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Bibliotheken strategisch steuern Projekte, Konzepte, Perspektiven Herausgegeben von Andreas Mittrowann, Meinhard Motzko und Petra Hauke Mit einem Geleitwort von Gudrun Heute-Bluhm Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach Präsidentin des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. – dbv BOCK + HERCHEN Verlag Bad Honnef 2011

Bibliotheken strategisch steuern - 404 · Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken ANDREAS MITTROWANN ... Spätestens dann gilt es für Bibliotheken,

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Page 1: Bibliotheken strategisch steuern - 404 · Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken ANDREAS MITTROWANN ... Spätestens dann gilt es für Bibliotheken,

Bibliotheken strategisch steuern Projekte, Konzepte, Perspektiven

Herausgegeben von

Andreas Mittrowann, Meinhard Motzko und Petra Hauke

Mit einem Geleitwort von Gudrun Heute-Bluhm

Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach Präsidentin des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. – dbv

BOCK + HERCHEN Verlag Bad Honnef

2011

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Anmerkung: Entsprechend der europäischen Grammatiktradition ist in dieser Veröffent-lichung die Verwendung eines grammatischen Geschlechts (Genus) grund-sätzlich nicht mit dem biologischen Geschlecht (Sexus) gleichzusetzen. So schließt z. B. das generische Masculinum „Nutzer“ sowohl männliche als auch weibliche Personen ein. Aus stilistischen und ästhetischen Gründen wurde i. d. R. – nach Rücksprache mit den Autoren – auf eine konsequente Doppel-nennung (Nutzer und Nutzerinnen bzw. NutzerInnen, Nutzer/innen) verzichtet.

Die zitierten Internetquellen wurden zuletzt am 08.07.2011 aufgerufen.

Diese Veröffentlichung unterliegt einer Creative Commons Licence:

Die Beiträge sind frei zugänglich im Internet:

ISBN 9978-3-88347-281-2

BOCK + HERCHEN Verlag, Bad HonnefPrinted in Germany

.

http://bibliothekskonzepte.ekz.de

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Inhalt

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................ 3

Grußwort – Wenn ich was zu sagen hätte ... GUDRUN HEUTE-BLUHM .................................................................................. 7

Einleitung – Oder: Wir haben doch das Internet!? PETRA HAUKE ............................................................................................... 11

Strategische Bibliotheksarbeit – wozu? Anmerkungen einer Kommunalpolitikerin JOHANNA RUMSCHÖTTEL ............................................................................... 15

Bibliothekskonzepte in Dänemark – Ein vorsichtiger Blick von/nach außen NIS-EDWIN LIST-PETERSEN ............................................................................ 21

Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken ANDREAS MITTROWANN ................................................................................ 27

Inhalte einer Bibliothekskonzeption MEINHARD MOTZKO ...................................................................................... 37

Konzeptionelle Bibliotheksentwicklung als Kerngeschäft einer Landesfachstelle – Das Beispiel der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen in Bayern UTE PALMER-HORN........................................................................................ 51

Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeption“

Bayern: Stadtbücherei Traunstein Schwerpunkt: Mit Zielvorgaben und Konzepten überzeugen ANETTE HAGENAU, URSULA LAY ............................................................. 61

Hessen: Stadtbibliothek Dietzenbach Schwerpunkt: Interkulturelle Bibliotheksarbeit BETTINA KUSE .......................................................................................... 71

Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten Schwerpunkt: Zielvereinbarungen STEPHAN SCHWERING, GEORG MOENIKES ............................................... 85

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4 Inhalt

Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Euskirchen Schwerpunkt: Synergieeffekte durch Zusammenarbeit auf Kreisebene BRUNHILDE WEBER, UWE FRIEDL ............................................................ 93

Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens Schwerpunkt: Die Bibliothek als Aushängeschild der Stadt ULRIKE WEIL .......................................................................................... 101

Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Neustadt/Weinstraße Schwerpunkt: Konsequent Kinder und Jugendlich im Fokus ULRIKE SCHWARTZ, MARC WEIGEL ....................................................... 109

Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena Schwerpunkt: Feste Verankerung in der Kultur- und Bildungslandschaft ANNETTE KASPER ................................................................................... 113

Sachsen: Stadtbibliothek Pirna Schwerpunkt: Die Bibliothek als Wirtschaftsunternehmen GABY LANGMANN .................................................................................. 123

Schleswig-Holstein: Stadtbücherei Kappeln Schwerpunkt: Ein Träger – drei Finanzierer: Ein Büchereiprofil als Leitschnur und Imagevermittler SABINE HAASE-HENKEL ......................................................................... 131

Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft

Konzepte auch für Öffentliche Bibliotheken kirchlicher Träger! Fachstelle Kirchliches Büchereiwesen im Erzbistum Freiburg LOTHAR GANTER .................................................................................... 137

Übergreifendes Entwicklungskonzept für Öffentliche Bibliotheken in Stadt und Landkreis Bamberg aus Fachstellensicht Sankt Michaelsbund, Landesverband Bayern e.V. MICHAEL SANETRA ................................................................................. 143

Wissenschaftliche Bibliotheken

Können Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch gesteuert werden? Ausschlaggebend: Strategie und Management des Trägers RAFAEL BALL ......................................................................................... 149

e

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Inhalt 5

Anhang

Bibliotheken, die an Projekten zur Entwicklung von Bibliothekskonzeptionen teilgenommen haben ..................................... 157

Autoren Herausgeber ...................................................................... 165

Weiterführende Informationen und Kontakte ........................................ 168

und

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Wenn ich was zu sagen hätte ...

GUDRUN HEUTE-BLUHM

Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach Präsidentin des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. – dbv

... würde ich als erstes fragen, wozu eine Bibliothek eine Konzeption braucht.

Wenn wir vielleicht noch die Mittel für die Erarbeitung der Konzeption auf-bringen, haben wir ganz sicher kein Geld für die Umsetzung einer kost-spieligen Strategie. Hat der Bürger nicht mehr davon, wenn man die knappen Ressourcen für die Anschaffung neuer Medien oder die Verlängerung der Öffnungszeiten verwendet?

So könnte die Frage eines virtuellen Stadtrats lauten. Gerade weil ich als Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach etwas zu sagen habe, kann ich nicht verleugnen, dass mir seit Übernahme der Aufgabe als Präsidentin des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. solche Zweifel nicht mehr selbstver-ständlich sind. Und aus diesem Grund unterstützte ich den Vorschlag unserer Lörracher Stadtbibliothek, einen Bibliotheksentwicklungsplan zu erstellen. Dieser wurde im Wintersemester 2009/2010 von Studenten des Masterstudiengangs „Bibliotheks- und Informationsmanagement“ der Hoch-schule der Medien in Stuttgart erarbeitet.

Die Kommunalpolitik gerade in Klein- und Mittelstädten ist es nicht gewohnt, Strategien zu entwerfen und konsequent zu verfolgen. Dies liegt wohl weniger an den Zyklen der Wahlperioden als vielmehr an der Neigung der Gemeinderäte, in Einzelfällen zu denken. Traditionell rekrutiert sich das kommunale Ehrenamt aus dem Kreis derjenigen, die für ihre Stadt einen

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8 Gudrun Heute-Bluhm

Beitrag leisten wollen, die sich als Vertreter der Bürger verstehen und die weniger durch eine konsequente politische Zielsetzung motiviert sind. So hat es sich gezeigt, dass die meisten Lokale-Agenda-Prozesse eher projekt- als zielorientiert ablaufen, wenn sie von Bürgergruppen gesteuert werden. Bei der Lokalen Agenda handelt es sich um ein zukunftsweisendes Handlungs-programm, das zahlreiche Städte und Gemeinden mit ihren Bürgerinnen und Bürgern entwickelten und regelmäßig überarbeiten. Generell geht in Zeiten äußerster Haushaltsdisziplin der Trend eindeutig dahin, die knappen Mittel für das Tagesgeschäft einzusetzen und einen langfristigen Blick auf künftige Aufgaben als nicht finanzierbar anzusehen.

Gefordert: Der langfristige Blick auf künftige Aufgaben

In Lörrach haben wir vor mehr als zehn Jahren gemeinsam mit der Bürger-schaft das erste Leitbild für die Stadt entwickelt und seitdem kontinuierlich fortgeschrieben. Impulse aus diesem Leitbild führten dazu, dass wir zunächst die Zertifizierung mit dem Schweizer Label Energiestadt® 1 verwirklichen konnten und inzwischen den European Energy Award®2 in Gold erreicht haben. Dieser Auszeichnung geht ein komplexes Verfahren voraus, in dessen Rahmen die Klimaschutzaktivitäten einer Kommune erfasst, bewertet, geplant, gesteuert und regelmäßig überprüft werden. Solche Erfolge sind nur möglich, weil wir unsere Energiepolitik permanent einem konsequent überwachten Strategieprozess unterwerfen. Warum also nicht für die Stadtbibliothek eine neue Konzeption entwickeln?

Inzwischen müssen wir unseren Gemeinderat nicht mehr in jedem Einzelfall überzeugen. Die Stadträtinnen und Stadträte werden in die Entwicklung der großen Leitlinien ebenso einbezogen wie Bürgergruppen und die fachkundigen Mitglieder der Verwaltung. Es hat sich bewährt, wenn alle miteinander sich die Zeit nehmen, über die Zukunft nachzudenken. Ein sinnvolles Vorgehen berücksichtigt dabei immer, dass die Moderation aus der örtlichen Verwaltung heraus erfolgt. Die Partner vor Ort müssen gemeinsam über neue Ziele diskutieren und diese dann beschließen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, ein externer Gutachter spreche Empfehlungen aus, und diese würden dann umgesetzt.

Nach diesem Muster erarbeiteten die Masterstudenten unter der Leitung von Prof. Cornelia Vonhof den Bibliotheksentwicklungsplan für die Lörracher Stadtbibliothek gemeinsam mit dem örtlichen Bibliotheksteam und stellten 1 www.energiestadt.ch. 2 www.european-energy-award.de.

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anschließend die Ergebnisse im Kulturausschuss der Stadt Lörrach zur Diskussion. Von der Umfeld- und Zielgruppenanalyse über eine Untersuchung der Arbeitsprozesse bis hin zu praktischen Zukunftsperspektiven beleuchtet die Konzeption alle wichtigen Aspekte, um die Lörracher Stadtbibliothek auf veränderte gesellschaftliche Bedingungen vorzubereiten. Der Kulturausschuss begrüßte die vorgeschlagene Bibliothekskonzeption einmütig. Empfehlungen wie eine Personalstelle, die vor allem Schulkontakten gewidmet ist, wurden bereits realisiert. Andere – wie ein Internetportal für Schulen – stehen kurz vor der Umsetzung.

Fünf Faktoren

Fünf Faktoren trugen in Lörrach dazu bei – und können sicherlich in anderen Städten dazu beitragen – dass ein solcher strategischer Meinungsbildungs-prozess aufgenommen wird:

1. Wir berichten regelmäßig über die Bibliothek und ihre Projekte.

Es hat sich gezeigt, dass eine städtische Einrichtung, sei es die Bibliothek, die Wirtschaftsförderung oder die Wohnungsbaugesellschaft, umso besser bedacht wird, je häufiger sie sich im Gemeinderat mit ihren Aufgaben vorstellt. Hier gilt die alte Einsicht: Man liebt nur, was man kennt.

2. Die Bibliothek muss selbst zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme bereit sein.

Unsere Ausschussmitglieder waren besonders angetan von der Offenheit der Stadtbibliothek, ihre Problemfelder zu benennen. Als Mittel einer transparenten und über einige Jahre ablesbaren Leistungsübersicht eignet sich der Bibliotheksvergleich „BIX“ (Bibliotheksindex).3 Mit diesem Instrument können sich Bibliotheken nicht nur messen und voneinander lernen. Sie können anhand der Ergebnislinien auch auf Defizite aufmerksam machen, auf andere erfolgreiche Kommunen verweisen und konkrete Unterschiede aufzeigen. Insoweit lässt sich der BIX auch als Lobby-Instrument einsetzen.

3. Der Einstieg in den Strategieprozess sollte zunächst kostengünstig sein.

Studentische Projekte sind daher besonders geeignet. Daneben hat sich bei uns wie schon erwähnt gezeigt, dass die aktive Mitarbeit der Verwaltung in den

3 www.bix-bibliotheksindex.de.

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Bereichen „Moderation“ und „Prozesssteuerung“ oft besser ankommt als die Besetzung dieser Aufgaben mit Externen.

4. Die Bibliotheksstrategie sollte sich in die allgemeinen Leitziele der Stadt einfügen und sich an den Schwerpunkten orientieren, die der Gemeinderat für seine Arbeit festgelegt hat.

Besonders leicht und einladend ist es natürlich, wenn der Gemeinderat – wie bei uns – einmütig den Bereich „Bildung“ zum Schwerpunktthema der Stadtpolitik erklärt hat. So ist in Lörrach eine Bildungspartnerschaft mit den Schulen ein großes, aber durchaus erreichbares Ziel. Eine Bibliotheksstrategie sollte also durchaus kühn in die Zukunft zeigen, dabei aber gleichzeitig das in der jeweiligen Kommune finanziell Machbare im Auge haben.

5. Die Bibliothek muss sich starke Partner suchen.

Wir haben seit zehn Jahren einen äußerst aktiven Freundeskreis. Den Mitgliedern geht es weniger um die aktive Mitarbeit in der täglichen Bibliotheksarbeit. Sie organisieren Veranstaltungen und Benefizaktivitäten. Zudem wirkt der Freundeskreis in den Gemeinderat hinein als bürgerschaft-liche Lobby. So setzte die Vorsitzende des Freundeskreises seinerzeit die Ver-längerung der Öffnungszeiten gegen den aus finanziellen Erwägungen heraus kleinmütigen Vorschlag der Verwaltung durch.

Fazit

Zurück zur Bibliothekskonzeption: Einmal verabschiedet, darf diese nicht in einer Schublade verschwinden. Sie muss jährlich fortgeschrieben und über-prüft werden. Die einzelnen Vorhaben der Folgejahre sollten ausdrücklich aus der Konzeption entwickelt und ihm Hinblick darauf begründet werden. Ferner ist das Feedback der Nutzer aktiv einzubeziehen. Gerade Bibliotheken, die unter den Kultureinrichtungen die höchsten Besucherzahlen aufweisen, haben viele Möglichkeiten, auf das Wissen und die Meinungen ihrer Nutzer zuzugreifen. Ob direkte Befragungen, Feedback-Boxen oder Wunschkarten – die Bibliotheksnutzer sind nach unseren Erfahrungen gern bereit, mit ihren Vorschlägen an der Weiterentwicklung mitzuwirken. Auch die zuständigen Beschlussgremien des Gemeinderates müssen regelmäßig in die Arbeit der Bibliothek eingebunden werden, um die weitere Umsetzung zu ermöglichen.

Ein Strategieprozess ist, wenn man ihn einmal begonnen hat, nie wirklich zu Ende. Er hat nur Erfolg, wenn er auch in den Folgejahren gelebt und vermittelt wird. Er muss ein gemeinsames Projekt von Bibliothek, Gemeinderat, Bürger-schaft und Stadtoberhaupt werden. Dann hat er eine Chance.

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Einleitung – oder: Wir haben doch das Internet!? „Warum eigentlich? Wir haben doch das Internet

und googeln uns alle Informationen zusammen, die wir brauchen. Unseren Kindern kaufen wir die Bücher,

und außerdem spielen die Kids sowieso am liebsten am Computer.“ 1

Ja: Warum eigentlich noch Bibliotheken? So fragt sich wohl auch mancher Stadt- oder Gemeindeobere, wenn er sich seinen schmalen Stadtsäckel besieht und überlegt, wo die Prioritäten zu setzen sind und wo eingespart werden könnte.

Spätestens dann gilt es für Bibliotheken, mit einer überzeugenden Strategie aufzutreten und mit einer fundierten Bibliothekskonzeption ihrem jeweiligen Träger deutlich zu machen, dass die in manchen Köpfen noch immer herum-spukende Leihbücherei der 1950/60er Jahre längst der Vergangenheit angehört und was und wieviel die Öffentliche Bibliothek von heute tatsächlich für die Stadt, die Gemeinde, die Kommune leistet, welches ihre Zielgruppen sind, wo die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen.

Aber nicht nur nach außen wirkt eine strategische Bibliothekskonzeption – auch für die eigene Arbeit, für eine fruchtbare Arbeit im Team, für ein überzeugendes Auftreten gegenüber Sponsoren und Freundeskreisen, für die Identifikation der Bibliotheksnutzer mit ‚ihrer‘ Bibliothek ist es wichtig, dass die Bibliothek ein Gesicht, ein Profil zeigt, dass sie ihre – natürlich immer viel zu begrenzten – Ressourcen bündelt und gezielt einsetzt, ggf. auch unter Verzicht darauf, alle und jeden bedienen und zufriedenstellen zu wollen.

Zum Thema „Strategische Bibliotheksplanung“ führt die ekz gemeinsam mit dem Trainer Meinhard Motzko und in Kooperation mit den jeweiligen Landes-fachstellen seit einigen Jahren das Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ in mehreren Bundesländern durch. Ziel ist es, gemeinsam mit Bibliotheken einen Masterplan für die weitere, lokale Entwicklung zu erstellen. 220 Bibliotheken haben bisher an diesem Projekt teilgenommen.

Daraus erwuchs der Wunsch eines Buchprojektes, um die gemachten Erfah-rungen an andere Bibliotheken weitergeben zu können. Mit der vorliegenden Publikation soll diesem Wunsch entsprochen werden.

1 21 gute Gründe für Bibliotheken. Hrsg. von der BID – Bibliothek & Information Deutschland. Berlin 2009. www.bideutschland.de/download /file/2_21 GUTE GRUENDE_endg_4-9-08.pdf.

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12 Petra Hauke

Die Herausgeber freuen sich sehr, dass sie mit Gudrun Heute-Bluhm, der Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach und Präsidentin des Deutschen Bibliotheksverbandes eine nicht nur herausragende, sondern auch erfahrene Fürsprecherin für das Geleitwort gewinnen konnten. („Wenn ich was zu sagen hätte ...“).

Aber auch die Anmerkungen der – auch als Bibliothekarin – erfahrenen Kommunalpolitikerin Johanna Rumschöttel „Strategische Bibliotheksarbeit – wozu?“ enthalten viele wertvolle Argumente, mit der ggf. die eigenen Kom-munalpolitiker überzeugt werden können, ein Seminar zur Bibliotheksstrategie zu befürworten.

Aus dem bibliothekarischen „Vorzeigeland“ Dänemark – auf dessen im Jahre 1920 erlassenes und zuletzt im Jahre 2000 novelliertes Bibliotheksgesetz wir neidvoll blicken, während in Deutschland die allgemeine Literatur-versorgung noch immer zu den sogenannten „freiwilligen Aufgaben“ der Kommunen gehört – verrät uns Nils-Edwin List-Petersen eines der Geheim-nisse der erfolgreichen dänischen Bibliotheksarbeit: „Der Kunde ist König und wird in die Analyse von Bedarf und Zielorientierung einbezogen, Bench-marking ist die Regel, und zusätzliche staatliche Förderungen sind an Ziel-vereinbarungsverträge gebunden.“

Andreas Mittrowann sieht große „Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken“ und plädiert einerseits für Veränderungen als Motor für den notwendigen Wandel in Bibliotheken, andererseits muss eine formulierte Bibliothekskonzeption mit Geduld und Kontinuität zu den verschiedenen Zielgruppen im Umfeld der Bibliothek transportiert werden.

Meinhard Motzko stellt in seinem Beitrag die „Inhalte einer Bibliotheks-konzeption“ zusammen und berichtet von seinen Erfahrungen bei der Umsetzung solcher Konzepte. Ganz lapidar stellt er fest: „Und jetzt können Ressourcenforderungen zum ersten Mal mit Leistungsversprechen verbunden werden. ... Das überzeugt nämlich und wird oft auch honoriert: Wer klar-machen kann, was beim Ressourceneinsatz herauskommt, der bekommt diese Ressourcen auch eher.“

Am Beispiel der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen in Bayern unterstreicht Ute Palmer, dass die „Konzeptionelle Bibliotheks-entwicklung als Kerngeschäft einer Landesfachstelle“ zu sehen ist und dass sie in diesem Kontext mit Beratung, Bereitstellung statistischer Angaben, Vermitt-lung von Kontakten und auch Gesprächen mit den Entscheidungsträgern behilflich sein kann.

Es folgen Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ aus den Ländern Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Die Berichte aus den einzelnen Öffentlichen Bibliotheken verfolgen unterschiedliche Schwerpunkte wie

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Einleitung – der: Wir haben doch das Internet!? 13

„Interkulturelle Bibliotheksarbeit“ (Stadtbibliothek Dietzenbach), „Ziel-vereinbarungen“ (Stadtbibliothek Emsdetten), „Bibliothek als Aushängeschild der Stadt“ (Stadtbibliothek Pirmasens), „Die Bibliothek als Wirtschafts-unternehmen“ (Stadtbibliothek Pirna) etc., z. T. kommentiert von einem Kulturdezernenten (Marc Weigel, Neustadt a. d. Weinstraße: „... die Aufbruch-stimmung, die ein solches Konzept auslöst ...“), einer Kulturreferentin (Ursula Lay, Traunstein, „Besonders gut gefallen hat mir ...“) oder eines Bürger-meisters (Uwe Friedl, Euskirchen, „Die Bibliotheken fungieren in ihrer Kommune als ‚Problemlöser‘ für bildungsferne Schichten“).

Doch auch Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher oder kirchlich/kom-munaler Trägerschaft „gleich welcher Größe, Trägerschaft, ob mit haupt-amtlicher oder neben/-ehrenamtlicher Leitung brauchen klar kommunizierbare Konzepte und Strategien“ – immerhin sind, betont Lothar Ganter, Leiter der Fachstelle Kirchliches Büchereiwesen im Erzbistum Freiburg, „zwei Drittel der Öffentlichen Büchereien in Deutschland mit neben- oder ehrenamtlicher Leitung ... in der Trägerschaft der evangelischen und katholischen Kirche. Mit hohem bürgerschaftlichem Engagement tragen diese Einrichtungen zur allgemeinen Literaturversorgung bei.“ Der Autor empfiehlt, bei sog. „gemischter“ Trägerschaft (zum Beispiel zwischen zwei kirchlichen Trägern oder zwischen kommunalem und kirchlichem Träger) einen paritätisch besetzten Beirat der beiden Partner einzurichten, in dem nicht nur die Finanzen, sondern auch die Interessen der Träger diskutiert und als Vorgabe für die Büchereien formuliert werden.

Unter der Federführung des Sankt Michaelsbundes ist in Stadt und Landkreis Bamberg ein trägerübergreifendes Bibliothekskonzept erarbeitet worden, das vorhandene bibliothekarische Ressourcen nutzt und die Errichtung neuer Büchereien forciert, wobei die Schwerpunkte bei der Leseförderung und der Zusammenarbeit mit Schulen liegen. In Bezug auf die künftige Planung stellt Michael Sanetra jedoch auch kritische Fragen zur Debatte: „Wie können – oder wollen – die Büchereien mit dem gegenwärtigen ‚Kundenschwerpunkt Kinder‘ auf die Herausforderungen des demografischen Wandels reagieren? Oder auch: Müssen die kleinen Büchereien fit für Web 2.0 und die Teilhabe an den social media gemacht werden?“

Last but not least stellt sich Rafael Ball der Frage „Können Wissenschaft-liche Bibliotheken strategisch gesteuert werden?“ Schließlich unterscheiden sie sich prinzipiell und unter organisatorischen Aspekten nicht von Öffentlichen Bibliotheken. Und: „Eine Organisation strategisch zu steuern bedeutet ja nichts anderes, als ein Management nach objektiv messbaren Zielen zu organisieren und umzusetzen. Insofern lässt sich jede Wissenschaftliche Bibliothek prinzipiell strategisch steuern. ... Die entscheidende Frage allerdings ist die Art der Steuerung der jeweiligen Trägereinrichtung.“ Handelt es sich dabei jedoch

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14 Petra Hauke

um eine „Behörden-Universität“, so funktioniert sie nach kameralistischem Prinzip – wesentlicher Maßstab ist die Einhaltung von Regeln und Vor-schriften. „Fragen nach Effektivität und Effizienz, nach Service, Quality-Level oder einem ‚return on investment‘ werden hier nicht gestellt und Ant-worten darauf vergeblich gesucht.“

Unternehmensorientierte Universitäten dagegen, wie z. B. die an Zahl zu-nehmenden Privatuniversitäten, folgen einer anderen Führungsphilosophie und werden über definierte strategische Ziele gesteuert – und mit ihnen die ihnen zugehörigen Wissenschaftlichen Bibliotheken. Ball fordert von den ein-schlägigen Ausbildungs- und Studieneinrichtungen umfassend und professio-nell betriebswirtschaftliches und unternehmensorientiertes Denken und setzt für die Zukunft auf junge Bibliothekare mit einem offenen Verständnis für output-orientiertes Denken und mit ausgeprägter Nutzerorientierung.

Den Beiträgen folgt eine Zusammenstellung der Bibliotheken, die in den Jahren seit 2001 an den Projekten zur Entwicklung von Bibliotheks-konzeptionen teilgenommen haben – eine stattliche Liste, die allerdings in Anbetracht einer Zahl von 1964 hauptamtlich geleiteten Öffentlichen Bibliotheken in der Bundesrepublik Deutschland2 (denen noch die große Zahl von ehren- bzw. nebenamtlich geführten Bibliotheken hinzuzudenken ist) in Zukunft noch stark ausbaufähig sein dürfte.

Für weiterführende Informationen und Kontakte sind am Schluss des Bandes Bezugsadressen für auf CD erhältliche Dokumentationen von Konzepten und Ansprechpartner für weitere Projekte genannt.

Das Buch wendet sich an alle Bibliothekare, die zwar auch nicht konzeptionslos arbeiten, „allerdings haben nur die wenigsten ihre kon-zeptionellen Grundlagen formuliert bzw. als Auftragsgrundlage vom Träger beschließen lassen.“ (M. Motzko) Das Buch wendet sich an die Träger von Öffentlichen, aber auch von Wissenschaftlichen Bibliotheken und von Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft. Sie alle mögen daraus Anregungen schöpfen, die Notwendigkeit und den Vorteil deutlich formulierter Strategiekonzepte erkennen und daraus Gewinn ziehen.

Petra Hauke Juni 2011

2 Jahrbuch der Öffentlichen Bibliotheken, Ausg. 2010/11. Bad Honnef, 2010.

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Strategische Bibliotheksarbeit – wozu? Anmerkungen einer Kommunalpolitikerin

VON JOHANNA RUMSCHÖTTEL

Das Bild der Bibliothek als Verleihstation von Büchern ist noch weit verbreitet. Bibliotheken übernehmen aber längst wichtige gesellschaftliche und soziale Funktionen und verfügen über große Potentiale, um bei der Problemlösung kommunalpolitischer Fragen einen wertvollen Beitrag zu leisten. Es ist überlebenswichtige Aufgabe der Bibliotheken, mit strategischen Bibliothekskonzepten auf sich aufmerksam zu machen und sich als unentbehrlichen Dienstleister im Rahmen der Kommunalpolitik zu positionieren.

Überall dort, wo es Bibliotheken gibt, werden diese in aller Regel als selbst-verständlicher Teil der kulturellen Daseins- und Zukunftsvorsorge verstanden. Man muss über sie nicht viel reden oder nachdenken. Sie gehören ganz einfach dazu. Aber ist es bei einer Bibliothek nicht wie bei der Gesundheit des Men-schen? Was man an ihr hat, bemerkt man meist erst dann, wenn sie plötzlich nicht mehr da ist, oder wenn – scheinbar überraschend – als selbstverständlich angesehene Funktionen ausfallen. Jetzt erst wird klar, dass man viel früher etwas hätte tun müssen. Bibliotheken sind nicht nur Einrichtungen der Zu-kunftsvorsorge, sie bedürfen selbst der permanenten Pflege, um zukunftsfähig bleiben zu können. Strategische Bibliotheksarbeit heißt, rechtzeitig die richti-gen Weichen zu stellen. Nur was sich ändert, hat Bestand.

Natürlich sind Bibliotheken nicht der Dreh- und Angelpunkt der modernen Gesellschaft, sie sind keine Heilsbringer oder umfassenden Problemlöser. Aber sie übernehmen wichtige, ja unverzichtbare Funktionen in unseren Gemeinwe-sen – ein Potential, das von den politischen Verantwortungsträgern oft ver-kannt, zumindest jedoch zu wenig genutzt wird.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die Bibliotheken in Deutschland bis heute zwar im Rahmen der kommunalen Kulturförderung mit verfassungs-rechtlichem Auftrag, jedoch größtenteils ohne verbindliche gesetzliche Rechtsgrundlage arbeiten. Selbst in den Ländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen, in denen es mittlerweile Bibliotheksgesetze gibt, werden Biblio-theken bestenfalls als Bildungseinrichtungen festgeschrieben. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, dennoch fehlt den Bibliotheken auch hier noch immer der Status einer kommunalen Pflichtaufgabe. Der Abhängigkeit von der

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16 Johanna Rumschöttel

Leistungsfähigkeit der Sitzkommunen bzw. der Prioritätensetzung amtierender Kommunalpolitiker ist damit kein Einhalt geboten.

Die Fachverbände dürfen also nicht müde werden, auf die Bedeutung, die Unverzichtbarkeit der Bibliotheken hinzuweisen und zugleich auf eine gesi-cherte gesetzliche Verankerung zu drängen. Doch sie bedürfen hierzu der Un-terstützung der Kommunalpolitik, sie brauchen die Unterstützung der Basis: der Bibliotheken. Nur wenn es den Bibliotheken gelingt, die kommunalen Entscheidungsträger von der Wichtigkeit der Einrichtung Bibliothek zu über-zeugen, haben sie eine Chance auf breite Unterstützung durch die Politik. Je stärker sie jedoch von Sparmaßnahmen betroffen sind, desto schwieriger wird es für die Bibliotheken, ihre Aufgaben auch adäquat auszufüllen und ihre Be-deutung in den Vordergrund zu stellen.1 Die Bibliotheken müssen sich also mit ihrer Überzeugungsarbeit beeilen. Dies gelingt am besten durch Profilbildung, durch strategische, mit der Kommunalpolitik abzustimmende Bibliothekskon-zepte. Die Bibliotheken müssen den Entscheidungsträgern beweisen, dass sie eine wichtige Stütze bei der Lösung kommunaler Probleme sind, dass sie wertvolle Dienstleister für Kommunalpolitik und Gesellschaft sind.

Im Folgenden sollen exemplarisch drei mögliche Problem- und Handlungs-felder dargestellt werden.

Themenfeld Bildung

Die Assoziation von Bildung und Bibliothek ist naheliegend. Dass Bibliothe-ken aber weitaus mehr zu bieten haben, als Literatur zur Verfügung zu stellen, ist dem Kommunalpolitiker oft nicht bewusst. Nicht umsonst wird in der Fachwelt auch mit Nachdruck betont, dass die Festschreibung der Bibliothek als Bildungseinrichtung in den bisher verabschiedeten Bibliotheksgesetzen der maßgebliche Fortschritt ist.

Lesefähigkeit und die Fähigkeit, das Gelesene auch zu verstehen, sind die Grundvoraussetzungen für den Erwerb von Bildung, für schulischen und be-ruflichen Erfolg. Was die Lesefähigkeit von Kindern im Grundschulalter und auch darüber hinaus angeht, so ist unsere Gesellschaft äußerst heterogen auf- 1 Laut einer Umfrage des Deutschen Bibliotheksverbandes waren 2010 fast 59 % aller befragten kommunalen Bibliotheken von Haushaltskonsolidierungs-maßnahmen betroffen. 10 % haben darüber hinaus bereits dauerhaft Personal-kapazitäten eingebüßt, für ein Viertel aller Bibliotheken galt eine Wiederbeset-zungssperre. Siehe Deutscher Bibliotheksverband e. V. (2010): Ergebnis der dbv-Befragung zur Finanzlage der Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland. www.bibliotheksverband.de.

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Strategische Bibliotheksarbeit – wozu? 17

gestellt. Kinder aus Familien, in denen wenig gelesen wird oder deren Eltern diese Fähigkeit selbst nicht oder nur in geringem Maße besitzen, tun sich we-sentlich schwerer in der Schule als Kinder, bei denen Lesen zum Alltag gehört, die noch dazu gerne lesen. Das belegt auch eine Studie der „Stiftung Lesen“ aus dem Jahr 2009.2 Bibliotheken übernehmen hier wichtige Funktionen. Sie verfügen über das Handwerkszeug, Kinder schon früh für das Lesen zu begeis-tern. Erzieher und Lehrer haben oft nicht die Zeit, diese Rolle zu übernehmen.

Aber nicht nur die Fähigkeit zu lesen ist ein Schlüssel zum Erfolg, Medien-kompetenz bzw. das Wissen über Strategien zum Informationserwerb sind nicht weniger bedeutsam. Keine Frage: Das Internet hat die Verfügbarkeit von Informationen nicht nur nahezu ins Unendliche potenziert, sondern auch er-leichtert. Doch längst nicht jeder verfügt heute über einen eigenen Zugang zum World Wide Web3 und schon gar nicht über die Fähigkeit, zielgerichtet zu recherchieren und brauchbare Informationen von unbrauchbaren zu unter-scheiden. Bibliotheken haben diese Kompetenz. Bibliothekare verfügen darü-ber hinaus auch über das Wissen um Lizenzen und Urheberrechte. Bereits lange vor der „Causa zu Guttenberg“ wurde in der Fachwelt über die Rolle der (Wissenschaftlichen) Bibliotheken bei der Identifizierung von Plagiaten in wissenschaftlichen Veröffentlichungen diskutiert. Von der Kompetenz der Bibliotheken wird vom Hochschulbetrieb hier noch viel zu wenig Gebrauch gemacht. Dies könnte sich jetzt ändern.

Doch zurück zu den Öffentlichen Bibliotheken. Bislang war nur von der für einen Kommunalpolitiker eher schwer fassbaren Rolle der Bibliotheken als Vermittler von Lese- und Medienkompetenz die Rede. Konkreter lässt sich der Nutzen der Bibliothek zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Ganztags-schulbetrieb darstellen, der die Sachaufwandsträger vor große finanzielle He-rausforderungen stellt. Das von den Ministerien zur Verfügung gestellte Per-sonal reicht zur Abdeckung aller Betreuungsstunden längst nicht aus, die Kommunen gehen daher Kooperationen mit Volkshochschulen, Musikschulen, Jugendringen oder Sportvereinen ein. Warum aber denkt kaum jemand an die Bibliotheken? Als kommunale Einrichtungen könnten sie hier eine wesentlich größere Rolle spielen. Es ist also an den Bibliotheken, sich ins Gespräch zu bringen.

2 Hildebrandt, L. (2010). Bildungspartner Bibliothek. Startvorteile für lese-freudige Schüler. BuB, Forum Bibliothek und Information 62 (1), S. 17. 3 Laut dem von der Initi@tive D21 herausgegebenen (N)ONLINER Atlas 2010 sind 24,2 % der Deutschen ab 14 Jahre sogenannte Offliner. Siehe: Initi@tive D21 (2010). (N)ONLINER Atlas 2010, S. 10. www.nonliner-atlas.de.

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18 Johanna Rumschöttel

Auch die Kooperation mit Schulbibliotheken, die häufig immer noch ein Stiefkind des Schulbetriebes sind, ist ein wertvolles Handlungsfeld, das aber glücklicherweise schon in den Köpfen der bayerischen Landespolitik ange-kommen ist. Sichtbarer Ausdruck dafür ist das Gütesiegel „Bibliotheken – Partner der Schulen“4, das das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus gemeinsam mit dem Staatsministerium für Wissenschaft, For-schung und Kunst seit 2006 an Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliothe-ken vergibt.

Themenfeld Soziales

Mehr als 200 Millionen Besuche jährlich zählen Deutschlands Bibliotheken. Das sind mehr als alle Museen, Theater, Konzertsäle oder Kinos, sogar mehr als die Fußballbundesliga Zuschauer hat.5 Dieser Tatsache sind sich nur weni-ge Kommunalpolitiker bewusst, obwohl die Bibliothek Teil ihrer Verwaltung ist.

In vielen Köpfen herrscht auch heute noch das überkommene Bild der Bib-liothek als Verleihstation von Büchern vor. Das ist nicht nur bedenklich für die Einrichtung Bibliothek, sondern sollte die Alarmglocken läuten lassen. Man denke nur an die tatsächlich reinen Verleihstationen von Videos, an die Video-theken in den 1980er Jahren – sie sind heute fast von der Bildfläche ver-schwunden. Es sind aber nur die Bibliotheken selbst, die dem entgegenwirken können, die ihre Kompetenz und den Mehrwert der Einrichtung gegenüber der ‚Verleihstation von Medien‘ vermitteln können. Marketing und Imagepflege beim eigenen Arbeitgeber? Das mutet vielleicht seltsam an, ist aber heute nahezu unerlässlich.

Bibliotheken übernehmen zahlreiche gesellschaftliche, soziale Funktionen. Ihre Bedeutung als öffentlicher Ort, als Treffpunkt, Freizeit- oder auch Lern-ort, an dem nicht konsumiert werden muss6, nimmt auch vor dem Hintergrund steigender Armut immer weiter zu. Bücher zu kaufen, ist für viele alles andere als selbstverständlich, auch hat längst nicht jeder einen eigenen Internetzu-gang. Das gilt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im erwerbsfähigen Alter, das gilt aber auch für die immer größer werdende Zahl an Senioren. Im Zuge des rasant fortschreitenden demographischen Wandels – für den Land- 4 www.lfs.bsb-muenchen.de/Guetesiegel-fuer-Bibliotheken.1325.0.html. 5 Deutscher Bibliotheksverband e. V. (dbv) (2010). Bericht zur Lage der Bib-liotheken 2010, S. www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload /DBV/publikationen/Bericht_zur_Lage_der_Bibliotheken_2010.pdf. 6 Ebd., S. 4.

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Strategische Bibliotheksarbeit – wozu? 19

kreis München etwa prognostiziert man im Jahr 2029 einen Anstieg der über 60jährigen um beinahe 44 Prozent, der über 80jährigen sogar um 128 Prozent – gilt es auch für die Bibliotheken, ihr Angebot für ältere und alte Menschen zu überprüfen und in Abstimmung mit der Kommunalpolitik weiter auszubau-en. Die Teilhabe an der Gesellschaft ist in diesem Zusammenhang ein wichti-ges Aufgabenfeld der kommunalen Seniorenpolitik. Ohne starke Partner wird sie jedoch einer zunehmenden Vereinsamung kaum effektiv entgegenwirken können – eine Chance für die Bibliothek als Dienstleister der Kommune.

Gesellschaftliche Teilhabe ist aber nicht nur ein Handlungsfeld in der Senio-renpolitik, es ist ganz besonders auch eine Aufgabe der Integrationspolitik. Nach Erhebungen der „Stiftung Lesen“ machen Menschen mit Migrationshin-tergrund deutschlandweit gut 20 Prozent der Bibliotheksnutzer aus. Beach-tenswert ist dabei insbesondere, dass in dieser Gruppe das Durchschnittsalter mit 27,2 Jahren deutlich unter dem der Bibliothekskunden ohne Migrationshin-tergrund mit 42,3 Jahren liegt.7 Hier zeigen die Bemühungen der Bibliotheken also Wirkung, die Zahlen führen aber auch vor Augen, dass auf diesem Gebiet noch großes Handlungspotential vorhanden ist. Das Vorhalten von Medien zum Erlernen der deutschen Sprache, von fremd- und zweisprachigen Medien können dabei nur Teile eines Konzeptes sein. Niederschwellige Angebote auf verschiedenen Ebenen erleichtern zum Beispiel den Erstkontakt zur Biblio-thek, das gilt jedoch für bildungsferne Bürgerinnen und Bürger mit und ohne Migrationshintergrund gleichermaßen Der Bildungsarmut kann man hier eben-so entgegensteuern wie mangelnden sozialen Kontakten.

Die Bedeutung von Bibliotheken als Kultur- und Freizeitorte, als weiche Standortfaktoren in diesem Sinne, wird von der Kommunalpolitik am ehesten erkannt. Weitaus seltener dagegen werden Bibliotheken in einem wirtschaftli-chen Kontext gesehen.

Themenfeld Wirtschaft

Bibliotheken sind nicht zu unterschätzende Frequenzbringer für den Einzel-handel und die Belebung der Innenstädte und Ortszentren. Nicht selten verbin-den Bibliothekskunden den Bibliotheksbesuch mit einem Einkauf. Nach einer Befragung aus dem Jahr 2005 war das in Baden-Württemberg sogar bei jedem zweiten Nutzer der Fall.8 Umso wichtiger ist es, dass Bibliotheken in zentraler Lage situiert sind. Veranstaltungskooperationen mit dem örtlichen Buchhan- 7 Ebd., S. 9. 8 Siehe u. a. Blim, J. (2005). Der Besucher – Das unbekannte Wesen. Gutes Zeugnis für Baden-Württembergs Bibliotheken. www.bibliotheksportal.de.

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20 Johanna Rumschöttel

del, mit der Gastronomie oder mit Spezialitätenläden können für diese darüber hinaus ein Instrument zur Kundenbindung sein. In jedem Fall heben Bibliothe-ken die Attraktivität der Stadt- und Ortszentren, nicht nur durch ihr Angebot, oft auch durch ihre architektonische Gestaltung. In Bibliotheken zu investie-ren, heißt damit auch, den örtlichen Einzelhandel zu fördern.

