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buch.macher v buch.macher v buch.macher v buch.macher v buch.macher vor or or or or.or .or .or .or .ort band 5 t band 5 t band 5 t band 5 t band 5 Uwe Rieger wurde 1958 in Greifswald geboren. Über viele Jahre bestimmte die Schreiberei fast jede Minu- te seiner Freizeit. Er veröffentlichte in Zeitschrif- ten, Anthologien und Heft-Serien. Das Erscheinen des ersten Romans stand 1990 unmittelbar bevor. Aber daraus wurde nichts ... Ein kurzer Besuch- Science-Fiction von damals ist ein et- was wehmütiger Blick zurück, denn mit den Verän- derungen im Osten musste auch der Traum von ei- ner Schriftsteller-Karriere begraben werden.

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Leseprobe DIE WIESE

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Uwe Rieger wurde 1958 in Greifswald geboren. Überviele Jahre bestimmte die Schreiberei fast jede Minu-te seiner Freizeit. Er veröffentlichte in Zeitschrif-ten, Anthologien und Heft-Serien. Das Erscheinendes ersten Romans stand 1990 unmittelbar bevor.Aber daraus wurde nichts ...

Ein kurzer Besuch- Science-Fiction von damals ist ein et-was wehmütiger Blick zurück, denn mit den Verän-derungen im Osten musste auch der Traum von ei-ner Schriftsteller-Karriere begraben werden.

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Bei buch.macher sind bisher folgende Titelvon Uwe Rieger erschienen:

Schwarze WindflüchterDer Krimi vom Darß

Letzte Gnade?Ein Fischland-Darß-Krimi

Theodor Schultze-JasmerDer Maler des DarßGrafik und Fotografie (Hsg.)

Geboren in GreifswaldLiterarische Protokollezusammen mit I.Lange und H.J.Schumacher

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Uwe Rieger

EiNKurzeR BesucH

Science–Fiction von damals

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buch.macher vbuch.macher vbuch.macher vbuch.macher vbuch.macher vororororor.or.or.or.or.ort band 5t band 5t band 5t band 5t band 5

ISBN 978-3-935039-05-5

buch.macher autoren.verlagbuch.macher autoren.verlagbuch.macher autoren.verlagbuch.macher autoren.verlagbuch.macher autoren.verlagwww.buchmacher-autorenverlag.de

Die Texte wurden für diese Ausgabe noch einmaldurchgesehen, mit den Originalillustrationen ergänztund ein Nachwort angefügt.

Die dargestellten Personen und Handlungen haben mit aktuel-len Ereignissen selbstverständlich keinerlei Verbindungen.

Alle Rechte beim Autor

Satz/Layout : buch.macherbuch.macherbuch.macherbuch.macherbuch.macherUmschlagillustration : Uwe RiegerDruck : printmanufaktur Dassow

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Inhalt

Ein kurzer Besuch7

Biertischgeschichten15

Alter Mann auf SB 493 A45

Außergewöhnliche Begegnunggeschäftlicher Art

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Der Pfad durch die Zeit70

Die Wiese147

Nur ein kurzer Besuch?Der Versuch eines Rückblicks

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Die Wiese

Ich erkannte sie sofort wieder.Und ich reagierte genau wie damals, genauso wievor zwanzig Jahren, als wir plötzlich davor stan-den. Wieder zog ich die Schultern ein und wich ei-nen Schritt zurück. Ein kalter Lufthauch schien mirüber den Rücken zu streichen.Meinen Kameraden ging es nicht anders. Erschro-cken starrten wir auf die Wiese, auf ein Stückchen

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Vegetation, das so ungewöhnlich und unheimlichwirkte.

Dabei war alles an dem Planeten ungewöhnlich undunheimlich, diesen kahlen, zerklüfteten Stein, um-schlossen von einer mit Wasserdampf übersättig-ten Atmosphäre, die unsere Lungen strapazierte unduns den Schweiß aus den Poren trieb.Und dann die Wiese. Sie bewegte sich, das Graswallte, auf und nieder, schlängelnd und kreisendnach rechts und links, wieder und wieder, zeitlupen-gleich. Und es war, als übertrage sich die Bewegungauf einen selbst, schlängelnd und kreisend, und nurein harter Stoß in den Rücken befreite mich vondiesem eigentümlichen Zwang.„Reiß dich zusammen!“ schimpfte der Commander.„Was ist das für ein Teufelszeug?“ fragte ich ent-setzt. Erst jetzt spürte ich den leichten Wind, zumerstenmal auf diesem Planeten. Die Wiese erzeug-te ihn, schlängelnd und kreisend.Die fingerdicken Halme waren etwa einen halbenMeter hoch, und sie sahen auf den ersten Blick wiealte knorrige Äste aus, denen die Seitentriebe abge-fallen waren. Aber sie bewegten sich, geschmeidigweich, wie von unsichtbarer Hand geführt. Auf je-dem Halm prangte eine rötlich schimmernde,knospenförmige Kuppe.Das Gras stand eng beieinander, die Wiese selbst

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mochte vielleicht zweihundert Quadratmeter großsein.Wir Männer standen da und starrten... Halme, Gras,Wiese? Stimmte das überhaupt?

