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Ich widme dieses Buch einer Frau: Marga Leppert, meiner Mutter. Sie hat ihrer Familie ein Leben mit Blumen, eigenem Obst und Gemüse ermöglicht, was ich als Kind nicht besonders schätzte, wofür ich ihr heute jedoch umso dankbarer bin. copyrighted material

copyrighted material...Garten Michael Triebswetter, Asko Fromm, Ilja Vukorep, Kassel 117 Kunst und Kraut Garten Hansjörg und Peter Unterlechner, Schwaz/Tirol 121 Der Fürst nennt

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  • Ich widme dieses Buch einer Frau: Marga Leppert, meiner Mutter. Sie hat ihrer Familie ein Leben mit Blumen, eigenem Obst und Gemüse ermöglicht, was ich als Kind nicht besonders schätzte, wofür ich ihr heute jedoch umso dankbarer bin.

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  • Sein GartenStefan Leppert

    Deutsche Verlags-Anstalt

    Wenn Männer Gärtner werden

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  • 31 Landschaft wirken lassen Garten Adrian Gassner und Markus Frei, bei Basel

    35 Gärtner sein war Ehrensache Gärten Johann Wolfgang von Goethe, Weimar

    39 Mittelchen gegen Reiselust Gärten Günter und Johann Harrer, Niederbayern

    45 Das Ziel heißt Machen Garten Hülsmeyer, Schwerte

    50 Fackelträger für Lagerfeld Interview mit dem Landschaftsarchitekten Uwe Isterling, Hamburg

    55 Garten am Ende Garten Derek Jarman, England

    59 Exoten unter sich Garten Oliver Kipp, Ostwestfalen

    67 Der Rundgänger Garten Christian Korsch, Brützkow/Mecklenburg

    6 (Wie es ...) Zu diesem Buch (... kam)

