umfassen weder Studien- noch Kontrollgruppe

Frauen mit BMI >35. Sechs Frauen (BMI zwischen 35,1 und 36,8) waren irrtümlich in den

Hebammenkreißsaal rekrutiert worden. Sie wurden in der Studiengruppe belassen.

Der Vergleich mütterlicher geburtshilflicher Merkmale ist in Tabelle 2 aufgelistet. Hier zeigte

sich bezüglich des Geburtsmodus für die Gesamtgruppe kein Unterschied. Die Geburtsdauer

(Gesamtdauer und Austreibungsperiode) war im Mittel im HGK geringer, nicht jedoch die

Page 143: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

25

Dauer der Pressperiode. Geburtsverletzungen waren in Studien- und Kontrollgruppe

unterschiedlich verteilt: 57,3% der im Hebammenkreißsaal Gebärenden hatten keine oder

nur eine geringfügige Geburtsverletzung, während dieser Anteil bei Gebärenden im

ärztlichen Kreißsaal knapp 10% tiefer lag (48,2%). Umgekehrtes gilt für die Dammschnittrate.

Diese lag zwar im Gesamtkollektiv mit 6,0% aller vaginalen Geburten niedrig, wurde aber in

der Kontrollgruppe fast doppelt so häufig durchgeführt (7,9% versus 4,3%). Der Anteil

Gebärender, die zur Schmerzerleichterung eine PDA erhielten, lag in der Gruppe der ärztlich

geleiteten Geburten bei 41,2% und damit doppelt so hoch im Vergleich zur Studiengruppe.

Da der Wunsch nach PDA gemäß Kriterienkatalog UKB eine Weiterleitung in die ärztliche

Betreuung beinhaltet (siehe Anhang) gehören die 19,1% Gebärende aus der Studiengruppe

mit PDA der Untergruppe Studiengruppe nach Weiterleitung an. Auffälligkeiten in der

Nachgeburtsphase waren in der Studien- und Kontrollgruppe gleich verteilt.

In Tabelle 3 sind die Ergebnisse des Nichtunterlegenheitstests für die geburtshilflichen

Merkmale dargestellt. Die Nichtunterlegenheit einer Geburt im Hebammenkreißsaal

gegenüber einer Geburt im ärztlichen Kreißsaal ist für jede der definierten mütterlichen

Merkmale Geburtsmodus und Blutung gegeben.

Ein Vergleich der Indikationen für einen Kaiserschnitt oder eine vaginal-operative Geburt

zwischen Studien- und Kontrollgruppe ist in Tabelle 4 dargestellt. Hier ergab sich kein

Unterschied. In beiden Gruppen waren kindliche Herztonauffälligkeiten sowie ein

Geburtsstillstand in der Austreibungsperiode die beiden häufigsten Gründe für eine

operative Beendigung der Geburt.

2. Nichtunterlegenheit des HGK bezüglich des ‚composite outcome‘

Neugeborenes

Zunächst wurde da Merkmal Geburtsgewicht der Neugeborenen zwischen Studien- und

Kontrollgruppe verglichen. Hier zeigte sich ein Unterschied: Neugeborene der Studiengruppe

waren durchschnittlich 95 g schwerer (siehe Tabelle 5). Tabelle 6 enthält einer Darstellung

der Neugeborenen-Gewichtsklassen, die unter anderem in der Studiengruppe eine dreifach

höhere Rate (2,3% gegenüber 0,7%) von Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht ≥4500g

aufzeigt.

Page 144: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

26

Der Vergleich der Neugeborenen-Merkmale ist ebenfalls in Tabelle 5 aufgelistet. Die

Merkmale Apgar Score nach 1, 5 und 10 Minuten; pH in der Nabelschnurarterie; Base Excess

in der Nabelschnurarterie; und die ungeplante Verlegung des Neugeborenen waren in

Studien- und Kontrollgruppe gleich verteilt.

In Tabelle 7 sind die Ergebnisse des Nichtunterlegenheitstests für das ‚composite outcome‘

des Neugeborenen, d.h. 5-Minuten Apgar <7 und/oder pH art. <7,10 und/oder ungeplante

Verlegung dargestellt. Die Nichtunterlegenheit einer Geburt im Hebammenkreißsaal

gegenüber einer ärztlich geleiteten Geburt bezüglich der Häufigkeit schwerwiegender

Neugeborenen-Ereignisse ist gegeben.

3. Logistische Regressionsanalysen

Tabellen 8 - 10 beinhalten die Ergebnisse der logistischen Regressionsanalysen.

Tabelle 8 umfasst neben dem Gruppeneffekt auch die Merkmale Parität, Alter, BMI und

Geburtsgewicht des Neugeborenen bezüglich ihres Einflusses auf das Merkmal

Geburtsmodus (und hier: Spontangeburt versus Sectio oder vaginal-operative Geburt).

In Tabelle 9 wurden zusätzlich noch weitere Merkmale (Geburtsdauer, Dauer

Austreibungsperiode, Episiotomie) bezüglich ihres Einflusses auf das Merkmal

Geburtsmodus (und hier: Spontangeburt versus vaginal-operative Geburt) analysiert.

Tabelle 10 gibt neben dem Gruppeneffekt die Effekte der Merkmale Parität, Alter, BMI,

Geburtsgewicht und Geburtsmodus auf die Variable ‚composite outcome‘ des

Neugeborenen an. Nach Adjustierung für mehrere Merkmale mit unterschiedlicher

Verteilung zwischen Studien- und Kontrollgruppe ergab sich kein signifikanter

Gruppeneffekt: Die Chance auf eine Entbindung mittels Kaiserschnitt oder vaginal-operative

Geburt bzw. auf ein schlechteres Neugeborenen-Outcome der Studiengruppe im Vergleich

zur Kontrollgruppe ist nicht signifikant erhöht.

(V.b.) Teil 2: Analyse der aus dem HGK weitergeleiteten Geburten

Im zweiten Teil der Auswertung wird die Gruppe der Gebärenden näher untersucht, die

während oder unmittelbar nach der Geburt in den ärztlich geleiteten Kreißsaal

weitergeleitet wurden. Hier interessierten uns neben der Weiterleitungsrate die Gründe für

Page 145: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

27

die Weiterleitung; das Ergebnis der weitergeleiteten Geburten; sowie Faktoren, die die

Weiterleitung beeinflussten.

1. Weiterleitungsrate und –gründe

Insgesamt 308 Gebärende wurden während oder unmittelbar nach Geburt in den ärztlichen

Kreißsaal weitergeleitet. Dies entspricht einer Weiterleitungsrate von 50,3%, siehe Tabelle

11. Hiervon fanden 86,4% aller Weiterleitungen während der Geburt, die restlichen 13,6%

nachgeburtlich in der Plazentaphase statt. In Tabelle 12 sind die Weiterleitungsgründe in den

ärztlichen Kreißsaal während und nach der Geburt mit ihrer jeweiligen Häufigkeit dargestellt.

Die Weiterleitungsgründe wurden in fünf Gruppen wie folgt zusammengefasst:

Gruppe 1. Weiterleitungsgrund Mutter, medizinische Gründe während der Geburt

Diese Gruppe umfasst medizinische Auffälligkeiten, die eine Weiterleitung nach Vorgabe des

Kriterienkatalogs erforderlich machten (siehe Anhang). Dazu gehören vorzeitiger

Blasensprung, Übertragung, vorzeitige Wehentätigkeit, schwangerschaftsinduzierter

Hypertonus, Präeklampsie, Blutung in der Spätschwangerschaft, Amnioninfektionssyndrom.

19,2% aller Weiterleitungen fallen in diese Gruppe.

Gruppe 2. Weiterleitungsgrund Mutter, nicht-medizinische Gründe unter Geburt

Hier sind zwei Weiterleitungsgründe zusammengefasst, die medizinisch nicht erforderlich

waren. Diese umfassen den Wunsch der Gebärenden nach einer Schmerzerleichterung (PDA

oder intravenöse Schmerzmittel) sowie den Wunsch der Gebärenden ohne weitere

Angaben. Mit 28,9% der Weiterleitungen stellt diese die größte Gruppe dar.

Gruppe 3. Weiterleitungsgrund Geburtsverlauf

In dieser Gruppe sind Weiterleitungsgründe zusammengefasst, die sich aus dem

Geburtsverlauf ergaben. Regelwidrigkeiten des Geburtsverlaufs können in jeder Phase der

Geburt auftreten und erfordern entsprechend des Kriterienkatalogs (siehe Anhang) eine

Weiterleitung. Zu den Regelwidrigkeiten gehören eine protrahierte Geburt sowie ein

Geburtsstillstand in der Eröffnungs- oder Austreibungsphase. 13,3% der Weiterleitungen

fallen in diese Gruppe.

Page 146: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

28

Gruppe 4. Weiterleitungsgrund Kind

Auffälligkeiten des fetalen Herzfrequenzmusters sowie grünes Fruchtwasser signalisieren

einen potentiellen Gefahrenzustand des Ungeborenen, und machten entsprechend (siehe

Kriterienkatalog, Anhang) eine Weiterleitung in den ärztlichen Kreißsaal erforderlich. Mit

24,4% steht diese Gruppe bezüglich der Weiterleitungsgründe an zweiter Stelle.