Doch sieht es mit Investitionen in die deutschen Bibliotheken vergleichswei-se düster aus. Während in Finnland im Jahr 2009 54,55 Euro und in den USA umgerechnet rund 27 Euro pro Kopf für Bibliotheken ausgegeben wurden, so waren es in Deutschland gerade einmal 8,21 Euro.9 Dieser Vergleich sagt viel darüber aus, welcher Stellenwert den Bibliotheken in Deutschland beigemes-sen wird. Darauf zu warten, dass die Politik das (Dienstleistungs-)Potential der Bibliotheken selbst erkennt, hieße an ein Wunder zu glauben. Es ist also an den Bibliotheken, der Politik das Angebot zu machen. Dies funktioniert jedoch nicht, wenn man nur im Stillen gute Arbeit leistet. Erfolg versprechend ist nur offensive Eigenwerbung, und diese muss auf fundierter Profilbildung beruhen. Die Erarbeitung strategischer Bibliothekskonzepte muss demnach ganz oben auf der Tageordnung der Bibliotheken stehen. Dabei gilt es, auch (volks-) wirtschaftliche Betrachtungen anzustellen und der Kommunalpolitik die Angst zu nehmen, dass die Inanspruchnahme des Dienstleisters Bibliothek zu einer horrenden Kostensteigerung führt. Dafür muss dem Bibliothekar das nötige Werkzeug an die Hand gegeben werden. In der Ausbildung muss daher auch verstärkt auf solche Aspekte wert gelegt werden. Nur so kann das Überleben des Berufsstandes, das Überleben der Bibliotheken gesichert werden.

Schließlich noch ein Hinweis auf die Bedeutung von Kooperationen nicht nur mit anderen Bildungseinrichtungen, sondern auch mit anderen Bibliothe-ken – zur Bestandserweiterung, zur Bestandsergänzung, zur Angebotsvernet-zung.

Um mit den Worten von Joseph Beuys zu sprechen:

„Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden,

sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen.“

Auch für die Bibliotheken heißt es daher, strategisch zu denken und lokal zu handeln.

9 Deutscher Bibliotheksverband e.V. (dbv) (2010): Bericht zur Lage der Bib-liotheken 2010 (S. 4), www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload /DBV/publikationen/Bericht_zur_Lage_der_Bibliotheken_2010.pdf.

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Bibliothekskonzepte in Dänemark Ein vorsichtiger Blick von/nach außen

NIS-EDWIN LIST-PETERSEN

Dänemark gilt auf dem Gebiet der Öffentlichen Bibliotheken als ‚Vorzeigeland‘. Der Blick von hier auf die deutsche Bibliothekslandschaft bietet Einsichten in Unterschiede, Möglichkeiten und Strategien, wobei bezüglich der Voraussetzungen der fundamentale Unterschied im Spannungs-feld zwischen ‚freiwilliger Leistung‘ und Pflichtaufgabe zu suchen ist. Empfehlungen für eine zukunftsorientierte Bibliotheksarbeit in Dänemark hat im Jahre 2010 die sog. Carina-Kommission vorgelegt.

Einleitung

Für viele Kollegen in Deutschland sind die skandinavischen Länder, und hier insbesondere Dänemark, ‚Vorzeigeländer‘ oder gar der ‚bibliothekarische Garten Eden‘.

Nun wird hier im Norden auch nur mit Wasser gekocht, doch die Voraussetzungen für die Arbeit von Bibliotheken unterscheiden sich fundamental von denen in der Bundesrepublik Deutschland und sind daher auch nur schwer zu vergleichen – will heißen: die Dänen spielen aus diesem Grunde in einer anderen Liga.

Es ist insofern eigentlich unfair, die Situation in Deutschland mit der dänischen zu vergleichen, und lässt man sich dazu hinreißen, wird einem von interessierter Seite häufig das ‚Totschlag-Argument‘ entgegengehalten: Ihr könnt das ja leicht, weil in Eurem Staat nur 5,5 Mio. Einwohner leben.

Wenn ich dennoch der Bitte um einen Blick von außen auf die Situation in der Bundesrepublik entspreche, geschieht dieses, weil ich hoffe, damit den deutschen Kollegen ein wenig Rückenwind geben zu können: Rückenwind bei dem Versuch, auch in ihrem Land eine Strategie zu ermöglichen, Bibliotheken zu dem zu entwickeln, was sie in meinem Land sind: Kulturvermittlungs-, Beratungs-, Versammlungs- und Kommunikationsstätten, die von der großen Mehrheit der Bevölkerung als unverzichtbarer Teil ihres Alltags gesehen und genutzt werden.

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Faktencheck

Einige Fakten zu den Öffentlichen Bibliotheken: • Der Etat der dänischen Kommunen für das Öffentliche Biblio-

thekswesen beträgt im Durchschnitt 57 Euro pro Einwohner und Jahr.

• 64 % aller Dänen nutzen ihre Öffentliche Bibliothek mindestens einmal im Jahr, 29 % benutzen sie monatlich oder häufiger.

• Die Zahl der entliehenen Medien liegt im Durchschnitt bei 13,6 Medien pro Einwohner und Jahr.

• Das Öffentliche Bibliothekswesen erhebt für keine seiner Leistungen Nutzergebühren, lediglich Säumnisgebühren für zu spät abgelieferte oder Erstattungsgebühren für abhanden gekommene Medien.

• Grundlage der Bibliotheksarbeit ist ein im Jahre 1920 erlassenes und zuletzt im Jahre 2000 novelliertes Bibliotheksgesetz, welches das Vorhalten von Bibliotheken zu einer Pflichtaufgabe der Kommunen macht und die Zuständigkeiten von Staat und Kommunen, bzw. Ortsbibliotheken, Zentralbibliotheken und nationaler Bibliotheksbehörde (Styrelsen for Bibliotek og Medier) klar regelt. Ehrenamtlich geleitete Bibliotheken gibt es in diesem System nicht.

Gäbe es im ‚Land der Dichter und Denker‘ ähnliche Voraussetzungen, wäre ein Vergleich angemessener und auch fairer.

So bleibt festzustellen, dass dem Öffentlichen Bibliothekswesen in Deutsch-land weder politisch die gleiche Förderung noch in der breiten Bevölkerung die gleiche Akzeptanz zuteil wird.

Die spärlichen Versuche, den Bibliotheken mit Landesbibliotheksgesetzen eine andere Ausgangslage zu verschaffen, scheitern regelmäßig am Unwillen der Politiker, die Öffentlichen Bibliotheken aus der Kategorie ‚freiwillige Leistung‘ in eine ‚Pflichtaufgabe‘ umzuwandeln, weil das bei notleidenden öffentlichen Haushalten nur durch Umverteilung und Änderung von Prioritäten möglich erscheint. Dies ruft zwangsläufig Konflikte an anderen Fronten hervor und kostet damit Wählerstimmen.

Entwicklungsfonds für „Bibliotheksversuche“

Wie sieht es nun in Dänemark mit Strategien für die Bibliotheken aus? Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Dänemark die vorgenannte „Styrelsen for Bibliotek og Medier“, die Nationale Bibliotheksbehörde, in der alle Fäden der

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Bibliotheks- und Medienarbeit zusammenlaufen und von der alle Strategien für diesen Bereich initiiert und koordiniert werden.1

Nun ist in Dänemark das Konsensprinzip die bevorzugte Entscheidungs-variante, weshalb eine zentralistische Steuerung nicht gleichbedeutend ist mit einem durchgängigen ‚Top-down System‘.

So bietet die Behörde einen Entwicklungsfonds (Udviklingspulje), aus dem eine große Zahl von „Bibliotheksversuchen“ finanziert wird – nicht nur an den großen Bibliotheken in Kopenhagen, Århus und Odense, sondern auch in ländlichen Gebieten oder in Kooperationen mehrerer Bibliotheken, für die eine Teilnahme an Projekten sowohl ökonomisch als auch hinsichtlich der Inno-vationsmöglichkeiten attraktiv ist.

Zu den verpflichtenden Voraussetzungen für eine Partizipation an diesen Mitteln gehören vertragliche Vereinbarungen, die sowohl Ziele, das Prozedere, die Dauer als auch Auswertungs- und Qualitätskriterien beinhalten.

Vorschläge zur „Rolle der Öffentlichen Bibliotheken in der Wissensgesellschaft“

Durch die 2007 durchgeführte Kommunalreform und die damit einhergehende Reduzierung auf 98 Gemeinden und Städte wurde ein grundlegender Umbau der kommunalen Bibliothekssysteme notwendig, der unter anderem auch die Schließung vieler kleiner Bibliotheken zur Folge hatte.

Dies veranlasste die damalige Kulturministerin Carina Christensen 2009, die sog. „Carina-Kommission“ einzusetzen, deren Aufgabe es war, Vorschläge zur „Rolle der Öffentlichen Bibliotheken in der Wissensgesellschaft“ zu erarbeiten.

Im Zentrum stand die grundlegende Frage, welche Rolle die Öffentlichen Bibliotheken in der Wissensgesellschaft haben sollen angesichts der Fokus-sierung der Globalisierungsstrategie auf Ausbildung, lebenslanges Lernen und Integrationskraft in der Gesellschaft.

Gleichzeitig sollte die Kommission beurteilen, in welchem Umfang Möglichkeiten bestehen, neue Konzepte für Bibliotheksservices zu etablieren, die dem Bedarf der Bürger nach Information, Ausbildung und kultureller Aktivität bürgernah gerecht werden. Erwartet wurde ebenfalls eine Ein-schätzung der Möglichkeit, die traditionellen Kernaufgaben, wie Literatur-vermittlung, weiter zu entwickeln.

Außerdem bestand die Aufgabe in einer Analyse des Bedarfs der Biblio-theken für den weiteren Ausbau der digitalen Infrastruktur, und dies im 1 www.bibliotekogmedier.dk.

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Zusammenspiel zwischen digitalen und traditionellen Dienstleistungen sowie der Beschreibung von Modellen zur Vermittlung von digitalem Kulturerbe und urheberrechtsgeschützten digitalen Medien in der Bibliothek.

Schließlich ging es um Möglichkeiten zukunftsorientierter, interdiszipli-närer neuer Kooperationen, um die Verpflichtung zur Netzwerkbildung und um den Bedarf an Kompetenzentwicklung bei den Mitarbeitern der Biblio-theken.

Die Leitung der Kommission hatte der Direktor der nationalen Bibliotheks-behörde, Jens Thorhauge. Ihr gehörten darüber hinaus Vertreter von allen bibliotheksrelevanten zentralen Organisationen Dänemarks an, in denen parallel zur Arbeit der Kommission diskutiert wurde.

Das Resultat ihrer Arbeit legte die Kommission im März 2010 in einem Kompendium vor. Es enthält fünf Empfehlungen:

1. Die offene Bibliothek Es sollen laufend neue Konzepte für die ‚physische‘ Bibliothek entwickelt werden. Darüber hinaus sollen die Bibliotheken systematisch Alternativen zu den traditionellen Bibliotheksräumen entwickeln, beispielsweise durch Integration in andere Institutionen und neue flexible Bibliotheksangebote.

2. Inspiration und Lernen Die Bibliotheken sollen ihr Lern- und Inspirationsangebot orientiert am Bedarf der Nutzer systematisch weiterentwickeln und ausbauen.

3. Die Digitale Bibliothek der Dänen Die Kommission empfiehlt die Errichtung der „Digitalen Bibliothek der Dänen“ – „Danskernes Digitale Bibliotek“ (DDB) als gemeinschaftliche digitale Vermittlung für die Dänen. Damit wird den Bibliotheken ermöglicht, außerhalb der phy-sischen Bibliotheksräume digitale Medien wie Filme, Spiele, Musik und Literatur anzubieten. Die DDB wird sowohl ein gemeinsames Portal zu den Bibliotheken im Netz bieten als

erscheint.

4. Kooperationen Die Bibliotheken sollen systematisch verpflichtende Ko-operationen vereinbaren und so ein den öffentlichen Sektor,

aft übergreifendes, und interdisziplinäres Angebot schaffen.

auch dazu beitragen, dass die Bürger der Bibliothek an anderenStellen des Internets begegnen – nämlich dort, wo dieses jeweilsrelevant

die Wirtschaft und die Zivilgesellschvielfältiges

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5. Professionelle Weiterentwicklung Die Kommission empfiehlt einen verstärkten Fokus auf Kompetenz- und Organisationsentwicklung in den Bibliotheken sowie eine stärker strategisch und systematisch am Bedarf der Bürger orientierte Auswahl der Angebote der Bibliotheken.

Die Empfehlungen der Carina-Kommission, die natürlich mit konkreten Ergänzungen versehen sind, die den Rahmen dieses Beitrages sprengen würden, sind bereits an vielen Orten umgesetzt worden oder in Planung befindlich.

In einer großen Zahl der nach der Kommunalreform neu entstandenen Großkommunen übernehmen die Bibliotheken auch Bürgerservicefunktionen, die ursprünglich in den Rathäusern angesiedelt waren.

Die Digitale Bibliothek der Dänen ist ‚in Arbeit‘. Der Kunde ist König und wird in die Analyse von Bedarf und Zielorientierung einbezogen, Bench-marking ist die Regel, und zusätzliche staatliche Förderungen sind an Zielvereinbarungsverträge gebunden.

Eine Vielzahl von Bibliotheken – auch im ländlichen Raum – sind inzwischen an allen Wochentagen von 8 bis 22 Uhr geöffnet, am Wochenende von 8 bis 17 Uhr, wobei die Ausleihe außerhalb der Kernzeiten über Selbst-verbuchung und Selbstbedienung erfolgt, Onlineservices haben 24 Stunden geöffnet.

Fazit

Beim Blick über die inzwischen offene und nicht mehr kontrollierte Grenze nach Süden steht das Öffentliche Bibliothekswesen in Deutschland angesichts der skandinavischen Standards vor großen Herausforderungen.

Hindernisse gibt es viele, nicht zuletzt durch den nicht immer innovationsfreundlichen Kulturföderalismus. Andererseits gibt es trotz vieler-orts mangelnder politischer Einsicht hoffnungsfrohe Ansätze, nicht zuletzt befördert durch den nachhaltigen Einsatz der bibliothekarischen Kollegen.

Dass ich mich über die am dänischen Bibliotheksgesetz orientierte, unlängst im schleswig-holsteinischen Landtag eingebrachte Vorlage eines Landes-bibliotheksgesetzes freue, wird niemanden überraschen. Bleibt nur zu hoffen, dass irgendwann einmal der Sprung von der ‚freiwilligen Leistung‘ zur ‚Pflichtaufgabe‘ geschafft wird.

Denn hierin liegt meines Erachtens die größte Hürde, nicht in der Qualität und der Innovationsbereitschaft oder -fähigkeit der deutschen Kollegen und ihrer Öffentlichen Bibliotheken. Ein Blick über die – in diesem Sinne nach wie vor vorhandene – Grenze nach Norden zeigt: Es ist möglich – man muss es nur wollen – und die Bürger mitnehmen!

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Literatur

Fakta – Udvalget om folkebibliotekerne i vidensamfundet – www.bibliotekogmedier.dk/fileadmin/user_upload/dokumenter/servicemenu/Presse/pressemeddelelser/fakta_-_biblioteksrapport.pdf.

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Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken ANDREAS MITTROWANN

Dieses Kapitel beschreibt die gedankliche Ausgangsbasis, die Grundlagen der Vorgehensweise sowie die Evaluationsergebnisse des Projektes „Bibliotheks-konzeptionen“, das durch Meinhard Motzko vom Praxisinstitut Bremen entwickelt wurde und gemeinsam mit der ekz.bibliotheksservice GmbH sowie den Staatlichen Beratungsstellen für Bibliotheken einzelner Bundesländer in Deutschland durchgeführt wird. Die kontinuierlichen Veränderungen in Gesellschaft, Bildung, Technologie und Wirtschaft werden als Ausgangsbasis für die Notwendigkeit einer strategischen Ausrichtung von Bibliotheksarbeit diskutiert und beschrieben.

Einleitung

Dieses Buch beschreibt im Kern die Ergebnisse des Projektes „Bibliotheks-konzeptionen“, das durch Meinhard Motzko vom Praxisinstitut Bremen entwickelt wurde und gemeinsam mit der ekz.bibliotheksservice GmbH sowie den Staatlichen Beratungsstellen für Bibliotheken einzelner Bundesländer in Deutschland durchgeführt wird. Darüber hinaus existieren weitere inhaltsgleiche Projekte, die in direkter Kooperation mit anderen Partnern realisiert wurden und werden. 220 Bibliotheken haben bisher an dieser Initiative teilgenommen: Jeweils 15 bis 20 Bibliotheken in einem Bundesland entwickeln dabei in einer Gruppe ihr individuelles Strategiekonzept über einen Zeitraum von rund 18 Monaten. Während dieser Periode finden drei Work-shops statt, in denen durch den Trainer Input gegeben wird, Erfahrungen ausgetauscht und Zwischenergebnisse diskutiert werden. Am Ende des Prozesses steht ein schriftliches Konzept, das idealerweise im letzten Workshop in einem Festakt von den beteiligten Bibliotheken an den Bürgermeister übergeben und anschließend im Rat der Gemeinde oder Stadt erörtert und beschlossen werden soll.

Im Laufe des Projektes erhielten die Partner aus dem Land Brandenburg den Vorschlag, die Ergebnisse in einer Publikation zu veröffentlichen. Der vorliegende Band stellt die Umsetzung dieser Idee dar und verfolgt das Ziel, die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Prozess der Strategiebildung mit weiteren Bibliotheken zu teilen. Darüber hinaus erschien es sinnvoll, über den ‚Tellerrand‘ des Projektes hinauszublicken und auch die Erfahrungen aus

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anderen Bereichen des Bibliothekssektors – namentlich der wissenschaftlichen und der kirchlichen Bibliotheken – mit einzubeziehen. Während in den folgenden Kapiteln im Wesentlichen der ‚Mikrokosmos‘ beschrieben wird – also die konkrete Situation der jeweiligen Bibliothek oder Institution – wollen wir zu Beginn ganz bewusst den Blick auf den ‚Makrokosmos‘ richten, also die generellen Trends und Entwicklungslinien, die für Bibliotheken und ihre nächsten Schritte in die Zukunft wichtig sind. Dabei stehen die techno-logischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Vordergrund, die für die Bibliothekslandschaft zweifellos von Bedeutung sein werden.

Veränderung als Motor für den Wandel in Bibliotheken

Die Jahre 2010 und 2011 werden aus Sicht der künftigen Generationen von Bibliothekaren vielleicht als die Jahre erinnert werden, in denen das E-Book seinen Durchbruch errang. Ob Apples iPad oder das Kindle-Lesegerät der Firma Amazon – um nur zwei Beispiele zu nennen – E-Books verändern zum Teil die Medien- und Lesegewohnheiten der Bürger: Man muss nicht mehr zwangsläufig in einen Kiosk, eine Buchhandlung oder eine Bibliothek gehen, um ein Buch oder eine Zeitung lesen zu können. Weitere Innovationen in diesem Feld werden in schneller Reihenfolge den Markt erobern, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Zahl der E-Books auch am jeweiligen Bibliotheksbestand einen signifikanten Anteil verzeichnen wird. Strategische Frage: Welche Konsequenzen muss jede Bibliothek daraus für sich bezüglich Service, Raumangebot und Zielgruppenorientierung ziehen?

Das Jahr 2011 wird aber vielleicht in Europa auch als das Jahr erinnert werden, in dem einzelne Staaten mittels des EU-Rettungsschirms vor dem Bankrott gerettet werden mussten. In Deutschland schließlich mögen sich in späteren Jahren vielleicht viele daran erinnern, dass die Geburtenrate 2010 so niedrig war wie nie zuvor, trotz Elterngeld und Elternzeit.1

Diese drei Beispiele aus Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft zeigen den kontinuierlichen Wandel, der nicht nur die Gesellschaft selbst, sondern auch die Bibliotheken als eine ihrer zentralen Bildungs- und Kultur-institutionen betrifft. Mehr als 200 Millionen Besuche konnten im Jahr 2009 in deutschen Bibliotheken verzeichnet werden: mehr als in Kinos, Museen oder

1 Spiegel Online vom 17.05.2010: Geburtenzahl in Deutschland sinkt drama-

tisch, www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,695184,00.html.

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Fußballstadien.2 Wie fatal wäre es, wenn diese wichtige Institution sich nicht dem kontinuierlichen Wandel stellen und auf ihn reagieren würde? Seit ihrer Gründung haben Bibliotheken diesen Wandel reflektiert und aufgenommen: Sei es der Übergang vom geschriebenen zum gedruckten Wort, die Einführung der Datenverarbeitung oder der überwältigende Wunsch ihrer Nutzer, direkten Zugriff auf die Bestände zu erhalten. Wie müssen sich nun Öffentliche Bibliotheken zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufstellen, um weiterhin bestehen zu können?

Im Folgenden wollen wir einen etwas genaueren Blick auf die Entwick-lungen in einigen Feldern werfen, um die Sinnhaftigkeit einer strategischen Ausrichtung von Bibliotheksarbeit zu unterstreichen.

Finanzpolitik und Bibliotheken

Die öffentlichen Haushalte werden in den kommenden Jahren weiterhin stark belastet sein, das zeigen die Steuerschätzungen und Prognosen für die kommenden Jahre. So teilte der Deutsche Landkreistag in einer Pressemeldung vom 23. Juni 2009 mit:

Bund, Länder und Kommunen müssten sich in den nächsten Jahren auf sinkende Steuereinnahmen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß gefasst machen. Allein von 2010 bis 2012 werden nach der aktuellen Steuerschätzung kommunale Steuereinnahmen in einem Umfang von 35 Mrd. Euro fehlen. Noch in diesem Jahr würden sich die Einnahmen der Kommunen aus der Gewerbesteuer als wichtigste kommunale Steuerquelle um bis zu 15 % verringern.3

Die Nachwirkungen der Finanzkrise und die Finanznot der Kommunen und der Länder lassen die Bibliotheksetats also nicht in den Himmel wachsen. Selbst wenn die Bibliotheksnutzung weiterhin steigt, ist es zweifelhaft, ob sich allein durch die Bekanntmachung dieser gestiegenen Nutzung in der Lokalpresse direkte Verbesserungen für die finanzielle Situation ableiten lassen – also mehr Geld aus dem Stadt- oder Landessäckel. Führt also weniger Geld zu einem eingeschränkten Leistungsspektrum? Welche Aufgaben- 2 Deutscher Bibliotheksverband (2010). Bericht zur Lage der Bibliotheken,

www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/publikationen/Bericht_zur_Lage_der_Bibliotheken_2010_01.pdf.

3 Deutscher Landkreistag, Homepage: www.landkreistag.de/.

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bereiche können oder wollen Bibliotheken sich noch leisten? Reicht das Geld noch für die ‚Bibliothek für alle‘? Welche Schwerpunkte und Prioritäten müssen gesetzt werden?

Vor diesen Fragen und der Notwendigkeit schlüssiger Antworten stehen faktisch alle Bibliotheken. Solche Bibliotheken, die eine strategische Aus-richtung ihres Hauses im Rahmen des Projektes „Bibliothekskonzeptionen“ vorgenommen haben, berichten teilweise von positiven Effekten auf Öffnungszeiten, Etat oder Personalstand – siehe dazu auch die Ergebnisse zur Projektevaluation weiter unten. Eine klar kommunizierbare Ausrichtung der Bibliotheksarbeit und ein langfristiger und mit dem Gemeinderat abgestimmter Plan helfen also bei der Profilierung nach außen und können zur Sicherung und zielgerichteteren Nutzung von Ressourcen beitragen.

Bildung und Gesellschaft

Weniger – älter – bunter: Das ist die Botschaft des demographischen Wandels. Ganz besonders in Deutschland kündigen sich durch das sehr niedrige Bevölkerungswachstum konkrete Auswirkungen für die Gesellschaft an. Die Geburtenraten sinken, viele Menschen erreichen ein höheres Alter, und Migration ist in vielen Teilen Deutschlands ein bedeutsames Thema.4 So sprach der Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart beim Richtfest für die neue Zentralbibliothek die Tatsache an, dass ein hoher Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen in Stuttgart über einen Migrationshintergrund verfügte und die neue Bibliothek für diese Zielgruppe eine besondere Bedeutung habe.5 Sind die Folgen aus diesen Entwicklungen kleinere Kinderbibliotheken, mehr externe Bibliotheksdienste für Senioren oder ein deutlich höherer Bestand an zweisprachigen Inhalten? Welche Konsequenzen muss jede Bibliothek aus diesen Entwicklungen ziehen? Hinzu kommen die bekannten Veränderungs-erscheinungen unserer pluralistischen Gesellschaftsform: Ein-Eltern-Familien brauchen andere Unterstützungsstrukturen – auch im Kultur- und Bildungs-bereich – als die ‚klassische‘ Familie.

Durch den Wegfall der Mehrgenerationen-Familie und die Veränderung nachbarschaftlicher Strukturen fehlt in vielen Fällen der ‚persönliche Rat‘, den beispielsweise Elternbibliotheken in Form von Buch-Ratgebern verstärkt 4 Bertelsmann Stiftung (2010). Demographie konkret - soziale Segregation in

deutschen Großstädten. Daten und Handlungskonzepte für eine integrative Stadtpolitik. Gütersloh: Verl. Bertelsmann Stiftung.

5 Eigene Mitschrift des Autors.

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anbieten. Viele Bibliothekare berichten von veränderten Lesegewohnheiten in der Familie – es wird weniger vorgelesen, und in vielen Elternhäusern fehlt durch die Berufstätigkeit beider Eltern häufig die Zeit, sich mit dem Lesen in der notwendigen Weise auseinanderzusetzen – hier springt die Bibliothek gemeinsam mit der Schule in die Bresche, stößt dabei aber auch oft an ihre Grenzen. Diese sollten in einem übergreifenden Konzept auch definiert werden. Weniger und mehr ältere Menschen führen im Ergebnis zu einer längeren Lebensarbeitszeit und der verstärkten Notwendigkeit des lebens-langen Lernens: Der kürzere Abstand technischer Innovationen und wechselnde Aufgaben in einer Organisation erfordern die ständige Neu-orientierung des Arbeitnehmers.

Das Thema ‚Lernen‘ insgesamt bildet darüber hinaus eine spannende Schnittstelle zwischen Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken. Wer heute eine moderne Wissenschaftliche Bibliothek wie das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin oder die SLUB Dresden besucht, findet in den Lesesälen Scharen von Studenten an ihren Notebooks vor, die über das WLAN gleichzeitig mit den Bibliotheksressourcen und ihren Mitstudenten verbunden sind, parallel aber die konzentrierte Ruhe einer großen Bildungsinstitution als inneres Schwungrad für ihre akademischen Aufgabenstellungen nutzen. Damit wird auch die Frage der Partnerschaft zwischen verschiedenen Bibliothekstypen aufgeworfen. Wie können diese vielen Aspekte in einer schlüssigen Vorgehensweise gebündelt werden? Jede Bibliothek muss für sich die Frage beantworten, wie der Wandel hin zu neuen entsprechenden Angeboten auf eine fundierte Basis mit einer strategischen Ausrichtung gestellt werden kann. Eine Bibliothekskonzeption bietet diese Möglichkeit.

Wettbewerb und Wissensökonomie

Im 21. Jahrhundert haben auch rohstoffarme Staaten wie Finnland, Dänemark oder die Schweiz eine reelle Chance zum Erfolg auf dem Weltmarkt.6 Diese Länder haben es größtenteils geschafft, ihr Bildungssystem so zu optimieren, dass jeder Mensch die Chance zur größtmöglichen Nutzung seines

6 GREIVE, M., & WILDERMANN, J. (2009). World Economic Forum: Diese

Länder sind im Wettbewerb am stärksten. Die Welt, Online-Ausgabe vom 08.09.2009, www.welt.de/wirtschaft/article4487672/Diese-Laender-sind-im-Wettbewerb-am-staerksten.html.

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individuellen Potenzials erhält.7 Auch, wenn Deutschland durch seinen Export-schwerpunkt aktuell am Weltmarkt viele Vorteile erzielen kann, so kommt es um eine weitreichende Verbesserung seines Bildungssystems nicht herum. Zwar sind zwischenzeitlich einige PISA-Ergebnisse – beispielsweise im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich – deutlich besser als zu Beginn der Messungen, die Lesekompetenz lässt in vielen Bundesländern aber weiterhin zu wünschen übrig.8

Zur künftigen Aufgabenstellung vor dem Hintergrund des demographischen Wandels gehört es also, aus jedem Menschen ‚das Beste herauszuholen‘, das Weniger an Menschen mit einem Mehr an Bildung auszugleichen und damit die Konkurrenzfähigkeit zu sichern. In diesem Prozess können Bibliotheken eine Schlüsselrolle übernehmen. Aber welcher Politiker und Bildungsexperte denkt dabei bisher an Bibliotheken? Eine klare Profilierung hilft bei der ‚Sichtbarmachung‘ der Wirkung von Bibliotheksarbeit. Wenn Bibliothekare in diesem Bereich eine erweiterte Rolle übernehmen wollen, sind aber auch die Fortbildung und Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen relevant. Alles dies kann in einer zukunftsorientierten und schriftlich fixierten Strategie für eine Bibliothek zusammengeführt werden: in einer Bibliothekskonzeption.

Medien und Internet

Das Internet mit seinen Werkzeugen wie Wikipedia oder Suchmaschinen wie Google trägt dazu bei, dass immer mehr Informationen von zuhause aus abgerufen werden können. Hinzu kommt die immer stärker werdende Nutzung von Smartphones und anderen mobilen Geräten, durch die Informationen von fast jedem Ort aus abgerufen werden können.9 Viele Bibliotheken haben sich früh auf die neuen Technologien eingestellt und bieten den Zugriff auf

7 Innovationsindikator Deutschland (2009). Ein Vergleich der Innovations-

fähigkeit in den wichtigsten Industrieländern. www.innovationsindikator.de/der-innovationsindikator/kurzbericht/, Abschnitt „Bildungssysteme im Vergleich“.

8 Pisa 2009: Deutschland holt auf / Bundesministerium für Bildung und Forschung, www.bmbf.de/de/899.php.

9 Smartphones gewinnen an Fahrtwind in Deutschland. Pressemitteilung vom 12.02.2011 der comScore Inc., www.comscore.com/ger/Press_Events/Press_Releases/2011/1/Google_Android_Shows_Fastest_Growth_Among_Smartphone_Platforms_in_Germany.

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Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken 33

bibliographische Informationen sowie, durch Werkzeuge wie „Munzinger online“ oder die „Onleihe“ der DiViBib GmbH, sogar auf konkrete Inhalte an. Hier besteht die Chance, neue Zielgruppen wie ‚Postmaterielle‘ oder ‚Moderne Performer‘ zu erreichen, die gleichzeitig besonders techniknah und biblio-theksfreundlich eingestellt sind.10 Diese Entwicklungen führen zu der Frage: Stehen wir bald vor immer leerer werdenden Bibliotheken? Es scheint fast so, dass die Zahl der Medien abnimmt, die Zahl der Besucher aber deutlich spürbar steigt. Mehr Tische, Sitzmöglichkeiten und Lernbereiche? Wie strukturieren? Diese Fragen müssen von den Bibliothekaren beantwortet werden, wenn sie auch weiterhin den Wandel erfolgreich gestalten wollen – so wie in den ersten 15 Jahren der weltweiten Internetnutzung, die hinter uns liegen. Erste Beispiele für Antworten finden sich in den konkreten Praxisbeispielen auf den folgenden Seiten.

Lohnt sich strategische Arbeit?

Die am Projekt beteiligten Bibliotheken haben im Lauf des gemeinsamen Projektes immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich um zeitintensive, aufwändige und manchmal auch Kopfschmerz bereitende Mehrarbeit gehandelt hat.

Kein Wunder: Strategisches Denken ist in vielen gesellschaftlichen Hand-lungsfeldern eher die Ausnahme und muss eingeübt werden. Auch die Aufbereitung komplexer Daten, die Einbindung der lokalen Bibliotheksteams, die Formulierung von messbaren Zielen und die Definition der richtigen Partner brauchen oft Zeit und Reflexion.

Am Ende steht neben dem schriftlichen Konzept und einer neuen Klarheit über die Bibliotheksausrichtung auch die Frage: Hat es sich gelohnt? War es das wert? Aus diesem Grund hat die ekz.bibliotheksservice am Ende der jeweiligen Projektlaufzeit eine Befragung der teilnehmenden Bibliotheken durchgeführt, von der wir hier ausgewählte Ergebnisse der Bundesländer Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen wiedergeben wollen.

10 Börsenverein des Deutschen Buchhandels (2005). Buchkäufer und Leser

2005. Profile, Motive, Wünsche. Verbraucherstudie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und Sinus Sociovision (2005). www.boersenverein. de/sixcms/media.php/976/Verbraucherstudie_Presse%20neu.pdf.

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• Zunächst zu den Rückmeldequoten: Antworten auf den Fragebogen erhielten wir in Bayern von 47 %, in Hessen von 54 %, in Sachsen von 64 %, in Schleswig-Holstein von 75 % und in Thüringen von 53 % der Teilnehmer.

• Auf die Frage: „Würden Sie wieder an diesem Projekt teilnehmen?“ antworteten mit „Ja“ in Bayern 86 %, in Hessen 86 %, in Schleswig-Holstein 71,4 %, in Sachsen 78 % und in Thüringen 75 %.

• Auf die Frage „Wie wichtig ist das Projekt für die Zukunftssicherung Ihrer Bibliothek?“ nutzten zusammengefasst die Antwortmöglichkeiten „unerlässlich“, „sehr wichtig“ oder „wichtig“ in Bayern 57 %, in Hessen 86 %, in Schleswig-Holstein 44 %, in Sachsen 100 % und in Thüringen 75 %.

Fast alle anderen Befragten und damit der kleinere Teil nutzten die Antwortmöglichkeit „Wahrscheinlich von Nutzen“. Nur eine einzige Bibliothek im Gesamtfeld der genannten Bundesländer antwortete mit „Für die Zukunftssicherung hat das Projekt keine Bedeutung“.

Als besonders aufschlussreich stellen sich die freien Antworten auf die Frage nach den tatsächlichen Auswirkungen dar: „Können Sie bereits über konkrete Auswirkungen des Projektes in Ihrer Bibliothek berichten?“

• „Bereits während des Projektes lieferten die Ergebnisse (Umfeld-analyse, Zielgruppen ...) sehr oft Argumente gegenüber Trägern und Politik und trugen damit zur Transparenz der Arbeit bei.“

• „Schon während der Erarbeitung verschiedener Maßnahmen wurde mit deren Ausführung begonnen. Auch ehrenamtliche Mitarbeiter wurden gewonnen.“

• „Sehr gute Argumentationsgrundlage!“ • „Auch die Schwerpunkte unserer Arbeit haben sich bereits verlagert.“ • „Es wird Auswirkungen haben auf Arbeitsabläufe, Verteilung von

Medienmitteln auf Zielgruppenarbeit, Öffnungszeiten, Selbst-verständnis der Mitarbeiter.“

• „Erste Erkenntnisse: Zielgruppen definiert, intensive Diskussionen, Klarheiten über Möglichkeiten und Grenzen der Bibliotheksarbeit – Was kann die Bibliothek leisten?“

• „Erweiterte Öffnungszeiten.“ • „Halbtagsstelle und 400-Euro-Kraft genehmigt.“ • „Steigende Ausleihzahlen.“ • „Mehr Neuanmeldungen aus den formulierten Zielgruppen.“ • „Neue Kontakte zur Grundschule, neue Führungen erarbeitet.“

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Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken 35

• „Erweiterung der Bibliothek hat höhere Dringlichkeit.“ • „Verständnis für die beengte Raumsituation der Bibliothek durch das

Konzept.“ • „Schwerpunkte im Bestandsaufbau verändert.“ • „Zustimmung und positives Echo aus der Politik.“ • „Fortbildungen der Mitarbeiter erfolgten verstärkt am Bedarf der

Maßnahmen.“

Sehr zurückhaltend und heterogen fielen schließlich die Antworten auf die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit der Unterstützung Ihrer Entscheidungs-gremien vor Ort für das Projekt?“ aus.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Voraussetzungen geben wir hier keine detaillierten Zahlen über das Gesamtprojekt wieder, haben aber als Beispiele für die Spannweite der Bewertungen Bayern und Sachsen ausgewählt: In Bayern wurde zweimal die Schulnote „4“ und zweimal eine „3“ vergeben sowie zweimal eine „2“ und einmal eine „1“.

Der Durchschnitt beträgt hier 3,16. In Sachsen hingegen gab es eine „6“, zweimal die „5“, eine „4“ sowie zweimal eine „3“ und dreimal eine „2“ für die kommunalen Entscheider. Durchschnitt: 5,33.

Lobbyarbeit im Großen spiegelt sich im Kleinen wider

Diese in die negative Richtung weisenden Bewertungen zeigen, wie ausbaufähig einerseits der Dialog zwischen den kommunalen Entscheidern und den Bibliotheken ist, andererseits unterstreichen die Ergebnisse aber auch noch einmal die Notwendigkeit einer ständigen Kommunikation und ‚hartnäckigen‘ Öffentlichkeitsarbeit seitens der Bibliothek in Richtung Politik.

Der Bedarf nach ‚Lobbyarbeit im Großen‘ in der deutschen Politik-wirklichkeit für Bibliotheken spiegelt sich ganz klar im Kleinen wider. Konkrete Beispiele für die Unzufriedenheit mit der mangelnden Unterstützung durch die kommunalen Entscheider wurden in Thüringen auf die Frage „Welche Unterstützung hätten Sie sich gewünscht?“ beispielsweise so formuliert:

• „Mehr nutzbringende Diskussion und mehr Mitsprache bei den fachlichen Belangen auch bezüglich der Arbeiten in der Bibliothek.“

• „Ich wünsche mir Vorlage vor Ausschüssen und Beschluss durch Stadtrat.“

• „Sehr gute Unterstützung von Seiten der Referatsleiterin.“ • „Gefreut über positive Reaktion, Tenor ‚Ihr habt euch Gedanken

gemacht ...‘ aber leider keine Reaktion.“

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36 Andreas Mittrowann

• „Arbeit und Ergebnis wurden ‚wohlwollend‘ zur Kenntnis genommen, mit Erstaunen ob des Umfangs, konkrete Aussagen zur Umsetzung fehlen noch durch die Verwaltung.“

• „Anerkennung der Arbeit einer Bibliothek in ihrer Stadt.“

Fazit

Eine Bibliothekskonzeption als strategisches Instrument kann also für die politische Wirkung, die Bürgerorientierung und die Qualitätsausrichtung ein essentieller Baustein sein. Die Herausgeber haben sich vor diesem Hintergrund entschlossen, die Begriffe „Bibliothekskonzeption“ und „Bibliotheksstrategie“ in dieser Publikation als synonym zu betrachten.

Wir verstehen beide Wörter als Bezeichnungen für eine fundierte, zukunfts-orientierte, mit einer Ist-Analyse und einem Soll-Konzept sowie klar definierten Zielen versehenen Vorgehensweise. Grundsätzlich gilt: Strate-gische Arbeit wirkt nicht sofort.

Auch wenn eine fertige Konzeption vorliegt, muss sie mit Geduld und Kontinuität zu den verschiedenen Zielgruppen im Umfeld der Bibliothek transportiert werden. Die Ergebnisse der Evaluation unseres Projektes machen jedoch deutlich, um was für einen lohnenswerten Prozess es sich handelt. Die folgenden Seiten zeigen, wie es gehen kann.

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Inhalte einer Bibliothekskonzeption Gliederungsstruktur und Erfahrungen

MEINHARD MOTZKO

Der Beitrag leitet die Gliederungsstruktur einer Bibliothekskonzeption aus Umfeldanalyse und Problemlagenbewertung her. Er begründet, warum Ziel-gruppenschwerpunkte und messbare Ziele künftig Grundlagen jeder Bestands-entscheidung, jeder Entscheidung über Räume, Technik, Organisation, Öffnungszeiten usw. sein müssen. Er schlägt ein ausführliches Gliederungs-raster für Bibliothekskonzeptionen vor, das bereits in vielen Bibliotheken erfolgreich erprobt wurde.

Einleitung

Bibliotheken arbeiten zwar nicht konzeptionslos, allerdings haben nur die wenigsten ihre konzeptionellen Grundlagen formuliert bzw. als Auftrags-grundlage vom Träger beschließen lassen. Das führt zu einer Situation, in der falsche Bilder über die Arbeit in den heutigen Öffentlichen Bibliotheken nicht nur bei Entscheidungsträgern weit verbreitet sind. Allzu oft wird die Bibli-othek mit dem Stand der eigenen (Kindheits)Erinnerung assoziiert: eine Büchersammlung mit rigiden Nutzungsbedingungen (Psst!), strengem Personal und wenig Freiräumen – die Leihbücherei der 1950/60er Jahre. Dieses Klischee hält sich hartnäckig und muss gründlich widerlegt werden. Kaum eine öffentlich geförderte Einrichtung genießt bei Verantwortlichen in Politik und Verwaltung so wenig Aufmerksamkeit wie die Öffentliche Bibliothek. Die Bibliotheken können machen, was sie wollen – und tun das auch. Auch darum ist eine schriftliche Konzeption so wichtig.

Innerhalb der Teams gibt es meist höchst unterschiedliche Auffassungen über die ‚richtige‘ Ausrichtung der Bibliothek. Zu groß sind in den Teams die biografischen Unterschiede, der Stand der Qualifikationen, die Akzeptanz auch schwieriger Zielgruppen in einer sich immer mehr ausdifferenzierenden Gesellschaft, die Nähe oder Ferne zu neuen Lebensstilen und Medien-gewohnheiten. Die Niederlegung einer Konzeption erzwingt eine Klärung dieser oft unter der Oberfläche brodelnden Konflikte und hat die Chance, das Team für eine gemeinsame Ausrichtung zu gewinnen.

Die Ressourcen in Öffentlichen Bibliotheken, insbesondere die Personal-ressourcen, sind in den letzten Jahren so weit gesunken, dass längst nur noch

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38 Meinhard Motzko

eine Basisfunktion angeboten werden kann. Viele Zweigstellen wurden geschlossen, Öffnungszeiten reduziert, Medienbestände veralten, der tech-nische Modernisierungsrückstand wird immer größer. Trotzdem versuchen die verbliebenen Bibliothekare oft weit über eine akzeptable Belastungsgrenze hinaus das ‚vollständige‘ Grundangebot aufrechtzuhalten und sich technischen Modernisierungen zu stellen. Eine Konzeption schafft die Möglichkeit, Schwerpunkte zu setzen und auch deutlich zu sagen, was künftig nicht mehr geht.

Die Grundlagen Öffentlicher Bibliotheken (KGSt Empfehlungen, Bibliotheken ´93 usw.) sind hoffnungslos veraltet und stammen weitgehend aus Zeiten, als es noch keine Computer gab (geschweige denn SMS, MP3, Facebook usw.). Es gibt keine bundesweit gültigen Standards oder Qualitäts-merkmale, die eine moderne Öffentliche Bibliothek erfüllen müsste. Manche, auch von Bibliotheksverbänden nach wie vor geforderten Standards sind zumindest missverständlich:

• 2 Medien pro Einwohner: Was wird da eigentlich gezählt, auch online zugängliche Medien?

