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Ich bin getauft bremer kirchenzeitung Taufe in Riga Dauerbaustelle Pflege Hilfe für Ostafrika Das evangelische Magazin September - November 2011

bremer kirchenzeitung - Bremische Evangelische Kirche1).… · 4 bremer kirchenzeitung September 2011 · Mitdiskutieren! Zur Diskussionsveranstaltung mit Sozialsenatorin Anja Stahmann

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Ich bin getauft

bremer kirchenzeitung

Taufein Riga

DauerbaustellePflege

Hilfe fürOstafrika

Das evangelische Magazin September - November 2011

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Inhalt

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Schulterschluss: Fischer aus Westafrika und Norddeutschland kämpfen glei-chermaßen mit der Krise

ImpressumDie bremer kirchenzeitung ist eine Publikation der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie erscheint vier Mal im Jahr samstags als Beilage zum Weser-Kurier und den Bremer Nachrichten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion dar. Ihr Themenvorschlag ist uns willkommen. Bitte senden Sie uns eine Mail an [email protected] oder schreiben Sie uns. Falls Sie Fragen rund um die Kirche haben, erreichen Sie Pastorin Jeannette Querfurth unter [email protected]. Sie können uns auch an 0421/5597-206 ein Fax senden. Für unverlangt eingesandte Manuskripte können wir leider nicht haften.Herausgeber: Bremische Evangelische Kirche (Mitglied im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik) Franziuseck 2-4, 28199 Bremen, Telefon (0421) / 55 97 - 0Redaktion: Sabine Hatscher & Matthias DembskiTitelfoto: Matthias Dembski (Weserwehr-Taufgottesdienst der Alt-Hastedter und der Auferstehungsgemeinde vom 28. August 2011)Grafische Realisation: Rank - Grafik-Design. Druck, Vertrieb & Anzeigen: Bremer Tageszeitungen AG, 28199 BremenDie nächste Ausgabe der bremer kirchenzeitung erscheint am 17. Dezember 2011.

Aktuelle Termine unter www.kirche-bremen.de

Von der Heuerstelle zum Internetcafé: Die Deutsche Seemannsmission feiert ihr 125-jähriges Bestehen

Was ist uns die Pflege wert? Fakten und Statements zur Dauer-Reformbaustelle

Taufe ohne Grenzen: Klara ist in Lettland getauft, ihre Mutter erst als Erwachsene in Bremen

Hilfe für Ostafrika: Afrikaner in Bremen engagieren sich mit Gospels gegen den Hunger

Kids und Ko: Babysitterdienst hilft Familien bei Betreuungsengpässen

Gedächtnis und Erinnerung in der Kulturkirche: Herbstprogramm ganz im Zeichen der Gedenkkultur

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„Lassen Sie uns nach draußen gehen“. Bepackt mit zwei prallgefüllten Sporttaschen steuert Oliver Mommsen zielstrebig auf die noch menschenleere Terrasse des Atlantik-Hotels an der Bremer Galopprennbahn zu, nimmt Platz und legt die Füße lässig auf die Balustrade. Es ist ein warmer Septembermorgen. Mommsen, den Krimifans als Kommissar Nils Stedefreund im Bremer Tatort kennen, blinzelt in die Sonne. Er hat bei Freunden übernachtet und wenig geschlafen, plaudert sich jedoch schnell wach. Vor ihm liegt das Grün der Galopprennbahn. In knapp anderthalb Stunden wird er hier mit fast 400 Kindern laufen. Für jeden Kilometer spenden Sponsoren Geld an die SOS-Kinderdörfer. 11.626 Euro werden es am Ende des Tages sein. Kinder tun etwas Gutes für ihre Gesundheit und helfen damit zugleich anderen Kindern. „Das ist eine genial einfache Idee“, sagt Mommsen. „Genauso einfach wie die Idee von Hermann Gmeiner, dem Gründer der SOS-Kinderdörfer.„Der hat damals nach dem Zweiten Weltkrieg Kriegswitwen und Waisenkinder zusammengeführt.“ Die Grundidee ist bis heute gleich geblieben: Ein Kind, das seine Familie verloren hat, bekommt eine neue Mutter – und auch Geschwister. Mommsen kannte die SOS-Kinderdörfer nur von Plakaten, bis ihn die Spendenaktion eines Nachbarn vor einigen Jahren anregte, sich näher mit der Hilfsorganisation zu beschäftigen. „Mein Nachbar hat einen Fahrradladen. Unsere Kinder haben häufig miteinander ge-spielt, und eines Tages fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, als Tatort-Kommissar zugunsten der SOS-Kinderdörfer mal Fahrräder zu überprüfen.“ Während der Aktion lernte Mommsen eine Mitarbeiterin der Hilfsorganisation kennen. Die rief ihn einige Monate später an. Ob er für einen Spendenanruf des Fernsehsenders Vox nach Kenia reisen wolle, fragte sie. Dort könne er sich selbst ein Bild von der Arbeit der SOS-Kinderdörfer machen. „Das war eine ganz kurzfristige Anfrage, weil jemand abge-sprungen war“, erzählt Mommsen, der mit seinen wuscheligen dunklen Haaren, dem hellblauen Kapuzenpulli und den lebhaften braunen Augen angenehm unprätentiös wirkt. „Ich steckte gerade mitten in den Dreharbeiten für einen neuen Tatort, konnte mir aber nach Rücksprache mit der Produktionsleitung ein paar Tage frei nehmen.“

Großer Drang, aus dem Elend herauszukommen

Oliver Mommsen besuchte Buru Buru, einen Vorort von Kenias Hauptstadt Nairobi, geprägt von Slums, deren Bewohner unter Arbeitslosigkeit, Armut und Krankheiten leiden. Immer wieder zerbrechen dort Familien - und Kinder verlieren ihren Halt. Ihnen zu helfen – das hat sich das örtliche SOS-Kinderdorf zur Aufgabe gemacht. „Ich habe gespürt, dass das keine Werbeveranstaltung war, was ich da gezeigt bekam“, sagt Mommsen. „Das Miteinander zwischen den SOS-Müttern und den Kindern hat mich fasziniert.“ Der zweifache Vater klingt noch immer begeistert, wenn er davon erzählt. „Die Förderung der Kinder hat einfach ein System – und das reicht vom Kindergarten über die Schule bis hin zur Ausbildung.“ Wie nötig diese Starthilfen sind, hat er in den Slums gesehen: „Die Lebensbedingungen sind katastrophal, aber trotzdem lassen sich die Menschen nicht hängen. Ihr Drang, aus diesem Elend herauszukommen, hat mich beeindruckt. Gerade die Kinder und Jugendlichen ver-suchen aus allem etwas zu machen. Sie fühlen sich als Kioskbesitzer, weil sie ein halbvolles Glas mit Kaugummis besitzen, oder betreiben einen Autosalon, weil sie zwei Reifen haben.“

Kinder fördern die Zuverlässigkeit

Als Vater einer neunjährigen Tochter und eines 14-jährigen Sohnes liegt dem Berliner das Engagement für Kinder besonders am Herzen: „Vater zu werden, war das Einschneidendste und Schönste, was mir in meinem Leben passieren konnte.“ Für ihn ist klar: Kinder fördern die eigene Zuverlässigkeit: „Die Tochter steht Sonntagfrüh um halb sieben auf der Matte und will Lego spielen. Da ist es völlig egal, ob du einen weinseligen Abend mit Freunden hattest und erst vor einer halben Stunde ins Bett gegangen bist“, sagt Mommsen schmunzelnd. „Bevor ich Vater wurde, konnte ich mir alles irgendwie schönreden, wegdenken, Dinge aufschieben oder mir eine Hintertür einbauen.“ Eine Beziehung könne man mit der Feststellung „Wir haben uns auseinander gelebt“ beenden. „Aber sagen Sie so was am Frühstückstisch mal ihrem 14-Jährigen Sohn. Da würde der nur sagen: ‚Alter, kann ich bitte mal mein Müsli haben.‘ Wenn Kinder da sind, sind sie da – und das ist gut so.“Neben seiner Arbeit als SOS-Kinderdorf-Botschafter engagiert sich Oliver Mommsen auch für das Kinderhospiz Jona der Stiftung Friedehorst in Lesum. „Nach zehn Jahren Tatort fühle ich mich schließlich schon als Teilzeit-Bremer.“ Das Kinderhospiz kümmert sich seit fünf Jahren um schwerstkranke und -behinderte Kinder mit verkürzter Lebenserwartung, aber auch um deren Geschwister und Eltern. Mommsen will mit seiner Arbeit als Botschafter der Einrichtung zugleich dazu beitragen, dass Trauer in der Gesellschaft nicht länger als Tabu betrachtet wird: „Das Weinen hat eine schlechtere Lobby als

das Lachen“, sagt er. „Dabei sind Lachen und Weinen zwei Gefühlsregungen, die ihren Ursprung tief in uns haben. Es sind unsere ehrlichsten Mitteilungsformen.“ Wie nah Weinen und Lachen beieinander liegen, lasse sich mitunter nach einer Beerdigung beobachten. Und zwar dann, wenn beim Kaffeetrinken Geschichten über den Verstorbenen erzählt werden, die die Trauergemeinde zum Lachen bringen. „Da kann es um irgendwelche schrägen Eigenschaften gehen, oder auch um einen lustigen Fehltritt im Mallorca-Urlaub. Solche Anekdoten sind ganz wichtig, denn dadurch wird die Person in unserer Erinnerung lebendig.“

Mit der Trauer im Gepäck schauspielern

In seiner Arbeit als Schauspieler bemerkt Mommsen oft eine große Ehrfurcht vor dem Weinen. „Wenn man eine richtig tragische Szene gespielt hat, sind die Kollegen voller Respekt.“ Dabei gebe es schon gewisse Tricks, um die Tränen zum Fließen zu bringen – zum Beispiel mit Eukalyptusöl. Damit man dann aber weiter weinen kann, muss man tragische Erlebnisse in sich wachrufen können. Ich bin stolz, dass ich in meinem kleinen emotionalen Rucksack auch die Trauer habe.“Nichtsdestoweniger ist für ihn klar: „Ich lebe wahnsinnig gerne – und ich lebe wahn-sinnig gerne lustig. Und ich hoffe, dass mir das auch in Situationen gelingt, in denen es mir nicht gut geht.“ Sicher, bei einer Krebsdiagnose sei eine solche Haltung wohl kaum durchzuhalten. Im Alltag dagegen sei es eine tolle Einstellung, sich überra-schen zu lassen und es als Herausforderung zu nehmen, wenn die eigenen Pläne durchkreuzt werden. Ob er an eine höhere Macht glaubt? „Ich bin wie jeder andere Mensch mit diesem Riesen-Universum überfordert“, sagt er. „Es gibt ganz viele Erklärungsmodelle für unsere Existenz, wissenschaftliche und religiöse. Faszinierend ist, dass sich die meisten religiösen Erklärungsversuche irgendwo ähneln und mir Antworten geben können. Insofern ist mein Gott ziemlich multikulti.“

Trauer darf kein Tabu sein Oliver Mommsen überHilfe für Kinder und Erfahrungen in Kenia

www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2011 3

Oliver MommsenTatortkommissar und SOS-Kinderdorf-Botschafter

Gespräch/ Foto: Thomas Joppig

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4 bremer kirchenzeitung September 2011 · www.kirche-bremen.de

Mitdiskutieren!Zur Diskussionsveranstaltung mit

Sozialsenatorin Anja Stahmann rund um Kitas und Krippen „Perspektive Kita 2015“ sind Eltern,

Kita-Fachkräfte und Arbeitgeber eingeladen:

29. September 2011, 18 Uhrin der Alten Post, Willehadsaal

Domsheide 15

Fachmesse „Zukunft gestalten“Thema: Familienfreundlichkeit und

Gewinnung & Bindung von Fachkräften

6. Oktober 2011, 13 bis 21 Uhrim Konsul-Hackfeld-Haus, Birkenstraße 34(mit Kinderbetreuung von 14 bis 20 Uhr)

Infos:Telefon 0421/218 3168 oder 0421-2 18 8979

[email protected]@iaw.uni-bremen.de

www.kirche-bremen.de

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100 Tage ist der rot-grüne Senat im Amt. An mehr als 20 Stellen ist im Koalitionsvertrag von Chancen-gerechtigkeit für Kinder, ihrer Förderung, Bildung und Betreuung die Rede. Doch wie sieht die politische Praxis angesichts leerer Kassen aus?

Frühkindliche Bildung und Betreuung gewinnt politisch an Gewicht – zumindest in Wahlkampfzeiten. Schließlich geht es um die Zukunft von Kindern, und damit um die Perspektiven unserer Gesellschaft insgesamt. Da will sich keine Partei im politischen Wettbewerb vorwerfen lassen, die Zukunft zu verpassen. Die Eltern hören‘s mit Freude, allein vielen fehlt der Glaube, dass Deutschland wirklich kinder- und familienfreundlich wird. Bis zu einer wirklichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt noch viel zu tun. Unter „bedarfsgerechtem Ausbau“ von Kitas und Krippen stellen sich Eltern etwas anderes vor, als das derzeitige Angebot nach Kassenlage. Denn Bremens Landes- und Stadtsäckel ist leer, das ist allen klar. Doch lassen sich alle voll-mundigen Versprechungen, mehr für Kinder von null bis sechs Jahren zu tun, unter Finanzierungsvorbehalt stellen? Mit Blick auf die leeren Kassen müssten dann alle Ziele, die Situation für Familien zu verbes-sern, gleich wieder im Papierkorb landen. Die freien Kita-Träger, die mit 12.000 Kita-Plätzen 60 Prozent der Plätze stellen, machen gemeinsam mit Eltern, Fachkräften und Arbeitgebern jetzt mobil und fordern eine klare Perspektive für Kitas zumindest bis zum Jahr 2015. Am 29. September diskutieren sie öffentlich mit Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) darüber, wie Kitas weiter ausgebaut, besser ausgestattet und qua-litativ wie finanziell abgesichert werden können. Was wünschen sich die Betroffenen von der Politik?