    10 A wie Adam und weitere Gärtner, die nicht dabei sind

    13 Der Garten einer anderen Garten Johannes Bauersachs, Berlin

    17 Ein Sammelsurium, eine Schatzkammer auf Zeit Garten Hanspeter Bethke, Saxdorf/Brandenburg

    22 Durch und durch Staudengärtner Interview mit dem Staudengärtner Dieter Gaissmayer, Illertissen/Allgäu

    27 Heimat Garten Karl Ganser, Unterallgäu

    Inhalt

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    121

    17

    75

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  • 35

    91

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    107

    55

    113

    75 Linkshändige Malvenattacke Die Gärten des Maurice Maggi, Zürich

    79 Zeit für Zeitung Garten Dirk Mangold, Köln

    83 Eine kulturelle Leistung Garten Werner Müller, Kammlach/Unterallgäu

    91 Wildwuchs gegen das Establishment Garten Andreas und Christian Pixis, München

    97 Gärtnern zwischen Reisen, Schreiben, Promenieren Gärten Hermann Fürst von Pückler-Muskau, Bad Muskau, Cottbus

    103 Charmante Pedanterie Garten Jörg Ruhwinkel, Münsterland

    107 Laubfroschgesang zur Oudolf-Sinfonie Garten Klaus Thews bei Schleswig

    113 Einsäen tun andere Garten Michael Triebswetter, Asko Fromm, Ilja Vukorep, Kassel

    117 Kunst und Kraut Garten Hansjörg und Peter Unterlechner, Schwaz/Tirol

    121 Der Fürst nennt ihn Doktor Duco van Krugten und der Anholter Park, Isselburg/Niederrhein

    127 Ein Zwiebelchen als Präsent Garten Günter Waldorf, Nettetal/Niederrhein

    131 Man nannte ihn Rosenheini Garten Friedrich Werner, Bitterfeld

    135 An jedem Ort einen Garten Gärten Rolf H. Wirth, Zürich, Rom, Anguillara

    143 Kohl und danach ein Konzert Garten Harmen Zempel, Asendorf/Niedersachsen

    149 Deutsche Gärtner! Fritz Eckenga

    150 Anhang Adressen, Literatur, weitere Infos, Bildnachweis, Dank

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  • 6

    Meine Sabine fi ndet, ich sei ein Gemütsmensch. Je nach Stimmung drückt sie es auch anders aus und meint dann, ich hätte ein dickes Fell. Richtig wäre: Ich versuche früh genug zu sortieren, was des Hinhörens und Hinsehens, vielleicht sogar der Aufregung wert ist und was ignoriert gehört. Mit dieser Praxis halte ich meine Gedankenwelt auf einem heiteren Niveau, den Blutdruck in Ord-nung und den Verdruss über den Lauf dieser Welt in Grenzen. Doch eines schönen Sommertages im Jahr 2009 passierte dann das: Mein Vorhaben, mir diesen herrlichen Freitagnachmittag mit einer Gartenzeitschrift zu versüßen, wurde jäh durchkreuzt. Zwischen die Gartenmagazine des Zeitschriftenladens hatte nämlich jemand einen Stapel Emma gestellt. Obgleich man mich nicht gerade zu den glühendsten Verehrern von Alice Schwarzers Journal zählen kann, zog ich diese Sommerausgabe einer herkömmlichen Gar-tenzeitschrift vor. Der Grund: Eine mir bekannte Gärtnerin mit löchrigem Strohhut, geschultertem Spaten und brauner Schürze erhob sich aus dem Iris-Quartier, die rechte Hand fest in der Taille platziert, den Blick starr und stolz, geradezu seherisch klar in die Ferne gerichtet. Hinter beißend roten Lettern »Fron & Passion. Frauen und ihre Gärten« blickte sie im Habitus einer Pionierin auf ihr Gartenland beziehungsweise darüber hinweg, mutmaßlich in seine Zukunft, die zu beackern wohl in erster Linie Frauensache sein sollte. So las ich die Botschaft dieser Figur, mutmaßlich von Emma so gewollt.

    Zu diesem Thema eroberten bereits seit einigen Jahren Bücher die Läden, ohne dass ich mich damit intensiv befasst hätte. Viel mehr als eine Marketingstrategie der Verlage schien mir die Fokussie-rung aufs feminine Gärtnern nicht zu sein. Ich kannte genauso viele Profi - und Hobbygärtner wie Profi - und Hobbygärtnerinnen und hätte nie gedacht, dass hier einmal ein Thema lauern könnte. Immerhin hatte ich eine kurz vor jenem denkwürdigen Freitag-nachmittag eingegangene Verlagsanfrage, über gärtnernde Män-ner ein Buch zu schreiben, tatenlos beiseitegeschoben. So begann ich heiteren Gemüts mit der Emma-Lektüre. Beitrag für Beitrag erfuhr ich erstens Neues, und zweitens wurde mir etwas bewusst. Was ich Neues erfuhr? Zum Beispiel, dass von jeher die Frauen gärtnerten und die Herren nur die Aufträge vergaben. Ganz gleich

    ob im Versailles des Le Nôtre, im Wörlitz des Fürsten Franz, im Bad Muskau des Pückler – überall ließen die Frauen Küche und Kinder hinter sich, um Gräben auszuheben, Alleen zu pfl anzen, Hecken zu stutzen. Und was mir bewusst wurde? Dies stand in Emma, nicht gerade ein Kampfblatt für die Harmonie zwischen den Geschlech-tern. Das war ein Thema – und zwar ein trennendes. In unge-kannter Dichte führte man mir die weiblichen Verdienste in der Gartenkultur vor Augen, beginnend vor Tausenden von Jahren im Morgenland, über das klösterliche Mittelalter der heiligen Hilde-gard und die englischen Gartendamen, endend in Deutschland bei »jenen namenlosen Enthusiastinnen, die im Garten jenes ›Zimmer für sich allein‹ suchen und fi nden«.