• 30 m2 pro 1 000 Medien: Werden Räume nur für die Medienaufstellung gebraucht? Wo bleiben Veranstaltungsflächen, Treffpunkträume, Internet-Arbeitsplätze, ein Lesecafé?

• Anzahl der Ausleihen als Qualitätsmerkmal: Sollen Bibliotheken ‚Umsatzschieber‘ sein, oder ist die (oft mühsame) Leseförderung nicht wichtiger (auch wenn diese keinen Umsatz bringt)?

• Anzahl der Besucher als Qualitätsmerkmal: Macht es da die Masse? Ist es egal, wer da kommt?

Die IT-Systeme und auch ein großer Teil der bundesweiten Bibliotheksstatistik (DBS) basieren auf einer Ausleihstatistik, nicht auf einer Nutzungsstatistik. Es kann zwar sehr genau gesagt werden, welche Medien wie oft ausgeliehen werden, aber Strukturdaten über die Kunden liegen kaum vor. Da weiß jeder Baumarkt mehr über seine Kunden als die Öffentlichen Bibliotheken.

Was ist wichtiger: Die Angebotsstruktur oder die Kundenstruktur?

Öffentliche Bibliotheken orientieren ihre Arbeit nur selten an harten Daten und Fakten. Man hat zwar ein ‚Gefühl‘, wer da so im Einzugsbereich wohnt, weiß es aber nicht genau. Und über Prognosen sind allenfalls allgemeine Zukunfts-annahmen im Hinterkopf, obwohl das heute auch für kleine Sozialräume sehr genau prognostiziert werden kann.

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Inhalte einer Bibliothekskonzeption 39

Auch das Einzugsgebiet ist für die meisten Öffentlichen Bibliotheken nicht klar. Zwar kann man feststellen, wie hoch der Anteil ‚auswärtiger‘ Kunden ist, aber es ist ungeklärt, ob das positiv oder negativ ist. Ohne ein klar begrenztes Einzugsgebiet kann allerdings niemand eine Zielgruppenanalyse betreiben, wirkungsvolle Maßnahmen in der Öffentlichkeitsarbeit entwickeln, messbare Ziele aufstellen oder den Erfolg der eigenen Anstrengungen feststellen.

Über zentrale Strukturdaten liegen in vielen Gemeinden auch keine statistischen Daten vor (weil das keiner wissen will): So ist z. B. in vielen kleineren Städten und Gemeinden noch immer weitgehend unbekannt, wie viele ihrer Bürger einen Migrationshintergrund haben. Da wird immer noch mit der ‚Ausländerstatistik‘ gearbeitet, obwohl jeder weiß, dass damit allenfalls die Hälfte der Migranten erfasst wird. Und dann wundert man sich, dass in vielen Kindergärten und Grundschulen der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund schon weit über 50 % liegt.

In Zeiten knapper Kassen werden öffentlich geförderte Einrichtungen immer stärker danach beurteilt, wie hoch ihr Problemlösungsbeitrag für die Gesell-schaft ist. Das gilt inzwischen auch für Kultureinrichtungen wie Theater, Musikschulen und natürlich auch für Öffentliche Bibliotheken. „Problem-lösungen? Seit wann sind wir Sozialarbeiter? Damit haben wir nichts zu tun.“ Diese oder ähnliche Positionen, denen ein Verständnis bürgerlicher Hochkultur zugrunde liegt, sind wohl nicht in der Mehrheit, aber auch nicht selten in Öffentlichen Bibliotheken anzutreffen. Dabei sind Bibliotheken bei einigen gravierenden Zukunftsproblemen unserer Gesellschaft oft sogar die Einzigen, die hier ein Alleinstellungsmerkmal haben könnten, z. B.:

• Informationsbereitstellung und Vermittlung von Medien- und Recherchekompetenz in einer Informationsgesellschaft,

• Leseförderung nach dem PISA-Schock als Schlüsselqualifikation für Bildung schlechthin,

• Strategien gegen die „Digitale Spaltung“.

Schwerpunktsetzungen

Bibliotheken sind Problemlöser! Darum sind sie auch unverzichtbar! Reine Mediensammlungen und ‚Büchermuseen‘ müssen nicht öffentlich gefördert werden. Nur wenn Bibliotheken deutlich machen können, in welcher Weise sie zu Problemlösungen beitragen, haben sie eine Chance auf öffentliche Finan-zierung, die dann aber auch dem Aufgabenprofil entsprechen muss.

Aus den harten Daten der Bevölkerungsstruktur im definierten Einzugs-gebiet und den diagnostizierten Problemlagen ergibt sich eine Aufgaben-struktur, die zwingend Schwerpunktsetzungen erfordert: Der Abschied von der

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„Bibliothek für alle“ ist unabdingbar, trifft viele Mitarbeiter in Bibliotheken aber in den Grundfesten: Das war doch bisher die Leitorientierung! Und jetzt soll alles anders werden?

Zielgruppenschwerpunkte sind die unabdingbare Konsequenz! Aber welche Schwerpunkte sollen gesetzt werden? Wie lassen sich Zielgruppen konkret benennen, wenn Unterscheidungsmerkmale wie Alter und Geschlecht in unserer sehr ausdifferenzierten Gesellschaft nicht mehr ausreichen?

Diese Fragen nach den Zielgruppenschwerpunkten ist die wohl schwierigste in einer Bibliothekskonzeption. Das gilt auch für messbare Ziele. Hauptgrund dafür ist eine bisher weitgehend rückwärts gewandte ‚Berichtskultur‘. Man schaut sich das zurückliegende Jahr an (Jahresbericht) und findet es meistens „ganz in Ordnung“, oder manchmal auch: „hätte etwas mehr sein können“. Konkrete messbare Ziele für eine Zukunftsperiode sind die große Ausnahme. Und man liefert den Entscheidungsträgern (trotz enormer innerer Widerstände) immer noch die falschen Daten als Qualitätsmerkmale (Anzahl der Ausleihen, Anzahl der Besuche usw.). Vorschläge für messbare Ziele in der Zukunft? Fehlanzeige.

Aber man hat jeden Tag eine neue Idee für neue Maßnahmen (oder hat von erfolgreichen Projekten gehört, die man jetzt auch ausprobieren möchte): Man „rödelt sich zu Tode“, und dann kommt da einer, der wissen will: „Was wolltet Ihr damit eigentlich erreichen? Was sollte dabei herauskommen?“ Eine Frage, die bei der Alltagsbelastung als Affront empfunden wird. Dabei ist es doch ganz einfach: Ohne Ziel ist jeder Weg der falsche (Koran).

Ohne eine Orientierung ... • an den harten Daten und Fakten im Einzugsgebiet, • an den Problemlagen im Medienzeitalter, • an Schwerpunktzielgruppen, • an messbaren Zielen

... kann kein Maßnahmenkatalog einer Öffentlichen Bibliothek sinnvoll entwickelt werden:

• Wo muss die Bibliothek stehen und welche Räume braucht sie? • Welche Öffnungszeiten sind ‚zielgruppengerecht‘? • Welcher Bestand muss angeboten werden? • Wer soll auf welche Veranstaltungen kommen und warum? • Wer sind die richtigen Kooperationspartner? • Welche Formen der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit sind

treffsicher?

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Inhalte einer Bibliothekskonzeption 41

• Welche Technik und welche modernen Medien und Kommunikations-mittel müssen eingesetzt und bereitgestellt werden?

• Welche personellen und finanziellen Ressourcen braucht die Bibliothek?

• Wie muss sie nach innen und außen organisiert sein? • Mit welchen Daten und Fakten weist die Bibliothek ihren Erfolg nach?

Alle diese Fragen lassen sich ohne eine Klärung der o. a. Grundsatzfragen nicht beantworten. Dennoch wird das massenhaft getan. Und oft in der Tendenz auch gar nicht falsch. Das ‚Bauchgefühl‘ ist ja oft auch ganz richtig. Nur lässt sich damit schwer argumentieren. Vor allem, wenn es mal wieder um Kürzungen und Sparmaßnahmen geht.

Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses wurde in allen bisher durch-geführten Projekten zur Entwicklung von Bibliothekskonzeptionen nach einem gemeinsamen Gliederungsraster gearbeitet. Dieses Gliederungsraster wurde den aktuellen Entwicklungen immer wieder angepasst, hat seine grundsätzliche Struktur aber weitgehend beibehalten. Es wird am Ende dieses Beitrags abgebildet und gern zur Benutzung empfohlen.

Erfahrungen

Orientierung an harten Daten und Fakten!

Der Ansatz, eine Bibliothekskonzeption auf der Basis harter Daten und Fakten aus dem Einzugsgebiet der Bibliothek heraus zu entwickeln, überrascht besonders Entscheidungsträger. Das sind sie, vor allem von Kultureinrich-tungen, nicht gewohnt. Entsprechend groß ist die positive Wirkung, zumal viele Ergebnisse der Recherchen von Entscheidungsgremien auch für andere Politikfelder (Bildung, Soziales, Stadtentwicklung usw.) genutzt werden können. So machen Bibliotheken auch deutlich, welch großes Recherche-potenzial in ihnen liegt (das haben viele Entscheidungsträger den Bibliotheken gar nicht zugetraut).

Bibliotheken als Problemlöser!

Eine Orientierung an Problemlösungen ist ebenfalls eine große Überraschung für Entscheidungsträger (aber auch für manche Teammitglieder). Dass Bibliotheken keine ‚Luxus-Kultureinrichtungen‘ für eine literaturbegeisterte Elite sind, sondern dass sie unverzichtbare Beiträge zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen der Bildung (z. B. Lesekompetenz) leisten, wird vielen Entscheidungsträgern erst mit der Konzeption klar. Zu oft werden

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42 Meinhard Motzko

Bibliotheken nur mit dem verbunden, was man von außen sehen kann: Das Herausgeben und Zurücknehmen von Büchern und Medien. Alles andere sieht man nicht und nimmt es demzufolge auch nicht als Kerngeschäft einer Bibliothek wahr. „Das wusste ich ja gar nicht!“ oder „Das hätte ich nicht gedacht!“ sind häufige Originaltöne bei Entscheidungsträgern nach der Vorstellung der Konzepte.

Abschied von der „Bibliothek für alle“

So schwer den Bibliotheken eine Schwerpunktsetzung auf Zielgruppen auch fällt: Entscheidungsträgern ist das schneller klar als manchem Teammitglied. Ihnen ist längst klar, dass die Ressourcen keine „Bibliothek für alle“ ermög-lichen. Mit einer klaren Schwerpunktsetzung, zu der auch gehört, bestimmte Aktivitäten künftig aufzugeben, rennen Bibliotheken bei vielen Entscheidungs-trägern offene Türen ein.

In diesem Punkt sind die Widerstände in den Teams größer als bei den Entscheidungsträgern. Das ist ein Paradigmenwechsel: Sich künftig auf Problemlösungsziele zu konzentrieren – und dafür manch liebgewonnenes Format aufzugeben; das ist eine schwere Entscheidung.

Hier liegt die erste große Hürde bei der Entwicklung von Konzeptionen: Das Team muss mitgenommen und gewonnen werden. Das ist mit der Botschaft, künftig problemlösungsorientiert zu arbeiten, nicht einfach.

Auch die Definition von Zielgruppen auf der Basis neuester soziologischer Erkenntnisse (z. B. Milieuforschung) fällt schwer. Zu lange wurde der Illusion aufgesessen, eine Kinderbibliothek oder eine Jugendabteilung wäre doch genug der Zielgruppendifferenzierung.

Sich künftig mit ‚Hedonisten‘ und ‚Konsum-Materialisten‘ zu beschäftigen, ist für viele Teammitglieder völlig neu, aber es weckt auch Neugierde. Denn Zweifel an der Treffsicherheit der allgemeinen Zielgruppen „Kinder“, „Jugendliche“ oder – noch schlimmer – „Senioren“ hatten viele schon lange.

Messbare Ziele und Leistungsversprechen

Mit dem traditionellen Verzicht auf die Formulierung messbarer Ziele kann man sich in eine Vielzahl von Maßnahmen stürzen. Das ist konkret, praktisch und macht manchmal sogar Spaß. Irgendwas Gutes wird dabei schon heraus-kommen. Wirklich? Kann man das beweisen?

Dass es einer Kultureinrichtung (oder doch besser Bildungseinrichtung?) wie der Bibliothek gelingen kann, messbare Ziele zu entwickeln und im Sinne klarer Leistungsversprechen auch zu formulieren und regelmäßig zu evalu-ieren, das überrascht nicht nur Entscheidungsträger. Auch so manche andere

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Inhalte einer Bibliothekskonzeption 43

Kultur- oder Bildungseinrichtung horcht da auf: Müssen sie das künftig auch tun?

Obwohl in vielen Steuerungseinheiten auch in der öffentlichen Verwaltung das Prinzip des „Steuerns durch Ziele“ eingeführt wurde, ist das (Zwi-schen)Ergebnis doch meist beschämend: Da wird bei Zielen ‚geblubbert‘, dass die Blasen nur so platzen: „Beitrag zur Verbesserung der Bildungschancen“, „Verbesserung der kulturellen Bildung“ usw.

Und nun kommen ausgerechnet Bibliotheken daher und machen es vor: Klare Nutzungsziele für unterschiedliche Zielgruppen mit Prozentangaben, die Senkung des Leseförderbedarfs vor der Einschulung um x %, da sind viele dann doch sehr überrascht.

Allerdings soll auch nicht verschwiegen werden, wie schwer sich (nicht nur) Bibliotheksteams tun, Ziele von Aufgaben und Maßnahmen zu unterscheiden. Die o. a. langjährige Maßnahmenorientierung („rödeln bis man umfällt“) macht es schwer, nun erstmal innezuhalten und sich zu fragen: Was sollte eigentlich dabei herauskommen? Warum machen wir das eigentlich? Wie könnte man dann Erfolge unseres Tuns messen? Sind unsere bisherigen Messinstrumente (z. B. Anzahl der Besuche, Anzahl der Ausleihen) nicht sogar falsch und kontraproduktiv? Welche brauchen wir stattdessen?

Ressourcen und Organisation folgt Aufgabe

Die Diskussionen und letztlich auch Entscheidungen über messbare Ziele sind der Schlüssel für alle weiteren Themen und Aufgaben einer Bibliotheks-konzeption. Das ist für Viele neu: Dass sogar Öffnungszeiten von den Ziel-gruppen und Zielen abhängen, wird noch einzusehen sein, aber auch

• Kooperationspartner, • Kommunikationsformen, • Fragen der Organisation, • Stand der Technik, • Personalanforderungen?

Diese Themen wurden scheinbar getrennt von der inhaltlichen Ausrichtung. Wenn im Rahmen der Konzeption die Grundorientierungen klar und deutlich (ja sogar messbar) auf dem Tisch liegen, fallen Entscheidungen über die Konsequenzen nicht mehr schwer. Jetzt gibt es inhaltliche Grundlagen und Begründungen für jedes der o. a. Themen:

• Wer sind künftig die Kooperationspartner, wer nicht mehr? • Wo und mit welchen Mitteln wird künftig Öffentlichkeitsarbeit

betrieben? Wer muss da erreicht werden (und wer nicht)?

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44 Meinhard Motzko

• Welche Formen der Organisation und welchen Führungsstil brauchen wir künftig? Welche Arbeitsabläufe müssen wir regeln, welche nicht?

• Welche Technik, welche Räume, welche Medien, welche Software brauchen wir (und welche nicht)?

• Welches Personal brauchen wir künftig? Muss es eigentlich immer eine Bibliothekarin oder ein Bibliothekar sein?

• usw.

Und jetzt können Ressourcenforderungen zum ersten Mal mit Leistungs-versprechen verbunden werden. Da überrascht es nicht, dass so manche Bibliothekskonzeption zu besserer Ressourcenausstattung geführt hat. Das überzeugt nämlich und wird oft auch honoriert: Wer klarmachen kann, was beim Ressourceneinsatz herauskommt, der bekommt diese Ressourcen auch eher.

Vom Bibliothekskonzept zum Qualitätsmanagement

Eine besondere Entwicklung gab es im Bundesland Niedersachsen. Nach der Entwicklung von Bibliothekskonzeptionen entstand sowohl in der Bücherei-zentrale Niedersachsen als auch bei vielen beteiligten Bibliotheken der Wunsch nach einer Verallgemeinerung der Erfahrungen: Warum entwickeln wir nicht Kriterien für moderne Bibliotheken und führen sie verbindlich ein? Natürlich freiwillig aber mit wertvoller Auszeichnung (Zertifikat)? Nach kurzer Befassung mit den Alternativen entschied man sich, an die bereits im Bibliothekswesen vorliegenden Erfahrungen mit vergleichbaren Projekten in Südtirol, bei Kunst- und Museumsbibliotheken und bei den weltweit tätigen Informationseinrichtungen der Goethe-Institute anzuknüpfen. Heraus-gekommen ist ein bundesweit (noch) einmaliges Ergebnis eines umfassenden Qualitätsmanagement-Programms mit klaren Kriterien, einem systematischen Auditverfahren, kontinuierlicher Verbesserung und Anpassung der Kriterien und drei Jahre gültigem Zertifikat (unterzeichnet von der zuständigen Ministerin oder dem Minister.1

1 Einzelheiten finden sich unter: www.bz-niedersachsen.de/cms /final_index.php?type=dl-list&pw=# -> QS Bewertungsverfahren -> QS Kriterienkatalog.

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Inhalte einer Bibliothekskonzeption 45

Gliederungsraster einer Bibliothekskonzeption

0 Einleitung

• Beschreibung der Ausgangsbedingungen für die Konzeptdiskussion, • Beschreibung einer Vision für die Bibliotheksentwicklung.

1 Umfeldanalyse

• Besonderheiten zur geografischen Lage im jeweiligen Umfeld, z. B. eigenständiges Selbstverständnis einzelner Ortsteile,

• klare Definition eines Einzugsgebietes der Bibliothek, • Besonderheiten zur Mobilität und zur Verkehrslage in der Region, z. B.

Pendlerströme, Erreichbarkeit der Bibliothek für Schwerpunk-zielgruppen,

• Verwaltungsstruktur (wer ist Träger der Bibliothek, welches sind die Entscheidungsgremien, wer ist Ansprechpartner/Vorgesetzter?),

• sozio-ökonomische Struktur des Einzugsgebiets: Ist-Zustand und Prognose von:

o Altersstruktur, demografischem Wandel, Milieustruktur, Familienstruktur,

o Bildungsstruktur der Bevölkerung, o Kultur- und Freizeitangeboten und -gewohnheiten, o Einkommensstruktur der Bevölkerung, o Anteil und Struktur der Migranten, nicht nur Ausländer-

statistik! o Branchen- und Wirtschaftsstruktur, o Besonderheiten einzelner Ortsteile (vor allem bei Zweig-

stellensystemen). • Künftige Schwerpunkte der Stadt-/Gemeindeentwicklung.

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2 Beschreibung der Problemlagen für das Aufgabenfeld „Informationsverhalten und Mediengewohnheiten“ in der Region, z. B.:

• Globalisierung und Innovationsorientierung, • PISA und die Folgen: Bildungskatastrophe und die Bedeutung der

Schlüsselqualifikationen „Lese- und Recherchekompetenz“, • Frühkindliche Sprachförderung, • Lebenslanges Lernen, z. B. angesichts „Rente mit 67“ und Altersarmut, • Familienförderung, Betreuungsstandards, • Demografischer Wandel: Integration Zugewanderter, Bevölkerungs-

rückgang, mehr Ältere, • Gewaltbereitschaft, soziale Integration und Begegnung, • Digitale Spaltung, veränderte Mediengewohnheiten und fehlende

Medienkompetenz, • Informationsflut.

Botschaft dieses Kapitels: Die Bibliothek als Problemlöser!

3 Auftrag der Bibliothek/Aufgabenprofil

aus Gesetzen, Anforderungen bzw. Beschlüssen der politischen Gremien, Wünsche und Anforderungen der relevanten gesellschaftlichen Gruppen usw. • Schwerpunktsetzungen, entwickelt aus der Umfeldanalyse, den

Problemlagen und dem Auftrag (soweit vorhanden): Der ‚rote Faden‘ für die Zukunft.

4 Konkrete messbare Zielgruppenfestlegungen

entwickelt aus der Umfeldanalyse, den Problemlagen, dem Aufgabenprofil und de : • Abschied von der „Bibliothek für alle“, • Milieuorientierung, • Alters- und Lebenslagen-/Themenorientierung.

m Auftrag

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Inhalte einer Bibliothekskonzeption 47

5 Konkrete messbare Ziele

entwickelt aus der Umfeldanalyse, den Problemlagen, dem Aufgabenprofil

6 Kooperationen und Partnerschaften

entwickelt aus der Umfeldanalyse, den Problemlagen, dem Aufgaben-profil, den Zielen und den Zielgruppenfestlegungen:

Auf Ortsebene, z. B.:

• Kindergärten und vergleichbare Initiativen und Träger, • Schulen und Bildungseinrichtungen, • Ausbildungssektor (Berufsschulen, Fachschulen, Hochschulen usw.), • andere Kultureinrichtungen, • andere Jugend-, Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, • Wirtschaftsbetriebe (z. B. Ausbildung, Fortbildung, Sponsoring), • Einzelhandel (z. B. Buchhandel).

Auf regionaler Ebene, z. B.:

• andere Bibliotheken in der Region, • Bibliotheksverbünde, Fachstellen, • nationale (und ggf. internationale) Partner im Bibliotheksbereich, • Fernleihverkehr, • überregionale Kultur und Bildungseinrichtungen.

Formen und Organisation der Kooperationen, z. B.:

• Verträge und Vereinbarungen, • Gemeinsame Finanzierungen, • Regelmäßige Abstimmungen und Weiterentwicklungen, • Verantwortlichkeiten.

und den Zielgruppenfestlegungen.

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48 Meinhard Motzko

7 Maßnahmen/Angebote

entwickelt aus Aufgabenprofil, Zielen und Zielgruppenfestlegungen und unter Berücksichtigung der Kooperationen: • Zielgruppengerechte Öffnungszeiten, • Erreichbarkeit außerhalb der Öffnungszeiten (Online-Angebot, Umgang

mit Anfragen usw.), • Bestandsprofile, • Rechercheangebote, • Beratungsangebote, • Vermittlungsangebote, • Veranstaltungen, • ggf. Projekte.

8 Kommunikationsformen

mit Trägern, Kunden und Partnern: • Kommunikation mit den Entscheidungsträgern (Lobbyarbeit), • Kommunikation mit der Verwaltung, • direkte Kommunikationswege mit den (unterschiedlichen) Kunden-

gruppen, • indirekte Kommunikationswege mit den Kundengruppen (Werbung,

Pressearbeit), • Kommunikationswege mit Kooperationspartnern, • Beschwerdemanagement.

9 Die besondere Bedeutung moderner Technik und Ausstattung

• Möbel, • IT (WLAN, Web-OPAC, Online Service usw.), • RFID, • Lizenzen, • usw.

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Inhalte einer Bibliothekskonzeption 49

10 Ressourcengrundsätze

Einnahmequellen

• Zuschüsse aus öffentlichen Quellen (EU, Bund, Land, Gemeinde), • Mischfinanzierung verschiedener öffentlicher Ressorts, • Eigeneinahmen (Gebühren, Vermietungen, Veranstaltungen usw.), • Sponsoring, Spenden, Mäzenatentum (Fördervereine usw.).

Ausgabengrundsätze

• Gebäude, Gebäudeunterhaltung, • Personal (Hauptamtliche, Beschäftigte aus Personalüberlassungen), • Beschäftigte aus Arbeitsmarkt und Förderprogrammen, • Honorar-/Projektkräfte, Freiwillige, • Medienetat, • Programmetats (Vermittlungsangebote, Veranstaltungen usw.), • Technik.

11 Organisations- und Führungsgrundsätze

• Aufbauorganisation: Organigramm und Entscheidungsstrukturen, • Ablauforganisation: Interne Organisation, Geschäftsgänge usw., • Führungsstruktur: Führungsstil, Teamverantwortlichkeiten, interne

Kommunikation/Besprechungskultur usw.

12 Erfolgskontrolle/Evaluation

abgeleitet aus den messbaren Zielen und Maßnahmen.

Was wird evaluiert: Themenfelder

• Umfeldanalyse, • Zielerreichung, • Zielgruppendurchdringung, • Kundenzufriedenheit, • Leihverkehr, • Recherche-, Beratungs- und Vermittlungsangebote,

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50 Meinhard Motzko

• Veranstaltungen, • Projekte, • Kooperationen, • Ressourcenverbrauch.

Wie wird evaluiert: Messmethoden

• Statistische Erhebungen, • Befragungen, • Messintervalle, • Auswertungsmethoden, • Zyklen zur Anpassung des Konzeptes auf der Basis der Auswertungs-

ergebnisse.

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Konzeptionelle Bibliotheksentwicklung als Kerngeschäft einer Landesfachstelle Das Beispiel der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliotheks-wesen in Bayern

UTE PALMER

Das Seminar „Bibliothekskonzeptionen“ wird 2010/11 in Bayern bereits zum zweiten Mal durchgeführt. Im Text wird primär auf die erste Seminarreihe aus den Jahren 2007/08 eingegangen, da die zweite Reihe noch nicht ab-geschlossen ist. 11 Bibliotheken aus Oberbayern haben 2008 ein Zukunftskonzept erstellt. Die Landesfachstelle setzte dabei Impulse für konzeptionelles Arbeiten und unterstützte und förderte diese. Im vergangenen wie im laufenden Projekt lagen bzw. liegen ihre Schwerpunkte auf Beratung, Bereitstellung statistischer Angaben, Vermittlung von Kontakten und auch Gesprächen mit den Entscheidungsträgern. Anstoß und Beitrag einer Landesfachstelle begünstigen den Erfolg.

Bibliothekskonzepte in Bayern – ein Überblick

In Bayern wird 2010/11 bereits zum zweiten Mal das Seminar „Bibliotheks-konzeptionen“ mit dem Trainer Meinhard Motzko in Kooperation mit der ekz.bibliotheksservice GmbH und der Landesfachstelle durchgeführt. Das erste Seminar (bestehend aus drei Modulen, einer Initiativ- sowie einer Abschlussveranstaltung) fand in den Jahren 2007/08 statt.

Das zweite Seminar befindet sich erst in seinen Anfängen: Es begann im Oktober 2010 und wird voraussichtlich im Frühjahr 2012 abgeschlossen sein. Folgende Bibliotheken arbeiten momentan intensiv an ihrem Konzept: Stadtbibliothek Alzenau, Stadtbibliothek Böblingen (Baden-Württemberg), Stadtbibliothek Burghausen, Stadtbücherei Dachau, Stadtbibliothek Donau-wörth, Gemeindebücherei Eckental, Stadtbibliothek Freilassing, Markt-bücherei Manching, Stadtbücherei Penzberg, Stadtbibliothek Schwabach, Gemeindebücherei Wendelstein, Gemeindebücherei Vaterstetten. Außerdem nimmt aus Burghausen noch die Belegschaftsbücherei des Chemie-Unter-nehmens Wacker teil. Zum Verlauf und zu den Ergebnissen des zweiten Seminars kann noch kein Fazit gezogen werden. Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen deshalb die Erfahrungen aus der ersten Workshopreihe.

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Die Situation in Bayern

Bayern ist ein Flächenstaat, es gibt zahlreiche mittlere und kleinere Bibliotheken, viele davon werden neben- und ehrenamtlich betreut. Struk-turelle Unterschiede spielen eine große Rolle. Neben strukturschwachen Gebieten gibt es durchaus relativ prosperierende Regierungsbezirke wie bei-spielsweise Oberbayern. Die Landesfachstelle für das öffentliche Bibliotheks-wesen in Bayern1 betreut mit ihren vier Dienststellen in München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg insgesamt 676 öffentlich-kommunale Bibliotheken. Zu den Hauptaufgaben gehören die Beratung in allen bibliothekarischen Belangen wie Gründung, Ausbau und Aufbau von Bibliotheken, Bibliotheks-organisation, Management, Bewilligung von Fördermitteln, Fortbildungs-angebote und die Herausgabe von Publikationen.

Bibliothekskonzeptionen 2007/08

Um strategisches Arbeiten in Bibliotheken zu unterstützen und das Bewusst-sein für dessen Notwendigkeit zu wecken, fiel im Jahr 2007 der Startschuss für die erste Seminarreihe „Bibliothekskonzeptionen“. Neben der ekz.bibliotheks-service GmbH und dem Praxisinstitut Motzko konnte auch der Bibliotheks-verband Oberbayern als Partner gewonnen werden. 11 Bibliotheken aus dem Regierungsbezirk Oberbayern haben das Projekt abgeschlossen und ein fertiges Konzept erstellt: Stadtbücherei Bad Aibling, Stadtbibliothek Fürsten-feldbruck, Gemeindebücherei Gräfelfing, Gemeindebibliothek Krailling, Stadt-bücherei Miesbach, Gemeindebibliothek Neubiberg, Gemeinde- und Schulbibliothek Oberhaching, Stadtbibliothek Töging am Inn, Stadtbücherei Traunstein, Gemeindebücherei Unterhaching, Stadtbibliothek Unterschleiß-heim. Der Landesfachstelle fielen dabei die folgenden Aufgaben zu:

• Initiierung und Organisation des Seminars, • Akquirierung der Teilnehmer, • Begleitung des Seminars über eineinhalb Jahre, • Einbeziehung der politischen Instanzen vor Ort, • Organisation der Initiativ- und Abschlussveranstaltung, • Erstellen einer CD mit den finalen Konzepten.

Die besondere Rolle der Landesfachstelle liegt darin begründet, dass sie die individuelle Lage der Bibliotheken, die Bibliotheksleiter und auch die Ent-

1 www.oebib.de.

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scheidungsträger gut kennt. Sie weiß, welche Bibliotheken für konzeptionelle Arbeit offen sind oder welche dringend verstärkt strategisch arbeiten müssen, weil beispielsweise eine Veränderung in Form von Umzug, Neuorganisation oder ähnlichem ansteht. Sie besitzt in der Regel auch das Vertrauen der Bibliotheken und kann die Leitung von der Notwendigkeit konzeptionellen Arbeitens überzeugen.

Die Workshop-Reihe der Jahre 2007/08 begann mit einer Auftakt-veranstaltung im Juli 2007 unter dem Motto „Bibliotheken wohin? Trends, Profile, Konzepte“ in Neubiberg (Landkreis München), einer der am Konzept mitwirkenden Gemeinden. Eingeladen waren Bürgermeister, Kultur-verantwortliche aus der Verwaltung und bibliothekarische Fachkräfte aus den beteiligten Kommunen.

Mit der Veranstaltung sollte Sensibilität für die Bedeutung konzeptionellen Arbeitens in Bibliotheken geweckt werden. Impulsvorträge von Prof. Dr. Hans-Christoph Hobohm (Fachhochschule Potsdam, Fachbereich Infor-mationswissenschaften), Johanna Rumschöttel (damalige Bürgermeisterin von Neubiberg) und Henner Grube (damaliger Bibliothekarischer Direktor der ekz.bibliotheksservice GmbH) lieferten Ideen und Ansatzpunkte.

Hobohms Vortrag „Bibliothek als Konzept und Realität – zum strategischen Marketing einer Institution im Wandel“ stellte die erste Studie in Deutschland vor, die im betriebs- und volkswirtschaftlichen Sinn den Wert von Bibliotheken anerkennt: Mit jedem in die Stadtbibliothek investierten Euro werden 5,60 Euro Gewinn erwirtschaftet. Johanna Rumschöttel erläuterte anhand ihres Referats „Bibliotheken aus kommunalpolitischer Sicht“ die Notwendigkeit für Öffentliche Bibliotheken, sich immer wieder neu erfinden und definieren zu müssen. Sie unterstrich vor allem den Aspekt der Chancengleichheit im Bezug auf den Arbeitsmarkt und warb für eine Vernetzung der Bibliotheken mit anderen Bildungseinrichtungen. Henner Grube plädierte in seiner Rede „Gesellschaftlicher Nutzen, Trends und die Profilierung von Bibliotheken“ dafür, Bibliotheken als Zukunftsinvestition ins Bewusstsein zu rücken.

In der Folge arbeiteten die Bibliotheken innerhalb von gut 12 Monaten an ihren Konzepten. Drei intensive Workshops, moderiert von Meinhard Motzko, unterstützten die Teilnehmer zu Themen wie Erstellen der Umfeldanalyse, Auftragsdefinition und Aufgabenprofil einer Bibliothek, Themensammlung für die Konzeptentwicklung und so weiter. In der Zeit zwischen den Seminaren bekamen die Teilnehmer durch Meinhard Motzko persönliche Unterstützung per E-Mail oder per Telefon.

Die Beteiligten hatten während ihrer Arbeit mit den für Bibliotheken typischen Rahmenbedingungen zu kämpfen: Zeitpuffer finden, Daten sammeln, Team einbinden, Entscheidungsträger überzeugen. Die meisten

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Kollegen brachten erstmals strategische Aspekte in komplexen Zusammen-hängen zu Papier. Doch nur die detaillierten Recherchen und die professionelle Aufbereitung ermöglichen fundierte Rückschlüsse und dienen als Grundlage für die Kommunikation mit den Entscheidungsträgern.

Bei der Abschlussveranstaltung am 21. Oktober 2008 in der Gemeinde- und Schulbibliothek Oberhaching stellten die Teilnehmer ihre Arbeitsergebnisse vor. Landrätin Johanna Rumschöttel und Andreas Mittrowann, Bibliotheka-rischer Direktor der ekz.bibliotheksservice GmbH seit 2008, beschrieben im Rahmen dieser Veranstaltung in ihren Referaten Rahmenbedingungen, Perspektiven und Zielsetzungen zeitgemäßer Bibliotheksarbeit.

Der feierliche Projektabschluss hatte auch seinen heiteren Aspekt: Die Bibliotheksleiter überreichten ihr Zukunftskonzept an ihren Bürgermeister zusammen mit einem kleinen Geschenk, das auf ihre Vision der Bibliothek innerhalb der Kommune anspielte. So schenkte eine der Teilnehmerinnen ihrem Bürgermeister ein Playmobil-Set bestehend aus Bauarbeiter, Schub-karren und Sandhaufen sowie weiteres Zubehör für eine Baustelle. Der dahinter liegende Gedanke machte deutlich: Bautechnisch muss etwas geschehen, die Bibliothek ist nicht optimal untergebracht. Andere Kolleginnen entschieden sich für eine Espressotasse, um den Wunsch nach einem Lesecafé zu verdeutlichten.

Konzeption und Strategie sind unabdingbar für Professionalität

Das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer konzeptionellen bzw. strategischen Ausrichtung der bibliothekarischen Arbeit ist noch nicht über-greifend vorhanden. Oft ist Widerstand zu spüren. Die Bereitschaft, zusätzliche Arbeit in konzeptionelles Arbeiten zu investieren, scheitert oft an äußeren Gründen wie Zeitmangel, fehlende Unterstützung durch den Träger, mangelnde Einbeziehung der Mitarbeiter. Doch auch innere Widerstände spielen eine Rolle: Wird mein Konzept überhaupt von den Verantwortlichen gelesen und anerkannt? Kann ich damit etwas bewegen? Sind der Kommune und dem Stadt- oder Gemeinderat nicht andere Belange wichtiger? Wissen und kennen wir nicht sowieso alle Fakten? Auch fehlt vielen Kollegen der Wunsch nach Optimierung und Veränderung der Situation, ebenso das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Kommunikation und der professionellen Aufbereitung von bereits vorhandenen Daten und Materialien.

Wir als Landesfachstelle sehen konzeptionelles und strategisches Arbeiten in Bibliotheken als unabdingbar für professionelles Wirken in Bibliotheken an. Der Spardruck der letzten Jahre, veränderte Medien- und Freizeitgewohn-heiten, neue berufliche Herausforderungen und Interessen der Kunden zwingen Bibliotheken zur Bestandsaufnahme und Neuausrichtung ihrer Arbeit: Sollten

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Bibliotheken wirklich für alle Bürger da sein? Wäre es nicht besser, Schwer-punkte zu setzen und innovative Wege zu beschreiten?

Zukunftssicherheit und Erfolg basieren auf einem durchdachten Fundament und nicht auf gefühlten, sondern auf realen und nachprüfbaren Fakten. Die Institution bekommt durch die Vorlage eines Konzeptes einen höheren Stellen-wert in der Kommune, die Leiter und Mitarbeiter der Bibliotheken werden als professionelle Partner wahrgenommen. Konzeptionelles Arbeiten stärkt das Selbstbewusstsein von innen heraus und verdeutlicht die Bedeutung der Arbeit im Rahmen der örtlichen Bildungs- und Kulturarbeit.

Durch ein Seminar bekommen die Teilnehmer Instrumente an die Hand, um auf den gesellschaftlichen Wandel sowie das veränderte Medienverhalten zu reagieren. Damit können notwendige finanzielle und personelle Ressourcen überzeugender gefordert werden, wenn z. B. die Förderung von Lese- und Informationskompetenz als wichtiger bildungspolitischer Beitrag seitens der Bibliothek in Spiel gebracht wird.

Wir möchten bei den Kollegen in den Bibliotheken das Bewusstsein dafür entwickeln, sich Faktoren wie Bevölkerungsstruktur, Pendlersituation oder mögliche Kooperationspartner vor Ort genau anzuschauen. Oft meint man ja zu wissen, wie sich diese Faktoren zusammensetzen. Doch bei genauem Blick ist manchmal festzustellen, dass die Fakten anders liegen. Anhand der tatsächlichen Fakten können dann Antworten gefunden werden auf Fragen wie:

• Passt unsere bisherige Zielgruppenarbeit bezüglich Bestand und Ver-anstaltungen zu unserer Bevölkerungsstruktur?

• Müssen wir diese Arbeit überdenken? • Müssen wir vielleicht Aufgaben über Bord werfen, die uns als Team

Freude bereiten, die jedoch unseren Zielen nicht dienen? • Welche Veranstaltungen möchten wir anbieten? • Passen unsere Öffnungszeiten zu den Zielgruppen? • Wird ausreichend Lobbyarbeit betrieben? • Sind die passenden Kommunikationskanäle zu den Entscheidungs-

trägern installiert? • Welches sind mögliche in das Profil passende Kooperationspartner? • Welche Arbeiten können nach außen gegeben werden?

Konzeptionelles Arbeiten erfordert, sich bewusst Zeit zu nehmen, um die Lage vor Ort zu analysieren, Schlussfolgerungen zu ziehen und daraus eine Vision für die kommenden Jahre abzuleiten. Ein Goethe-Zitat ist durchaus auf konzeptionelles und strategisches Wirken übertragbar:

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Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden.2

Ist eine Idee geboren, können auch die Wege festgelegt werden, die gegangen werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Es können die notwendigen finanziellen, personellen und strukturellen notwendigen Ressourcen eingeplant werden. Fundierte Bibliothekskonzepte geben dem Team eine Richtung vor und erleichtern die Argumentation nach außen.

Erfahrungen mit den Kosten

Gut 1000 Euro für einen insgesamt 6-tägigen Workshop zu bezahlen, ist für viele Bibliotheken ungewohnt. Doch letztendlich kommt es auf die Argumen-tation und auch die eigene Überzeugung an. In den meisten Fällen begrüßen die Träger der Bibliothek die Erstellung eines Bibliothekskonzeptes und stellen finanzielle Mittel dafür zur Verfügung.

Die Seminarreihe ist keine Fortbildung im herkömmlichen Sinn. Durch die Erstellung eines Bibliothekskonzeptes liegen der Kommune meist erstmals fundierte Fakten und Daten in diesem Zusammenhang vor. Würde sie solch eine Arbeit nach außen vergeben, wären die Kosten ungleich höher. Die Kommunen tragen die Kosten für die drei Module sowie die Einzelbetreuung durch Meinhard Motzko. Bei der Seminarreihe der Jahre 2007/08 wurden die zusätzlich anfallenden Kosten (Reisekosten und Honorare der Referenten etc.) für die Initiativ- und Abschlussveranstaltung von der Landesfachstelle getragen. Sie wurde dabei vom Bibliotheksverband Oberbayern unterstützt, der einen Teil der Catering-Kosten der Abschlussveranstaltung übernahm.

Ausgewählte Erfahrungen mit dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Gut ein Jahr nach Beendigung der Workshop-Reihe 2007/08 lud die Landesfachstelle die Teilnehmer zu einem Rückblick ein. Allgemeines Resümee war: „Der zusätzliche Arbeitsaufwand für das Konzept hat sich gelohnt.“ Die Kollegen empfanden die Arbeit nicht nur in beruflicher Hinsicht weiterführend, sondern haben sie auch als persönliche Bereicherung empfunden. Einige Bibliotheksleiter haben sich das fertiggestellte Konzept vom Stadt- oder Gemeinderat bestätigen lassen und arbeiten nun Schritt für Schritt an den erarbeiteten Zielen und Visionen.

2 J. W. von Goethe, Dichtung und Wahrheit IX.

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So hat die Bibliothek in Krailling neue Räume bekommen. Die Leiterin, Frau Widmann, arbeitete noch während der Bauphase am Konzept und konnte es in Teilen in der Bauplanung umsetzen.

Bad Aibling bekommt im Jahr 2012 neue Räume für die Bibliothek. Das erarbeitete Konzept diente als wichtige Informationsgrundlage für die Architekten.

Die Finanzkrise hat die Konzepte in der Regel nicht außer Kraft gesetzt, manche Planungen verschieben sich lediglich. Natürlich gibt es auch Gemein-den, in denen beispielsweise ein Bürgermeisterwechsel stattgefunden hat oder die Bibliothek sich (ausgelöst durch Gewerbesteuereinbrüche) anderen Prioritäten unterordnen muss.

Einige Zitate verdeutlichen am besten, was das Seminar den Teilnehmern gebracht hat:

Diana Rupprecht, Stadtbibliothek in der Aumühle, Fürstenfeldbruck:

Die auf fünf Jahre angelegte Bibliothekskonzeption formuliert zum ersten Mal konkret und in schriftlicher Form die Aufgaben, Ziele und Zielgruppen der Stadtbibliothek. Sie dient als roter Faden für den Alltag und vor allem als Basis für die Auswahl von Schwerpunktprojekten des folgenden Jahres. Den Ver-antwortlichen in Verwaltung und Stadtrat hat die ausführliche Konzeption gezeigt, wie vielfältig und wichtig Bibliotheksarbeit ist, gerade im Bereich der Bildung. In Krisenzeiten ist sie eine hervorragende Argumentationsgrundlage, da die Konzeption verbindlich vom Stadtrat anerkannt wurde.

