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Birgit Pfau-Effinger · Sladana Sakac ˇ Magdalenic ´ Christof Wolf (Hrsg.) International vergleichende Sozialforschung

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Birgit Pfau-Effinger · Sladana Sakac Magdalenic Christof Wolf (Hrsg.)

International vergleichende Sozialforschung

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Birgit Pfau-Effinger Sladana Sakac Magdalenic Christof Wolf (Hrsg.)

International vergleichende Sozialforschung

Ansätze und Messkonzepte unter den Bedingungen der Globalisierung

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1. Auflage 2009

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009

Lektorat: Katrin Emmerich / Marianne Schultheis

VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.www.vs-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzesist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson -dere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein-speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesemWerk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solcheNamen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachtenwären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-531-16524-0

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Inhalt

Birgit Pfau-Effinger, Slaðana Saka� Magdaleni�, Christof WolfZentrale Fragen der international vergleichenden Sozialforschungunter dem Aspekt der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Hans-Peter Blossfeld, Dirk Hofäcker, Marcel Raab, Michael Ruland,Sandra BuchholzGlobalisierungsprozesse in modernen GesellschaftenTheoretische Grundlagen, empirische Erfassung und Auswirkungenauf individuelle Lebensverlaufmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Jürgen BeyerSpielarten des Kapitalismus – Empirische Einwände gegen dieVerfestigungsannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Raj KollmorgenPostsozialistischeWohlfahrtsregime in Europa – Teil der „Drei Welten“oder eigener Typus?Ein empirisch gestützter Rekonzeptualisierungsversuch . . . . . . . . . . . . 65

Henning LohmannKonzept und Messung von Defamilisierung in international vergleichenderPerspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Cornelia WeinsMessinstrumente im internationalen VergleichMöglichkeiten und Grenzen der Analyse von Vorurteilen. . . . . . . . . . . . 129

Volker Müller-BenedictInternationale Indikatoren der Schulwirksamkeit, angewandt aufEntwicklungsländerDas Beispiel Honduras zeigt die Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

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Reinhard Pollak, Heike Wirth, Felix Weiss, Gerrit Bauer, Walter MüllerOn the Comparative Measurement of Supervisory Statususing the Examples of the ESS and the EU-LFS . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Uwe Warner, Jürgen H.P. Hoffmeyer-ZlotnikDas Konzept des „privaten Haushalts“ in international vergleichendensozialwissenschaftlichen Umfragen und dessen Operationalisierung . . . . . 207

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

6 Inhalt

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Zentrale Fragen der international vergleichendenSozialforschung unter dem Aspekt der Globalisierung1

Birgit Pfau-Effinger, Slaðana Saka� Magdaleni�, Christof Wolf

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden und beschleunigten Vernetzung derWelt im Zuge von Prozessen der ‚Globalisierung’ und eines Zusammenrückensder europäischen Gesellschaften im Rahmen der Europäischen Union steigt dasInteresse an einemVergleich gesellschaftlicher Entwicklungen und die Nachfragenach international vergleichenden Daten. Der vorliegende Band enthält Beiträgeeiner Tagung über „Die Konsequenzen der Globalisierung für die internationalvergleichende Sozialforschung“, die gemeinsam von der Arbeitsgemeinschaft So-zialwissenschaftlicher Institute (ASI) und der Sektion „Methoden der Empiri-schen Sozialforschung“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 02./03. No-vember 2007 in Hamburg veranstaltet wurde. Er befasst sich mit Ansätzen zurKonzeptionalisierung und der Messung von Gemeinsamkeiten und Differenzen inden sozialen Strukturen und ihrer Veränderung, die sie auf der Grundlage neuererProzesse der Globalisierung erfahren. Es wird danach gefragt, wie sich die „Glo-balisierung“ definieren und operationalisieren lässt und wie ihr Einfluss auf diegesellschaftliche Entwicklung gemessen werden kann. Weiter wird gefragt, wiesoziale Strukturen und Institutionen in verschiedenen Gesellschaften sinnvoll mit-einander verglichen werden können. Welche Probleme entstehen daraus, dass so-ziale Phänomene in verschiedenen Gesellschaften nicht immer in der gleichen Artund Weise definiert und interpretiert werden und dass dieselben Phänomene imKontext verschiedener Gesellschaften eine unterschiedliche Bedeutung habenkönnen? Und wie lassen sich solche Probleme bei der Analyse international ver-gleichend angelegter Datensätze lösen?

Es geht weiter auch um die Frage der Entwicklungstendenzen: Inwieweit ist dieEntwicklung von Gesellschaften im Kontext der Globalisierung durch Konver-genz gekennzeichnet, inwieweit kann man eher von Persistenz oder sogar von Di-vergenz sprechen? Inwieweit verläuft die Entwicklung der zentralen gesellschaft-

1 Zum Gelingen dieses Bandes haben viele beigetragen, angefangen von den Menschen, diedazu beigetragen haben, dass die hier dokumentierte Tagung in Hamburg so erfolgreich war,bis zu denen, die das Manuskript Korrektur gelesen und für den Druck vorbereitet haben –hierbei insbesondere Bettina Zacharias. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank.

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lichen Institutionen pfadabhängig? Inwieweit spielen Prozesse der Pfadabkehr ei-ne Rolle, und inwieweit bilden sich in einigen Regionen Europas oder der Weltmöglicherweise sogar grundsätzlich neue Typen von Institutionen oder institutio-nellen Konstellationen heraus? Wie lassen sich solche Entwicklungen empirischerfassen und messen?

Der Einfluss der Globalisierung auf die Nationalgesellschaften

In den letzten Jahren wurde eine Fülle von Analysen dazu vorgelegt, wie die „Glo-balisierung“ verläuft und welche Folgen sie hat. Es besteht inzwischen in den So-zialwissenschaften ein Konsens dahingehend, dass die Globalisierung nicht längerals ein einheitlicher und vorwiegend ökonomischer Prozess angesehen werdenkann, der alle Gesellschaften in gleicher Weise beeinflusst. Vielmehr, so die Auf-fassung, die sich durchgesetzt hat und die auch diesem Band zugrunde gelegtwird, handelt es sich um einen multidimensionalen Prozess, der die kulturelle, po-litische, soziale und ökonomische Dimension gleichermaßen betrifft. Dabei kön-nen sich die Wirkungen der Globalisierung in den verschiedenen Dimensionen, jenach dem raum-zeitlichen Kontext, tendenziell gegenseitig verstärken oder be-grenzen (Guillén 2003).

