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D:\Literatur\Skripte\Betriebsfestigkeit_Einführung (Sonsino)\Einführung 2005.doc 1 Betriebsfestigkeit – Eine Einführung Prof. Dr.-Ing. C.M. Sonsino Vorlesung „Werkstoff- und Bauteilfestigkeit“ an der TU Darmstadt Y:/Sonsino/TU Darmstadt/Vorlesung/Betriebsfestigkeit/Deckblatt

Betriebsfestigkeit_Eine Einfuehrung

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Betriebsfestigkeit – Eine Einführung

Prof. Dr.-Ing. C.M. Sonsino

Vorlesung „Werkstoff- und Bauteilfestigkeit“ an der TU Darmstadt

Y:/Sonsino/TU Darmstadt/Vorlesung/Betriebsfestigkeit/Deckblatt

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Einflussgrößen auf die Betriebsfestigkeit

Kosten

BetriebsfestigkeitWerkstoff

Belastung(einschl. Umwelteinflüsse)

Fertigung

Konstruktion(Formgebung)

DIA 6362d

Die Betriebsfestigkeit ist eine Querschnittswissenschaft und definiert sich durch die Interaktion

zwischen Belastung (mechanische sowie Umwelt), Werkstoff, Fertigung (Gießen, Schmieden,

Schweißen, Löten, Kleben u.a. Verfahren, die den Werkstoffzustand insbesondere in

hochbeanspruchten Bereichen der Bauteile bestimmen) und Konstruktion. Die Konstruktion

unterliegt fertigungsbedingten Einschränkungen und beeinflusst infolge der äußeren

mechanischen Belastung die Höhe der örtlichen Beanspruchung (Spannung, Dehnung) in

kritischen Bereichen.

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• Lebensdauer

• Zuverlässigkeit

• Sicherheit

Kriterien für eine zutreffende betriebsfeste BemessungDIA 6372d

Die Kriterien für eine zutreffende betriebsfeste Bauteilbemessung sind das Erreichen der

geforderten Lebensdauer, die Zuverlässigkeit der Komponenten einer Konstruktion bzw. des

ganzen Systems (Funktionstüchtigkeit) und die Sicherheit (kein Ausfall vor Erreichen der

Bemessungslebensdauer für eine geforderte rechnerische Ausfallwahrscheinlichkeit).

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Einteilung der BetriebsfestigkeitDIA 5969d

BETRIEBSFESTIGKEIT

Sonderbelastungen Kriechbelastungen Schwingbelastungen

konstante Amplituden variable Amplituden

stochastischdeterministischZeitfestigkeit „Dauerfestigkeit“Kurzzeit-Schwingfestigkeit

Überlasten Schlag

Beulen/Knicken

σε

T1

T2 > T1t

Häufigkeit H

σε

Formdehngrenze

Schlag-energie

Verformungsweg

Bruchkraft F

So 1994

σa

εa

N < 5 ·104

σ

ε σ

σ

σ

ε

ε

ε

5 ·104 < N < 106

1010109108107106105104103102

N > 104

Schwingspielzahl N, N

Gassnerlinie

Wöhlerlinie

Verschleiß

-∆s

t

Unterteilung der Schwingfestigkeit

DIA 2833d

Schwingfestigkeit

Kurzzeitfestigkeit Zeitfestigkeit „Dauerfestigkeit“ stochastischdeterministisch

Konstante Amplituden

Schwingspielzahl N: <5·104

Variable Amplituden

104 - 109>2·106>5·104 - 2·106

σa

σm

σa

σm

Dehnungsverhältnis: Rε=

o

u

εε Spanungsverhältnis: R =

o

u

σσ

σ

εa

εσa

σm

N (log)

Wöhlerlinie

ε a/

ε ak (log)

1

3

Nk

Wöhlerlinie

1

2

Nk N (log)

σ a /

σ ak (log)

N (log)

Wöhlerlinie

1

Nk

σ a /

σ ak (log) Gaßnerlinie

Wöhlerlinie

1

2

Nk

σ a /

σ ak (log)

N (log)

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Beanspruchungsabläufe an einzelnen Komponenten des FahrwerkesDIA 6576d.ppt

Einteilung der Betriebs- und Schwingfestigkeit

Das heutige Verständnis der Betriebsfestigkeit hebt sich von der ursprünglich von Ernst Gaßner

1939 eingeführten Definition, nämlich das Festigkeitsverhalten unter zeitlich veränderlichen

(variablen) Belastungs- bzw. Beanspruchungsamplituden, ab. Sie umfasst

- Sonderbelastungen (Überlasten), z.B. infolge eines Überdrucks in einem Druck-

behälter oder an Fahrwerkskomponenten beim langsamen Überfahren eines

Hindernisses (Bemessungskriterium: die örtliche Formdehngrenze darf nicht

überschritten und die bestimmungsgemäße Lebensdauer darf durch die örtlich

bleibende plastische Verformung nicht eingeschränkt werden), Beulen bzw. Knicken

einer Struktur, Schlag (Impactbelastung mit hoher Geschwindigkeit und Energie, z.B.

beim schnellen Überfahren eines Schlagloches, Schleudern beim Glatteis gegen eine

Bordsteinkante, wobei ein verformungsloser Sprödbruch durch Konstruktion und

Werkstoffauswahl ausgeschlossen sein muss, d.h. ein duktiler Bruch wäre noch

zulässig; solche dynamische Belastungen fallen in der Fahrzeugindustrie in die

Kategorie Missbrauch).

