4
Berg- und Hüttenmännische Monatshefte Originalarbeit BHM (2012) Vol. 157(3): 132 – 135 DOI 10.1007/ s00501-012-0064-1 Printed in Austria © Springer-Verlag 2012 Bei der Entschwefelung von Rohstahl Zusammenfassung: im LD-Konverter wird der Schwefel als (S) 2- -Anion in die flüssige LD-Schlacke eingebunden. Bei der Erstarrung der LD-Schlacke und Bildung der Hauptphasen Wüstit-, Di- und Tricalciumsilicat- sowie Dicalciumferritmischkristalle hat das S 2- -Anion wegen des großen Ionenradiuses in deren Mischkristallen keinen Gitterplatz und bildet eigene schwe- felhaltige Phasen.Im Labor wurden künstliche schwefelhal- tige Schlackenkomponenten erschmolzen und deren mine- ralogische Struktur mit einem Kappa-Diffraktometer be- stimmt. Mit dieser kristallchemischen Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass der Schwefel in 4CaS.3FeO. Fe 2 O 3 -Kristallen stabil eingebunden ist. Bei der Bildung der 4CaS.3FeO.Fe 2 O 3 -Kristalle übt der Calciumferrit durch die Ähnlichkeit seiner Kristallstruktur mit der des 4CaS.3FeO. Fe 2 O 3 -Kristalles eine entscheidende Rolle aus. Assessment of Sulphur Bonding in the Crystal Structure of an LD Slag Component Melted in the Laboratory During the desulphurization of crude steel in the Abstract: LD converter, the sulphur is bonded in the liquid LD slag as (S) 2- anion. As the LD slag solidifies and the main phases – i. e. mixed crystals of wüstite, dicalcium silicate and trical- cium silicate as well as dicalcium ferrite – are formed, the S 2- anion is squeezed out of the mixed crystal lattice due to its large ion radius, and consequently goes to form its own sulphur-containing phases.In a laboratory setting, artificial sulphurous slag components were produced and their min- eralogical structure determined with a kappa diffractome- ter. This chemical analysis helped to prove the stable bond- ing of sulphur in 4CaS.3FeO.Fe 2 O 3 crystals. In the formation of the 4CaS.3FeO.Fe 2 O 3 crystals, the calcium ferrite plays a decisive role, due to the similarity of its crystal structure with that of the 4CaS.3FeO.Fe 2 O 3 crystal. 1. Einleitung Die Ionentheorie der flüssigen Stahlwerksschlacken geht davon aus, dass LD-Schlacken bei 1600 °C vollständig in Io- nen bzw. in Anionenkomplexe dissoziiert sind 1-5 . Sie beste- hen aus kleinen leichtbeweglichen Kationen 1, 6 wie Ca 2+ , Fe 2+ , Fe 3+ , Mn 2+ , Mg 2+ und aus großen nichtmetallischen An- ionen wie O 2- und S 2- . Des Weiteren sind in den LD-Schla- cken eine Vielzahl von Anionenkomplexen wie SiO 4 4- , PO 4 3- , AlO 4 5- ,TiO 4 4- , VO 4 3- , FeO 4 5- und FeO 6 10- vorhanden 1-15 . Die Bil- dung der Anionenkomplexe beruht darauf, dass die mehr- fach geladenen Kationen wie Si 4+ , P 5+ oder Al 3+ die großen Sauerstoffanionen wesentlich fester in einemTetraeder ein- binden können. Aus den in den LD-Schlacken bei 1600 °C ablaufenden Dissoziationsreaktionen einzelner Oxidverbindungen wer- den nach den Gleichungen 1 bis 3 (FeO) (Fe) 2+ + (O) 2- (1) (MnO) (Mn) 2+ + (O) 2- (2) (CaO) (Ca) 2+ + (O) 2- (3) Sauerstoffanionen freigesetzt 1-5 . Dagegen verbrauchen die Anionenkomplexbildungsreaktionen nach den Glei- chungen 4 bis 10 (Si) 4+ + 4(O) 2- (SiO 4 ) 4- (4) (P) 5+ + 4(O) 2- (PO 4 ) 3- (5) (Al) 3+ + 4(O) 2- (AlO 4 ) 5- (6) Korrespondenzautor: Univ.-Prof. Hon.-Prof. Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr.mont. Hubert Preßlinger, Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Metallurgie, Franz-Josef-Straße 18, 8700 Leoben, Österreich. E-Mail: [email protected] Beurteilung der Schwefeleinbindung in der Kristallstruktur von einer im Labor erschmolzenen LD-Schlacken- komponente Hubert Preßlinger* und Kurt Otto Klepp** * Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Metallurgie, Leoben, Österreich ** Johannes Kepler Universität Linz, Institut für Anorganische Chemie, Linz, Österreich Eingegangen am 19. Jänner 2012; angenommen am 12. Februar 2012 Preßlinger, Klepp BHM, 157. Jg. (2012), Heft 3 132 © Springer-Verlag