Gruppe 5. Weiterleitungsgrund Mutter, medizinische Gründe nach Geburt

Mütterliche Komplikationen in der Nachgeburtsphase sind in dieser Gruppe

zusammengefasst. Hierzu gehören die folgenden Auffälligkeiten: verstärkte Blutung,

Plazentalösungsstörung, unvollständige Plazenta, sonstige Geburtsverletzungen und sonstige

Regelwidrigkeiten in der unmittelbaren Nachgeburtsphase (siehe Kriterienkatalog, Anhang).

Diese Gruppe ist mit 13,6% die kleinste.

2. Mütterliche Merkmale der weitergeleiteten Geburten

In Tabelle 13 erfolgt die vergleichende Darstellung der mütterlichen Merkmale für die

Gruppe der im Hebammenkreißsaal erfolgreich beendeten Geburten (Studiengruppe), für

die Gruppe der während oder unmittelbar nach der Geburt in die ärztliche Betreuung

weitergeleiteten Frauen (Studiengruppe-weitergeitet), sowie die Kontrollgruppe.

Die Parität war zwischen der Gruppe der weitergeleiteten und nicht weitergeleiteten

Geburten unterschiedlich verteilt: 68,2% aller Weiterleitungen betrafen Erstgebärende; dies

entspricht knapp drei Viertel (74,7%) aller Erstgebärenden der Studiengruppe. Der Vergleich

der Merkmale Altersverteilung und BMI erbrachte keine wesentlichen Unterschiede

zwischen der Gruppe der weitergeleiteten und nicht weitergeleiteten Geburten.

Der Vergleich mütterlicher geburtshilflicher Merkmale ist in Tabelle 14 dargestellt. Der

Geburtsmodus umfasste in der Gruppe der weitergeleiteten Frauen 18,5% Kaiserschnitte

und 12,3% vaginal-operative Geburten; die Rate der Spontangeburten betrug damit 69,2%.

Die Geburtsdauer war zwischen der Gruppe der weitergeleiteten Frauen und den nicht

weitergeleiteten Frauen unterschiedlich. Insbesondere die Dauer der Austreibungsperiode

war bei Gebärenden im Hebammenkreisaal durchschnittlich über die Hälfte kürzer (28

Minuten gegenüber 71 Minuten). Höhergradige Geburtsverletzungen (DR3/DR4/Zervixriss)

Page 147: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

29

stellen einen Weiterleitungsgrund dar, und sind daher nicht in der Studiengruppe zu finden.

Vier der 13 höhergradigen Geburtsverletzungen traten während der Betreuung im

Hebammenkreißsaal auf und führten zu einer Weiterleitung unmittelbar nach Geburt,

während die restlichen neun höhergradigen Geburtsverletzungen im Rahmen einer

ärztlichen Betreuung nach Weiterleitung auftraten (Daten nicht angezeigt). Bezüglich der

Dammschnittraten fanden sich ebenfalls große Unterschiede: Während in der Studiengruppe

nur fünf Episiotomien durchgeführt wurden, erhielten in der Gruppe der weitergeleiteten

Gebärenden 6,8% einen Dammschnitt. Dies entsprach ungefähr der Rate in der

Kontrollgruppe (7,9%). Auffälligkeiten oder Blutungen in der Plazentaphase stellen einen

Weiterleitungsgrund in das ärztliche Betreuungsmodell dar (siehe Kriterienkatalog Anhang).

In Tabelle 15 sind die Indikationen für einen Kaiserschnitt oder eine vaginal-operative Geburt

dargestellt. Hier ließen sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen der Gruppe der

aus dem Hebammenkreißsaal weitergeleiteten Gebärenden und der Kontrollgruppe

erkennen.

3. Neugeboren-Merkmale der weitergeleiteten Geburten

In Tabelle 16 erfolgt die vergleichende Darstellung der Neugeborenen-Merkmale für die

Gruppe der im Hebammenkreißsaal erfolgreich beendeten Geburten (Studiengruppe), für

die Gruppe der während oder unmittelbar nach der Geburt in die ärztliche Betreuung

weitergeleiteten Frauen (Studiengruppe-weitergeitet), sowie die Kontrollgruppe.

Für die Merkmale Geburtsgewicht und Apgar Score nach 1, 5 und 10 Minuten ergaben sich

keine nennenswerten Unterschiede. Jedoch lag der arterielle Nabelschnur-pH-Wert der

Neugeborenen sowohl in der Gruppe der weitergeleiteten Geburten als auch in der

Kontrollgruppe häufiger unter 7,10 als bei den Neugeborenen aus dem Hebammenkreißsaal

(2,3% bzw. 2,6% gegenüber 0,3%). Ähnliches gilt für den Base Excess; ein Basendefizit, das

einen drohenden Gefahrenzustand des Neugeborenen signalisiert (≤ -10.0) wurde im

Hebammenkreißsaal nur ungefähr halb so oft gemessen.

Erwartungsgemäß trat das ‚composite outcome’ in der Gruppe der Kinder, die im

Hebammenkreißsaal geboren wurden, im Vergleich zu den Kindern der anderen beiden

Gruppen seltener auf, siehe Tabelle 17.

Page 148: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

30

Tabelle 18 umfasst die Ergebnisse der Regressionsanalyse der Merkmale Parität, Alter, BMI

und Geburtsgewicht des Kindes auf eine Weiterleitung. Hier konnte eine signifikant höhere

Chance auf eine Weiterleitung für die Merkmale Nulliparität und Alter ≥ Jahre, sowie in

einem geringeren Maß auch für das Merkmal Geburtsgewicht nachgewiesen werden. Der

BMI zeigte keinen signifikanten Einfluss auf eine Weiterleitung.

Page 149: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

31

(VI) Diskussion

Unsere Analyse der hebammengeleiteten Geburten am UKB erbrachte den Nachweis, dass

diese Betreuung dem ärztlich geleiteten Kreißsaal bezüglich wichtiger medizinischer

Merkmale für Mutter und Neugeborenen nicht unterlegen ist. Aufgrund der Ausrichtung der

Untersuchung an den Zulassungskriterien für den Hebammenkreißsaal am UKB gilt die Nicht-

Unterlegenheit nur, wenn sich die Praxis an der Vorgehensweise des UKB ausrichtet. Für

Hebammenkreißsäle, die eine andere Vorgehensweise praktizieren, kann unsere

Untersuchung keine Aussagen treffen.

Die Ergebnisse im Einzelnen sowie im Vergleich zur internationalen Studienlage werden

nachfolgend diskutiert.

(VI.a.) Diskussion der Studienergebnisse

1. Vergleich Studien- und Kontrollgruppe

Die folgenden Merkmale sind geeignet, die medizinische Sicherheit einer Geburt zu

bewerten: für die Mutter der Geburtsmodus und das Ausbleiben schwerwiegender

geburtshilflicher Komplikationen; für das Neugeborene dessen Wohlergehen. Ein Vergleich

dieser Merkmale ist für eine Bewertung der medizinischen Sicherheit verschiedener

geburtshilflicher Betreuungsmodelle daher erforderlich.

Zusätzlich zur generellen Feststellung der Nicht-Unterlegenheit lässt eine differenzierte

Betrachtung der untersuchten geburtshilflichen und Neugeborenen-Merkmale weitere

Aussagen wie folgt zu:

In der Kontrollgruppe lag die Rate an vaginal-operativen Geburten mit 9,5% über 50%

höher als in der Studiengruppe (6,2%). Die Anwesenheit eines Arztes in der Endphase

der Geburt könnte eine Intervention mit dem Ziel einer schnelleren

Geburtsbeendigung begünstigen.

Page 150: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

32

Die Geburtsdauer war in der Studiengruppe kürzer. Dies betrifft insbesondere die

Austreibungsperiode. Sie betrug in der Kontrollgruppe durchschnittlich 58,2 Minuten

und war damit fast 20% länger (Studiengruppe 47,4 Minuten). Eine Erklärung hierfür

könnte die Unterstützung der im Hebammenkreißsaal Gebärenden zu alternativen

Gebärpositionen (z.B. Hocker, Vierfüßler) sein.

Die Dammschnittrate war in der Kontrollgruppe fast doppelt so hoch im Vergleich zur

Studiengruppe. Bei einem Vergleich der Untergruppen wird dieser Unterschied noch

deutlicher: Nur 1,7% aller Frauen, die im Hebammenkreißsaal geboren haben,

erhielten einen Dammschnitt. Demgegenüber war die Dammschnittrate nach

Weiterleitung in die ärztliche Betreuung vergleichbar zur Dammschnittrate der

Kontrollgruppe (6,8 bzw. 7,9%). Die Anwesenheit eines Arztes in der Endphase der

Geburt könnte die Entscheidung zur Durchführung eines Dammschnitts begünstigen.