- Kriechbelastungen, z.B. bei Turbinenschaufeln unter hoher Temperatur und

Fliehkraft, oder auch unter Raumtemperatur bei Bauteilen aus Werkstoffen mit

niedriger Dehngrenze bzw. Kriechneigung bei entsprechend hoher Zugbelastung.

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- Verschleiß bei Reibpaarungen, z.B. Lager, Eisenbahnschienen und -radreifen,

Zahnräder.

- Schwingbelastungen zyklische (nicht dynamische!) Belastungen mit konstanten und

variablen Amplituden (überlagert zu montage- oder belastungsbedingten

Mittelwerten), wobei das Festigkeitsverhalten unter konstanten Amplituden durch

die Wöhlerlinie und unter variablen Amplituden durch die Gaßnerlinie beschrieben

wird. Die Wöhlerlinie wird in die Bereiche Kurzzeitschwingfestigkeit (elasto-plastische

Beanspruchungen mit größerem plastischem Anteil, definiert bis 5·104

Schwingspiele), Zeitfestigkeit (elasto-plastische Beanspruchungen, Lebensdauer

zwischen 5·104 und 1·106 Schwingspielen) und sogenannte „Dauerfestigkeit“

(makroskopisch elastische, mikroskopisch plastische Beanspruchungen bei

Lebensdauern größer als 1·106 Schwingspielen) unterteilt. In diesem Bereich muß mit

einem kontinuierlichen, werkstoff-, fertigungs- und umgebungsabhängigen Abfall

der Schwingfestigkeit gerechnet werden, d.h. es existiert keine Dauerfestigkeit.

Die Gaßnerlinie kann sich zwischen 104 und mehr Schwingspielen erstrecken, wobei

die Belastungsvorgänge deterministisch oder stochastisch auftreten können.

Typische Bauteile im Bereich der Kurzzeitschwingfestigkeit sind Reaktordruck-

behälter, der Zeitfestigkeit Türscharniere von Fahrzeugtüren, der sog. Dauerfestigkeit

Zahnräder, Kurbelwellen, Pleuel. Typische Komponenten, die gegen variable

Betriebsbelastungen bemessen werden, sind Fahrwerksbauteile, wie z.B. Räder,

Lenker, Vorder- und Hinterachsträger oder Achsschenkel.

Die dargestellten Belastungsarten (Sonderbelastung, Kriechen, Verschleiß, Schwingbelastung)

treten im Betrieb selten einzeln auf; sie können durchaus nacheinander oder gemeinsam

auftreten, z.B. Schlag bei einer Hindernisüberfahrt und variable Amplituden bei Fahrwerks-

komponenten, Kriechen und Schwingbelastung bei Turbinenschaufeln, Verschleiß und zyklische

Hertz’sche Pressung an Zahnradflanken. Ihre lebensdauerbestimmende Interaktion muss stets

beachtet werden.

Belastungen bzw. Beanspruchungen mit nur konstanten Amplituden, sei es im Bereich der

Kurzzeitschwingfestigkeit, sei es im Bereich der Zeitfestigkeit oder der sog. Dauerfestigkeit

treten hingegen sehr selten auf; im Betrieb liegt meistens eine Mischung aus Amplituden

unterschiedlicher Höhe vor, die mit dem Begriff Kollektiv (Häufigkeitsverteilung von Amplituden)

beschrieben wird und deren Kenntnis für die Ermittlung der zutreffenden Gaßnerlinien

Voraussetzung ist.

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Formdehngrenze und plastische Verformung

DIA 7070d

0,2 % - Bauteil - Dehngrenze

0,2 %- Werkstoff-Dehngrenze

0,2 %

Rp0,2

Spannung σ

Dehnung ε

Bauteil-Formdehngrenze

a. Spannung - Dehnung – Kurve (Werkstoffverhalten, Kt = 1,0)

0,2 %

FFD

Last F

FF

F0,2

εv,0,2εv,Fεpl,zul εFDörtliche Vergleichsdehnung εv

b. Last - Dehnung – Kurve (Bauteilverhalten, Kt > 1,0)

Die 0,2%-Werkstoffdehngrenze, die Spannung mit einer bleibenden (plastischen) Verformung

von εpl = 0,2% wird mit einem ungekerbten Probestab (Kt = 1,0) im Zugversuch oder während

eines dehnungsgeregelten Versuchs aus der Last-(Spannung)-Dehnung-Kurve ermittelt. Die

Spannung σ lässt sich aus der Last und dem Nennquerschnitt F/An berechnen, die örtliche

Dehnung wird gemessen. Sobald der linear-elastische Bereich der Spannung-Dehnung-Kurve

überschritten wird, wird der Werkstoff unter Lastregelung bei axialer Belastung, je nach seinen

Verfestigungseigenschaften, wegen nicht vorhandener Stützwirkung (kein Spannungsgradient)

zu einem unkontrollierten Fließen neigen. Dies kann bei der ungekerbten Probe nur durch eine

Dehnungsregelung unterbunden werden.

