3

Click here to load reader

Bilaterale, limbusparallele, leicht prominente Trübungen in der Hornhautperipherie; Bilateral limbus parallel slightly prominent opacities in the corneal periphery;

  • Upload
    w

  • View
    253

  • Download
    3

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Bilaterale, limbusparallele, leicht prominente Trübungen in der Hornhautperipherie; Bilateral limbus parallel slightly prominent opacities in the corneal periphery;

Kasuistik

Eine 53-jährige, inländische Patientin stellte sich in der Augenklinik zur Einho-lung einer „zweiten Meinung“ vor, nach-dem augenärztlicherseits eine beidseitige „Keratitis“ diagnostiziert und eine The-rapie mit lokalen Antibiotika, Kortiko-steroiden und Tränenersatzmitteln ein-geleitet worden war. Seit etwa 6 Wochen seien die Augen leicht gerötet und leicht schmerzhaft gewesen. Begonnen hätten die Beschwerden nach einer Reise mit dem Flugzeug. In den letzten Jahren wa-ren keine augenärztlichen Untersuchun-gen erfolgt. Bis auf eine „Bindehautent-zündung“ im 19. Lebensjahr war die Au-genanamnese unauffällig, die ophthalmo-logische Familienanamnese war leer. Die Funktion war subjektiv unbeeinträchtigt. Internistische Erkrankungen waren nicht bekannt, das Allgemeinbefinden war gut. Medikamente wurden nicht eingenom-men. Auch waren keine Hinweise auf eine Exposition gegenüber Staub oder to-xischen Stoffen eruierbar.

Die Sehschärfe wurde beidseits mit 1,0 bestimmt (rechts mit +1,75 dpt sphärisch, links mit +2,25 dpt sphärisch kombiniert mit –0,75 dpt zylindrisch in 107°). Der Augendruck wurde an beiden Augen mit 19 mmHg gemessen. Die Bindehaut stell-te sich beidseits reizfrei dar, eine Sekretion aus dem Bindehautsack zeigte sich nicht. Der Tränenmeniskus schien nicht ver-mindert. Im Bereich der Hornhaut fielen insbesondere im nasalen und tempora-len Lidspaltenbereich mehrere weißliche, leicht erhabene, „wurstförmige“ Trübun-gen auf, die eine gewisse Symmetrie of-

fenbarten (. Abb. 1a, . Abb. 2a). Rechts nasal waren die Trübungen zum Zentrum hin gegen die normale Hornhaut mit Pig-mentlinien demarkiert (. Abb. 1b). Zum Limbus hin zeigte sich kein freies Inter-vall. Am Limbus fand sich an beiden Au-gen ein etwas prominenteres, limbus-parallel verlaufendes Gefäß (. Abb. 1a, . Abb. 2a, b). An umschriebener Stelle

war es zu einer diskreten Gefäßeinspros-sung in die Trübungen hinein gekom-men (. Abb. 2b). Das Hornhautepithel war geschlossen und nicht gestippt. Zen-tral stellte sich die Hornhaut unauffällig dar. Insgesamt fanden sich keine Hinweise auf eine korneale Entzündung. Der Intra-okularbefund war regelrecht. Die Patien-tin hat blaue Irides (. Abb. 1, 2). Da zu-

Ophthalmologe 2014 · 111:165–167DOI 10.1007/s00347-013-2935-6Online publiziert: 16. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

J.M. Rohrbach1 · L. Naycheva1 · E. Yörük1 · W. Lisch2

1 Department für Augenheilkunde, Universitäts-Augenklinik, Eberhard-Karls-Universität Tübingen 2 Augenklinik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Bilaterale, limbusparallele, leicht prominente Trübungen in der Hornhautperipherie

Abb. 1 8 Rechtes Auge. a In der Übersichtsaufnahme zeigen sich in der Peripherie insbesondere in der 3- und 9-Uhr-Position weißliche, leicht erhabene, „wurstförmige“, limbusparallele Trübungen mit „Salzmann-ähnlichem“ Aspekt. Prominentes Gefäß parallel zur temporalen Trübung (Pfeil). Bulbäre Bindehaut reizfrei. Helle Iris. b Bei höherer Vergrößerung erkennt man im Bereich der nasalen periphe-ren hypertrophen subepithelialen kornealen Degeneration Pigmentablagerungen im Rand bereich  zur klaren Kornea (Pfeile) als Hinweis auf eine ausgebliebene Progression in den letzten Monaten. Die Begrenzung der Trübungen zur zentralen Hornhaut hin ist eher unscharf