Beurteilung der Schwefeleinbindung in der Kristallstruktur von einer im Labor erschmolzenen LD-Schlackenkomponente

Embed Size (px)

Citation preview

Berg- und Hüttenmännische Monatshefte

Originalarbeit

BHM (2012) Vol. 157(3): 132 – 135DOI 10.1007/ s00501-012-0064-1Printed in Austria© Springer-Verlag 2012

Bei der Entschwefelung von Rohstahl Zusammenfassung: im LD-Konverter wird der Schwefel als (S)2- -Anion in die flüssige LD-Schlacke eingebunden. Bei der Erstarrung der LD-Schlacke und Bildung der Hauptphasen Wüstit-, Di- und Tricalciumsilicat- sowie Dicalciumferritmischkristalle hat das S2--Anion wegen des großen Ionenradiuses in deren Mischkristallen keinen Gitterplatz und bildet eigene schwe-felhaltige Phasen.Im Labor wurden künstliche schwefelhal-tige Schlackenkomponenten erschmolzen und deren mine-ralogische Struktur mit einem Kappa-Diffraktometer be-stimmt. Mit dieser kristallchemischen Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass der Schwefel in 4CaS.3FeO.Fe2O3-Kristallen stabil eingebunden ist. Bei der Bildung der 4CaS.3FeO.Fe2O3-Kristalle übt der Calciumferrit durch die Ähnlichkeit seiner Kristallstruktur mit der des 4CaS.3FeO.Fe2O3-Kristalles eine entscheidende Rolle aus.

Assessment of Sulphur Bonding in the Crystal Structure of an LD Slag Component Melted in the Laboratory

During the desulphurization of crude steel in the Abstract: LD converter, the sulphur is bonded in the liquid LD slag as (S)2- anion. As the LD slag solidifies and the main phases – i. e. mixed crystals of wüstite, dicalcium silicate and trical-cium silicate as well as dicalcium ferrite – are formed, the S2-anion is squeezed out of the mixed crystal lattice due to its large ion radius, and consequently goes to form its own sulphur-containing phases.In a laboratory setting, artificial sulphurous slag components were produced and their min-eralogical structure determined with a kappa diffractome-ter. This chemical analysis helped to prove the stable bond-ing of sulphur in 4CaS.3FeO.Fe2O3 crystals. In the formation

of the 4CaS.3FeO.Fe2O3 crystals, the calcium ferrite plays a decisive role, due to the similarity of its crystal structure with that of the 4CaS.3FeO.Fe2O3 crystal.

1. Einleitung

Die Ionentheorie der flüssigen Stahlwerksschlacken geht davon aus, dass LD-Schlacken bei 1600 °C vollständig in Io-nen bzw. in Anionenkomplexe dissoziiert sind1-5. Sie beste-hen aus kleinen leichtbeweglichen Kationen1, 6 wie Ca2+, Fe2+, Fe3+, Mn2+, Mg2+ und aus großen nichtmetallischen An-ionen wie O2- und S2- . Des Weiteren sind in den LD-Schla-cken eine Vielzahl von Anionenkomplexen wie SiO4

4-, PO43-,

AlO45-, TiO4

4-, VO43-, FeO4

5- und FeO610- vorhanden1-15. Die Bil-

dung der Anionenkomplexe beruht darauf, dass die mehr-fach geladenen Kationen wie Si4+, P5+ oder Al3+ die großen Sauerstoffanionen wesentlich fester in einem Tetraeder ein-binden können.