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Für das Erreichen der 0,2%-Bauteil-Dehngrenze hingegen sind am Bauteil oder an einem

Kerbstab, im Vergleich zur 0,2%-Dehngrenze der ungekerbten Probe, eine höhere örtliche

Gesamtdehnung erforderlich. Dies ist durch die Spannungsgradienten in der Kerbe des Bauteils

oder der Kerbprobe bedingt. Das Verhältnis zwischen der örtlichen Gesamtdehnungen, die am

Bauteil und an der ungekerbten Probe) eine bleibende Verformung von 0,2% ergeben, wird als

Stützziffer definiert. Die Spannungsgradienten in der Kerbe, sofern die 0,2%-Bauteil-

Dehngrenze nicht überschritten wird, verhindern örtlich ein unkontrolliertes Fließen, d.h. sie

üben, trotz der äußeren Lastregelung, örtlich eine Dehnungsregelung aus. Deswegen liegt am

Bauteil oder an der Kerbprobe zwischen der äußeren Belastung und örtlichen Dehnung ein

größerer linearer Bereich vor als bei der ungekerbten Probe. Die aus der Sicht der

Betriebsfestigkeit wichtige Bauteil-Formdehngrenze ist kleiner als die 0,2%-Bauteil-Dehngrenze,

z.B. 0,02 bis 0,05% je nach Werkstoff und Konstruktion. Eine Betriebsbeanspruchung in dieser

Höhe infolge einer Sonderbelastung darf die Ermüdungsfestigkeit nicht beeinträchtigen.

Bemessungskriterien

DIA 6332d

Bemessung gegen variable Amplituden,wenn σa1 (N < 10

6 ) > σak

“Dauerfeste“ Bemessung,wenn σa1 (N < 10

6 ) < σak

σak

σa1

σa2

Bemessungs-Wöhlerlinie

Häufigkeitsverteilungen

Schwingspiele N

Ho

103 104 105 106 107 108 109

Spannungsamplitude σ

a , σ a

StatischeBemessung

Folgende Bemessungskriterien werden in der Technik angewendet:

- Statische Bemessung, in der Regel gegen die Werkstoff-Dehngrenze.

- „Dauerfeste“ (sog.) Bemessung, wenn das Kollektiv unterhalb des Wöhlerlinien-

verlaufes nach dem Abknickpunkt liegt, wobei der Kollektivhöchstwert weitaus mehr

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als 1·106 Schwingspiele auftritt; dies ist der Fall z.B. bei Pleueln, Kurbelwellen,

Zahnrädern usw. Obwohl die Belastungen mit variablen Amplituden auftreten,

werden sie wegen der hohen Häufigkeit des Kollektivhöchstwertes wie eine

Belastung mit konstanten Amplituden behandelt.

- „Betriebsfeste“ (sog.) Bemessung, wenn eine Überschreitung des

Wöhlerlinienverlaufes nach dem Abknickpunkt durch den Kollektivhöchstwert sowie

durch eine begrenzte Anzahl von variablen Amplituden erlaubt wird. Die Zulassung

höherer Beanspruchungen als beim Abknickpunkt der Wöhlerlinie führt zu kleineren

Bauteilquerschnitten (Leichtbau!). Für die Bemessung ist entweder die Kenntnis der

zutreffenden Gaßnerlinie oder eine zuverlässige Schädigungsberechnung

(Schadensakkumulationshypothese!) erforderlich.

DIA 6779d

Darstellung von Versuchsergebnissen unter konstanten und variablen Amplituden

s1LxN ⋅=

Konstante Amplituden- Woehlerlinie -

N1 N2 Schwingspielzahl (log)N,Nff

Amplitude σ

a/

σ a,m

ax(bezogen) (log)

t

0

+0.5

-0.5

0

+0.5

-0.5

+1.0

-1.0

N1

N2

0

+0.5

-0.5

+1.0

-1.0

0

+0.5

-0.5t

t

t

s2LyN ⋅=

x, y : Anzahl der Wieder-holungen

Variable Amplituden- Gaßnerlinie -

Wiederholte Bean-spruchungs-Zeit-Funktion

Wiederholte Teilfolge(Amplituden-Verteilung)

1N

0.1

0.5

1.0

2.0

0.2

k k

Rechteck-Kollektiv

Lsy

Ls

x

2N

0

0

0

0

Ls : Umfang der Teilfoge

Wiederholte konstanteAmplituden

Amplitude

Während die Ermittlung einer Wöhlerlinie sowie ihre Darstellung keine Verständnisfragen

auslöst, treten sowohl bei der Bestimmung als auch Darstellung von Gaßnerlinien oft

Verständnisschwierigkeiten auf. Bei der Ermittlung und Darstellung von Gaßnerlinien müssen

folgende Bedingungen vorliegen:

- Für die Versuchsdurchführung muss eine Lastfolge (Teilfolge), definiert durch den

Teilfolgenumfang, durch die Form der Häufigkeitsverteilung der Amplituden (z.B.

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Gauß oder Geradlinie) und ihrer Mittelwerte (können auch Null sein) sowie durch

den Höchstwert, vorliegen.

- Die Versuche werden auf unterschiedlichen Belastungshorizonten durchgeführt.

Dabei bleiben Teilfolgenumfang und die Form der Häufigkeitsverteilung unverändert.

Lediglich die Anzahl der Wiederholungen der Teilfolge und die Größe der

Amplituden ändern sich. Bei niedrigen Horizonten ist die Anzahl der Wiederholungen

größer als bei höheren. Ein höherer Horizont bedeutet lediglich eine lineare

Vergrößerung, ein niedriger eine lineare Verkleinerung aller Amplituden und der

zugehörigen Mittelwerte.