Werner A. (56), Unternehmer:

„Gute und flexible Kinderbetreuung ist ein Standortfaktor, gerade wenn Fachkräfte knapp werden. Ich habe eine wichtige Mitarbeiterin, die keinen aus-reichenden Kita-Platz bekommt. Als Klein-Unternehmer tue ich, was ich kann, aber eine eigene Krippe kann ich nun wirklich nicht gründen. Ich erwarte von der Politik eine Infrastruktur für mittelständische Arbeitgeber.“

Elena T. (38), Erzieherin:

„Immer mehr bürokratische Anforderungen, immer mehr verhaltensauffällige Kinder, die mehr Aufmerksamkeit erfordern, nur wenig personelle Entlastung – so sieht unser Alltag aus. Viele Arbeiten erledigen wir noch nach Dienstschluss. Wenn ich dann lese, dass der Senat „individuelle Förderung aller Kinder“ durch qualitative Verbesserungen gewährleisten will, wüsste ich gerne, wie das bei der miesen Kassenlage konkret aussehen soll.“

Theda G. (29), alleinerziehend:

„Die Betreuungszeiten passen für mich vorn und hinten nicht. Ich arbeite in Teilzeit und im Schichtdienst. Wie viele Eltern wünsche ich mir mehr Flexibilität und ein Platzsharing.“

Julia B. (32), Mutter von zwei Kindern:

„Bis wir in Bremen genügend Krippenplätze für jedes Kind haben, hat unsere zweijährige Tochter wahr-scheinlich schon Abitur. Unser Sohn hat einen Kita-Platz mit vier Stunden. Da brauche ich gar nicht zu überlegen, ob ich wieder arbeiten will. Wir brau-chen mehr Ganztagsplätze. Mich nervt, dass bei den Krippenplätzen so getan wird, als ginge es nur um das Luxusproblem von Frauen, sich selbst zu verwirklichen. Ich muss arbeiten, damit das Geld reicht!“

Maik H. (31), Vater von zwei Kita-Kindern:

„Wenn ich lese, dass der Senat eine neue Bedarfserhebung machen will, dann frage ich mich, wozu. Jedes Jahr geben Eltern bei der Kita-Anmeldung ihren Bedarf an. Der Bedarf ist bekannt, aber die poli-tisch Verantwortlichen tun nichts oder viel zu wenig, damit er gedeckt wird. Der langsame Krippenausbau ist nur ein Beispiel. Die Bedarfserhebung ist ein Ablenkungsmanöver und ich fürchte, dass die Zahlen geschönt werden sollen. Nach dem Motto: So groß ist die Lücke ja gar nicht...“

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Fynn und Joel haben das Bällebecken erobert. Die bunten Plastikbälle kullern hin und her, ab und zu fliegt einer über den Rand. Ashley ist währenddes-sen mit einem blauen Igelball beschäftigt, kullert ihn über die Turnmatte und betrachtet sich dabei im großen Wandspiegel. Luka versucht sich derweil als Bergsteigerin und müht sich, eine Turnmatten-Rampe heraufzuklettern. Lisa hat sich zwei Ringe geschnappt und beobachtet, wie andere Kinder auf der großen Schaukel in der Raummitte mit Hilfe ihrer Mütter hin- und herschwingen. Dann und wann ist ein vergnügtes Glucksen zu vernehmen, gelegentlich auch Protest-Laute, wenn die Kleinkinder sich beim Krabbeln in die Quere kommen oder doch mal ein klei-ner Streit um ein Spielzeug entbrennt. Doch herrscht Wohlfühlatmosphäre im lichtdurchfluteten Raum des Frühförderzentrums (FFZ), in dem sonst krankengym-nastische Förderung für Kinder stattfindet. Die beiden Physiotherapeutinnen Gabi Hartmann und Gerda Kiesewetter bieten dort regelmäßig DELFI-Kurse für Eltern und Babys ab der achten Lebenswoche an. Das Konzept dieser Eltern-Kind-Kurse erklärt sich von selbst, wenn man die offene, freundliche Atmosphäre zwischen Eltern, Babys und den beiden Kursleiterinnen

im FFZ erlebt: „DELFI“ steht für Denken, Entwickeln, Lieben, Fühlen, Individuell. Die Kurse mit etwa acht Kindern mit ihren Müttern oder Vätern sollen Babys und Kleinkindern eine gute körperliche und seelische Entwicklung von Anfang an ermöglichen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Eltern-Kind-Beziehung: Was für Signale gibt mein Baby, wie kann ich eine sichere Bindung zu ihm auf-bauen und es in seiner Entwicklung anregen?

„Ein schönes Angebot, das Kindern gut tut“

Die Themen bestimmen die Eltern mit, oft geht es um Alltagsfragen: Was ist beim Kauf der ersten Schuhe zu beachten, wie gehe ich mit einem „Schrei-Baby“ um, wie kann ich mein Baby zur Bewegung anregen, welche Tipps helfen dem Kind in den Schlaf und welche aktu-ellen Erkenntnisse zur richtigen Kinderernährung gibt es? – Neben fachlichem Rat der Expertinnen bieten die Kurse Eltern viel Gelegenheit, untereinander praktische Tipps auszutauschen.„DELFI ist einfach ein schönes Angebot, dass kleinen Kindern gut tut, ihre Entwicklung fördert und mir sel-ber auch viel Spaß macht“, sind sich die Mütter einig. „Hier trifft man Frauen in der gleichen Lebenssituation und gewinnt neue Kontakte und kann sich austau-schen. Das gilt natürlich auch für die Kinder, die hier ihre ersten Freunde treffen können.“ Auch der Raum im Frühförderzentrum sei ideal für die kleinen Krabbelkinder: Denn hier ist alles auf Kinder ausgerich-tet, die bald ihre ersten Schritte tun und auch in der Zwischenzeit gern auf Entdeckertour gehen.

Dank finanzieller Förderung durch die Bremische Evangelische Kirche können die Kurse im FFZ (bei regelmäßiger Teilnahme) bislang kostenfrei angebo-ten werden. Ebenfalls kostenfrei arbeitet das offene Beratungsangebot des Frühförderzentrums. Eltern, die Fragen zur Entwicklung und möglichem Förderbedarf ihres Kindes haben, können sich dort Rat und Tipps holen.

Text/Fotos: Matthias Dembski

www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2011 5

Wohlfühl-Oase für Babys DELFI-Kurseim Frühförderzentrum

DELFI-Kurse im Frühförderzentrum und im Haus der Familie (Vahr)

Infos & Anmeldung:Gerda Kiesewetter und Gabriele Hartmann

Telefon 0421/376 [email protected]

Monika Hublitz (Haus der Familie)Telefon 0421/696 487 00

Frühförderzentrum (FFZ)der Bremischen Evangelischen Kirche

Was?Kostenfreies, offenes Beratungsangebot (ohne Überweisung) zu allen Fragen frühkindlicher

Entwicklung (0 bis 6 Jahre) undheilpädagogische Förder- und Therapieangebote in

der Familie, in der Kita oder direkt im FFZ

Wo?Geschwister-Scholl-Str. 136, 28327 Bremen

Straßenbahnhaltestelle Kurt-Huber-Straße (Linie 1)

ÖffnungszeitenMO bis DO 8.30 bis 15 Uhr, FR 8.30 bis 13 Uhr

KontaktTelefon 0421/376 883-0

[email protected]

www.kirche-bremen.de

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Klara Luisas Taufurkunde ist zweisprachig, lettisch und deutsch. Zu ihrer Taufe ist sie quer durch Europa gereist – natürlich in Begleitung ihrer Eltern und der halben (deutschen) Taufgesellschaft. Über 1.000 Kilometer liegen zwischen Bremen und der lettischen Hauptstadt Riga. Aus Lettland stammt ihre Mutter, Edite Brede-Apala. Und dort lebt der andere Teil ihrer Verwandtschaft. Für die kleine Bremerin, die gerade neun Monate alt ist, war es die erste Reise nach Lettland. Im Heimatland ihrer Mutter wird die Taufe von Kindern erst allmählich wieder zur Normalität. In der Zeit des Kommunismus, als die baltischen Staaten Teil der Sowjetunion waren, durfte man sich offiziell nicht taufen lassen, erzählt Edite Brede-Apala.

Erst als Erwachsene getauft

Sie selbst hat das daher erst im Erwachsenenalter in Bremen nachgeholt. „Vor unserer Trauung wollte ich mich taufen lassen. So haben wir mit der kirchlichen Hochzeit gleichzeitig meine Taufe gefeiert.“ Edite Brede hat sich für die Taufe entschieden, um zur welt-weiten Gemeinschaft der Christen zu gehören: „Ich bin in einem entchristlichten Land aufgewachsen. Meine Mutter ist nicht getauft und hat mich auch nicht christ-lich erzogen, weil sie keinen Kontakt zur christlichen Religion hatte. In einem atheistischen Umfeld wie der Sowjetunion fehlte es bereits an Sachinformationen. So erzähle ich meiner Mutter heute, wer Jesus war und was er nach den biblischen Berichten getan hat.“ Erst in den letzten Schuljahren, als die Sowjetunion zusammengebrochen und Lettland unabhängig gewor-den war, sei Religion auch in der Schule ein Thema gewesen. „Da habe ich einiges gelesen und erstes Wissen über das Christentum erworben. Ich habe mir eine Kinderbibel besorgt und meine Oma hat mir ein

wenig erzählt. Sie ist noch getauft, konfirmiert und hat kirchlich geheiratet.“ Die beiden Söhne ihres Bruders Edgar sind auch getauft, berichtet Edite Brede.

„Schutz und Begleitung“

Auch bei Urenkelin Klara setzt sich die Tauftradition wieder fort: „Sie soll bei der Taufe Gottes Segen erhalten. Damit verbinde ich Schutz und Begleitung für Klaras Lebensweg“, erklärt Edite Brede. Das soll auch Klaras Taufspruch zum Ausdruck bringen: „Der Herr, dein Gott, ist mir dir in allem, was du tun wirst“, heißt es darin (Die Bibel, Josua, Kapitel 1, Vers 9). Dieser Spruch hat schon Klaras Vater Pascal bei seiner Taufe begleitet, der heute als Heilerziehungspfleger in der dia-konischen Stiftung Friedehorst arbeitet. Für ihn spielt bei Klaras Taufe auch der Wunsch eine Rolle, sein Kind nach christlichen Werten zu er ziehen: „Wer nach dem Grundsatz der Nächstenliebe lebt, hat Regeln für sein Leben. Es geht im Leben nicht nur darum, auf sich selbst zu schauen und das Beste für sich herauszuholen. Wir brauchen wie-der mehr Menschen, die darauf achten, wie‘s ihren Mitmenschen geht. Klara soll lernen, Mitgefühl zu haben und Menschen zu helfen, wenn es nötig ist. Das soll zu ihrem Leben dazu gehö-ren.“ Später, so wünschen es sich die Eltern, soll Klara einen evangelischen Kindergarten besuchen, um mehr über den christlichen Glauben zu erfahren.

Willkommensfest im Leben

Klara hat es eilig gehabt, auf die Welt zu kom-men. „Sie zählt gerade noch als Frühchen, weil sie statt am 2. Januar schon am 11. Dezember geboren wurde. Eigentlich hätte ich an diesem Tag noch zum Geburtsvorbereitungskurs gehen wollen“, erinnert sich Edite Brede. Dass Klara trotz ihrer etwas verfrühten Geburt putzmunter und gesund war, freut die Eltern. „Da ist man wie wohl alle Eltern unglaublich dankbar, zumal sie das heiß ersehnte Wunschkind von uns und auch von allen Großeltern ist“, meint Pascal Brede. Eine Geburt sei ein Geschenk, stimmt seine Frau zu. „Da kommen viele Gefühle hoch, das ist unbeschreib-

lich schön. Man kann es in dem Moment kaum glauben, dass man jetzt einen kleinen

Menschen im Arm hält.“ Die Geburt ver-ändere das Leben der Eltern schlagartig.

„Klara steht jetzt im Mittelpunkt, sie bestimmt das Leben unserer Familie.“ All das wollten Edite und Pascal Brede gerne bei Klaras Taufe feiern.

20 Stunden Autofahrt zu Oma und Opa

Seit zehn Jahren lebt Edite Brede in Bremen, hat als Kindermädchen gear-

beitet, ihren Mann hier kennengelernt und ein Architekturstudium begonnen. „Ich habe mich

irgendwann entschieden, in Deutschland zu bleiben. Für meine Familie war es anfangs nicht einfach, das zu akzeptieren.“ Letztlich hat sich gezeigt: Die Entfernung ist zu überwinden. Klara wird ihre Großeltern regel-mäßig besuchen können. Eine Direktflugverbindung verkürzt die Reise erheblich.

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Taufe ohne Klara wurde in Lettland getauft,ihre lettische Mutter erst im

Erwachsenenalter in Bremen

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Ihr Opa aus Lettland begibt sich gelegentlich auf die mehr als 20-stündige Autofahrt gen Westen zu seiner Enkelin. Damit Klara, die auch die deutschen Großeltern mittlerweile zärtlich Klarina (lettisch, gesprochen „Klarinja“) nennen, ihre lettischen Wurzeln behält, wächst sie zweisprachig auf. „Sie soll einen Bezug zu Lettland haben“, meint ihre Mutter. Zumal Bremen und Riga seit 1985 eine Städtepartnerschaft verbindet. Die gemeinsame Geschichte der beiden Hansestädte reicht jedoch viel weiter zurück. Als die lettische Hauptstadt vor rund 800 Jahren gegründet wurde, waren es deutsche Kaufleute, die im Zuge der Christianisierung Handelsbeziehungen ins Baltikum aufbauten. Dass es Edite Brede als Au-pair nach Worpswede bei Bremen verschlug, hatte aber nichts mit der Städtepartnerschaft zu tun. „Einfach ein schö-ner Zufall“, meint sie mit einem Augenzwinkern zu ihrem Mann.