„Gefällt Ihnen das Bild?“, hörte ich hinter mir einStimme.Mühsam riss ich mich los und drehte mich unwilligum. „Wie bitte?“Der Mann erschrak. „Oh, entschuldigen Sie“, mur-melte er, „ich wollte nicht stören. Ich bin der Leiterder Galerie, und ich dachte, ich könnte Ihnen eini-ge Informationen zu diesem Bild geben.“ „Informa-tionen?“, fragte ich.Der Mann zögerte, meine Schroffheit schreckte ihnab. „Nun, die Wiese...“Ich drehte mich zu dem Gemälde um. „Ich kennediese... Wiese!“ Irgendwie wollte mir das Wort nichtüber die Lippen. Wiese, Gras, Halme – schlängelndund kreisend... „Ich würde das Bild gerne kaufen.“„Das tut mir leid.“ Der Mann huschte um mich he-rum. „Es ist unverkäuflich.“ Er vollführte eine be-dauernde Geste.„Warum unverkäuflich?“, fragte ich und starrteschon wieder auf die Wiese. „Das ist doch eineVerkaufsausstellung, nicht wahr?“„Sicher“, entgegnete der Mann ein wenig hilflos.„Aber wir haben den Künstler gebeten, es uns zur

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Abrundung der Exposition leihweise zur Verfügungzu stellen. Es war nicht einfach, Herrn Winkler zuüberreden.“„Winkler?“ wiederholte ich. „Carsten Winkler?“Der Mann nickte und folgte meinem Blick. DieWiese, das Gras, die Halme – ich hatte sie soforterkannt.

Carsten Winkler, na klar. Er gehörte damals zu derMannschaft, langsam erinnerte ich mich: Bürsten-schnitt und Sommersprossen, etwa mein Alter. Mankonnte mit ihm auskommen. Er war einer von denLeuten, die nie besonders auffielen, ihren Dienstversahen, mir denen man sich ganz einfach vertra-gen musste. Ich konnte mich nicht entsinnen, be-merkt zu haben, dass er künstlerisch veranlagt war.„Sind die anderen Bilder hier auch von CarstenWinkler?“Der Galerieleiter nickte. „Wenn Sie eines kaufenwollen...“Ich winkte ab. Es war die Wiese, die mich interes-sierte. Die übrigen Bilder gefielen mir ohnehin nicht.Sie hatten etwas Abstruses, Verworrenes und wirk-ten teilweise sogar chaotisch. Postmodern nannteman so etwas, falls ich das überhaupt einschätzenkonnte. Die Wiese dagegen lebte.Lebte? Wie kam ich nur darauf, dass die Wiese leb-te? Alte, knorrige Äste, mir rötlich schimmernden

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Knospen, die sich bewegten. Schlängelnd und krei-send...

Carsten Winkler erkannte mich zuerst nicht. Damitmusste ich rechnen, auch dass er mit meinem Na-men nichts anzufangen wusste. Schließlich war un-ser einziger gemeinsamer Flug über zwanzig Jahreher. Die Zeit ging nicht spurlos an einem vorüber.Um so größer war mein Erstaunen, als CarstenWinkler die Haustür öffnete. Auf den ersten Blickschien er kaum fünf Jahre älter geworden zu sein.Ich glaubte einen Moment lang, vielleicht seinemSohn gegenüberzustehen.„Sie wünschen?“ Es war seine Stimme, dieser leichtsingende Tonfall, der mich eines Besseren belehrte.Eigenartig, was einem so in Erinnerung bleibt.Ich stellte mich vor. Carsten Winkler überlegte, undes war, als tasteten sich seine Augen über meineGesichtszüge. Dann ein kurzes Nicken, und erstreckte mir seine Hand entgegen.„Na, das ist vielleicht eine Überraschung“, sagte erohne Begeisterung, bat mich aber hinein.„Störe ich?“Er zögerte. „Nun, ich lebe zwar allein und ein we-nig zurückgezogen, aber bei einem Bekannten ausalten Tagen...“ Er brach den Satz ab und sah mirerneut forschend ins Gesicht. „Ich habe gute Erin-nerungen an dich“, fügte er dann leise hinzu.

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Es klang wie ein Kompliment, und ich versuchtedie Situation zu überspielen. „Du lebst hier wirk-lich zurückgezogen. Ich hatte Schwierigkeiten, deinHaus überhaupt zu finden.“„Woher hast du meine Adresse?“, erkundigte sichCarsten Winkler .„Ich habe sie mir in der Galerie geben lassen.“„Du bist in meiner Ausstellung gewesen?“Der verborgene Stolz in der Frage war mir nicht ent-gangen. Zum erstenmal lächelte Carsten Winkler.„Ich wusste gar nicht, dass du eine künstlerischeAder hast“, hakte ich ein. „Hast du damals auchschon gemalt?“„Damals?“ Erneut dieser bohrende Blick.„Nun, auf unserer gemeinsamen Reise.“Er schüttelte den Kopf. „Das kam erst ein paar Jahrespäter“, entgegnete er sinnend. „Wie hat dir die Aus-stellung gefallen?“„Ich fand sie bemerkenswert“, log ich und versuch-te, seinem Blick standzuhalten.Er gelang.„Hast du etwas gekauft?“Ich zuckte mit den Schulter. „Ich hätte es gern ge-tan, aber die Preise...“, antwortete ich ausweichend.„Tut mir leid für dich, aber ich brauche das Geld.“Carsten Winkler sah sich um. „Wollen wir ins Ate-lier gehen?“„Gern“, sagte ich und versuchte mich zu konzent-