- Eine Teilfolge muss, um einen betriebsähnlichen Ablauf abzubilden, außerhalb ihrer

eigenen Durchmischung mindestens 5 bis 10 mal bis zum Versagen wiederholt

werden.

- Das Versagenskriterium, z.B. technischer Anriss mit definierter Rissgröße, Bruch,

Steifigkeitsabfall usw. muss festgelegt werden.

- Die Ergebnisse der Gaßnerversuche werden (zumindest im deutschsprachigen Raum)

über den Höchstwert der jeweils gefahrenen Teilfolge und der sich ergebenden

Schwingspielzahl beim Versagen aufgetragen. Die Auftragung über den jeweiligen

Höchstwert geht auf E. Gaßner aufgrund folgender Überlegungen zurück:

Der Höchstwert lässt sofort einen Vergleich mit der statischen Beanspruchbarkeit,

z.B. die Werkstoff-Dehngrenze oder die Formdehngrenze, zu.

Darüber hinaus kann sofort beurteilt werden, um wie viel der Höchstwert den

Abknickpunkt der Wöhlerlinie überschritten hat.

Andere Darstellungsweisen, z.B. über einen Effektivwert der Teilfolge (üblich im angel-

sächsischen Raum) unterdrückten diese für einen Konstrukteur auf den ersten Blick erfassbaren

wichtigen Informationen.

Die Bedeutung der Versuche mit variablen Amplituden liegt darin, dass sich, verglichen mit

Versuchen unter konstanten Amplituden, bei gleichem Höchstwert eine deutlich größere

Lebensdauer ergibt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die kleineren Amplituden im

Gaßnerversuch weniger schädigen als die ständig mit gleicher unveränderter Größe

auftretenden Amplituden des Wöhlerversuchs.

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Einfluss der Kollektivform auf die Lebensdauer und Bauteilabmessungen

1 : 2000 (GV)1 : 200 (NV)

DIA 5063d

Gaßnerlinien

Wöhlerlinie

Um wie viel sich die Lebensdauer im Gaßnerversuch gegenüber dem Wöhlerversuch vergrößert,

hängt von der Kollektivform ab. Da bei einer Geradlinienverteilung (GV) der Anteil von kleineren

Amplituden im Vergleich zur Normalverteilung (NV) größer ist, weist die entsprechende Gaßner-

linie eine höhere Lebensdauer auf. Dieser Vorteil über die Kenntnis der Kollektivform und seines

Einflusses auf die Lebensdauer bei gegebener Belastung lässt sich auch bei der Bauteil-

dimensionierung ausnutzen. Wenn z.B. für eine Spurstange eines Fahrzeuges eine Lebensdauer

von 108 Schwingspielen erforderlich und die Höchstbelastung aF =100 kN durch Betriebs-

messungen bekannt ist, kann aus der Wöhlerlinie mit der ertragbaren Spannungsamplitude von

σa=260 MPa nach A=Fa / σa ein Durchmesser von d=22 cm berechnet werden. Da aber eine

Spurstange im Betrieb Belastungen mit variablen Amplituden ausgesetzt ist (Messungen belegen

im vorliegenden Fall eine Geradlinienverteilung), kann bei Kenntnis der entsprechenden

Gaßnerlinie für eine Lebensdauer von 108 Schwingspielen die ertragbare Spannungsamplitude

von MPa500a =σ als Kollektivhöchstwert zugrunde gelegt und damit ein Durchmesser von

d=16 mm berechnet werden. Diese Querschnittsverringerung wird durch das Zulassen einer

Überschreitung der Wöhlerlinie bei 108 Schwingspielen um den Faktor 1,9 ermöglicht. Die

Reduzierung des Querschnittes von 22 auf 16 mm bedeutet gleichzeitig eine Verringerung des

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Gewichtes um Faktor 2, indem nicht nach der Wöhlerlinie, sondern nach der reell vorliegenden

Kollektivform ausgelegt wird.

Die Berücksichtigung von zeitlich veränderlichen Amplituden in der konstruktiven Praxis ist der

Verdienst von E. Gaßner (1939) und der bedeutendste Fortschritt in der Bauteilauslegung nach

A. Wöhler (1866).

Die genaue Lage von Gaßnerlinien in Abhängigkeit der Kollektivform kann nur durch Versuche

bestimmt werden. Falls im Betrieb andere Kollektivformen vorliegen als die im Versuch verwen-

deten, kann in diesem Fall die Lage der entsprechenden Gaßnerlinie durch eine relative

Schädigungsberechnung abgeschätzt, jedoch seltenst zutreffend berechnet werden.

Berechnung der Lebensdauer (schematisch)

DIA 4784d

.rechN

k' = 2k - m

m = 1 Stahl, Aluminium

m = 2 Guß-und Sinterwerkstoffe

Summenhäufigkeit(Kollektiv)

Wöhlerlinie

GaßnerlinieNeigung k

Schadenssumme des Kollektives:

Schwingspielzahl

n1

n2

n3

n4

H0

.Koll

n

1i i

i DNn =∑

=

1

2

3

4

N1

N2

N3

N4

max,aσ

N,N

Spa

nnun

gsam

plitu

de σ

a, σ

a

( log )

( log )

Nk

σk (Abknickpunkt)

k' = k

)1D(N/ND

DD

HN

th.rechexp..tat

th.Koll

0rech.