Geburtsverletzungen traten in der Studiengruppe signifikant häufiger auf. GEscHIcK

nahm die fast dreifach höhere Rate höhergradiger Geburtsverletzungen (0,8% versus

2,1%) zum Anlass, diese Variable detaillierter zu untersuchen. Hierfür wurde eine

vergleichende Analyse der Weiterleitungen nach Weiterleitungszeitpunkt (während

der Geburt versus nachgeburtlich) durchgeführt. Hier zeigte sich, dass über zwei

Drittel aller höhergradigen Geburtsverletzungen (69,2%) nach Weiterleitung in den

ärztlich geleiteten Kreißsaal aufgetreten waren; die restlichen Verletzungen wurden

nach Geburt im Hebammenkreißsaal festgestellt und führten zu einer

nachgeburtlichen Weiterleitung.

Auch wenn damit die Rate höhergradiger Geburtsverletzungen für die Frauen, die im

Hebammenkreißsaal geboren haben vergleichbar hoch zu der Kontrollgruppe ist,

erfordert die hohe Rate dieser Verletzungen nach Weiterleitung eine Erklärung.

Mögliche Ursachen könnten in der höheren Rate vaginal-operativer Geburten nach

Weiterleitung in das ärztliche Versorgungsmodell liegen, sowie im durchschnittlich

höheren Geburtsgewicht und dem höheren Anteil makrosomer Neugeborener in der

Studiengruppe.

Die PDA-Rate war in der Kontrollgruppe mehr als doppelt so hoch im Vergleich zur

Studiengruppe. Eine Erklärung hierfür könnte der verstärkte Einsatz alternativer

Methoden zum Umgang mit Schmerzen (z.B. Wärmeanwendung, Akupunktur) oder

die kontinuierliche Unterstützung der Gebärenden im Hebammenkreißsaal sein.

Page 151: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

33

Aufgrund der Seltenheit schwerwiegender Komplikationen bei reifen Neugeborenen,

die nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf von gesunden Frauen geboren

werden, ergaben sich erwartungsgemäß bei der Analyse der Einzelmerkmale (pH

<7,10, 5-Minuten Apgar <7 und Verlegung) keine Unterschiede zwischen den beiden

Betreuungsmodellen. GEscHIcK hatten diesem Umstand Rechnung getragen; die

Festlegung eines ‚composite outcome‘ hatte das Ziel, eventuelle Unterschiede im

Gesundheitszustand des Neugeborenen zwischen Studien- und Kontrollgruppe zu

erfassen.

Die Nichtunterlegenheit des Hebammenkreißsaals für das Neugeborene ist

bemerkenswert, da das Geburtsgewicht zwischen Studien- und Kontrollgruppe nicht

gleich verteilt war, und die Makrosomie-Rate in der Studiengruppe dreifach höher als

in der Kontrollgruppe lag (2,3 versus 0,7%).

Parität (Erst- versus Mehrgebärend) und mütterliches Alter über 35 Jahre konnten als

Merkmale identifiziert werden, die mit einer signifikant erhöhten Chance einer

Weiterleitung assoziiert waren. Im Vergleich zu Mehrgebärenden sind bei

Erstgebärenden Unwägbarkeiten, die während der Geburt auftreten, eher zu

erwarten. Unwägbarkeiten im Geburtsverlauf sind auch eher bei älteren Gebärenden

zu erwarten. Dies könnte eine Erklärung für die vergleichsweise höhere

Weiterleitungsrate dieser beiden Gruppen sein.

2. Weiterleitungen

Weiterleitungen in unserer Studie umfassten Weiterleitungen während und unmittelbar

nach der Geburt. Die Weiterleitungsrate lag in unserem Studienkollektiv bei 50,3%. Eine

vergleichende statistische Analyse der drei Untergruppen – Studiengruppe, Studiengruppe-

weitergeleitet und Kontrollgruppe – bezüglich der geburtshilflichen und Neugeborenen-

Merkmale ist aus methodischen Gründen nicht möglich. Jedoch erlaubt die vergleichende

Betrachtung der drei Gruppen sowie der Vergleich mit verfügbaren Daten der

Perinatalstatistik NRW die Schlussfolgerung, dass eine Weiterleitung während der Geburt

weder für die Mutter noch für das Neugeborene mit einer erhöhten Rate an nachteiligen

Ergebnissen oder Komplikationen verbunden ist. Dies wird nachfolgend ausgeführt.

Page 152: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

34

Ergebnisse der weitergeleiteten Geburten

Die Rate vaginaler Geburten war in der Gruppe der aus dem Hebammenkreißsaal

weitergeleiteten Frauen gegenüber der Kontrollgruppe niedriger (81,5% versus 91,5%),

18,5% der weitergeleiteten Gebärenden erhielten einen Kaiserschnitt. Es bestand eine

Übereinstimmung der Kaiserschnitt-Indikationen für weitergeleitete und Frauen aus der

Kontrollgruppe, und mütterliche Komplikationsraten zwischen diesen Gruppen waren

vergleichbar. Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass die Weiterleitungskriterien

angemessen ausgewählt sind und eine Weiterleitung in das ärztliche Betreuungsmodell für

die Gebärenden nicht mit einem Nachteil verbunden ist.

Ein Vergleich mit Angaben statistischer Datenbanken ist nur sehr eingeschränkt möglich. So

ist in der Perinatalstatistik NRW für 2017 die Spontangeburtsrate reifgeborener Einlinge mit

65,1% angegeben (15). In dieser Rate sind jedoch Fälle enthalten, die gemäß Kriterienkatalog

zum Ausschluss aus dem Hebammenkreißsaal führen (z.B. schwerwiegende mütterliche

Vorerkrankungen, Präeklampsie).

Der Anteil an ‚composite outcomes‘ der Neugeborenen war in der weitergeleiteten

Studiengruppe und der Kontrollgruppe vergleichbar niedrig (3,6 versus 3,8%). Diese

Ergebnisse können als indirekter Beweis für die kindliche Sicherheit der Geburten nach

Weiterleitung gewertet werden.

Auch für die Bewertung des ‚composite outcomes‘ der Neugeborenen gelten die o.g.

Einschränkungen bezüglich der Vergleichbarkeit mit zugänglichen Datenbanken. So liegt die

Rate an Neugeborenen mit 5-Minuten Apgar <7 für NRW in 2017 bei 1,21% (alle

Lebendgeborene). Im Vergleich hierzu liegt die Rate in unserer Gruppe der Weiterleitungen

bei 0,7%. Ein pH-Wert < 7,10 wird für 1,7% aller Spontangeburten, und für 5,8% aller vaginal-

operativen Geburten angegeben (15). Wir fanden in unseren Gruppen (Studiengruppe-

weitergeleitet versus Kontrollgruppe) eine Rate von 2,3 bzw. 2,6%.

Eine Diskussion der Weiterleitungsraten gestaltet sich sowohl aus inhaltlichen als auch

methodischen Gründen als schwierig:

Aufnahme- bzw. Ausschlusskriterien

Page 153: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

35

Vorbedingung für die Zulassung in den Hebammenkreißsaal ist die Eignung der

Schwangeren. Hierunter wird üblicherweise eine gesunde Schwangere nach unauffälligem

Schwangerschaftsverlauf mit einer Einlings-Schwangerschaft in Schädellage am

Entbindungstermin verstanden. Eine exakte oder gar international einheitliche Definition

gibt es jedoch nicht. Viele Einzelkriterien (z.B. Alter, Vorgeschichte, Körpergewicht,

Gestationsdiabetes) üben jeweils nur einen geringen Einfluss auf den Geburtsverlauf aus,

und werden daher je nach „Risikofreudigkeit“ des betreuenden Teams für die Aufnahme

bzw. den Ausschluss in das Versorgungskonzept enger oder weiter gefasst. Dieser

unterschiedliche Umgang konnte bei dem Vergleich der Kriterienkataloge der

Hebammenkreißsäle in NRW nachgewiesen werden (3). Es ist daher davon auszugehen, dass

sich aufgrund unterschiedlicher Definitionen einer „low-risk“ Schwangerschaft die

Studienkollektive in Untersuchungen zum Hebammenkreißsaal unterscheiden.

Weiterleitungskriterien

Wie für Aufnahme- und Ausschlusskriterien gilt auch für die Weiterleitungskriterien, dass die

Bedeutung eines Befundes (z.B. grünes Fruchtwasser) unterschiedlich bewertet werden

kann. Die unterschiedliche Anwendung der Kriterien konnte GEscHIcK in seinem Vergleich

der Kriterienkataloge der Hebammenkreißsäle in NRW bestätigen (3). Aber auch

unterschiedliche Grenzen bei der Definition eines Geburtsstillstands, oder auch

unterschiedlichen Regelungen zur Schmerzmittelverabreichung durch Hebammen tragen

dazu bei, dass Weiterleitungskriterien – und damit die Zusammensetzung der

Studiengruppen – nicht unbedingt vergleichbar sind.