Aus den in den LD-Schlacken bei 1600 °C ablaufenden Dissoziationsreaktionen einzelner Oxidverbindungen wer-den nach den Gleichungen 1 bis 3

(FeO) ↔ (Fe)2+ + (O)2- (1)

(MnO) ↔ (Mn)2+ + (O)2- (2)

(CaO) ↔ (Ca)2+ + (O)2- (3)

Sauerstoffanionen freigesetzt1-5. Dagegen verbrauchen die Anionenkomplexbildungsreaktionen nach den Glei-chungen 4 bis 10

(Si)4+ + 4(O)2- ↔ (SiO4)4- (4)

(P)5+ + 4(O)2- ↔ (PO4)3- (5)

(Al)3+ + 4(O)2- ↔ (AlO4)5- (6)

Korrespondenzautor: Univ.-Prof. Hon.-Prof. Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr.mont. Hubert Preßlinger, Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Metallurgie, Franz-Josef-Straße 18, 8700 Leoben, Österreich. E-Mail: [email protected]

Beurteilung der Schwefeleinbindung in der Kristallstruktur von einer im Labor erschmolzenen LD-Schlacken-komponente

Hubert Preßlinger* und Kurt Otto Klepp**

* Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Metallurgie, Leoben, Österreich** Johannes Kepler Universität Linz, Institut für Anorganische Chemie, Linz, Österreich

Eingegangen am 19. Jänner 2012; angenommen am 12. Februar 2012

Preßlinger, Klepp BHM, 157. Jg. (2012), Heft 3132 © Springer-Verlag

Originalarbeit

(Ti)4+ + 4(O)2- ↔ (TiO4)4- (7)

(V)5+ + 4(O)2- ↔ (VO4)3- (8)

(Fe)3+ + 4(O)2- ↔ (FeO4)5- (9)

(Fe)2+ + 6(O)2- ↔ (FeO6)10- (10)

Sauerstoffanionen. Daraus folgt für die Anwendung der Ionentheorie auf die Entschwefelung von flüssigem Rohei-sen bzw. Rohstahl im LD-Konverter mit LD-Schlacken nach Gleichung 11,

[S] + (O)2- ↔ (S)2- + [O] (11)

dass Oxide, die durch eine Dissoziationsreaktion die Sauerstoffanionenkonzentration in den LD-Schlacken erhö-hen wie FeO, MnO, CaO, MgO, die Entschwefelung fördern, dagegen mehrfach geladenen Kationen wie Si4+, P5+ oder Al3+, die die Anionenkomplexbildung anstreben und dabei Sauerstoffanionen verbrauchen, die Entschwefelung vom flüssigem Rohstahl mit LD-Schlacken behindern1–5, 16–18.

Damit die chemische Reaktion nach Gleichung 11 bevor-zugt nach rechts und die Entschwefelung mit LD-Schlacken erfolgreich abläuft, ist der Transport der Reaktionspartner zum Reaktionsort und der Abtransport der (S)2--Anionen vom Reaktionsort in die LD-Schlacke hauptverantwort-lich16–18. Im Weiteren ist es notwendig die Aktivität des (S)2-

-Anions in der flüssigen LD-Schlacke durch Nahordnungs-bildungen zu senken. Schlackenkundliche Ergebnisse über die Schwefeleinbindung in LD-Schlacken ergaben unter Zu-hilfenahme der Ionentheorie der Schlacken folgende Er-kenntnisse7-15: Vor der Erstarrung ist der Schwefel als S2- -Anion sowohl in der Schlackenkomponente des Dicalci-umsilicats als auch in der des Dicalciumferrits als Substitut für das O2--Anion bei der Nahordnungsbildung vernetzt (d. h. an einer freien Tetraederecke) mit eingebaut. Bei der Erstarrung der LD-Schlacke (Fernordnungsbildung) und der damit verbundenen Mischkristallbildung von Dicalciumsili-kat bzw. Calciumferrit ist wegen des größeren Ionenradiu-ses des S2--Anions im Vergleich zu dem O2--Anion für die Schwefelanionen in den Mischkristallgittern kein Platz, so dass sich an den Korngrenzen/Subkorngrenzen eigene schwefelreiche Mischkristalle bilden15 (Abb. 1 und 2). In den Wüstitbereichen bilden sich überwiegend FeS-Teil-