    Die Erwähnung jenes Zimmers in Anführungszeichen versetzte den Gemütsmenschen Leppert in Bewegung. Ich erinnerte mich. Ein paar Jahre zuvor hatte ich ein Buch mit ganz ähnlichem Titel zur Rezension bekommen, seinerzeit hin und her geblättert, nach langlebig Originellem gesucht und bald wieder vergessen. Nach der inspirierenden Emma-Lektüre bewegte ich mich also zum Re-gal, nahm jenes Buch der Autorin noch einmal zur Hand und fand darin zum Beispiel Folgendes: »Im Idealfall pfl anzt und gestaltet einer, und der andere mäht den Rasen und stellt den Müll raus. Das heißt, der Mann mäht den Rasen! Punkt.« Ich fühlte mich persön-lich missverstanden, stellvertretend für so manchen Geschlechts-genossen. Meine Sabine mäht gewöhnlich den Rasen und richtet die Gewächshausscheiben, während ich die Astern teile und die welken Rosenblüten abschneide. Und so erlebte meine bessere Hälfte ihren Head Gardener (sie schenkte mir kürzlich augenzwin-kernd eine so beschriftete Gartentasse) plötzlich dünnfellig. Der las ihr noch folgende Passage vor: »Wenn die Männer ihre Frauen so vergnügt graben, schaufeln und werkeln sehen, dann kommen sie bisweilen auf die Idee, ihre eigenen Beete anlegen zu wollen. Sie wollen dann braune Gräser pfl anzen. Alles, was möglichst tot aussieht, gefällt den Herren der Schöpfung.« Männer mähen den Rasen zu Tode, Frauen rollen die Yogamatte aus, einen Buddha ne-ben sich und hören danach vollkommen entspannt dem Gras beim Wachsen zu. Frauen sind bei sich, Männer beim Benzinkanister – nun, da wurde auch meine Frau nervös. Und vor meinem geistigen

    (... kam)

    (Wie es ...)

    Zu diesem Buch

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  • 7

    Auge tat sich eine Lücke in den Regalen der Buchhandlungen auf, in der irgendwann ein Buch von mir stehen sollte. Begleitet von einem mir bekannten Juckreiz in den Fingern kam mir die Verlags-anfrage wieder ins Gedächtnis. So geschwind geht das, ich rief an und unterschrieb kurz darauf.

    Ein Buch über Männer und wie sie in den Garten geraten sind sollte es werden – Ausgang ungewiss. Gewiss, ich war angesto-chen und mir war klar, dass ich auf vermintes, zumindest aber beanspruchtes Gelände vorstoßen würde. Dass es gerade der mal mehr und mal weniger köstlich verschrobene Gedankensalat in jener Emma war, der mich zu der Arbeit an diesem Buch bewegte, machte mich zunächst stutzig. Was soll’s, dachte ich, so hatte die Lektüre der Zeitschrift zumindest produktive Folgen und entschied sogleich: Dieses Buch wird nicht trennen, nichts für sich oder ein Geschlecht beanspruchen. Es stellt in erster Linie Männer vor, die sich in einem Garten aufhalten, sich damit beschäftigen, auf sehr unterschiedliche Weisen. Es schien mir an der Zeit zu sein, etwas von den Männern zu erfahren, warum sie im Garten sind und warum dieser so aussieht, wie er aussieht. Dabei war mir an einer vielfältigen Bandbreite an Typen gelegen, nicht so sehr an mus-tergültigen Gärten, die bekannte Bilder im Bewusstsein des Lesers wachrufen. So viel kann ich hier schon versprechen: Braune Gräser habe ich nirgendwo gefunden.

    Zugegeben: Gemessen an der Zahl aller sich im Garten herumtrei-benden Männer stellen die Typen in diesem Buch zweifellos eine Minderheit dar – wie die »namenlosen Enthusiastinnen von Fron & Passion« schließlich auch. Um dem großen Heer ohne oder mit anders befeuerter Leidenschaft gärtnernder Männer ein Denkmal zu setzen, habe ich Fritz Eckenga um die Abdruckgenehmigung eines seiner Gedichte gebeten (siehe S. 149). Der Kabarettist und Autor vermeidet es aus ihm sicherlich bekannten Gründen, darin auch die Gärtnerinnen einzuschließen. Jene Herren jedenfalls, die sich und ihre Dose Bier auf dem Aufsitzmäher spazierenfahren oder gerne mal einen Schlauch vom Auspuff ihres vierrädrigen Lieblings in den Wühlmausgang verlegen, werde ich mir in mei-nem nächsten Buch vornehmen. Vielleicht.