Weiterleitungszeitpunkte

Heterogenität besteht auch bezüglich der Weiterleitungszeitpunkte. Für den

Hebammenkreißsaal des UKB sind drei Zeitpunkte definiert:

(i) Zwischen Zulassung in den Hebammenkreißsaal und Aufnahme zur Geburt

Die Zulassung in den Hebammenkreißsaal erfolgt in einem zweistufigen Prozess, der in der

Spätschwangerschaft mit der Unterschrift der Einverständniserklärung abgeschlossen ist. Im

weiteren Schwangerschaftsverlauf können verschiedene Ereignisse eintreten, die eine

Weiterleitung in den ärztlichen Kreißsaal erforderlich machen (Beispiel Präeklampsie;

Übertragung);

Page 154: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

36

(ii) Während der Geburt

Hierunter wird üblicherweise die Zeitspanne zwischen Aufnahme zur Geburt (bzw.

Geburtsbeginn) und Geburt des Kindes verstanden. Auch hier kommen unterschiedliche

Kriterien zum Einsatz, mit entsprechender Auswirkung auf die Zusammensetzung des

Studienkollektivs.

(iii) In der Nachgeburtsphase

Diese Phase beginnt mit der Abnabelung des Neugeborenen und endet mit der Entlassung

von Mutter und Neugeborenem aus dem Kreißsaal. In manchen Untersuchungen werden

Weiterleitungen zu diesem Zeitpunkt nicht erfasst oder nicht gesondert erfasst.

Der Entscheidungszeitpunkt bezüglich der Zulassung einer Schwangeren in den

Hebammenkreißsaal übt ebenfalls einen Einfluss auf die Weiterleitungsrate aus. Falls die

Entscheidung über die Zulassung in den Hebammenkreißsaal bereits früh in der

Schwangerschaft erfolgt, ist die Weiterleitungsrate höher, da Komplikationen, die eine

Weiterleitung erforderlich machen, im Schwangerschaftsverlauf ansteigen.

In unserer Studie waren Fälle, die bereits vor Geburtsbeginn weitergeleitet worden waren,

nicht eingeschlossen. Dies traf am UKB während des Untersuchungszeitraums für 174

Schwangere zu.

(VI.b.) Diskussion internationaler Studienergebnisse

Im Forschungsprojekt GEscHIcK war es nicht beabsichtigt, unsere Ergebnisse in allen

Hinsichten mit internationalen Studienergebnissen zu vergleichen und hierzu eine

detaillierte Literaturübersicht vorzulegen. Wir gleichen an dieser Stelle dennoch unsere

Ergebnisse exemplarisch mit den zwei aktuellsten Cochrane-Analysen zum Thema ab.

Cochrane Review 2017. Continuous support for women during childbirth (16).

Gegenstand der Untersuchung ist der Effekt einer kontinuierlichen (Eins-zu-Eins) Betreuung

unter Geburt auf Mutter und Neugeborenes, im Vergleich zu einer Standard-Betreuung.

Page 155: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

37

Leistungserbringer der kontinuierlichen Betreuung sind nicht auf die Berufsgruppe der

Hebammen beschränkt.

26 Studien mit 15.858 Frauen aus 17 Ländern wurden eingeschlossen, davon keine

Untersuchung aus Deutschland. Die Analyse erbrachte einen positiven Einfluss auf die

folgenden Parameter:

- Rate an Spontangeburten (relatives Risiko (RR) 1,08, Konfidenzintervall (KI) 1,04-1,12);

- Schmerzmittel-Rate (RR 0,90, KI 0,84-0,96);

- PDA-Rate (RR 0,93, CI 0,88-0,99);

- Geburtsdauer (mittlere Dauer -0,69 Stunden);

- Kaiserschnittrate (RR 0,75, KI 0,64-0,88);

- Rate vaginal-operativer Entbindungen (RR 0,90, KI 0,85-0,96);

- negative Bewertung oder negative Gefühle bezüglich des Geburtserfahrung (RR 0,69, KI

0,59-0,79);

- 5-Minuten Apgar Score (RR 0,62, KI 0,46-0,85).

Cochrane Review 2016. Midwife-led continuity models versus other models of care for

childbearing women (17).

Die Analyse widmet sich dem innerklinischen Vergleich hebammengeleiteter

Entbindungsmodelle gegenüber ärztlich oder gemeinsam geleiteten Entbindungsmodellen

bezüglich der Primärereignisse Geburtsmodus, Schmerzmittelbedarf, Geburtsverletzung,

Frühgeburtlichkeit und perinatale Mortalität, sowie 35 Sekundärereignissen. In die

Auswertung wurden nur Studien einbezogen, bei denen Gebärende zufällig einem der

verschiedenen Geburtsmodelle zugeteilt wurden. Als ‚Midwife-led continuity model of care‘

wurde die Betreuungskontinuität während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett durch

Hebammen definiert.

Fünfzehn Publikationen aus drei Kontinenten mit insgesamt 17.674 Frauen aus den Jahren

1989 bis 2013 wurden in die Untersuchung eingeschlossen, keine davon aus Deutschland.

Die Studien untersuchten sowohl Schwangere mit niedrigem als auch mit erhöhtem Risiko

für Komplikationen.

Die Ergebnisse sind wie folgt:

- eine PDA ist bei hebammengeleiteten Geburten weniger häufig (RR 0,85, 95%-KI 0,78-

0,92; 14 Studien von hoher Qualität, 17.674 Frauen);

Page 156: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

38

- vaginal-operative Entbindungen erfolgen bei einer hebammengeleiteten Geburt seltener

(RR 0,90, 95%-KI 0,83-0,97; 13 Studien von hoher Qualität mit 13.238 Frauen);

- Frauen im hebammengeleiteten Versorgungskonzept gebären häufiger spontan (RR

1,05, 95%.KI 1,03-1,07; 12 Studien von hoher Qualität mit 16.687 Frauen);

- eine Frühgeburt tritt bei hebammengeleiteten Geburten seltener auf (RR 0,76; 95%-KI

0,64-0,91; 8 Studien von hoher Qualität mit 13.238 Frauen);

- die perinatale Mortalität ist im hebammengeleiteten Betreuungsmodell niedriger (RR

0,84, 95%-KI 0,71-0,99; 13 Studien von hoher Qualität mit 17.561 Frauen).

Zum Thema Weiterleitungen findet sich eine ausführliche Literaturübersicht bis zum Jahr

2010 bei Bauer (18). Hier werden Raten zwischen 6% und 64% berichtet. In allen dort

aufgeführten Studien ist die Weiterleitungsrate für Erstgebärende höher als für

Mehrgebärende. Als Hauptgründe einer Weiterleitung werden überwiegend die drei

Hauptindikationen protrahierte Geburt, Auffälligkeiten des fetalen Herztonmusters und

Wunsch der Gebärenden nach PDA genannt.

Jüngere Publikationen bestätigen diese Beobachtungen. So werden in der bislang größten,

prospektiven Studie zum Thema für ‚alongside midwifery units‘ – entspricht dem

Hebammenkreißsaal – Weiterleitungsraten während der Geburt mit 26,4% angegeben, mit

einer mehr als dreifach höheren Rate bei Erst- gegenüber Mehrgebärenden (40,2 vs. 12,5%)

(19).

(VI.c.) Limitationen

Eine Verallgemeinerung der Ergebnisse ist aus verschiedenen Gründen nur eingeschränkt

möglich: Durch die retrospektive Datenerfassung und die Verwendung der genannten Ein-

und Ausschlusskriterien sind Selektionsverzerrungen nicht auszuschließen. Ein Vergleich der

Studien- und Kontrollgruppe in verschiedenen Charakteristika hat gezeigt, dass sich die

beiden Gruppen in deren Verteilung unterscheiden. Durch die Bestimmung von adjustierten

Risikoschätzern konnte aber keine erhöhte Chance auf ein schlechteres Outcome der

Studiengruppe identifiziert werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein randomisiert

kontrolliertes Design vermutlich an der mangelnden Bereitschaft Gebärender, sich bei

Page 157: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

39

Aufnahme zur Geburt zufällig einem Betreuungsmodell zuordnen zu lassen, scheitern würde.

Darüber hinaus können durch das retrospektive Studiendesign eventuell wichtige

Charakteristika nicht bewertet werden, da sie nicht erhoben wurden.

Weiterhin war die Fallzahl der Studiengruppe trotz Einschluss aller Geburten (HGK) am UKB

für den Zeitraum 2010-2017 beschränkt und die Bewertung seltener, schwerwiegender

Ereignisse somit nur eingeschränkt möglich. Aus diesem Grund wurde für die medizinische

Sicherheit des Neugeborenen ein zusammengesetztes Bewertungsmerkmal definiert.

(VI.d.) Insgesamt

Wir konnten in unserer Studie die Nicht-Unterlegenheit des Versorgungskonzepts

Hebammenkreißsaal bezüglich wichtiger medizinischer Merkmale von Mutter und

Neugeborenem belegen. Dies beinhaltet auch Geburten nach Weiterleitungen in den

ärztlichen Kreißsaal. Für einige Merkmale (z.B. vaginal-operative Geburten, PDA) ergaben

sich Hinweise auf einen Vorteil bei einer Geburt im Hebammenkreißsaal. Unsere Ergebnisse

stehen trotz der länderspezifisch unterschiedlichen Versorgungsstrukturen weitgehend im

Einklang mit internationalen Studien.