Elke Naeve, Gemeindebücherei Gräfelfing:

Die viele Arbeit hat sich auf jeden Fall gelohnt. Durch die Ent-wicklung eines Bibliothekskonzeptes ist zielgerichtetes Arbeiten möglich, sowohl intern als auch in der Argumentation dem Entscheidungsträger gegenüber. Nach zwei Jahren sind wir überrascht, wie viele Ziele, die zunächst fast zu hoch gegriffen schienen, nun erreichbar sind.

Diana Widmann, Gemeindebibliothek Krailling:

Das Bibliothekskonzept der Gemeindebibliothek Krailling wurde als Grundlage für die Arbeit der Bücherei am neuen, zentraleren Standort geschrieben. Es war sehr zeitintensiv, die Arbeit hat sich aber gelohnt. Es bietet einen detaillierten Über-blick über das Aufgabenprofil, die gesteckten Ziele und Ziel-gruppen. Durch die jährliche Erfolgskontrolle werden alle Fort-

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und Rückschritte sofort sichtbar. Die Bücherei ist durch das Konzept wieder mehr ins Blickfeld des Gemeinderates sowie der politischen Entscheidungsträger gerückt und wurde sehr positiv aufgenommen.

Fazit

Die Landesfachstelle kann und soll Impulse für konzeptionelles Arbeiten setzen, dieses unterstützen und fördern. Ihre Schwerpunkte liegen dabei auf der Beratung, der Bereitstellung statistischer Angaben, der Vermittlung von Kontakten und auch Gesprächen mit den Entscheidungsträgern. Anstoß und Beitrag von einer offiziellen Seite haben i. d. R. eine stärkere Wirkung. Die Koordinierung, die Anleitung und die Qualitätssicherung durch die begleitende Fachstelle können strategisches Denken und Arbeiten in den Bibliotheken initiieren. Darüber hinaus sind lokale Bildungsstrategien wichtig, um die bibliothekspolitische Ausrichtung des Bundeslandes durch die Arbeit der Fachstellen zu befruchten. Wünschenswert wäre sicher auch die Zusammen-arbeit der Fachstellen in den Bundesländern, um die Erarbeitung über-greifender Strategien zu fördern.

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Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

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Bayern: Stadtbücherei Traunstein Schwerpunkt: Mit Zielvorgaben und Konzepten überzeugen

ANETTE HAGENAU

Traunstein, die Stadt an der Traun – 10 km östlich des Chiemsees und 15 km nördlich der Chiemgauer Alpen gelegen – ist seit alters her der zentrale Ort des Chiemgaus. Mit ihrer Eingliederung in den Landkreis Traunstein zum 1. Juli 1972 erhielt Traunstein den Status einer Großen Kreisstadt. Es leben rund 18 700 Menschen in Traunstein, einer sehr lebendigen Stadt mit hohem Frei-zeitwert, viele junge Familien leben hier. Durch die Ansiedlung wichtiger öffentlicher Gebäude und Ämter (z. B. Finanzamt, Landgericht) gilt Traunstein auch als Ämter- und Beamtenstadt.

Der Ort gilt darüber hinaus als zentrale Schulstadt. Fast 10 000 Schüler be-suchen die 17 Schulen: Gymnasien, Fachoberschule und Berufsoberschule, Realschulen, Wirtschaftsschulen. Es gibt ferner u. a. eine Fachschule für Krankenpflege, das Sozialpädagogische Förderzentrum und eine Fachschule für Physiotherapie. Die Handwerkskammer unterhält das für die berufliche Bildung wichtige Bildungs- und Technologiezentrum Haslach-Mühlwieden.

Traunstein ist beliebt als Einkaufsstadt, viele kleine Handwerksbetriebe und Läden prägen das Bild der Innenstadt, größere Gewerbegebiete sind aus-gelagert an den Stadtrand. Eine rührige Werbegemeinschaft unterstützt den Einzelhandel.

Verpflichtend: Literaturversorgung für die Stadt und den Landkreis

Traunstein gilt als „mögliches Oberzentrum“, und daraus ergibt sich eine dop-pelte Verpflichtung für die Stadtbücherei Traunstein. Die Besucherstatistik und die genaue Auswertung der Leserstatistik, auf die zu einem späteren Zeitpunkt genauer eingegangen wird, belegen die Zuständigkeit für die Literaturversor-gung der Bürger der Stadt und des Landkreises Traunstein. Die Trägerschaft der Stadtbücherei liegt jedoch ausschließlich bei der Stadt Traunstein.

Die Stadtbücherei liegt zentral inmitten des Stadtparks, die Tourist-Information und Schulungsräume der Volkshochschule sind im selben Gebäu-de untergebracht. Hinweisschilder in der Stadt weisen auf die Stadtbücherei und das Kulturzentrum hin.

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62 Bayern: Stadtbücherei Traunstein

Nach Fertigstellung des umfangreichen Bibliothekskonzepts Lesen – Lernen – Leben im Oktober 2008 präsentierte die Leiterin der Stadtbücherei Traun-

Kultur- und Sportausschuss und anschließend vor dem gesamten Stadtrat. Angelegt ist das Konzept vorerst auf fünf Jahre für den Zeitraum 2008 bis 2012.

Das Bibliothekskonzept stieß im Stadtrat auf breite Zustimmung. Vier Stadt-räte stellten im Anschluss an die Präsentation noch sehr interessiert Fragen zum Zeitaufwand der Erstellung und zum Inhalt. Thematisiert wurden dabei Problemlagen, Ressourcengrundsätze und die räumliche Situation im Gebäude.

Workshops: Meilensteine und Ansporn

Ein Bibliothekskonzept, in dessen Rahmen eine Umfeldanalyse erstellt, die Position der Bibliothek innerhalb der Kommunalverwaltung und der Träger-schaft beurteilt und aufgrund dieser Fakten die inhaltliche, bibliothekarische Arbeit intensiv beleuchtet wird, kann innerhalb eines Jahres entstehen. Wäh-rend der regulären Arbeitszeit ist es jedoch kaum zu schaffen.

Das Preseminar zur Workshopreihe „Entwicklung von Bibliotheks-konzeptionen“ fand bereits im Juli 2007 in Neubiberg statt. Die prominente Besetzung des Seminars machte sowohl den erschienenen Kultur-verantwortlichen als auch den Bibliotheksleitern deutlich, welche Tragweite eine Bibliothekskonzeption haben würde.

Die drei ganztägigen, gemeinsamen Workshop-Termine mit den anderen Seminarteilnehmern und die Abschlussveranstaltung mit der Präsentation ausgewählter Konzepte (darunter auch Traunstein) waren im September 2007 sowie im März und Oktober 2008 angesetzt. Sie bildeten wichtige Meilenstei-ne und waren Ansporn, auch bei schwierigen Kapiteln am Ball zu bleiben. Der Austausch zwischen den einzelnen Bibliotheksleitern per E-Mail funktionierte optimal, man unterstützte und half sich gegenseitig, so gut man konnte.

Die entstandenen Bibliothekskonzepte wurden durch die Landesfachstelle auf einer CD-ROM den teilnehmenden Bibliotheken zur Verfügung gestellt. Zum Preis von 12 Euro wird sie Interessierten auf Wunsch auch zugeschickt.1

1 E-Mail-Anfragen an: [email protected].

stein, Anette Hagenau, das Konzept im darauffolgenden April 2009 zunächst im

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Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ 63

Das Team aktiv einbeziehen

Als die Leiterin der Stadtbücherei dem Team im Sommer 2007 in einer Dienstbesprechung die Teilnahme an der Workshopreihe ankündigte, begegne-te ihr zunächst tolerante Skepsis.

Bei der Umfeldanalyse holte die Leiterin viele Informationen durch zwei ge-bürtige Traunsteiner Kollegen ein und nutzte gerade im Hinblick auf die sozia-len Milieus somit Wissen, das in keiner Statistik nachzulesen ist.

Durch zahlreiche Anrufe im statistischen Landesamt und weiteren Einrich-tungen der Stadtverwaltung und des Landratsamts wurde recht schnell be-kannt, dass eine umfassende Untersuchung Traunsteins und der Region seitens der Stadtbücherei im Gange war.

Lesekompetenz durch Spaß am Umgang mit Medien vermitteln: Vorlese-

stunde in der Stadtbücherei Traunstein. © A. Hagenau.

Die Reaktionen waren in vielen Abteilungen überwiegend positiv, niemand zweifelte an der Sinnhaftigkeit einer Bibliothekskonzeption, obwohl mancher Anruf der Bibliotheksleitung umfangreiche Recherchen im Einwohner-meldeamt, im Bauamt oder im Arbeitsamt nach sich zog. Es war allerdings auch interessant, sich mit der Geschichte des Hauses zu beschäftigen: Vor der

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64 Bayern: Stadtbücherei Traunstein

Umnutzung zur Bibliothek war die Semmelbröselfabrik Leimer im Gebäude untergebracht.

Bei den konkret messbaren Zielen und den Problemlagen wurde das Team ebenfalls aktiv in die Arbeit einbezogen. In moderierten Gesprächsrunden und unter Anwendung unterschiedlicher Kreativitätstechniken wurden konkrete Ziele gemeinsam erarbeitet. Es wurden nach oft heftiger interner Diskussion Ziele formuliert und Zielgruppen festgelegt. Das Team überlegte sich Maß-nahmen, um die gesteckten Ziele zu erreichen, und es wurden Indikatoren bestimmt, die das Erreichen der Ziele belegen sollten. Dabei war es der Leite-rin wichtig, den Mittelweg zwischen realistischen Zielen und Wunschzielen zu finden und Marken zu setzen, um nach Ablauf eines Jahres auch belegbare Erfolge verbuchen zu können.

Die Stadtbücherei arbeitete bereits vor dem Bibliothekskonzept mit jährli-chen Zielsetzungen, um einerseits die Arbeit bei den Entscheidungsträgern transparent zu machen und andererseits die Mitarbeiter an ihre Verantwortung für einzelne Projekte zu erinnern. Diese bereits seit 2006 erstellten Zielplanun-gen erleichterten die Arbeit an den einzelnen Punkten der Konzeption sehr, wie das folgende Beispiel zeigt.

Problemlage: Fehlende Lese- und Recherchekompetenz

Aufgabe 1 Lesekompetenz durch Spaß am Umgang mit Medien vermitteln

Ziel 50 % der Zielgruppe haben mind. 1 x jährl. Kontakt zur Stadtbücherei

Zielgruppe Kindergärten (v. a. der Stadt Trauns-tein)

Maßnahme Überwachung des Erfolgs / Messindi-katoren

Besuch der Bücherei mit mind. 1 der folgenden Aktionen: • Vorlesen • Spielen • Bilderbuchkino

Bücherkisten entleihen

Statistik in der Zielgruppe (Neuanmeldungen, Führungen, Bilder-buchkinos u. zusammengestellte Bü-cherkisten)

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Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ 65

Aufgabe 2 Lesekompetenz durch Spaß am

Umgang mit Medien vermitteln; Vermittlung von Recherche- und Medienkompetenz

Ziel 50 % der Zielgruppe haben mind. 1 x jährl. Kontakt zur Stadtbücherei

Zielgruppe Grundschulen und Orientierungs-stufen in Stadt und Landkreis Trauns-tein

Maßnahme Überwachung des Erfolgs / Mess-indikatoren

Besuch der Bücherei mit mind. 1 der folgenden Aktionen: • Vorlesen • Spielen • Bilderbuchkino • Bücherkisten und Themen-

kisten entleihen • Lange Lesenacht • Autorenlesung • Vorlesewettbewerbe • Buchvorstellungen

Bücherkisten entleihen

Statistik in der Zielgruppe (Neuan-meldungen, Führungen, Bil-derbuchkinos u. zusammengestellte Bücherkisten, Klassensätze etc.)

Aufgabe 3 Pädagogen und Eltern bei der Le-seförderung unterstützen

Ziel 30 % der Schulen in Stadt und Land-kreis Traunstein sowie Berchtesgade-ner Land nutzen aktiv die Blockaus-leihe

Zielgruppe Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen

Maßnahme Überwachung des Erfolgs / Messindi-katoren

Für die Zielgruppe gibt es einen Leseausweis mit attraktiven Kondi-tionen (Blockausleihe)

Leserstatistik

Mind. 50 Bücherkisten (Klassensät-ze, Themenkisten, Bilderbuchkis-ten) werden pro Jahr an die Ziel-gruppe ausgeliehen.

Statistik der Bücherkisten

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66 Bayern: Stadtbücherei Traunstein

Die Bestandsgruppen werden in der Elternbibliothek in unmittelbarer Nähe zur Kinderbücherei attraktiv präsentiert und aktuell gehalten. Die Ausleihzahlen werden beobachtet.

Ausleihstatistik

Die Zielgruppen werden 1 x jährl. zu einer Führung in die Stadtbücherei eingeladen oder auf Fortbildungen und Lehrerkonferenzen informiert.

Statistik der Führungen und Verans-taltungen

2 x jährl. werden Veranstaltungen im Rahmen der Elternbibliothek angeboten.

Veranstaltungsstatistik

Aufgabe 4 Erhaltung der Freude am Lesen Ziel Mind. 2000 Kinder und Jugendliche

kommen mind. 1 x jährl. in die Stadt-bücherei zu einer Veranstaltung.

Zielgruppe 3- bis 16-jährige Kinder und Jugendli-che

Maßnahme Überwachung des Erfolgs / Messindi-katoren

An mind. 6 Vormittagen jährl. findet ein Bilderbuchkino für 3- bis 7-jährige Kinder statt

Veranstaltungsstatistik

Beteiligung am Sommerferien-programm mit einer jährl. unter-schiedlichen Aktion rund um das Thema „Lesen“

Veranstaltungsstatistik

Jährl. werden mind. 8 Vorlesestun-den veranstaltet

Veranstaltungsstatistik

Jährl. wird mind. 1 Lesenacht oder 1 Stöberabend angeboten

Veranstaltungsstatistik

Die Jahresstatistik wird seit 2008 dahingehend ausgewertet, ob die gestellten Aufgaben erfüllt und die gesteckten Ziele erreicht wurden. 2010 beispielsweise hatten rund 2700 Kinder und Jugendliche Kontakt mit der Stadtbücherei, im Sommerferienprogramm ist die Stadtbücherei seit 2010 mit dem Sommer-leseclub vertreten, einer Aktion, die in Traunstein sehr erfolgreich gelaufen ist und rund 90 Neuanmeldungen von Kindern zwischen 10 und 14 Jahren ge-bracht hat.

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Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ 67

Statistik der eingeschriebenen Leser in der Stadtbücherei

Altersstufen der Nutzer der Stadtbücherei: Kinder und Jugendliche.

Stand der Auswertung: Dezember 2008.

Alter 1-3 Jahre 4-5 Jahre 6-8 Jahre 9-11 Jahre Lebenslagen Bilder, Sozial-

kontakte, Ent-decken

Kindergarten, Vorschule, Neue Medien

Schulanfang, Verkehr, Radfahren

Schul-wechsel

Sozialkontakte Vorschule Verkehr, Radfahren

Sport, Abenteuer

Einwohner Traunstein

468 351 478 501

Aktive Leser Traunstein

6 9 58 121

Aktive Leser insgesamt

8 12 90 199

Einwohner-anteil Stadt-bücherei

1,3 % 2,6 % 12,1 % 24,2 %

Angestrebter Anteil Nutzer

1,5 % 5 % 15 % 25 %

Alter 12-13 Jahre 14-15

Jahre 16-17 Jahre

18-19 Jahre

Lebenslagen Sexualität, Medien, Hob-bywechsel

Sexualität, Pubertät, Internet, Mofa & Roller

Sexualität, Pubertät

Sexualität, Auto, Berufsaus-bildung, ggf. Studium

Einwohner Traunstein

359 345 387 406

Aktive Leser Traunstein

88 81 91 109

Aktive Leser insgesamt

156 176 199 261

Einwohner-anteil Stadt-bücherei

24,5 % 23,5 % 23,5 % 26,9 %

Angestrebter Anteil Nutzer

25 % 25 % 25 % 25 %

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68 Bayern: Stadtbücherei Traunstein

Die Tabelle zeigt Folgendes: Die Stadtbücherei Traunstein wird von sehr vie-len Kindern und Jugendlichen genutzt, jedoch hat nur ein Bruchteil dieser Altersgruppe einen eigenen Ausweis, nachdem die Ausstellung einer Leserkar-te auch für sie kostenpflichtig ist. Die meisten Kinder lesen bei ihren Eltern mit, ein Erwachsenenausweis wird als „Familienausweis“ verwendet. Diese Interpretation wird gestützt von den Auswertungen, die für die DBS-Statistik2 2011 aktuell erstellt worden sind: Die Ausleihen für Kinder und Jugendliche (rund 8000 Medien erzielten 43 059 Entleihungen) im Jahr 2010 stehen an zweiter Stelle der Gesamtausleihen (184 591 Entleihungen). Allein durch die Aktion „Sommerleseclub“3 erreichten wir 500 Ausleihen! Das Angebot an Kinder- und Jugendliteratur bildet wie im Vorjahr des Berichtsjahrs 2010 mit insgesamt 27 % den zweitgrößten Bestand.

Die Ausländerquote von aktuell 6,7 % im Landkreis Traunstein (davon rund 50 % österreichische Staatsbürger) zeigt, dass auch Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund eine mögliche Zielgruppe der Stadtbücherei Traunstein sind. Diesen Zahlen wird Rechnung getragen, indem die Förderung von Kin-dern mit keinen oder nur geringen Deutschkenntnissen mittels Veranstaltungen und Beschaffung von geeigneten Lernmaterialien in Kooperation mit den örtli-chen Kindergärten in die Zielplanung 2011 aufgenommen wird.

Gerade in Migrationsfamilien aus dem Balkan ist das Vorlesen laut einer Untersuchung der Stiftung Lesen4 nicht üblich. Umso mehr gilt es, diese Ziel-gruppe durch fest institutionalisierte, kostenlose Schulveranstaltungen in Form von regelmäßigen Klassenausleihen, Besuch von Autoren und Lernmaterialien in Form von Medien- und Themenkisten zu erreichen.

Aufgrund des aktuellen Doppelabiturjahrgangs sind derzeit Schüler der Ab-schlussklassen eine wichtige Zielgruppe der Stadtbücherei. Es wurden 2010 fast doppelt soviele Fernleihbestellungen bearbeitet: 2009 wurden 353 Fernlei-hen aus dem deutschen Leihverkehr und 106 Medien aus anderen umliegenden Bibliotheken über den regionalen Bibliotheksverbund „biblio18“5 entgegenge-nommen, 213 Medien wurden verschickt. 2010 wurden 629 Fernleihbestellun-gen im deutschen Leihverkehr getätigt, über „biblio18“ kamen 217 Medien zum Nutzer. 233 Medien wurden in andere Bibliotheken über „biblio18“ ver-schickt.

Die Leiterin und ihre Stellvertreterin besuchen zeitnah zur Vergabe der Facharbeitsthemen die beiden Traunsteiner Gymnasien und erklären den Schü- 2 Deutsche Bibliotheksstatistik, www.bibliotheksstatistik.de. 3 www.sommerleseclub.de. 4 www.stiftunglesen.de. 5 www.biblio18.de.

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Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ 69

lern des derzeitigen Q11-Jahrgangs vor Ort die Fernleihe und auch die Nut-zung bekannter, interaktiver Lexika.

Fazit

Die Stadtbücherei und auch die weiteren in der Stadt vorhandenen kulturellen Einrichtungen sind immer wieder Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Dabei hat die Stadtbücherei innerhalb der Stadtverwaltung einen sehr guten Ruf, die Institution wird mit ihrem breiten Veranstaltungs- und Bildungs-angebot vor allem für Kinder und Jugendliche von Seiten des Oberbürger-meisters als Imageträger der Stadt gesehen und von Sparmaßnahmen – wenn möglich – ausgenommen.

Wie eine im Herbst 2009 und Frühjahr 2010 durchgeführte Besucher-umfrage ergab, sind die Traunsteiner Bürger höchst zufrieden mit ‚ihrer‘ Bib-liothek. Die Stadtbücherei hat ihr Image als anerkannter kultureller Treffpunkt bestätigen und weiter ausbauen können. Es gab sowohl von Seiten der Schüler als auch von Erwachsenen viel Lob für die Neugestaltung der Abteilungen, die gelungene Medienauswahl und – mit das Wichtigste: Das Bibliothekspersonal wird von den Besuchern als sehr kompetent und kundenfreundlich empfunden.

Es war erstaunlich zu erfahren, dass es bis zum Zeitpunkt der Entwicklung des Konzepts kein klares und vom Stadtrat bestätigtes Aufgabenprofil der Einrichtung „Stadtbücherei“ gab. Umso wichtiger ist es, anhand von klaren Leitlinien und festgeschriebenen Zielen und aufgrund von belegbaren Fakten auch Visionen zu entwickeln, um die Einrichtung „Bibliothek“ in Traunstein weiter voranzubringen.

Besonders gut gefallen hat mir ... URSULA LAY Kulturreferentin der Stadt Traunstein ... dass aus der Umfeldanalyse heraus konkrete Ziele erarbeitet wurden, die jährlich überprüft und der aktuellen Situation angepasst werden. Aus dieser Zielsetzung heraus wurden konkrete Aufträge formuliert, wie dies zum Bei-spiel die Überlegungen zur Veränderung der Öffnungszeiten im Hinblick auf Bürgerfreundlichkeit und Rückgabemodalitäten belegen. Im Konzept wird an vielen Stellen deutlich, welchen großen Wert das Team der Stadtbücherei auf Vermittlung und Beratung legt.

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70 Bayern: Stadtbücherei Traunstein

Überraschend war der Anteil der Verteilung der Literaturversorgung auf die Stadt und auf den Landkreis. Die Zuordnung der Besucher im Hinblick auf die Sinus-Milieus ist sehr zukunftsorientiert, können sich doch daraus milieuorien-tierte Ansätze zur Werbung für die Stadtbücherei ergeben. Auch ist es aus diesem Blickwinkel heraus möglich, Ziele und Visionen zu entwickeln, welche Milieus man durch Aktionen zusätzlich in die Leserschaft holen könnte. Gera-de im Hinblick auf audiovisuelle Medien eröffnen sich hier eventuell auch neue Zielgruppen. Die eigene Arbeit wird im Zusammenhang mit den regiona-len wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen beschrie-ben, gesellschaftliche Entwicklungen und Prognosen werden einbezogen und Schwerpunkte abgeleitet. Die Vorstellung im Stadtrat führte vielen vor Augen, welch enormen Beitrag die Bücherei für die Kultur und Bildung in der Stadt Traunstein leistet und welch breites Veranstaltungs- und Bildungsangebot es für Kinder, Familien, Schüler und Schülerinnen, Lehrkräfte, Erzieher, Schulen und Kindergärten gibt. Die Veröffentlichung des Büchereikonzepts auf der Homepage wäre wünschenswert. Diese Dokumentation der hervorragenden Arbeit der Stadtbücherei Traunstein sollte einer breiten Öffentlichkeit zugäng-lich gemacht werden.

Die im Konzept genannten Ziele wie regelmäßige Führungen, Lesungen mit Autoren, Bilderbuchkinos, Ausstellungen, Buchvorstellungen in Form von Matinées, Beteiligung an überörtlichen Projekten wie dem Literatur Update6, Sommerleseclubs, Gartensoirée, Vorlesestunden, Bücherkisten usw. machten den Stadträten die Rolle der Bücherei als Bildungsträger noch einmal bewusst. Beeindruckt war man auch von den Angeboten zur Leseförderung und den Kooperationen mit den Schulen. Die Präsentation des Mediensortiments in themen- und fächerübergreifenden Sinnzusammenhängen war nicht allen Stadträten bekannt.

Das Interesse an der Bibliotheksarbeit hat sich durch die Diskussion um das Konzept dahingehend verändert, dass bei allen angedachten Veränderungen im kulturellen Bereich, auch von den Räumlichkeiten her, immer auch die Mög-lichkeiten der Bücherei z. B. für eine Erweiterung aufgenommen werden. Ebenso wird Wert darauf gelegt, die Bücherei weitgehend von Sparmaß-nahmen auszunehmen. In Traunstein wurde der Beschluss gefasst, ein Kultur-konzept für die Stadt auszuarbeiten. Die Bücherei hat dabei mit ihrem Konzept wichtige Impulse und Anregungen gegeben. Bibliotheken, die sich mit der Erarbeitung einer Konzeption beschäftigen, kann ich aus meiner Sicht nur raten, möglichst früh die Entscheidungsträger der Stadt bzw. der Gemeinde einzubeziehen und auch die Einbindung Ehrenamtlicher zu erwägen. 6 www.literaturupdate.de.

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Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach Schwerpunkt: Interkulturelle Bibliotheksarbeit

BETTINA KUSE

In diesem Kapitel wird die Rede sein von den Auswirkungen der Konzeptentwicklung auf die Arbeit einer kleinen Stadtbücherei (30 000 Medien) in einer mittelgroßen Stadt in Südhessen (33 000 Einwohner, davon ca. 30 % ohne deutschen Pass). Am Augenfälligsten war dabei folgende Erkenntnis: Die Stadtbücherei Dietzenbach hat zwar schon seit 2004 ansatzweise interkulturell gearbeitet, das war jedoch bis zur Konzepterstellung im Jahr 2008 niemandem in der Stadtbücherei bewusst, ganz zu schweigen davon, dass diese Arbeit bis dahin gegenüber Politik und Verwaltung überhaupt nicht ‚verkauft‘ wurde.

Ausprobieren, was möglich ist

Was dieses Kapitel nicht sein soll: ein ‚Rezept‘ für Interkulturelle Bibliotheksarbeit, denn so wie jeder Ofen anders backt, ist auch jede Stadt mit ihren Einwohnern und jede Bibliothek mit ihrem Bibliotheksteam ‚anders‘. Außerdem macht Learning by Doing auch Spaß: Ausprobieren, was möglich ist, Kooperationen überprüfen, nutzen und erweitern, auch mal ganz neue Wege gehen, sich nicht frustrieren lassen und jeden Tag dazulernen. Und hat man einmal begonnen, ist Interkulturelle Bibliotheksarbeit ein Selbstläufer, allerdings würde die Vielzahl an Geschichten und Anekdoten, mit denen diese These zu belegen wäre, den verfügbaren Rahmen sprengen.

Lernen von Anderen

Unser Stadtbücherei-Team hat – als Impuls-, Motivations- und Ideennehmer – unendlich profitiert: von den Workshops zur Konzeptentwicklung und dem offenen Austausch mit den dortigen Kollegen, von der Plattform www.interkulturellebibliothek.de, von diversen, die Konzeptentwicklung begleitenden Fortbildungen der Hessischen Fachstelle1, unter anderem mit

1 www.hlb-wiesbaden.de -> Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken.

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72 Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach Birgit Lotz, auch von dem Buch „Brücken für Babylon“2und – last but not least – von unseren Kunden. Der interkulturelle Baustein in der Arbeit der Stadtbücherei Dietzenbach ist letztendlich nur ein auf die Stadt und ihre Akteure hin modifiziertes Konzept bereits bestehender Best Practice-Beispiele.

Die Stadtbücherei als „Ort gelebter Integration“

Unsere Bibliothek hat im Herbst 2010 in einer Feierstunde des Stadtparlaments eine vom Ausländerbeirat der Stadt gestiftete Urkunde „in Anerkennung der herausragenden Verdienste um den Gedanken der Völkerverständigung“ verliehen bekommen. In der Laudatio wurde nicht nur das Konzept sondern auch die Stadtbücherei als „Ort gelebter Integration“ besonders gewürdigt. Welche Rolle das Bibliothekskonzept dabei gespielt hat, soll nun berichtet werden.

Wie eingangs erwähnt, sind interkulturelle Ansätze schon seit ca. 2004 Bestandteil unserer Arbeit, doch waren diese ersten Versuche weder zielgruppenorientiert noch in irgendeiner Weise ‚konzipiert‘. Der Bedarf wurde weniger durch Faktenwissen belegt als ‚erahnt‘. Erfolge wurden nicht definiert und schon gar nicht gemessen. In der Rückschau ist diese Phase dennoch wichtig, denn in dieser Zeit des eher ‚pragmatischen Improvisierens‘ sind wertvolle Erfahrungen gemacht worden.

Eine zweite Phase, die der systematischen Interkulturellen Bibliotheksarbeit, die zielorientiert, gesteuert und überprüfbar ist, begann mit der Konzept-entwicklung ab 2008 und dauert an. Heute ist Interkulturelle Bibliotheksarbeit in unsere alltägliche Arbeit fest integriert, wird vom Team getragen, von der Mehrheit der Entscheidungsträger begrüßt und findet Anklang und Zustimmung in Presse und Bevölkerung.

Nächstes Ziel ist eine effizient(er) gestaltete und Ressourcen schonend(er)e Interkulturelle Bibliotheksarbeit, die alle Akteure einbindet. Konkret schwebt uns ein ehrenamtlicher Bibliotheks-Beirat vor, der die interkulturelle Vermittlungsarbeit mit gestaltet bzw. mit übernimmt.

Kompetenter Partner in Bildungs- und Integrationsfragen

Es ist ein langer Prozess, mit Erfolg interkulturell zu arbeiten, wobei die Konzeptentwicklung nicht nur äußerst hilfreich war, sondern einen Quanten- 2 Brücken für Babylon : Interkulturelle Bibliotheksarbeit. Grundlagen – Konzepte – Erfahrungen / hrsg. von Petra Hauke und Rolf Busch. Bad Honnef : Bock + Herchen, 2008. http://edoc.hu-berlin.de/miscellanies/babylon/.

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Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ 73

sprung in unserer Arbeit darstellte. Wir nahmen dadurch die Zahlen, Daten und Fakten unserer Kommune unter die Lupe. Wir sammelten wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien – von PISA mit den begleitenden und vertiefenden Studien über die Ergebnisse der Studien der Stiftung Lesen, die Sinus-Migranten-Milieus bis hin zu den Veröffentlichungen der Bertelsmann-Stiftung, des Berlin-Instituts, der Boston Consulting Group sowie vielen Veröffentlichungen über die Bedeutung der Muttersprache beim Spracherwerb und werteten sie aus. Wir setzten uns innerhalb des Teams sowie mit Vorgesetzten auseinander und definierten, an welchen Stellen wir mithelfen könnten, die interkulturellen Problemlagen unserer Kommune anzupacken.

Mit der halbwissenschaftlichen Vorarbeit für das Konzept gerieten wir ganz zwangsläufig mitten in die aktuelle Integrationsdebatte der Stadt und wurden so nicht nur bei der Erstellung eines Integrationskonzeptes ein kompetenter Partner in Bildungs- und Integrationsfragen für unsere Stadt.

Der Haupteffekt ist jedoch, dass wir als Institution unverzichtbar(er) geworden sind, denn ‚ein Buch über die Theke schieben kann jede/r‘, aber die Vermittlungsarbeit, die wir leisten, den Beitrag zur Demokratisierung von Bildung, die Verbesserung der Chancengerechtigkeit, außerschulischer Partner für Schüler und deren Eltern zu sein, das sind Alleinstellungsmerkmale, die beispielsweise im Falle einer Einsparung der laufenden Bibliothekskosten zu einem mittlerweile in Zahlen zu belegenden Verlust von gesellschaftlicher Teilhabe, Bildungs- und Kulturchancen in der Kommune führen würden.

Selbstbewusst gegenüber den politischen Entscheidungsträgern

Bei einem jährlichen Haushaltsdefizit von ca. 18 Mio. Euro steht der Betrieb einer Stadtbücherei bei Haushaltsberatungen, wie alle freiwilligen Leistungen, immer wieder auf dem Prüfstand. Mit der Konzepterstellung sind wir aber nicht mehr allein auf die Sympathie wohlgesonnener Politiker angewiesen, sondern können seitdem mit Auswertungen und Statistiken belegen, welche notwendigen Funktionen die Bibliothek in dieser Kommune erfüllt. Dass Medienetat und Personalkapazität in Dietzenbach nicht erhöht wurden, nimmt angesichts der defizitären Haushaltslage nicht wunder, doch haben sich die Bewertung und das Image unserer Arbeit mit ihrer Untermauerung durch das Bibliothekskonzept entscheidend verbessert, sodass wir beispielsweise für kleinere Projekte leichter Sponsoren finden. Entscheidend ist, dass wir unsere Arbeit nun wesentlich professioneller und mit mehr Selbstbewusstsein gegen-über den politischen Entscheidungsträgern präsentieren und damit auch qualifizierter argumentieren können, als das vorher der Fall war.

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74 Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach Ein anderer Nutzen aus der Erstellung des Konzeptes und den vielen Diskussionen im Team, mit Vorgesetzten und auswärtigen Kollegen ist, dass die erarbeiteten Inhalte des Konzeptes so ‚sitzen‘, dass auch eine über-raschende Anfrage aus Politik und/oder Verwaltung, egal zu welchem Sach-verhalt (baulich, finanziell, personell ...), aus dem Stand beantwortet werden kann – übrigens vom gesamten Team.

Die mehr und weniger ‚provokanten‘ Statements von Meinhard Motzko während der Workshops haben uns – nebenbei bemerkt – ganz gut darauf vorbereitet, welches Bild von Stadtbibliotheken noch in den Köpfen vieler Entscheidungsträger vorherrscht. Wir haben einige Politiker an genau dieser Stelle ‚abholen‘ können – tatsächlich mitten aus den 1950er Jahren!

... wenn gelegentlich mal ein Buch nach Curry riecht ...

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass eine der Schwerpunktsetzungen unserer Arbeit auf „Bildungsintegration“ zu Zielkonflikten sowohl im Team, als auch mit der einheimischen Kundschaft geführt hat (die gängigsten Vorurteile sind dabei: Migranten sind „zu laut, zu ungebärdig, haben andere Gerüche...“). Hier galt und gilt es, Aufklärungsarbeit zu leisten, niemanden zu bevorzugen oder gar auszuschließen, gemeinsame Erlebnismöglichkeiten zu schaffen und im Gespräch zu bleiben. Der Bibliotheksbetrieb ist bisher auch noch nicht zusammengebrochen, weil gelegentlich mal ein Buch nach Curry riecht, drei tief verschleierte Frauen an der Theke stehen, um etliche ihrer zahlreichen Kinder anzumelden, oder ein Kleinkind in türkischer Sprache im Lesesaal laut nach seiner Mutter ruft. Insgesamt ist die Stadtbücherei trotz ihrer deutlich wahrnehmbaren Öffnung in Richtung von Familien mit ausländischen Wurzeln ein Ort, an dem sich nun – mehr denn je – alle Einwohner der Stadt begegnen.

Im Hinblick auf die Einstellung des Teams zu diesen Veränderungen war einerseits die Sinus-Studie zu den Migranten-Milieus hilfreich (Migrant ist eben nicht gleich Migrant), andererseits der Hinweis auf die ‚Kundschaft von morgen‘ (von jährlich etwa 400 Neugeborenen in Dietzenbach haben ca. 350 einen Migrationshintergrund).

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich unsere Erwartungen an die Konzeptentwicklung mehr als erfüllt haben – bis auf zwei Verheißungen der Auftaktveranstaltung, die so nicht eingetreten sind:

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Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ 75

• Politik und Verwaltung haben uns das Konzept (74 Seiten) keineswegs aus den Händen gerissen, es hat de facto sogar zwei Jahre in der Schublade des Vorgesetzten gelegen, und erst ein Wechsel an der Verwaltungsspitze, verbunden mit einiger Lobbyarbeit, hat ermöglicht, dass eine Zusammenfassung des Konzepts auf einer (!) Seite nebst Maßnahmentabelle vom Stadtparlament überhaupt zur Kenntnis genommen wurde.

• Die Arbeitsbelastung ist auch nicht wirklich weniger geworden, ganz im Gegenteil, aber anders als vorher wissen wir nun ganz genau, was wir alles machen, für wen, warum und mit welchem Ziel. Und wir kommunizieren unsere Arbeit besser, klarer und selbstbewusster.

Was uns glücklicherweise im Anfangsstadium der Konzeptentwicklung noch nicht bewusst war, ist der enorme Zeitaufwand, der damit verbunden war. Dennoch und obwohl unser Konzept nicht in Gänze vor Politik und Verwaltung zum Zuge gekommen ist, stellt es auch zwei Jahre später noch eine Art Fundus dar für unsere tägliche Arbeit. Zudem ist es ein unschätzbarer Vorteil, einmal – sozusagen aus der Vogelperspektive – die Stadt und die Stadtbücherei Dietzenbach gesehen und ‚analysiert‘ zu haben.

Zu guter Letzt ...

... noch ein Dankeschön an die Fachstelle in Hessen: Unseren Beruf noch deutlicher als Berufung zu sehen, das ist ein großer persönlicher Nutzen aus der Arbeit an der Erstellung des Bibliothekskonzepts, denn in einer unserer Hauptaufgaben sehen wir uns bestärkt: der des Vermittelns – von Informationen, Geschichten, Recherchestrategien, Quellen. Dieses Vermitteln in einem verbindlichen und entscheidungsfreudigen Stil zu tun, dabei Ziele vor Augen zu haben, sich und das Team in diese Richtung zu motivieren, alle diese (schon seit je her unserem Beruf immanenten) Faktoren haben durch die Konzepterstellung eine Art Renaissance erfahren und machen unsere Arbeit, das ist hier die einhellige Meinung vor Ort, zutiefst befriedigend, weil entwicklungsfähig und erfolgreich und sinnvoll.

Immer mehr ist es üblich, auch die Erfolgsfaktoren einer Qualitätsent-wicklung zu benennen. Unsere heißen: Konzeptentwicklung und viel (!) Geduld!

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76 Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach Anhang / Konzept

Stadtbücherei Dietzenbach im Wandel Ziele und Maßnahmen 2010/15

Mit mehr als 35 000 Besuchern, gut 80 000 Ausleihen und über 150 Veranstaltungen – vom Bilderbuchkino für die Jüngsten über Recherche-workshops für Schüler bis zu Lesungen namhafter Autoren für Erwachsene (s. Jahresbericht 2009) – ist die Stadtbücherei eine der besucherstärksten Bildungs- und Kultureinrichtungen der Stadt Dietzenbach.

Unter dem Motto „Fit für die Zukunft“ wurde im Rahmen eines Workshops der Hessischen Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken in Hessen3 ein Bibliothekskonzept erarbeitet, das als Meinungs- und Entscheidungsgrundlage für die Zukunft der Stadtbücherei dienen kann.

Kernpunkte künftiger Bibliotheksarbeit in Dietzenbach sind: • Der Bildungsaspekt ist in den Mittelpunkt gerückt! • Abschied von der Bibliothek für alle, kein nach dem ‚Gießkannen-

prinzip‘ aufgebauter Medienbestand. • Festlegung bestimmter Zielgruppen, Ziele und Maßnahmen mit

festgelegten Kriterien zur Erfolgsmessung. • Aufbau eines Medienbestandes, der den Bedürfnissen der Zielgruppen

(Leseförderung, Integration, lebenslanges Lernen) mit entsprechenden Angeboten entgegenkommt.

Für ihre erfolgreiche, effiziente und transparente Arbeit benötigt die Stadtbücherei eine strategische Verankerung in der Dietzenbacher Bildungs-infrastruktur. Das Stadtparlament muss entscheiden, in welche Richtung sich die Stadtbücherei Dietzenbach entwickeln soll, welches ihre Hauptaufgaben sind, wo ihre Handlungsgrundlagen und -spielräume verbindlich festgelegt werden und welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Umsetzung des vorliegenden Maßnahmenplans erfordert eine angemessene finanzielle und personelle Ausstattung der Stadtbücherei, mindestens jedoch die Beibehaltung des Status quo.

Bettina Kuse Leitung Stadtbücherei Dietzenbach im Januar 2010

3 www.hlb-wiesbaden.de -> Fachstelle für Öffentliche Bibliotheken.

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Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“ 77

Aufgrund des derzeitigen (und absehbaren) Personal- und Mittelrahmens können folgende Ziele und Zielgruppen (noch) nicht in den Mittelpunkt der – mittelfristig – zukünftigen Bibliotheksarbeit gestellt werden:

(1) Frühförderung

Leseförderung vom Babyalter an ist nachgewiesenermaßen eine sinnvolle Maßnahme (Bücherei-Flyer, Bücherkisten und Empfeh-lungslisten, stationiert bei Kinderärzten und Hebammen, alle etwa 350 neugeborenen Kinder pro Jahr erhalten ein Pappbilderbuch, die jungen Eltern einen kostenlosen Jahresausweis der Stadtbücherei zur Geburt geschenkt, Schoßkindergruppen-Nachmittage mit Liedern, Fingerspielen und ersten Bilderbüchern, etc.). Sobald der Stadt-bücherei mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, wird diese Ziel-gruppe ins Visier genommen, um die Leseförderung konsequent von ‚Null Jahren’ an zu betreiben (s. auch Hessischer Bildungs- und Erziehungsplan von 0 – 10 Jahren4).

(1) Ältere In- und Ausländer (50 plus und älter)

Kulturelle Angebote für die „Generation 50 plus“ werden bereits im bisherigen Veranstaltungskanon geleistet und angenommen, beim Medienerwerb sind die Älteren auch im Blickpunkt (EDV, Gesund-heit, Finanzvorsorge, Medien zur Unterstützung des Lebenslangen Lernens), darüber hinausgehende Maßnahmen wie Vorlesestunden, Literaturzirkel, Hol- und Bringdienste, Aktive Förderung des Lebens-langen Lernens, aktive Kooperation mit Arbeitsmarktinitiativen 50 plus, Anleitung und Betreuung von ehrenamtlichen Senioren in der Bibliotheksarbeit (Zeitzeugen berichten, Vorlesepaten, Auf den Spuren der Ortsgeschichte), Beratung bei digitalen Recherchen, Leselupen- und Lampen kann sich die Stadtbücherei aus den oben bereits genannten Gründen (noch) nicht leisten.