Nach dem Gottesdienst an den Strand

Bei der Taufe kam die Städtepartnerschaft, die auch auf kirchlicher Ebene gepflegt wird, den Bredes zur Hilfe. Es war nicht schwierig, einen Deutsch sprechenden Pastor in Riga zu finden, der die Taufe zweisprachig gestalten konnte. Macitas Erberts Bikse von der evangelisch-lutherischen Jesus-Kirche übernahm den ungewöhn-lichen Taufgottesdienst für die binationale Familie. „Kontakt haben wir per E-Mail aufgenommen und auch die Absprachen für das Taufgespräch liefen über das Internet. Wir haben gemeinsam Lieder ausgesucht, die auf Deutsch und Lettisch gleichzeitig gesungen werden konnten, also eine gemeinsame Melodie haben.“Die Familie in Lettland fieberte der Taufe entgegen, denn nicht alle hatten vorher Gelegenheit, Klara ken-nenzulernen.. „Mein Vater hatte sie bis dahin noch

gar nicht gesehen, aber meine Mutter war schon vor der Taufe in Bremen.“ Weil Edite und Pascal Brede schon ihre Hochzeit in Bremen gefeiert hatten, war für beide klar: „Die Taufe unserer Tochter findet in Riga statt.“ Auch Edites Eltern, die sich selbst nicht taufen lassen würden, haben den Gottesdienst gerne mitgefeiert: „Sie sind offen und akzeptieren das, auch wenn es für sie selber nicht mehr in Frage kommt, weil ihr Lebensweg ein anderer war. Das Christentum bleibt für sie eine fremde Tradition.“ Der Taufgottesdienst sei für alle Gäste ein besonderes Erlebnis gewesen, erzählen Pascal und Edite Brede. „Wir haben einen fest-lichen Taufgottesdienst gefeiert, danach haben wir in unserm Ferienhaus gefeiert und sind am Ostseestrand spazieren gegangen. Es war ein Sommertag wie im Bilderbuch.“

Verbindung zur Taufkirche bleibt

Manche Symbole, wie die Taufkerze. sind in Lettland unbekannt. Dafür bekommt der Täufling von den Paten Brot, Salz und einem Geldsäckchen, eine Tradition, die in Deutschland eher beim Hauseinzug gepflegt wird. „Die drei Gaben stehen für wichtige Dinge: immer etwas zu essen, Würze fürs Leben und immer ausreichend Geld in der Tasche.“ In der Jesus-Kirche findet sich kein Taufbecken, wie es hierzulande in jeder Kirche steht. Der Pastor brachte das Taufwasser des-halb in einer Schale mit. Klara hat das Taufgeschehen gelassen und mit großen Augen verfolgt, „auch wenn wir beide hinterher ziemlich nass waren“, wie sich ihr Vater erinnert.„Meine Cousine Agita, die jetzt Patin geworden ist, hat sich vor Klaras Taufe entschlossen, sich ebenfalls tau-fen zu lassen. Sie nimmt diese Aufgabe sehr ernst und hat sich daher intensiv mit dem christlichen Glauben

auseinandergesetzt.“ Letztlich entschied sie sich, sich ebenfalls dazu zu bekennen und Mitglied der Kirche zu werden. „Für ihr eigenes Kind sagt sie aber, es soll sich später selbst entscheiden, ob es sich taufen lässt.“ Patin Agita und Patenkind Klara verbindet symbolisch eine Taufkette, die beide tragen. Agita bekam sie zu ihrer eigenen Taufe geschenkt und hat die gleiche Kette jetzt ihrem Patenkind geschenkt. Noch ein anderes Zeichen soll Klara künftig an ihre Taufe in Riga erin-nern: „Die Kirchengemeinde der Jesus-Kirche hat ein Kinderhilfswerk. An Klaras Geburtstag und Namenstag spenden wir jeweils 50 Euro – auch als Zeichen der Verbundenheit.“

Text: Matthias Dembski/Fotos: Privat

www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2011 7

Informationen zur Taufe

Alle Infos zur Taufe finden Sie in der Rubrik „Feste & Feiern“ unter www.kirche-bremen.de.

Ihre Pastorin/ Ihr Pastor und auch das Evangelische Informationszentrum Kapitel 8

beantworten gern persönlich Ihre Fragen zur Taufe.

Evangelisches Informationszentrum Kapitel 8Domsheide 8

Telefon 0421/33 [email protected]

www.kirche-bremen.de

Grenzen

Die neue Broschüre mit allen Informationen zur Taufe

ist ab 15. Oktober 2011 imEvangelischen Informationszentrum

Kapitel 8 (Domsheide 8) erhältlich.

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8 bremer kirchenzeitung September 2011 · www.kirche-bremen.de

Als Kerstin Schill und Christoph Zetzsche 2003 mit ihrem damals vierjährigen Sohn von München nach Bremen zogen, hatten sie ein Problem. Beide sind voll berufstätig, die Großeltern und übrige Verwandtschaft leben in Süddeutschland. „Wir kannten hier nie-manden“, erinnert sich Kerstin Schill, die ebenso wie ihr Mann an der Bremer Universität arbeitet. Das öffent-liche Betreuungssystem reichte für die Eltern einfach nicht aus. „Wir haben nach einer seriösen Einrichtung gesucht, die uns eine zuverlässige Kinderfrau vermit-telt. Man muss am Arbeitsplatz den Kopf frei haben und das geht nur, wenn unser Kind gut versorgt ist. Unsere Arbeitszeiten gestalten sich manchmal sehr variabel. Deshalb braucht Alexander eine verlässliche Anlaufstelle, wenn er nach Hause kommt.“ So kam Kerstin Schill zum Babysitterdienst Kids & Ko des Landesverbandes Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder. Dieser Service hat sich auf die Vermittlung von Babysittern und Tagesmüttern konzentriert. Grundgedanke: Eltern finden eine Entlastung, können Betreuungslücken zwischen Kita- und Schulschluss der Kinder und dem eigenen Feierabend überbrü-cken. Aber auch für den entspannten Theaterabend oder Geburtstagsparty-Besuch vermittelt Kids & Ko Eltern eine verlässliche Betreuung. Den individuellen Bedarf, Zeitumfang und die Entlohnung machen Eltern und Babysitter untereinander aus. Bei Kids & Ko wird abhängig vom Betreuungsumfang lediglich eine einmalige Vermittlungsgebühr zwischen 20 und 50 Euro fällig. Dafür bekommen Eltern eine geprüfte Betreuerin u.a. mit Führungs- und Gesundheitszeugnis. Elternwünsche und Erfahrungen der Betreuerinnen werden vor der Vermittlung genau abgefragt, so dass beide Seiten möglichst gut zueinander passen.

Die Eltern teilen telefonisch oder persönlich ihre Wünsche mit, zahlen die Vermittlungsgebühr, und der Babysitterdienst sucht aus seiner Datenbank eine pas-sende Betreuerin heraus. Auch für Familien mit behin-derten Kindern gibt es in der in der Vermittlungsdatei erfahrene Betreuungskräfte. „Stellt sich in der sechswö-chigen Probezeit heraus, dass Babysitter und Familie doch nicht so gut miteinander klarkommen, vermitteln wir ohne zusätzliche Kosten eine neue Betreuerin“, erklärt Heike Wagner von Kids & Ko. Mehr als 500 Eltern haben den Dienst seit seiner Gründung vor zehn Jahren in Anspruch genommen.

„Chemie muss stimmen“

„Die Chemie und das Wertesystem in der Erziehung müssen zwischen den Eltern und mir stimmen“, meint Barbara Johns, die seit sechs Jahren die Familie Schill unterstützt. „Manchmal bin ich vielleicht stren-ger als die Eltern“, meint die 70-Jährige mit einem Augenzwinkern. „Es macht Spaß mit Frau Johns“, versichert Alexander, der demnächst 12 Jahre alt wird. Auch wenn die mal streng durchgreift, wenn er zu lange vor seiner „Daddelkiste“ sitzt. Dann kann Barbara Johns durchaus energisch werden, nicht nur wenn die Hausaufgaben noch warten. „Ich bin kein Großelternersatz sondern mache ein Stück Familienbegleitung und Erziehungsarbeit, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern.“ Ihre Aufgaben haben sich im Laufe der Zeit verän-dert. Mittlerweile organisiert Alexander seine Termine mit Barbara Johns selber. „Da merkt man, dass er selbstständiger wird“, meint seine Mutter. Auch wenn er im Oktober 12 Jahren wird, wollen die Eltern

ihn nicht ohne zusätzliche Betreuung lassen. „Es ist nach wie vor wichtig, dass jemand zu Hause wartet und er dort sofort eine Ansprechpartnerin hat.“ Das Ritual beim Nachhausekommen ist seit Jahren jeden Nachmittag dasselbe. „Wir unterhalten uns bei Kakao und Kaffee darüber, was in der Schule los war“, berich-tet Alexander. Während Barbara Johns Alexander frü-her von Kita und Schule abgeholt hat, erledigt er den Schulweg mittlerweile allein per Fahrrad. Doch um zum Gitarrenunterricht zu kommen, fürs Vokabelabhören oder um nicht allein zum Zahnarzt müssen, ist die Kinderfrau auch heute noch eine wichtige Begleiterin in Alexanders Alltag.

Eigenen Erfahrungsschatz nutzen

Eigentlich wollte Barbara Johns nur als Feuerwehrkraft bei der Kinderbetreuung einspringen, als sie sich vor Jahren bei Kids & Ko bewarb. Doch für die Schills gehört die Kinderfrau mittlerweile zur Familie, teilt Freud und Leid und ist selbstverständlich bei der Einschulungsfeier oder Geburtstagen zu Gast. „Es macht Spaß, die Entwicklung eines Kindes so intensiv begleiten zu können.“ Dabei kommt Barbara Johns ihre Lebenserfahrung als dreifache Mutter und Großmutter zugute. „Davon profitiere ich natürlich. In meiner Generation war es noch üblich, dass Frauen Vollzeit-Mutter und Hausfrau waren.“Als flexible Betreuerin Familien zu unterstützen sei eine schöne Aufgabe für Frauen jenseits der eigenen Familienphase oder im Ruhestand, meint auch Heike Wagner von Kids & Ko: „Wir freuen uns immer über Bewerbungen von Frauen, gern auch jenseits der 50.“

Text/Foto: Matthias Dembski

Hilfe bei Engpässen

Babysitterdienst Kids & Ko

Heike Wagner und Margrit MarquardtTelefon 0421/346 16-42

[email protected]

Einmalige Vermittlungskosten:Babysittervermittlung

für bis zu 5 Stunden/Woche 20 Euro (für Eltern in evangelischen Kitas, alle anderen zahlen 25 Euro)Über 5 Stunden Betreuungsbedarf: 40/50 Euro.

Vermittlungswünsche bitte mindestens 14 Tage vorher anmelden, damit ein Kennenlernen möglich ist.

Stundensätze für die Betreuungzwischen 7 und 9 Euro

nach individuelle VereinbarungBetreuungskosten sind steuerlich absetzbar.

Betreuerinnenzwischen 18 und 68 Jahren, die zeitlich möglichst flexibel sind und Freude am Umgang mit Kindern

haben, können sich bei Kids & Ko mit Führungs- und Gesundheitszeugnis gern jederzeit bewerben.

Beratungszeiten:DI 14 bis18 Uhr, DO 8.30 bis 14.30 Uhr

www.kirche-bremen.de

Kids & Kounterstützt Familien

Gemeinsam tüfteln: Kinderfrau Barbara Johns und Alexander Schill, den sie seit seinem sechs-ten Lebensjahr betreut.

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www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2011 9

nd nun spricht der HERR,

der dich geschaffen hat:

Fürchte dich nicht,

denn ich habe dich erlöst;

ich habe dich bei

deinem Namen gerufen;

du bist mein!

Wenn du durch Wasser gehst,

will ich bei dir sein,

dass dich die Ströme

nicht ersäufen sollen;

und wenn du ins Feuer gehst,

sollst du nicht brennen,und die Flamme soll

dich nicht versengen.

Die Bibel, der Prophet Jesaja, Kapitel 43

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Ein Tisch, ein Schrank, ein Bett. In der Ecke ein kleines Becken, das gerade für eine Katzenwäsche reicht. Es sind nur wenige Quadratmeter, auf denen Ram Sagar im Bremer Seemannsheim lebt. Das Zimmer in der ersten Etage mit dem wasserblauen Linoleum im Flur ist nicht größer als die Koje auf dem Schiff, auf dem der Inder zuletzt gefahren ist. Jetzt kann er nicht mehr. Sein Herz spielt nicht mehr mit. Das Bremer Seemannsheim ist für ihn zum letzten Ankerplatz geworden.Sagar war dem Tod nahe: Herzinfarkt, Schlaganfall. „Wir haben hier alle einen tüchtigen Schrecken bekom-men“, erinnert sich Seemannspastorin Jutta Bartling, die sich um den 58-jährigen Elektriker und Schiffskoch kümmert. Der Mann aus dem indischen Bundesstaat Uttar Pradesh ist einer von zehn „Salzbuckeln“ im Haus. Seeleute, die auf den Weltmeeren unterwegs waren und im Heim der ältesten Seemannsmission Deutschlands gestrandet sind.

Als sittenstrenger Unterschlupf gegründet

Vor mehr als 150 Jahren wurde die Mission von einem frommen Reeder als sittenstrenger Unterschlupf für Matrosen und Schiffsjungen gegründet. Damit ist sie

noch älter als die Deutsche Seemannsmission, die im Oktober ihr 125-jähriges Bestehen feiert. Noch heute ist das Haus im Stephaniviertel Drehscheibe für Matrosen, die auf einen neuen Job warten, auf ein anderes Schiff umsteigen oder von hier aus in die Heimat fliegen. Doch mittlerweile übernachten auch Städtereisende und Fahrradtouristen in dem Klinkerbau nahe den Häfen.Als Ram Sagar vor vielen Jahren an Bord ging, war er erst mal seekrank. „Ich habe überall gekotzt“, erinnert er sich. Doch irgendwie musste er Geld verdienen für die große Familie daheim in Asawar, einem kleinen Dorf im Distrikt Ghazipur. So machte er weiter. Die Übelkeit ließ nach. Sagar fuhr über den Atlantik, im Mittelmeer, in der Nordsee. Doch als er krank wurde, musste er in Deutschland bleiben. In Indien ist er nicht krankenversichert. „Ich bin krank vor Heimweh“, sagt er. „Aber was soll ich machen?“ Jetzt lebt er als Rentner mit unbefristetem Aufenthaltsrecht in Bremen.