Für die Bewertung der Ergebnisse unserer Analyse ist jedoch zu beachten, dass hierzu die

Aufnahme-, Ausschluss- und Weiterleitungskriterien, wie sie am UKB gelten, zugrunde gelegt

sind. Die Implementierung des Hebammenkreißsaals am UKB erfolgte in Anlehnung an die

Vorlage des Verbunds Hebammenforschung und beinhaltet als zentrales Instrument den

Kriterienkatalog. Dieses von Ärzten und Hebammen interprofessionell erstellte Dokument

regelt die Aufnahme- bzw. Ausschlusskriterien in den HGK und macht damit eine de-facto

Definition einer „low-risk“ Schwangeren. Darüber hinaus enthält es formalisierte

Handlungsanweisungen bei Auftreten von Besonderheiten, insbesondere bezüglich einer

Weiterleitung in den ärztlichen Kreißsaal.

Werden in eine Untersuchung Hebammenkreißsäle an Standorten einbezogen, die das

Konzept in anderer Form implementiert haben, können deren Ergebnisse von den hier

vorgestellten abweichen. Hierbei ist zu beachten, dass es derzeit weder in NRW noch in

Deutschland für das Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal eine verbindliche Definition,

Page 158: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

40

eine Leitlinie oder ein Zertifizierungsverfahren gibt, die als qualitätssichernde Maßnahme

fungieren könnte.

Page 159: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

41

Tabellen

Tab. 1. Mütterliche Charakteristika nach Studien- und Kontrollgruppe (N=1224).

Merkmal

Gesamt (n = 1224)

Studiengruppe (n = 612)

Kontrollgruppe (n = 612)

p-Wert

Parität (n, %) 0,354

0 562 45,9 281 45,9 281 45,9

1 486 39,7 234 38,2 252 41,2

2 142 11,6 76 12,4 66 10,8

≥ 3 34 2,8 21 3,4 13 2,1

Alter (Jahre) (n, %) 0,025

≤ 29 294 24,0 125 20,4 169 27,6

30-34 518 42,3 273 44,6 245 40,0

35-39 326 26,6 166 27,1 160 26,1

≥ 40 86 7,0 48 7,8 38 6,2

Alter (Jahre)

MW, SD 32,5 4,8 32,9 4,4 32,1 5,1

Median, Q1-Q3 33,0 30,0-36,0

33,0 30,0-36,0

32,0 29,0-35,0

Min, Max 16,0 47,0 16,0 46,0 17,0 47,0

BMI (kg/m2) (n, %) <0,001

< 25 607 49,6 191 31,2 416 68,0

≥ 25 617 50,4 421 68,8 196 32,0

BMI (kg/m2)

MW, SD 25,2 3,9 26,7 3,6 23,7 3,6

Median, Q1-Q3 25,0 22,2-28,0

26,6 24,4-29,1

23,2 20,9-26,0

Min, Max 16,6 36,8 17,6 36,8 16,6 35,0

MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung; Q1 = 25%-Quantil; Q3 = 75%-Quantil; Min = Minimum; Max = Maximum; BMI = Body Mass Index.

Page 160: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

42

Tab. 2. Geburtshilfliche Charakteristika der Mutter nach Studien- und Kontrollgruppe

(N=1224).

Merkmal

Gesamt (n = 1224)

Studiengruppe (n = 612)

Kontrollgruppe (n = 612)

p-Wert

Geburtsmodus (n, %) 0,197ϯ

Spontan 1019 83,3 517 84,5 502 82,0

Vaginal-operativ 96 7,8 38 6,2 58 9,5

Sectio elektiv 3 0,2 2 0,3 1 0,2

Sectio sekundär 102 8,3 52 8,5 50 8,2

Not-Sectio 4 0,3 3 0,5 1 0,2

Geburtsdauer (h) 0,002Ϯ

MW, SD 5,9 4,1 5,6 3,9 6,3 4,3

Median, Q1-Q3 5,0 3,0-8,0

5,0 3,0-7,0

5,0 3,0-9,0

Min, Max <1,0 34,0 <1,0 26,0 <1,0 34,0

Fehlend* (n, %) 110 9,0 58 9,5 52 8,5

AP-Dauer (min) 0,023Ϯ

MW, SD 52,8 70,9 47,4 54,1 55,6 59,5

Median, Q1-Q3 28,0 12,0-71,0

25,0 12,0-65,0

31,0 13,0-77,5

Min, Max 1,0 311,0 1,0 311,0 1,0 299,0

Fehlend* (n, %) 111 9,1 58 9,5 53 8,7

Pressperiode (min) 0,407Ϯ

MW, SD 13,7 10,9 13,7 11,4 13,6 10,5

Median, Q1-Q3 10,0 5,0-20,0

10,0 5,0-20,0

10,0 5,0-20,0

Min, Max 0,0 90,0 1,0 90,0 0,0 70,0

Fehlend* (n, %) 113 9,2 59 9,6 54 8,8

Geburtsverletzung (n, %) <0,001

DR1/Labienriss 268 21,9 149 24,3 119 19,4

DR2/Scheidenriss/Klitorisriss

451 36,8 191 31,2 260 42,5

DR3/Dr4/Zervixriss 18 1,5 13 2,1 5 0,8

Nein 378 30,9 202 33,0 176 28,8

Page 161: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

43

Merkmal

Gesamt (n = 1224)

Studiengruppe (n = 612)

Kontrollgruppe (n = 612)

p-Wert

Fehlend* 109 8,9 57 9,3 52 8,5

Episiotomie (n, %) 0,005ϯ

Median 4 0,3 3 0,5 1 0,2

Mediolateral 70 5,7 23 3,8 47 7,7

Nein 1041 85,0 529 86,4 512 83,7

Fehlend* 109 8,9 57 9,3 52 8,5

PDA (n, %) <0,001

Ja 369 30,1 117 19,1 252 41,2

Nein 855 69,9 495 80,9 360 58,8

Plazentaphase auffällig (n, %)

0,776

Ja 124 10,1 64 10,5 60 9,8

Nein 1100 89,9 548 89,5 552 90,2

MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung; Q1 = 25%-Quantil; Q3 = 75%-Quantil; Min = Minimum; Max = Maximum; AP = Austreibungsperiode; PDA = Periduralanästhesie; DR = Dammriss. *Fehlend definiert bei Beobachtungen mit Geburtsmodus = Sectio (alle Formen, n=109). ϯFisher’s Exakter Test ϮWilcoxon-Rangsummentest

Page 162: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

44

Tab. 3. Geburtshilfliche Charakteristika für Nichtunterlegenheitstest

(Nichtunterlegenheitsgrenze 2%) nach Studien- und Kontrollgruppe (N=1224).

Merkmal

Studiengruppe (n = 612)

Kontrollgruppe (n = 612)

%-Differenz 95%-KI p-Wert

Geburtsmodus, dichotom (n, %)

0,018

Sectio/Vaginal-operativ 95 15,5 110 18,0 2,45 -1,73-6,63

Spontan 517 84,5 502 82,0

Verstärkte Blutung (n, %) 0,006

Ja 43 7,0 55 9,0 1,96 -1,08-5,00

Nein 569 93,0 557 91,0

Geburtsverletzung, dichotom (n, %)

0,243

Ja 13 2,3 5 0,9 -1,45 -2,92-0,03

Nein 542 97,7 555 99,1

Fehlend* 57 52

KI = Konfidenzintervall. *Fehlend definiert bei Beobachtungen mit Geburtsmodus = Sectio (alle Formen, n=109).

Tab. 4. Indikationen für Sectios (alle Formen) und vaginal-operative Entbindungen nach

Studien- und Kontrollgruppe (N=205).

Merkmal

Gesamt (n = 205)

Studiengruppe (n = 95)

Kontrollgruppe (n = 110)

p-Wert

Indikation (n, %) 0,165

Path. CTG 95 46,3 41 43,2 54 49,1

Geburtsstillstand EP 17 8,3 9 9,5 8 7,3

Geburtsstillstand AP 65 31,7 36 37,9 29 26,4

Sonstiges 28 13,7 9 9,5 19 17,3

AP = Austreibungsperiode; EP = Eröffnungsperiode; path. = pathologisch.

Page 163: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

45

Tab. 5. Charakteristika der Neugeborenen nach Studien- und Kontrollgruppe (N=1224).