Eine wichtige Frage, die in dem Zusammenhang diskutiert wird, ist die der Ver-änderung in der Rolle von Nationalstaaten. Es wird einerseits argumentiert, dieStellung der Nationalstaaten werde durch die Globalisierung, insbesondere durchdie Internationalisierung von Märkten, unterminiert. Dem steht eine Position ge-genüber, wonach die Nationalstaaten zwar ihre Aufgaben durch ihren Einbezug inMehr-Ebenen-Governance verändern, aber nicht grundsätzlich geschwächt wer-den, da dem Verlust an Steuerungsmöglichkeiten durch über- oder untergeordneteEbenen die Zunahme der Steuerungsanforderungen gegenübersteht, die dieVermittlung zwischen diesen Ebenen betrifft (vgl. Guillén 2003).

Auch die Frage nach dem Einfluss der Globalisierung auf die Richtung der Ent-wicklung von Nationalgesellschaften ist umstritten. Oft wird argumentiert, dieGlobalisierung führe zur Konvergenz in der Entwicklung von Nationalgesell-schaften im Hinblick auf eine Reihe institutioneller und struktureller Merkmale.Als Begründung wird entweder der Einfluss supranationaler Institutionen ange-führt (z.B. Holzinger/Knill 2005) oder die Dominanz neoliberaler Ideen in den in-ternationalen Diskursen über die Globalisierung (z.B. Hay/Rosamond 2002). DieAnnahme der Konvergenz legen auch die Theoretiker der „Weltgesellschaft“ zu-grunde (Meyer et al. 1987). Diese konstituiert sich im Wesentlichen auf derGrundlage einer Konvergenz in den kulturellen Werten und der Herausbildungeines konformen Sets an Menschenrechten.

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Demgegenüber wird in einem anderen Strang der Argumentation die Annahmevertreten, dass Gesellschaften bzw. Gruppen von Gesellschaften in jeweils spezifi-scher Weise auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren, weshalb dieEntwicklung von Politiken, Institutionen und sozialen Strukturen eher durch Di-vergenz gekennzeichnet sei. Dem Konzept der „Pfadabhängigkeit“ institutionel-len Wandels wird in dem Zusammenhang eine wichtige Bedeutung als Erklä-rungsansatz beigemessen (Pierson 2000; Beyer 2005).

Die Autorengruppe Hans-Peter Blossfeld, Dirk Hofäcker, Sandra Buchholz,Marcel Raab und Michael Ruland untersucht in einem breit angelegten For-schungsprojekt die Auswirkungen von Globalisierungsprozessen auf individuelleLebensverlaufmuster in modernen Gesellschaften. Die Autoren fassen die Globa-lisierung, so wie es auch dem Ansatz dieses Buches entspricht, als einen multidi-mensionalen Ansatz zur theoretischen Bestimmung des Phänomens der Globali-sierung zugrunde. Auf der Grundlage stellen sie einen Index zur Messung desmultidimensionalen Phänomens der Globalisierung vor und zeigen, wie sich dasGlobalisierungsphänomen darstellen und seine Entwicklung empirisch im Zeit-verlauf nachzeichnen lässt. Sie überprüfen schließlich, ob und in welcher Weisesich der Globalisierungsprozess auf ausgewählte Aspekte der Lebens- und Er-werbsverläufe vonMännern und Frauen in modernen Industriegesellschaften aus-gewirkt hat. Die Basis der Analysen bilden die Ergebnisse zweier internationalvergleichender sozialwissenschaftlicher Großprojekte, des Forschungsprojektes‚GLOBALIFE – Lebensverläufe im Globalisierungsprozess’ (http://web.uni-bamberg.de/sowi/soziologie-i/globalife) sowie des Forschungsnetzwerks ‚Trans-Europe’ (www.transeurope-project.org).

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Globalisierung keinesfalls – wie viel-fach angenommen (vgl. z.B. Beck 1996) – zu einer allgemeinen Generalisierungvon Risiken und der zunehmenden Herausbildung flexibler Patchwork-Karrierenbeigetragen hat. Vielmehr konzentrieren sich globalisierungsbedingte Risikensystematisch auf spezifische Arbeitsmarktgruppen (Breen 1997). Darüber hinaus‚filtern’ länderspezifische Institutionen – wie etwa nationale Wohlfahrtsstaatenoder unterschiedliche Modi der Regulierung von Arbeitsmärkten – den Globali-sierungsprozess in unterschiedlicherWeise und tragen damit dazu bei, dass sich inverschiedenen modernen Industriestaaten sehr unterschiedliche ‚Globalisierungs-effekte’ zeigen.

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Theoretische Ansätze zur Klassifikation von Gesellschaften und ihreOperationalisierung und Messung

Das Zusammenspiel von Institutionen im Rahmen institutioneller Konstellationenbildet eine wichtige Grundlage für das Funktionieren moderner Gesellschaften.Seit dem Beginn der 1990er Jahre hat sich die international vergleichende Sozial-forschung verstärkt mit den konkreten Profilen der zentralen institutionellen Kon-stellationen in Einzelgesellschaften und ihren Differenzen befasst. Es ging dabei,wie im Ansatz der „Varieties of Capitalism“ von Hall und Soskice (2001) um dieKonstellation der marktrahmenden Institutionen oder, wie im Ansatz der „Wohl-fahrtsregime“ von Esping-Andersen (1990, 1999; vgl. auch Arts und Gelissen2002) um die Konstellation der Institutionen, die zusammen den Wohlfahrtsstaatbilden oder auch, wie im Ansatz der „Gender Arrangements“ von Pfau-Effinger(2004; 2005a) um die Institutionen, die die Familie und die Geschlechterbezie-hungen rahmen. Es wurde gezeigt, dass im internationalen Vergleich teilweise er-hebliche Differenzen im Hinblick auf das jeweilige Profil dieser institutionellenKonstellationen bestehen und dass solche Differenzen zu einem erheblichen An-teil dazu beitragen zu erklären, warum sich soziale Phänomene wie etwa dieStrukturen sozialer Ungleichheit, die ökonomischen Strukturen oder die Erwerbs-beteiligung von Frauen unterscheiden.