(2) Schüler/innen der Sekundarstufe II / Oberstufe

Die Stadtbücherei leistet bereits – im Sinne der Chancengleichheit – die Bereitstellung von für das (heute: Zentral-) Abitur relevanten Medien.

4 „Bildung von Anfang an“, www.bildungs-und-erziehungsplan.hessen.de.

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78 Hessen: Stadtbücherei Dietzenbach

Sinnvoll wäre es, Recherche-Training, Erstellen von Facharbeiten, Präsentationsmöglichkeiten in dieser Phase noch einmal zu vertiefen. Noch sinnvoller erscheint uns aber – angesichts knapper Personal-ressourcen – die Leseförderung der Kinder von 3 bis 12 Jahren, weshalb wir die Zielgruppe der angehenden Abiturienten (noch) hintanstellen.

Bei allen diesen Themen mangelt es uns nicht an Ideen, sondern nur an Ressourcen.

Gerade weil die Zielgruppe „50 plus“ – auch aus demografischen Gründen – immer interessanter wird, wird für diese Zielgruppe als Nächstes ein differen-ziertes Konzept erarbeitet und den Entscheidungsträgern vorgelegt.

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Page 85: Bibliotheken strategisch steuern - 404 · Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken ANDREAS MITTROWANN ... Spätestens dann gilt es für Bibliotheken,

Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten Schwerpunkt: Zielvereinbarungen

STEPHAN SCHWERING

Aufbauend auf Zielvereinbarungen der Stadtbibliothek Emsdetten mit der Kommunalpolitik (Kontraktmanagement) seit 2000 wurde 2003 vom Rat der Stadt Emsdetten eine Bibliothekskonzeption erstellt. Diese baute damit auf die Reform- und Vertrauenskultur der Stadt Emsdetten auf und brachte in 10 Jahren für die Stadtbibliothek Emsdetten mess- und sichtbare Erfolge, sodass die Stadtbibliothek mit RFID-Technologie und Onleihe heute auf dem neuesten Stand ist.

Anfänge mit Kontraktmanagement und Zielen

Die Stadtbibliothek Emsdetten hatte im Jahr 2000 zum ersten Mal am inter-kommunalen Bibliotheksvergleich „BIX – Bibliotheksindex“1 teilgenommen. Die Ergebnisse für die Stadtbibliothek waren im Vergleich mit anderen Bibliotheken damals nicht so gut wie erhofft und wie man es aufgrund eines lokalen „subjektiv sehr guten“ Eindrucks der Bibliothek erwartete. Die Nutzung der Bibliothek durch die Bürger war beispielsweise viel geringer als in vergleichbaren Kommunen. Dabei bot das großzügige und attraktive Bibliotheksgebäude eine wichtige Voraussetzung für einen positiven Fortschritt. Die Stadt Emsdetten beschloss, den Grundstein für eine künftige erfolgreiche neue inhaltliche Ausrichtung der Stadtbibliothek Emsdetten zu legen und aktiv zu werden.

Es wurde ein Zielbildungsverfahren mit Kommunalpolitikern in der Stadt-bibliothek durchgeführt. Dabei wurde beschlossen, jährliche Leistungsziele für die Arbeit der Stadtbibliothek mit dem zuständigen Fachausschuss des Rates der Stadt zu vereinbaren. Erreicht werden sollte mit diesem Kontrakt-management eine bessere politische Steuerung, mehr Transparenz über die Arbeit der Stadtbibliothek für Bürger und Ratsmitglieder und der Aufbau einer gemeinsamen Vertrauenskultur. In einem vierteljährlichen Controllingbericht und einem ausführlichen Jahresbericht sollten dabei der Stand der vereinbarten Leistungsziele und die allgemeinen Leistungsdaten der Stadtbibliothek

1 www.bix-bibliotheksindex.de.

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86 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

vorgestellt werden. Die Formulierung der Ziele sollte sich an den Ergebnissen des „BIX-Bibliotheksindex“ orientieren. Der „BIX-Bibliotheksindex“ ist bis heute ein wichtiger Baustein der strategischen Planung der Bibliothek.

Das großzügige und attraktive Bibliotheksgebäude der Stadtbibliothek

Emsdetten. © Stadtbibliothek Emsdetten.

Die Bibliothekskonzeption

Auf der Reform- und Vertrauenskultur der Stadt Emsdetten aufbauend, erschien es als logische Folge, dass auch die Stadtbibliothek Emsdetten als Mittelstadtbibliothek eine fundierte inhaltliche Konzeption benötigte. Der Bibliotheksleiter nahm an Seminaren zum Thema „Bibliothekskonzeptionen“ teil, die vom vbnw (Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen)2 in den Jahren 2001 und 2002 veranstaltet und von Meinhard Motzko (Praxis Institut Bremen) durchgeführt wurden.

2 www.vbnw.de.

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Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten 87

Zielsetzung dieser Bibliothekskonzeptionen war, eine Grundlage für die Arbeit zu schaffen und die inhaltliche Ausrichtung für Bürger und Ratsmitglieder transparent zu gestalten. Ebenso wurde damit ein Stück Planungssicherheit für die Bibliothek und den optimalen Einsatz der Ressourcen geschaffen.

Der von der Bibliotheksleitung entworfene Entwurf einer Konzeption wurde zunächst intern mit dem Bibliotheksteam, der Verwaltung und dann mit der Politik kommuniziert und diskutiert und schließlich 2003 für einen fünf-jährigen Zeitraum (2004-2009) vom Rat der Stadt Emsdetten verabschiedet.

Die Bibliothekskonzeption beschreibt die Ausgangssituation, das Aufgaben-profil der Bibliothek, die angestrebten Ziele, die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele und die Möglichkeiten der Erfolgskontrolle.

Inhaltlich war besonders die Fokussierung auf Zielgruppen ein wichtiger Schritt für die Stadtbibliothek. Abseits von der Überzeugung, die Bibliothek hat ‚für alle alles‘ zu bieten, wurden Schwerpunkte gesetzt und klargestellt, was die Bibliothek leisten kann und will und was sie nicht kann. Schwerpunkt war dabei von Anfang an die Leseförderung und die Erlangung von Medienkompetenz. Hierfür wurden Kinder und Jugendliche sowie Schüler als Zielgruppen vereinbart. Gerade auch im Hinblick auf finanziell begrenzte Ressourcen ist eine Schwerpunkt- und Zielgruppenvereinbarung zu Beginn des 21. Jahrhunderts unerlässlich.

Konkrete politische Zielvereinbarungen

Die Zielvereinbarungen für die Bibliothek haben starke, positive Aus-wirkungen nach außen wie nach innen. Nach außen wird die Arbeit transparent und belegt die inhaltlichen Schwerpunkte eines Jahres, die die Politik auch vorgeben kann. Nach innen entsteht im Bibliotheksteam eine starke Motivation, das vereinbarte Ziel zu erreichen.

Im Folgenden einige Beispiele aus der Praxis. Diese Ziele waren mit dem Rat der Stadt Emsdetten in den jeweiligen Jahren vereinbart:

2004: Leseförderung: Mindestens 50 % der Grundschüler (6- bis 10-Jährige) besitzen Ende 2004 einen Bibliotheksausweis und leihen pro Jahr mindestens 10 Bücher aus.

2004: Familienbibliothek: Das Bestandssegment Familienbibliothek soll Ende 2004 mindestens 3 300 Medien (oder 8,0 % des Gesamtbestandes) ausmachen und mindestens sechsmal entliehen worden sein.

2006: Ausgaben je Besuch: Die Ausgaben je Besuch liegen am Ende des Jahres 2006 investitionsbereinigt nicht über 4,20 Euro.

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88 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

2007: Zielgruppenarbeit/Leseförderung Jungen: Bis Ende 2007 haben sich mindestens 210 Jungen im Alter von 6 bis 12 Jahren neu als Nutzer in der Bibliothek angemeldet (Steigerung um 10 %).

2008: Lesefrühförderung: Es werden mindestens 250 Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren als neue Nutzer für die Bibliothek gewonnen, die im Berichtszeitraum mindestens je 10 Bücher und Medien ausleihen.

2009: Leseförderung durch den JuniorLeseClub: Die Stadtbibliothek motiviert 2009 mindestens 15 % aller Grundschüler für eine Beteiligung am JuniorLeseClub, der vereinfachten Variante des SommerLeseClubs3.

2010: Zielgruppe Senioren: Angebot an Großdruckbüchern: Die Stadtbibliothek erreicht im Segment „Angebote für Senioren / Großdruckbücher“ mindestens eine Erneuerungsquote von 10 % bei einem Angebot von mindestens 200 Titeln.

Folgen

Die Maßnahmen, die in den letzten Jahren veranlasst wurden, ließen die Nutzungszahlen der Bibliothek steigen: Die Anmeldegebühr für Kinder und Jugendliche wurde 2002 abgeschafft, 2008 wurde ein kostenloser Bibliotheks-ausweis für Kleinkinder ab 0 Jahren und die kostenfreie Nutzung für Schüler bis 18 Jahren eingeführt. Flankierend nahm die Stadtbibliothek am Pilotprojekt „Medienpartner Bibliothek und Schule“4 des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bertelsmann Stiftung teil. In diesem Rahmen wurden mit den Schulen in Emsdetten Vereinbarungen getroffen, die die Zusammenarbeit auf eine systematische Grundlage stellten.

Die Folgen der systematischen, strategischen Arbeit sind nach zehn Jahren mehr als deutlich. Politiker in Emsdetten verstehen den Bibliotheksleiter heute, wenn er in den politischen Gremien von „Erneuerungsquote“, „Aktiven Lesern“ oder „Web-OPAC“ berichtet – diese bibliothekarischen Fachtermini sind keine Fremdwörter mehr für die Ohren der Entscheidungsträger. Dadurch werden sinnvolle bibliothekarische Sachentscheidungen gefördert.

Viele Projekte konnten in Emsdetten mit großer Unterstützung der politischen Entscheidungsträger und der Verwaltungsspitze umgesetzt werden: Für alle Besucher der Stadtbibliothek ist die Nutzung des Internets kostenfrei. Im Rahmen des gültigen Haushaltsrechts konnte eine größtmögliche

3 www.sommerleseclub.de. 4 www.medienpartner-nrw.de.

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Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten 89

Flexibilität bei der Einführung neuer Angebote gewährleistet werden (z. B. Bestseller-Service: Einnahmen fließen wieder zurück, um genügend Bestseller kaufen zu können). 2010 wurde RFID-Technologie für die Selbstbedienung bei Ausleihe und Rückgabe, inklusive einer 24-Stunden-Rückgabe, eingeführt. Seit 2010 nimmt die Stadtbibliothek im Münsterland-Verbund „muensterload.de“ an der Onleihe5 teil. Anfang 2011 wurde die komplette Jugendbibliothek neu gestaltet.

Seit die Stadtbibliothek am BIX teilnimmt, eine Bibliothekskonzeption erstellt hat und jährlich Ziele vereinbart, ist der Medienetat um 37,5 % erhöht worden, die Personalkapazität ist um 10 % gestiegen.

Nachdem nun große Projekte der letzten Jahre erfolgreich abgeschlossen wurden, wird derzeit an einer Aktualisierung der Bibliothekskonzeption gearbeitet, die alle neuen Entwicklungen berücksichtigen wird.

Was hat die Bibliothekskonzeption der Stadtbibliothek für die Stadt Emsdetten gebracht? Statement des Bürgermeisters der Stadt Emsdetten GEORG MOENIKES

Die Stadtbibliothek Emsdetten war eine der ersten Einrichtungen der Stadt Emsdetten, die im Jahr 2000 beginnend bis heute auf der Grundlage konkreter Zielvereinbarungen arbeitet. Die vom Rat der Stadt Emsdetten im Jahr 2003 zusätzlich verabschiedete Bibliothekskonzeption hat maßgeblich zum Erfolg dieser wichtigen Kultur- und Bildungseinrichtung beigetragen.

Insbesondere die starke Ausrichtung der Stadtbibliothek am gesamtstädtisch gesetzten strategischen Schwerpunkt „Familie und Bildung“ macht die Bedeutung der Bibliothek deutlich.

Durch die Offenlegung ihrer Arbeit konnte die Stadtbibliothek ihren Auftrag und ihre Leistungen transparent und deutlich machen. Sie genießt heute in der Politik, in der Verwaltung und in der Bevölkerung hohes Ansehen.

Mehr als 100 000 Bürger besuchen jedes Jahr die Stadtbibliothek und machen sie damit zu einem echten kommunalen Kommunikationstreffpunkt. Sie bietet ihren Besuchern einen nicht-kommerziellen Raum von hoher Qualität. Durch die modernen Angebote, wie Selbstbedienung durch RFID-Technologie und Ausleihe virtueller Medien, haben wir heute eine Stadt-bibliothek auf dem neuesten Stand, wie die Bürger es erwarten. 5 www.onleihe.net.

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90 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

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Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Emsdetten 91

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92 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

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Nordrhein-Westfalen: Stadtbibliothek Euskirchen Schwerpunkt: Synergieeffekte durch Zusammenarbeit auf Kreis-ebene

BRUNHILDE WEBER

Die Leiterinnen der Bibliotheken im Kreis Euskirchen kamen auf Anraten von Frau Rosemarie Allgeier von der Bezirksregierung Köln, Dez. Öffentliche Bibliotheken, im Jahr 2005 überein, Bibliothekskonzepte für ihre jeweilige Kommune zu entwickeln. Sieben Bibliotheken konnten sich in einer mehrtägigen, über das Jahr 2007 verteilten Workshop-Reihe unter der Leitung von Meinhard Motzko erfolgreich der Entwicklung ihrer Bibliothekskonzepte widmen. Die Konzeption erfolgte mit finanzieller Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen als Landesprojekt und des Vereins der „Freunde und Förderer der Bibliotheken im Kreis Euskirchen e. V.“.

Im Einzelnen beteiligten sich aus dem Kreisgebiet die Stadtbibliothek Eus-kirchen1 als Projektverantwortliche, die Stadtbüchereien Mechernich2, Schlei-den3 und Zülpich4, die Gemeindebüchereien Kall5 und Nettersheim6 sowie die Historische Kreisbibliothek im Kreishaus Euskirchen7.

Die Erstellung der Konzepte unterlag dabei folgenden Kriterien: • Kostenneutralität – Ausrichtung auf Synergien, • die Region im Blick - nicht nur die eigene Gemeinde, • als Beispiel für alle Kommunen nutzbar, • konkret, messbar und beschlussreif für die Entscheidungsgremien.

1 www.euskirchen.de/index.php?id=3. 2 www.mechernich.de/stadtbuecherei-mechernich.de. 3 www.stadtbibliothek-schleiden.de. 4 www.zuelpich.de -> Soziales & Bildung -> Stadtbücherei. 5 www.kall.de/einrichtungen/buecherei/index.php. 6 http://nettersheim.de/Seiten/Die_Gemeinde/Buecherei.php. 7 www.kreis-euskirchen.de/vv/produkte/bereich_10/106020100000021650.php.

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94 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Die intensive Beschäftigung mit den für das Konzept gesammelten Daten brachte die Erkenntnis, die künftige Bibliotheksarbeit auf bestimmte Nutzer-gruppen zu fokussieren. Dies bedeutete, sich von der „Bibliothek für alle“ zu verabschieden, vor allem auch im Hinblick auf die geringer werdenden Ressourcen. Vielmehr wird ausdrücklich gefordert, konkrete Aufträge, verbindliche Aufgabendefinitionen und Zielvorgaben in den Bibliotheks- konzepten zu entwickeln. Damit sollen weiterhin der Bestand der Bibliotheken und der öffentliche Zugang für Jedermann gewährleistet sein, jedoch zielgerichtet und unter Vermeidung von Doppelarbeiten sowie in Ergänzung der jeweiligen Angebote an Medien und Service.

Wichtige Schlagworte für die beteiligten Bibliotheken bei der Erarbeitung der Konzepte waren „Demographischer Wandel“ und „Migration“ sowie deren Auswirkungen auf die Nutzerkreise. Hierzu wurden die demographische Entwicklung, die Einkommensstruktur und die Pendlerdaten ermittelt, unter-sucht und ausgewertet. Anhand der Analysen wurden für die einzelnen Bibliotheken spezifische Probleme, besonders aber überprüfbare Ziele und Zielgruppen formuliert. Alle Konzepte folgten einem gemeinsamen Gliede-rungsraster, angefangen bei einer Umfeldanalyse über die Beschreibung von Problemlagen der Kommune und die Definierung von Zielgruppen der Bibliotheksarbeit bis hin zu Ressourcengrundsätzen.

So ließen sich die verschiedenen Konzepte im regionalen Überblick besser vergleichen, verschiedene Probleme in der Umfeldanalyse, aber auch verschie-dene Handlungsansätze, wurden leichter deutlich.

Als Ergebnis der Workshopreihe zeigte sich, dass Bibliotheken in zentraler Lage und mit ansprechender Atmosphäre wichtige Standortfaktoren für den Einzelhandel in den Kommunen sind. Sie sind für junge Familien wichtiges Kriterium als Bestandteil der Bildungschancen ihrer Kinder, die bei Zuzug oder Wegzug entscheidend sein können.

Gemeinsam lassen sich moderne Angebote umsetzen

Die hiesige ländliche Zergliederung erschwert die Erreichbarkeit der Biblio-theken, die Struktur als sechstgrößter Flächenkreis Nordrhein-Westfalens mit der drittkleinsten Einwohnerzahl erschwert die fachliche Zusammenarbeit und den Austausch der Medien zum Nutzen der Kunden. Nur gemeinsam lassen sich – für die im Vergleich mit anderen Öffentlichen Bibliotheken in NRW kleinen Einrichtungen im Kreisgebiet – moderne Angebote wie die Digitale Bibliothek, der digitale Bestandskatalog (Web-OPAC), Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring umsetzen.

Inzwischen wurden die 2008 vorgestellten Konzepte entweder vom Rat, vom Fachausschuss oder von der Verwaltung als Handlungsgrundlage für die

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Arbeit der Bibliotheken beschlossen oder es wurde zumindest empfohlen, die Bibliotheksarbeit an den Konzepten auszurichten. Bei der Vorstellung des Bibliothekskonzeptes im Kulturausschuss der Stadt Euskirchen im Juni 2008 dankten alle Fraktionen der Bibliotheksleitung für die Erarbeitung und über-zeugende Darstellung des modernen Konzeptes, insbesondere für die detaillierte Umfeldanalyse.

Damit konnten die am Projekt beteiligten Bibliotheken erfolgreich mit den ersten Umsetzungen starten. Dabei dürfen die verschiedenen Maßnahmen der doch sehr unterschiedlich in Personal, Bestand und Finanzen aufgestellten Bibliotheken nicht mit demselben Maßstab gemessen werden. Jede einzelne hat im Rahmen ihrer finanziellen und personellen Möglichkeiten und dank der Unterstützung durch Entscheidungsträger und Verwaltung wichtige Schritte für ihre Weiterentwicklung getan.

Überblick über die einzelnen Maßnahmen von 2007 bis 2010:

Stadtbibliothek Euskirchen

• Ausweitung der Bildungsarbeit: Führungen, Bilderbuchkino, Kamishibai (ein japanisches Papiertheater), Mediennächte, Facharbeitsrecherchen,

• Vernetzung mit allen Kigas, Kitas und Schulen, • Biblio-Bus: Gewährleistung, dass alle Kinder aus den Außenorten

regelmäßig zur Bibliothek kommen können, • zukunftsorientiertes, benutzerfreundlicheres Ausleihsystem mit RFID, • Aufbau einer Seniorenarbeit ab 2011, • Neubau im Jahr 2012.

Gemeindebücherei Kall

• Neue barrierefreie Räumlichkeiten im Erdgeschoss der Hauptschule, • EDV-Katalog, • hohe Steigerung der Ausleihzahlen bis zu 24 %.

Stadtbücherei Mechernich

• Eigener Internetauftritt mit Internetkatalog, • Medienboxen für Kindergärten, • Informationen für Neubürger, • Leseausweis für Schultüten.

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Stadtbücherei Schleiden

• Cafeteria, • Überarbeitung der Internetseite, • Fristverlängerung online, • Medienboxen für Kindergärten, • Trägerschaft über Förderverein.

Stadtbücherei Zülpich

• Rücknahmebox, • Ausleihe von Lesehilfen, • Langer Donnerstag, • Hörbuchsortiment, • Lesungen in Seniorenheimen, • Kooperation mit einer Grundschule und mit dem Stadtarchiv Zülpich.

Historische Kreisbibliothek

• Rückgabe-Erinnerung, • Buchreservierungen, • Hörbücher zum Thema „Eifel“, • Vorbereitungen für die Übernahme der Bibliothekskataloge in eine

Datenbank, • öffentliche Lesung.

Dabei schaffte es eine ‚große Bibliothek‘ wie die Stadtbibliothek Euskirchen, einen „Biblio-Bus“ der SVE – Stadtverkehr Euskirchen – für den kostenlosen Transport der Kindergarten- und Schulkinder aus allen Außenorten in die Stadtbibliothek zu organisieren, während die ‚kleinere‘ Gemeindebücherei Nettersheim mit den „Büchereipaten“ Mitfahrgelegenheiten aus den Ortsteilen zur Bücherei anbietet. Damit gelingt es beiden, im jeweiligen Rahmen, die Hindernisse durch die Zergliederung des Kreisgebietes und die damit verbundenen weiten Wege zu den zentralen Einrichtungen zu minimieren.

Bereits bestehende Internetangebote, wie das der Stadtbücherei Schleiden, wurden den neuen Anforderungen angepasst und neue Online-Angebote, wie die eigene Internetpräsentation der Stadtbücherei Mechernich, mit Online-Katalog (dem sog. Web-OPAC) eingerichtet.

Die Gemeindebücherei Kall und die Historische Kreisbibliothek können nun ihre gesamten Bestände mit der Hilfe von Bibliothekssoftware verwalten und ihren Service für die Leser optimieren.

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Nordrhein-Westfalen: Euskirchen 97

Und die Stadtbücherei Zülpich dehnte ihr Rahmenprogramm auf 60 Ver-anstaltungen pro Jahr in Form von Bilderbuchkino, Lesungen im Seniorenheim o. ä. aus.

Vorbildlich

Auf Wunsch des zuständigen Dezernats der Bezirksregierung wurden die im Kreis Euskirchen erarbeiteten Bibliothekskonzepte den anderen Öffentlichen Bibliotheken im Regierungsbezirk Köln über die Bezirksregierung für die Weiterbildung und die Erstellung eigner Konzepte als gelungenes Beispiel zur Verfügung gestellt.

Für 2012 streben die o. a. sieben Bibliotheken im Kreis Euskirchen mit den Bibliotheken aus Bad Münstereifel und Weilerswist eine Vernetzung ihrer Bibliothekskataloge mit DigiBib8 an. Bei dieser Vernetzung bieten die Biblio-theken einen gemeinsamen Auftritt in einem Internetportal an, über den die Kunden für Recherchen und Anfragen Zugriff auf alle angeschlossenen Kataloge haben.

Fazit

Die vielen Veränderungen in den Bibliotheken sind von den Bürgern positiv wahrgenommen bzw. genutzt worden. Die Bibliotheken werden in ihrer Arbeit weiterhin von den Entscheidungsträgern und den Verwaltungen mit einem festgeschriebenen Etat ausgestattet, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Auch die verschiedenen Fördervereine unterstützen ‚ihre‘ Bibliotheken mit finan-ziellen und personellen Ressourcen.

„Die Bibliotheken fungieren in ihrer Kommune als ‚Problemlöser‘ für bildungsferne Schichten“ Stellungnahme des Bürgermeisters der Kreisstadt Euskirchen

UWE FRIEDL

Im Kreis Euskirchen haben die Bürgermeister der Kommunen von Anfang an die Erarbeitung der Bibliothekskonzepte wohlwollend begleitet. 8 www.bibnet.de/digibib.html.

Stadtbibliothek

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98 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Dicht an der Zielgruppe: Hauptschule in der Stadtbibliothek Euskirchen. © S. Heidt.

In der Bürgermeisterkonferenz am 30.09.2005 wurde den Bürgermeistern aller Kommunen im Kreis Euskirchen das zukunftsweisende Projekt „Kooperationsmodelle und neue Strukturen“ der Bibliotheken vorgestellt. In dem ebenfalls im Jahr 2005 gegründeten Arbeitskreis „Zukunft der Biblio-theken im Kreis Euskirchen“, in dem ein Bürgermeister aus dem Kreis mitarbeitete, wurde schließlich den Bibliotheken der Auftrag zur Erstellung ihrer Bibliothekskonzepte erteilt.

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Nordrhein-Westfalen: Euskirchen 99

Im Rahmen der einzelnen Haushaltskonsolidierungen des Kreises und der Kommunen im Kreis Euskirchen wurden in den letzten Jahren alle Ausgabe-posten auf den Prüfstand gestellt. Besonderes Augenmerk der Politik galt und gilt hier den sogenannten „freiwilligen Aufgaben“, zu denen auch das Öffent-liche Bibliothekswesen gehört. In einem Spannungsfeld zwischen Aufgaben-profil, demographischem Wandel und Ressourcenknappheit kann eine Biblio-thek nur mit einem den Erfordernissen angepassten Auftrag, einem vom Bibliotheksträger genehmigten Konzept, sinnvoll arbeiten.

Dennoch: Von 2006 bis 2010 ist ein Anstieg des Personals von 13 auf 16 Stellen (23 %) kreisweit zu verzeichnen. Der Bestand in den Bibliotheken vermehrte sich um 3 400 Medien von 153 700 Medien im Jahr 2006 auf 157 100 Medien im Jahr 2010. Die Entleihungen stiegen um 16 % in den vergangenen 4 Jahren von 472 900 im Jahr 2006 auf 548 600 im Jahr 2010. Am erfreulichsten ist der Anstieg im Erwerbungsetat, der von 81 000 € (2006) auf 106 000 € (2010) gestiegen ist, ein Plus von über 30 %.

Im Frühjahr 2008 präsentierten die Bibliotheksleiterinnen in einer Bürgermeisterkonferenz ihre neu erstellten Bibliothekskonzepte. Damit waren die Bibliotheken im Kreis Euskirchen die ersten Öffentlichen Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen und bundesweit mit die Ersten, die ihre Bibliotheks-konzepte der Öffentlichkeit und den Entscheidungsträgern präsentierten.

Grundlage der Bibliothekskonzepte bildete die Umfeldanalyse für die je-weilige Kommune. Gerade diese haben in allen Kommunen die Entschei-dungsträger überzeugt, da die Bibliotheken beispielhaft für weitere Vorhaben in der Stadt oder der Gemeinde wertvolles Zahlenmaterial zu Daten und Fakten der jeweiligen Kommune bereitstellen konnten.

In Euskirchen erfasste die Stadtbibliothek erstmals die Kinder mit Migrationshintergrund in den Bildungseinrichtungen. Diese Daten konnten von der Stabsstelle Demographie als Basis für weitere Auswertungen über-nommen werden und stellten für das Arbeiten in den jeweiligen Arbeitskreisen eine wertvolle Hilfe dar. Das führte zu einer engen Vernetzung der Stadt und der Stadtbibliothek mit der türkisch-islamischen Gemeinde, die sich vorbildlich in der Bildungsarbeit für ihre Kinder und Jugendlichen engagiert.

Die Bibliotheken fungieren in ihrer Kommune als ‚Problemlöser‘ für bildungsferne Schichten, da sie über die Schulen, Kindergärten und Tages-stätten alle Kinder erreichten. Auch Familien mit Migrationshintergrund werden durch die Bibliothek mit ihrem Medien- und Bildungsangebot erreicht. Die Bibliotheken sind somit keine Luxus-Kultureinrichtungen für einige wenige Bildungsbürger.

Mit den Konzepten zeigten die Bibliotheken ihrer Kommune und damit der Öffentlichkeit ihren verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern und den optimalen Einsatz der personellen Ressourcen. Diese Vorgehensweise

Stadtbibliothek

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100 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

ist in Zeiten der Einsparungen mehr als notwendig. Besonders deutlich wurde ebenfalls, dass Bildungsarbeit und Vermittlung von Medien- und Informations-kompetenz zu den wichtigsten Handlungsfeldern der Bibliothek gehören. Die prozessgesteuerte, auf Zielgruppen ausgerichtete Bibliotheksarbeit hat sich für die Bibliotheken bewährt, wie die Eckdaten der Bibliotheksstatistik ein-drucksvoll zeigen.

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Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens Schwerpunkt: Die Bibliothek als Aushängeschild der Stadt

ULRIKE WEIL

2008 konnte in dem gemeinsamen Projekt „Bibliothek 2010 plus“ in Rheinland-Pfalz und im Saarland auch für die Stadtbücherei Pirmasens ein Bibliothekskonzept erstellt werden. Ziel dieser Profilbildung war es, die eigene Arbeit in Zusammenhang mit den regionalen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen zu beschreiben, gesellschaftliche Ent-wicklungen und Prognosen einzubeziehen und daraus Schwerpunkte für die künftige Arbeit in der Bibliothek zu bilden. Auch sollte aufgezeigt werden, wie die Stadtbücherei auf aktuelle und künftige Herausforderungen und Problemlagen reagieren wird.

Einleitung

Pirmasens ist eine kreisfreie Stadt im Landkreis Südwestpfalz ohne lange Stadtgeschichte bzw. historische Tradition. Welt- und Wirtschaftsgeschichte haben Pirmasens stark beeinflusst. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt fast völlig zerstört. Die neuen Entwicklungen, die Annäherung zwischen West und Ost mit all ihren wirtschaftlichen Umwälzungen und die Globalisierung der Wirtschaft sind ebenfalls nicht spurlos an der Stadt vorbeigegangen.

Der Abzug der amerikanischen Streitkräfte und der Zusammenbruch der Ostmärkte haben die hiesige Wirtschaft durch Kaufkraftverlust sowie Konkurse bzw. Schrumpfungsprozesse vieler Unternehmen geschwächt. Pirmasens hatte zudem den Niedergang der ansässigen Schuhindustrie zu verkraften und lernte, mit dem entstandenen Vakuum umzugehen. Seit Anfang der 1980er Jahre gingen mehr als 15 000 Arbeitsplätze in der Schuhindustrie verloren. Aufgrund der Krise dieser Monoindustrie beläuft sich die Arbeitslosenquote seit Jahren um plus/minus 14 %.

Nach Rückgabe großer Teile der von den US-amerikanischen Streitkräften genutzten Liegenschaften wurde in Zusammenarbeit mit dem Land Rheinland-Pfalz und privaten Investoren das zukunftsweisende Projekt „Konversion Husterhöhe“ in Angriff genommen.

Die Vermarktung des Geländes führte zu einer rasanten Entwicklung, die alle Erwartungen übertraf. Mittlerweile sind auf der Husterhöhe über 110 Betriebe ansässig mit etwa 1 700 zum Teil neu geschaffenen Arbeitsplätzen.

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102 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Auch ‚alte‘ Pirmasenser Industrieunternehmen haben sich mit neuen Produkten erfolgreich im Technologiebereich neue Märkte erschlossen. Zwei der sechs Innovationspreisträger in Rheinland-Pfalz kommen 2010 aus Pirmasens.

Dennoch sind die Bevölkerungszahlen rückläufig. Bei momentan etwa 42 000 Einwohnern wird bis 2020 ein weiterer Rückgang um 9,1 % auf dann 38 200 prognostiziert. Außerdem wird eine zunehmende Überalterung der Bevölkerung deutlich. Pirmasens steht beim Seniorenanteil im bundes-deutschen Vergleich an vierter Stelle. Stark ansteigen wird der Anteil der über 80-Jährigen.

Ausgehend von einem Ausländeranteil von 9,75 % leben in Pirmasens etwa 20 % Menschen mit Migrationshintergrund. Bei den Schülern beläuft sich der Anteil auf 9,3 %.

Weiterhin prekär ist das Bildungsproblem: Die Statistiken zeigen, dass in Pirmasens im Vergleich zu anderen Städten in Rheinland-Pfalz die Zahl der Schüler, die die Hauptschule ohne Hauptschulabschluss verlassen, am höchsten ist. Pirmasens liegt an drittletzter Stelle bei den Schulabgängern mit Hochschulreife und an zweitletzter Stelle bei Schulabgängern mit qualifiziertem Schulabschluss.

Mit gezielten Maßnahmen auf die Problemlagen antworten

Das Bibliothekskonzept ging mit ausgewählten Zielen, Zielgruppen und Maßnahmen auf diese Problemfelder ein. So konnte beispielsweise im Bereich der „Generation 60 plus“ der Bestand für diese Zielgruppe ausgebaut und am jährlichen Seniorenberatungstag durch Büchertische, Plakate und Literatur-listen darauf aufmerksam gemacht sowie vor Ort in den Seniorenwohnheimen bei den jeweiligen Heimleitern das Angebot der Stadtbücherei vorgestellt werden. Zusätzlich startete eine Veranstaltungsreihe speziell für Senioren.

Die Angebote für Besucher mit Migrationshintergrund wurden weiter ausgebaut und verstärkt Sprachkurse und fremdsprachige Literatur angeschafft. Geplant sind für das Jahr 2011 eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Beirat für Migration und Integration sowie ein Benutzungsflyer in englischer Sprache.

Im Bereich der Kinder und Jugendlichen werden verstärkt Leseförder-projekte1 wie „Lesewelten entdecken“, „Aktion Schultüte“ und thematische 1 Vgl. auch „Landesweite Leseförderaktionen“, www.lbz-rlp.de/cms /buechereistelle-neustadt/lesefoerderung/landesweite-lesefoerderaktionen/index.html.

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Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens 103

Klassenführungen angeboten und durchgeführt. Die Teilnahme am Lesesommer Rheinland-Pfalz und die Bereitstellung eines gut ausgebauten Antolin-Bestandes, auch in den Zweigstellen in den Schulen, sind obligatorisch. Seit 2010 werden an die Eltern von Neugeborenen zusammen mit den Begrüßungspaketen der Stadt die „Büchermini“-Taschen2 verteilt.

„Ein neuer Service Ihrer Bibliothek“: Onleihe in der Stadtbibliothek

Pirmasens. © U. Weil.

Im Dezember 2008 wurde das Bibliothekskonzept im Pirmasenser Stadt-vorstand mithilfe einer Power-Point-Präsentation vorgestellt. Dem Stadtvor-stand gehören der Oberbürgermeister, der Bürgermeister sowie zwei Beigeordnete, darunter die zuständige Dezernentin für die Stadtbücherei, an.

Dabei flossen auch die Reaktionen einer kurz zuvor in der Stadtbücherei durchgeführten Kundenumfrage ein (Beispiel: „Eine gute Bibliothek als Aushängeschild einer guten Stadt“).

Außerdem wurde aufgezeigt, dass die Stadtbücherei mit ihren etwa 40 000 Besuchern jährlich die meist besuchte Einrichtung der Stadt ist. Man stelle ihr beispielsweise die Zuschauer des Fußballklubs Pirmasens gegenüber, die mit durchschnittlichen 1000 Besuchern in einem 10 000 Plätze fassenden neuen Stadion untergebracht sind. Zitat eines der Beigeordneten: „Das hätte ich so gar nicht gedacht!“. So wurde sehr deutlich gemacht, dass das bestehende

2 www.buecherminis.de.

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104 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Gebäude, in dem die Stadtbücherei untergebracht ist, nicht den räumlichen Anforderungen und Bedürfnissen genügt.

Der Oberbürgermeister betonte, dass bei einer eventuellen räumlichen Veränderung der Stadtbücherei an einen neuen Standort eine qualitativ hochwertige Lösung gesucht werde. Dabei sei es wichtig, die Öffentlichkeit zu gewinnen um zu vermeiden, dass der Eindruck entstehe, es entstünde ein neues ‚Prestigeobjekt‘. Dazu müsse deutlich gemacht werden, wie die Stadtbücherei mit ihren Funktionen in die Stadtentwicklung eingebunden ist. Der Oberbürgermeister werde entscheiden, ob in den bisherigen Standort investiert werden müsse oder räumlich eine andere Lösung möglich sei.

Aufgrund verschiedener Entwicklungen wurde bisher noch keine Ent-scheidung getroffen. Dass aber überhaupt mit dem Gedanken gespielt wird, die Stadtbücherei anders und mit mehr Platz unterzubringen, kann schon als ein Erfolg des vorgelegten Konzeptes verbucht werden.

Erste greifbare Erfolge

Von den Inhalten, Zielen und Visionen des Konzeptes (!) konnte bereits Einiges realisiert werden:

• So wurden nach dem Vorstellen des Konzeptes mehr Gelder für Werbung, für den Kauf von Mobiliar, für eine kleine Erhöhung des Budgets für den Lesesommer und für die Einführung von neuen Technologien zur Verfügung gestellt.

• Es konnten professionelle Benutzungsflyer für Erwachsene und für Kinder und Jugendliche gestaltet und immer wieder neu aufgelegt werden.

• Erstmals wurden im Jahr 2010 mit Radiospots im „Radio Pirmasens“ Veranstaltungen und Neuerungen in der Stadtbücherei beworben.

• In der Erwachsenenbücherei, in der Kinder- und Jugendabteilung sowie in der größten Zweigstelle Kirchberg wurden nach und nach die alten Regale durch ein neues Regalsystem ersetzt.

• Außerdem wurden neue Besucherstühle und Kinderhocker angeschafft und somit die Aufenthaltsqualität in der Stadtbücherei gesteigert.

• Der Lesesommer, der 2011 in die dritte Runde geht und sich als kleine Erfolgsgeschichte entpuppt hat, wurde jeweils durch den Oberbürgermeister und die zuständige Dezernentin eröffnet. Diese fungierten beim Abschlussfest auch als ‚Glücksfeen‘ für die Verlosung der Preise. Die Anwesenheit des Oberbürgermeisters zeigt unter

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Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens 105

anderem die Anerkennung der Tatsache, dass die Stadtbücherei auch einen wichtigen Beitrag im Bereich Bildung und Leseförderung leistet.

• Im Herbst 2009 wurde durch Verlegung von Lichtwellenleitern zur Stadtbücherei auch die so dringend notwendige Internetnutzung an jedem PC-Arbeitsplatz und dadurch eine deutliche Verbesserung von Arbeitsabläufen möglich gemacht.

• Durch diese Technik konnte endlich auch die lang erhoffte und von Lesern oft geforderte Realisierung eines Web-OPACs für die Stadt-bücherei beantragt werden.

• Gleichzeitig ergab sich die Möglichkeit, mit Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz an einem Onleihe-Verbund teilzunehmen. Beide Ver-fahren wurden im Stadtvorstand vorgestellt und beantragt – und beides wurde trotz höherer laufender Kosten genehmigt.

Der Web-OPAC konnte wegen Bedenken seitens des Landesdatenschutzes 2010 nicht mehr realisiert werden. Es mussten technisch andere Lösungen gefunden werden, was wiederum mehr Kosten verursachte. Trotzdem soll der Web-OPAC nun 2011 installiert werden.

Die Onleihe wurde im Verbund mit sieben anderen rheinland-pfälzischen Bibliotheken im Oktober 2010 eingeführt und mit einem großen Presseecho begleitet. In diesem Bereich zählt Pirmasens nun zu den Vorreitern.

Die Leser – begeistert!

Die Leser der Stadtbücherei reagieren sehr positiv auf diese Veränderungen. Dies zeigt sich an den trotz sinkender Bevölkerungszahlen wieder gestiegenen Ausleihzahlen sowie an den gegenüber den Bibliotheksmitarbeitern geäußerten begeisterten Kommentaren.

Im Bibliotheksteam gab es keine Widerstände. Allerdings waren Anzeichen von leichter Überforderung zu erkennen. Nach Jahren, in denen nicht allzu viel passierte, geschahen doch sehr viele Neuerungen und Umstellungen, und manchen Mitarbeitern fiel es schwer, damit zurechtzukommen. So war es nicht immer einfach, bei den Mitarbeitern eine Identifizierung mit dem jeweiligen Projekt zu erreichen. Dies unterschied sich bei jedem Projekt je nach Interesse, bereits vorhandener Sachkenntnis und auch je nach Alter. Bei vielen Informationsgesprächen und durch Schulungen konnten jedoch Ängste und Unsicherheiten zerstreut werden.

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Das Personalkarussell rotiert

2011 wird es größere personelle Veränderungen geben. Eine Mitarbeiterin bekam ein Kind und befindet nun sich im Erziehungsurlaub. Diese halbe Stelle konnte mit einer früheren Auszubildenden besetzt werden.

Die langjährige Leiterin der größten Zweigstelle wird in den Ruhestand gehen. Momentan laufen Vorstellungsgespräche. Allerdings wird es schwer werden, die dann fehlende Erfahrung aufzufangen.

Nicht zu übersehen: Das Aushängeschild der Stadt. © U. Weil.

Die Vertreterin der Büchereileitung – zuständig für die Kinder- und Jugend-bücherei und die Betreuung der Zweigstellen – verlässt im Februar 2011 Pirmasens. Da diese Stelle schon seit Jahren eine Erziehungsurlaubsvertretung ist und die eigentliche Stelleninhaberin voraussichtlich im Januar 2012 wieder-kommt, wird es schwer werden, eine geeignete Kraft für diesen relativ kurzen Zeitraum nach Pirmasens zu locken.

Positiv ist, dass alle Stellen wieder besetzt werden. Eine schon seit Jahren geforderte Aufstockung um wenigstens eine halbe bibliothekarische Stelle wurde seitens der Entscheidungsträger jedoch kategorisch abgelehnt.

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Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Pirmasens 107

Weiterarbeit am Bibliothekskonzept

Ein nächster wichtiger Schritt ist die Aktualisierung und Anpassung des Bibliothekskonzeptes.

Durch das Konzept befassen sich die Entscheidungsträger offensiv mit der Stadtbücherei und suchen ihrerseits nach Lösungen. Dies ist besonders in einer Zeit sehr schwierig, in der die Stadt eine hohe Schuldenlast trägt und ab 2011 dem Entschuldungsfond des Landes Rheinland-Pfalz beigetreten ist, wodurch ein Drittel der Schulden der Stadt vom Land übernommen, allerdings auch ein Drittel in den nächsten Jahren selbst getilgt werden muss. In den nächsten 15 Jahren müssen ca. 60 Mio. Euro eingespart werden, also durchschnittlich 4 Mio. Euro jährlich. Dies trifft auch den Bereich der freiwilligen Leistungen. Die Entscheidungsträger bauen dabei auf Vorschläge zur Kostenersparnis aus den einzelnen Ämtern. Das Bibliothekskonzept bildet hier eine wichtige Unterlage.