Merkmal

Gesamt (n = 1224)

Studiengruppe (n = 612)

Kontrollgruppe (n = 612)

p-Wert

Geburtsgewicht (g) <0,001

MW, SD 3513,6 427,4 3561,0 427,3 3466,3 422,5

Median, Q1-Q3 3500,0 3220,0-3800,0

3557,5 3250,0-3850,0

3450,0 3167,5-3751,2

Min, Max 2030,0 4800,0 2030,0 4800,0 2340,0 4570,0

APGAR 1 (1 min) 0,294Ϯ

MW, SD 8,8 0,9 8,8 0,9 8,8 0,8

Median, Q1-Q3 9,0 9,0-9,0 9,0 9,0-9,0 9,0 9,0-9,0

Min, Max 0,0 10,0 0,0 10,0 2,0 10,0

<7 (n, %) 23 1,9 14 2,3 9 1,5

APGAR 2 (5 min) 0,201Ϯ

MW, SD 9,8 0,6 9,7 0,6 9,8 0,5

Median, Q1-Q3 10,0 10,0-10,0

10,0 10,0-10,0

10,0 10,0-10,0

Min, Max 3,0 10,0 3,0 10,0 6,0 10,0

<7 (n, %) 5 0,4 3 0,5 2 0,3

APGAR 3 (10 min) 0,881Ϯ

MW, SD 9,9 0,3 9,9 0,3 9,9 0,3

Median, Q1-Q3 10,0 10,0-10,0

10,0 10,0-10,0

10,0 10,0-10,0

Min, Max 4,0 10,0 4,0 10,0 8,0 10,0

<7 (n, %) 1 0,1 1 0,2 0 0,0

ph – Wert (n, %) 0,063

<7,10 24 2,0 8 1,3 16 2,6

7,10-7,19 217 17,7 97 15,8 120 19,6

≥7,20 968 79,1 495 80,9 473 77,3

Fehlend* 15 1,2 12 2,0 3 0,5

BE (n, %) 0,775

> -5.0 569 46,5 288 47,1 281 45,9

-5.0 bis -9.9 528 43,1 256 41,8 272 44,4

Page 164: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

46

Merkmal

Gesamt (n = 1224)

Studiengruppe (n = 612)

Kontrollgruppe (n = 612)

p-Wert

≤ -10.0 104 8,5 51 8,3 53 8,7

Fehlend* 23 1,9 17 2,8 6 1,0

Ungeplante Verlegung (n, %)

0,420

Ja 14 1,1 5 0,8 9 1,5

Nein 1210 98,9 607 99,2 603 98,5

MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung; Q1 = 25%-Quantil; Q3 = 75%-Quantil; Min = Minimum; Max = Maximum, BE = Base Excess. ϮWilcoxon-Rangsummentest. *Fehlend inklusive Beobachtungen ohne ph-Wert bzw. BE-Bestimmung (n=15).

Tab. 6. Geburtsgewicht (kategorisiert) der Neugeborenen nach Studien- und

Kontrollgruppe (N=1224).

Merkmal

Gesamt (n = 1224)

Studiengruppe (n = 612)

Kontrollgruppe (n = 612)

Geburtsgewicht (g) (n, %)

< 3000 133 10,9 56 9,2 77 12,6

3000- <3500 461 37,7 208 34,0 253 41,3

3500- <4000 467 38,2 263 43,0 204 33,3

≥ 4000 163 13,3 85 13,9 78 12,7

Geburtsgewicht (g) (n, %)

< 4500 1206 98,5 598 97,7 608 99,3

≥ 4500 18 1,5 14 2,3 4 0,7

Page 165: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

47

Tab. 7. Charakteristika der Neugeborenen für Nichtunterlegenheitstest

(Nichtunterlegenheitsgrenze 2%) nach Studien- und Kontrollgruppe (N=1209Ϯ).

Merkmal

Studiengruppe (n = 600)

Kontrollgruppe (n = 609)

%-Differenz

95%-KI p-Wert

Composite Outcome*

(n, %) <0,001

Ja 14 2,3 23 3,8 1,44 -0,49-3,37

Nein 586 97,7 586 96,2

ph-Wert,

dichotom (n, %)

< 7,10 8 1,3 16 2,6 1,29 -0,27-2,86

≥ 7,10 592 98,7 593 97,4

APGAR 2 (5 min)

(n, %)

< 7 3 0,5 2 0,3 -0,17 -0,89-0,55

≥ 7 597 99,5 607 99,7

Ungeplante Verlegung (n, %)

Ja 5 0,8 9 1,5 0,64 -0,56-1,84

Nein 595 99,2 600 98,5

KI = Konfidenzintervall. *ph-Wert <7,10 und/oder APGAR 2 < 7 und/oder ungeplante Verlegung. ϮBeobachtungen mit fehlenden Angaben bzgl. des ph-Wertes wurden aus dieser Betrachtung ausgeschlossen (n=15).

Page 166: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

48

Tab. 8. Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bzgl. des Merkmals

Geburtsmodus (spontan vs. Sectio/vag. operativ) (N=1224).

Merkmal

Unadjustierter OR

95 %-KI p-Wert Adjustierter

OR 95 %-KI p-Wert

Gruppe 0,251 0,434

Kontrollgruppe Referenz – Referenz –

Studiengruppe 0,84 0,62-1,13

0,87 0,61-1,24

Parität <0,001 <0,001

≥1 Referenz – Referenz –

0 6,70 4,62-9,70

8,88 5,94-13,26

Alter (Jahre) 0,564 <0,001

≤ 29 Referenz – Referenz –

30-34 0,87 0,59-1,28

1,29 0,86-1,94

≥ 35 1,04 0,70-1,55

2,36 1,52-3,65

BMI (kg/m2) 0,113 0,162

≥ 25 Referenz – Referenz –

< 25 1,27 0,94-1,72

1,29 0,90-1,83

Geburtsgewicht des Kindes (100g)

0,99 0,96-1,03

0,574 1,04 1,00-1,08 0,066

OR = Odds Ratio; KI = Konfidenzintervall; BMI = Body Mass Index. Hinweis: OR > 1 geben eine erhöhte Chance auf Sectio/vag. operative Entbindung an.

Page 167: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

49

Tab. 9. Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bzgl. des Merkmals

Geburtsmodus (spontan vs. vaginal-operativ) (N=1115Ϯ).

Merkmal

Unadjustierter OR

95 %-KI p-Wert Adjustierter

OR 95 %-KI p-Wert

Gruppe 0,036 0,911

Kontrollgruppe Referenz – Referenz –

Studiengruppe 0,64 0,42-0,98 0,97 0,59-1,61

Parität <0,001 0,001

≥ 1 Referenz – Referenz –

0 6,82 4,02-11,56

3,01 1,53-5,95

Alter (Jahre) 0,771 0,013

≤ 29 Referenz – Referenz –

30-34 0,92 0,53-1,57 1,14 0,63-2,05

≥ 35 1,09 0,63-1,90 2,30 1,23-4,29

BMI (kg/m2) 0,005 0,018

≥ 25 Referenz – Referenz –

< 25 1,84 1,20-2,85 1,84 1,11-3,06

Geburtsgewicht des Kindes (100g)

0,96 0,92-1,01 0,140 0,98 0,92-1,04

0,484

Geburtsdauer (h) 1,16 1,11-1,21 <0,001 1,06 1,01-1,13

0,034

AP-Dauer (10min) 1,15 1,11-1,18 <0,001 1,09 1,04-1,13

<0,001

Episiotomie <0,001 0,012

Nein Referenz – Referenz –

Ja 5,10 2,92-8,91 2,25 1,22-4,18

OR = Odds Ratio; KI = Konfidenzintervall; BMI = Body Mass Index; AP= Austreibungsperiode. ϮBeobachtungen mit Geburtsmodus = Sectio (alle Formen) wurden aus dieser Betrachtung ausgeschlossen (n=109). Hinweis: OR > 1 geben eine erhöhte Chance auf vag. operative Entbindung an.

Page 168: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

50

Tab. 10. Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bzgl. des Composite Outcomes

der Neugeborenen (Nein vs. Ja) (N=1209Ϯ).

Merkmal

Unadjustierter OR

95 %-KI p-Wert Adjustierter

OR 95 %-KI p-Wert

Gruppe 0,143 0,118

Kontrollgruppe Referenz – Referenz –

Studiengruppe 0,61 0,31-1,19

0,56 0,27-1,17

Parität 0,500 0,645

≥ 1 Referenz – Referenz –

0 1,25 0,65-2,41

1,19 0,57-2,50

Alter (Jahre) 0,988 0,977

≤ 29 Referenz – Referenz –

30-34 1,02 0,44-2,33

1,09 0,47-2,56

≥ 35 0,96 0,40-2,30

1,03 0,41-2,60

BMI (kg/m2) 0,831 0,703

≥ 25 Referenz – Referenz –

< 25 1,07 0,56-2,07

0,87 0,42-1,78

Geburtsgewicht des Kindes (100g)

1,02 0,95-1,11

0,535 1,03 0,96-1,12

0,411

Geburtsmodus, dichotom 0,230 0,337

Spontan Referenz – Referenz –

Sectio/Vaginal-operativ 1,63 0,76-3,51

1,52 0,66-3,47

OR = Odds Ratio; KI = Konfidenzintervall; BMI = Body Mass Index; AP= Austreibungsperiode. ϮBeobachtungen mit fehlenden Angaben bzgl. des ph-Wertes wurden aus dieser Betrachtung ausgeschlossen (n=15). Hinweis: OR > 1 geben eine erhöhte Chance auf ein schlechtes Outcome des Neugeborenen an.