chen, im Gebiet der Di- und Tricalciumsilicate (2CaO.SiO2 und 3CaO.SiO2) treten CaS-Teilchen auf, aus dem Dicalci-umferrit (2CaO.Fe2O3) scheiden sich Oxisulfide 2CaS.Fe2O3 aus15 (Abb. 2). Die Flächenanteile der beschriebenen Sul-fide verteilen sich in den Sulfiden der Schlackenprobe H (Abb. 2 und Tabelle 1) auf 22 Flächen-% FeS, 13 Flächen-% CaS und 65 Flächen-% 2CaS.Fe2O3. Daraus abgeleitet scheint der Dicalciumferrit bei der Schwefelabbindung in der flüssigen LD-Schlacke eine wichtige Funktion als Wirts-gitter zu erfüllen15,19. Ziel dieser Untersuchung ist es die Kristallstruktur der schwefelhaltigen Phase, die sich aus der Dicalciumferritphase ausscheidet mit Hilfe von Laborpro-ben nachzuvollziehen.

2. Probenherstellung und Messmethode

Im quaternären System Fe – O – Ca – S wurden die pseudo-binären Schnitte CaS – Fe2O3, CaS – FeO, CaS – Fe3O4 unter-

TABELLE 1:

Mikroanalyse der Komponenten in der untersuchten LD-Schlacke H15 in Abb. 2; chemische Zusammensetzung in Masse-% und Flächenanteil in Flächen-%

Element

PhaseMg Si Fe Mn Ca P Al S O Flächen-

Anteil

Wüstit 10,8 0,3 42,9 13,1 4,1 0,1 0,6 0,05 27,4 30,55

C2S/C3S 0,2 13,5 2,2 0,5 44,0 1,6 0,5 0,07 37,2 42,02

C2F 0,6 2,2 26,4 2,5 29,8 0,3 4,5 0,09 32,8 25,60

Wüstit-S 2,3 0,5 45,1 10,9 8,9 0,1 3,2 9,00 19,9 0,10

C2S-S 0,1 5,7 10,8 1,9 32,0 0,4 7,0 5,54 36,4 0,06

C2F-S 0,1 1,8 26,2 5,1 24,6 0,2 5,9 9,19 26,9 0,29

C2S/C3S – Dicalcium-/Tricalciumsilcat; C2F – Dicalciumferrit; Wüstit-S – Sulfide aus dem Wüstit; C2S-S – Sulfide aus dem Dicalciumsilicat; C2F-S – Sulfide aus dem Dicalciumferrit

Abb. 1: Rückstreuelektronenbild der mikroanalytisch beurteilten LD-Schlackenprobe H15

Preßlinger, KleppBHM, 157. Jg. (2012), Heft 3 133© Springer-Verlag

Originalarbeit

sucht, wobei das CaS:FexO Verhältnis mit 3:1, 3:2, 1:1, 2:3 und 1:3 variiert wurde. Ausgangsmaterialien waren CaCO3, Fe-Pulver (99.9 Masse-%), Fe2O3 (99 Masse-%) und H2S (Linde). Die Randverbindungen FeO und Fe3O4 wurden über Festkörperreaktionen hergestellt. Die Darstellung von CaS erfolgte in zwei Schritten. Im ersten Schritt wurde CaCO3 durch Erhitzen im Rohrofen bei 1000 °C zu CaO ge-brannt, welches im H2S Strom (24 h, 800 °C) in CaS überge-führt wurde.

Zur Vorbereitung der quaternären Proben wurden die bi-nären Komponenten in der erwünschten Zusammenset-zung eingewogen (~1,2 g), in Quarzglasampullen einge-führt, welche unter einem Vakuum von 10-3 mbar abge-schmolzen wurden. Die Proben wurden im Muffelöfen lang-sam auf 900 °C erhitzt und eine Woche bei dieser Temperatur getempert, anschließend frei abgekühlt.