==

⋅=

Zur Berechung der Lebensdauer nach der Hypothese der linearen Schadensakkumulation nach

Palmgren (1924) – Miner (1944) ist einerseits die Kenntnis des Kollektives (Häufigkeitsverteilung

von Amplituden, alle für das gleiche Last-, Spannungs- oder Dehnungsverhältnis R = Xmin / Xmax)

und andererseits die Kenntnis der Wöhlerlinie (ebenso für den gleichen R-Wert wie die

Häufigkeitsverteilung) erforderlich.

Page 13: Betriebsfestigkeit_Eine Einfuehrung

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Bei der Original-Palmgren-Miner-Rechnung verläuft die Wöhlerlinie nach dem Abknickpunkt

waagerecht, d.h. Amplituden unterhalb des Abknickpunktes schädigen nicht. Aus diesem Grund

wird die Wöhlerlinie, je nach Modifikation der Palmgren-Miner-Regel, nach dem Abknickpunkt

mit einer veränderten Neigung fortgesetzt, z.B. mit k’=k (Palmgren-Miner-Elementar) oder mit

k’=2k-m (nach Haibach), um auch der Schädigung durch kleine Amplituden unter dem

Abknickpunkt Rechnung zu tragen. Die meist angewandten Modifikationen sind die vorstehend

genannten.

Nach der Summation der Teilschädigungen ni / Ni kann die Lebensdauer rechnN mit der

theoretischen Schadenssumme Dth=1,0 berechnet (abgeschätzt) werden. Für eine zutreffende

Abschätzung ist die Kenntnis der tatsächlichen Schadenssumme Dtat erforderlich, die in der Regel

kleiner als 1,0 ist. Für eine Vorbemessung sollte bei nicht bekanntem Dtat, sofern keine

Mittellastschwankungen vorliegen, anstatt der theoretischen Schadenssumme die zulässigen

Werte Dzul=0,5 für Schweißverbindungen bzw. 0,3 für den nicht geschweißten Zustand

angenommen werden. Damit wird die Original-Palmgren-Miner-Regel mit Dth=1,0 relativiert

(Relativ-Palmgren-Miner-Regel). Diese Werte gelten für Beanspruchungs-Zeit-Funktionen ohne

Mittellastschwankungen. Liegen im Betrieb Mittellastschwankungen vor, z.B. durch Änderung

von Betriebszuständen bzw. Manövern, wie z.B. Geradeausfahrt–Kurvenfahrt bei Fahrzeugen

oder Start-Flug-Landung bei Flugzeugen, so ist deren zusätzliche Schädigung zu berücksichtigen,

d.h. anstatt Dzul = 0,5 bzw. 0,3 sind für solche Fälle Dzul = 0,2 bzw. 0,1 zu empfehlen.

Die tatsächliche Schadenssumme lässt sich nur aus Experimenten bestimmen. Hierzu ist die

Kenntnis sowohl der Wöhler- als auch der Gaßnerlinie für ein gegebenes Kollektiv erforderlich.

Die tatsächliche Schadenssumme ist nichts anderes als Dtat=N exper / N rechn(Dth=1,0), das

Verhältnis zwischen der experimentell ermittelten Lebensdauer und der mit Dth=1,0

berechneten. Diese Berechnung wird nur durch Gegenüberstellung der Wöhler- und

Gaßnerlinien mit der Überlebenswahrscheinlichkeit von PÜ=50% vorgenommen.

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Verteilung tatsächlicher Schadenssummen für Versuchskörper aus Stahl und Aluminium

DIA 7666d

tatsächliche Schädigungssumme Dtat

Wahrscheinlichkeit P

� Al-Legierungen (351 Werte)TD = 11,6; D50% = 0,37

∆ Stähle (672 Werte)TD = 10,6; D50% = 0,27

Ref.: K.-G. Eulitzund K.L. Kotte

a. Nicht geschweißte Versuchskörper

0,1

0,5

1

2

5

10

20

30

40

50

60

70

80

90

95

98

99

99,5

99,9

0,01 0,1 1

%Modifikation der

Palmgren-Miner-Regel

nach Haibach

mit k‘ = 2k-1

Schweißverbindungen

Stahl (n = 18)

D50 %

= 0,45 ; TD = 4,0

Al - Leg. (n = 52)

D50 %

= 0,27 ; TD = 14,2

nach Eulitz / Kotte

tatsächliche Schadenssumme Dtat

Vertrauensw

ahrscheinlichkeit P

tatsächliche Schädigungssumme Dtat

Wahrscheinlichkeit P

b. Schweißverbindungen

Modifikation derPalmgren-Miner-Regel

nach Haibach

mit k‘ = 2k-1

%Modifikation derPalmgren-Miner-Regelnach Haibach

mit k‘ = 2k-1

Die tatsächlichen Schadenssummen können über drei Dekaden streuen. Etwa 90% der aus

Experimenten abgeleiteten Schadenssummen liegen unter dem theoretischen Wert Dth=1,0; d.h.

Berechnungen mit Dth=1,0 liefern in den meisten Fällen eine Überschätzung der Lebensdauer.