In den Diskursen der international vergleichenden Sozialforschung wird oft an-genommen, dass die Entwicklung solcher institutionellen Konstellationen trotzdes Angleichungsdrucks durch Globalisierungsprozesse tendenziell pfadabhän-gig verläuft (Pierson 2000). Einige Autoren/Autorinnen argumentieren demge-genüber, dass Prozesse der Globalisierung oder auch endogene Prozesse in denNationalgesellschaften – wie etwa der Wandel der Familienstrukturen, der demo-graphischeWandel oder der Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft – dazu füh-ren können, dass der einmal eingeschlagene Pfad zugunsten einer verändertenEntwicklung verlassen wird (Beyer 2005; Ebbinghaus 2005; Mahoney 2000).

In den Ansätzen, die von der Annahme der Pfadabhängigkeit des Wandels aus-gehen, werden die zentralen institutionellen Konstellationen in Nationalgesell-schaften oft als ein tendenziell widerspruchsfreies, kohärentes Ganzes angesehen.Oft wird nur unzureichend berücksichtigt, dass diese auch inkohärent und vonWi-dersprüchen gekennzeichnet sein können. Tatsächlich können die Beziehungenzwischen den beteiligten Institutionen aber auch durch weitreichende Spannun-gen und Widersprüche im Hinblick auf die Grundprinzipien, auf deren Grundlagesie funktionieren, gekennzeichnet sein (Crouch und Farrell 2004, Mayntz 2005).Diese können die Grundlage dafür sein, dass die Entwicklung einer institutionel-

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len Konstellation durch Innovation und Pfadabkehr gekennzeichnet ist (Pfau-Ef-finger 2005b).

Zahlreiche empirische Studien wurden mit dem Ziel durchgeführt, den Erklä-rungswert der Typologien zu überprüfen, die sich auf die jeweils konkretenGrundprinzipien beziehen, auf deren Grundlage die institutionellen Konstellatio-nen jeweils funktionieren. Die Ergebnisse führten teilweise zu einer kritischenAuseinandersetzung mit solchen Ansätzen und zu deren Weiterentwicklung bzw.zur Einführung alternativer Klassifikationsansätze. Die Beiträge zu diesem The-menbereich beschäftigen sich mit der Frage nach der Relevanz von theoretischenAnsätzen zur Klassifikation von Gesellschaften für die Erklärung internationalerDifferenzen.

Der Beitrag von Jürgen Beyer unterzieht die von verschiedenen Anhängern des„Varieties of Capitalism“-Ansatzes vertretene These der institutionellen Verfesti-gung der bestehenden marktwirtschaftlichen Differenzen einer kritischen Analy-se. Er legt dabei eine Untersuchung der organisatorischen Veränderungen in deut-schen Großunternehmen sowie eine Analyse von Aggregatdaten zur ökonomi-schen Entwicklung in 25 Ländern vor. Ein besonderes Augenmerk wird auf denVergleich zwischen liberalen und koordinierten Ökonomien gelegt. Der Autorkommt zu dem Ergebnis, dass bezweifelt werden muss, dass der jüngste Wandelmarktwirtschaftlicher Systeme auf der Verfestigung bestehender Differenzen be-ruht. Auch wird gezeigt, dass sich die Differenzen zwischen liberalen und koordi-niertenWirtschaftssystemen nach den 1980er Jahren tendenziell verringert haben.Jürgen Beyer folgert: „Die Konstellationen marktrahmender Institutionen sindganz offensichtlich dynamischeren Veränderungen unterworfen, ohne dass in län-gerfristiger Perspektive wirklich eine eindeutige Richtung zur Konvergenz er-kennbar wäre“ (Beyer in diesem Band). Jürgen Beyer stellt dieses Ergebnis ineinen Zusammenhang damit, dass der Wandel von Marktökonomien nichtnotwendigerweise zu eindeutigen Institutionensystemen führt, sondern von In-komplementaritäten gekennzeichnet sein kann.

Es ist umstritten, welchen Einfluss die Globalisierung und die europäische In-tegration auf dieWohlfahrtsstaaten in postsozialistischen Ländern haben und wel-che Typen von „Wohlfahrtsregimen“ (im Sinne von Esping-Andersen 1990, 1999)diese repräsentieren. Der Beitrag von Raj Kollmorgen (in diesemBand) nimmt dieDiskussion darüber auf und fragt, inwieweit die Wohlfahrtsstaaten in den postso-zialistischen Gesellschaften Mittel- und Osteuropas sich auf der Grundlage derRegime-Typologie klassifizieren lassen. Kollmorgen kommt zu dem Ergebnis,dass sie tendenziell mehrere davon abweichende Typen repräsentieren. Dabei ent-steht der Eindruck, dass die neu entstandenen Wohlfahrtsstaaten in den Mittel-und Osteuropäischen Ländern oft keine kohärente Einheit bilden, sondern dass sie

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die einzelnen Institutionen, die ihnen zugrunde liegen, oft in durchaus wider-sprüchlicher Weise interagieren.

Der Beitrag von Hennig Lohmann befasst sich mit dem internationalen Ver-gleich von Familienpolitiken und von deren Typisierung. Diese werden neuer-dings häufig auf der Grundlage des Konzepts der „Defamilisierung“ verglichen.Defamilisierungwird dabei vor allem alsMöglichkeit der Entlastung (von Frauen)von familiären Betreuungspflichten, die der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit imWege stehen, verstanden. Der Beitrag setzt sich kritisch mit den aktuellen Ansät-zen zur Konzeption und Messung von Defamilisierung in international verglei-chender Perspektive auseinander. Einer engeren Sichtweise des Konzepts stellt erdas umfassendere Konzept in seiner ursprünglichen Fassung gegenüber undpräsentiert einen Vorschlag zu seiner Messung.