    Anja Maubach, jene mit Spaten bewaffnete Pionierin aus Wupper-tal-Ronsdorf, wurde in Emma nicht nur fotografi ert, sie kam auch zu Wort. Mit einer ordentlichen Portion Erfahrung formulierte sie treffend: »Und wenn man die Männer kriegen will, dann ist alles, was nach Gesülze klingt, tendenziell kontraproduktiv.« Ja, dieses Buch will auch die Männer kriegen. Es will sie verführen, vor allem mit Fantasie und feinen Fingern, anstatt klischeegemäß nur mit motorgetriebenem Gerät oder Grillschürze in den Garten zu gehen. Als Autor setzt man sich Ziele.

    Was Fantasie und feine Finger anrichten können, das ist in diesem Buch jedenfalls vielfältig zu studieren. Wenn diese Beispiele dazu dienen, anderswo Reviergrenzen zu verschieben oder durchlässig zu machen, Unterhaltungen bei Tisch zu erfrischen und Laufwege in Baumärkten zu verändern, ist ein Ziel erreicht.

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  • 8

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  • 9

    Sie stecken in festen Leder- und anschmiegsamen Latexhandschuhen, packen hüllenlos den Fichtenstamm und ernten Harz, setzen beim Kopulationsschnitt die scharfe Hippe gekonnt auf dem Daumen ab, wühlen beherzt den Kompost durch, pfl ücken mit spitzen Fingern die Blaubeeren und mit ganzer Hand die Äpfel, umfassen Spaten und Hacke, halten Schlauch und Grillzange, streichen über Koi-Schuppen, streuen Samen aus, rüh-ren die Brennnesseljauche um und binden die Tomaten an. Und am Abend blättern sie in Gartenbüchern. Denn morgen ist auch noch ein Tag. Im Garten.

    Handgemacht

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  • 10

    Adam ist tot, das weiß man. Wo und wie er sein Leben gelassen hat, ist nicht bekannt. Wo und wie er sein paradiesisches und post-paradiesisches Leben zugebracht hat, auch darüber gibt die Heilige Schrift keine nähere Auskunft. Das ist bedauerlich, denn gerne hätte ich dieses Buch mit dem ersten Mann begonnen, der je in ei-nem Garten gelebt hat. Die Tatsache, dass er nicht mehr lebt, hätte nichts gemacht. Er wäre hier nicht der einzige prominente Tote ge-wesen. Da die Gärtner in diesem Buch in alphabetischer Reihenfol-ge auftreten, hätte Adam damit die Ehre des Anfangs gebührt. So bleibt der grobe Blick auf die Menschheitsgeschichte, um das Buch mit diesem Mann zu beginnen. Gärten, so viel steht fest, sind in ihrer Summe die spannendsten, vielgestaltigsten Lebensräume auf Erden. Einzelne Gärten mit geradezu idealtypischen Bedingungen lassen an Eden denken, ihre Besitzer, Gäste und Zeitschriftenjour-nalisten jedenfalls bewerten sie heutzutage auffallend häufi g als paradiesisch. Diesem Attribut liegt allemal die Annahme zugrunde, dass auch Adams Garten ein wunderbarer Ort gewesen sein muss. Doch was hat er wohl darin gemacht?

    Einen Fehler hat er gemacht, das wissen wir, und deshalb musste er mit seiner Frau dieses wunderbare Fleckchen Erde verlassen. Für so manchen bestand seine Entgleisung indes nur darin, auf seine Frau gehört und in den Apfel gebissen zu haben, den sie ihm reichte. In der Tat, Gott sah zumindest Anlass, bei der Schwere der Schuld zu differenzieren und Eva dazu zu verdonnern, fortan unter der Herrschaft Adams zu leben. Aufgrund dürftiger Aktenlage kön-nen wir uns auch hier lediglich ausmalen, wie sich die Verbindung weiter gestaltete.