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rieren. Ich durfte nicht andauernd an die Wiese den-ken.Carsten Winkler ging vor. Auch körperlich hatte ersich kaum verändert, neidisch vermisste ich denSpeck auf seinen Hüften, den die Männer in unse-rem Alter ansetzen. Ich bildete da keine Ausnah-me. Der Bauch kam bei mir noch hinzu. CarstenWinkler hatte nicht einmal einen Ansatz. Sein Gangwar weich, ich wunderte mich, dass mir diese au-ßergewöhnliche Geschmeidigkeit nie aufgefallenwar.Aber ich hatte keine Zeit, weiter darüber nachzu-denken, denn als ich das Atelier betrat, war siewieder da: die Wiese. Nicht nur einmal, sie war anallen Wänden, übergroß, in verschiedenen Variati-onen, Perspektiven, kleinformatig, teilweise nurskizzenhaft. Erneut spürte ich den Zwang zurück-zuweichen, und ich stockte im Schritt.Carsten Winkler beobachtete mich. „Du erinnerstdich?“„Es gibt Dinge, die man nie vergisst.“ Raumfahrer-melancholie? Vielleicht. Der Gedanke, ausrangiertzu sein, muss erst einmal bewältigt sein. Über einJahr quälte ich mich schon damit herum. „Es gibtDinge, die man nicht vergisst.“, wiederholte CarstenWinkler meine Worte. „Du glaubst an diese Flos-kel?“Sein spöttischer Tonfall störte mich. „Warum nicht?

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Wir verdrängen sie vielleicht, aber ganz los werdenwir sie doch nie.“Carsten Winkler kicherte. „Ich habe mal gelesen,Erinnerungen wären wie Fliegen auf einem Kuchen.Verjagen könne man sie allemal, aber wenn man sietotschlüge, wäre auch vom Kuchen nicht mehr vielübrig.“Ich wunderte mich, dass er so intensiv auf das The-ma eingegangen war. Die Frage, wegen der ich ei-gentlich gekommen war, lag mir bereits auf den Lip-pen, doch ich hielt mich noch zurück. Langsamwanderte ich an den Wänden entlang, und bemühtemich, Interesse für alle Bilder zu zeigen. Aber eswar die Wiese, die mich immer wieder in ihren Bannzog. Die anderen Gemälde erschienen mir noch ver-worrener als die zur Ausstellung gehörenden. Ichweiß nicht, aber sie wirkten wie Fieberphantasien,leuchtend und grell.Dann wiederum ein Bild von der Wiese. Halm, Gras,Wiese – schlängelnd und kreisend...„Erinnerst du dich noch an Berger?“ fragte ichnebenbei.„Berger?“, Carsten Winkler sah an mir vorbei.„Unser Commander“, versuchte ich nachzuhelfen.„Wir nannten ihn doch nur das Ekel.“„Das Ekel“, sprach Carsten Winkler langsam nach.Seine Augenlider zuckten. „Nein, ich erinnere michnicht. Aber wenn du sagst, dass wir ihn als Ekel

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bezeichneten, dann ist es ganz normal, dass ich ihnvergessen habe. Ich verdränge schlechte Erinnerun-gen.“ Er machte eine kleine Pause. „Ich lösche sieaus, ein für allemal“, fügte er dann leise hinzu.„Soll das heißen, du hättest mich gar nicht erkannt,wenn ich das Ekel gewesen wäre?“, fragte ichschmunzelnd.„Sicherlich.“ Carsten Winkler nickte. Doch dannwechselte er das Thema. „Was hast du seit damalsgemacht?“„Ich bin weitergeflogen, zuletzt war ich auf einemFrachter im Abschnitt drei. Seit einem Jahr bin ichpensioniert.“ Ich bemühte mich, die Wehmut inmeiner Stimme zu unterdrücken. „Und du?“„Ich war noch fünf Jahre dabei, dann bin ich abge-stiegen. Das Haus war billig zu bekommen. Seit-dem lebe ich hier.“Die Antwort überraschte mich. „Nur noch fünf Jah-re? Ich dachte, die Fliegerei hätte dir Spaß gemacht?“„Du hast dich wohl in mir getäuscht“, sagte CarstenWinkler bitter. „Ich habe nur noch wenige gute Er-innerungen an jene Zeit.“Wir schwiegen. Für Carsten Winkler schienen guteErinnerungen das Maß aller Dinge zu sein. Einemerkwürdige Methode, die Vergangenheit zu bewäl-tigen.„Warst du noch einmal dort?“ fragte er plötzlich.Ich verstand nicht.