Inwieweit unter diesen Voraussetzungen noch eine räumliche Veränderung realistisch ist, bleibt abzuwarten. Dennoch – die Stadtbücherei ist in den Fokus der Entscheidungsträger gerückt, und dies ist eine nicht zu unterschätzende Reaktion auf das Bibliothekskonzept.

Fazit

Zum Abschluss sei ein Statement der Beigeordneten der Stadtbücherei zitiert: „Frau Ulrike Weil, Leiterin der Stadtbücherei Pirmasens, hat das Bibliothekskonzept ‚Bibliothek 2010 plus‘ im Dezember 2008 dem Stadtvorstand der Stadt Pirmasens vorgestellt, und seitdem schlummert es in meinem Schreibtisch vor sich hin – könnte man (oder frau) meinen!“

Tatsächlich hat die Präsentation des Bibliothekskonzeptes die Situation der Stadtbücherei in den Fokus der Verantwortlichen gerückt und, obwohl es bisher nicht im gewünschten Maß umgesetzt werden konnte, vieles bewirkt und angestoßen:

• Klarheit über die äußeren Bedingungen der Stadtbücherei, • Anerkennung der Leistungen im Bereich Bildung und Leseförderung, • Einsicht in die Notwendigkeit von Veränderungen sowohl in räumlicher

als auch in technischer Hinsicht, • Web-OPAC, • Onleihe, • Aufklärung über Anforderungen an eine moderne Bücherei, • Sensibilisierung der Entscheider für erforderliche Investitionen,

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108 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

• Einbindung der Visionen der Stadtbücherei in die Zukunftspläne der Stadtentwicklung.

In der Stadtbücherei selbst ist eine neue Aufbruchstimmung entstanden. Zielorientierung, Vernetzung in der Stadt, Kommunikation und Kunden-orientierung werden neu überdacht und in Zielvereinbarungen formuliert und verwirklicht.

Ich gehe davon aus, dass trotz der finanziellen Situation der Stadt Pirmasens die Bibliothek der Zukunft möglich gemacht werden wird: hell, kunden-freundlich, zentral gelegen, mit moderner Kommunikationstechnik, für alle Generationen, für kulturelles Miteinander, Treffpunkt für die Menschen unserer Stadt und nicht zuletzt ein moderner Arbeitsplatz, an dem unsere motivierten Mitarbeiterinnen gerne arbeiten – zum Wohl der Menschen unserer Stadt.

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Rheinland-Pfalz: Stadtbibliothek Neustadt/Weinstraße Schwerpunkt: Konsequent Kinder und Jugendliche im Fokus

ULRIKE SCHWARTZ

Die Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße erkannte in ihrem Konzept die Kinder und Jugendlichen als wichtigste Zielgruppe. Sie schlug entsprechende Maßnahmen vor und setzte diese dann auch um. So erreichte sie, dass die Stadt u. a. auf Benutzungsgebühren für diese Zielgruppe verzichtete. Insgesamt hatte die Projektarbeit positive Auswirkungen sowohl auf Politik und Verwaltung als auch auf die Zufriedenheit der Kunden: Es ist gut, ein Konzept zu haben, auch wenn es nicht immer voll umgesetzt werden kann. Zumindest hat man immer ein Ziel vor Augen, das es weiter zu verfolgen gilt.

Das Projekt „Bibliothek 2010 plus“ kam zur rechten Zeit und war für uns alle eine große Hilfe. Es hat mir, meinen Mitarbeiterinnen, der Politik und der Verwaltung der Stadt Neustadt an der Weinstraße ein Konzept an die Hand gegeben, wie die Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts gemeistert werden können.

Die Stadt ließ sich überzeugen und finanzierte ein professionelles

Werbekonzept. © Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße.

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110 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Ausgehend von veränderten Rahmenbedingungen wie Bevölkerungszahl undstruktur, von der immer kürzeren Halbwertzeit einmal erlernten Wissens, von

den Auswirkungen der elektronischen Datenverarbeitung auf Informations-wege und -menge, von der nachlassenden Lesekompetenz und damit einher-gehend einer rückläufigen sozialen Kompetenz, ergeben sich für uns klare gesellschaftliche Bedürfnisse rsp. Aufgaben: Diese können am besten umschrieben werden mit frühkindlicher Sprach- und Leseförderung, der Notwendigkeit lebenslangen Lernens und der Verbesserung der Lese- und Recherchekompetenz.

Vor diesem Hintergrund ist es dann nur folgerichtig, dass für die Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße Kinder und Jugendliche die wichtigsten Zielgruppen sind.

Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass sich die Aufgaben unserer Bibliothek stetig verändern. Neben den klassischen Aufgabenfeldern treten die Bibliothekarinnen immer öfter als Impulsgeberinnen, Problemlöserinnen und Ratgeberinnen auf. Die Bibliothek wird zur Drehscheibe für Informationen jeder Art. Immer wichtiger wird die Vernetzung und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Die Bibliothekarinnen wandeln sich von Fach- zu Methodenspezialistinnen und betreiben Wissensmanagement.

Auf dieser Grundlage haben wir den Veränderungsbedarf, die Ziele und Maßnahmen definiert und diese mit Angaben zur Zeitschiene, zu Kosten und zur Erfolgskontrolle hinterlegt.

Angesichts der meist schwierigen Haushaltssituation der Kommunen im allgemeinen und der Stadt Neustadt im besonderen haben wir die Ziele nach der Frage gegliedert, ob die Umsetzung einerseits nur mit zusätzlichem Personal möglich wird, andererseits als ausgabewirksam oder als ausgabe-neutral einzuschätzen ist. Es sollten keine Luftschlösser gebaut werden, die zwar schön anzusehen, aber ohne jede Aussicht auf Verwirklichung sind.

Diese Realitätsbezogenheit unseres Konzepts hat Früchte getragen. Die ausgabeneutralen Maßnahmen konnten fast alle recht zügig umgesetzt werden. Beispiele dafür sind:

• Kundenbefragung, • Hinweisschilder in der Stadt, • Führungen und Rallyes für alle Grundschulklassen, • Kontakt zu Gremien des Einzelhandels.

Darüber hinaus war die Stadt bereit, auch einige ausgabewirksame Maßnahmen zu finanzieren. Beispiele dafür sind:

• Entwicklung eines professionellen Werbekonzepts, • Web-OPAC,

-

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Rheinland-Pfalz: Neustadt Weinstraße 111

• Rückgabebox für Medien (außerhalb der Öffnungszeiten), • Verdopplung der Fläche der Kinder- und Jugendbücherei auf 150 m²

(durch Auflösung des Lesesaals), • drei zusätzliche Internetplätze im Kinder- und Jugendbereich, • Teilnahme am Projekt „Bücherminis“1 des Landesbibliothekszentrums.

Besonders hervorgehoben werden soll in diesem Zusammenhang die Bereitschaft der Stadt und des Stadtrats, auf Benutzungsgebühren für Kinder und Jugendliche zu verzichten. Im ersten Jahr seit dem Wegfall der Gebühren haben sich fast dreimal so viele Kinder und Jugendliche neu angemeldet als in den Vorjahren. Die konzeptionelle Ausrichtung auf diese Zielgruppe hat offensichtlich überzeugt!

Werbung, zielgruppengerecht. © Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße.

Bleibt die Frage: Was ist noch nicht erledigt? Antwort: All das, was nur mit zusätzlichem, qualifiziertem Personal zu bewerkstelligen ist, also alles, was

1 www.buecherminis.de.

Stadtbibliothek /

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112 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

mit den veränderten Aufgaben einer Bibliothek in einer vernetzten Datenwelt zusammenhängt und dem Bedürfnis, durch diese Welt hindurchgelotst zu werden.

Übrigens: Auch beim Personal ist die Stadt der Bücherei entgegen-gekommen: Seit August 2009 gibt es eine zusätzliche halbe Hilfskraft. Damit kann man die bibliothekarische Welt zwar noch nicht aus den Angeln heben, aber immerhin …

Die Öffentlichkeit jedenfalls nimmt uns seit der Umsetzung des Konzepts viel deutlicher wahr und zollt uns reichlich Anerkennung!

„... die Aufbruchstimmung, die ein solches Konzept auslöst ...“ Der Kulturdezernent der Stadt Neustadt an der Weinstraße kommentiert

MARC WEIGEL

Neustadt an der Weinstraße hat sich in seiner Zielkonzeption u. a. die Aufgabe gestellt, kinder- und familienfreundlichste Stadt zu werden. Hierzu passt in besonderer Weise die Zielsetzung der Stadtbücherei, wie sie im Rahmen des Projekts „Bibliothek 2010 plus“ herausgearbeitet wurde. Bibliotheken sind eben schon lange keine Ausleihstellen für Romane mehr, sondern Bildungseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Volkshochschulen, um nur einige zu nennen.

Die öffentlichen Bibliotheken haben allerdings das Problem, nicht zu den kommunalen Pflichtaufgaben zu gehören. In Zeiten knapper Haushaltsmittel sind mir, als dem zuständigen Dezernenten, meist enge Grenzen gesetzt. Dennoch bin ich froh, dass die Leiterin der Stadtbücherei und ihre Mit-arbeiterinnen im Rahmen des Projekts kreative und konstruktive Vorschläge erarbeitet haben, auch wenn diese nicht gleich morgen alle umgesetzt werden können.

Eine Stadt braucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sagen, was geht und nicht nur, was nicht geht. Neben den zahlreichen Einzelmaßnahmen, die inzwischen eingeleitet oder bereits umgesetzt wurden, kommt es mir auch auf die Aufbruchstimmung an, die ein solches Konzept auslöst. Dies wird nicht nur in den Gremien, sondern auch in der Öffentlichkeit der Stadt wahr-genommen und anerkannt.

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Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena Schwerpunkt: Feste Verankerung in der Kultur- und Bildungs-landschaft

ANNETTE KASPER

Das im Januar 2008 gemeinsam mit 14 weiteren Öffentlichen Bibliotheken Thüringens begonnene landesweite Projekt zur Erarbeitung von Bibliotheks-konzeptionen wurde im September 2009 erfolgreich abgeschlossen. Die Jenaer Bibliothek wurde dabei durch den Eigenbetrieb JenaKultur, zu dessen Einrichtungen sie seit 2005 zählt, von Anfang an unterstützt. Das Konzept wurde im Kulturausschuss und im Eigenbetrieb vorgestellt und wird seitdem, obwohl nicht durch den Stadtrat bestätigt, gemeinsam mit Jenakultur in vereinbarten Schwerpunkten umgesetzt. Die Umsetzung der Konzepte in den anderen beteiligten Bibliotheken ist sehr differenziert und zum Teil schwierig. Auf Landesebene ist die Erarbeitung eines Bibliotheksentwicklungsplanes für Thüringen mittlerweile in die Entwicklung eines Kulturkonzeptes für das Land eingebunden, an der der DBV-Landesverband Thüringen beteiligt ist.

Ausgangslage in der Jenaer Stadtbibliothek

Auf Einladung der Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken beteiligte sich die Ernst-Abbe-Bücherei ab Januar 2008 an einer Projektgruppe von 15 Bibliotheken unter der Leitung von Meinhard Motzko, Praxisinstitut Bremen, an der Erarbeitung eines jeweils individuell auf die jeweilige Bibliothek zugeschnittenen Bibliothekskonzeptes.

Unabhängig davon waren die Mitarbeiter der Bibliothek in den zurückliegenden 20 Jahren mehrfach mit der Aufgabe konfrontiert, im Hinblick auf die veränderte Trägerschaft der Bibliothek im Jahr 1991, auf neue Anforderungen an Angebote und Dienstleistungen zu Beginn der 1990er Jahre, auf neue technische Herausforderungen und nicht zuletzt bei der Fusion mit der eigenständig arbeitenden Städtischen Kinderbibliothek im Jahr 1993 neue konzeptionelle Ansätze zu entwickeln und umzusetzen.

Konzentration und Modernisierung des Bibliotheksnetzes

Grundvoraussetzung dafür war zum einen ein entsprechender Stadtrats-beschluss, mit dem die Weichen für diesen Konzentrationsprozess in der

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114 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Jenaer Bibliothekslandschaft und gleichzeitig für die umfassende Modernisie-rung des neuen gemeinsamen Bibliotheksnetzes gestellt wurden, zum anderen war es ein Konzept, mit dem umfassende Arbeiten in allen Bereichen der neuen Stadtbibliothek vorbereitet und umgesetzt werden konnten.

In den folgenden Jahren gehörten grundsätzliche Überlegungen und Entscheidungen über die Entwicklung der bibliothekarischen Dienstleistungen und Angebote regelmäßig und selbstverständlich zur Arbeit der Bibliothek, ebenso wie ein umfangreiches Berichtswesen und die ständige Überprüfung der Nutzung angebotener Dienstleistungen, der Nutzer- und Besucherzahlen und der Wirksamkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bibliothek.

In größeren Abständen wurde über die Entwicklung der Bibliothek vor dem Kulturausschuss und dem Kulturdezernenten berichtet. Die Bibliothek konnte für die Umsetzung ihrer vielfältigen Angebote und Leistungen Partner aus den unterschiedlichsten Bereichen der Stadt gewinnen.

Ein Ergebnis der Arbeit in den letzten 20 Jahren sind permanent steigende Nutzungs- und Besucherzahlen, auch in Jahren, in denen die Bibliothek nur über einen stark reduzierten Erwerbungsetat verfügte. Für ihr Konzept der „vernetzten Bibliothek“ wurde die Bibliothek 2005 durch den DBV-Landesverband und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen mit dem „Thüringer Bibliothekspreis“1 ausgezeichnet.

Am Anfang stand ein Konzept zur Existenzsicherung

Die konzeptionelle Arbeit begleitete also die Entwicklung der Bibliothek durchgehend in den letzten 20 Jahren. Am Anfang dieser Entwicklung stand ein Konzept zur Existenzsicherung und zum Überleben der Ernst-Abbe-Bücherei. Später waren konzeptionelle Überlegungen und Neuansätze immer dann erforderlich, wenn sich grundlegende Veränderungen auf den verschiedensten gesellschaftlichen Gebieten oder wissenschaftlich-technische Veränderungen abzeichneten, die wiederum das Nutzerverhalten entscheidend beeinflusst haben. Dazu zählen unter anderem die 2006 getroffene Entscheidung zur intensiveren Zusammenarbeit mit den Jenaer Schulen und die Gründung des Schule-Bibliotheks-Netzwerkes, aber auch die Entscheidung über die Mitarbeit an der Gründung des Städtischen Eigenbetriebs JenaKultur, zu dem die Bibliothek seit 2005 gehört, und die Entscheidung über die RFID-Einführung im Jahr 2007.

1 www.bibliotheksverband.de/landesverbaende/thueringen /auszeichnungen.html.

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Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena 115

Trotz dieser für die Bibliothek positiven und gesicherten Entwicklung, der festen Verankerung in der Kultur- und Bildungslandschaft der Stadt, wurde bei der Durchsetzung neuer Vorhaben und Projekte vor allem aus der Sicht der Bibliothek argumentiert, wurde in kritischen Situationen eher reagiert als agiert. Überlegungen zu regionalen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen, also die Sicht von außen auf die eigene Arbeit, und die zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklungen spielten eine eher untergeordnete Rolle.

Die Bibliothek als Teil eines umfassenden Kulturkonzeptes

Die Teilnahme an dem thüringenweiten Projekt zur Profilbildung Öffentlicher Bibliotheken in den Kommunen und die Erarbeitung modellhafter Konzepte war für die Ernst-Abbe-Bücherei eine Möglichkeit des Neuansatzes der Arbeit für einen mittelfristigen Zeitraum. Hinzu kam, dass die Bibliothek Teil eines Prozesses war, der mit dem Beschluss zur Erarbeitung eines Kulturkonzeptes für die Stadt Jena in Gang gesetzt worden war. Das Bibliothekskonzept ordnete sich damit in den Kontext mittelfristiger kommunaler Planungen ein.

Bei der Erarbeitung des Konzeptes selbst war der grundsätzlich veränderte Ansatz wichtig für die Formulierung der strategischen Aufgaben, des Auftrags und der daraus abgeleiteten konkreten Ziele. Ebenso wichtig war er für die Darstellung der eigenen Leistungen und der selbstbewussten Einordnung der Bibliothek in den Kreis der kommunalen Bildungs- und Kultureinrichtungen.

Positiv denken!

Daraus ergab sich im Folgenden eine deutlich veränderte Argumentationslinie bei der Begründung notwendiger Veränderungen und Zielformulierungen. Nicht mehr die Aufzählung von Mängeln, Fehlendem und Problemen, sondern die Darstellung der Kompetenzen, Leistungen und Möglichkeiten der Bibliothek bei der Mitarbeit an der Lösung kommunaler und allgemeiner gesellschaftlicher Problemlagen bestimmte das Herangehen.

Dieser Denkansatz war für alle an der Konzeptentwicklung Beteiligten neu und ungewohnt. Er ist aber die entscheidende Voraussetzung für die spätere Formulierung von Zielen auf der Basis der Umfeldanalyse und die im Hinblick auf die Stadt Jena konkretisierten gesellschaftlichen Problemlagen. Die für die Umsetzung der Ziele notwendigen Ressourcen konnten auf dieser Basis nachdrücklich und nachvollziehbar begründet werden.

Die Erarbeitung eines Personal-, eines Technik- und eines Raumkonzeptes wurde ebenfalls als notwendiger nächster Schritt bereits im Rahmen des Bibliothekskonzeptes festgeschrieben. Die Ziele selbst wurden gemeinsam

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116 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

abgeleitet aus zum Teil bereits erprobten und bewährten Angeboten und Dienstleistungen, wie es zum Beispiel die Arbeit und Weiterentwicklung des Schule-Bibliotheks-Netzwerkes oder einige der Veranstaltungsangebote und Veranstaltungsreihen waren. Ausgehend davon wurden dann für die verschiedenen Bereiche der Bibliothek Ziele benannt, die realisiert werden sollten, um die Zukunftsfähigkeit des betreffenden Bereichs und damit der gesamten Bibliothek zu sichern. So wurden als wichtige Zielgruppen für die Arbeit der Bibliothek Kinder und Jugendliche der verschiedenen Alters-gruppen benannt und als zentrale Ziele die Umgestaltung der Kinderbibliothek, die Einrichtung einer Freizeitbibliothek und einer Lernwerkstatt für Kinder sowie die Einrichtung einer Jugendbibliothek definiert. In ähnlicher Weise wurden alle anderen Bereiche der Bibliothek beleuchtet, vorhandene Angebote und Dienstleistungen geprüft und im Hinblick auf die zu erreichenden Zielgruppen in die Zielformulierungen aufgenommen oder überarbeitet und damit in einen Überprüfungs- und Veränderungsprozess einbezogen.

Profilschärfung

Im Konzept scheint die beabsichtigte Profilschärfung durch die Festlegung der Aufgaben und Ziele für die Ernst-Abbe-Bücherei erst einmal gelungen zu sein. Befürwortet und unterstützt von der Werkleitung des Eigenbetriebs wurde sie im Sommer 2009 abgeschlossen und im September des gleichen Jahres gemeinsam mit den anderen beteiligten Öffentlichen Bibliotheken in einer von der Thüringer Landesfachstelle organisierten Abschlussveranstaltung an die Vertreter der Kommunen übergeben. In der Folgezeit wurde das Jenaer Konzept dem Oberbürgermeister der Stadt im Rahmen eines Pressegesprächs übergeben, in einer Dienstberatung der Werkleitung allen Bereichs- und Einrichtungsleitern von JenaKultur und ebenfalls allen Mitgliedern des Kulturausschusses erfolgreich präsentiert. Das Ziel, das Konzept auch im Stadtrat vorstellen zu können und es in Teilen oder vollständig im Sinne eines konkreten Auftrags an die Bibliothek zu bestätigen und zu verabschieden, wurde jedoch bislang nicht erreicht.

Eine Ursache dafür ist das bereits genannte Kulturkonzept der Stadt Jena, das nahezu parallel zum Bibliothekskonzept erarbeitet wurde. An diesem Prozess hat die Bibliothek aktiv mitgearbeitet. Überlegungen und Ergebnisse sind sowohl in die Erarbeitung der Gliederung als auch in die Arbeit der Unterarbeitsgruppen „Bildung und Wissenschaft“ und „Theater, Literatur, Film und Medien“ eingeflossen. In das Ende 2010 abgeschlossene Kulturkonzept wurden sowohl die Eingangskapitel als auch die Festlegung der kurz-, mittel- und langfristigen Handlungsziele der beiden genannten kulturellen Handlungsfelder als Ergebnisse sowie einige Teilziele aus dem

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Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena 117

Bibliothekskonzept aufgenommen. So wird zum Beispiel im Kapitel zum Bedarf kultureller Angebote und Entwicklungen im Hinblick auf das Handlungsfeld Bildung und Wissenschaft festgestellt:

Besonders gefragt sind öffentliche Bibliotheken, die von allen Altersgruppen stark frequentiert werden. Leserinnen und Leser sind nach der Jenaer Kinder- und Jugendstudie auch 70 % der befragten Kinder- und Jugendlichen. Die e Studie zeigt aber, dass 30 % die Angebote seltener oder gar nicht wahrnehmen.

Daraus erwächst die Aufgabe, nicht nur kostenfreie Nutzerkarten auszugeben, sondern auch Schwellen abzubauen, um diese Kinder und Jugendlichen zu erreichen. Die Ernst-Abbe-Bücherei hat sich dieser Aufgabe mit dem Aufbau des Schule-Bibliotheks-Netzwerkes (SchuBiNet)2 angenommen. Notwendig wäre jedoch die Ausweitung dieses Aufgabengebiets im Hinblick auf die Frühförderung von Kindern und eine ebenso intensive Zusammenarbeit mit den Jenaer Kindertagesstätten.3

In diesem Kapitel werden bereits grundsätzliche Aufgabenstellungen für die weitere Bibliotheksentwicklung angerissen:

Begegnungszentren in den Bibliotheken bieten die Möglichkeit sich zu treffen, zu lesen, sich zu informieren und in jeder Phase des Lebens zu lernen. Doch dafür fehlen die räumlichen Voraussetzungen. Schon jetzt ist dort [in der Ernst-Abbe-Bücherei, d. Verf.] die Kapazitätsgrenze erreicht.

Um Nutzerschichten zu generieren, sollte zudem außerhalb des Zentrums die kontinuierliche Versorgung mit Literatur organisiert werden. Weiterentwickelt werden müssen auch Nutzungsmöglichkeiten neuer Informationssysteme und –tech-nologien, barrierearme Zugänge, kindgerechte Ausstattung und Familienfreundlichkeit.4

Hier wird eines der Grundprobleme der Bibliothek, die Standortfrage und damit die räumliche Erweiterung, angesprochen und im Folgenden in den

2 http://egov1.kommunenonline.de/schubinet-eab. 3 Kulturkonzept der Stadt Jena, 2010 bis 2015, S.35. www.jena.de -> Kultur. 4 Ebd.

selb

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118 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Festlegungen der kurz-, mittel- und langfristigen Ziele des Kulturkonzepts weiter verfolgt.

Dort wird als langfristige Maßnahme festgehalten:

Ein Kultur- und Bildungszentrum, das verschiedene Ein-richtungen wie die Ernst-Abbe-Bücherei, die Volkshochschule und ggf. Teile des Städtischen Museen unter einem Dach vereint, wird errichtet.5

Das bereits gedruckte Kulturkonzept wurde am 3. März 2011 einstimmig vom Jenaer Stadtrat verabschiedet. Um einzelne Maßnahmen in Angriff nehmen zu können, bedarf es jedoch noch konkreter und detaillierter Beschlüsse des Stadtrates, mit deren Umsetzung dann die Verwaltung und die Eigenbetriebe beauftragt werden können. Dieser Prozess wird sich in Jena wie in einigen anderen beteiligten Kommunen Thüringens gegenwärtig vor dem Hintergrund der Krise der kommunalen Haushalte schwierig gestalten, vor allem dann, wenn es um Entscheidungen über Investitionen im Bereich der freiwilligen Leistungen geht.

Sukzessive Umsetzung des Konzeptes

Unabhängig davon wurde jedoch bereits im Vorjahr zwischen der Bibliothek und der Werkleitung von JenaKultur vereinbart, das Konzept daraufhin zu überprüfen, welche der Ziele und Maßnahmen unter den gegebenen Rahmen-bedingungen umgesetzt werden können.

Von der Bibliothek wurde daraufhin die Umgestaltung des Kinderbiblio-theksbestandes, der weitere Ausbau des Netzwerkes SchuBiNet und ein Angebot zur Frühförderung in Zusammenarbeit mit einem Berufsschulzentrum als Schwerpunkte für 2010 beschlossen.

Seitdem wurde die systematische Aufstellung der Kinderliteratur von der thematisch orientierten Aufstellung abgelöst. Die Zahl der Kooperations-verträge mit den Jenaer Schulen hat sich auf 25 erhöht. Es wurde eine AG Schulbibliotheken gegründet, und es werden die „Biboknirpse“6, ihre Eltern und Tagesmütter von angehenden Erzieherinnen und Kindergärtnerinnen spielerisch mit Büchern und der Bibliothek bekannt gemacht.

In der Bibliothek sind in das Aufgabengebiet der Zusammenarbeit mit Schulen und Kitas mittlerweile alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 5 Ebd., S. 51. 6 www.ueag.jena.de/sixcms /detail.php?id=194863&tagx=17.05.2011&_lang=en.

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Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena 119

einbezogen. Diese Schwerpunktsetzung wirkt sich auch auf das Budget der Bibliothek aus: 2011 wird die Bibliothek wie in den Vorjahren finanziell im Hinblick auf den Bestandsaufbau des SchuBiNet-Projektes durch den Bildungsservice der Stadtverwaltung unterstützt, und es werden diesem Bereich erstmalig auch anfallende Personalkosten für die Netzwerkarbeit anteilig in Rechnung gestellt.

Vom Erfolg überrollt

Wenn es heute auch noch kein vergleichbares Netzwerk für die Zusammen-arbeit mit den Kindertagesstätten gibt, so wird die Bibliothek doch wesentlich häufiger, d. h. oft täglich, von Gruppen aus den Jenaer Kitas besucht. Vor-anmeldungen von 4 bis 6 Wochen sind im Moment leider der Normalfall.

Die Bibliothek stößt hier deutlich an ihre räumlichen Grenzen. Dieser Entwicklung war eine Informations- und Werbekampagne in den Kitas vorangegangen. Sie war ebenfalls eine Maßnahme des Konzepts.

Die im Vorjahr wiederum gestiegenen Nutzungs- und Besucherzahlen der Bibliothek scheinen zu belegen, dass sie mit ihrer Orientierung auf Kinder aller Altersgruppen, Eltern, Erzieher und Lehrer auf dem richtigen Kurs ist, vor allem auch deshalb, weil die Stadt im Thüringer Vergleich einen ständigen Bevölkerungs- und Geburtenzuwachs verzeichnen kann, und auch deshalb, weil sich die Jenaer Bildungslandschaft, beginnend bereits bei den Kitas, immer weiter differenziert und sich daraus neue Anforderungen an die Arbeit der Bibliothek ergeben.

Weitere Konzeptentwicklung

Im Jahr 2011wird es nun ähnliche Schwerpunktsetzungen auf der Basis des Bibliothekskonzepts geben. Im Rahmen einer Beratung des Bibliotheksteams mit der Werkleitung ist für März 2011 die Diskussion aller Ziele, Maßnahmen und der dazu erforderlichen Ressourcen geplant.

Ein Schwerpunkt wird für die Bibliothek dabei der Bereich der Sach-information / Sachliteratur für Jugendliche und Erwachsene sein. Es wird aber auch zu besprechen sein, in welcher Weise an den geplanten Teilkonzepten zur Personal- und Technikentwicklung zu arbeiten ist und welche konkreten, d. h. realistischen Möglichkeiten zur Klärung der Standortfrage der Bibliothek bestehen.

Die Konzeptentwicklung für die Jenaer Bibliothek war, wie zu Beginn beschrieben, Teil eines thüringenweiten Projektes, das als solches mit der Übergabe der fertigen Konzepte an die Träger der beteiligten Kommunen im September 2009 abgeschlossen wurde.

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120 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Gutes tun und darüber sprechen!

Um die Arbeitsergebnisse dieses Prozesses möglichst vielen Kollegen und Kolleginnen der Thüringer Bibliotheken vorstellen zu können, wurde das Thema „Bibliothekskonzepte“ in den Mittelpunkt des Thüringer Bibliotheks-tags 2009 gerückt. Drei Konzepte aus Kommunen unterschiedlicher Größe und ein Vernetzungskonzept Wissenschaftlicher Bibliotheken wurden in diesem Rahmen vorgestellt. Meinhard Motzko hatte einen Einführungsvortrag zum Herangehen und zu grundsätzlichen Fragen der Konzeptentwicklung vor-bereitet. Das Thema stieß bei den Kollegen und bei den Vertretern der Kommunen auf große Resonanz und Zustimmung.

Die weitere Arbeit an den Konzepten in den beteiligten Städten gestaltete sich im vorigen Jahr sehr unterschiedlich. In einigen Städten wurde sie durch verschiedene Faktoren erschwert. Gravierend sind hier in den meisten Fällen die hohen zusätzlichen Belastungen der kommunalen Haushalte, die in einer der beteiligten Städte zur Zwangsverwaltung führte. Verwaltung und Rat sind in diesem konkreten Fall, aber auch in einigen anderen Städten nicht bereit, über Neuansätze der Arbeit in einem Bereich der freiwilligen Leistungen der Kommune zu diskutieren.

Auch kleine Schritte führen zum Ziel

Wenn auch bis heute noch keines der vorgelegten Konzepte beschlossen wurde, so konnten sie doch von einigen Bibliotheken in der Verwaltung und in den Kulturausschüssen vorgestellt werden. Es haben sich für einige Bibliotheken die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit verbessert.

Es werden, vergleichbar mit dem Jenaer Beispiel, Teilziele der Konzepte umgesetzt. So wird das Konzept einer Bibliothek nach seiner Überarbeitung, d. h. Reduzierung der vorgeschlagenen Ziele und Maßnahmen, im Stadtrat beraten und beschlossen werden. Für eine weitere Bibliothek wurde auf der Basis des Konzepts ein Neubau beschlossen. Mit dem Bau wurde bereits begonnen.

Nicht locker lassen!

Die Arbeit auf Landesebene gestaltete sich ähnlich kompliziert. Bereits im September war die Fortsetzung des Projektes „Bibliothekskonzeptionen“ für weitere Bibliotheken als auch die Erarbeitung eines Bibliotheksentwicklungs-planes für die Öffentlichen Bibliotheken in Thüringen mit dem Schwerpunkt der Qualitätszertifizierung geplant worden.

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Thüringen: Ernst-Abbe-Bücherei Jena 121

Dazu hatten sich ein Vertreter des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kunst, die Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken und der DBV-Landesverband Thüringen mit Meinhard Motzko, Praxisinstitut Bremen, als dem Leiter des Projektes verständigt.

Da das Ministerium jedoch die dafür erforderlichen Mittel nicht bereitstellte, konnte das Projekt in diesem Umfang nicht in Angriff genommen werden. In der Folge gründete sich unter der Leitung der Landesfachstelle eine Arbeits-gruppe, in der Bibliotheken unterschiedlich großer Kommunen, das zuständige Fachministerium und der DBV-Landesverband Thüringen vertreten sind.

Ausgehend von einer Festlegung des Thüringer Bibliotheksgesetzes, in der die Erarbeitung eines Bibliotheksentwicklungsplanes gefordert wird, sollte ein entsprechendes Papier bis zum Bibliothekstag, also bis zum Oktober 2010 erarbeitet werden.

Zuvor sollte der Bibliotheksentwicklungsplan sowohl mit dem Ministerium als auch mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt werden. Ein Entwurf des Plans wurde allen Kolleginnen und Kollegen der Öffentlichen Bibliotheken im Frühsommer 2010 zur kritischen Prüfung und Stellungnahme zugeschickt und im Anschluss dem Ministerium übergeben.

Dort befindet er sich noch jetzt, denn ähnlich wie in der Stadt Jena wurde durch das Ministerium Anfang 2010 ein Prozess in Gang gesetzt, an dessen Ende zuerst ein Leitbild Kultur und in einem zweiten Schritt eine Kultur-konzeption für Thüringen stehen soll.

Zu deren Erarbeitung waren alle kulturellen Fachverbände eingeladen und aufgerufen worden. Das Leitbild wurde im Februar 2011 im Kabinett beschlossen, für das Kulturkonzept wird das Jahr 2012 anvisiert.

Die Nichtbeschäftigung mit dem Bibliotheksentwicklungsplan wurde gegenüber dem DBV-Landesverband einmal damit begründet, dass Impulse und Anregungen daraus sowohl in das Leitbild als auch in das zu erarbeitende Konzept einfließen können. Es liegt in der Sache selbst, dass Konkretes in dieser ersten Phase der Arbeit kaum einfließen konnte.

Fazit

Ausschlaggebend wird für die Bibliotheken die Mitarbeit am Kulturkonzept sein, hinsichtlich grundsätzlicher Aussagen und im Hinblick auf die Themenfelder der zukünftigen Infrastruktur für die Bereiche und Institutionen der kulturellen Bildung, ihrer Sicherung, Förderung und Weiterentwicklung entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der Erarbeitung konkreter Ziele und Maßnahmen für die weitere Entwicklung des Thüringer Bibliothekswesens.

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122 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Wenig befriedigend für die Öffentlichen Bibliotheken ist zurzeit die Entscheidung des Ministeriums, den Bibliotheksentwicklungsplan erst nach Abschluss des Kulturkonzepts als eine seiner Anlagen zu bestätigen und zu veröffentlichen. Zu diesem Zeitpunkt ist dann auch die Verständigung mit den kulturellen Spitzenverbänden geplant.

Daher hat nun der Vorstand des DBV-Landesverbandes Thüringen in seiner Februarsitzung beschlossen, hier vorzuarbeiten und dem Thüringer Landkreistag sowie dem Städte- und Gemeindebund Thüringen den Bibliotheksentwicklungsplan bereits jetzt mit der Bitte der Begutachtung und Stellungnahme vorzulegen, um damit die dringend notwendigen Diskussionen mit den Trägern der Öffentlichen Bibliotheken auf der Verbandsebene endlich zu beginnen.

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Sachsen: Stadtbibliothek Pirna Schwerpunkt: Die Bibliothek als Wirtschaftsunternehmen

GABY LANGMANN

Die Erarbeitung einer Bibliothekskonzeption ist mit einem anfangs nicht überschaubaren Aufwand verbunden, der sich künftig allerdings auszahlt. Von Beginn an ist es wichtig, das ganze Bibliotheksteam und den Träger einzubeziehen und regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Als Arbeits-grundlage ist eine Bibliothekskonzeption für den Bibliotheksalltag unerlässlich geworden. Sie bestimmt die Zielausrichtung, ist Argumentationsgrundlage, enthält statistische Auswertungen und mehr. Gleichzeitig erhöht ihr Vorhandensein die Akzeptanz und Anerkennung der Bibliotheksarbeit bei Politikern, Trägern und in der gesamten Öffentlichkeit.

Ausgangssituation

Die Stadt Pirna befand sich seit Ende der 1990er Jahre in einem umfassenden Prozess der Verwaltungsreform und Haushaltkonsolidierung. In diesem Rah-men musste der weitere Umgang mit freiwilligen Aufgaben der Kommune überdacht werden.

In Sachsen gewährt das „Gesetz über die Kulturräume in Sachsen“1 Förder-mittel für Bibliotheken und andere kulturelle Einrichtungen, wenn die Kom-mune entsprechende Eigenmittel aufbringt. Damit werden Kommunen finanzi-ell unterstützt, die sich für eine Betreibung sogenannter freiwilliger Aufgaben einsetzen.

Die Stadt Pirna entschloss sich, ein altes Bürgerhaus in bester Lage für ihre Bibliothek zu sanieren. Mit der Fertigstellung 1999 konnten großzügige Räu-me in einem ansprechenden Ambiente bezogen werden. Politik und Verwal-tung hatten damit ein eindeutiges Signal für die kommunale Öffentliche Bib-liothek gesetzt und die Bedeutung als Bildungs- und Kultureinrichtung für Pirna hervorgehoben.

Als nächsten Schritt galt es, ein zukunftsfähiges Modell zur weiteren Betrei-bung der Bibliothek und weiterer Kultureinrichtungen zu finden. Nach Prüfung

1 www.infoseiten.slpb.de/fileadmin/daten/dokumente /KUlturraumgesetz_2008.pdf.

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124 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

verschiedener Optionen wurde schließlich zum 1. Januar 2005 die Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna mbH gegründet, finanziert u. a. aus einem Zu-chuss der Stadt Pirna und Fördermitteln des Kulturraumes. Aus der Stadtver-

waltung wurden die Bereiche Stadtbibliothek, Stadtmuseum, Richard-Wagner-Museum Graupa und Kulturmanagement zusammengeschlossen. Außerdem erfolgte die Integration des TouristService, der vorher in der Stadt-entwicklungsgesellschaft Pirna angesiedelt war.

An erster Stelle: Kundenorientierung! © G. Langmann.

Die Bibliothek als Wirtschaftsunternehmen

Die Betriebsform einer GmbH gab eine eindeutige Ausrichtung als Wirt-schaftsunternehmen vor. Für die Bibliotheksleitung bedeutete dies, alle Maß-nahmen und Projekte unter wirtschaftlichem Aspekt zu betrachten. Die He -ausforderung bestand in der Verknüpfung effizienter Ressourcenverwaltung und kultureller Bildungsarbeit.

Als einen ersten Schritt strukturierte die Bibliotheksleitung das Personal um. In der neu geschaffenen Teamstruktur wurde kundenorientiert gearbeitet, im Unterschied zur bisherigen tätigkeitsbezogen Fokussierung.

Die Mitarbeitermotivation verbesserte sich spürbar. Jedes Team verfügte nun über ein eigenes Budget und konnte dadurch besser und schneller auf die Kundenbedürfnisse eingehen. Dieser Prozess entwickelte sich im Verlauf der

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Sachsen: Stadtbibliothek Pirna 125

nächsten drei Jahre zu einer Spirale: Die Bedürfnisse der Kunden stiegen, ebenso der Ehrgeiz der Mitarbeiter, und bald zeichnete sich ab, dass die Res-sourcen (Personalkapazität, Mittel für Medien, Veranstaltungen und Fortbil-dungsbedarf etc.) den qualitativ und quantitativ gestiegenen Ansprüchen nicht mehr gerecht wurden.

Überzeugungsarbeit

In diese Zeit fielen erste Überlegungen der Sächsischen Landesfachstelle für Bibliotheken2, gemeinsam mit der ekz.bibliotheksservice GmbH und dem Praxisinstitut Meinhard Motzko Zukunftsvisionen in Form von Konzepten für Öffentliche Bibliotheken zu entwickeln.

Nach einigen Informationsveranstaltungen, Praxisberichten aus anderen Bib-liotheken und zahlreichen Onlinerecherchen mussten das Bibliotheksteam und die Geschäftsführung von der Richtigkeit dieses Weges überzeugt werden. Während der Geschäftsführer schnell die Wichtigkeit eines Bibliotheks-konzeptes erkannte, standen die meisten Bibliotheksmitarbeiter diesem Projekt skeptisch gegenüber. Die Gründe dafür waren unterschiedlich. In den meisten Fällen fehlten einschlägige Erfahrungen, sodass nicht beurteilt werden konnte, was mit einem solchen Projekt erreicht werden könnte. Dazu kamen teilweise Ängste vor Veränderung der eigenen Arbeit, vor einer möglichen Mehr-belastung, um der Bibliotheksleitung die nötigen, nicht überschaubaren Frei-räume für die Projektarbeit zu schaffen, und die Angst vor der Frage, welche Konsequenzen sich ergeben würden.

Für die Bibliotheksleitung war klar, dass möglichst alle Mitarbeiterinnen in die Projektarbeit einbezogen und der Verlauf transparent gestaltet werden musste. Die Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen und die damit verbunde-nen Ziele und Maßnahmen sollten aus den Teams heraus entwickelt werden. Dieser Anspruch würde eine der schwierigsten Aufgaben während der konzep-tionellen Arbeit werden.

Die Analyse des Umfeldes

Den größten zeitlichen Arbeitsaufwand bereitete das Sammeln, Auswählen und Aufbereiten der vielfältigen Daten zur Umfeldanalyse. Hier konnten wir auf die guten Kontakte zur Stadtverwaltung (Bürgerbüro/Einwohnermeldeamt, Fachdienst Statistik) und zu den Städtischen Gesellschaften (Wirtschaftsdaten) bauen. Einschlägige Quellen im Internet waren ebenfalls schnell gefunden, 2 www.ldc.sachsen.de/10175.htm.

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126 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

verfügten allerdings nicht immer über die aktuellsten Daten. Dadurch war eine Kreuzstatistik mit den Nutzerdaten der Bibliothek zwar möglich, aber nicht genügend aussagefähig.

Völlig unzureichend waren die Rechercheergebnisse zu Milieugruppen in Pirna und Umgebung sowie deren Verteilung in den einzelnen Stadt- und Orts-teilen. Hier gab es nur wenige empirische Ergebnisse aus Studien anderer Einrichtungen, die aber nicht für das Bibliothekskonzept relevant waren, weil sie nur einen Stadt- oder Ortseil betrachteten. Auch die Ergebnisse einer im gleichen Zeitraum laufenden Erhebung für ein Pirnaer Kulturkonzept waren nur bedingt nutzbar, da sie ein anderes Ziel verfolgten.

Ungenügendes Datenmaterial lag auch über die Statistik von Ausländern, Migranten und Spätaussiedlern in Pirna vor. Durch die Arbeit am Bibliotheks-konzept ergab sich ein Informationsaustausch mit dem CJD (Christliches Ju-genddorf) Jugendmigrationsdienst, der sich am bundesweiten Projekt „Diverse City“3 beteiligt. Aus diesen Gesprächen entwickelte sich inzwischen eine Part-nerschaft, die in der Mitarbeit der Bibliotheksleiterin in einer Arbeitsgruppe von „Diverse City“ mündete. Überhaupt lässt sich sagen, dass die Netzwerkar-beit der Stadtbibliothek durch das Projekt „Fit für die Zukunft“ zugenommen hat.