    Genau genommen wird es für uns Gartenfreunde aber erst mit der Vertreibung aus dem Paradies interessant. Denn außerhalb dieses schönen Ortes, so die spärlichen Andeutungen im Buch Genesis, gab es reichlich zu ackern. Dies lässt darauf schließen, dass es in Eden anders war, was uns Gärtnern wiederum eine grundlegen-de Frage aufgibt: Kann es einen Garten geben, in dem es nichts weiter zu tun gibt als zu ernten? Unsere heutige Vorstellung vom Garten jedenfalls ist stets mit Arbeit darin verbunden. Wer im Garten ohne zu arbeiten auf Ernte wartet, wird sich in unseren

    Breiten langfristig von Eicheln, Bucheckern und Brennnesselge-müse ernähren, Hecken werden zu Baumreihen, Rasen zu Wiesen, Folienteiche zum Algenpudding. Nächste Frage: Empfi nden viele in unserer Gesellschaft die Arbeit auf dem Felde (beziehungsweise im Garten) als Übel, weil unter anderem darin die Bestrafung Adams bestand? So war das nicht gedacht – wenn man den Zeugnissen über die ersten Versuche der mitteleuropäischen Gartenkultur Glauben schenkt. Welch wundervolles Gedicht Über den Gartenbau schenkte uns Walahfrid Strabo, der als Abt auf der Bodenseeinsel Reichenau im frühen 9. Jahrhundert nicht nur betete und sich von Büchern belehren ließ. Der erste Vers des Gedichts endet vielmehr mit: »Arbeit und eifrige Mühe, die ich an manchen Tagen langem Nichtstun vorzog, lehrten es mich, da ich alles erprobte und Erfah-rung gewann.« Gartenarbeit war für die hohe Geistlichkeit etwas Wunderbares und Lehrreiches, schon der heilige Benedikt hatte 300 Jahre zuvor körperliche Arbeit zu einem elementaren Bestand-teil seines Lebens erklärt und so manches sorgsam gehegte Heil- und Würzkraut zu schätzen gewusst.

    Da nun Adam, Benedikt und Walahfrid mit gutem Beispiel vorangegangen und mit dafür verantwortlich waren, dass der Gartenbau auch außerhalb ihres Wirkungskreises Früchte trug, sollte zumindest ein lebendes Mitglied einer klösterlichen Bruder-schaft seine Sicht auf und sein Wirken im Garten in diesem Buch darstellen. Noch gibt es Benedektiner- und Zisterzienser-Orden und noch gibt es einige darunter, die über einen Garten oder sogar einen wirtschaftlichen Gartenbaubetrieb verfügen. Doch anders als vermutet, ließ sich kein Mönch dazu bewegen, sich in den bunten Reigen gärtnernder Männer einzureihen. Manche Ordensverwaltungen antworteten zumindest und entschuldigten die Ablehnung mit gesundheitlichen Problemen des gärtnernden Bruders, mit seinem Fortgang, mit terminlicher Unvereinbarkeit. Die meisten verhielten sich so, als sei die Anfrage zu abwegig, um sie zu beantworten. Ein »Bruder in Christus« zeigte sich anfangs hilfsbereit, doch als es an eine konkrete Terminvereinbarung ging, tauchte auch dieser Mann ab in die klösterliche Stille, aus der seine Kollegen zwischen Schleswig-Holstein und Bayern erst gar nicht herausgefunden hatten. Damit wurde dem Autor die Möglichkeit

    A wie Adam und weitere Gärtner, die nicht dabei sindcopyrighted material

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    verwehrt, vielleicht völlig neue Aspekte kennenzulernen und die Themenpalette des Buches sinnvoll zu ergänzen. Dabei hatte Be-nedikt XVI. gleich nach seiner Wahl zum Papst verkündet: »Ich bin nur ein kleiner Gärtner im Garten des Herrn.« Die Darstellung des Gartens und der Arbeit darin, so viel ist sicher, hätte der öffentli-chen Wahrnehmung vom Klosterleben nicht geschadet.