Möglichkeiten und Grenzen ausgewählter Messinstrumente für deninternationalen Vergleich

Mit dem Interesse am Gesellschaftsvergleich nimmt die Zahl der Umfrageprojek-te zu, in denen für eine mehr oder weniger große Zahl von Ländern vergleichendeInformationen erhoben werden. ISSP, EVS, WVS, CSES, ESS, PISA, SHARE,ECHP, EU-LFS und EU-SILC stellen nur eine Auswahl aus diesen Projekten dar.Während die Daten in der Fachöffentlichkeit vielfältig genutzt und die Ergebnisseentsprechender Analysen in der Öffentlichkeit teilweise heftig diskutiert werden,wird den methodischen Voraussetzungen für einen aussagekräftigen internationa-len Vergleich bisher eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wann können Um-frageergebnisse aus verschiedenen Ländern miteinander verglichen werden?Müssen die Daten auf exakt dieselbe Weise erhoben worden sein, müssen also dieStichprobenziehung, die Form der Datenerhebung, der Fragebogen, der Intervie-wereinsatz usw. in allen Ländern übereinstimmen? Oder genügt es, wenn dieschließlich ausgewertetenMerkmale dieselben theoretischen Konzepte abbilden?

Oder allgemeiner: Wie kann sichergestellt werden, dass die Daten aus eineminternational vergleichenden Umfrageprojekt auch tatsächlich (funktional) äqui-valent sind (Przeworski und Teune 1970)? Wie Hoffmeyer-Zlotnik und Wolf(2003) aufzeigen, hängt die Beantwortung dieser Frage davon ab, was gemessenwerden soll. Sind es Einstellungen, Werte, Verhaltensweisen oder sozioökonomi-sche Merkmale? Während bei den zuerst genannten Übersetzungstechniken imVordergrund stehen, kommt es bei den sozioökonomischen Angaben darauf an,dass die nationalen Konzepte, Regeln und Strukturen genau untersucht und in ent-sprechenden Instrumenten abgebildet werden. Dies kann eventuell durch ein ein-heitliches Erhebungsinstrument gelingen, oftmals wird jedoch auf eine national-

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spezifische Frage zurückgegriffen werden müssen, die für Vergleichszwecke dannin eine zuvor vereinbarte Zielvariable transformiert werden muss. Typische Bei-spiele für Merkmale, bei denen meist auf diese Weise vorgegangen wird, sind dieBildung oder die ethnische Zugehörigkeit. Bei diesen Merkmalen kommt in derRegel nur eine so genannte ex-ante output Harmonisierung – im Gegensatz zu ei-ner input Harmonisierung – in Frage (Ehling 2003). Die Beiträge diesesThemenbereichs behandeln die speziellen konzeptionellen, methodischen undstatistischen Probleme des interkulturell vergleichenden Einsatzes entsprechenderInstrumente.

Cornelia Weins diskutiert in ihrem Beitrag die Möglichkeiten und Grenzen derMessinstrumente für eine international vergleichende Analyse von Vorurteilen ge-genüber Zuwanderern. Die Autorin problematisiert, dass, während die Auswer-tungsverfahren in der international vergleichenden Analyse von Vorurteilen ge-genüber Zuwanderern häufig elaboriert sind, die für komparative Analysen aberessentielle Frage der Äquivalenz der verwendeten Instrumente zur Messung vonVorurteilen in der Regel nicht angemessen thematisiert und geprüft werden. Diesist insbesondere bei den Analysen erstaunlich, die explizit Unterschiede im Aus-maß von Vorurteilen zwischen verschiedenen Staatenmodellieren, da dies eine di-rekte Vergleichbarkeit der Skalenwerte von Befragten unterschiedlicher Staatenvoraussetzt. Ob und inwieweit die gemessenen Unterschiede in den Vorurteilenvon Befragten verschiedener Staaten tatsächlich Unterschiede in den Vorurteilenwiderspiegeln oder aber (auch) das Resultat nicht-äquivalenter Messinstrumentesind, bleibt damit offen. Im Beitrag werden Möglichkeiten und Grenzen einerstatistischen Prüfung der Äquivalenz von Instrumenten zur Messung latenterKonstrukte mit Daten des ISSP 2003 aufgezeigt.

Volker Müller-Benedict problematisiert am Fallbeispiel Honduras internatio-nale Indikatoren der Schulwirksamkeit im Zusammenhang mit ihrer Anwendungauf Entwicklungsländer. Honduras ist eines der sieben weltweit ärmsten Länder,deren Entwurf für die Teilnahme an der „Education for All - Fast Track Initiative“(EFA-FTI) von der internationalen Gebergemeinschaft im November 2002 ange-nommen wurde. Die von der Weltbank initiierte EFA-FTI bietet ausgewähltenEntwicklungsländern finanzielle und technische Unterstützung bei der Verwirkli-chung einer freien und obligatorischen Primarschulbildung für alle Kinder bis2015 und der Beseitigung der Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im Pri-mar- und Sekundarbereich bis 2005. Die Kriterien für die Auswahl eines Landessind ein umfassendes Armutsbekämpfungsstrategie-Papier (Poverty ReductionStrategy Paper) und ein darauf abgestimmter detaillierter Sektorentwicklungsplanfür den Bildungsbereich. Des Weiteren wird von den teilnehmenden Ländern er-wartet, dass sie ihre Sektorplanung an ein so genanntes lokal angepasstes Indicati-

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ve Framework orientieren, das den methodischen Rahmen von EFA-FTI darstellt.Diese Planung liefert zudem einen international vergleichbaren objektiven Refer-enzrahmen, um die Plausibilität und Ernsthaftigkeit des Sektorplans beurteilen zukönnen. In der internationalen theoretischen Diskussion werden Indikatoren die-ser Art auch als Messinstrumente für „Schulwirksamkeit“ oder „Schulqualität“diskutiert (Teddlie und Reynolds 2000). Ziel des Beitrags ist, diese indikatorenge-steuerte entwicklungspolitische Maßnahme der EFA-Fast Track Initiative mit derAlltagswirklichkeit in Honduras zu kontrastieren und anhand einer qualitativenStudie zu zeigen, dass die Schwerpunkte dieser EFA-FTI-Maßnahmen und Indi-katoren wichtige Merkmale der honduranischen Schulqualität nicht erfassen.