Kein Altenheim und kein Hotel

Das Haus ist für ihn kein Altenheim, aber auch kein Hotel. Poller vor der Eingangstür, ein Anker im Garten

und Schiffsmodelle im Club erinnern ein wenig an die Seefahrerromantik vergangener Zeiten. „Willkommen“ steht mehrsprachig im frisch getünchten Foyer. Außer in Bremen gibt es in Deutschland nur noch das Seemannsheim Hamburg-Krayenkamp, in dem eine größere Zahl Seeleute auf Dauer lebt. Einzelne wohnen in Bremerhaven, in Emden und im Binnenschifferhaus in Duisburg. Meist aus den gleichen Gründen: Weil sie krank sind, weil sie keine Familie haben, weil sie in Deutschland Rente bekommen.Ähnlich ist es auch bei Franco Parpaiola. Der 72-Jährige aus dem Nordosten Italiens wohnt seit sechs Jahren gegenüber von Ram Sagar. Man redet nicht viel mit-einander. Dafür schreibt Parpaiola umso mehr. Als Maschinist war er auf Handelsschiffen unterwegs. Wie andere hier auf der Etage spürt er Sehnsucht nach dem Meer. Der Mann aus dem Nordosten Italiens wäre gerne noch an Bord.Nun sitzt er auf dem Trockenen, surft nächtelang durch das Internet und hackt streckenweise nicht jugendfreie Geschichten in seinen Computer: Von rost-starrenden Seelenverkäufern, Waffenschiebereien auf dem Meer, Hungerlöhnen und besoffenen Seeleuten, die in jedem Hafen ein Mädchen haben. Harter Tobak. Einige seiner Texte werden in der Stadt als „Seemannsgarn“ in Zündholzschachteln zugunsten der Bremer Seemannsmission verkauft.

Ein Stück Heimat in der Fremde

Tausende Seeleute kommen jedes Jahr in den Club im Erdgeschoss des Seemannsheimes - für einen Landgang, für eine Ruhepause von den ewig vibrierenden Wänden an Bord. Um übers Internet mit der Familie daheim zu chatten. Aber sie bleiben immer nur kurz. Wenn sie einkehren, ist das für Franco Parpaiola eine Chance, im Kontakt mit seiner Vergangenheit zu bleiben. „Ich brauche die Atmosphäre, nahe an der Seefahrt zu sein.“Eigentlich wolle er irgendwann ausziehen. „Aber wo soll man mit 72 noch hin?“, fragt Parpaiola. Die Heimmitarbeiter, die Ehrenamtlichen der Seemannsmission und die Kurzzeitgäste von den Schiffen: Für Seeleute wie ihn bilden sie ein Stück Heimat in der Fremde. Auch wenn er im Internet weh-mütig bloggt: „Meine Wahlheimat ist das Meer, mein Zuhause sind die Schiffe, auf denen ich fahre.“

Text/Foto: Dieter Sell

Deutschlands älteste Seemannsmission ist für einige Matrosen zum letzten Ankerplatz geworden

Gestrandet

10 bremer kirchenzeitung September 2011 · www.kirche-bremen.de

Bremer SeemannsmissionSeemannsheim: Jippen 1, 28195 Bremen

Telefon 0421/169 [email protected]

Spendenkonto:Bremer Seemannsmission e.V.

Konto 100 200 5bei der Sparkasse Bremen, BLZ 290 501 01

www.seemannsheim-bremen.de

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www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2011 11

Von der Heuerstelle zum Internetcafé125 Jahre DeutscheSeemannsmission

Deutsche SeemannsmissionGeschäftsstelle: Jippen 1, 28195 Bremen

Telefon 0421/173 [email protected]

Jubiläumsgottesdienste1. Oktober um 11 Uhr

in der Kirche Unser Lieben Frauen

ZDF-Fernsehgottesdienst live aus Bremerhavenam 16. Oktober um 9.30 Uhr

in der Bürgermeister-Smidt-Gedächtnis-Kirche

Spendenkonto

Deutsche Seemannsmission e.V.Konto 33030

BLZ 210 602 37bei der Evangelischen Darlehnsgenossenschaft

www.seemannsmission.org

Am Billardtisch ist eigentlich immer was los. Aber auch vor den Computern im Bremerhavener Seemannsclub „Welcome“ ist kein Platz frei. Via Internet chatten Seeleute mit ihren Familien oder schreiben E-Mails. Manchmal ist Clubchef Thomas Reinold auch seelische Stütze für Männer, die hier unweit der Containerkaje unter vier Augen über ihre traumatischen Erlebnisse bei einem Piratenüberfall reden wollen. Der inter-nationale Treffpunkt gehört zu den größten Clubs der Deutschen Seemannsmission, die im Oktober ihr 125-jähriges Bestehen feiert. Der 29. September 1886 gilt als Gründungstag der evangelischen Organisation. Damals bildeten mehrere landeskirchliche Vereine für Innere Mission ein „Komitee für kirchliche Versorgung im Ausland“. Seither setzt sich das Werk für die Würde der Seeleute ein, sagt die amtierende Generalsekretärin Heike Proske.

Kaum noch Zeit für Landgänge

Bestes Beispiel dafür ist Bremerhaven, wo erstmals in Deutschland hafennah ein Club für Seeleute eröffnet wurde. Denn mit der schnellen Containerschifffahrt musste sich auch die Mission neu orientieren. Die Seeleute hatten nicht mehr die Zeit, um an Land lange Wege in Heime und Clubs zu gehen. „Das Geschäft wurde schnelllebiger - also kam die Seemannsmission zu den Liegeplätzen“, bilanziert Proske.„Wir begrüßen Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe, Kultur, Nationalität und Religion“, betont Reinolds Kollegin Antje Zeller. „Es ist uns nicht wichtig, ob jemand ein Decksmann oder ein Kapitän ist. In diesem Club sind wir alle gleich. Wir versuchen allen Gästen den Aufenthalt, die wenigen Stunden oder Tage hier im Hafen so angenehm wie möglich zu machen.“ Heute ist der Aufenthalt in den Häfen kurz. Doch in den Anfängen der Seemannsmission war das anders. Damals lagen die Frachtschiffe bis zu zwei Wochen an den Kajen und die Seeleute sehnten sich außerhalb ihrer engen Kojen nach bequemeren Unterkünften. Im Hafen trafen sie dann auf „Landhaie“, die ihnen ordent-liche Logierhäuser und gutes Essen versprachen. Doch am Ende fanden sie sich meist in billigen Wirtshäusern und Bordellen wieder, in denen ihnen ihr sauer ver-

dientes Geld aus der Tasche gezogen wurde. Die Kirche wollte das ändern. Sie organisierte Unterkünfte, um Seeleute „vor drohenden Gefahren zu schützen und für ihr geistliches und leibliches Wohl zu sorgen“. Das war auch wichtig, denn selbst die Jobvermittler für die Seeleute hatten es auf das Geld der Männer abgesehen. Die sogenannten „Heuerbaas“ boten nur dem einen Vertrag, der ihnen einen Haufen Geld dafür bezahlte. Um das zu vermeiden, öffnete die Seemannsmission 1891 in Hamburg eine erste unabhängige Heuerstelle. Mit großem Erfolg. Bald entstand auch in Bremerhaven eine Agentur extra für die Fischerei. „Da wuchs ein Vertrauen zwischen Seemannsmission und Seeleuten, das bis in die Gegenwart anhält“, sagt Diakon Reinold. „Noch heute vertrauen uns Seeleute Zigtausende Euros an, die wir dann für sie an ihre Familie in die Heimat überweisen sollen.“Der Nationalsozialismus brachte die Arbeit zum Erliegen, nach dem Krieg gelang ein Neustart. Seit 1952 hat die weltweit arbeitende Organisation ihren Sitz in Bremen. Im 100. Jahr ihres Bestehens unter-hielt sie in Europa, Afrika, Asien und Amerika 24 Auslandsstationen. Heute sind es nicht zuletzt auf-grund massiv gekürzter kirchlicher Zuschüsse noch 17. Dazu kommen 16 Stationen im Inland, die von eigen-ständigen Vereinen getragen werden.

Globalisierung bei der Seemannsmission

Längst geht es nicht nur um deutsche Seeleute. „Das Geschäft ist global – deshalb arbeiten an Bord viele Nationen zusammen“, bekräftigt Proske. Weltweit hat die Seemannsmission etwa 700 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter und einen Jahresetat von rund 2,4 Millionen Euro. Er speist sich größten-teils aus Kirchensteuern, Spenden und freiwilligen Schiffsabgaben der Reeder.Der Abstecher im Club und die Besuche der Seemannspastoren auf dem Schiff sind heute wichtiger denn je. „Die Männer treffen sich an Bord ja nicht mal mehr, um gemeinsam ein Video anzuschauen“, sagt Proske. „Fern von der Familie und isoliert von anderen Crewmitgliedern sitzt jeder in seiner Koje und guckt auf seinem Laptop die eigenen DVD’s.“

Stimme der Seeleute früher wie heute

Früher wie heute versteht sich die Organisation als Stimme der Seeleute, die in ihrem Namen an Land für faire und auskömmliche Arbeitsbedingungen eintritt. Obwohl die weltweit etwa 1,2 Millionen Seeleute den Transport von mehr als 90 Prozent aller Waren möglich machen, sind sie meist unterbezahlt und leiden unter katastrophalen Arbeitsbedingungen. Auch deshalb legt das evangelische Hilfswerk seit einiger Zeit besonderes Gewicht auf die psychosoziale Unterstützung von Piratenopfern. „Die Seeleute bewegen die Wirtschaft“, bringt es Proskes Vorgänger Hero Feenders auf den Punkt. „Mit ihrer Arbeit sorgen sie dafür, dass wir auf einem hohen Niveau im Wohlstand leben können. Die Seemannsmission gibt ihnen dafür Rückhalt und Orientierung.“

Text/Foto: Dieter Sell

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14 bremer kirchenzeitung September 2011 www.kirche-bremen.de

Ein Familienvater um die Vierzig, nennen wir ihn Jürgen, bekommt einen Schlaganfall. Damit hat nie-mand gerechnet. Er liegt im Wachkoma. Das bedeutet, er muss beatmet werden, er hat eine Ernährungssonde am Bauch, kann nicht von sich aus mit seiner Umwelt in Kontakt treten, niemand weiß, wie es ihm geht.Auf der Station „Via Vita“ in der Bremer Stiftung Friedehorst leben Menschen wie Jürgen. Es ist der Pflegewohnbereich für jüngere schwerstpflegebedürf-tige Menschen. Die Bewohner sind zwischen 20 und 60 Jahren alt. Sie sind an einem „schweren erwor-benen neurologischen Leiden“ erkrankt: Langzeitfolgen von einem schweren Schädel-Hirntrauma nach einem (Verkehrs-)Unfall, eine Hirnschädigung nach einer Reanimation, Zustände nach Schlaganfällen – wie bei Jürgen – oder Hirnblutungen, ein Hirntumor, Wirbelsäulenverletzungen mit Querschnittslähmung, Multiple Sklerose, Chorea Huntington. Außerdem sind von den 65 Pflegebedürftigen etwa 30 Wachkoma-Patienten.

Wie geht es weiter?

Angehörige wollen von Ärzten wissen, ob ein Mensch aus dem Wachkoma wieder aufwacht. Das können jedoch auch die erfahrensten Ärzte nicht prognosti-zieren. „Wir geben keine Versprechen“, betont Carsten Heisler. Er ist leitender Arzt und Geschäftsführer des Bereichs „Dienste für Senioren und Pflege“ in Friedehorst. Zwar werden die im Krankenhaus begonnenen Therapien in Friedehorst fortgesetzt, beispielsweise, dass man versucht, einem Patienten der beatmet wer-den muss, die Beatmung wieder abzutrainieren, erklärt Heisler. Trotzdem kann es sein, dass ein Wachkoma-Patient jahrelang in einem gleichbleibenden Zustand lebt, oder dass sich sein Zustand verschlechtert. Aber genauso wenig, wie man gute Prognosen stellen kann, sollen sich Angehörige an negativen Prognosen orientieren. „Es kommt auch vor, dass ein Bewohner die Station wieder verlassen kann und ins betreute Wohnen umzieht“, sagt Claudia Döding. Sie ist die Pflegedienstleiterin der Station. – Der vierzigjährige Jürgen ist nach längeren Wachphasen über zwei Jahre schließlich aus dem Wachkoma zurück gekehrt und reagiert wieder auf seine Umwelt. Mit einfachen Handzeichen drückt er aus, ob ihm etwas gefällt oder nicht. Vielleicht kann er eines Tages wieder sprechen.

Leben in Friedehorst

Viele Schwerstpflegebedürftige leben mehrere Jahre auf der Station Via Vita. „Das ist ein wichtiger Unterschied zum Krankenhaus“, sagt Carsten Heisler. „Die Menschen sind hier nicht nur für eine Akutbehandlung, sie woh-nen hier.“ Bei der Aufnahme wird deshalb auch die

Biographie erfasst, die hier fortgeschrieben wird. „Auch wenn Angehörige sagen ‚Er hat früher immer gerne Blasmusik gehört‘, kann es sein, dass ein Wachkoma-Patient heute vielleicht keine Blasmusik mehr mag“, erläutert Claudia Döding die Bedeutung. Schwerstpflegebedürftige brauchen zwar viel Unterstützung, haben aber ansonsten sehr ähnliche Bedürfnisse, wie andere Menschen auch. Ein Via Vita-Bewohner, der selbständig in seinem Rollstuhl fahren kann, besucht gerne Heimspiele von Werder Bremen. „Wir unternehmen mit unseren Bewohnern Freimarktbesuche und Einkaufstouren in die „Waterfront“, sagt Carsten Heisler. Denn bloß, weil eine Dreißigjährige nach einem Schlaganfall eine Halbseitenlähmung hat, heißt das nicht, dass sie keine schicke Kleidung mehr tragen möchte.