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„Bei der Wiese“, setzte er langsam hinzu.Unsere Blicke begegneten sich. Die Wiese, immerwieder die Wiese!„Aber ich“, fuhr er fort, ohne meine Erwiderungabzuwarten. „Auf meinem letzten Flug. Ich bin ein-fach nicht mehr von ihr losgekommen.“Erneut zögerte ich mit meiner Frage. Irgendwie spür-te ich, dass er sie mir jetzt nicht mehr ehrlich beant-worten würde. Also versuchte ich nochmals abzu-lenken. „Du hast dich erstaunlich gut gehalten.Wenn ich uns so vergleiche, bin ich beinahe schonärgerlich, dass ich nicht auch schon früher abge-stiegen bin.“Carsten Winkler ließ mich nicht mehr aus den Au-gen. „Daran liegt es nicht“, sagte er. „Es sind dieschlechten Erinnerungen, die dich älter gemachthaben. Du hast zu viele davon.“„Und du? Du hast wohl keine?“ fragte ich behut-sam.Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Einen Mo-ment lang stand alles auf der Kippe – doch dannöffneten sich seine Lippen. „Nein, ich habe keineschlechten Erinnerungen. Ich lösche sie aus.“ Sei-ne Stimme suchte nach einem Halt. „Und die Wie-se hilft mir dabei.“ Carsten Winkler verlor plötzlichan Festigkeit, und er ließ sich auf einen Stuhl fal-len. „Gib mir bitte einen Schluck Wasser.“ Er deu-tete auf eine Karaffe neben der Staffelei.

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Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich ne-ben Carsten Winkler.Er trank das Glas in einem Zug aus.„Warum nennst du sie die Wiese des Vergessens?“Jetzt war die Frage heraus, ich konnte sie nicht mehrzurücknehmen.Carsten Winkler stand auf. Wortlos langte er nachder Karaffe. Als er trank, sah ich, wie seine Handzitterte.Was hatte ich bloß angerichtet? War es ein Fehler,hierher zukommen und Carsten Winkler in seinerAbgeschiedenheit aufzustören? Doch als ich in derGalerie den Titel des Bildes gelesen hatte, war eswie ein Zwang, nach Carsten Winkler zu suchenund ihn danach zu fragen. Wiese des Vergessens...Warum?„Komm.“ Carsten Winkler hatte sich nach einerWeile wieder völlig unter Kontrolle.Wir gelangten durch eine Seitentür in einen kleinenNebenraum, in dem ein Gebläse zischte. Ich sahmich um. Dieser Raum war zweifellos eine Schleu-se. Der Luftzug fuhr mir unangenehm in Hosenbei-ne, Jackenärmel und Nasenlöcher. Ich hatte Schleu-sen noch nie gemocht. Carsten Winkler öffnete eineStahltür und bedeutete mir, ihm zu folgen.Mir schlug wasserdampfartige Luft entgegen und ließmich schwer atmen. Aber das war plötzlich völlignebensächlich, denn zum zweitenmal in meinem

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Leben stand ich einem außergewöhnlichen Phäno-men gegenüber: der Wiese.Sie wirkte auch diesmal auf mich. Carsten Winklerschob mich trotz meines Widerstands vorwärts undschloss die Tür. Ich befand mich in einem Gewächs-haus, die Wiese füllte es fast vollständig aus. Esmochten etwa tausend Halme sein. Tausend alte,knorrige Äste mit roten Kuppen bewegten sich lang-sam, aber außergewöhnlich geschmeidig. Schlän-gelnd und kreisend...Ich wich bis an die Stahltür zurück.„Du brauchst keine Angst zu haben. Sie tut dirnichts“, sagte Carsten Winkler fast liebevoll.Ein Luftstrom zog mir über das Gesicht. „Sie lebt“,flüsterte ich mit heiserer Stimme.„Vielleicht“, erwiderte Carsten Winkler achsel-zuckend. „Es waren genau zwanzig Halme, mehrkonnte ich damals nicht ins Schiff schmuggeln.Neun von ihnen haben den Flug zur Erde überstan-den.“ Er machte eine weitausholende Geste. „Aberes ist mir hier gelungen, optimale Bedingungen zuschaffen, und eines Tages begannen die neun sichzu vermehren. Das war ein tolles Ereignis, aber fragmich nicht, was mich das Ganze gekostet hat.“„Aber wozu der Aufwand?“ fragte ich und wagteimmer noch nicht, mich von der Tür zu lösen.Carsten Winkler kniete nieder und strich mit derflachen Hand vorsichtig über die roten Kuppen. „Es