Aus diesem Grunde wird bei einer Vorbemessung zur Abschätzung der Lebensdauer für

Schweißverbindungen die zulässige Schadenssumme Dzul=0,5 und für nicht geschweißte Bauteile

Dzul=0,3 (FKM-Richtlinie) angenommen. Für Beanspruchungs-Zeit-Abläufe mit hohen

Mittelwertschwankungen sollte anstatt 0,5 der Wert 0,2 und anstatt 0,3 der Wert 0,1

verwendet werden. Eine hohe Mittellastschwankung ist dann als gegeben anzunehmen, wenn

der Schwingspielunterschied zwischen den Häufigkeitsverteilungen nach der Zählung von

Bereichspaaren und von Überschreitungshäufigkeiten im meist schädigenden Bereich größer als

1:3 ist.

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D:\Literatur\Skripte\Betriebsfestigkeit_Einführung (Sonsino)\Einführung 2005.doc 15

Parameter zur Ermittlung und Beschreibung einer Wöhlerlinie)

T

1(lg

56,2

1s

x

x =

DIA 5368d

akTσ

Abknickpunkt

σak (Nk = 2⋅ 106)

Kt

TN

Streumaße:

)T

1(lg

56,2

1s

xx =

( )%)90(N

%)10(N:1T aN =σ

k*k1

N )T(Ta

Parameter zur Ermittlung und Beschreibung einer Wöhlerlinie

Die Wöhlerlinie wird doppellogarithmisch als Belastungs- oder Beanspruchungsamplitude versus

Lebensdauer (häufig Schwingspielzahl) aufgetragen, wobei für die Lebensdauer ein

Versagenskriterium definiert werden muß, z.B. Bruch, technischer Anriss von definierter Tiefe

oder Oberflächenlänge oder ein Steifigkeitsabfall definierter Größe. Die maßgeblichen Parameter

zur Ermittlung der Wöhlerlinie sind der Werkstoff, die Formzahl Kt, das Belastungs- oder

Beanspruchungsverhältnis R = Xmin / Xmax (Information über den Mittelwert, zu der sich die

Amplitude überlagert), die Belastungsart (Axial, Biegung, Torsion) und die Umgebung

(Temperatur, Medien). Belastungen sind einwirkende Größen wie Kraft, Moment, Druck,

Beanspruchungen sind die am Bauteil entstehende Größen wie Dehnung, Spannung,

Verformung.

Die Parameter, mit denen eine Wöhlerlinie beschrieben wird, sind zunächst die Neigung k im

Bereich der Zeit- bzw. Kurzzeitschwingfestigkeit, der Abknickpunkt σak(Nk) und die Neigung k*

nach dem Abknickpunkt. Die Höhe und Lage des Abknickpunktes sowie Neigungen sind

abhängig von den o. g. Parametern. Zu diesen Parametern kommen die Streuungen der

Lebensdauer TN bzw. der Spannungs- (Last-, Dehnungs-)amplituden Tσa hinzu. Bei der Annahme

einer Gauß’schen Log-Normal-Verteilung von Ergebnissen lässt sich aus dem Streumaß Tx,

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D:\Literatur\Skripte\Betriebsfestigkeit_Einführung (Sonsino)\Einführung 2005.doc 16

definiert als der Bereich zwischen den Überlebenswahrscheinlichkeiten Pü=10 und 90%, die

Standardabweichung berechnen. Im Bereich der Zeit- bzw. Kurzzeitschwingfestigkeit sind die

Streumaße TN und Tσa über die Neigung k miteinander gekoppelt. Diese Streumaße werden bis

zum Abknickpunkt mit zunehmender Lebensdauer größer. Wegen des flachen Verlaufes der

Wöhlerlinie nach dem Abknickpunkt macht die Angabe einer Streuung der Lebensdauer N

allerdings keinen Sinn mehr. Deswegen wird für diesen Bereich N>Nk nur noch die Streuung der

Last-, Dehnungs- oder Spannungsamplitude angegeben. Sie wird nicht größer als die Streuung

im Übergangsbereich von der steilen zur flachen Neigung der Wöhlerlinie, d.h. das im Bereich

der Zeitfestigkeit kurz vor dem Abknickpunkt ermittelte Streumaß kann nach dem Abknickpunkt

als konstant angenommen werden. Diese Annahme ist sinnvoll, weil das Treppenstufen-

verfahren sowie seine Modifikationen, die zur Bestimmung ertragbarer Last-, Dehnungs- oder

Spannungsamplituden für eine festgesetzte Grenzschwingspielzahl nach dem Abknickpunkt

verwendet werden, nur einen zuverlässigen Mittelwert, aber kein zuverlässiges Streumaß liefern.

Die Streuungen sind werkstoff- und fertigungsabhängig. Ihre Kenntnis ist für eine Sicherheits-

betrachtung notwendig.

Die o. g. Parameter gelten sinngemäß auch für die Ermittlung und Beschreibung von

Gaßnerlinien, wobei bei Gaßnerlinien die Streuungen geringer als bei Wöhlerlinien sind.

Gaßnerlinien können je nach Kollektivform flacher verlaufen als Wöhlerlinien (k >k).

Erst im doppellogarithmischen Netz ergeben sich bei der Darstellung von Wöhler- bzw.