Metrik und Intensitätsmessungen erfolgten in einem Kappa-Diffraktometer (Nonius CAD4) mit graphitmonochro-matisierter Mo Kα-Strahlung (50 kV, 32 mA). Erste Untersu-chungen am Diffraktometer ergaben eine C-zentrierte orthor-hombische Symmetrie. Die Intensitätsdatensammlung er-folgte bis zu 2θ = 56° über ω-2θ Scans (Scanbreite 1,10° + 0,35°tanθ, maximale Messzeit pro Reflexe 80 s). Genaue Git-terkonstanten wurden durch Verfeinerung aus Winkellagen von 25 Reflexen im Bereich 40,8° < 2 θ < 52,8° ermittelt.

3. Ergebnis der kristallchemischen Untersuchung

Die mikroskopische Untersuchung der Schlackenproben er-gab die Bildung einer neuen Kristallart, die in der Probe mit

der nominell äquimolaren Zusammensetzung CaS:FeO be-sonders gut ausgeprägt war. Die Kristalle zeigten einen plättchenförmigen Habitus und einen dunklen Metallglanz. Zur Bestimmung der Kristallstruktur wurde ein Einkristall mit den Abmessungen 0.125 × 0.125 × 0.03 mm3 ausge-sucht und auf einer dünnwandigen Glaskapillare befestigt.

Die Bestimmung der Kristallstruktur mit dem Kappa-Dif-fraktometer ergab das Mineral 4CaS.3FeO.Fe2O3. Das

Abb. 2: Sulfidverteilungsbild der mikroanalytisch beurteilten LD-Schlackenprobe H

Abb. 3: Elementarzelle der Kristallstruktur des 4CaS.3FeO.Fe2O3 (Klinographische Projektion); gelb – Schwefelionen, rot – Eisenionen, hellblau – Sauerstoffionen, dunkelblau – Calciumionen

Abb. 4: Schema der Schichten der Oktaeder und Tetraeder in der Elementarzelle der Kristallstruktur des 4CaS.3FeO.Fe2O3

Preßlinger, Klepp BHM, 157. Jg. (2012), Heft 3134 © Springer-Verlag

Originalarbeit

4CaS.3FeO.Fe2O3 ist durch ein unendlich dreidimensionales anionisches Netzwerk gekennzeichnet, welches von Cal-cium-, Eisen-, Sauerstoff- und Schwefelatomen gebildet wird (Abb. 3 und 4).

Die Ca2+-Kationen besetzen große interstitiäre Lücken, die innerhalb dieses Netzwerkes gebildet werden. In der Kristallstruktur des 4CaS.3FeO.Fe2O3 lassen sich zwei un-terschiedliche Gruppen von Eisenionen ausmachen, die al-ternierend in unterschiedlichen parallel zur (100)-Ebene verlaufenden Lagen angeordnet sind. In der ersten Gruppe werden die Eisenionen oktaedrisch von vier O- und zwei S-Anionen koordiniert, in der anderen jedoch oktaedrisch von zwei O- und vier S-Anionen. Bindungsstärke/Bindungsab-stands-Berechnungen legen nahe, dass die Eisenionen der ersten Gruppen in der Oxidationsstufe Fe3+, jene der zwei-ten jedoch in einer von Fe2+ vorliegen. Die chemische Glei-chung für die den Schwefel in das Kristallgitter einbindende Phase lautet daher:

(4Ca2+ + 3Fe2+ + 2Fe3+ + 6O2- + 4S2-) ↔ (4CaS.3FeO.Fe2O3). (12)

4. Diskussion und Zusammenfassung

Die Verbindung 4CaS.3FeO.Fe2O3 ist das erste Calcium-Ei-sen-Oxisulfid, dessen Struktur röntgenographisch über Einkristalldiffraktometrie aufgeklärt wurde. Ein Vergleich des berechneten Pulverdiagramms von 4CaS.3FeO.Fe2O3 mit den von Schürmann und Fischer20 angegebenen Beu-gungsdiagrammen zeigt eine überraschende Ähnlichkeit mit der von ihnen angenommenen Zusammensetzung 3CaS.2Fe2O3. Dieser Formel liegt die Annahme zugrunde, dass alles Eisen in der Verbindung als Fe3+ vorliegt. Der hohe Grad der Übereinstimmung zwischen den Pulverdia-grammen des hier vorliegenden 4CaS.3FeO.Fe2O3 und je-ner Phase legt zusammen mit dem eng verwandten stö-chiometrischen Ca:Fe:S Verhältnis (Ca3Fe4S3O6 = Ca4Fe5,33S4O8) der beiden Formeln die Annahme nahe, dass die von Schürmann und Fischer20 beschriebene Phase mit der hier strukturell gesicherten Verbindung 4CaS.3FeO.Fe2O3, identisch ist.