Im Wachkoma auch mal „gut drauf“

„Nein, Wachkoma-Patienten liegen nicht den ganzen Tag im Bett!“, räumt Pflegedienstleiterin Döding mit einem verbreiteten, aber falschen Bild auf. Sie kom-men sogar zu Ausfahrten mit. Fast alle haben für ihren Körper passgenau angefertigte Rollstühle mit Kopfstütze. Eine Ausfahrt sei „natürlich sehr aufwän-dig“, räumt Claudia Döding ein. „Aber sie freuen sich darüber, das kann man spüren.“ Genauso nehmen Wachkoma-Patienten an sommerlichen Grillfesten teil. „Wir wollen ihnen Sinneseindrücke geben.“ Sonnenlicht, frische Luft, Musik, Duft von Grillwürstchen, Stimmen und Geräusche. Ob sich Menschen im Wachkoma mit anderen Menschen wohl fühlen, prüfen die zuständigen Pflegekräfte und Ärzte nicht nur an den messbaren Anzeichen für Stress,

„Er ist doch noch viel zu jung Pflegebedürftigkeit betrifft nicht nur ältere Menschen – doch was geschieht dann?

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www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung September 2011 15

wie einen erhöhten Puls, verstärktes Schwitzen oder Verkrampfen. „Wenn mir eine Pflegekraft sagt ‚Der ist heute aber gut drauf‘, spielt das eine genauso wichtige Rolle“, sagt Arzt Heisler.

Claudia Döding berichtet davon, dass „manche Patienten schmunzeln oder sogar lachen.“ Und als einmal ein Gospelchor auf der Station zu Gast war und schwungvolle, rhythmische Lieder gesungen hat, konnte sie sehen, dass eine Wachkoma-Patientin, deren Gemütszustand sonst kaum zu erkennen war, mit dem Fuß im Rhythmus des Chores mit gewippt hat. So etwas gehört allerdings zu den großen Ausnahmeerscheinungen.

Wer zahlt?

Über die Kosten von Behandlung oder Pflege zu sprechen, gilt schnell als zynisch. Trotzdem muss sie irgendjemand bezahlen. Aber wer? – „Bei pflegebedürf-tigen Menschen greift die Pflegeversicherung, egal in welchem Alter“, erläutert Elisabeth Goetz. Sie ist Ärztin und arbeitet in der Unabhängigen Patientenberatung Bremen. Zuerst wird der Grad der Pflegebedürftigkeit festgestellt, was die Einstufung in die Pflegestufen I bis III bedeutet. Je höher die Pflegestufe, desto höher die Unterstützungssumme. „Aber auch umso höher die Summe, die man selbst tragen muss“, stellt Goetz klar. Außerdem bekommen Wachkoma-Patienten trotz völliger Hilflosigkeit keinesfalls automatisch die Pflegestufe III. Trotz schwerster Pflegebedürftigkeit haben sie darauf keinen verbrieften Anspruch. Der von den Krankenkassen beauftragte und finanzierte Medizinische Dienst (MDK) stuft Wachkoma-Betroffene nach Erfahrungen eines Angehörigenvereins immer wieder auch in niedrigere Pflegestufen ein.Wer in Friedehorst mit Pflegestufe III auf der Station Vita lebt, den kostet das monatlich fast 5.000 Euro. Die Pflegekasse zahlt aber nur gut 1.500 Euro, so dass von privater Seite noch knapp 3.500 Euro aufzubrin-gen sind.

Wie lässt sich die Lücke schließen?

Doch wer hat schon jeden Monat 3.500 Euro übrig? Und das über Jahre hinweg? - Es gibt verschie-dene Ämter und Kassen, die für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung einen Teil der horrend

hohen Kosten übernehmen. Wenn ein Unfall die Ursache für die Pflegebedürftigkeit oder Behinderung ist, kommt es darauf an, wo der Unfall gesche-hen ist. Für die Folgen sind unterschiedliche Kassen finanziell zuständig: Verunglückt ein Dreijähriger im Kindergarten beim Klettern schwer, ist beispielsweise die gesetzliche Unfallversicherung für einen umfas-senden Ausgleich der Behinderungsfolgen zuständig. Das gilt auch für Unfälle auf dem Schul- oder Arbeitsweg. Die Folgen eines Absturzes beim Paragliding kommt je nach Vertrag vielleicht die private Unfallversicherung auf. Trägt eine junge Frau von einer Impfung eine Behinderung davon, ist das Versorgungsamt zuständig. Gerät ein 16-Jähriger mit seinem Roller unverschuldet in einen Verkehrsunfall und ist fortan pflegebedürftig, muss die KFZ-Haftpflichtversicherung des Schuldigen zahlen. Aber nicht immer ist ein Unfall der Grund für Pflegebedürftigkeit, auch eine Krankheit oder ein Schlaganfall können dahinter stecken. Ein Restrisiko bleibt, denn eine Vollkaskovericherung gibt es nicht – weder über die staatlichen Sozialversicherungssysteme noch über Privatversicherungen mit bezahlbaren Policen.

Grundsätzlich können Pflegebedürftige zum Stopfen eines finanziellen Lochs „Hilfen zur Pflege“ beim Amt für Soziale Dienste beantragen. Hierfür gilt allerdings eine Einkommensgrenze: Sie liegt bei einem Grund betrag von 728 Euro sowie den „angemessenen Kosten für die Unterkunft“. Wer diese Grenze überschreitet, muss selbst zahlen. Schwerstpflegebedürftige (Pflegestufe III) müssen allerdings nicht ihr komplettes Einkommen hergeben. Für sie gilt: Sie müssen höchstens 40 Prozent von dem Einkommen einsetzen, dass oberhalb des Grenzwertes (728 Euro plus Wohnkosten) liegt.

Hieran wird deutlich, dass pauschale Antworten auf die Frage „Wie schließt man die Lücke?“ nicht se-riös sind. Deshalb sollten sich Betroffene oder deren Angehörige an die Unabhängige Patientenberatung, an Selbsthilfegruppen oder einen der drei Pflegestützpunkte in Bremen, Bremen-Nord oder Bremerhaven wenden. Bei letzteren bekommt man neben Informationen auch Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen und Schützenhilfe, wenn man um seine Ansprüche kämpfen muss. Was leider immer wieder der Fall ist.

Text: Ulrike BendratFotos: Friedehorst

PflegestützpunkteNeutrale und kostenlose Beratung

zu allen Fragen der Pflege

Bremen-VahrBerliner Freiheit 3 (im Einkaufszentrum)

Telefon 0421/69 62 42–[email protected]

Bremen-NordZum alten Speicher 1+2 (Haven Höövt)

Telefon 0421/69 62 41–[email protected]

BremerhavenBürgermeister-Smidt-Str. 29/31

Telefon 0471/30 97 79–[email protected]

Öffnungszeiten aller Pflegestützpunkte:MO–FR 10.00-13.30 Uhr

und 14.00-17.00 Uhr

Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung

Problem Schweigepflicht: Streng genommen dürfen Krankenhaus-Ärzte

eigentlich Ehegatten, Eltern oder Kindern keine Auskunft geben.

Problem Betreuungsperson:Wenn ein Mensch nicht mehr fähig ist, für sich selbst zu entscheiden, ordnet ein Gericht eine

Betreuung an. Die haben Eheleute nicht automatisch, es sei denn, sie haben eine

Vorsorgevollmacht.

Beratung zum ThemaVorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Unabhängige Patientenberatung BremenRichard-Wagner-Str. 1a, 28209 Bremen

Telefon 0421/34 77 374

Die Christliche Patientenvorsorge ist im Evangelischen Informationszentrum Kapitel 8,

Domsheide 8 oder im Internet erhältlichwww.ekd.de/patientenvorsorge

Weitere Infos zum Betreuungsrechtwww.bmj.de/publikationen

www.bremen-pflegestuetzpunkt.dewww.patientenberatung-bremen.de

www.friedehorst.de

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Überteuert oder unterversichert?Die Kostender Pflege

Ein Platz in einem Altenpflegeheim kostet viel Geld. Je nach Pflegestufe können für die Langzeitpflege in einem durchschnittlichen Pflegeheim schnell zwischen 2272 Euro (Pflegestufe 1), 2960 Euro (Pflegestufe 2) und 3415 Euro (Pflegestufe 3) im Monat fällig werden. Viel Geld für ein Ein- oder auch ein Zweibettzimmer. Zu viel, finden Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Zu wenig, um auskömmlich zu wirtschaften, klagen viele Heimbetreiber. Wie in der Pflege werde die soziale Arbeit insgesamt nicht angemessen refinanziert.

Was macht die Pflege so teuer?

Aus Sicht der Heimbetreiber ist sie es nicht, man müsse nur betrachten, dass die die tägliche Verpflegung gera-de mal 8,86 Euro berechnet werden.

Die Pflegeeinrichtungen listen auf, was für das Geld zusätzlich zum Zimmer/Bett geboten wird:

Pflegepersonal rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr Volle Verpflegung Barrierefreier Wohnraum Gemeinschaftsräume und kulturelle Angebote Hausmeisterdienste und Notrufanlage Hilfen bei Behördengängen usw.

Allein der Anteil der Personalkosten am Verhältnis der Gesamtausgaben liege in tariflich gebun-denen Einrichtungen bei rund 67 Prozent. In den Pflegesatzverhandlungen würden die tatsächlichen Kosten insgesamt nicht ausreichend berücksichti-gt, kritisieren viele Heimbetreiber. So hätten etwa bauliche Gegebenheiten, die lange Wege bedeu-ten, keinen Einfluss auf den Pflegeschlüssel und der Investitionskostenzuschuss – die Beteiligung am Erhalt der Gebäude - sei zu gering. Benachteiligt in dem beste-henden starken Wettbewerb seien zudem die Heime, die ihre Mitarbeitenden nach Tarif bezahlen.

Wer zahlt das alles?

Da die Pflegekasse nur einen Teil der Kosten über-nimmt, müssen die Pflegebedürftigen oder deren Angehörige den Rest selbst übernehmen. Können sie den Eigenateil selbst nicht aufbringen, springen die Sozialbehörden ein. Der Eigenanteil bewegt sich in der Langzeitpflege je nach Pflegestufe zwischen 1250 Euro (Stufe 1) und 1900 Euro (Stufe 3) monatlich. Angesichts einer Durchschnittsrente von rund 865 Euro – bei Frauen fällt diese noch geringer aus und die Mehrheit der Heimbewohner sind Frauen – wird deutlich, dass hier ein riesiges Problem besteht. Für die Menschen und die Sozialkassen.

Wer bestimmt, was es kosten darf?

Für jede einzelne Pflegeeinrichtungen werden so genannte Pflegesatzverhandlungen geführt. Dazu set-zen sich die Betreiber mit den Kostenträgern (in Bremen sind das die Landesverbände der Pflegekassen, die Arbeitsgemeinschaft Krankenkassenverbände, der Verband der Ersatzkassen und die örtlichen Träger der Sozialhilfe) zusammen an den Verhandlungstisch. Gemeinsam legen sie fest, wie hoch die Heimentgelte sind, die ein Pflegeheim für einen Bewohner pro Tag erstattet bekommt und welche Leistungen darin inbe-griffen sein müssen. Da jedes Pflegeheim unterschied-lich ausgestattet ist, werden die Pflegesätze individuell für jedes Haus ausgehandelt.

Von diesen Heimentgelten trägt die Pflegeversicherung aber nur einen Anteil. Sie argumentiert, dass etwa Verpflegung und Unterkunft von den Bewohnern selbst zu tragen sind. Der tatsächliche Eigenanteil liegt aber über den reinen Unterkunfts- und Verpflegungskosten.Wie hoch die Heimentgelte sind, unterscheidet sich nach Langzeit- oder Kurzzeitpflege handelt. Bei der Kurzzeitpflege wird noch weiter danach unterschie-den, ob ein pflegebedürftiger Menschen direkt aus seiner häuslichen Umgebung ins Heim umzieht oder Einzug aus der häuslichen Umgebung oder aber nach einem Krankenhausaufenthalt pflegebedürftig ist und nicht mehr zu Hause allein leben kann. Begründung: Wer aus dem Krankenhaus in die Kurzzeitpflege geht, hat einen höheren Bedarf an Behandlungspflege, wer von zu Haus kommt gilt als „fitter“ und braucht nur „Grundpflege“.

Text: Ingo HartelFoto: Ulrike Rank

16 bremer kirchenzeitung September 2011 · www.kirche-bremen.de

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Zum Jahresanfang auftanken und durchatmen, die Gedanken sortieren und zur Ruhe kommen – dazu ist bei den „Einkehrtagen“ der Bremischen Evangelischen Kirche auf der Nordseeinsel Langeoog im Januar 2012 viel Raum. In der freundlichen Atmosphäre von Haus Meedland, seiner lichtdurchfluteten Kapelle, bei ausgedehnten meditativen Spaziergängen am Strand und durchs Watt können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Stille Kraft für das neue Jahr schöpfen.

Gemeinsame Gebets- und Mahlzeiten geben der Meditationswoche für Männer und Frauen ihren Rahmen. Angeboten werden auch Atem- und

Körperübungen sowie auf Wunsch Einzelgespräche. Haus Meedland, die Tagungsstätte der Bremischen Evangelischen Kirche, bietet komfortable Zimmer und leckere, ökofaire Verpflegung.

Im Tagungspreis sind alle Kosten für Unterkunft, Verpflegung, An- und Abreise sowie die Kurtaxe auf Langeoog enthalten.