Page 169: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

51

Tab. 11. Weiterleitungen, unter und nach Geburt (N=612).

Merkmal

Studiengruppe (n = 612)

Weiterleitung unter Geburt (n, %)

Ja 266 43,5

Nein 346 56,5

Weiterleitung nach Geburt (n, %)

Ja 42 6,9

Nein 304 49,7

Nicht zutreffend (bereits weitergeleitet) 266 43,5

Tab. 12. Weiterleitungsgründe, unter und nach Geburt (N=308).

Weiterleitungsgründe

Studiengruppe (n=308)

Kind 75 24,4

Mutter Geburt medizinisch 59 19,2

Mutter Geburt nicht-medizinisch 89 28,9

Mutter Geburtsverlauf 41 13,3

Mutter Postpartal 42 13,6

Fehlend 2 0,6

Page 170: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

52

Tab. 13. Mütterliche Charakteristika nach Studien- und Kontrollgruppe unter Einbezug

der Weiterleitung (N=1224).

Merkmal Studiengruppe- weitergeleitet

(n = 308)

Studiengruppe (n = 304)

Kontrollgruppe (n = 612)

Parität (n, %)

0 210 68,2 71 23,4 281 45,9

1 74 24,0 160 52,6 252 41,2

2 19 6,2 57 18,8 66 10,8

≥ 3 5 1,6 16 5,3 13 2,1

Alter (Jahre) (n, %)

≤ 29 69 22,4 56 18,4 169 27,6

30-34 133 43,2 140 46,1 245 40,0

35-39 78 25,3 88 28,9 160 26,1

≥ 40 28 9,1 20 6,6 38 6,2

Alter (Jahre)

MW, SD 32,7 4,8 33,1 4,1 32,1 5,1

Median, Q1-Q3 33,0 30,0-36,0

33,0 30,0-36,0

32,0 29,0-35,0

Min, Max 16,0 46,0 23,0 43,0 17,0 47,0

BMI (kg/m2) (n, %)

< 25 227 73,7 194 63,8 196 32,0

≥ 25 81 26,3 110 36,2 416 68,0

BMI (kg/m2)

MW, SD 27,2 3,7 26,2 3,4 23,7 3,6

Median, Q1-Q3 27,0 24,9-29,8

26,1 24,0-28,4

23,2 20,9-26,0

Min, Max 18,1 36,8 17,6 35,4 16,6 35,0

MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung; Q1 = 25%-Quantil; Q3 = 75%-Quantil; Min = Minimum; Max = Maximum; BMI = Body Mass Index.

Page 171: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

53

Tab. 14. Weitere Charakteristika der Mutter nach Studien- und Kontrollgruppe unter

Einbezug der Weiterleitung (N=1224).

Merkmal Studiengruppe- weitergeleitet

(n = 308)

Studiengruppe (n = 304)

Kontrollgruppe (n = 612)

Geburtsmodus (n, %)

Vaginal-operativ 38 12,3 0 0,0 58 9,5

Sectio 57 18,5 0 0,0 52 8,5

Spontan 213 69,2 304 100,0 502 82,0

Verstärkte Blutung (n, %)

Ja 42 13,6 1 0,3 55 9,0

Nein 266 86,4 303 99,7 557 91,0

Geburtsverletzung mind. DR3, dichotom (n, %)

Ja 13 4,2 0 0,0 5 0,8

Nein 238 77,3 304 100,0 555 90,7

Fehlend* 57 18,5 0 0,0 52 8,5

Geburtsdauer (h)

MW, SD 7,2 4,6 4,2 2,5 6,3 4,3

Median, Q1-Q3 6,0 4,0-10,0

4,0 2,0-5,0

5,0 3,0-9,0

Min, Max <1,0 26,0 1,0 13,0 <1,0 34,0

Fehlend* (n, %) 57 18,5 1 0,3 52 8,5

AP-Dauer (min)

MW, SD 71,1 65,5 27,8 31,1 55,6 59,5

Median, Q1-Q3 46,0 20,0-101,5

16,0 9,0-32,5

31,0 13,0-77,5

Min, Max 1,0 311,0 1,0 181,0 1,0 299,0

Fehlend* (n, %) 57 18,5 1 0,3 53 8,7

Pressperiode (min)

MW, SD 17,5 13,0 10,5 8,7 13,6 10,5

Median, Q1-Q3 15,0 8,0-24,0

8,0 5,0-12,5

10,0 5,0-20,0

Min, Max 1,0 90,0 1,0 45,0 0,0 70,0

Fehlend* (n, %) 59 19,2 0 0,0 54 8,8

Page 172: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

54

Merkmal Studiengruppe- weitergeleitet

(n = 308)

Studiengruppe (n = 304)

Kontrollgruppe (n = 612)

Episiotomie (n, %)

Median 1 0,3 2 0,7 1 0,2

Mediolateral 20 6,5 3 1,0 47 7,7

Nein 230 74,7 299 98,4 512 83,7

Fehlend* 57 18,5 0 0,0 52 8,5

Plazentaphase auffällig (n, %)

Ja 62 20,1 2 0,7 60 9,8

Nein 246 79,9 302 99,3 552 90,2

MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung; Q1 = 25%-Quantil; Q3 = 75%-Quantil; Min = Minimum; Max = Maximum, AP=Austreibungsperiode; DR = Dammriss. *Fehlend definiert bei Beobachtungen mit Geburtsmodus = Sectio (alle Formen, n=109).

Tab. 15. Indikationen für Sectios (alle Formen) und vaginal-operative Entbindungen nach

Studien- und Kontrollgruppe und Einbezug der Weiterleitung (N=205).

Merkmal Studiengruppe- weitergeleitet

(n = 95)

Kontrollgruppe (n = 110)

Indikation (n, %)

Path. CTG 41 43,2 54 49,1

Geburtsstillstand EP 9 9,5 8 7,3

Geburtsstillstand AP 36 37,9 29 26,4

Sonstiges 9 9,5 19 17,3

AP = Austreibungsperiode; EP = Eröffnungsperiode; path. = pathologisch

Page 173: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

55

Tab. 16. Charakteristika der Neugeborenen nach Studien- und Kontrollgruppe unter

Einbezug der Weiterleitung (N=1224).

Merkmal Studiengruppe- weitergeleitet

(n = 308)

Studiengruppe (n = 304)

Kontrollgruppe (n = 612)

Geburtsgewicht (g)

MW, SD 3564,6 434,2 3557,4 420,9 3466,3 422,5

Median, Q1-Q3 3595,0 3247,5-3850,0

3530,0 3260,0-3850,0

3450,0 3167,5-3751,2

Min, Max 2030,0 4800,0 2340,0 4800,0 2340,0 4570,0

APGAR 1 (1 min)

MW, SD 8,7 1,0 9,0 0,8 8,8 0,8

Median, Q1-Q3 9,0 9,0-9,0 9,0 9,0-9,0 9,0 9,0-9,0

Min, Max 2,0 10,0 0,0 10,0 2,0 10,0

<7 (n, %) 11 3,6 3 1,0 9 1,5

APGAR 2 (5 min)

MW, SD 9,6 0,7 9,8 0,6 9,8 0,5

Median, Q1-Q3 10,0 9,0-10,0

10,0 10,0-10,0

10,0 10,0-10,0

Min, Max 6,0 10,0 3,0 10,0 6,0 10,0

<7 (n, %) 2 0,6 1 0,3 2 0,3

APGAR 3 (10 min)

MW, SD 9,9 0,3 10,0 0,4 9,9 0,3

Median, Q1-Q3 10,0 10,0-10,0

10,0 10,0-10,0

10,0 10,0-10,0

Min, Max 9,0 10,0 4,0 10,0 8,0 10,0

<7 (n, %) 0 0,0 1 0,3 0 0,0

ph – Wert (n, %)

<7,10 7 2,3 1 0,3 16 2,6

7,10-7,19 65 21,1 32 10,5 120 19,6

≥7,20 230 74,7 265 87,2 473 77,3

Fehlend* 6 1,9 6 2,0 3 0,5

BE (n, %)

> -5.0 125 40,6 163 53,6 281 45,9

-5.0 bis -9.9 142 46,1 114 37,5 272 44,4

Page 174: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

56

Merkmal Studiengruppe- weitergeleitet

(n = 308)

Studiengruppe (n = 304)

Kontrollgruppe (n = 612)

≤ -10.0 34 11,0 17 5,6 53 8,7

Fehlend* 7 2,3 10 3,3 6 1,0

Ungeplante Verlegung (n, %)

Ja 3 1,0 2 0,7 9 1,5

Nein 305 99,0 302 99,3 603 98,5

MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung; Q1 = 25%-Quantil; Q3 = 75%-Quantil; Min = Minimum; Max = Maximum; BE = Base Excess. *Fehlend inklusive Beobachtungen ohne ph-Wert bzw. BE-Bestimmung (n=15).

Page 175: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

57

Tab. 17. Charakteristika der Neugeborenen bzgl. Composite Outcome nach Studien- und

Kontrollgruppe unter Einbezug der Weiterleitung (N=1209Ϯ).