Abb. 2 8 Linkes Auge. a In der Übersichtsaufnahme ganz ähnliche, relativ symmetrische Verhältnisse wie rechts mit prominenten, limbus- und läsionparallelen Gefäßen (Pfeile). b Bei höherer Vergröße-rung aus dem limbusparallelen Gefäß heraus umschriebene, oberflächliche Gefäßeinsprossung (Pfeil) in ein Areal der peripheren hypertrophen subepithelialen kornealen Degeneration hinein

165Der Ophthalmologe 2 · 2014  | 

Bild und Fall

Page 2: Bilaterale, limbusparallele, leicht prominente Trübungen in der Hornhautperipherie; Bilateral limbus parallel slightly prominent opacities in the corneal periphery;

nächst eine „banale Diagnose“ angenom-men wurde und sich angesichts des vollen Visus und des „friedlichen“ Befundes kei-

ne Konsequenzen ergeben hätten, wurde auf eine weiterführende Hornhautdiag-nostik wie Vorderabschnitts-OCT, Horn-

 D Wie lautet Ihre Diagnose?

hautpachymetrie oder Hornhauttopogra-phie verzichtet.

Diskussion

Der Befund wurde zunächst als idiopathi-sche, bilaterale noduläre Salzmann-Horn-hautdegeneration [Maximilian Salzmann (1862–1954), 1925 [8]] eingeordnet. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Ver-änderungen schon seit Jahren vorhanden waren, aber erst jetzt – am ehesten durch Sicca-bedingte Beschwerden infolge der Flugreise – aufgefallen waren. Eine floride Keratitis war nicht anzunehmen. Es wur-den deshalb lediglich Tränenersatzmittel mehrfach pro Tag ordiniert und eine Kon-trolluntersuchung beim Augenarzt nach einigen Monaten angeraten.

»  Diagnose: periphere hypertrophe subepitheliale korneale Degeneration

In einer ganz rezenten, wenige Tage nach der Konsultation publizierten Arbeit wur-den Patienten mit ganz ähnlichen Verän-derungen beschrieben, wobei die Entität als „periphere hypertrophe subepitheliale korneale Degeneration“ bzw. „peripheral hypertrophic subepithelial corneal dege-neration“ (PHSCD) bezeichnet wurde [2]. Diese Diagnose ist damit auch bei unse-rer Patientin anzunehmen, ohne dass die-ses Auswirkungen auf die ausgesproche-nen therapeutischen Empfehlungen hätte.

Aufgrund der typischen Charakteris-tika (. Tab. 1) scheint es geboten, die PHSCD von der „normalen Salzmann-Degeneration“ abzugrenzen, selbst wenn das im Einzelfall sicherlich Schwierigkei-ten bereiten kann. Auch beim (vermut-lich) „degenerativen Salzmann“ lässt sich entgegen der in der Literatur tradierten Ansicht einer postentzündlichen Reak-tion fast nie eine entsprechende Anam-nese erheben [9]. Lokalisation und Bilate-ralität könnten entscheidende Unterschei-dungsmerkmale der PHSCD sein. Jedoch

kann auch der „normale Salzmann“ mit-unter bilateral vorkommen und damit ein wesentliches Dystrophiekriterium er-füllen [9]. Andererseits wiederum wäre auch ein „bilateraler, degenerativer Salz-mann“ nach bilateraler Einwirkung einer wie auch immer gearteten Noxe theore-tisch vorstellbar.

Die PHSCD wurde erstmals 2003 bei 6 Patienten beschrieben und so be-nannt [6]. Die einige Jahre später publi-zierte „diffuse keratokonjunktivale Proli-feration“ [7] imponierte vor allem durch beidseitige Pseudopterygien. „Salzmann-Veränderungen“ wurden von den Auto-ren nicht beschrieben, jedoch lassen kli-nischer Aspekt und histologische Befun-de („nonelastotic collageneous prolifera-tion with a moderate number of active fi-broblasts“) zumindest an eine Nähe zur PHSCD denken. Die erstmals 2002 ver-öffentlichte „pterygoide Hornhautdystro-phie“ dürfte nicht dem Formenkreis der PHSCD zuzurechnen sein, da bei diesen Patienten Pterygien im Vordergrund stan-den, „typische Salzmann-Veränderungen“ – abgesehen von einem dezenten histolo-gischen Hinweis – nicht zu verzeichnen waren und der Erbgang autosomal-domi-nant erfolgte [10].