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war ein Zufall, dass ich bei der zweiten Expeditionallein zur Wiese durfte. Was dann geschah, ist mirheute noch schleierhaft. Die Bewegung der Halmemacht mich schwindelig, und ich fiel in die Wiese.“Carsten Winkler kicherte. Die Kuppen glitten durchseine Finger. „Aber der Schreck währte nur kurz undwurde sogleich von einem wärmenden, wohlig- be-rauschenden Gefühl verdrängt. Es war, als fiele derÄrger, alles was mich bis dahin an Sorgen undschwermütigen Gedanken bedrückt hatte, plötzlichvon mir ab. Auch der täglicher Kleinkram, den manso mit sich herumschleppt, schien mir auf einmalvon den Schultern genommen. Ich hörte ein leisesZirpen der Halme, die sich eng an meinen Körperdrängten. Nach ein paar Minuten gaben mich diePflanzen frei. Zwei Tage später, ich hatte mich ein-fach abgesetzt, probierte ich es noch einmal – mitdem gleichen Ergebnis! Das Gefühl war einfach un-beschreiblich.“ Die Pflanzen legten sich um CarstenWinklers Arm.„Und dann hast du dir einfach welche mitgenom-men?“„Nun, ganz so einfach war das natürlich nicht.“Carsten Winkler ließ kein Auge von den Halmen,die sich immer enger um seinen Arm schlossen.„Aber ich habe es geschafft.“Ich hatte Mühe, das alles zu begreifen.Carsten Winkler beachtete mich nicht mehr und fuhr

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ungerührt fort: „Die Entschlackung ist wirklich to-tal. Ich habe es erst allmählich bemerkt. So unglaub-lich es auch klingen mag, aber seitdem ich mich re-gelmäßig hierher lege, altere ich kaum noch.“ Erdrehte sich um, starrte mich an und murmelte:„Womöglich werde ich einhundert Jahre alt.“Die Pflanzen angelten nach seinem anderen Arm.Die ganze Wiese schlängelte und kreiste ihmentgegen.„Bitte, Carsten, ich möchte hier raus“, stammelteich und suchte nach dem Türgriff.„Die Wiese ist gut. Und völlig ungefährlich“, be-teuerte Carsten Winkler. Sein Blick wanderte un-stet zwischen mir und den immer heftiger wogen-den Halmen hin und her. „Ich mache dir ein Ange-bot ...“Ich unterbrach ihn. „Lass uns draußen weiterreden.Ich vertrage die Luft nicht mehr so gut.“ Ich warfroh, dass mir diese Ausrede gerade noch rechtzei-tig eingefallen war.„Gut.“ Carsten Winkler richtete sich auf. Die Wie-se wogte zurück.

„Nun beruhige dich doch erst einmal.“ Wieder imAtelier, goss mir Carsten Winkler einen Kognak ein.„Du müsstest auch einmal entschlacken.“„Etwa mir Hilfe der Wiese?“ fragte ich entsetzt.Carsten Winkler kam zu mir. „Warum nicht? Ich

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biete dir die einzigartige Möglichkeit, sämtlicheschlechten Erinnerungen auslöschen zu lassen unddamit dem Alter ein Schnippchen zu schlagen.“Ich sah die Halme wieder vor mir, wie sie sich be-wegten und nach Carsten Winklers Arm suchten,schlängelnd und kreisend...„Wie oft gehst du...?“ Ich suchte nach einem Wortdeutete mit dem Kopf in Richtung des Gewächs-hauses, „ ... nun, dorthin?“„Jeden Tag.“„So oft?“Carsten Winkler lächelte unsicher. „Ich kann nichtmehr anders. Aber ich wehrte mich schon lange nichtmehr, dazu ist es einfach zu schön“, beeilte er sichhinzuzufügen. „Ich kann es mir ohne die Wiese ein-fach nicht mehr vorstellen.“So sehr ich mich auch bemühte, es gelang mir nichtmehr, mich zu konzentrieren. Das Atelier ver-schwamm vor meinen Augen. „Entschuldige,Carsten, aber ich muss nach Hause.“„Es ist schon spät“, wandte er ein. „Hier draußenfährt um diese Zeit kein Bus mehr, und ein Taxi zubekommen ist aussichtslos. Bleib doch die Nachtüber hier. Du kannst drüben im Wohnzimmer schla-fen.“Ich ließ mich nicht lange bitten, dazu war es ein-fach zuviel, was an diesem Abend auf mich einge-stürzt war.

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„Schlaf gut, und morgen früh unterhalten wir unsüber meinen Vorschlag.“ Carsten Winkler schlossdie Tür und ließ mich allein.

Doch ich konnte trotz Müdigkeit keinen Schlaf fin-den. Die Wiese des Vergessens. Erinnerungen aus-löschen. Dem Alter ein Schnippchen schlagen...Wiese, Gras, Halme – schlängelnd und kreisend...War Carsten Winkler süchtig? Abhängig von der Wie-se?Ich ging auf die Terrasse hinaus und zündete mireine Zigarette an, eigentlich wollte ich mir noch dieBeine vertreten und versuchen, ein wenig zur Ruhezu kommen. Das Giebelfenster im Erdgeschoss warerleuchtet. Ich sah hindurch.Carsten Winkler stand in der Mitte des Zimmers.Er war mit einer kurzen Schlafanzughose beklei-det. Die Arme hatte er eng an den Körper gepresst.Eine Lampe, wie ich sie schon im Gewächshaus ge-sehen hatte, strahlte ihn an, und das harte Lichtzeichnete das schreckliche Bild überdeutlich.Carsten Winkler war über und über mit einemborkenähnlichen trockenem Schorf bedeckt,lediglich Gesicht, Hals und Arme waren davon nichtbefallen. Sein Oberkörper begann sich unvermit-telt zu bewegen, ganz allmählich, langsam, aberüberaus geschmeidig, schlängelnd und kreisend...Die Beine eng beieinander, rührte er sich trotz der

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veröffentlicht in Der lange Weg zum Blauen Stern, Ver-lag Neues Leben Berlin 1989, Illustration vonBurkhardt Labowski

widernatürlichen Rhythmik nicht von der Stelle.Sein Kopf lief rot an.Halme, Gras, Wiese – schlängelnd und kreisend...Ich biss mir in die Hand, um nicht loszuschreien.So wie ich war, rannte ich auf die Straße und lief,bis mir die Beine den Dienst verweigerten.