Der Auftrag der Stadtbibliothek

„Welchen Auftrag hat die Stadtbibliothek und woher bezieht sie diesen?“ war eine der wichtigsten Fragen für das Pirnaer Konzept. Obwohl es viele politi-sche Aussagen zu Kultur und Bildung gibt, waren nur wenige explizit zur Bibliothek zu finden. Daraus ergab sich für uns eine ganz wichtige Aufgaben-stellung: mit unserer Arbeit und den Ergebnissen in der Öffentlichkeit wesent-lich deutlicher in Erscheinung zu treten.

Das gemeinsame Festlegen künftiger Zielgruppen, Ziele und Maßnahmen gestaltete sich überaus schwierig und wurde unter dem Gesichtspunkt der Personalkapazität heiß diskutiert.

Besonders auffällig war, dass sich die Mitarbeiterinnen weder von einer bis-her bedienten Zielgruppe noch von einigen traditionellen Veranstaltungen und anderen Maßnahmen trennen wollten. Dieses Umdenken war und ist für fast alle Mitarbeiterinnen ein schwieriger Prozess. Hier hat die Bibliotheksleitung rigoros auf die Ergebnisse der Umfeldanalyse verwiesen, um den ‚roten Faden‘ der Konzeption beizubehalten.

3 www.jmd-pirna.de/index.php?option=com_content&view=article&id=21&Itemid=17.

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Sachsen: Stadtbibliothek Pirna 127

Die Konzeption – ein ‚Work in Progress‘, überzeugend (nicht nur) für die

Stadtverwaltung. © Stadtbibliothek Pirna.

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128 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Netzwerke

Wichtig war in der Selbstreflexion, die Kooperationen und Partnerschaften zu hinterfragen und zu definieren, was uns verbindet und wie sich die Partner-schaft für beide Seiten auswirkt.

Spannend gestaltete sich auch die Betrachtung der Kommunikationsformen mit Trägern, Kunden und Partnern. Lücken im täglichen Ablauf wurden deut-lich. Zugleich boten sich Lösungen, auf die wir ohne die detaillierte Betrach-tung unserer Prozessabläufe nicht oder nicht sofort gestoßen wären.

Das sicher heikelste Thema wurde an den Schluss gestellt: die Ressourcen- und Organisationsgrundsätze. Den IST-Zustand objektiv zu beschreiben, fiel manchmal schwer, war aber machbar. Aber wie können wir ebenso objektiv darstellen, was mit mehr Ressourcen an Personal, Medienmitteln, Honoraren für Autoren usw. machbar ist und wie sich dies letztlich positiv für die Bürger und das Image der Stadt Pirna und ihrer näheren Umgebung auswirken würde? Studien, wie die der Bertelsmann-Stiftung „Was unzureichende Bildung kos-tet“ (www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_30242_30243 _2.pdf), berühren den heutigen politischen Alltag kaum, wo es um die Grund-sicherung vieler Kommunen geht. Trotzdem war es der Bibliotheksleitung wichtig aufzuzeigen, was möglich wäre, wenn …

Die Konzeption – ein ‚Work in Progress‘

Die Pirnaer Bibliotheksleitung hat ihre Konzeption von Beginn an als ein Ar-beitspapier gesehen und dies auch so vermittelt. Trotz aller Änderungen und Ergänzungen erfolgte nach etwa einem Jahr Arbeit ein erster Schlussstrich – die Arbeit an der Konzeption war beendet.

Bereits während der ersten Präsentation des ‚fertigen‘ Konzeptes vor den Bibliothekskolleginnen gab es Zweifel und Bedenken, was alles fehle oder anders dargestellt werden müsse. Deshalb wird die Bibliotheksleitung ständig mit und an der Konzeption arbeiten, d. h. eine jährliche Evaluation der statisti-schen Zahlen vornehmen, wenn nötig verbunden mit einer Überarbeitung der Maßnahmen und einer fortlaufenden Aktualisierung der Punkte Kooperatio-nen, Kommunikation und Ressourcengrundsätze.

Öffentlichkeitsarbeit und Reflexion

Mit Beginn des Projektes erfolgten Presseinformationen, die Herausgabe von Informationen für den Stadtrat und eine Vielzahl von Gesprächen, die der Öffentlichkeitsarbeit dienten.

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Sachsen: Stadtbibliothek Pirna 129

Die Resonanz hatte i. d. R. einen positiven Grundton, gemischt mit Erstau-nen und Spannung. Kaum einer der Gesprächspartner hätte der Stadtbibliothek ein solches Projekt zugetraut. Auch deshalb wurde das Ergebnis mit großem Interesse erwartet.

In Sachsen war es der Leiterin der Landesfachstelle für Bibliotheken gelun-gen, die feierliche Übergabe der fertigen Konzeptionen mit einer Präsentation von fünf Bibliotheken im Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst zu organisieren. Im Beisein der Staatsministerin erhielten die Veranstal-tung und die Leistung der beteiligten Bibliotheken einen hohen öffentlichen Stellenwert. Dass der Termin in einen Zeitraum der Diskussion um die zeitli-che und inhaltliche Diskussion der Weiterführung des Sächsischen Kultur-raumgesetzes fiel, maß ihm noch mehr Bedeutung bei. Die Präsentationen im Beisein von Politikern und Bürgermeistern der vertretenen Städte erwiesen sich als überaus gelungen und leiteten eine konstruktive Diskussion um die wichtige gesellschaftliche Rolle der Bibliotheken ein.

Nachdem auch Pirnas Stadtverwaltung die Konzeption im Rahmen der Feierstunde im SMWK erhalten hatte, vergingen nur wenige Tage bis zu einer Resonanz. Die wichtigsten Fakten, besonders zu den Ressourcengrundsätzen, sollten in einer Präsentation vor dem Ausschuss für Ordnungs-, Kultur- und Bürgerschaftsangelegenheiten des Pirnaer Stadtrates übermittelt werden. Auch hier stießen die Ausführungen auf großes Interesse. Die Stadtbibliothek mit ihren vielen positiven Leistungen, aber auch den bestehenden Heraus-forderungen, rückte in den Blickwinkel der politischen Öffentlichkeit.

Eine der Aufgaben besteht nun darin, das Interesse nicht abklingen zu las-sen, weiter transparent über die tägliche Arbeit zu berichten und das umfang-reiche Netzwerk der Bibliothek für ihre Lobbyarbeit zu nutzen.

Im Verlauf der Arbeit wuchs die Akzeptanz für das Projekt unter den Biblio-theksmitarbeitern. Nach der Präsentation des abschließenden Standes des Kon-zeptes wurde den Mitarbeiterinnen der Umfang der Arbeit deutlich. Sie fanden darin ihre Ideen für eine Vielzahl von Maßnahmen wieder und einen klar for-mulierten Auftrag für die kommenden fünf Jahre. Messbare Ziele und eindeu-tig definierte Zielgruppen waren die Eckpunkte dieses Auftrages.

Evaluation

Durch die Bibliotheksleitung wird eine jährliche Überprüfung der statistischen Zahlen erfolgen. Dabei wird vor allem analysiert, wie realistisch die gestellten Ziele sind und wo eine Neuausrichtung erfolgen muss. Diese Evaluation wird eine Grundlage für den Jahresbericht an den Aufsichtsrat der Kultur- und Tou-rismusgesellschaft Pirna mbH bilden. Zu diesem Zweck wurde der Messbar-keit und der Machbarkeit der Ziele besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

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130 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Bereits während der letzten Projektphase arbeitete das Bibliotheksteam an der Umsetzung erster Maßnahmen. Entsprechend den Festlegungen aus der Konzeption wurde das Team „Kinder & Junge Familien“ personell verstärkt. So können bewährte und neu entwickelte Maßnahmen zur Sprach- und Lese-förderung durchgeführt werden.

Ein halbes Jahr nach Abschluss des Projektes lassen sich erste Erfolge ver-zeichnen. Die Anzahl der Veranstaltungen im Vor- und Grundschulbereich hat sich seit 2008 mehr als verdoppelt. 2011 werden die ersten Kooperations-vereinbarungen auch mit Tagesstätten abgeschlossen. Ein Träger mehrerer Kindereinrichtungen zur Sprachförderung möchte mit der Stadtbibliothek kooperieren.

In jeder Dienstberatung der Bibliotheksmitarbeiterinnen gehört der Punkt „Umsetzung der Bibliothekskonzeption“ zur Tagesordnung. Regelmäßig wer-den Erfolge, aber auch Probleme aufgezeigt und lösungsorientiert besprochen.

Inwiefern alle Anstrengungen zur Sprach- und Leseförderung und zur Erzie-lung von Medienkompetenz in der gemeinsamen Arbeit mit unseren Partnern tatsächlich eine positive Auswirkung haben, werden künftige Statistikzahlen zu schulfähigen Kindern, Schulabgängern mit bzw. ohne Abschluss und letzt-lich zu Empfängern staatlicher Transferleistungen zeigen.

Fazit

Die Arbeit am Bibliothekskonzept war eine sehr arbeitsreiche und aufreibende Zeit, die man sich gut organisieren musste. Besonders hilfreich waren die beiden zweitägigen Schreibwerkstätten, die die Landesfachstelle organisierte, und der Austausch mit anderen, an Bibliothekskonzeptionen arbeitenden Kol-leginnen.

Für Pirna brachte die Projektarbeit: • Klarheit über bisherige Arbeitsabläufe und darin enthaltene Unstim-

migkeiten, • Lösungsansätze für eine Neuorganisation, • Klarheit über die Stellung der Bibliothek in der Region und ihre Wer-

tigkeit, • fundierte Informationen zum Bildungsstand in Pirna, • zahlreiche neue Partnerschaften und Kooperationen, • ein klare Struktur in der Arbeit und damit • eine Argumentationsgrundlage gegenüber dem Träger, der Politik, den

Kunden …

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Schleswig-Holstein: Stadtbücherei Kappeln Schwerpunkt: Ein Büchereiprofil als Leitschnur und

vermittler

SABINE HAASE-HENKEL

Nach strukturellen Veränderungen und Renovierungsmaßnahmen in der Stadtbücherei Kappeln wurde nach Möglichkeiten der besseren inhaltlichen Strukturierung und Außenwirkung gesucht. Die Leiterin nahm an der Fortbildungsveranstaltung: „Erstellen eines individuellen Bibliotheksprofils“ teil. Das Datenmaterial für das Büchereiprofil brachte wichtige Erkenntnisse und neue Zielsetzungen und war besonders hilfreich, als im Jahr 2010 der Kreis mit der Einstellung seiner Büchereiförderung drohte.

Kappeln liegt im nördlichsten Bundesland und im nördlichsten Kreis Schleswig-Holsteins, im Kreis Schleswig-Flensburg. Die Stadtteile Kappelns liegen zu beiden Seiten der Schlei, einer Förde der Ostsee. Die Ostsee ist 5 km entfernt. Die Stadt hat ca. 10 000 Einwohner, es gibt einen Industriebetrieb, viele Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe, Tourismus und Land-wirtschaft. Kappeln hat keinen Bahnhof, ist nur mit dem PKW oder mit dem Boot zu erreichen. Die Arbeitslosenzahl ist hoch, und die Kinderarmut liegt seit ein paar Jahren bei ca. 25 %. Seit dem Spatenstich für das große Ferienzentrum „Port Olpenitz“ im Jahr 2010 hofft die Region auf einen wirt-schaftlichen Aufschwung. Zurzeit muss die Stadt jedoch erst einmal hohe Kosten übernehmen, um damit den Ausbau zu ermöglichen. Die Stadt Kappeln musste dafür ihren Haushalt deutlich überschreiten.

Finanzierung des Ferienzentrums – Bibliotheksetat „Null“

Der Kreis Schleswig-Flensburg hat im Jahr 2010 die Absicht bekundet, die langjährige Bezuschussung der Büchereien im Jahr 2011 auf „Null“ zu setzen. Es gibt neun Standbüchereien und zwei Fahrbüchereien im Kreisgebiet, die von dieser drastischen Kürzungsabsicht betroffen sind. Die Stadt Kappeln wird aus den oben genannten Gründen nicht in Lage sein, diese zusätzlichen Kosten aufzufangen.

Die Stadtbücherei hat eine Wochenöffnungszeit von 25,5 Stunden. Die Bücherei hält ca. 20 000 Medien für ihre Nutzer bereit und erzielte im Jahr

Image

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132 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

2010 knapp 90 000 Ausleihen einschließlich der Verlängerungen der Medien. Es arbeiten eine Diplom-Bibliothekarin mit 29 Stunden, 2 Verwaltungs-angestellte mit je 15 und 16 Stunden und eine Reinigungskraft mit 12 Wochenstunden in der Stadtbücherei.

Die finanzielle Notlage der Bücherei im Jahr 2010 war im Jahr 2008, als ich mich entschloss, das Seminar „Erstellen eines individuellen Bibliotheks-profils“ zu besuchen, nur zu erahnen. Meine Beweggründe für den Besuch des Seminars hatten zu der Zeit einen betriebsinternen Grund. Seit 2005 leite ich die Stadtbücherei. Nachdem ich die Bücherei umstrukturiert hatte und die Bücherei, die sich in einem Gebäude der Stadt mitten in der Ladenstrasse befindet, von der Stadt renoviert worden war, hatte ich den Wunsch, meine tägliche Büchereiarbeit zu hinterfragen und zu optimieren.

Drei Träger gilt es zu überzeugen

Die Stadtbücherei Kappeln hat drei Träger: den Kreis Schleswig-Flensburg, die Stadt Kappeln und der Büchereiverein Schleswig-Holstein e. V. Diese drei Träger kommen jährlich zu einer Büchereiausschusssitzung zusammen. Für die Sitzung im Jahr 2009 bereitete ich eine Power-Point-Präsentation vor, die sich im Aufbau, in der Leistungsbeschreibung und in der Argumentation für künftige Aufgaben der Stadtbücherei u. a. aus den ermittelten Daten und gewonnenen Erkenntnissen des Büchereiprofils speisten. Während der Präsentation entstand ein reger Informationsaustausch mit den Mitgliedern des Büchereiausschusses. Strukturen, Arbeitsabläufe und Zielvorstellungen der Stadtbücherei wurden den Teilnehmern klarer und führten zu mehr Verständnis für die Arbeit der Bücherei.

Stark im Team

Meine beiden Kolleginnen musste ich nicht von der Notwendigkeit eines Büchereiprofils überzeugen. Da die Veränderungen, die ich bis dahin vor-genommen hatte, viel positive Resonanz sowohl bei den Kunden als auch bei ihnen hervorrief, waren sie davon überzeugt, dass diese Fortbildung von allgemeinem Vorteil sein würde. Seitdem ich mit dem Büchereiprofil arbeite und meine Kolleginnen über meine Erkenntnisse und Ziele informiere, ist die Bereitschaft, an den Verbesserungsversuchen mitzuarbeiten, groß. Arbeitsabläufe werden in gemeinsamen Dienstbesprechungen kritisch hinter-fragt und Vorschläge zur Optimierung eingebracht. Jährliche Steigerungen der Ausleihzahlen um rund eine Monatsausleihe und die Zunahme an Neuanmeldungen bestätigen unsere Überlegungen und unsere Umsetzungs-versuche.

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Schleswig-Holstein: Stadtbücherei Kappeln 133

Die Gründung eines Fördervereins erhöhte die Außenwirkung der Bücherei und bietet nun die Möglichkeit, Anschaffungen zu tätigen, die sonst nicht möglich gewesen wären.

Büchereiprofil: Wirkung nach außen – und nach innen

„Für die Stadt Kappeln kann die Stadtbücherei ein Treffpunkt für ihre Bürger werden“ – das ist das neue Profil, das ich der Stadtbücherei geben möchte. Dieses neue Profil entwickelte sich aus der Arbeit mit dem ersten Bücherei-profil.

Ebenso ist der dringende Wunsch nach optimierten Arbeitsabläufen entstanden, weil sich der Arbeitsaufwand durch die vermehrten Ausleih-, Nutzer- und Öffentlichkeitsarbeiten erhöht hat.

Anpassung an politisch gewollte Förderschwerpunkte

Der Kreis Schleswig-Flensburg droht mit der Einstellung des Büchereietats und setzt seinen Schwerpunkt mehr auf die Förderung der Bildung als auf die Förderung der freiwilligen Leistung der Kulturarbeit, zu der auch die Öffentlichen Büchereien gehören. Unsere Antwort darauf ist die Ausdehnung der bereits praktizierten Leseförderung. So bleibt die Stadtbücherei auch bei dieser neuen Schwerpunktbildung ein wichtiger Partner – und darf auf weitere finanzielle Förderung hoffen.

Das Profil als Argumentationshilfe

Als der Kreis 2010 seine Absicht erklärte, keine Zuschüsse für das Bücherei-wesen mehr zu gewähren, waren mir durch das Büchereiprofil die Argumente für die Erhaltung der Stadtbücherei sofort präsent:

Die Bücherei ist ein Frequenzbringer für die Stadt: • Touristen nutzen die Bücherei ausgiebig, besonders, seit die Stadt-

bücherei in den Flyern des Tourismusvereins beworben wird. • Die Stadtbücherei hat viele Nutzer aus dem Umland. Die Leser fahren

extra in die Stadt, um die Bücherei zu besuchen. Dabei werden meistens auch notwendige Einkäufe getätigt.

• Somit ist die Stadtbücherei, verkehrsgünstig gelegen mitten in der Ladenstraße mit angrenzendem großen Parkplatz, interessant für den Handel.

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134 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Der Frequenzzähler an der Eingangstür liefert die notwendigen Zahlen für dieses Argument.

• Die Stadtbücherei ist als weicher Standortfaktor für das Interesse neu hinzuziehender Bürger maßgeblich. Viele neue Leser der Stadtbücherei sind Mitbürger über 50 Jahre, die sich Kappeln und Umgebung als Alterswohnsitz ausgesucht haben. Neben einer guten medizinischen Grundversorgung, einer Postfiliale, einem Kino und anderen kulturellen Angeboten gehört eine Bücherei mit zu den wesentlichen Aspekten bei der Wahl des neuen Wohnortes.

Da uns für dieses Argument zunächst die Zahlen fehlten, sammelten wir schriftliche Äußerungen unserer Leser zu diesem Thema in einem Buch, das wir bei Protestmaßnahmen gegen die drohenden Etatkürzungen des Kreises nutzten.

Wichtig: Lobbyarbeit und Netzwerke

Durch das Arbeiten mit dem Büchereiprofil wurde mir klar, wie wichtig Lobbyarbeit und die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Institutionen der Stadt sind.

Ich suchte die Institutionen persönlich auf, mit denen ich mir eine sinnvolle Zusammenarbeit vorstellen konnte. So entstand schnell ein Netzwerk, in dem Informationen ausgetauscht wurden und man sich gegenseitig zu Veranstaltungen lud. Daraus ergaben sich wiederum gemeinsame Projekte und Veranstaltungen. Sehr gute Unterstützung leistete die Presse vor Ort, die bereitwillig über jede Aktion der Stadtbücherei berichtete.

Dieses Netzwerk ist gerade jetzt wichtig, wenn der Kreis seine Unter-stützung für die Büchereien aufkündigen will. Auf der Basis des Bücherei-profils war ich in der Lage, schnell mit einer Power-Point-Präsentation zu reagieren, um die Leistung der Stadtbücherei deutlich zu machen. Mit der Präsentation lieferte ich den Stadtpolitikern einer Fraktion Argumente, mit denen sie gegenüber den Kreistagsabgeordneten auftreten konnten. Den Wirtschaftskreis der Stadt Kappeln konnte ich von der Wichtigkeit der Besucherzahlen der Stadtbücherei und die dadurch bedingte Belebung der Innenstadt überzeugen.

Fazit

Abschließend lässt sich sagen, dass durch das Erarbeiten des Büchereiprofils die Stärken und Schwächen der Stadtbücherei Kappeln offengelegt wurden. Das Formulieren von messbaren Zielen hat deutlich gemacht, in welchen

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Schleswig-Holstein: Stadtbücherei Kappeln 135

Arbeitsbereichen Zahlen fehlten und in wie vielen Arbeitsbereichen messbare Ziele zwar nur schwer ermittelbar, deshalb aber nicht weniger wichtig sind.

Die Arbeit mit messbaren Zielen macht sicherer in der Argumentation für die Arbeit der Bücherei. Der Aufwand für das Ermitteln und Verarbeiten der Zahlen kostet aber auch Arbeitszeit, besonders bei steigenden Ausleih- und Besucherzahlen und gleichbleibenden Arbeitsstunden. Ich überlege mittler-weile genau, ob und wofür ich Zahlen benötige.

Tabelle: Katalog der Maßnahmen.

Aufgabe Maßnahmen Kooperations-partner

Zielgruppe Ziel /Mess-methode

Aufwand pro Jahr

Lese- förderung

Fachleiter/innen Deutsch das Leseförderungs-projekt den 5. Klassen vorstellen.

Direktion der ansässigen Schulen, zustän-dige Lehrer-/innen

5. -Klässler Teilnahme der 5. Klassen am Projekt / Anzahl der Teilnehmenden 5.Klassen

maximal 20 Klassen-besuche der vorhanden 10 5. Klassen in Kappeln

Lese- förderung

Adventskalender-Projekt fortführen und erweitern

s.o. Grund-schulen von Kappelnund Umgebung

Teilnahme der 1.- 4. Klassen am Projekt / Anzahl der teilnehmenden Klassen

Telefonate mit Direktion und Lehrern, Kaufen von Literatur, Abschluss-veranst. für jede Klasse

Lese- förderung

Maxi-Bücher-Club fortführen und erweitern

Kindergarten-leitung

Vorschul-kinder und deren Eltern

Teilnahme aller Vorschul-Kinder, Anzahl der Projekt- teilnehmer

Besuch der Elternabende zwecks Information , Führen eines Maxi-Bücher-Club- Ordners

Lese- förderung

Leiterin des „Hauses der Familie“ ansprechen, Vorlesedamen einladen

Leiterin des „Hauses der Familie“

Kinder von 3-9 Jahren im Stadtteil Ellenberg

Vorlesegruppe in Ellenberg vergrößern, Anzahl der Teilnehmer

Vorlese-schulung mind. 2 mal jährlich

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136 Praxisbeispiele aus dem Projekt „Bibliothekskonzeptionen“

Aufgabe Maßnahmen Kooperations-partner

Zielgruppe Ziel/Mess-methode

Aufwand pro Jahr

Lebens-langes lernen

Ausbau des Medien- bestands für die Bevölkerungs-gruppe „50 +“

Ansässige Firmen für Sponsoring

Bevölkerung von Kappeln und Umgebung über 50 Jahre

10% der Bevölkerung lesen in der Bücherei / aktive Leserzahlen über 50

Gespräche mit Firmen füh- ren , Bücher kaufen und einarbeiten

Unterhaltung durch Medien-vielfalt

Erweitern des Zeitschriften- Angebots

Ansässige Firmen für Sponsoring

Leser und Bürger ab 12 Jahre

Erweitern des Zeitschriften- Bestandes, Anzahl der Zeitschriften und deren Ausleihe

Gespräche mit Firmen füh- ren, Zeitschriften kaufen und einarbeiten

Unterhaltung durch Medien-vielfalt

Einrichten einer Landarzt-Infoecke

Landarztfond , Fernsehsender

Leser, Bürgervon Kappeln und Touristen

Ausleihe der Medien, Ausleihzahl derMedien

Gespräche mit Landarztfond- Vorsitzenden führen, Kontakt mit dem Fernseh-sender auf-nehmen, Medien einarbeiten

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Konzepte auch für Öffentliche Bibliotheken kirchlicher Träger! Fachstelle Kirchliches Büchereiwesen im Erzbistum Freiburg

LOTHAR GANTER

Alle Öffentlichen Büchereien, gleich welcher Größe, Trägerschaft, ob mit hauptamtlicher oder neben/-ehrenamtlicher Leitung brauchen klar kommunizierbare Konzepte und Strategien. Standardisierte Vorgaben sind wenig hilfreich. Mit Hilfe der Fachstellen müssen für die jeweilige örtliche Situation realisierbare Konzepte entwickelt und in die politischen Entscheidungen eingebracht werden.

Begriffe wie „Pfarrbücherei“ oder „kirchliche Bücherei“ verengen die Sicht der Leistungen zur allgemeinen Literaturversorgung häufig auf rein kirchlich- religiöse Intentionen. Die kirchlichen Büchereiverbände sind Mitglied im Deutschen Bibliotheksverband und orientieren sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei der Betreuung ihrer Büchereien vor Ort an Standards für Öffentliche Bibliotheken.1 Daher werden sie im Beitrag als Kirchliche Öffent-liche Büchereien (KÖB) bezeichnet.

Zwei Drittel der Öffentlichen Büchereien in Deutschland mit neben- oder ehrenamtlicher Leitung befinden sich in der Trägerschaft der evangelischen oder katholischen Kirche. Mit hohem bürgerschaftlichen Engagement tragen diese Einrichtungen zur allgemeinen Literaturversorgung bei.2 Die Anerken-nung dieser Leistungen ist in den verschiedenen Bundesländern oder auch Kommunen unterschiedlich. Dennoch bieten sie – gerade weil sie in aller Regel mit kleineren Beständen ausgestattet sind (3 000 bis 5 000 Medien-einheiten) – ein dichtes Netz benutzernah erreichbarer Medien. Zunehmend entwickeln sich diese Büchereien zu intergenerativen und integrativen Treffpunkten in den Gemeinden, da sie als KÖB für alle Bürger und alle Altersgruppen frei zugänglich sind. Die Größe der Bestände erlaubt es den

1 In der sog. „Tutzinger Erklärung“ vom 27.06.1964 erklären kommunale und kirchliche Büchereiverbände ihre gegenseitige Anerkennung und das Recht zur eigenständigen Büchereiarbeit. 2 Vgl. Deutsche Bibliotheksstatistik 2009, www.hbz-nrw.de.

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138 Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft

bürgerschaftlich engagierten Teams, auf aktuelle zeitgemäße Entwicklungen in den Medienangeboten zu reagieren und mit überschaubarem Erwerbungsetat einen qualitativ ausgewählten und auf die örtliche Bevölkerung zugeschnit-tenen Bestandsaufbau zu betreiben.

Ohne Konzept – keine Zukunft

Was für die großen kommunalen Bibliotheken gilt, gilt auch für kleine ehren- und nebenamtlich geleitete Öffentliche Büchereien: Es ist keine Selbst-verständlichkeit mehr, Büchereien einzurichten, zu unterhalten oder gar auszubauen. Als öffentliche Einrichtungen müssen auch die kleineren auf allen Ebenen intensive Lobbyarbeit betreiben, da sie sich im Bildungs-, Kultur- und Mediengeschehen in einem immer größer werdenden Markt bewegen. Hinzu kommt, trotz aller Bemühungen der Verbände um verpflichtende Bibliotheks-gesetze, dass allgemeine Literaturversorgung noch immer zu den sogenannten „freiwilligen Aufgaben“ der Kommunen gehört.3 Eine überzeugende Lobbyarbeit gelingt allerdings nur dann, wenn man den Entscheidungsträgern vor Ort in klar umrissenen Positionen und mit einem geschlossenen Konzept Büchereiarbeit so vermitteln kann, dass sie im Rahmen der Leistungsfähigkeit der Gemeinden sinnvoll realisiert werden kann. Überzogene, unrealistische Forderungen machen Konzepte eher unglaubwürdig und verhindern mehr, als dass sie Literaturversorgung für die Bürger ermöglichen.

Wer trägt Verantwortung? – Trägerschaft

Um Konflikte von vornherein zu vermeiden, muss in jedem Konzept die Frage der Trägerschaft eindeutig geregelt sein. Damit sind die letzte Verantwortung

die Entscheidungskompetenz klar geregelt. Die Fachstellen für die kirchliche Büchereiarbeit empfehlen hier unmissverständliche Regelungen, insbesondere dann, wenn es um sogenannte „gemischte“ Trägerschaft geht (zum Beispiel zwischen zwei kirchlichen Trägern oder zwischen kommunalem und kirchlichem Träger). Ein Automatismus, der Entscheidungskompetenzen nach nur rein finanziellen Aufwendungen bestimmt, birgt hohe Risiken und lässt gerade das finanziell kaum gerecht zu ermittelnde bürgerschaftliche Engagement in den ehrenamtlich geführten Büchereien völlig außer Betracht. In aller Regel wird empfohlen, einen paritätisch besetzten Beirat der beiden Partner einzurichten, in dem nicht nur die Finanzen, sondern auch die 3 So auch bei den jüngsten verabschiedeten Bibliotheksgesetzen in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen.

und

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Kath. Fachstelle Freiburg 139

Interessen der Träger diskutiert und als Vorgabe für die Büchereien formuliert werden (Zielformulierung, Zweck und Auftrag der Bücherei).

Was soll die Bücherei leisten? – Aufgabenbeschreibung

Träger und Büchereiteam brauchen ein klar definiertes Aufgabenfeld, das sich an den Standards für eine zeitgemäße Öffentliche Bücherei orientiert. Diese Standards weichen zwangsläufig von den Standards ab, die der Deutsche Bibliotheksverband in seinen Publikationen für ausschließlich hauptberuflich geleitete Öffentliche Bibliotheken definiert.

Zu dieser Zweckbestimmung der Einrichtung gehören eine Analyse und Beschreibung der Zielgruppen, die erreicht werden sollen, die entsprechenden Akzentuierungen beim Bestandsaufbau und die Benennung möglicher Kooperationsabsichten mit gemeindlichen Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Jugendarbeit (medienpädagogische Aspekte), Erwachsenenbildung und weitere für die Bücherei relevante Institutionen im Bereich der Bildung und Kultur.

Zu diesen Vorgaben gehört nach Möglichkeit auch eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit Bibliotheken anderer Träger, soweit vorhanden, um Synergien für die allgemeine Literaturversorgung zu optimieren (Absprachen bei Bestandsaufbau, gemeinsame Kataloge, Veranstaltungsarbeit etc.).

Das alles muss jedoch immer auf der Grundlage der personellen, finanziellen und räumlichen Ressourcen formuliert werden.

In dieses Kapitel gehört ebenfalls eine klare Beschreibung der Leistungs-grenzen einer ehren- oder nebenamtlich geführten Bücherei: so z. B. Begren-zungen in der Bestandsgröße (kritische Größe: bei rund 10 000 Medien-einheiten), in der Zahl der garantierten Öffnungsstunden, bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen etc.).

Welche Ressourcen braucht es? – Voraussetzungen

In diesem Abschnitt der Konzeption4 sind eine Reihe von Einzelheiten zu klären und zu dokumentieren:

4 Um zielgenaue Konzepte zu erhalten, bedarf es einer fundierten systematischen Analyse der Situation am Ort und einer intensiven Begleitung durch die zuständige Fachstelle. Es ist hier nicht möglich, den gesamten Katalog möglicher Punkte darzustellen.

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140 Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft

Die räumliche Unterbringung der Bücherei

Anschrift, Räume, Raumgestellungskosten (Heizung, Reinigung, etc.), Ausstattung, Beschilderung.

Das Büchereiteam

Größe des Teams, Ausbildung und Qualifizierung, Betreuung und Ein-arbeitung durch die Fachstelle, Fortbildungsmaßnahmen, Leitungsverantwor-tung, Aufteilung der Kapazitäten in die notwendigen Tätigkeiten für den laufenden Betrieb unter dem Aspekt der Eignung und Neigung der bürgerschaftlich Engagierten.

Finanzen

In der Regel sind bei neben- oder ehrenamtlich geführten Büchereien die Raumgrößen vorgegeben. Von daher sind die in Bibliotheksplänen vorgegebenen Größenordnungen nach Einwohnerzahlen für diese Büchereien irrelevant, da diese kleinen Büchereien zwar einen Beitrag zur Literatur-versorgung leisten, diese aber nicht allein gewährleisten können und auch nicht wollen.

Auf der Grundlage der von äußeren Vorgaben bestimmten Größe des Zielbestandes wird für den Erwerbungsetat von einem Euro pro vorhandenem Medium in der Bücherei angestrebt, um eine vollständige Erneuerung des Gesamtbestandes innerhalb von 10 Jahren zu erreichen. Grundsätzlich gilt (nicht nur) für die kleinen Büchereien: Qualität statt Quantität! Zur Qualität gehören die Aktualität (in der Regel Bestände, die nicht älter als 10 Jahre sind), literarische Qualität (sogenannte ‚Konsumliteratur‘ können sich die meisten Menschen selbst leisten, gleichzeitig darf die Bücherei nicht nur eine Elite bedienen), inhaltliche Orientierung (wie in allen Öffentlichen Biblio-theken ist auch hier darauf zu achten, dass ethisch fragwürdigen oder tendenziösen Medien keine Verbreitungsplattform geboten wird). Für die Öffentlichen Büchereien kirchlicher Träger kommt hinzu, dass in ihren Angeboten darauf geachtet wird, dass keine polemischen oder dem christlichen Profil zuwiderlaufenden Titel angeboten werden (Grundlage dafür ist z. B. Art. 1, Abs. 1 der Landesverfassung Baden-Württembergs).

Öffentliche Büchereien kirchlicher Träger leisten auf der Grundlage ihres christlichen Profils einen wesentlichen Beitrag zur allgemeinen Literatur-versorgung, sie sind nicht vorrangig Einrichtungen der Katechese und Missionierung. Im Sinne der Pluralität ist allgemeine Literaturversorgung, wie in der Bildungs- und Kulturarbeit insgesamt, keine ausschließliche Angelegen-heit kommunaler oder staatlicher Gebietskörperschaften. Folglich sind nach

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Kath. Fachstelle Freiburg 141

dem Prinzip der Subsidiarität Einrichtungen zur allgemeinen Literatur-versorgung durch freie Träger (zum Beispiel der Kirchen) adäquat durch die öffentliche Hand zu fördern. Viele Kommunen unterstützen das hohe bürgerschaftliche Engagement in diesem Bereich – vor allem in ländlichen strukturschwachen Gebieten, indem sie entweder Räume bereitstellen oder aber Mittel für die Erwerbung an die Büchereien geben, die zu nahezu 100 % wieder in Form von Medienangeboten den Bürgern zugutekommen.

Büchereiarbeit und moderne Medien

Auch wenn in den meisten Öffentlichen Büchereien, die neben- oder ehrenamtlich betrieben werden, das Medium Buch im Angebot deutlich dominiert, gibt es auch in den kleineren Büchereien eine deutliche Zunahme an Nicht-Buch-Medien. Dies erfolgt gemäß dem Grundsatz, dass in eine Öffentliche Bücherei alle Medien gehören, die den Menschen zur individuellen Nutzung dienen. Damit sind es gerade diese kleineren Büchereien, die einen wesentlichen Beitrag in den strukturschwachen Regionen leisten, das mediale Stadt-Land-Gefälle zu mindern.

In rasch zunehmendem Maß arbeiten auch die neben- und ehrenamtlich betriebenen Büchereien mit moderner leistungsfähiger Bibliothekssoftware. In den Öffentlichen Büchereien kirchlicher Träger werden die Ehrenamtlichen darin eingehend von den Fachstellen beraten und geschult.

Recherchen für den eigenem Verwaltungsbedarf (Kataloge, Erwerbung, etc.) und mögliche Serviceleistungen für andere Partner stehen bei diesen Büchereien eindeutig im Vordergrund. Eher verzichtbar ist in den kleinen Büchereien das Angebot an Internetarbeitsplätzen für das Publikum, da in Deutschland über 70 % der Haushalte bereits über einen Internetzugang verfügen. Angesichts einerseits reduzierter Öffnungszeiten, andererseits Investitionen in die Technik und Aufwand für die Aufsicht wegen möglichen Missbrauchs stehen die Aufwendungen in keinem darstellbaren Verhältnis zum Nutzen.

Fazit

Alle Büchereien brauchen klar kommunizierbare Konzepte – nicht nur die hauptamtlich geleiteten Büchereien der Kommunen. Die Ökonomisierung in den öffentlichen Haushalten zwingt dazu, politische Entscheidungen ‚pro Bücherei‘ transparent und nachvollziehbar zu vermitteln, unabhängig von momentanen persönlichen, politischen oder finanziell günstigen Konstella-tionen bei den Entscheidungsträgern. Will man in den Gremien einen positiven

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Beschluss bewirken, dann müssen zu allen oben genannten Punkten klare Aussagen getroffen werden.

In diesen Fragen hilfreich zu beraten, ist eine – wenn nicht die zentrale – Kernaufgabe für alle Fachstellen. Bibliothekspläne und daraus abgeleitete Vorgaben mögen hilfreich sein, aber sie werden dann zur Verhinderung von Bibliotheken, wenn sie a priori die Träger vor Ort in ihren Möglichkeiten überfordern.

Vielmehr ist es allerhöchste Zeit, dass sich die Büchereiverbände und Fach-stellen über die Trägerschaftsfragen hinaus auf ein sinnvolles Zusammen-wirken hauptberuflich und neben- oder ehrenamtlich geleiteter Büchereien verständigen und sinnvolle Kooperationen anstreben.

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Übergreifendes Entwicklungskonzept für Öffentliche Bibliotheken in Stadt und Landkreis Bamberg aus Fachstellensicht Sankt Michaelsbund, Landesverband Bayern e.V.

MICHAEL SANETRA

Unter der Federführung des Sankt Michaelsbundes ist in Stadt und Landkreis Bamberg ein trägerübergreifendes Bibliothekskonzept erarbeitet worden, das vorhandene bibliothekarische Ressourcen nutzt und die Errichtung neuer Büchereien forciert. Dabei werden besondere Schwerpunkte auf die Lese-förderung und die Zusammenarbeit mit Schulen gelegt. Die hohe Akzeptanz und die organische Weiterentwicklung der Bibliotheken beweisen die Nach-haltigkeit dieses auch wirtschaftlich interessanten Modells.

In Stadt (Sitz der gleichnamigen Erzdiözese und der diözesanen Büchereifach-stelle) und Landkreis Bamberg spielen traditionell die Öffentlichen Biblio-theken in kirchlicher Trägerschaft die wichtigste Rolle bei der örtlichen Literaturversorgung. In den meisten größeren Orten des Landkreises, wie etwa in Hallstadt, Hirschaid oder Memmelsdorf, existieren oft schon seit vielen Jahrzehnten katholische Öffentliche Bibliotheken. Inzwischen arbeiten fast alle Büchereien auf der Basis von Kooperationsverträgen in gemeinsamer Träger-schaft von Kommune und Pfarrkirchenstiftung. Die Stadtbücherei Bamberg wird seit 50 Jahren gemeinsam von der Erzdiözese Bamberg und der Stadt Bamberg getragen. Alle diese Bibliotheken werden vom Sankt Michaelsbund, dem ältesten Büchereiverband in Bayern, fachlich betreut.

Einstellung des Bücherbusses als Anstoß für ein Entwicklungskonzept

Ende der 1990er Jahre stellte die Kreisfahrbücherei, die bis dahin überwiegend kleinere Gemeinden ohne stationäre Büchereien im Landkreis versorgt hatte, ihren Betrieb ein. Zum einen waren die Kosten bei stagnierenden Nutzungs-zahlen permanent gestiegen, zum anderen hatte 1992 das sog. „Eichenauer Urteil“ des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) die freiwilligen Leistungen des Landkreises, zu denen auch der Betrieb von Öffentlichen Büchereien gehört, stark ein- bzw. abgegrenzt.

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Der Wegfall des Bücherbusses und die Tatsache, dass die Stadtbücherei Bamberg schon seit vielen Jahren mehr als unzulänglich untergebracht war, veranlassten die Landesfachstelle des Sankt Michaelsbundes und die Bamberger Diözesanstelle zur Erarbeitung eines Bibliothekskonzepts für Stadt und Landkreis Bamberg. Dabei wurde ganz bewusst darauf verzichtet, diese zwangsläufig konzertierte Aktion in einen festen und von allen Beteiligten ‚abgesegneten‘ Rahmen zu pressen, der langwierige Entscheidungsprozesse mit sich gebracht, die Flexibilität stark eingeschränkt und durch pro-grammatische Formulierungen pragmatische Lösungen erschwert hätte. Vielmehr agierten die beiden Fachstellen auf der Basis eines nur intern vereinbarten Entwicklungskonzepts, das die verschiedenen Partner manchmal sogar unabhängig voneinander zu aktivieren versuchten. Ein derartiges nicht ‚abgesichertes‘ Vorgehen setzt einerseits eine ebenso enge wie vertrauensvolle Kooperation der beiden Fachstellen und andererseits eine bereits vorhandene enge Vernetzung der diözesanen Fachstelle mit kirchlichen und kommunalen Institutionen in Erzdiözese, Stadt und Landkreis voraus.

Sensible Überzeugungsarbeit

Die drei wesentlichen Kernpunkte dieses Konzepts waren: • Fachlich angemessener und attraktiver Neubau der Stadtbücherei Bam-

berg, • Neugründung von stationären Büchereien in möglichst vielen Gemein-

den, in denen Haltepunkte des Bücherbusses lagen, • weiterer Ausbau der Austauschbücherei der Diözesanstelle mit groß-

zügigen Möglichkeiten zur Blockausleihe.

In der Stadt Bamberg decken die Stadtbücherei Bamberg, die Staatsbibliothek Bamberg und die Universitätsbibliothek den sog. ‚gehobenen Bedarf‘ ab, daher schien es nicht unbedingt notwendig, bei der Neugründung von kleinen Gemeindebüchereien bibliothekarische Maximalziele zu formulieren bzw. anzustreben, vielmehr mussten in einem ersten Schritt die Verantwortlichen vor Ort von der Notwendigkeit der Einrichtung stationärer Büchereien über-zeugt werden. Erst dann galt es, in einem zweiten Schritt die realistischen Umsetzungsmöglichkeiten konzeptionell einzupassen und zügig umzusetzen.

Forderungen & Empfehlungen

Als quantitative Minimalanforderung beim Aufbau eines Erstbestandes wurde 1 Medieneinheit (ME) pro Einwohner (EW) der politischen Gemeinde genannt, als Mindestgröße des Büchereiraums wurden ca. 60 m2 angesetzt. Unerlässlich In

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Sankt Michaelsbund 145

diesem Zusammenhang waren ferner die verbindlichen Zusicherungen der Träger, die Erwerbungsetats so auszustatten, dass mittelfristig ein Bestandsziel von 2 ME pro EW erreicht werden konnte.