Die Ätiologie der PHSCD bleibt vor-erst unklar. Es konnten bisher weder oku-läre noch allgemeinmedizinische Ursa-chen eruiert werden. In der größten und neuesten Studie bedurften 27% der Be-troffenen keiner Behandlung, 5% benötig-ten wegen eines neu aufgetretenen Astig-matismus eine Brillenkorrektur, bei 36% waren Tränenersatzmittel ausreichend. Bei 32% der Patienten wurde wegen einer Visusminderung eine oberflächliche Ke-ratektomie erforderlich, dabei in etwa zwei Drittel der Fälle an beiden Augen [2]. Die Keratektomie kann mit der Ap-plikation von Mitomycin-C-Augentrop-fen kombiniert werden [2]. Lokale Korti-kosteroide hatten bei einzelnen Patienten

(erwartungsgemäß) keinen Effekt auf die Trübungen [6].

Differenzialdiagnostisch ist neben dem „echten Salzmann“ insbesondere an die korneale intraepitheliale Neoplasie (CIN) und die korneale Manifestation einer monoklonalen Gammopathie unklarer Si-gnifikanz (MGUS; [4]) zu denken.

Die Autoren haben in den letzten Jah-ren mehrere Patientinnen mit ganz ähn-lichen Befunden wie die hier präsentier-ten gesehen, die zunächst ebenfalls als bi-laterale „Salzmann-Degeneration“ einge-ordnet worden waren. Damit scheint die PHSCD nicht ganz selten zu sein.

Die „Salzmann-Degeneration“ [1] wur-de jüngst mit durchaus guten Gründen als Hornhautdystrophie (HD) klassifiziert [9], was allerdings nicht unwidersprochen blieb [5]. Die „Lösung des Disputs“ könn-te sein, dass es den „Salzmann“ sowohl in einer (meist einseitigen) degenerativen als auch, wie von Sundmacher postuliert [9], in einer (bilateralen) dystrophischen Va-riante gibt, wobei Letzterer der PHSCD nahe stünde. Damit hätte die Liste der HD [3] möglicherweise eine neue Kandi-datin oder sogar neue Kandidatinnen, die deskriptiv vielleicht am besten als „Salz-mann-ähnliche periphere Hornhautdys-trophie“ (SÄPHD) zu bezeichnen wären. Ob „Salzmann“, PHSCD und „pterygoi-der HD“ möglicherweise eine Erkrankung des Limbus zugrunde liegt – der Aspekt der Veränderungen bei unserer Patientin spricht etwas dafür –, bliebe im Rahmen weiterer Untersuchungen und Diskussio-nen zu klären.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. J.M. RohrbachDepartment für Augenheilkunde, Universitäts-Augenklinik, Eberhard-Karls-Universität TübingenSchleichstr. 6-12, 72076 Tü[email protected]

166 |  Der Ophthalmologe 2 · 2014

Bild und Fall

Page 3: Bilaterale, limbusparallele, leicht prominente Trübungen in der Hornhautperipherie; Bilateral limbus parallel slightly prominent opacities in the corneal periphery;

Tab. 1  Differenzialcharakteristika von nodulärer Salzmann-Hornhautdegeneration (-dystrophie) und peripherer hypertropher subepithelialer kornealer Degeneration (PHSCD)

  Salzmann-Degeneration [1] PHSCD [2, 6]

Alter Jedes, überwiegend mittleres und höheres Lebensalter

Weit überwiegend mittleres Lebensalter

Rasse Alle Wahrscheinlich nur kaukasisch

Geschlecht Frauen > Männer Zirka 90% Frauen

Lateralität Deutlich mehr uni- als bilateral Zirka 90% bilateral

Irisfarbe Soweit bekannt alle Farben Weit überwiegend hell

Aspekt Überwiegend nodulär Überwiegend „wurstförmig“

Lokalisation Zirka 60% mittelperipher oder zentral mit freiem Intervall zum Limbus; gesamte Zirkumferenz

Nur peripher, zumeist ohne klares Intervall zum Limbus; evtl. Bevorzugung von nasa-lem und temporalem Sektor