***

Etwa zwei Wochen später erhielt ich mit der Postein Päckchen. Es enthielt mein Jackett und die Brief-tasche. Obenauf lag ein Zettel.„Bis gestern habe ich geglaubt, dass sie mich jeden Augen-blick holen kommen. Aber jetzt weiß ich, dass Du nieman-den etwas davon sagen wirst.Danke,Dein Freund Carsten Winkler.P.S. Ich habe viele gute Erinnerungen an Dich.“

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Nur ein kurzer Besuch?Der Versuch eines Rückblicks

„Seltsam“, murmelte er verwundert. „Sehrseltsam, wirklich...Vielleicht ein Raumanker...?“(*)

Ich bin in Greifswald, und damit in einer Gegendaufgewachsen, in der man zu DDR-Zeiten keinWestfernsehen empfangen konnte. Diese Gegendennannte der Volksmund Täler der Ahnungslosen. „DieBewohner dieser Gebiete, die vom West-Fernsehen

(*) aus: Fred Saberhagen Der lange Weg nach Hause in Raumschiffahoi!- Phantastische Erzählungen, Volk und Welt 1969

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und -UKW-Rundfunk nicht erreicht wurden, galtenin der DDR als schlecht informiert, weil sie nur überInformationen aus den zensierten DDR-Medien ver-fügten.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Tal derAhnungslosen)Wenn Sie dann noch in einem Elternhaus groß wer-den, in dem alles Westliche, sei es Klamotten, Mu-sik, Film, Literatur, Zeitschriften und natürlich auchComics verpönt ist, weil Ihr Vater der felsenfestenMeinung ist, solcher Kram würde den Aufbau desSozialismus gefährden, dann hat das schon eine ge-wisse Tragik. Aber es kann daraus auch ein Nähr-boden für Phantasie und Kreativität entstehen, derein Leben lang halten kann - das behaupte ich jetztmal.Die beschriebene Situation beflügelte auch diePhantasie anderer. Und sie konnte auch schon ziem-lich irre Blüten treiben. Hierzu gehörten beispiels-weise abgepauste und mit Filzstift akribisch colorier-te Micky-Maus-Hefte, zerfledderte BRAVOs für 50Ost-Mark (ohne Poster!), selbst genähte Jeans, diemit von alten West-Hosen abgetrennten Labels ver-sehen waren, oder auch Udo-Lindenberg-LPs, fürdie 130 Ost-Mark und mehr fällig waren - und auchgezahlt wurden.Bei mir entwickelte sich in den 70ern aus alldemeine heute schwer zu erklärende Sehnsucht nachWestern- und Science-Fiction-Fernseh-Serien, von

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denen ich einige wenige bei meinen Großeltern inden Ferien gesehen hatte. Westlich von Santa Fe hießdie eine, Die Männer von der Shiloh-Ranch die andere.Und natürlich Raumschiff Enterprise. Captain Kirkund Mister Spock. Und Uhura selbstredend - ichdenke, Sie wissen, was ich meine.Nun, da ich nicht das Glück hatte, ständig an die-sen zweifach fremden (Fernseh-)Welten teilzuhaben,blieb mir nichts weiter übrig, mir meine eigenen zuschaffen. Ich begann Comics zu zeichnen und Ge-schichten zu schreiben. Die Comic-Zeichnerei warirgend-wann vorbei, doch die Schreiberei blieb.

Die wichtigste Ermutigung, dran zu bleiben - oderbesser: überhaupt weiterzumachen -, war ein schma-les Bändchen aus der Spektrum-Reihe des VerlagesVolk und Welt mit dem Titel Raumschiff ahoi! Ichbin mir nicht sicher, aber ich denke mal, dass das1969 erschienene Buch eine der ersten Veröffentli-chungen (relativ) aktueller amerikanischer Science-Fiction in der DDR war.Eine Geschichte hatte es mir ganz besonders ange-tan, so sehr, dass ich sie bis heute nicht vergessenhabe. Es war Der Lange Weg nach Hause von FredSaberhagen. Schon nach dem ersten Lesen wussteich, dass ich genau solche Geschichten schreibenwollte, ganz genau solche.In Der Lange Weg nach Hause bringen Marty und Laura