Mit diesen Strukturuntersuchungen konnte nachgewie-sen werden, dass durch die Ähnlichkeit in den Schichten der Oktaeder und Tetraeder der beiden Kristallstrukturen von 2CaO.Fe2O3 und 4CaS.3FeO.Fe2O3 der Dicalciumferrit eine

wesentliche Rolle bei der Entschwefelung im Konverter bzw. bei der Einbindung von Schwefel in die Konverterschlacke während der Nahordungsbildung spielt. Mikroanalytische Ergebnisse über die Schwefeleinbindung in die Konverter-schlacken durch den Dicalciumferrit, wie sie mehrfach in der Literatur7–13,19 als Hypothesen beschrieben wurden, sind durch diese Strukturuntersuchung als These gefestigt.

Literaturverzeichnis1 Struktur flüssiger Schlacken, Schlackenatlas, Verlag Stahleisen,

Düsseldorf 1981, S. 1–9.2 Mills, K.C.: Structure of liquid slags, Slag Atlas, Verlag Stahleisen

GmbH, Düsseldorf 1995, pp. 1–8.3 Gammal, El T.: Eigenschaften der flüssigen Schlackenphase, Schla-

cken in der Metallurgie, Hg: Koch, K.; Janke, D., Verlag Stahleisen GmbH, Düsseldorf 1984, S. 5–16.

4 Mills, K. C.: ISIJ International 33 (1993), No. 1; pp. 148–155.5 Frohberg, M. G.: Arch. Eisenhüttenwes. 32 (1961), Heft 9, S. 597–

606.6 Huheey, J. E.: Anorganische Chemie – Prinzipien von Struktur und

Reaktivität, Verlag Walter de Gruyter, Berlin-New York 1988, S. 78–81.

7 Preßlinger, H.; Fluch,J.; Apfolterer, R.: BHM 156 (2011), Heft 11; S. 281–286.

8 Preßlinger, H.; Mayr, M.; Antlinger, K.; Hiebler, H.: Radex -Rundschau (1989), Heft 1, S. 12–25.

9 Preßlinger, H.; Antlinger, K.; Poferl, G.; Maxl, E.: Proceedings 1St Eu-rop. Oxyg. Steelmak. Congr. EOSC‘93, Düsseldorf/Neuss, (June 21–23, 1993), pp. 198–204.

10 Preßlinger, H.: Habilitationsschrift, Montanuniversität, Leoben 1993.

11 Preßlinger, H.; Mayr, M.; Apfolterer, R.: steel research 70 (1999), No. 6, pp. 209–214.

12 Preßlinger, H.; Antlinger, K.; Klepp, K. O.; Hiebler, H.: steel research 68 (1997), No. 12, pp. 520–527.

13 Preßlinger, H.; Antlinger, K.; Poferl, G.; Mayr, M.; Maxl, E.: Radex-Rundschau (1992), No. 1, S. 14–30.

14 Preßlinger, H.: BHM 145 (2000), Heft 1, S. 6–13.15 Preßlinger, H.; Fluch, J.: BHM 156 (2012), demnächst.16 Fix, W.; Trömel, G.; Müller-Stock, H.-W.: Arch. Eisenhüttenwes. 41

(1970), Heft 10, S. 939–945.17 Krieger, W.: Entschwefelung, Gmelin-Durrer – Metallurgie des Ei-

sens, Hg: Trenkler, H.; Krieger. W., Springer-Verlag Berlin-Heidel-berg-New York 1978, Band 5, S. 211a – 229a; S. 144b – 153b.

18 Oeters, F.: Metallurgie der Stahlherstellung, Verlag Stahleisen Düs-seldorf, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York-London-Paris-Tokyo-Hong Kong 1989, S. 10–15.

19 Bürgler,Th.: Diplomarbeit, Montanuniversität, Leoben 1991.20 Schürmann, E.; Fischer, H.: steel research 58 (1987), No. 12, pp. 531–

537.

Preßlinger, KleppBHM, 157. Jg. (2012), Heft 3 135© Springer-Verlag