Als unverzichtbare Bestandsschwerpunkte wurden die Kinderliteratur, aber auch die nutzungsintensive Sachliteratur im Ratgeberbereich (Stichwort: Elternbibliothek) festgelegt. Von der Forderung nach Einstellung von hauptamtlichem Personal wurde Abstand genommen, da keiner der betreffenden Orte zu dieser Zeit mehr als 5 000 Einwohner aufwies, viele lagen sogar deutlich unter der 3 000-Einwohner-Grenze. Durch die räumliche Nähe zur Stadt Bamberg und zur diözesanen Fachstelle waren die besten Voraussetzungen für die Grundausbildung und die Weiterbildung des ehren-amtlichen Personals durch hauptamtliches Fachpersonal gegeben.

Schwierige Rahmenbedingungen

Bei der Beurteilung all dieser Maßzahlen bzw. Empfehlungen muss berücksichtigt werden, dass Oberfranken seit 1945 als Grenzland zur CSSR und zur DDR zu den wirtschaftlich eher benachteiligten Regionen Bayerns gehörte. Seit der Wende 1989 ist Oberfranken immer weiter zum wirtschaft-lichen Schlusslicht aller bayerischen Regierungsbezirke abgerutscht.

Ungeachtet dieser schwierigen Rahmenbedingungen konnten ab Ende der 1990er Jahre Pfarreien und Kommunen, die Erzdiözese Bamberg, Stadt und Landkreis Bamberg und der Sankt Michaelsbund in bemerkenswert kurzer Zeit ein stabiles Netz leistungsfähiger Öffentlicher Bibliotheken in der Region Bamberg knüpfen. Während die Erzdiözese den Neubau der Stadtbücherei in zentraler Stadtlage realisierte, stellten in zahlreichen kleineren Orten (u. a. Breitengüßbach, Litzendorf, Stegaurach) vorwiegend die Kommunen Räumlichkeiten für die neuen Büchereien zur Verfügung, deren Grundbestand gemeinsam von Pfarreien und Kommunen finanziert wurde. In vielen Orten ist es dabei gelungen, die Büchereien in die Grund- und/oder Hauptschulen zu integrieren und so kombinierte Öffentliche Büchereien/Schulbüchereien zu entwickeln. Der Sankt Michaelsbund vermittelte – es waren noch die Jahre vor dem Stoiber‘schen Sparwahn bei den freiwilligen Leistungen des Freistaats – diesen Einrichtungen gerade für die Medienbeschaffung großzügige staatliche Fördergelder. Sogar der Landkreis Bamberg unterstützte trotz des eigentlich zur ‚Sparsamkeit einladenden‘ Eichenauer Urteils die neuen Büchereien mit spürbaren einmaligen Zuschüssen.

Gemeinsam entsteht Großes

Der Neubau der Stadtbücherei Bamberg mit einer Nutzfläche von knapp 1 500 m2 war schon wegen des finanziellen Umfangs die am schwierigsten zu

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bewältigende Aufgabe. In der Erzdiözese führte der Neubau zu einigen Diskussionen: Die Kritiker argumentierten vor allem mit den hohen Kosten, die für eine einzige große Bibliothek aufgebracht werden sollten, während manche anderen kleinen Öffentlichen Büchereien in noch strukturschwächeren Gebieten nicht adäquat unterstützt werden könnten. Letztendlich setzten sich die Befürworter des Neubaus durch, die in den entscheidenden Gremien nicht nur auf die ‚individuellen‘ fachlichen Argumente für den Neubau, sondern auch auf die hohe Bedeutung der Stadtbücherei für alle Büchereien im Umland verweisen konnten. Die in diesem baulichen Kontext ebenfalls realisierte Unterbringung der Diözesanstelle in direkter räumlicher Nachbarschaft zur Stadtbücherei dokumentiert augenfällig die angestrebte, sich gegenseitig unterstützende Vernetzung. Im Juni 2002 konnte der Neubau eröffnet werden, 2007 gehörte die Stadtbücherei zu den ersten Gewinnern des E.ON Bayern Kinderbibliothekspreises1, 2010 schließlich hat sie sich im ersten Tabellendrittel des bundesweiten BIX-Rankings2 von Städten mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern etabliert.

Beispielhaft

Genauso beeindruckend verlief die Entwicklung von einigen Neugründungen in den kleineren Gemeinden und Marktflecken im Landkreis Bamberg. Exemplarisch kann die Gemeindebücherei Frensdorf (2009: 4 878 EW) genannt werden, die 2001 mit einem Grundbestand von ca. 5 000 ME gegründet worden ist. Bis 2010 hat sich der Bestand mehr als verdoppelt und hat damit die immer noch oft zitierte ‚bibliotheksplanmagische‘ Zahl von 2 ME pro Einwohner erreicht. Der Wert von rund sechs Entleihungen pro Einwohner pro Jahr liegt weit mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnittswert aller ehren- bzw. nebenamtlich geleiteten ÖBs dieser Orts-größenklasse in Bayern.3 Die Bibliotheksverwaltung ist schon zwei Jahre nach Eröffnung auf EDV umgestellt worden. Eine besonders enge Kooperation besteht mit dem Kindergarten; es gibt u. a. spezielle Öffnungszeiten für Kindergartengruppen und Informationsveranstaltungen für junge Eltern. Den E.ON-Bayern-Kinderbibliothekspreis hat die Gemeindebücherei im Jahr 2009 erhalten, 2010 wurde sie darüber hinaus bereits zum zweiten Mal mit dem Gütesiegel „Bibliotheken – Partner der Schulen“4 ausgezeichnet. Ebenfalls

1 www.eon-bayern.com/lesezeichen. 2 www.bix-bibliotheksindex.de. 3 Quelle: Deutsche Bibliotheksstatistik 2009. www.hbz-nrw.de/angebote/dbs. 4 www.lfs.bsb-muenchen.de/Guetesiegel-fuer-Bibliotheken.1325.0.html.

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Sankt Michaelsbund 147

2010 hat der Gemeinderat den Bau eines „Kinderhauses“ beschlossen, in dem neben Kindergarten-, Krippen- und Hortgruppen auch die Bücherei auf 120 m2 neue Räume beziehen soll – ein mehr als überzeugender Beleg dafür, dass in Frensdorf selbst von den andernorts oft so wenig bibliotheksaffinen Kommunalpolitikern die Vorteile gesehen werden, wenn Kinder von klein an mit dem Medium Buch vertraut gemacht werden können.

Zusammenarbeit mit Schulen

Die schon im Entwicklungskonzept vorgesehene enge Zusammenarbeit der Büchereien mit Schulen wurde konsequent und nachhaltig umgesetzt. Seit Beginn der Veranstaltungen zum „Kulturpädagogischen Tag“ in Bamberg, der auf die Bedeutung der kulturpädagogischen Vernetzung unterschiedlichster Einrichtungen mit den Schulen aufmerksam machen will, beteiligen sich die Diözesanstelle und die Stadt- und Kreisarbeitsgemeinschaft (SKAG) Bamberg daran. Die Büchereien erzielten dabei für eine von ihnen organisierte Lese-reise, die fast 2 000 Schüler erreichte, auch schon einmal den zweiten Platz beim von einem Schulbuchverlag vergebenen C. C. Buchner-Preis für kultur-pädagogische Kooperationsprojekte aus Stadt und Landkreis Bamberg.

Die SKAG Bamberg der vom Sankt Michaelsbund betreuten Büchereien ist ein informeller Zusammenschluss, der parallel zu seinem Forumscharakter seine Hauptaufgabe u. a. darin sieht, die Büchereien gerade im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit zu vertreten. Beim Ehrenamtstag 2009 konnte der Präsident der Universität Bamberg gewonnen werden, der sich auf dem Stand des Sankt Michaelsbundes in einem öffentlichen Statement für die Arbeit der Bibliotheken stark machte und u. a. betonte, dass auch die Universitäten großes Interesse an wohnortnahen Büchereien hätten, die eine unverzichtbare Basisarbeit leisten.

Das Entwicklungskonzept lebt weiter

Nicht nur die statistischen Erfolgszahlen oder die Preise und Auszeichnungen, sondern auch die aktuell geplanten Büchereineubaumaßnahmen in mindestens drei Orten im Landkreis Bamberg sind ein Beleg dafür, dass das Entwick-lungskonzept aufgegangen ist. Natürlich kamen einige Faktoren zusammen, die das Ganze beförderten. Neben den finanziellen Rahmenbedingungen, die sich um das Jahr 2000 herum noch deutlich besser darstellten als heute, waren es besonders die Personen und Persönlichkeiten, die in der Diözesanleitung und in der Diözesanstelle überzeugten, waren es bibliothekarisch interessierte Kommunalpolitiker, überdurchschnittlich motivierte hauptamtliche Bibliothe-karinnen in der Stadtbücherei Bamberg und außerordentlich engagierte und kreative Ehrenamtliche in den kleineren Büchereien.

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148 Öffentliche Bibliotheken in kirchlicher und/oder kirchlich/kommunaler Trägerschaft

Hätte sich auch nur ein Baustein nicht passgenau in dieses Puzzle einfügen lassen, hätte das Gesamtbild empfindliche Risse bekommen können. Die Frage, ob dieses Konzept beliebig transponierbar ist, kann daher auch nicht eindeutig beantwortet werden. Schon allein das informelle und daher zwangsläufig instabilere Gerüst basierte auf einem Grund, der durch bestimmte Verwerfungen hätte erschüttert werden können. Andererseits bewies das Gerüst auch eine Flexibilität, die manche Schwachstellen leichter kompensieren konnte als zu fest miteinander verschweißte Einzelstreben. Keinesfalls kann die nur scheinbare Unverbindlichkeit als Alibi für Zauderer gelten, die sich vor konkreten Maßnahmen oder Auseinandersetzungen drücken wollen.

Herausforderungen für die Zukunft

Selbstverständlich ist nicht alles Gold, was glänzt, gibt es Fragen und Proble-me, die sich aktuell stellen oder in einigen Jahren möglicherweise stellen wer-den: Die Stadtbücherei Bamberg belegt beim BIX 2010 in der Zieldimension „Wirtschaftlichkeit“ Platz 1, was vereinfacht – und etwas polemisch ausgedrückt – auch heißt, dass ausgezeichnete Leistungsdaten bei geringstem Mittel- und Personaleinsatz erzielt werden, was sich parallel dazu im eher bescheidenen Rang 32 bei der Zieldimension „Entwicklung“ niederschlägt.

Die Stadtbücherei muss, um entsprechend leistungsfähig zu bleiben, perso-nell besser ausgestattet werden! Wollen und/oder können Stadt und Erzdiözese bei eher klammen kommunalen und kirchlichen Kassen diese Mittel aufbrin-gen? Kann gerade in den (Markt-)Gemeinden, in denen demnächst Neubauten realisiert werden, auch in Zukunft das Prinzip der ausschließlich ehrenamt-lichen Betreuung, das dort unter den jetzigen Rahmenbedingungen optimal funktioniert, weiter aufrecht erhalten werden – Stichwort Öffnungszeiten? Wie können – oder wollen – die Büchereien mit dem gegenwärtigen ‚Kunden-schwerpunkt Kinder‘ auf die Herausforderungen des demografischen Wandels reagieren? Oder auch: Müssen die kleinen Büchereien fit für Web 2.0 und die Teilhabe an den social media gemacht werden? Die ‚Macher‘ von damals haben sich von allen möglichen Fragezeichen weniger beeindrucken lassen als von den in Aussicht stehenden Ausrufezeichen. Das sollte allen Machern von heute – oder den Visionären von morgen – Mut machen und zur Gelassenheit anregen.

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Können Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch gesteuert werden? Ausschlaggebend: Strategie und Management des Trägers

RAFAEL BALL

Wissenschaftliche Bibliotheken können nur dann strategisch gesteuert werden, wenn ihre Trägereinrichtung keine „Behörden-Universität“ ist, sondern ein nach modernen Managementprinzipien arbeitendes ‚Unternehmen‘. Dann aber lassen sich durch die Bestimmung von quantifizierbaren Zielen und Parametern auch Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch steuern. Ganz zentral sind hierbei aber Qualifikation und Bereitschaft des Bibliotheks-personals, diese Instrumente einzusetzen und zuzulassen. Dies zu erreichen ist aber die schwierigste Aufgabe in der Vorbereitung eines strategischen Bibliothekscontrollings.

Können Wissenschaftliche Bibliotheken strategisch gesteuert werden? Diese Ausgangsfrage muss und kann mit einem eindeutigen „Ja“ beantwortet werden. Trotzdem erfordert es ein ausführliches und erläuterndes „Aber“.

Wissenschaftliche Bibliotheken sind zunächst Einrichtungen wie jede andere Organisation auch. Sie unterscheiden sich prinzipiell und unter organisato-rischen Aspekten auch nicht von Öffentlichen Bibliotheken. Eine Organisation strategisch zu steuern bedeutet ja nichts anderes, als ein Management nach objektiv messbaren Zielen zu organisieren und umzusetzen. Insofern lässt sich jede Wissenschaftliche Bibliothek prinzipiell strategisch steuern.

Die entscheidende Frage allerdings ist die Art der Steuerung der jeweiligen Trägereinrichtung. Hier ist grundsätzlich zu überlegen, auf welcher Basis das Management und die Strategie, etwa einer Universität, beruhen. Denn im Wesentlichen können wir hier zwei Strategietypen unterschieden:

• Die erste Gruppe nenne ich „Behörden-Universitäten“, • die zweite Gruppe „unternehmensorientierte Universitäten“.

Universitäten der ersten Gruppe, also „Behörden-Universitäten“, funktionieren nach dem kameralistischen Prinzip auf der Basis von gesetzlichen Regelungen und Verordnungen. Sie sind im Prinzip beamten-technokratische Ein-richtungen, deren Strategien und Ziele ausschließlich den aktuellen, finan-ziellen, gesetzlichen und Regelungs-Rahmenbedingungen untergeordnet sind.

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150 Wissenschaftliche Bibliotheken

„Behörden-Universität“: Einhaltung von Regeln und Vorschriften

Insofern ist die Bezeichnung „Behörden-Universität“ durchaus treffend. Fragen nach Effektivität und Effizienz, nach Service, Quality-Level oder einem ‚return on investment‘ werden hier nicht gestellt und Antworten darauf vergeblich gesucht. Diese Kategorien gehen an einer „Behörden-Universität“ komplett vorbei. Erfolgskriterien sind nicht in einem Strategiepapier oder einer allgemeinen Policy oder einem Leitbild verankert. Als Erfolgskriterien werden ausschließlich die Einhaltung oder Nichteinhaltung von Gesetzen und Regelungen der übergeordneten Behörde, gegebenenfalls des vorgesetzten Ministeriums, gesehen.

Wissenschaftliche Bibliotheken in „Behörden-Universitäten“ lassen sich demnach nicht strategisch steuern. Sie sind auf den ‚good will‘ des Zuwendungsgebers angewiesen und beschränken sich – ebenso wie die Trägereinrichtung – auf die Einhaltung von Regeln und Vorschriften.

Ist eine Wissenschaftliche Bibliothek konservativ orientiert, fällt diese Philosophie nicht auf. Wenn die Einhaltung von Katalogregeln und Vorschriften, das Erfüllen von Fernleihregeln und das Abarbeiten von Schlagwörtern und Schlagwortketten Sinn erschöpfend für Bibliothek und Bibliothekare sind, wird man sich in einer „Behörden-Universität“ gut positionieren können und wohlfühlen. Eine strategische Steuerung im Sinne eines modernen Management-Verständnisses hingegen ist für solche Einrich-tungen unmöglich.

Unternehmensorientierte Universitäten: gesteuert über definierte Ziele

Universitäten der zweiten Gruppe, die ich mit dem Terminus „unternehmens-orientierte Universitäten“ beschreibe, sind Einrichtungen mit einer anderen Führungsphilosophie. Sie sind, wenn auch im Rahmen gesetzlicher Regelun-gen und Erlasse von Ministerien und Ländern, gegebenenfalls auch von anderen Institutionen gegründete Einrichtungen, aber ihr Handlungs- und Verantwortungsfreiraum entspricht eher dem eines Unternehmens als dem einer Behörde.

Eine „unternehmensorientierte Universität“ verfügt über eine ausformulierte Strategie und wird über definierte Ziele gesteuert. Sie hat eine klare Policy verabschiedet und entsprechende Erfolgskriterien definiert.

Ist eine Universität so aufgestellt, kann auch eine Universitätsbibliothek strategisch gesteuert werden. In diesem Sinne haben Bibliotheken, deren Trägereinrichtung eine „unternehmensorientierte Universität“ ist, durchaus die Chance, ja sogar die Pflicht, strategisch gesteuert zu werden.

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Strategische Steuerung Wissenschaftlicher Bibliotheken 151

Die zentrale Aufgabe für die strategische Steuerung einer Wissen-schaftlichen Bibliothek in einer „unternehmensorientierten Universität“ ist die Entwicklung von qualitativen und quantitativen Parametern und Indikatoren, die den Beitrag der Wissenschaftlichen Bibliothek und ihrer Dienstleistungen zum Unternehmenserfolg belegen. Dies sind aber längst nicht mehr klassische Kennzahlen wie Buchbestand, Ausleihe und Ausleihzahlen.1

Von weit aus größerer Bedeutung als die tradierten klassischen Kenngrößen, wie Bestand und Umsatz, sind Parameter für die Messung des ‚return on investments‘. Längst ist es da nicht mehr unanständig, auch das Wort „Geld“ und „Kunde“ in den Mund zu nehmen.2 Seit einigen Jahren sind auch einschlägige Studien und Zeitschriftenbeiträge zu diesem Thema erschienen. Beispielhaft sei der Beitrag von Carol Tenopir genannt.3

Indikatoren zur Leistungsmessung

Für die Frage einer erfolgreichen strategischen Steuerung bedarf es jedoch der Entwicklung und Festlegung von geeigneten und genügend präzisen Indikatoren, die einerseits mit vertretbarem Aufwand ausreichend genau ermittelt werden können und deren Aussagewert gleichzeitig die leichte Anpassung der Mess- und Stellgrößen ermöglicht. Denn grundsätzlich lässt sich alles messen: Prozesse, Personal, Kommunikation, Output usw.

Für die strategische Steuerung einer Wissenschaftlichen Bibliothek ist es heute sinnvoll, Indikatoren zu entwickeln, die prinzipiell geeignet sind, den Beitrag zum Unternehmen (zur Universität) zu quantifizieren und nachzuweisen.

Dabei geht es zunächst und allgemein um ein ausgewogenes Verhältnis von Input (Ressourcen-Verfügbarkeit), Befähigung (Prozessfähigkeit), Output (Nutzen), Wirkung (Effektivität) und Ergebnissen. Wenn Wissenschaftliche

1 „The indicators that served as benchmarks in the past, such as number of volumes and number of journal subscriptions, are no longer sufficient because of the more expansive role that the contemporary library has assumed“, Weiner (2005), S. 434. 2 „It used to be that the way you put together a library budget was to look at like institutions and then argue for a little more. Now my provost is saying to me, ‘If I give you x dollars, what is the return on investment to the University?’”, T. S. Plutchak, Librarian, University of Alabama at Birmingham, zitiert in: Luther (2008), S. 3. 3 Tenopir (2009).

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152 Wissenschaftliche Bibliotheken

Bibliotheken strategisch gesteuert werden, müssen deshalb alle ‚alten Zöpfe‘ auf den Prüfstand. Dienstleistungen, Produkte und Kenngrößen, die nur um der guten akademischen oder bibliothekarischen Tradition willen aufrechterhalten werden, sind hier nicht mehr zu verantworten und zumindest überflüssig geworden.

Welche Kennzahlen im Einzelnen erhoben werden, wie sie zu messen und später bei der Steuerung zu interpretieren sind, wird jede Einrichtung vor dem Hintergrund der je spezifischen Situation zu beantworten haben. Sie können nicht identisch sein für alle Wissenschaftlichen Bibliotheken. Vielmehr ist aus der Kundenperspektive heraus der jeweils spezifische Unternehmensbeitrag herauszufinden und dann auf messbare Größen herunterzubrechen.

Dies können etwa die Verbesserung der Forschungsleistung der Wissen-schaftler sein (Publikationsperformance, Zitierquote, Einwerbung von Dritt-mitteln, Berufungssituation), die Verbesserung der Studienbedingungen (Zufriedenheit, Verweildauer, Examensnoten) oder die Gesamtperformance einer Universität.

Messbar: Der Beitrag der Bibliothek zum Unternehmen

Ganz häufig macht die Umstellung von klassischen bibliothekarischen Kenn-größen auf performance-getriebene Parameter gerade dem eher traditionellen Mitarbeiter einer Wissenschaftlichen Bibliothek große Schwierigkeiten. Kommt man auch ohne betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse mit den tra-dierten Kennzahlen gerade noch zurecht („Statistik muss eben sein“), ist bereits für die Erhebung von Kennzahlen zum Unternehmensbeitrag der Bibliothek weder Verständnis noch Bereitschaft zu erkennen. Und diese Vorbehalte gelten noch stärker bei der Nutzung dieser Kenngrößen für die Steuerung von Prozessen oder Zielen innerhalb der Bibliothek. Auch ohne bösen Willen bleibt häufig nur Unverständnis:

All dies impliziert jedoch, dass die Organisation der post-kapitalistischen Gesellschaft die Menschheit ununterbrochen beunruhigen, desorganisieren und destabilisieren muss. Sie müssen die Anforderungen nach Fähigkeiten und Wissen verändern: Genau in dem Moment, in dem jede Technische Universität in der Lage ist, eine Fakultät für Physik einzurichten, brauchen die Organisationen Genetiker. Genau in dem Moment, in dem Bankangestellte Kreditanalysen perfekt beherrschen,

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Strategische Steuerung Wissenschaftlicher Bibliotheken 153

müssen sie sich mit einem Job als Anlageberater zufrieden geben … Solche Schritte jedoch versetzen die Menschen in Aufruhr. 4

Kennzahlensysteme und strategische Steuerung

Die Einführung von speziellen Kennzahlensystemen und die strategische Steu-erung einer Wissenschaftlichen Bibliothek darf deshalb insbesondere von eher klassischen Bibliothekaren nicht als brutale Top-down-Aktion erfahren werden. Dies führt nicht nur zu einem Erschrecken der Mitarbeiter, sondern im schlimmsten Falle zum Boykott der Mitarbeit und zum ‚Dienst nach Vorschrift‘.

Vielmehr kann das Verständnis für output-orientierte Unternehmensdaten und -kennzahlen und die Freude an ihnen nur durch ein verinnerlichtes Verständnis der Kundenperspektive erreicht werden.

Fazit

Die strategische Steuerung Wissenschaftlicher Bibliotheken erfordert deshalb einen ganzheitlichen Führungsansatz. Junge und frisch ausgebildete Infor-mationsspezialisten sind hier allerdings deutlich im Vorteil. Wenn auch noch nicht an allen einschlägigen Ausbildungs- und Studieneinrichtungen um-fassend und professionell betriebswirtschaftliches und unternehmensorien-tiertes Denken geschult wird, kommen junge Bibliothekare doch mit einem weitaus offeneren Verständnis für derartige Zusammenhänge in die Bibliotheken als der klassisch, eher noch humanistisch-akademisch geprägte Bibliothekar alter Schule.

Aber auch den „Aufruhr der Menschen“ muss eine strategisch gut gesteuerte Bibliothek im Griff haben. Begeisterungsfähige, innovative und leistungs-bereite Mitarbeiter lassen sich nicht in Aufruhr versetzen, auch wenn an der strategischen Steuerungsschraube der Bibliothek kräftig gedreht wird.

Literatur und Internetquellen

[1] DRUCKER, P. F. (1996). Umbruch im Management. Was kommt nach dem Reengeneering? Düsseldorf: ECON.

[2] LUTHER, J. (2008). University investment in the library: What’s the return? A case study at the University of Illinois at Urbana-Champaign.

4 Drucker (1996), S. 83.

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Library connect, White paper, 1. http://libraryconnect.elsevier.com /whitepapers/0108 /lcwp0101.pdf.

[3] TENOPIR, C. (2009). Measuring the Value and Return on Investment of Academic Libraries. http://crl.du.ac.in/ical09/papers/index_files/ical-2_158_377_1_RV.pdf.

[4] WEINER, S. A. (2005). Library Quality and Impact: Is There a Relationship between New Measures and Traditional Measures? Journal of Academic Librarianship, 31(5), 432-437.

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Anhang Bibliotheken, die an Projekten zur Entwicklung von

Bibliothekskonzeptionen teilgenommen haben

Autoren und Herausgeber

Weiterführende Informationen Kontakte und

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Bibliotheken, die an Projekten zur Entwicklung von Bibliothekskonzeptionen teilgenommen haben

(1) Veranstalter: PraxisInstitut Meinhard Motzko in Kooperation mit der jeweiligen Landesfachstelle

Nordrhein-Westfalen I (2001–2003) - Stadtbücherei Altena - Stadtbücherei Arnsberg - Zentralbibliothek Bergheim - Stadtbibliothek Brilon - Stadtbücherei Detmold - Stadtbücherei Dülmen - Stadtbibliothek Emsdetten - Stadtbücherei Espelkamp - Stadtbücherei Haan - Stadtbibliothek Hattingen - Stadtbibliothek Langenfeld - Stadtbücherei Olsberg - Stadtbücherei Schwelm - Stadtbücherei Warendorf - Stadtbücherei Wermelskirchen

Niedersachsen (2006–2008) - Stadtbibliothek Achim - Stadtbücherei Bad Fallingbostel - Bibliothek am Meer Bad Zwischenahn - Stadtbibliothek Cuxhaven - Fahrbücherei Cuxhaven - Stadtbibliothek Garbsen - Stadtbibliothek Göttingen - Stadtbibliothek Hannover-Linden - Stadtbücherei Munster - Stadtbibliothek Neustadt am Rübenberge - Euregio Bücherei Nordhorn - Stadtbücherei Peine - Stadtbibliothek Salzgitter - Gemeindebücherei Seevetal - Bibliothek Waldmühle Soltau - Stadtbibliothek Verden

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158 Bibliotheken

Kreis Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) (2006–2008)

- Stadtbücherei Brühl - Stadtbibliothek Euskirchen - Kreisbibliothek Euskirchen - Gemeindebücherei Kall - Stadtbücherei Mechernich - Stadtbücherei Nettersheim - Stadtbücherei Schleiden - Stadtbücherei Zülpich

Rheinland-Pfalz / Saarland (2007–2009)

- Stadtbücherei Bad Dürkheim - Stadtbibliothek Bad Kreuznach - Gemeindebücherei Bobenheim-Roxheim - Stadtbibliothek Diez - Verbandsgemeindebücherei Eisenberg - Stadtbücherei Frankenthal - Stadtbibliothek Germersheim - Stadtbücherei Grünberg - Stadtbibliothek Koblenz - Stadtbibliothek Landau - Gemeindebücherei Limburgerhof - Stadtbibliothek Ludwigshafen - Stadtbibliothek Merzig - Stadtbücherei Neustadt / Weinstr. - Stadtbücherei Pirmasens - Stadtbibliothek Saarbrücken - Stadtbücherei Speyer - Zentralbücherei der Verbandsgemeinde Waldfischbach-Burgalben - Stadtbücherei Wittlich - Stadtbücherei Oberursel - Stadtbücherei Reinheim - Stadtbücherei Viernheim - Kreis- und Stadtbücherei Weilburg - Stadtbibliothek Wetzlar - Stadtbücherei Zwingenberg

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Bibliotheken 159

(2) Veranstalter: PraxisInstitut Meinhard Motzko in Kooperation mit der ekz.bibliotheksservice GmbH und der jeweiligen Landesfachstelle

Bayern I (2007–2008)

- Stadtbücherei Bad Aibling - Stadtbibliothek Fürstenfeldbruck - Gemeindebücherei Gauting - Gemeindebücherei Gräfelfing - Stadtbücherei Ingolstadt - Gemeindebücherei Karlsfeld - Gemeindebücherei Krailling - Stadtbücherei Miesbach - Gemeindebücherei Neubiberg - Gemeinde- und Schulbibliothek Oberhaching - Gemeindebücherei Ottobrunn - Stadtbücherei Starnberg - Stadtbücherei Töging - Stadtbücherei Traunstein - Gemeindebücherei Unterhaching - Stadtbibliothek Unterschleißheim - Stadtbücherei Waldkraiburg

Hessen I (2007–2009)

- Stadtbibliothek Bad Homburg - Stadtbücherei Bad Nauheim - Stadtbücherei Bad Vilbel - Stadtbücherei Baunatal - Stadtbibliothek Bensheim - Stadtbibliothek Bruchköbel - Stadtbücherei Dietzenbach - Stadtbücherei Dreieich - Stadtbibliothek Friedberg - Stadtbücherei Friedrichsdorf - Stadtbibliothek Hanau - Stadtbücherei Hattersheim - Stadtbibliothek Kelkheim - Stadtbücherei Kronberg - Stadtbücherei Lampertheim

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160 Bibliotheken

- Stadtbücherei Langen - Bücherei Liederbach - Stadtbücherei Nidderau - Stadtbücherei Oberursel - Stadtbücherei Reinheim - Stadtbücherei Viernheim - Kreis- und Stadtbücherei Weilburg - Stadtbibliothek Wetzlar - Stadtbücherei Zwingenberg

Thüringen (2008–2009)

- Stadtbibliothek Altenburg - Stadtbibliothek Apolda - Stadt- und Kreisbibliothek Arnstadt - Stadtbücherei Bad Frankenhausen - Bibliothek der Verwaltungsgemeinschaft Bad Tennstedt - Stadtbibliothek Eisenach - Stadt- und Regionalbibliothek Gera - Stadtbibliothek „Heinrich Heine“ Gotha - Stadt- und Kreisbibliothek Greiz - Bibliothek der Verwaltungsgemeinschaft Heldrungen - Stadtbibliothek Hermsdorf - Ernst-Abbe-Bücherei Jena - Stadt- und Kreisbibliothek Meiningen - Gemeindebibliothek Menteroda - Stadt- und Zentralbibliothek Meuselwitz - Stadtbibliothek „Rudolf Hagelstange“ Nordhausen - Stadtbibliothek Bilke Pößneck - Stadtbibliothek Rudolstadt - Stadt- und Kreisbibliothek Saalfeld - Stadt- und Kreisbibliothek Sömmerda - Stadtbibliothek „Johann Karl Wezel“ Sondershausen - Stadtbibliothek Sonneberg - Stadt- und Kurbibliothek Tambach-Dietharz - Stadtbibliothek Zeulenroda

Schleswig-Holstein (2008–2009)

- Stadtbücherei Ahrensburg - Stadtbücherei Bad Segeberg - Stadtbücherei Eckernförde - Stadtbücherei Elmshorn

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Bibliotheken 161

- Stadtbibliothek Itzehoe - Stadtbücherei Kappeln - Gemeindebücherei Kronshagen - Stadt- und Schulbücherei Lauenburg - Stadtbücherei Norderstedt - Stadtbücherei Quickborn - Stadtbibliothek Reinbek - Stadtbücherei Wedel - Gemeindebücherei Wentorf

Rheinland-Pfalz (2009)

- Stadtbibliothek Bad Neuenahr-Ahrweiler

Sachsen (2009–2010)

- Stadtbibliothek Annaberg-Buchholz - Stadtbibliothek Aue - Stadtbibliothek Auerbach - Stadtbibliothek Crimmitschau - Pro Regio e. V. Bibliothek Deutzen - Stadtbibliothek am Lutherplatz Döbeln - Stadtbibliothek Freiberg - Stadtbibliothek Heidenau - Stadtverwaltung Lößnitz - Stadtbibliothek Pirna - Stadtbibliothek der FVG Riesa mbH - Stadtbibliothek Stollberg - Stadtbibliothek Waldheim -

Stadtbibliothek Weißwasser

Nordrhein-Westfalen II (2009–2011)

- Stadtbücherei Ahaus - Stadtbücherei Ahlen - Öffentliche Bücherei Beckum - Stadtbücherei Burscheid - Stadtbibliothek Detmold - Stadtbücherei Düren - Stadtbücherei Emmerich - Stadtbibliothek Gütersloh GmbH - Stadtbibliothek Kempen - Stadtbücherei Lüdenscheid

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162 Bibliotheken

- Dorte-Hilleke-Bücherei Menden - Bibliothek Monheim gGmbH - Stadtbücherei Radevormald - Stadtbücherei Schwerte - BIB im FoKuS Selm AöR - Stadtbücherei Soest - Stadtbibliothek Solingen - Stadtbücherei Velbert - Stadtbücherei Waldbröl

Baden-Württemberg

- Stadtbibliothek Böblingen (2010–2011) - Stadtbibliothek Sindelfingen (2009–2010)

Brandenburg (2010–2011)

- Stadtbibliothek Kupferschmiede e.V. Beeskow - Gemeindebibliothek Blankenfelde- Mahlow - Fouqué Bibliothek Brandenburg - Stadt-und Regionalbibliothek Cottbus - Stadtbibliothek Erkner - Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt / O. - Stadtbibliothek Fürstenwalde - Öffentliche Bibliothek Großbeeren - Bibliothek Gemeinde Hoppegarten - Stadtbibliothek Jüterbog - Öffentliche Bibliothek Kleinmachnow - Stadtbibliothek Luckenwalde - Stadtbibliothek Müncheberg - Stadtbibliothek Perleberg - Stadt- und Landesbibliothek Potsdam - Öffentliche Bibliothek Rangsdorf - Stadtbibliothek Schwedt / Oder - Stadtbibliothek Storkow - Heinrich-Mann-Bibliothek Strausberg - Stadtbibliothek Werder (Havel) - Stadtbibliothek „Martin Anderson Nexö“ Wittenberge

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Bibliotheken 163

Bayern II (ab 2010)

- Stadtbibliothek Alzenau - Stadtbibliothek Böblingen - Belegschaftsbibliothek Wacker Burghausen - Stadtbibliothek Burghausen - Stadtbücherei Dachau - Stadtbibliothek Donauwörth - Gemeindebücherei Eckental - Stadtbibliothek Freilassing - Stadtbücherei Landshut - Marktbücherei Manching - Bibliothek Markt Höchberg - Stadtbibliothek Schwabach - Stadtbücherei Penzberg - Gemeindebücherei Vaterstetten - Regionalbibliothek Weiden - Gemeindebücherei Wendelstein

Hessen II (ab 2011)

- Stadtbücherei Eschborn - Hochschul- und Landesbibliothek Fulda - Stadtbücherei Geisenheim - Stadtbücherei Gernsheim - Stadtbibliothek Kassel - Stadtbücherei Lauterbach - Stadtbücherei Ober-Ramstadt - Stadtbücherei Obertshausen - Gemeindebücherei Rodenbach - Stadtbücherei Rödermark - Stadtbibliothek Schotten - Stadt- und Schulbücherei Taunusstein

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164 Bibliotheken

Page 165: Bibliotheken strategisch steuern - 404 · Herausforderungen für die Zukunftsrolle der Öffentlichen Bibliotheken ANDREAS MITTROWANN ... Spätestens dann gilt es für Bibliotheken,

Autoren un Herausgeber BALL, RAFAEL, DR. Bibliotheksdirektor, Leiter der Universitätsbibliothek Regensburg, Universitätsstraße 31, 93053 Regensburg, E-Mail: [email protected], Homepage: www.bibliothek.uni-regensburg.de

FRIEDL, UWE, DR. Bürgermeister der Stadt Euskirchen, Kölner Straße 75, 53879 Euski chen, E-Mail: [email protected], Homepage: www.euskirchen.de

GANTER, LOTHAR Leiter der Fachstelle Kirchliches Büchereiwesen im Erzbistum Freiburg, Landsknechtstraße 4, 79120 Freiburg, E-Mail: [email protected], Homepage: www.nimm-und-lies.de/

HAASE-HENKEL, SABINE Dipl.-Bibl., Leiterin der Stadtbücherei Kappeln, Schmiedestraße 15, 24376 Kappeln, E-Mail: [email protected], Homepage: www.stadtbuecherei-kappeln.de

HAGENAU, ANETTE Dipl.-Bibl., Leiterin der Stadtbücherei Traunstein, Haywards-Heath-Weg 1, 83278 Traunstein, E-Mail: [email protected], Homepage: www.stadtbuecherei-traunstein.de

HAUKE, PETRA, DR. Autorin und Herausgeberin bibliotheksbezogener Fachliteratur; Lehr-beauftragte am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, Hochkalterweg 3a, 12107 Berlin, E-Mail: [email protected], Homepage: www.ibi.hu-berlin.de/institut/mitarbA-Z/lehrbeauftragte/hauke

HEUTE-BLUHM, GUDRUN Oberbürgermeisterin der Stadt Lörrach, Präsidentin des Deutschen Biblio-theksverbandes, dbv e. V., Rathaus Lörrach, Luisenstraße 16, 79539 Lörrach, E-Mail: [email protected], Homepage: www.loerrach.de

KASPER, ANNETTE, DR. Leiterin der Ernst-Abbe-Bücherei Jena, JenaKultur, Carl-Zeiss-Platz 15, 07743 Jena, E-Mail: [email protected], Homepage: www.stadtbibliothek.jena.de

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166 Autoren und Herausgeber

KUSE, BETTINA Buchhändlerin (IHK) und Fami (IHK), Leiterin der Stadtbücherei Dietzenbach, Darmstädter Straße 7 + 11, 63128 Dietzenbach, E-Mail: [email protected], Homepage: www.stadtbuecherei.dietzenbach.de

LANGMANN, GABY Dipl.-Bibl., Geschäftsbereichsleiterin Bibliothek in der Kultur- und Touris-musgesellschaft Pirna mbH, Dohnaische Straße 76, 01796 Pirna, E-Mail: [email protected], [email protected], Homepage: www.bibliothek-pirna.de

LAY, URSULA Kulturreferentin der Stadt Traunstein, Stadtverwaltung Traunstein, Stadtplatz 39, 83278 Traunstein, E-Mail: [email protected], Homepage: www.stadtbuecherei-traunstein.de

LIST-PETERSEN, NIS-EDWIN Direktor des Bibliothekswesens und Kulturkoordinator der Deutschen Minder-heit in Dänemark, Verband Deutscher Büchereien Nordschleswig, Deutsche Büchereizentrale – Zentralbücherei Apenrade, Vestergade 30, DK – 6200Aabenraa, E-Mail: [email protected], Homepage: www.buecherei.dk

MITTROWANN, ANDREAS Dipl.-Bibl., Bibliothekarischer Direktor, ekz.bibliotheksservice GmbH, Bismarckstaße 3, 72764 Reutlingen, E-Mail: [email protected], Homepage: www.ekz.de

MOTZKO, MEINHARD Dipl. Sozialwissenschaftler und Qualitätsmanagement Auditor; Inhaber PraxisInstitut, Westerdeich 88, 28197 Bremen, E-Mail: [email protected], Homepage: www.praxisinstitut.de

PALMER, UTE Dipl.-Bibl., Leiterin der Fachstelle München, Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen, Kaulbachstraße 19, E-Mail: [email protected], Homepage: www.lfs.bsb-muenchen.de

RUMSCHÖTTEL, JOHANNA Dipl.-Bibl., seit 2008 Landrätin des Landkreises München; 1985-2000 Leiterin der Gemeinde- und Schulbibliothek, seit 1992 auch des Kulturamtes Oberhaching; 2000-2008 Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Neubiberg; 2002-2009 stellv. Vorsitzende des Bayerischen Bibliotheksverbandes; Landratsamt München, Mariahilfplatz 17, 81541 München, E-Mail:

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Autoren Herausgeber 167

[email protected], Homepage: www.landkreis-muenchen.de /verwaltung-buergerservice-politik-wahlen/landraetin

SANETRA, MICHAEL Dipl.-Bibl., Bibl. Referent der Geschäftsleitung, Sankt Michaelsbund, Landesverband Bayern e. V., Herzog-Wilhelm-Straße 5, 80331 München, E-Mail: [email protected], Homepage: www.st-michaelsbund.de

SCHWARTZ, ULRIKE Dipl.-Bibl., Leiterin der Stadtbücherei Neustadt an der Weinstraße, Marstall 1, 67433 Neustadt an der Weinstraße, E-Mail: [email protected], Homepage: www.stadtbuecherei.neustadt.eu

SCHWERING, STEPHAN Dipl.-Bibl., Leiter der Stadtbibliothek Emsdetten, Kirchstraße 40, 48282 Emsdetten, E-Mail: [email protected], Homepage: www.emsdetten.de/stadtbibliothek

WEBER, BRUNHILDE Dipl.-Bibl., Bereichsleiterin Bibliothek, Kreisstadt Euskirchen, Stadtbetrieb Kultureinrichtungen Euskirchen, Kirchstraße 5-7, 53879 Euskirchen, E-Mail: [email protected], Homepage: www.euskirchen.de/stadtbibliothek

WEIGEL, MARC Kulturdezernent der Stadt Neustadt an der Weinstraße, Hetzelplatz 1, 67433 Neustadt an der Weinstraße, E-Mail: [email protected], Homepage: www.neustadt.eu/index.phtml?NavID=1441.389&La=1

WEIL, ULRIKE Dipl.-Bibl., Leiterin der Stadtbücherei Pirmasens, Dankelsbachstraße 19, 66953, Pirmasens, E-Mail: [email protected], Homepage: www.pirmasens.de/buecherei

und

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Weiterführende Informationen Kontakte

Dokumentation von Konzepten auf CD

• Niedersachsen Anfragen sind zu richten an: info@bz-niedersachsen

• Rheinland-Pfalz http://www.lbz-rlp.de/cms/service/bibliothek-2010-plus/index.html

• Bayern Anfragen sind zu richten an: [email protected]

Ansprechpartner für weitere Projekte

• PraxisInstitut, Organisations- und Personalentwicklung Meinhard Motzko Westerdeich 88, D – 28197 Bremen Tel.: +49 (0) 421-34 00 92 Fax: +49 (0) 421-349 92 67 E-Mail: [email protected] Internet: www.praxisinstitut.de

• ekz.bibliotheksservice GmbH Andreas Mittrowann, Bibliothekarischer Direktor Bismarckstaße 3, D – 72764 Reutlingen Tel.: +49 (0) 7121 144-111 Fax: +49 (0) 7121 144-486 E-Mail: [email protected] Internet: www.ekz.de

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