Auch wer nicht auf die Insel reisen möchte, kann am jeweils ersten Mittwoch eines Monats ausruhen und innehalten, um sich neu zu sortieren, den Sinn wieder-zufinden und neue Kraft zu schöpfen. In der Waller Immanuel-Kapelle startet am 5. Oktober eine „Oase im Alltag“. Dieses neue Angebot gibt Besuchern die Gelegenheit, die Anforderungen und das Chaos des Alltags hinter sich zu lassen, einen Moment auszustei-gen, Abstand zu gewinnen und Ruhe zu finden. Die „Oase im Alltag“ bietet eine Stunde lang meditative Musik u.a. mit Rahmentrommel, Gitarre, Gongs und Flügel, aber auch viel Stille und Zeit, um schweigend, schreibend oder malend einem persönlichen Impuls nachzugehen.

www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2011 17

Einkehrtage auf Langeoog9. bis 14. Januar 2012

Kosten: 345 Euro (alles inklusive)

Vorbereitungstreffen:12. Dezember 2011, 18 Uhr im Haus der Kirche,

Franziuseck 2-4, Raum Lesum.

Kontakt:Helmut Junk, Telefon 0421/55 97-298

[email protected]

www.kirche-bremen.de

Oase im Alltag

in der Waller Immanuel-KapelleElisabethstraße 20/21

Die Termine bis zum Jahresende:jeweils mittwochs

5. Oktober, 2. November und 7. Dezember von 18 bis 19 Uhr

www.kirche-bremen.de

Oasen für die Seele Stille Tage auf Langeoog

und „Oase im Alltag“

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18 bremer kirchenzeitung September 2011 · www.kirche-bremen.de

Ein westafrikanischer und ein norddeutscher Fischer ziehen gemeinsam an einem Tau, um ein Segel zu hissen. Nur ein Augenblick, aber mehr Symbolik geht nicht, als Gaoussou Gueye aus dem Senegal an Bord des Museumskutters "Gebrüder" vor Wange-rooge im Wattenmeer kreuzt. Der Generalsekretär des West-afrikanischen Kleinfischerverbandes ist auf einer Rundreise entlang der norddeutschen Küste, von Greetsiel über Bremen bis Rostock. Dabei wird schnell deutlich: Die Küstenfischer aus Westafrika und Norddeutschland kämpfen gleichermaßen mit leeren Netzen.

In der Krise verbunden

Der Evangelische Entwicklungsdienst und die Bremer Meeresschutz-Organisation "Fair Oceans" organisieren die Rundreise, die immer wieder zum Schulterschluss zwischen dem afrikanischen Küstenfischer und deutschen Kollegen führt. "Wir leiden gemeinsam unter der industri-ellen Fischerei und einer verfehlten EU-Fischereipolitik", sagt Gerold Conradi, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft der Küstenfischer an der Emsmündung. Auch wenn es Krabben im Überfluss gebe – "der Fisch ist nicht mehr da". Schollen würden jetzt weit draußen auf der Nordsee an der Doggerbank gefangen. "Die können wir mit unseren Schiffen nicht erreichen", verdeutlicht Conradi im Gespräch mit Gueye. 100 Seemeilen zum Fischzug mit Kuttern, deren Motoren nur 300 PS leisten und an der Doggerbank in Konkurrenz zu Trawlern mit 2.000 PS fischen – das funktioniert nicht.Der Senegalese Gueye kennt das aus seiner Heimat. "Große ausländische Fabrikschiffe fangen unseren traditionellen Fischerbooten, den Pirogen, die gut bezahlten Edelfische weg", berichtet er bei einer Diskussion in Greetsiel. Die Konsequenz: In den Netzen der afrikanischen Kleinfischer zappelt immer weniger Fisch, der zunehmend jünger und kleiner ist und für den die Männer immer weiter auf das Meer hinaus-fahren müssen. Bestürzt hören norddeutsche Fischer ihrem westafrikanischen Kollegen zu, als er von rus-sischen Trawlern berichtet. Vor dem Senegal ziehen

sie Heringe, Makrelen und Sardinen an Bord, räumen dabei das Meer mit ihren Schleppnetzen buchstäblich leer. Viele Regionen seien überfischt, den Afrikanern fehle die Nahrungsgrundlage, sagt Gueye. "Wir müs-sen billige Fischkonserven aus Portugal und Spanien kaufen", ergänzt der Senegalese. "Einheimischen Fisch bekommen wir häufig nicht mehr. Und wenn, dann ist er zu teuer."

Illegaler Ausverkauf von Nahrung

Während die Russen den Fang zu Fischmehl verar-beiteten, fehle er den Senegalesen, warnt Gueye bei einem Diskussionsabend im Bremer Überseemuseum. Nach seinen Worten haben die Trawler aus dem Fischereiministerium des Senegal eine telefonische Erlaubnis für den Fischzug bekommen. Das wider-spreche aber den eigenen Gesetzen und sei ein klarer Verstoß gegen die UN-Meeresschutzkonvention.Also illegale Fischerei. Eine Million Euro hätten die Russen für die Erlaubnis gezahlt, sagt Gueye. „Das steht in keinem Verhältnis zu dem Preis von etwa 30 Millionen Euro, den die Fische auf den lokalen Märkten erzielt hätten.“ Er spricht von einem „Ausverkauf der Grundnahrungsmittel“.

Mit der Piroge vor der Armut fliehen

Informationen aus erster Hand, die ein Raunen im Publikum auslösen. "Unfassbar", murmelt ein Fischer. "Die Armut in den Fischerdörfern nimmt zu, junge Männer wandern ab in die Slums der Großstädte", ergänzt Francisco Mari, Fischereiexperte des Evangelischen Entwicklungsdienstes. So werde die Piroge immer öfter vom Handwerks- zum Fluchtwerkzeug, um dem Elend zu entkommen und eine Perspektive in Europa zu suchen.Mari erzählt von Piratenfischerei und von Großunternehmen aus EU-Ländern. Unter afrikanischer Beteiligung fangen sie in den Gewässern des Senegal Tintenfische und Doraden. Das sei zwar offiziell legal,

aber die Nutznießer seien in erster Linie die Europäer. Der Krabbenfischer Conradi fühlt sich an Verhältnisse vor seiner Küste erinnert: "Niederländische Eigner mit Fahrzeugen unter deutscher Flagge arbeiten hier nach dem gleichen Prinzip."

Ein Kampf zwischen David und Goliath

"Die Politiker handeln nicht im Interesse einer nachhal-tigen Küstenfischerei, sondern für die Lobby einfluss-reicher Investoren", schimpft Gueye. Conradi pflichtet ihm bei und sagt, die kleinen Küstenfischer müssten sich international verbünden. Sonst sei die Konkurrenz zwischen Piroge und dem industriellen Fischtrawler, zwischen Kutter und Fabrikschiff aussichtslos: "Ein Kampf zwischen David und Goliath." Gueye unter-stützt ihn: „Nur gemeinsam können wir den Ausverkauf der Meere aufhalten und auf eine nachhaltige und verantwortungsvolle Fischerei hinarbeiten.“

Nachhaltige Fischereipolitik ist überfällig

Für Kai Kaschinski von der Bremer Organisation „Fair Oceans“ kann es nur einen Schluss aus den Gesprächen an Norddeutschlands Küste geben. Er plädiert für ein Mitspracherecht der handwerklich arbeitenden Küstenfischer, wenn es um die Fischereipolitik der EU geht. „Alle, die von den Veränderungen in unserer Nutzung der Meere betroffen sind, müssen an den politischen Prozessen beteiligt werden.“ Oft wird Gaoussou Gueye bei seiner Rundreise gefragt, wie Menschen in Deutschland die Kleinfischerei in seiner Heimat unterstützen können. „Ich rate dazu, sich für einen Wiederaufbau der Fischbestände in den europäischen Gewässern einzusetzen“, antwortet der Westafrikaner. „Dann könnte die europäische Flotte wieder bei sich fischen und uns mehr von unseren Beständen lassen – als Nahrung für uns selbst, aber auch als Einkommensquelle für den Handel mit Europa.“

Texte & Fotos: Dieter Sell

SchulterschlussKleinfischer aus Westafrika und

Norddeutschland kämpfen

gleichermaßen mit der Krise

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www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2011 19

Fisch wird teurer. Trotzdem kauft jeder Deutsche nach Angaben des Fisch-Informationszentrums (FIZ) in Hamburg jährlich im Durchschnitt 4,7 Kilo Fisch, Tendenz steigend. Bundesweit waren im vergange-nen Jahr 1,3 Millionen Tonnen im Angebot – mit einem Verkaufswert von 1,4 Milliarden Euro. Ein Riesenmarkt. Das meiste werde nicht im Fachhandel gekauft, sagt der Verbandspräsident der Bremer Fischhändler, Peter Koch Bodes. Fast 90 Prozent gehe bei Discountern und Supermärkten über den Tresen.

Das Informationszentrum rät, zwei- bis dreimal pro Woche Fisch zu essen. Das allerdings würde die Nahrungsgrundlage vieler Menschen in der südlichen Hemisphäre gefährden, weil Fisch oft dort gefangen und in Europa vermarktet wird, warnt der Evangelische Entwicklungsdienst. Die Umweltstiftung WWF rät deshalb, den Fisch im Einkauf und in der Küche als „Delikatesse“ zu behandeln.

Die langjährige Übernutzung der einst so fisch-reichen Meere habe dazu geführt, dass mittler-weile achtzig Prozent der Fischbestände weltweit von Überfischung bedroht seien, mahnt der WWF. „Bedroht sind aber nicht nur die Fischbestände – Haie, Seevögel, Meeresschildkröten, Delfine und Wale verenden als sogenannter Beifang, der vier-zig Prozent des Fangs ausmacht, in den riesigen Schleppnetzen.“

Die Fangquoten liegen im Durchschnitt 38 Prozent über den Empfehlungen der wissenschaftlichen Experten, kritisieren die Umweltschützer. Auch wenn

es in der Verantwortung der Politik liege, die Fischereikrise zu stoppen, könnten Konsumenten durch bewusstes Einkaufen einen wichtigen Beitrag leisten. Denn für die Fischereiwirtschaft gelte: „Die Nachfrage regelt das Angebot.“

Wie nun Verbraucher Fisch genießen können und kommenden Generationen trotzdem nicht das letzte Filet wegessen, will der Einkaufsführer Fisch des WWF zeigen. Grünes Licht erhielten beispielswei-se Nordsee-Hering, Alaska-Seelachs, Thunfisch aus Kalifornien und Seehecht aus Südafrika. „Lieber nicht“ urteilt der WWF etwa bei Aal, Atlantischem Heilbutt und Snapper.

Generell sollten Verbraucher beim Kauf von Fischprodukten auf Bio- und Umweltsiegel achten. Bei Zuchtfischen sind dies Siegel wie „Bioland“ und „Naturland“. Bei Wildfisch gibt das MSC-Siegel (Marine Stewardship Council) einen Hinweis auf nachhaltige Fischerei. Allerdings werden dabei sozi-ale Fragen wie etwa Arbeitsbedingungen in der Fischerei nicht berücksichtigt.

Bestände und Zuchten sind mit einer Methode bewertet worden, die unter dem Dach der interna-tionalen „Seafood Choices Alliance“ von mehreren Umweltverbänden entwickelt wurde. Berücksichtigt werden dabei Informationen zum Zustand der Fischbestände sowie zu den Umweltauswirkungen und dem Management von Fischereien und Zuchten. Angaben über das Fanggebiet der Fischarten sind den Informationen entnommen, die der Handel den Verbrauchern bereit stellt. Mittlerweile ist der Ratgeber auch als App für Smartphones verfügbar.

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Aufgepasst beim Fischkauf

Umweltsiegel und Ratgeber

Nordsee-Hering ja, Aal nein – WWF-Fischratgeber und Umweltsiegel

helfen beim Einkauf

www.wwf.de/fischratgeberwww.msc.org

www.fair-oceans.infowww.eed.de

Wem gehört der Fisch?

8. Oktober, 10.30 bis 18 UhrTagung im Klimahaus

in Bremerhaven

Anmeldung unter [email protected]

Weitere Infos zur Tagung:

www.fair-oceans.infowww.eed.de/fischerei

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20 bremer kirchenzeitung September 2011 · www.kirche-bremen.de

Was sie die kommenden drei Monate in Ost-Jerusalem erwartet, weiß die Bremerin Hildegard Lenz kurz vor ihrer Abreise nach Israel und Palästina noch nicht so genau. Sie reist nicht als Touristin, sondern begibt sich direkt in einen Brennpunkt des israelisch-palästinen-sischen Konfliktes. Die Bremerin geht für das seit 2002 laufende internationale Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) dorthin, um lokale Anstrengungen für einen gerechten Frieden zu unter-stützen. „Nein, den großen Nahostkonflikt werde ich mit meinem Engagement nicht lösen“, meint Hildegard Lenz lachend. „Doch gerade die kleinen Schritte im alltäglichen Zusammenleben entscheiden letztlich darüber, ob die Spirale von Gewalt und Gegengewalt irgendwann gestoppt werden kann. Es geht darum, Menschen zu gewaltfreiem Handeln zu ermutigen und zu einer friedlichen Koexistenz Israels und Palästinas zu kommen.“

Eskalationen vermeiden

Sieben Teams, die vor Ort bei allen Gruppen, auch den Soldaten an den Checkpoints, bekannt sind, wechseln sich an sieben Einsatzorten u.a. in Bethlehem, Hebron und Nablus. So wird sie als unabhängige Beobachterin vor allem an den stark gesicherten Grenzübergängen zwischen Israel und den Palästinensergebieten für einen zivilisierten Umgang der verfeindeten Gruppen ohne wechselseitige Provokationen oder Schikane werben. Die EAPPI-Friedenshelfer arbeiten jeweils in international gemischten Vierer-Teams mit Frauen und Männern, weil z.B. muslimische Palästinenserinnen keinen männlichen Friedenshelfer ansprechen würden. „Wir besuchen mit den Opfern von Anschlägen auf bei-den Seiten. Um die Gewaltkette zu unterbrechen, ist es wichtig, mit Verletzten und ihren Angehörigen zu spre-

chen, die Opfer eines Attentats oder Raketenangriffs geworden sind.“ Doch vor allem arbeiten die Freiwilligen daran, die Gewalt in den besetzten Gebieten vor allem zwischen israelischen Siedlern und Palästinensern im besetzen Gaza-Streifen, im Westjordanland und auch in Ost-Jerusalem zu überwinden. Die EAPPI-Friedenshelfer wollen dort Eskalationen vermeiden: „Einfach indem wir vor Ort sind, die Situation beobachten, mit den Akteuren sprechen und uns – wo ohne allzu große Gefahr für uns selbst möglich – dazwischenstellen und zu vermitteln versuchen.“