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auf der Suche nach Mineralien irgendwo in denWeiten des Alls das Wrack eines irdischen Raum-schiffs auf. Es ist zweitausend Jahre alt. Deutetanfangs nichts auf Leben an Bord hin, finden diebeiden zu ihrer großen Überraschung heraus, dasssich das Wrack bewegt, unsäglich langsam zwar,aber dafür auf schnurgeradem Kurs in RichtungErde. Am Ende der Erzählung stellt sich heraus,dass im Innern des Wracks Nachfahren der Über-lenden bereits in -zigster Generation und mit festenRitualen einen Magnetanker ziehen und damit dasSchiff in Richtung Erde bewegen - Schritt für Schritt,zu Fuß durch den Weltraum.Das Bild von den interstellaren Wolga-Treidlern, dieihr Schiff mit eigener Kraft in quasi religiösem Tundurch das All in Richtung Erde ziehen, beflügeltmeine Phantasie noch heute. Damals war es An-lass, immer weiter Geschichten zu schreiben, trotzoder gerade wegen schlimmer Wehrdienst-Zeit, desStudiums in Berlin und später als Wieder-Greifs-walder in einer mehr oder weniger langweiligen Bü-roarbeit.

Irgendwann in dieser Zeit hatte ich damit begon-nen, meine Geschichten zu verschicken. Wie jederAutor träumte auch ich davon, zu veröffentlichenund gedruckt zu werden. Die Chancen, durch dieEinsendung unverlangter Manuskripte etwas zu er-

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reichen, waren allerdings schlecht. Es gab viel zuwenige Verlage und kaum Magazine oder Zeitschrif-ten, die Kurzgeschichten veröffentlichten. Manbrauchte - und da unterscheidet sich früher kaumvon heute - Beziehungen. Und die hatte ich nicht.Also blieb und half mir nur Ausdauer. Wieder undwieder verschickte ich meine Geschichten, überar-beitete sie, fügte neue hinzu. Und täglich gab es ei-nen erwartungsfrohen Gang zum Briefkasten, immerin der Hoffnung, eine Antwort zu bekommen. Undkam dann irgendwann eine, dann war es eine Ab-lehnung. Viele Jahre ging das so.

Doch dann passierte das, was in diesem Büchleindokumentiert ist. Die erste Kurzgeschichte erschienim Magazin neues leben, dem einzigen Monatsmaga-zin für Jugendliche in der DDR. Die Auflagenhöhewar gigantisch, das Honorar war es allerdings nicht.Aber das war mir so was von egal! Ich war drin, ichhatte es geschafft! Auch ohne Beziehungen.

Und wirklich zog die erste Veröffentlichung weite-re nach sich. Der Verlag NEUES LEBEN wurdeauf mich aufmerksam und ganz langsam kam et-was in Gang, was wie eine Schriftstellerkarriere aus-sah.Und der Verlag kümmerte sich: Der Pfad durch dieZeit erschien in der Heft-Reihe DAS NEUE ABEN-

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TEUER. Zum ersten Mal wurde ein längerer Textvon mir durch ein professionelles Lektorat betreut.In einer Heftreihe zu veröffentlichen war seinerzeitso etwas wie das Öffnen einer Tür und überhauptnichts Ehrenrühriges. Ganz im Gegenteil: Man warjetzt richtig drin, man war dabei. Ich war damals29 Jahre alt und der glücklichste Mensch auf Er-den. Und nicht zu vergessen: Selbst geschafft aus eige-ner Kraft! Auch das ist ein gutes Gefühl, das könnenSie mir glauben. Die Illustrationen kamen von KarlFischer, ein äußerst erfahrener und sehr bekannterIllustrator - ein weiterer großer Grund zur Freude.Als nächstes folgte die Veröffentlichung von zweiErzählungen in der Anthologie Der lange Weg zumBlauen Stern, die von Michael Szameit betreut wur-de. Szameit war damals der erfolgreichste jüngereAutor im Science-Fiction-Bereich und veröffentlich-te in regelmäßigen Abständen Romane, die sich nichtnur hervorragend verkauften, sondern auch richtiggut waren.Die an der Anthologie beteiligten Autoren trafensich 1988 mit Herausgeber Michael Szameit undLektor Helmut Fickelscherer zu einem Schreibwo-chenende bei Berlin. Wir Autoren waren alle umdie Dreißig und jünger, hatten mehr oder wenigerbereits Erfahrungen gesammelt und waren zuver-sichtlich ob einer künftigen Schriftstellerlaufbahn.Einige beäugten sich zwar ein wenig misstrauisch,

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aber Science-Fiction-Literatur verkaufte sich damalsso gut, dass Konkurrenzdenken gar nicht notwen-dig war. Wichtig war vor allem, dass der Verlagwollte.

Und NEUES LEBEN wollte. Noch im gleichenJahr schlug mir der Verlag ein Romanprojekt vor.Ich hatte ein Exposé vorgelegt, das die verlagsin-ternen Instanzen erfolgreich durchlaufen hatte undkonnte an meinem Manuskript weiterschreiben. Icherhielt einen Lektor - Dr. Ulrich Gerber - und ge-meinsam sollten wir die Veröffentlichung meines ers-ten Sciene-Fiction-Romans mit dem Titel TödlicheSonnensplitter vorbereiten. Der Erscheinungsterminwürde der Herbst/Winter 1989 sein. Den Verlags-vertrag unterschrieb ich mit zitternder Hand. ImGespräch hieß es, dass die erste Nachauflage bereitsinnerhalb eines Jahres nach Erscheinen gedrucktwerden sollte. Das war auch finanziell sehr interes-sant und eine Freiberuflichkeit als Autor schienplötzlich möglich… Ich wusste überhaupt nichtmehr, wie mir geschah.Wenige Wochen später signalisierte mir der Schrift-stellerverband der DDR, dass er sich durchaus vor-stellen könnte, mich in den Kreis zukünftiger Mit-glieder aufnehmen zu wollen und lud mich nachBerlin ein.