Betroffene Schicht Subepitheliales Stroma Subepitheliales Stroma

Pseudopterygien Eher selten Zirka 40%

Korneale Neovaskularisation Gelegentlich Häufig

Limbusparallele Gefäße Nicht dezidiert beschrieben Möglich

Floride Entzündung Keine Keine

Visusminderung Möglich Möglich (bis ca. 40%)

Symptome Eher selten „okuläre Irritation“ Häufig „okuläre Irritation“

Verlauf Stationär oder langsam  progredient

Stationär oder langsam  progredient

Histologie und Elektronen-mikroskopie

Hypozelluläre, hyaline, sub-epitheliale AblagerungenDestruktion der Bowman-SchichtOxytalan-Fasern

Wie „Salzmann“ („Würste“) bzw. wie Pterygien (fibrovas-kuläre Anteile)

Internistische Grundleiden Keinea Keineb

Ursache Oft spekulativ, evtl. Entzündun-gen oder Traumata der Augen-oberflächec

Unklar

Familiarität Keine bekannt Bisher keine beschriebend

Hornhautdystrophie Gegenstand der Diskussione Möglich

Therapie Keine, Tränenersatzmittel, super-fizielle Keratektomie

Wie „Salzmann“

aSalzmann-ähnliches Bild bei monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz [4]. bJeweils 9% der Patienten mit PHSCD mit Morbus Crohn bzw. Hypothyreose, jedoch wurde ein Zusammenhang mit den Hornhautver-änderungen für unwahrscheinlich gehalten [2]. Allerdings litten auch 2 von 14 Patienten mit „diffuser kerato-konjunktivaler Proliferation“ an einem Morbus Crohn [7]. cSalzmann führte die Knötchen in seiner Originalpubli-kation von 1925 auf eine Entzündung („Keratitis eczematosa“) zurück [8]. Dieses hatte zur Konsequenz, dass die „Entzündungsgenese“ bis heute tradiert wurde und wird, obwohl die Entzündungsanamnese heutiger Patien-ten in der Regel leer ist. Die Ansicht Sundmachers, dass die von Salzmann mitgeteilten Befunde nicht zu einer stattgefundenen Entzündung passen [9], vermögen wir nur bedingt zu teilen. dDer Erbgang müsste am ehesten autosomal-rezessiv sein. Autosomal-dominante Vererbung bei der (wahrscheinlich nicht der PHSCD zuzurech-nenden) „pterygoiden Hornhautdystrophie“ [10]. eDer „bilaterale Salzmann“ ist nach einem Vorschlag von Rainer Sundmacher als Dystrophie zu klassifizieren [9]. Die Diskussion darüber ist allerdings noch nicht abgeschlossen.

Danksagung.  Die Autoren danken der Patientin für die Zustimmung zur Publikation.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  J.M. Rohrbach, L. Naycheva, E. Yörük und W. Lisch geben an, dass kein Interessen-konflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Das S, Link B, Seitz B (2005) Salzmann’s nodular de-generation of the cornea. A review and case series. Cornea 24:772–777

  2.  Gore DM, Iovieno A, Connell BJ et al (2013) Peri-pheral hypertrophic subepithelial corneal degene-ration. Ophthalmology 120:892–898

  3.  Lisch W, Seitz B (2011) Neue internationale Klassifi-kation der Hornhautdystrophien. Ophthalmologe 108:883–896

  4.  Lisch W, Saikia P, Pitz S et al (2012) Chameleon-like appearance of immunotactoid keratopathy. Cor-nea 31:55–58

  5.  Lisch W (2012) „Der Salzmann“. Dystrophie oder Degeneration? Ophthalmologe 109:1030–1031

  6.  Maust HA, Raber IM (2003) Peripheral hypertrop-hic subepithelial corneal degeneration. Eye Con-tact Lens 29:266–269

  7.  Said DG, Mathew M, Shaikh MY et al (2008) Diffuse keratoconjunctival proliferation. Arch Ophthalmol 126:1226–1232

  8.  Salzmann M (1925) Über eine Abart der knötchen-förmigen Hornhautdystrophie. Z Augenheilkd 57:92–99

  9.  Sundmacher R (2012) Salzmannsche nodulä-re Hornhautdegeneration. Meist eine epithelia-le Hornhautdystrophie. Ophthalmologe 109:389–403

10.  Wolter-Roessler E, Seitz B, Naumann GOH (2002) Pterygoide Hornautdystrophie. Klin Monatsbl Au-genheilkd 219:677–681

167Der Ophthalmologe 2 · 2014  |