Schulkinder und Kranke begleiten

Die Freiwilligen begleiten auch palästinensische Kinder auf ihrem Schulweg vorbei an israelischen Siedlungen und achen darauf, dass niemand Steine wirft. Muss eine Kranke zur Behandlung nach Israel und der Ehemann darf nicht mit, begleiten Freiwillige von EAPPI sie ins Krankenhaus jenseits der immer undurchdringlicher werdenden Grenze zwischen Israel und den Palästinensergebieten. Die Grenzmauer ver-läuft teils mitten durch die Dörfer, Bauern sind durch die Grenze von ihren Feldern getrennt. „Wenn die Bagger anrücken, um palästinensische Siedlungen einzureißen, sind wir ebenfalls vor Ort. Unsere Position ist strikt neutral, wir ergreifen aber stets die Partei der Rechtlosen und Gewaltfreien. Manchmal genügt die schlichte Anwesenheit internationaler Beobachter, um Übergriffe und damit Gewalt zu vermeiden.“ Öffentlichkeit auch durch fotografische und filmische Dokumentation schaffen, alle Akteure und ihr Handeln kritisch hinterfragen und um Erklärungen für gewalt-tätige oder den Konflikt anheizende Handlungen bitten – das sind die Mittel, mit denen die EAPPI-Freiwilligen Eskalationen vor Ort zu verhindern hel-

fen. „Es gibt eine Hotline, wo brenzlige Situationen gemeldet werden. Wenn irgendwo Häuser niederge-rissen werden oder Steine fliegen, sind wir schnell vor Ort und sprechen mit den Konfliktparteien.“ Sie sei, betont Hildegard Lenz, eine Bewunderin und Freundin Israels. „Aber die Besetzungs-. und Siedlungspolitik seit 1967 dient nicht den Interessen Israels.“ Auch in Israel gebe es zu Recht Organisationen, die sich immer lauter für Gewaltlosigkeit und einen Ausgleich mit den Palästinensern einsetzten, ohne das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen. Einen gerechten Frieden könne es, so ist Lenz überzeugt, nur geben, wenn die von beiden Seiten angeheizte Gewaltkette unter-brochen wird. „Dazu gehört auch, dass Israel die UN-Resolutionen einhält und den Siedlungsbau auf Pa lästinensergebiet stoppt“, meint die Friedenshelferin. „Wer unter einer solchen Besetzungssituation auf-wächst, kann eigentlich nur Hassgefühle gegen Israelis entwickeln. Chancenlosigkeit und wirtschaftliche Per-spektivlosigkeit bringen auf palästinensischer Seite Terroristen hervor und rufen auf israelischer Seite wie-derum militärische Gegenreaktionen hervor.“

Intensive Vorbereitung auf den Einsatz

Für ihre nicht ungefährliche Aufgabe zwischen den Fronten der Konfliktparteien bringt die gerade pensi-onierte Lehrerin reichlich Erfahrungen mit. Zehn Jahre arbeitete sie für den Evangelischen Entwicklungsdienst als Entwicklungshelferin in Südafrika, um dort den fried-lichen Übergang von der Apartheid zur Demokratie nach-haltig zu unterstützen. Bei den Quäkern in Birmingham ließ sie sich dafür in Konfliktbeabeitung ausbilden – gemeinsam mit 30 anderen Friedensaktivisten aus 20 Nationen. „Da waren Menschen aller Religionen und auch Atheisten vertreten. Das war gleich eine Einführung in Multikulti und verschiedenste Religionen, Kulturen und Denkweisen.“ Auf ihren Einsatz in Israel, dessen Kosten das EAPPI-Programm übernimmt, ist sie zudem beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf intensiv vorbereitet worden.

Text: Matthias DembskiFoto: Wikkicommons

FriedenshelferinHildegard Lenz vermittelt zwischen Palästinensern und Israelis

An der Mauer zwischen Israel und den besetzen Palästinenser-gebieten – hier bei Abu Dis – kommt es oft zu Konflikten.

Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI)Infos über Teilnahmemöglichkeiten und

Anmeldung für den Newsletter von Hildegard Lenz

Ökumenische Initiative Bremen, Uwe IhssenTelefon 0421/346 15-36

[email protected]

www.eappi.org

Nach ihrer Rückkehr

(Mitte Dezember)

wird die Friedenshelferin

Hildegard Lenz gern

in Schulklassen oder

anderen Gruppen berichten.

[email protected]

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Gedenktage fi nden sich gerade im Herbst gehäuft im Kalender – doch wie gehen wir damit um? Wie steht es um unsere Erinnerungskultur, ist sie zur bloßen Routine geworden? Was verbinden wir persönlich mit diesen Tagen? – Gerade zwischen dem 1. September (Jahrestag des Ausbruchs des 2. Weltkriegs) und Totensonntag mahnen und erinnern uns diese Tage. Die dunklen Seiten der deutschen Geschichte, aber auch die ganz persönliche Lebens- und Familiengeschichte kommen dann in den Blick. „Gedenk-Kultur bleibt abstrakt, so-lan ge sie keine Geschichte erzählen kann, die in einem Zusammenhang mit meiner Geschichte steht“, meint Pastor Achim Kunze, Projektleiter der Kulturkirche. Die Kulturkirche St. Stephani hat ihr Programm im Herbst daher unter die Überschrift „Erinnerungen 2011“ gestellt und macht den Versuch, den Sinn von Gedenktagen und geschichtlichem Gedächtnis neu auszuleuchten. „Persönliche und nationale Erinnerung fl ießen inein-ander und verdichten sich in den Lesungen, Konzerten, Vorträgen und Gottesdiensten“, erklärt Achim Kunze.

Fotoausstellung von Olaf Schlote

Im Mittelpunkt steht die Fotoausstellung „Erinnerungen“ von Olaf Schlote. Seine Fotografi en weben einen Erinnerungsteppich aus Bildern und Zyklen von 1992 bis 2011. So sind vielschichtige Arbeiten zum 9. No-vember in seiner Doppeldeutigkeit und aus dem ehe-maligen Konzentrationslager Majdanek zu sehen. Ergänzt wird die Ausstellung durch einen Lichtaltar mit dem Titel »Requiem« im Altarraum der Kulturkirche.Wer das Medium Fotografi e selbst nutzen will, um ge fühlte Erinnerungen lebendig zu halten, kann an Fotoworkshops mit dem Künstler teilnehmen. Gearbeitet wird mit analogen Spiegelrefl exkameras, Vorerfahrung in analoger Schwarzweiß-Fotografi e und Laborarbeit sind erwünscht.Einen musikalischen Höhepunkt des Erinnerungszyklus bildet am 6. November das Rock-Requiem von 1978 für Soli, Chor, Band und Sinfonieorchester. Aufgeführt wird das Werk von einem eigens für dieses Konzertprojekt gegründeten Kultur-Kirchen-Projekt-Chor.

Lesungen, Konzerte und Theater

Das Angebot an Lesungen, Kulturgottesdiensten, Vorträgen und Podiumsdiskussionen in der Kulturkirche St. Stephani ist wie gewohnt breit. Einige Höhepunkte: Am 5. Oktober erinnern sich die Bremer Ehrenbürger Barbara Grobien, Dr. Klaus Hübotter und Hans Koschnick unter dem Motto „Das ist mir wichtig...Erinnerung, Gedenken, Weitergeben für die Zukunft“ an Wegmarken ihres Lebens.Am 31. Oktober gastiert der Liedermacher Stephan Krawczyk unter dem Motto „... und ist doch kein Friede“. Tags zuvor sind Kompositionen von Viktor Ullmann und Gedichte von Nelly Sachs zu hören.Das Theaterstück „Der unbekannte Held“ erinnert am 7. November an den Hitlerattentäter Georg Elser.„Der große Tag“, ein Liederzyklus nach Briefen von Marianne Golz-Goldlust erklingt am 12. November. Das Werk setzt sich mit dem Schicksal des berühmten Operettenstars auseinander. Mit ihrem Mann, Hans Goldlust, verhalf sie während des Nationalsozialismus jüdischen MitbürgerInnen zur Flucht, versorgte sie mit Kontakten, Ausreisepapieren oder Geld. Dafür zum Tode verurteilt, begegnete sie im Gefängnis ihrer letzten großen Liebe. In den letzten Monaten ihres Lebens entsteht ein reger Briefwechsel mit ihrem Mitgefangenen Richard »Risa« Macha.Ein Jazz-Benefi zkonzert des Trompeters Uli Beckerhoff und befreundeter JazzmusikerInnen am 18. November zugunster traumatisierter Flüchtlinge weist auf eine andere, belastende Dimension von Erinnerung hin.Und im Kulturgottesdienst am 20. November unter der Überschrift „Das Leben ist endlich – GOTT hilf und GOTT sei Dank!“ wirkt die Bremer Gesundheits-wissenschaftlerin Annelie Keil mit.Ein Blick ins Programmheft lohnt sich. Lassen Sie sich erinnern!

Fotos: Kulturkirche St. Stephani

www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2011 21

Kulturkirche St. StephaniStephanikirchhof

Haltestelle Radio Bremen/ Volkshochschule

Telefon 0421/30 32 [email protected]

Programmheft u.a. erhältlich im Evangelischen Informationszentrum Kapitel 8, Domsheide 8

Öffnungszeiten der Ausstellung:

Dienstags bis sonntags, 11.00 bis 18.00 Uhr

www.kulturkirche-bremen.de

Gedächtnis und Erinnerung in der

Kulturkircheermahnen

lernen erinnern

Stefan Krawczyk

Theaterstück über den Hitler-attentäter

Rock-requiem

Marianne Golz-Goldlust

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Die Proben für das Bremer Gospel-Festival am 2. Oktober zugunsten der Opfer der Hungerkatastrophe in Afrika laufen auf Hochtouren. Zwischen zarten und sehr leisen Stücken und nahezu ekstatischen Rhythmen kann der vielfach preisgekrönte „Ady & the Gospel Community Choir“ in internationaler Besetzung die ganze Bandbreite schwarzer Gospel- und Spiritual-Musik ebenso perfekt wie mitreißend entfalten. Schon bei der Probe ohne Publikum bebt der Saal. Die Botschaft von Liedern wie „You‘re my brother, you‘re my sister“ ist klar, doch Ady Ariwodo und sein Chor leben sie auch.

Gospelfestival zugunsten von Ostafrika

Zu Beginn der Chorprobe wird frei gebetet. Die Gedanken gehen nach Ostafrika, wo die Menschen augenblicklich von einer furchtbaren Hungerkatastrophe betroffen sind. „Hilf, Herr, dass viele Menschen zum Bremer Gospelfestival am 2. Oktober kommen, damit wir die Hungernden reichlich unterstützen können“, betet ein Chorsänger. Kurz halten alle inne, im nächsten Moment füllt sich der Saal wieder mit dem nächsten Gospel.„Den Menschen am Horn von Afrika zu helfen, liegt aufgrund der Herkunft und des Inhalts unserer Musik nahe“, meint Chorsängerin Dagmar Röpe. „Afrika braucht unsere Unterstützung, egal woher. Auch kleine Spenden helfen“, ergänzt Annette Bruck-Jakubeit.Chorleiter Ady Ariwodo hat nur einen Wunsch: „Wir hoffen, dass viele Menschen zu unserm Benefizkonzert kommen und auch für die Menschen am Horn für Afrika spenden. Auch wir Afrikaner hier in Deutschland wollen daran mitwirken, dass sich Menschen in Afrika wieder selber helfen können.“ Die Aufmerksamkeit für die hungernden Menschen am Horn von Afrika müsse bleiben, meint Ady Ariwodo. „Das Problem ist nicht beseitigt, Hilfe ist mehr denn je nötig. Wir als Gospelsänger engagieren uns deshalb mit unserer Musik.“ Beim Bremer Gospelfestival am 2. Oktober werden neben Ady & The Gospel Community Choir auch der Oldenburger Gospelchor Amatöne und der

Oberstufenchor der Freien Waldorfschule Bremen-Osterholz zugunsten der hungernden Menschen am Horn von Afrika auftreten.

Dramatische Folgen des Klimawandels

In der Hungerregion zwischen Kenia und Äthiopien, vor allem aber in Somalia leiden über 12 Millionen Menschen darunter, dass bis zu vier Regenzeiten in Folge ausgefallen sind. „Die Menschen sind am Ende. Aber unsere Hilfe kommt an, und sie ist in dieser akuten Lage auch bitter nötig. Wenn man sieht, wie Kinder verhungern, ist das schrecklich. Wir haben ein Kind aus einem Flüchtlingslager, das am ganzen Körper mit offenen Wunden übersät war, ins Krankenhaus gebracht. Es wäre fast gestorben“, berichtet Rainer Lang von der Diakonie Katastrophenhilfe, der gerade aus Ostafrika zurückgekehrt ist. Die Hilfsorganisation setzt dabei auf ihre somalische Partnerorganisation, die im Land allseits anerkannt ist und überall Zugang hat. „Unsere Partner arbeiten dafür, dass Menschen ihre Dörfer in den Dürregebieten gar nicht erst verlassen. Wir helfen vor Ort mit Nahrungsmitteln, aber auch zum Beispiel mit Tierfutter oder Saatgut. Damit sollen die Betroffenen nach der nächsten Regenzeit – die hoffentlich im Oktober/ November kommt – wieder auf eigenen Beinen stehen können.“ Für die Helfer ist klar: „Wir sehen hier die Folgen des Klimawandels. Die Katastrophe kam für uns nicht überraschend. Dürregebiete weiten sich in Afrika deutlich aus, so dass solche Katastrophen künftig häufiger werden.“ Daher arbeitet beispielsweise Brot für die Welt daran, dürrebeständige Pflanzen in den Ländern am Horn von Afrika weiter zu verbreiten, aber auch traditionelle landwirtschaftliche Methoden wieder zu beleben, wie zum Beispiel das Auffangen und Speichern von Wasser. Daneben baut die Diakonie Katastrophenhilfe Tiefbrunnen, um künftig eine zuverlässiger funktionierende Wasserversorgung zu gewährleisten.