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Ich arbeitete fleißig an meinem Roman, nach Feier-abend und während meines Urlaubs. Mit dem Lek-tor kam ich gut klar, wir hielten alle Termine, nah-men gemeinsam alle Hürden und das Manuskriptwar auf den Punkt fertig gestellt...

Tja, und dann machte mir die große Weltpolitik ei-nen Strich durch sämtliche Rechnungen. Die Mau-er fiel und plötzlich war alles anders. Die Verände-rungen betrafen auch das berufliche und persönli-che Umfeld. Selbstverständlich dachte ich noch anmein fertiges Buch, aber ich musste mich auch umFrau, Kinder und Beruf kümmern. Niemand wuss-te, wohin die Reise ging.Als NEUES LEBEN zum dritten Mal den Sonnen-splitter-Termin verschob, wurde mir klar, dass ichmeine Schriftstellerkarriere wohl vorerst vergessenkonnte. Wie überall, standen auch die Verlage vorgroßen Umbrüchen und kurz darauf gerieten auchsie ins Visier der Treuhand. Mein Lektor begann sichbereits nach anderer Arbeit umzusehen und wurdewenige Monate später Bürgermeister einer Klein-stadt bei Berlin.

Im Frühsommer 1990 kündigte NEUES LEBENden Verlagsvertrag. Ich saß zu Hause und heulte.Insgeheim war ich zwar froh, nicht bereits meineArbeit wegen der „drohenden“ Schriftstellerkarrie-

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re aufgegeben zu haben - aber das ist nicht mehr alsein schwacher Trost.Nach Jahresfrist habe ich dann doch noch versucht,meine Tödlichen Sonnensplitter bei den einschlägigenWestverlagen unterzubringen. Ohne Erfolg. Späterärgerte ich mich, zumindest bei Heyne nicht nocheinmal nachgefasst zu haben und mich viel zuschnell von der etwas flapsigen Antwort abschre-cken ließ - die (blödsinnige) Reaktion eines Ossishalt.

Die Veröffentlichung 1990 in Alien Contact war dannauch schon so was wie der Abgesang und mehr aucheine Geste in Richtung Gerd Frey und HardyKettlitz. Beide hatte ich im Zusammenhang mit derSzameit-Anthologie kennen gelernt. Sie waren SF-Aktivisten und sind es noch heute. Dafür meineHochachtung!

Ich selbst habe seitdem keine Sciene-Fiction mehrgeschrieben, in den 90ern allerdings sehr viel vondem Zeugs gelesen. Und auch die Fantasy hatte esmir eine Zeit lang wirklich angetan. Heute bin ichweg davon. An Harry Potter kam ich niemals ran,Cornelia Funke bewundere ich vor allem wegen ih-rer Biographie.

Im Jahr 2000 habe ich buch.macher als kleinen

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Selbstverleger-Verlag gegründet und dort neben 70Büchern von etwa 45 Autoren auch meine eigenenTexte veröffentlicht. Hierzu gehören Krimis, eineKünstlermonografie und ein wenig Regionales. Ichwürde gern wieder mehr schreiben, aber mir fehltdie Ruhe, nicht unbedingt die Zeit.

Ein kurzer Besuch ist deshalb so was wie ein Geschenkan mich selbst - schwierige persönliche Zeiten lie-gen hinter mir und da hab ich mir das mal gegönnt.das musste sein.Die Texte habe ich in die schöne antiqierte Gara-mond gebracht und die Original-Illustrationen hin-zugefügt.

Uwe RiegerMesekenhagen, im Juli 2011

Ach so: Die alten Enterprise-Folgen hab ich mirselbstverständlich inzwischen auf DVD zugelegt,das sind die mit Captain Kirk und Mister Spock.Und Uhura selbstredend - ich denke, Sie wissen,was ich meine.

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Schwarze WindflüchterSchwarze WindflüchterSchwarze WindflüchterSchwarze WindflüchterSchwarze WindflüchterDer Krimi vom Darß

Roman von Uwe Rieger185 Seitenillustriert

ISBN 978-3-935039-14-7

„Es ist auch überflüssig, immer mit dem Ver-stande alles ergründen zu wollen; es gibt Din-ge, die nur dem Gefühl vorbehalten sind.“

Theodor Schultze-Jasmer

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Letzte Gnade?Ein Fischland-Darß-Krimi

Roman von Uwe Rieger212 Seitenillustriert

ISBN 978-3-935039-69-7

„Alles verschwindet, man muss sich beeilen, wennman etwas sehen will.“

Paul Cezanne