Gaßnerlinien, die geradlinigen Verläufe mit den Neigungen k, k* bzw. k . Auf der Belastungs-

bzw. Beanspruchungsachse werden in der Regel Amplituden aufgetragen; ob es noch einen

dazu überlagerten Mittelwert gibt, geht aus dem R-Wert hervor. Eine lineare Achseinteilung für

die Belastungs- oder Beanspruchungsamplituden kann nur bei gleichzeitiger Darstellung eines

Kollektives mit Wöhler- und Gaßnerlinien verwendet werden, weil es sich nur dann erkennen

lässt, ob z.B. ein Kollektiv Gauß- oder geradlinig verteilt ist.

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Ableitung einer BemessungswöhlerlinieDIA 4982d

Kt = 2,8

σk,ertragbar,50%

σk,zul. = 72

Ermittlung der zulässigen SpannungErmittlung der zulässigen Spannung 1 Rechnerische Ausfallwahrscheinlichkeit PA und bezogene Sicherheitspanne uo bei

logarithmischer Normalverteilung

PA 10-1 10-2 10-3 10-4 10-5 10-6 -uo 1.28 2.33 3.09 3.72 4.27 4.75

2 Bestimmung der statistisch begründeten Sicherheitszahl jσ ausgehend von Streuungen

lg jσ = -uo .

susss o2

B2

M2 ⋅−=++σ

sσ: Standardabweichung der ertragbaren Festigkeit um den Spannungsmittelwert

σPü = 50% mit sσ = 0.39

. lg (1/Tσ)

sM: Standardabweichung bei einer Streuung des Spannungsmittelwertes sB : Standardabweichung der Beanspruchung; falls maximale Beanspruchung

angenommen wird, folgt sB = 0

3 Zulässige Spannung für die geforderte rechnerische Ausfallwahrscheinlichkeit σzul = σPü = 50%

/jσ

DIA 5065d.doc

DIA 5065d.ppt

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Da eine Bauteilbemessung nicht gegen eine mittlere Wöhlerlinie mit der Überlebens-

wahrscheinlichkeit von Pü=50% vorgenommen werden kann, weil dies den vorzeitigen Ausfall

von 50% der Bauteile bedeuten würde, muss für die Auslegung eine Bemessungswöhlerlinie,

d.h. die zulässige Schwingfestigkeit, abgeleitet werden. Hierzu muss, je nach dem

Gefährdungspotenzial eines Bauteils, zunächst eine rechnerische (theoretische) Ausfall-

wahrscheinlichkeit PA definiert werden: bei lebenswichtigen Bauteilen, die niemals ausfallen

dürfen, wie Bremsen z.B. PA=10-6, bei Bauteilen, die häufig inspiziert und in einem abgesicherten

Bereich betrieben werden, z.B. ein Hochdruckbehälter in einem Bunker, PA=10-3.

Weiterhin müssen die Streuungen um einen gegebenen Mittelwert sσ, chargen- (fertigungs)-

bedingte Streuungen des Mittelwertes (Qualitätskontrolle!) sM und schließlich Streuungen der

Betriebsbelastung sB bekannt sein. Wenn die maximale Betriebsbelastung als bekannt

vorausgesetzt werden kann (Eintrittswahrscheinlichkeit PE=100%), dann wird sB=0.

Aus der festgelegten rechnerischen Ausfallwahrscheinlichkeit wird, unter Annahme einer

Gauß’schen Log-Normal-Verteilung, der bezogene Sicherheitsfaktor u0 und aus den verschie-

denen Standardabweichungen die gesamte Standardabweichung s und daraus der Sicherheits-

faktor jσ berechnet. Wenn die Streuungen schwingspielzahlabhängig sind, werden sich entlang

der Wöhler- oder Gaßnerlinie unterschiedlich große Sicherheitsfaktoren ergeben. Damit werden

dann die zulässigen Spannungen bzw. die Bemessungswöhler- oder Bemessungsgaßnerlinie für

eine geforderte rechnerische Ausfallwahrscheinlichkeit PA punktweise aus den Pü=50%-Linien

abgeleitet.

Die Betonung auf rechnerisch ist dadurch begründet, dass der tatsächliche Verlauf einer

Verteilung außerhalb des Bereiches Pü ≈ 5 bis 95% nicht bekannt ist. Trotzdem ist der Ansatz

von rechnerischer Ausfallwahrscheinlichkeit berechtigt, wenn seine Festlegung sich auf

nachweisbare Erfahrungen bezüglich eines ausfallfreien Betriebs der Komponenten stützt.

Zur Ableitung von Sicherheitsfaktoren können auch andere Verteilungsformen als Gauß, z.B.

Weibull, verwendet werden. Auch hierfür müssen entsprechende Betriebserfahrungen vorliegen.

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Bemessungskonzepte der BetriebsfestigkeitDIA 6737d

StrukturspannungskonzeptNennspannungskonzept Örtliches(Kerbgrund-)Konzept

Nenndehnungskonzept Strukturdehnungskonzept Dehnung Spannung

Bruchmechanikkonzept

Spannungsintensität Rissfortschritt

Für die betriebsfeste Bemessung von Bauteilen werden folgende Konzepte angewendet:

- Das Nennspannungskonzept setzt die Definition sowohl einer Nennspannung als

auch die Zuordnung einer Formzahl bzw. bei Schweißverbindungen einer Kerbfall-

klasse (Kerbdetail) voraus. Nach der Definition dieser beiden Größen muss eine

Bemessungswöhlerlinie im Nennspannungssystem für die gleiche Kerbzahl bzw.