Die Autorengruppe mit Reinhard Pollak, HeikeWirth, FelixWeiss, Gerit Bauerund Walter Müller weist in ihrem Beitrag auf die gesteigerte Bedeutung der Ent-wicklung international vergleichender sozialwissenschaftlicher Klassifikationender sozialen Stellung hin. Für die Generierung international harmonisierter Klas-sifikationen bedarf es in der Vorstufe bereits der Harmonisierung der zugrundelie-genden Variablen. Der Beitrag konzentriert sich auf dieses Problem am Beispielder Validierung der neuen sozioökonomischen Klassifikation für Europa (ESeC –European Socio-economic Classification). Ein dieser Klassifikation zugrundelie-gender Aspekt ist der „Supervisor“-Status. Supervisoren sollen eine von anderenArbeitnehmern abgrenzbare und herausgehobene Stellung haben, dabei aber nichtdie Arbeitsinhalte von Managern aufweisen. Da die Supervisor-Verantwortlich-keit unterschiedliche Grade einnehmen kann, besteht eine Schwierigkeit darin zuentscheiden, welche Arbeitnehmer als „Supervisor“ abgegrenzt werden können.Ohne die Einhaltung eines diesbezüglichen Standards, ist eine auf Basis der Su-pervisorfunktion generierte sozioökonomische Klassifikation international nureingeschränkt vergleichbar. Die Autoren zeigen, wie die Supervisorfunktion inzwei wichtigen europäischen Datensätzen, dem European Social Survey (ESS)und dem Labour Force Survey (LFS), in verschiedenen Ländern operationalisiertwird. In einem nächsten Schritt werden Ergebnisse einer Pilotstudie präsentiert,die zeigen, wie Abweichungen in der Formulierung der Frage zu unterschiedli-chen Ergebnissen im Anteil der als „Supervisor“ identifizierten Arbeitnehmerführen.

Der abschließende Beitrag von Uwe Warner und Jürgen H.P. Hoffmeyer-Zlot-nik beschäftigt sich mit dem Konzept des „privaten Haushalts“ in internationalvergleichenden sozialwissenschaftlichen Umfragen und dessen Operationalisie-rung. Unterschiedliche Kulturen und Nationen verwenden unterschiedliche Kon-zepte für den Begriff des „Privathaushalt“. Fast jedes europäische Land weist eineeigene Definition, die auf unterschiedliche Aspekte abstellt, auf. Warner undHoffmeyer-Zlotnik identifizieren drei definierende Dimensionen: 1. das gemein-

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sameWirtschaften, 2. das gemeinsameWohnen sowie 3. der familiale Bezug. Hin-ter einer spezifischen Definition steht eine spezifische Struktur mit einer dement-sprechenden Gruppenzusammensetzung und Gruppengröße, welche die Zugehö-rigkeiten von Personen zu „Privathaushalten“ determinieren. Im internationalenVergleich führen die nationalen Definitionen für Privathaushalt mit unterschiedli-chen Gruppenzusammensetzungen und Gruppengrößen - z.B. beimVergleich vonHaushaltseinkommen - zu großen Problemen: Es variiert die Anzahl der Personen,die zum Haushaltseinkommen beitragen, und in Abhängigkeit von den Personenvariiert auch die Höhe des Haushaltseinkommens und seine Zusammensetzungnach Einkommensarten. Ebenso variiert der Personenkreis, der das gemeinsameNettohaushaltseinkommen konsumiert. Dieses lässt sich auch über das Äquiva-lenzeinkommen nicht korrigieren. Die Autoren zeigen, welche Unterschiede sichdurch die unterschiedlichen Definitionen bei Haushaltszusammensetzung und-größe ergeben und wie sich diese auswirken. Dargestellt wird dieses anhand derDaten von European Social Survey und European Community Household Panel.Abschließend unterbreiten die Autoren einen Vorschlag für ein Messinstrumentzu einer vergleichbaren Erfassung von Privathaushalt-Items in europäischensozialwissenschaftlichen Surveys.

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16 Birgit Pfau-Effinger, Slaðana Saka� Magdaleni�, Christof Wolf

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Zentrale Fragen der international vergleichenden Sozialforschung 17

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Globalisierungsprozesse in modernen GesellschaftenTheoretische Grundlagen, empirische Erfassung undAuswirkungen auf individuelle Lebensverlaufmuster

Hans-Peter Blossfeld, Dirk Hofäcker, Marcel Raab, Michael Ruland,Sandra Buchholz

1 Einleitung

Kaum ein Thema hat in den letzten zwei Jahrzehnten den öffentlichen und wissen-schaftlichen Diskurs so bestimmt wie das Phänomen der Globalisierung. Es wirdinsbesondere behauptet, dass der Prozess der Globalisierung die Entwicklungganzer nationaler Gesellschaften nachhaltig beeinflusst und die Lebens- und Er-werbsverläufe ihrer Menschen grundlegend verändert. Trotz dieser zunehmendenöffentlichen Aufmerksamkeit ist die gegenwärtige Globalisierungsforschung je-doch in mehrfacher Weise durch Defizite und einen zum Teil verengten Blickwin-kel auf das Phänomen der Globalisierung gekennzeichnet:� So wird der Begriff der Globalisierung zwar in einer Vielzahl von Forschungs-

publikationen verwendet, es zeichnet sich bislang jedoch keine einheitliche so-zialwissenschaftliche Begriffsbildung ab. Die Folge ist häufig eine terminolo-gische Unschärfe in der Verwendung des Globalisierungsbegriffs und eine ent-sprechende Uneinheitlichkeit von Beschreibungen des Globalisierungsprozes-ses und seiner Auswirkungen.