Merkmal Studiengruppe- weitergeleitet

(n = 302)

Studiengruppe (n = 298)

Kontrollgruppe (n = 609)

Composite Outcome* (n, %)

Ja 11 3,6 3 1,0 23 3,8

Nein 291 96,4 295 99,0 586 96,2

ph-Wert, dichotom (n, %)

< 7,10 7 2,3 1 0,3 16 2,6

≥ 7,10 295 97,7 297 99,7 593 97,4

APGAR 2 (n, %)

< 7 2 0,7 1 0,3 2 0,3

≥ 7 300 99,3 297 99,7 607 99,7

Ungeplante Verlegung (n, %)

Ja 3 1,0 2 0,7 9 1,5

Nein 299 99,0 296 99,3 600 98,5

*ph-Wert <7,10 und/oder APGAR 2 < 7 und/oder ungeplante Verlegung. Ϯ Beobachtungen mit fehlenden Angaben bzgl. des ph-Wertes wurden aus dieser Betrachtung ausgeschlossen (n=15).

Page 176: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

58

Tab. 18. Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bzgl. des Merkmals

Weiterleitung (Nein vs. Ja) (N=612).

Merkmal

Unadjustierter OR

95 %-KI p-Wert Adjustierter

OR 95 %-KI p-Wert

Parität <0,001 <0,001

≥ 1 Referenz – Referenz –

0 7,03 4,92-10,06

10,04 6,59-15,30

Alter (Jahre) 0,466 0,002

≤ 29 Referenz – Referenz –

30-34 0,77 0,50-1,18 1,31 0,80-2,15

≥ 35 0,80 0,51-1,24 2,38 1,38-4,11

BMI (kg/m2) 0,008 0,103

≥ 25 Referenz – Referenz –

< 25 0,63 0,45-0,89 0,72 0,48-1,07

Geburtsgewicht des Kindes (100g)

1,00 0,97-1,04 0,835 1,06 1,01-1,10 0,016

OR = Odds Ratio; KI = Konfidenzintervall; BMI = Body Mass Index. Hinweis: OR > 1 geben eine erhöhte Chance auf eine Weiterleitung an.

Page 177: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

59

Anhang: Kriterienkatalog HGK Bonn

Kriterienkatalog Hebammenkreißsaal

zur kontinuierlichen Einschätzung des Schwangerschafts- und Geburtsverlaufes

1. Gespräch am………………………von der Hebamme………………………………………………………………….

2. Gespräch am………………………von der Hebamme…………………………………………………………………. Sowie gemeinsame erneute Überprüfung der Kriterienkataloges und ärztlicher Ultraschall

(Name/Datum und Unterschrift Arzt) …………………………………………………………………………..

Anamnese und allgemeine Befunde

Nr. Befund 1. Gespräch

(………….) 2. Gespräch

(…………..) weiteres Vorgehen

ja Nein Ja nein

1 Familiäre Belastung Dokumentation

Anamnese

2 Frühere eigene schwere

Erkrankungen

Konsultation

Einzelfallentscheidung

3 Bestehende Erkrankungen Konsultation

4 Blutungs-Thrombose-

Neigung

Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

5 Allergien

a) Allergien b) ungeklärte schwere allergische

Reaktionen

a)Hebammenkreißsaal b)Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

6 Sprachliche Integrationsprobleme Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

Patientenaufkleber

Name ……………………………………………………………………

Vorname: ……………………………………………………………………

Geburtsdatum: …………………………………………………………………..

Page 178: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

60

7 Rh- Inkompatibilität

bei vorangegangener SS

Konsultation

8 Präexistenter Diabetes Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

9 Adipositas

(>BMI 35)

Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

10 Kleinwuchs < 150 cm Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

11 Skelettanomalie Konsultation

Einzelfallentscheidung

12 Schwangere < 18 Jahre Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

Geburtshilfliche Anamnese

Nr. Befund 1. Gespräch

(………….) 2. Gespräch

(…………..) weiteres Vorgehen

Ja Nein Ja nein

13 Zustand nach Mangelgeburt Konsultation

Sonographie

14 Totes oder geschädigtes Kind in

der Anamnese

Konsultation

Einzelfallentscheidung

15 Komplikationen bei

vorangegangenen Geburten

a) Schulterdystokie b) vorz. Plazentalösung

c)kindliche Geburtsschäden

Ärztlich geleiteter Kreißsaal

16 Postpartale Komplikationen bei

vorausgegangenen Geburten

a) Atonie

b) Plazentaretention

a) Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

b) Konsultation

17 Z.n. Sectio Ärztlich geleiteter Kreißsaal

18 Z.n. anderen

Uterusoperationen

Konsultation

Einzelfallentscheidung

19 Andere Besonderheiten

a) Z.n. Hellp

b) Z.n. Eklampsie

c) Z.n. Präeklampsie

Konsultation

Einzelfallentscheidung

Besondere Befunde im Schwangerschaftsverlauf

Nr. Befund 1. Gespräch

(………….) 2. Gespräch

(…………..) weiteres Vorgehen

Ja Nein Ja nein

20 Behandlungsbedürftige

Allgemeinerkrankungen

Konsultation

Einzelfallentscheidung

21 Dauermedikation Konsultation

Einzelfallentscheidung

22 Abusus

a) Drogen und/oder Alkohol

b) > 20 Zigaretten/d

a) Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

b) Konsultation,

Sonographie

Page 179: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

61

Nr. Befund 1. Gespräch

(………….) 2. Gespräch

(…………..) weiteres Vorgehen

Ja Nein Ja nein

23 Blutungen bis 12.SSW Hebammenkreißsaal

24 Blutungen nach 12.SSW Konsultation, Einzelfallentscheidung

25 Plazenta praevia Ärztlich geleiteter Kreißsaal

26 Mehrlingsschwanger-

schaft

Ärztlich geleiteter Kreißsaal

27 Hydramnion, Oligohydramnion Ärztlich geleiteter Kreißsaal

28 Terminunklarheit Konsultation

29 V.a. Plazentainsuff. Konsultation

30 Fehlbildung Konsultation

31 Anämie Konsultation

32 Blutgruppenunverträglich-

keit

Konsultation

33 Risiko aus anderen infektions-

serologischen Befunden

Konsultation

Einzelfallentscheidung

34 Hypertonie (>140/90) Ärztlich geleiteter Kreißsaal

35 U-Stix auffällig Konsultation

36 Ödeme Konsultation

37 Gestationsdiabetes

a) diätetisch

b) insulinpflichtig

a) Konsultation

Einzelfallentscheidung

b) Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

38 Lageanomalie (BEL, Querlage)

Ärztlich geleiteter Kreißsaal

39 Virusinfektion

a) Herpes genitalis

b) Condylome

a) Ärztlich geleiteter

Kreißsaal

b) Konsultation

Einzelfallentscheidung

Geburtsrisiken

Nr. Befund Datum

(……………..) weiteres Vorgehen

Ja Nein

40 Vorzeitiger Blasensprung Nach Standard,

Labor bei Aufnahme

41 Überschreitung des Termins ab ET+7 enge

ärztliche Rücksprache nach

Richtlinie DGGG

42 Frühgeburt Weiterleitung

43 SIH Konsultation

44 Präeklampsie Weiterleitung

45 Vorzeitige Plazentalösung Weiterleitung

46 Vaginale Blutung

(Ausschluss Zeichnungsblutung)

Weiterleitung

47 V.a. AIS Weiterleitung

48 Fieber unter Geburt(>38°C) Weiterleitung

Page 180: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

62

Nr. Befund Datum

(……………..) weiteres Vorgehen

Ja Nein

49 Pathologisches CTG

(FIGO) oder auskultatorisch

schlechte HT

Weiterleitung

50 Grünes Fruchtwasser Weiterleitung

51 Regelwidriger Geburtsverlauf Weiterleitung

52 Protrahierte Geburt,

Geburtstillstand in der EP

Weiterleitung, bei

3h Befund idem

(Abhängig von

Wehentätigkeit)

53 Protrahierte Geburt,

Geburtstillstand in der AP

Bis max. 2 h MM

vollständig und

unauffälligem CTG –

ansonsten

Weiterleitung

Kriter55 Peridualanästhesie Weiterleitung

56 Schmerzmittel sub partu Weiterleitung

57 Wunsch der Frau Weiterleitung

Maternale postpartale Befunde

Nr. Befund Datum

(……………..) weiteres Vorgehen

Ja Nein

58 Blutungen > 500ml Weiterleitung

59 Plazentalösungsstörung Weiterleitung

60 Unvollständige Plazenta Weiterleitung

61 Episiotomie, DRI°, DRII° Konsultation möglich

Einzelfallentscheidung

62 Sonstige Geburtsverletzungen Weiterleitung

63 Sonstige Regelwidrigkeiten in der

postpartalen Phase

Weiterleitung

Sonstiges

64 Sonstiger Weiterleitungsgrund Weiterleitung

Page 181: Bestandsaufnahme der Hebammenkreißsäle in Nordrhein

63

Literatur

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