Gewaltspirale des Bürgerkriegs stoppen

Neben Spenden für die Nothilfe braucht Somalia aber vor allem politische Aufmerksamkeit, die dem seit Jahrzehnten aus den Fugen geratenen Bürgerkriegsland bislang fehlte. „Die Dürrekatastrophe kann ironischerweise zur Chance werden, denn sie lenkt endlich den Blick der internationalen Öffentlichkeit auf eine vergessene Region. Sie bringt hoffentlich die Wende für Somalia“, hofft Rainer Lang. Das zerfallene Land brauche mehr Friedensanstrengungen der internationalen Gemeinschaft, um den ungeheuer brutalen, seit 1989 wütenden Bürgerkrieg zu beenden. „Dazu muss man mit allen Konfliktparteien reden, um aus der Gewaltspirale herauszukommen. Militärische Interventionen helfen da gar nichts.“ Gerade in Mogadischu sei die Sicherheitslage vollkommen instabil. „Da wachsen junge Leute mit der Kalaschnikow auf.“ Das erschwere den Einsatz der Helfer zusätzlich, die sich um die 120.000 Flüchtlinge kümmern wollen, weil sie teils selbst unter Beschuss geraten.Der Bürgerkrieg ist eine Spätfolge des Kalten Krieges. Die Staaten am Horn von Afrika wurden jahrzehntelang von den USA und der damalige Sowjetunion regelrecht hochgerüstet und diktatorische Regime unterstützt. Anfang der 90er-Jahre zerfiel Somalia in Herrschaftsbereiche sich gegenseitig bekämpfender „Warlords“. Der Westen intervenierte immer wieder einseitig und verschärfte so die Konflikte.

10 Tonnen Medikamente für Kinder

„Durch die Dürre sind monatlich einige zehntausend Flüchtlinge zusätzlich in die Hauptstadt gekommen. Das verkompliziert die Situation in den Lagern, wo es an Material für Notunterkünfte fehlt“, berichtet Rainer Lang. Durch die Dürre in den ländlichen Gebieten fliehen die Hungernden in alle Richtungen. „Ich habe auch Menschen getroffen, die mehrere hundert Kilometer von Somalia Richtung Kenia geflohen sind.

22 bremer kirchenzeitung September 2011 · www.kirche-bremen.de

Hilfe für OstafrikaAfrikaner aus Bremenunterstützen Hunger-Opfer

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Die betroffene Region ist groß. Die Menschen in den Trecks sind vom Hunger entkräftet, erschöpft und immer in der Gefahr, unterwegs von marodierenden Banden überfallen zu werden.“ Die Diakonie Katastrophenhilfe stellte bisher über vier Millionen Euro für Nothilfe bereit. Damit erreichen die Partnerorganisationen in Somalia, Kenia und Äthiopien rund eine halbe Million Betroffene.Zehn Tonnen Medikamente hat das evangelische Hilfswerk mittlerweile nach Mogadischu fliegen lassen. „Damit ist das auf die Behandlung von Kindern spezialisierte Banadir-Krankenhaus für die nächsten Monate gut ausgestattet“, so Rainer Lang. Gerade unterernährte und dehydrierte Kinder leiden besonders unter der Hungersnot.

„Es tut weh, ein Land so ausbluten zu sehen“

Für die Bremerin Sarah Mohammad (17)* ist Somalia ein fernes Land, in das sie nur mal für einen Besuch gereist ist. „Wenn mich Mitschüler auf meine Heimat ansprechen, dann denken sie nur an zwei Sachen: Piraten und Hunger.“ Es tue ihr weh zu sehen, wie das Land, aus dem ihre Familie kommt, seit Jahren durch den brutalen Bürgerkrieg ausblutet. Terror und Anarchie bestimmten in Somalia seit 1989 die Szenerie – ein zerfallenes Land ohne Perspektive, für das sich niemand interessiert. „Viele Somalier versuchen deshalb nach Europa zu kommen.“ Oder sie werden zu Piraten, die den Seeweg vorbei am Horn von Afrika zu einer weltweit berüchtigten Passage machen.Sahras Mutter Samira ist vor 19 Jahren nach Bremen gekommen. Ihr Mann arbeitete hier. Samira stammt aus dem Norden Somalias, genannt Somaliland, das seine Unabhängigkeit erklärt hat, international aber nicht anerkannt wird. Dort sei die Lage besser als in den Hungerprovinzen des Südens, erzählt sie. Samira hat gelegentlich telefonischen Kontakt mit ihren Eltern. „Im Norden herrscht Ruhe. In Hargeysa ist die Versorgungslage nicht so kritisch.“ Die Fernsehbilder

über Menschen, die in Trecks oft hunderte Kilometer vor Dürre und Hunger fliehen und über die Lager mit verhungerden Menschen lassen die in Bremen lebende Frau aus Somalia aber nicht los.

Hoffen auf Entspannung und Sicherheit

„Besonders in Mogadischu ist die Situation durch den jahrzehntelangen Bürgerkrieg katastrophal“, berichtet die 39-jährige. Ihre Gesten sind ausladend, sie spricht eindringlich und aufgeregt, mal verzweifelt, mal wütend, wenn sie die Situation in ihrer Heimat beschreibt. Worte wie Katastrophe, Terrorherrschaft, Waffen, Armut und Perspektivlosigkeit fallen oft. „Nichts ist in Mogadischu so einfach, wie an ein Maschinengewehr zu kommen. Die Milizionäre schießen oft auf alles, was sich bewegt.“ Immer wieder spricht Samira Mohammad über das „Tot-Machen“, sinnloses Morden islamistischer Milizen oder schlicht krimineller Banden. Dabei, so betont die gläubige Muslima immer wieder, der Islam verbiete das Töten von Menschen. Heute gleicht Mogadischu, einst blühendes Reiseziel für viele Araber, vielerorts einer Geisterstadt, in der kaum noch ein Stein auf dem anderen steht. „Eine Katastrophe, was daraus geworden ist. Die Menschen kämpfen ums Überleben. Der Staat funktioniert nicht mehr, auch nicht unter dem neuen Präsidenten.“ Der habe alle Hände voll zu tun, eine Polizei aufzubauen und wenigstens in die Hauptstadt Ruhe hineinzubringen.Doch jetzt, wo sich die Al-Shabaab-Milizen aus Mogadischu zurückgezogen haben, keimt in der Geisterstadt Hoffnung auf. „Die ersten Flüchtlinge ziehen in einigermaßen intakte Häuser. Hoffentlich hält diese Beruhigung der Sicherheitslage an“, so Rainer Lang von der Diakonie Katastrophenhilfe.

(* Namen von der Redaktion geändert)

Text: Matthias DembskiFotos: Diakonie Katastrophenhilfe

www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung September 2011 23

Gospel für Ost-Afrika

BenefizkonzertSonntag, 2. Oktober, 20 Uhr

St. Pauli-Kirche,Große Krankenstraße 11

Karten bei Nordwest-TicketTelefon 0421/ 36 36 36www.nordwest-ticket.de

Kultur- und Aktionstagfür Ostafrika

Sonntag, 2. OktoberAm Weserstadion

9 bis 16 Uhr Sport, Kinderspiele, Fußball, Workshops, landestypische Speisen und Spendensammlung

Bürgerzentrum Neue VahrBerliner Freiheit 10

Ab 18 Uhr Spendenaktion, afrikanische Speisen,

Ab 21 Uhr Live Concert & Party mit Lady Ponce, Dj Fabrice aus Wien und Amagold

Spenden für dieDiakonie Katastrophenhilfe

Diakonisches Werk BremenKonto 80 38 72 77

Stichwort: OstafrikaBLZ 290 501 01 bei der Sparkasse Bremen

Infos zu Ostafrikafür Unterstützer, Helfer und

Spendensammler, z.B. Schulklassen und Jugendgruppen

Angela HesseReferentin für Ökumenische Diakonie

im Diakonischen Werk BremenTelefon 0421/163 84-14

[email protected]

www.diakonie-katastrophenhilfe.dewww.adyzioncommunitychoir.de

www.kirche-bremen.de

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durch Besuche und Beratung vor Ort

Miteinander zu Mittag essen, sich begegnen und ins Gespräch kommen – das Rezept für ein besseres soziales Miteinander im nördlichsten Zipfel Bremens klingt einfach, erfordert aber großes freiwilliges und auch finanzielles Engagement. „Unsere Grundidee war, etwas gegen Kinderarmut zu tun“, erzählt Ute Reimers-Bruns, eine der Initiatorinnen des Projektes MahlZeitFarge. Rund 130 Menschen kommen mittler-weile zu dem offenen Angebot, das in der Regel am letzten Sonntag im Monat stattfindet. „Denn dann ist das Geld bei Familien mit Hartz IV besonders knapp.“ Eine „Armenspeisung“ will die MahlZeitFarge aber keinesfalls sein. „Wir laden alle ein, die mit uns essen wollen. Niemand muss sich als bedürftig outen. Wer kann, gibt einen Obulus, alle anderen essen selbstverständlich kostenfrei. Uns ist das Miteinander der Generationen und von Menschen in unterschied-lichen Lebenssituationen wichtig. Vor der MahlZeit gibt es immer um 11 Uhr einen Familiengottesdienst, ab 12.30 Uhr essen wir gemeinsam.“ Dabei ist Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen, parallel läuft ein preisgünstiger Kinderkleidungs-Flohmarkt, Kinder können in einer eigens eingerichteten Malecke kreativ sein oder sich auf dem Kinderspielplatz des benach-barten Kindergartens austoben. In den Sommerferien gehen die Gäste mit MahlZeitFarge auf Tour. „Wir haben zwei Busse gemietet und einen Ausflug zur Thülsfelder Talsperre gemacht. Für die Kinder war das ein Höhepunkt ihrer Sommerferien.“

„Ein richtiges Sonntagsessen“

Angeregt durch das MahlZeit-Projekt in der Vahr, bei dem das örtliche balladins SUPERIOR Hotel, die Kirchengemeinde und das Sozialzentrum zusammenar-beiten, wollten die Farger ein ähnliches Projekt auf die

Beine stellen: „Auch bei uns gibt es versteckte Armut. In der Schule haben die Kindern keine Pausenbrote, es mangelt an witterungsangepasster Kleidung oder es fehlt das Geld für Sportschuhe und Hobbies. Wenn es in der Grundschule um Ernährungsfragen geht, ken-nen manche Kinder kaum Obst- und Gemüsesorten.“ Manche wünschen sich einfach nur ein richtiges, warmes Mittagessen.“

Mehr Tische und Stühle nötig

„Wir organisieren alles ehrenamtlich und werben von Mahlzeit zu Mahlzeit um Sponsoren, die uns das Essen kostenfrei oder vergünstigt liefern“, sagt Ute Reimers-Bruns. „Es gibt immer ein echtes Sonntagessen, ein Fleischgericht, mit mehreren Beilagen zur Wahl, Rohkost, eine vitaminreiche Nachspeise und eine Eisbombe. Nachspeisen bereiten wir im Team selbst zu, das Essen wird geliefert.“ Fleischereien, Caterer und Gastronomen aus der Umgebung unterstützen die Idee. „Wir freuen uns auch über Spenden und Kollekten, die bei Trauungen oder Trauerfeiern gesammelt werden.“ 2.000 Euro hat jüngst die Bremische Evangelische Kirche aus ihrem Armut- und Reichtumsfonds zugeschos-sen. „Jetzt haben wir endlich genug Teller und Besteck.“ Die Gästezahl ist seit dem Start im Sommer 2010 so rasant angewachsen, dass die Projektverantwortlichen bereits Ideen für die Verwendung künftiger Spenden haben: „Wir brauchen dringend zusätzliche stapelbare Stühle und klappbare Tische, damit die vielen Gäste auch mal alle gleichzeitig sitzen und essen können.“ Und auch helfende Hände für die Essensausgabe und Gästebetreuung sind willkommen: „Unser Team freut sich über weitere ehrenamtliche Verstärkung.“

Text: Matthias DembskiFoto: Kirchengemeinde Rönnebeck-Farge

! P r o j e k t e , H i l f e u n d A k t i o n e nTATENDRANG

24 bremer kirchenzeitung September 2011 · www.kirche-bremen.de

Sie möchten wieder in die Kirche eintreten oder haben Fragen zu Taufe,

Konfirmation, Hochzeit oder Beerdigung?

Besuchen Sie uns!Ihr Evangelisches Informationszentrum Kapitel 8

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 12.30 - 18.30 Uhr,

Sie haben Fragen zu Angeboten und Veranstaltungen von Kirche und Diakonie?

Sie suchen ein Projekt, das sie unterstützen möchten?Sie möchten sich ehrenamtlich

in Kirche oder Diakonie engagieren?

MahlZeitFarge

Gemeinsames Essen und BegegnungKirchengemeinde Rönnebeck-Farge reformiert

Gemeindehaus, Farger Str. 19

Kontakt:Ute Reimers-Bruns

Telefon 0421/68 91 69

[email protected]

Pastor Evert Brink

Telefon 0421/68 28 12

[email protected]

Nächste MahlZeitFarge-TermineSonntag, 25. September 2011

Sonntag, 6. November 2011

Sonntag, 27. November 2011 (1. Advent)

Familiengottesdienst jeweils von 11 bis 12 Uhr,

gemeinsames Mittagessen ab 12.30 Uhr

SpendenkontoEv.-ref. Gemeinde Rönnebeck-Farge

Kennwort: MahlZeitFarge

Kontonr. 60 31 579, BLZ 290 501 01

bei der Sparkasse in Bremen

www.kirche-bremen.de

MahlZeitFargeNeue Unterstützer für ein besseres soziales

Miteinander im Norden Bremens gesucht