� Bei der Beschreibung des Prozesses der Globalisierung hat man sich bislangmehrheitlich auf Aspekte der ökonomischen Globalisierung konzentriert, etwaden Abbau von Handelsschranken oder die Entwicklung von Export- und Im-portströmen. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Globalisierung umein mehrdimensionales Phänomen handelt, das neben ökonomischen auch kul-turelle und soziale Aspekte umfasst, erscheint eine derartige eindimensionaleErfassung als zu eng und sollte durch eine breitere, sozialwissenschaftlichePerspektive und empirische Operationalisierung ergänzt werden.

� Bemerkenswert ist zudem, dass sich ein Großteil der bisherigen Forschungsak-tivitäten nur auf die Messung des Globalisierungsprozesses auf der Makroebe-ne nationaler Volkswirtschaften beschränkt und die Auswirkungen der Globali-sierung auf der individuellen Ebene unberücksichtigt bleiben. Obwohl dieseMakroanalysen unbestritten wesentlich zum Verständnis der Globalisierung

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beigetragen haben, erstaunt es, dass aus soziologischer Perspektive bislang we-nig systematische, vor allem international vergleichende Forschungsbefundeüber die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses auf die individuellen Le-bens- und Erwerbsverläufe in modernen Industrieländern vorliegen.

Der vorliegende Beitrag beabsichtigt, einen aktuellen Beitrag zur Schließung die-ser drei skizzierten Forschungslücken zu leisten, indem er zunächst aus genuin so-ziologischer Perspektive einen multidimensionalen Ansatz zur theoretischen Be-stimmung des Phänomens der Globalisierung skizziert. Anschließend schlagenwir einen Index zur Messung des multidimensionalen Phänomens der Globalisie-rung vor und zeigen, wie sich das Globalisierungsphänomen darstellen und seineEntwicklung empirisch im Zeitverlauf nachzeichnen lässt. Wir überprüfenschließlich, ob und in welcher Weise sich der Globalisierungsprozess auf ausge-wählte Aspekte der Lebens- und Erwerbsverläufe vonMännern und Frauen inmo-dernen Industriegesellschaften ausgewirkt hat. Die Ergebnisse verdeutlichen, dassdie Globalisierung in modernen Industriestaaten keinesfalls – wie vielfach ange-nommen (vgl. z.B. Beck 1986) – zu einer allgemeinen Generalisierung von Risi-ken und der zunehmenden Herausbildung von flexiblen Patchwork-Karrieren bei-getragen hat. Vielmehr konzentrieren sich globalisierungsbedingte Risiken syste-matisch auf spezifische Arbeitsmarktgruppen (Breen 1997). Darüber hinaus „fil-tern“ länderspezifische Institutionen – wie etwa nationale Wohlfahrtsstaaten oderunterschiedliche Modi der Regulierung von Arbeitsmärkten – den Globalisie-rungsprozess in unterschiedlicher Weise und tragen damit dazu bei, dass sich inverschiedenen modernen Industriestaaten sehr unterschiedliche „Globalisierungs-effekte“ zeigen.

Die Basis der im Folgenden dargestellten Analysen bilden die Ergebnisse zwei-er international vergleichender sozialwissenschaftlicher Großprojekt, zum einendes Forschungsprojektes „GLOBALIFE – Lebensverläufe im Globalisierungs-prozess“ (http://web.uni-bamberg.de/sowi/soziologie-i/globalife) sowie des For-schungsnetzwerks „TransEurope“ (www.transeurope-project.org).1 Das von der

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1 Im Rahmen des im Zeitraum von 1999 bis 2006 an den Universitäten Bielefeld und Bambergangesiedelten und von der VolkswagenStiftung mit 1,7 Millionen Euro geförderten For-schungsprojektes GLOBALIFE wurden die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses aufindividuelle Lebensverläufe in vier aufeinander folgenden Projektphasen empirisch und in-ternational vergleichend analysiert. Die Analysen des Projektes konzentrierten sich auf zen-trale Übergänge in den Lebensverläufen von Männern und Frauen - von der Phase der Fami-liengründung und des Berufseinstiegs bis hin zum Austritt aus dem Erwerbsleben und demÜbergang in den Ruhestand. Während der Projektlaufzeit arbeiteten insgesamt 22 Wissen-schaftler unterschiedlicher Nationalitäten an den Universitäten Bielefeld und Bamberg alsfest angestellte Mitarbeiter des GLOBALIFE-Projektes. Gleichzeitig bestanden Koopera-

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European Science Foundation (ESF) geförderte Forschungsnetzwerk „Trans-Europe“ führt die Fragestellung des GLOBALIFE-Projektes weiter und vertieftsie aus einer explizit europäischen Perspektive. Ziel des Forschungsnetwerks istzum einen die Entwicklung und Anwendung von Messinstrumenten zur quantita-tiven Erfassung des Globalisierungsprozesses. Neben der vergleichenden Analysevon Lebensverlaufsmustern in sieben verschiedenen europäischen Ländern (Bel-gien, Deutschland, Estland, Tschechische Republik, Österreich, Schweden unddie Niederlande) wird darüber hinaus ein besonderes Augenmerk der Fragestel-lung gewidmet, ob und inwiefern Prozesse der Globalisierung, Transnationalisie-rung und Europäisierung zu einer Veränderung von Ungleichheitsstrukturen inEuropa beigetragen haben.

2 Was ist Globalisierung?

Die meisten Sozialforscher gehen heute davon aus, dass die Prozesse der Globali-sierung durch das Zusammenwirken von vier makrostrukturellen Entwicklungengekennzeichnet sind, die sich vor allem seit Mitte der 1980er Jahre zunehmendverstärkt haben. Diese beinhalten:� Die zunehmende Internationalisierung von Märkten und den damit verbunde-

nen wachsenden Wettbewerb zwischen Ländern mit sehr unterschiedlichenLohn- und Produktivitätsniveaus sowie verschiedenen Sozial- und Umwelts-tandards (insbesondere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der zuneh-menden Integration asiatischer Länder in denWeltmarkt).