Kerbfallklasse des zu bewertenden Bauteils herangezogen werden.

Dieses Konzept, das auch mit Nenndehnungen arbeiten kann, stößt bei komplexen

Geometrien , für die weder eine Nennbeanspruchung noch eine Kerbzahl definiert

werden kann, an seine Anwendungsgrenzen.

- Das Strukturspannungskonzept wurde für Schweißverbindungen entwickelt. Das

Konzept, das auch Dehnungen zugrunde legen kann, extrapoliert die Spannungs-

bzw. Dehnungsverteilung außerhalb der Schweißnaht auf die Nahtübergangskerbe

nach festgelegten Kriterien und definiert eine Hot-Spot-Spannung. Diese Spannung

wird dann zur Bewertung einer Strukturspannungswöhlerlinie zugeordnet.

Der Vorteil dieses Konzeptes liegt darin, dass bei komplexer Geometrie die Definition

einer Nennspannung entfällt. Im Vergleich zum Nennspannungskonzept werden sehr

wenige Detail- (Kerbfall)klassen angegeben. Der Nachteil liegt darin, dass von außen

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nicht zugängige kritische Bereiche, wie z.B. Wurzelkerben, mit diesem Konzept nicht

mehr beurteilt werden können.

- Das Örtliche (Kerbgrund) Konzept kann sowohl mit Spannungen als auch mit

Dehnungen arbeiten. Hierzu müssen die lastbedingten Kerbspannungen- bzw. -

dehnungen ermittelt werden und für deren Bewertung die örtlich ertragbaren

Beanspruchungen (Beanspruchbarkeit), d.h. Wöhlerlinien im örtlichen System,

vorliegen. Der Vorteil dieses auch für Schweißverbindungen anwendbaren Konzeptes

liegt darin, dass die für das Versagen verantwortlichen lokalen

Beanspruchungsgrößen auch für schwierigste Geometrien berechnet werden

können. Der Nachteil liegt allerdings in der größeren Parametervielfalt als bei den

vorstehend genannten Konzepten zur Festlegung der örtlichen Bemessungs-

wöhlerlinien.

- Das Bruchmechanikkonzept geht von der Vorstellung aus, dass in kritischen

Bereichen eines geschweißten oder nicht geschweißten Bauteils rissartige Fehler oder

Geometrien vorliegen, von denen aus ein Riss eingeleitet werden bzw. fortschreiten

kann. Die Risseinleitung kann durch die Definition einer Spannungsintensität, der

Rissfortschritt durch zusätzliche Werkstoffgesetze linear-elastisch oder elasto-

plastisch behandelt werden. Der Vorteil dieses ebenfalls lokalen Konzeptes liegt

darin, dass die gleichen Beanspruchungsgrößen des Strukturspannungs- (Dehnungs-)

oder Kerbgrundkonzeptes zugrunde gelegt werden können. Der Nachteil ist

einerseits durch die Schwierigkeiten in der Ableitung von Spannungsintensitäts-

faktoren gegeben, die maßgeblich von der Rissgeometrie und Belastungsart

abhängen, und andererseits in der Modellierung der sehr komplexen Risseinleitungs-

und Rissfortschrittsvorgänge.

Diese Konzepte werden in den verschiedenen Sparten der Technik, manchmal gleichzeitig,

angewendet.

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Ausgewählte Literatur über Schwingfestigkeit und Betriebsfestigkeit

1 Buxbaum, O.:Betriebsfestigkeit – Sichere und wirtschaftliche Bemessung schwingbruchgefährdeter Bauteileund KonstruktionenVerlag Stahleisen, Düsseldorf (1992)

2 Haibach, E.:Betriebsfestigkeit – Verfahren und Daten zur BauteilberechnungVDI-Verlag, Düsseldorf (2002)

3 Radaj, D.:Ermüdungsfestigkeit: Grundlagen für Leichtbau, Maschinen- und StahlbauSpringer Verlag, Berlin (1995)

4 Zammer, W.V.:BetriebsfestigkeitsrechnungVieweg Verlag, Wiesbaden (1985)

5 Hertel, H.:Ermüdungsfestigkeit der KonstruktionSpringer Verlag, Berlin (1969)

6 Manson, S.S.:Thermal Stress and Low-Cycle FatigueRobert E. Krieger, Publ. Comp., Malabar/Florida (1981)

7 Seeger, T.:Grundlagen für BetriebsfestigkeitsnachweiseStahlbau Handbuch, Bd. 1, Teil B, S. 5-123Stahlbau-Verlagsgesellschaft, Köln (1996)

8 Radaj, D.; Sonsino, C.M.Fatigue Assessment of Welded Joints by Local ApproachesAbington Publishing, Cambridge (1998)

9 Radaj, D.; Sonsino, C.M.:Ermüdungsfestigkeit von Schweißverbindungen nach lokalen KonzeptenDVS Verlag, Düsseldorf (2000)

10 Hobbacher, A.:Fatigue Design of Welded Joints and ComponentsIIW-Doc. XIII-1539-96 / XV-845-96, Cambridge,Abington (1996)

11 FKM-RichtlinieRechnerischer Festigkeitsnachweis für MaschinenbauteileFKM-Forschungsheft Nr. 183 (2002), Frankfurt/M, 4. erweiterte Ausgabe

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