� Die Verschärfung des Standortwettbewerbs zwischen Sozialstaaten und diesich daraus ergebende Senkung von Unternehmenssteuern in einigen Ländernsowie eine zunehmende Politik der Deregulierung, Privatisierung und Liberali-sierung, die zu einer Stärkung des Marktes als Koordinationsmechanismusführt.

� Die rasche weltweite Vernetzung von Personen, Unternehmen und Staaten aufder Grundlage neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und –daraus resultierend – die zunehmende Interdependenz des sozialen Austauschs

Globalisierungsprozesse in modernen Gesellschaften 21

Fortsetzung Fußnote 1tionsbeziehungen mit insgesamt 49 externen Wissenschaftlern aus 17 verschiedenen Län-dern. Diese ausgewiesenen Sachverständigen und nationalen Experten erstellten in jeder For-schungsphase auf Basis repräsentativer Längsschnittdaten umfassende vergleichbare Länder-analysen über die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses in ihrem jeweiligen nationa-len Kontext. Die Ergebnisse der vier Projektphasen wurden unter anderem in vier Sammel-bänden bei international renommiertensozialwissenschaftlichen Fachverlagen veröffentlicht(Blossfeld et al. 2005; Blossfeld et al. 2006a, 2006b; Blossfeld und Hofmeister 2006).

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sowie die wachsende Beschleunigung von sozialen und wirtschaftlichen Inter-aktionsprozessen.

� Den Bedeutungszuwachs von weltweit vernetzten Märkten und die damit ver-bundene zunehmende Instabilität und Volatilität lokaler Märkte, die vonschwer prognostizierbaren sozialen, politischen und ökonomischen „Schocks“und Ereignissen irgendwo auf der Welt (z. B. Kriege, ökonomische Krisen,Verbrauchermoden, technologische Innovationen) beeinflusst werden.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Globalisierung damit zwar einerseitszu beeindruckenden Produktivitätszuwächsen und zu einer allgemeinen Erhöhungdes durchschnittlichen Lebensstandards in modernen Gesellschaften geführt. An-dererseits ist Globalisierung in diesen Ländern aber ebenso verbunden mit der Zu-nahme unerwarteter Marktentwicklungen in einer sich immer schneller verän-dernden Weltwirtschaft, mit rapideren sozialen und ökonomischen Wandlungs-prozessen, mit einer immer stärker abnehmenden Vorhersagbarkeit von ökonomi-schen und sozialen Entwicklungen und, daraus resultierend, mit einer zunehmen-den allgemeinen Unsicherheit.

Betriebe streben unter diesen Bedingungen wachsender Unsicherheit zuneh-mend Flexibilität sowohl im Hinblick auf den Umfang ihrer Belegschaften alsauch in Bezug auf deren Einsatzfähigkeit an. So lassen sich von betrieblicher Seiteim Globalisierungsprozess sowohl wachsende Bestrebungen zur Flexibilisierungvon Arbeitsverhältnissen wie auch ein kontinuierlich steigender Anspruch an dieFähigkeiten und Kenntnisse der eigenen Arbeitnehmerschaft beobachten.

Auch auf der Ebene aller individuellen Akteure haben diese Entwicklungen zueiner Zunahme verschiedener Formen von Unsicherheit geführt: Unter den Bedin-gungen einer abnehmenden Vorhersagbarkeit von Entwicklungen fällt es bei-spielsweise Akteuren in zunehmendem Maße schwer, rationale Entscheidungenzu treffen, da sowohl die Verfügbarkeit von Handlungsalternativen als auch dieVorhersehbarkeit ihrer Folgen und Nebenwirkungen zunehmend unklarer wird.Insbesondere langfristig bindende Entscheidungen werden zunehmend schwieri-ger, so dass sich sozial und ökonomisch eine Verschiebung zugunsten einer ankurzfristigen Zeithorizonten orientierten Planung ergibt. Beispielsweise müssenam Aktienmarkt notierte Unternehmen in immer kürzeren Abständen Betriebser-gebnisse vorlegen (Quartalsberichte). Der zu beobachtende Abbau des Wohl-fahrtsstaates verstärkt diese „Verunsicherungs“-Tendenzen noch, da auch hierdurch die Reduzierung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen ehemalige Sicherheitennach und nach brüchig werden. Aufgrund dieser zunehmenden Unsicherheit ge-winnen im Globalisierungsprozess paradoxerweise lokale Routinen bzw. regiona-

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le Traditionen und Normen als Orientierungshilfen für Individuen und ihreHandlungen an Bedeutung (Blossfeld et al. 2005).

Darüber hinaus führt Globalisierung zu einer bedeutsamen Verschiebung derMachtkonstellationen am Arbeitsmarkt. „Verhandlungsstarke“ Gruppen, zumeistArbeitgeber, verlagern in zunehmendem Maße Marktrisiken auf bestimmte „ver-handlungsschwächere“ Arbeitnehmergruppen (vgl. Breen 1997). Diejenigen Per-sonen, die nicht fest im Erwerbsleben verankert sind (wie etwa die Berufseinstei-ger oder Frauen nach einer familiären Erwerbsunterbrechung) bzw. sich an denRändern des Arbeitsmarktes oder in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen be-finden, sind besonders von der Verlagerungen dieser Marktrisiken zu ihren Un-gunsten betroffen.

3 Wie lässt sich Globalisierung empirisch erfassen?

Der Prozess der Globalisierung stellt also ein multidimensionales Phänomen dar,das Arbeitsmärkte und Sozialstrukturen sowie die sich in ihnen vollziehenden Le-bens- und Erwerbsverläufe vonMännern und Frauen in bedeutsamerWeise beein-flusst. Vor einer detailliertenAnalyse der spezifischen Auswirkungen des Globali-sierungsprozesses auf individuelle Lebensverläufe stellt sich jedoch zunächst dieFrage nach dem historischen Verlauf des Globalisierungsprozesses und dessendifferentiellen Auswirkungen in verschiedenen modernen Industrienationen.

Ein im Rahmen des TransEurope-Forschungsnetzwerks entwickelter mehrdi-mensionaler Globalisierungsindex bietet hier erstmalig die Möglichkeit, den Ver-lauf des Globalisierungsprozesses über einen Zeitraum von mehr als drei Jahr-zehnten in fast 100 Länder differenziert nachzuzeichnen. Dieser ‚GlobalIndex’umfasst insgesamt 31 Einzelindikatoren und unterscheidet sich von früheren Glo-balisierungsindizes (etwa dem an der Universität Zürich entwickelten KOF Indexoder demATKearney/Foreign Policy Index) durch eine differenziertere Erfassungdes Phänomens der Globalisierung. Diese äußert sich u.a. dadurch, dass neben dengängigen Aspekten der Globalisierung, namentlich der ökonomischen, der politi-schen und der technologischen Dimension explizit eine differenzierte kulturelleDimension eingeführt wird, mit deren Hilfe erstmals auch die soziologische Per-spektive in die Konstruktion eines solchen Indexes eingebracht wird. Er eignetsich damit einerseits zu einer differenzierten deskriptiven Analyse des Globalisie-rungsprozesses, zum anderen aber auch zur Verwendung als erklärende Variable

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in komplexeren statistischen Modellen bei Individualdaten, etwa in regressions-analytischenMehrebenenmodellen oder ereignisanalytischenModellen.2

Der GlobalIndex unterscheidet analytisch zwischen vier verschiedenen Dimen-sionen des Globalisierungsprozesses:� Die ökonomische Dimension erfasst zum einen das Ausmaß globaler ökonomi-

scher Verflechtung anhand transnationaler Handels- und Kapitalströme.Gleichzeitig berücksichtigt sie jedoch auch weiterhin bestehende Beschrän-kungen eines freien Weltmarktes in Form von Handels- und Kapitalsverkehrs-kontrollen.

� Die sozio-technische Globalisierungskomponente umfasst zum einen das Aus-maß direkter sozialer Kontakte in einer globalisierten Welt, etwa durch die Be-rücksichtigung von Tourismus- und Migrations-Strömen. Darüber hinaus die-nen Daten zur Verbreitung verschiedener medialer Technologien (Internet, Te-lefon, Fernsehen, Radio und Printmedien) als Indikatoren des zunehmendenglobalen Informationsaustauschs durch neue Massen- und Kommunikations-medien.

� Die kulturelle Dimension beinhaltet einerseits Indikatoren, die die modernenGesellschaften inhärente „Idee der Steigerung“ (Schulze 2003), d.h. die konti-nuierliche Erweiterung von Möglichkeitsräumen, erfassen sollen. Hierzu zäh-len etwa die relative Bedeutung von Hochtechnologie-Exporten oder die volks-wirtschaftlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung. Darüber hinausbezieht die kulturelle Dimension ebenso Indikatoren zur Messung global ge-teilter Werte und Normvorstellungen mit ein, die in Anlehnung an die theoreti-schen und empirischen Arbeiten der Forschungsgruppe ‚Weltgesellschaft’(Meyer et al. 1997; Meyer et al. 1992) anhand von Indikatoren operationalisiertwerden, die die faktische Umsetzung allgemeiner Menschenrechte ebenso be-rücksichtigen wie die Bedeutung spezifischer normativer Standards (Recht aufBildung, Geschlechtergleichheit). Schließlich verwendet der GlobalIndex die

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2 Angesichts der Vielzahl an berücksichtigten Ländern und Indikatoren sowie des breiten Be-obachtungszeitraum von mehr als drei Jahrzehnten (1970-2002) musste bei der Indexkon-struktion in einzelnen Fällen das Problem fehlenderWerte gelöst werden. Hierfür wurden so-wohl lineare Interpolation und Imputationsregressionen als auch lineare Fortschreibung anden Rändern des Beobachtungsfensters genutzt. ImAnschluss an die Standardisierung der In-dikatoren und die Imputation fehlender Werte wurden auf Basis der Hauptkomponentenme-thode Gewichte für die einzelnen Indikatoren und Dimensionen ermittelt. Im Gegensatz zuvielfach verwendeten arbiträren Gewichtungsverfahren durch den Forscher verhindert dieserdatenbasierte Ansatz der Gewichtung eine mögliche Unter/Überschätzung einzelner Varia-blen. Die Daten des GlobalIndex sind unter www.transeurope-project.org/globalindex ver-fügbar. Hier findet sich auch eine detaillierte Aufschlüsselung der 31 verwendeten Indikato-ren sowie die Dokumentation des verwendeten Gewichtungsverfahrens.

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relative Anzahl von McDonalds-Restaurants als Proxy-Indikator der zuneh-menden Verbreitung einer globalen Alltagskultur.

� Die politische Dimension berücksichtigt schließlich die transnationale Ver-flechtung auf politischer Ebene auf Basis bewährter internationaler Standardin-dikatoren, etwa anhand der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen.

Die Entwicklung des GlobalIndex in Abbildung 1 belegt, dass der Prozess derGlobalisierung ein Phänomen darstellt, das sich insbesondere seit Mitte der1980er Jahre in wachsendem Ausmaß vollzieht. Gleichzeitig zeigen sich jedochdeutliche internationale Unterschiede imVerlauf des Globalisierungsprozesses. InAbbildung 1 werden dabei zunächst die OECD-Staaten den am wenigsten entwi-ckelten Ländern (LDC) anhand von Boxplots gegenübergestellt. Zwar zeigt sichin beiden Staatengruppen ein deutlich erkennbarer Zuwachs des Globalisierungs-grades im Zeitverlauf. Gleichwohl wird deutlich, dass der Globalisierungsprozessin den LDC-Staaten nicht im Geringsten die Schubkraft erreicht, die in denOECD-Ländern zu beobachten ist. Der Prozess der Globalisierung vollzieht sichsomit in den europäischen Ländern und den USA seit Mitte der 1980er Jahre be-sonders intensiv und die Dynamik der Entwicklung liegt dort deutlich über demglobalen Durchschnittsniveau. Das Resultat dieser Entwicklung ist die häufig

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Boxplots für die OECD und die am wenigsten entwickelten Länder (LDC)

Entwicklung des GlobalIndex

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 1: Entwicklung des Globalisierungsprozesses in OECD-Staaten und wenigerentwickelten Ländern (LDC)