    Stillhalten beziehungsweise dürftig begründete Absagen gab es außerdem von prominenter Seite. Ich muss zugeben: Natürlich wäre ich zu Prinz Charles nach Highgrove gefahren und hätte bei der Gelegenheit im Anschluss gerne mit Jamie Oliver Gemüse für ein Süppchen geerntet. Außerdem schrieb ich eine Anfrage auf die andere Seite Europas, auch André Heller erfuhr von meinem Buch. Nach einem Rundgang durch seinen Garten am Gardasee hätte ich noch einen Schlenker über Südfrankreich eingelegt und mir ein Bild davon gemacht, was Johnny Depp damit meinte, als er über sein Leben im Hinterland der Côte d’Azur sagte: »Ich wache einfach auf, gehe raus und schaue nach dem Garten.« Diese Pressmittei-lung von 2009 fand ich interessant, aber etwas zu dürftig. Und um einmal im Inland zu bleiben – auch von Günther Jauch wäre es interessant gewesen zu erfahren, ob er gehend oder sitzend mäht. Oder mähen lässt.

    So blieben die Versuche erfolglos, den Lesern bekannte Gesich-ter in ihrem nicht immer bekannten, engsten Lebensumfeld zu präsentieren. Aber möglicherweise beleuchtet gerade dies einen interessanten Aspekt, der die vorliegende Sammlung an gärtnern-den Männern so sympathisch macht. Garten und Gärtnern hat bei diesen Menschen auch immer etwas mit Teilen zu tun. Bei jedem habe ich ein helles Leuchten in den Augen gesehen, wenn wir an den subjektiv empfundenen Lebenswert des Gartens kamen. Das Egoistische des Gartenglücks scheint nicht auszuhalten zu sein, Garten ist nie etwas nur für einen allein.

    Und wer fehlt noch? Ich weiß, Manfred Lucenz und Klaus Ben-der. Wenn das Gespräch auf gärtnernde Männer kommt, ist man schnell bei den Herren vom Niederrhein. Zweifellos sind Lucenz Bender, die wie eine Firma in einem Atemzug mit Nachnamen

    genannt werden, sympathisch, und ihr Garten ist höchst beeindruckend. Doch manchmal muss ein Autor einsame Entscheidungen treffen: Erstens sollte man doch besser Männer vorstellen, die den meisten Lesern neu sind, und zweitens darf man sich darüber freuen, dass die beiden Herren ein ganzes Buch über ihren Garten geschrieben haben. Ein Garten fürs Leben gibt es jetzt übrigens als Sonderausgabe – mit einer Un-krautgabel dabei. Auch die fehlt hier.

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  • 13Der Garten einer anderen

    Johannes Bauersachs geht mit Farben und Staffelei häufi g hinaus in die Brandenburger Landschaft. Er liebt die Weite des fl a-chen Landes, die Wolken oben, die Wiesen und Rapsfelder darunter. In diesem Jahr sei an einem Tag die Luft voller Rapsglanzkäfer ge-wesen, sagt er, und weil es die Landschaft gerade hergegeben habe, wären Rapsfeldmotive auf die Leinwand gekommen. Dabei bekam die Oberfl äche eines Bildes eine körnige Struktur, denn viele Käfer kamen Pinsel und Leinwand zu nahe und wurden eingemalt. Ein Bild mit so viel materieller Dichte zum Motiv hatte er noch nie gemalt – es hat sich außergewöhnlich schnell verkauft.

    Johannes Bauersachs ist Maler und er malt an einem Ort, an dem von 1939 bis 1978 eine berühmte Kollegin wohnte und arbeitete: Hannah Höch. Wie die Ehrentafel in der Fliederhecke zur Straße hin bezeugt, war Hannah Höch »eine der großen Frauen ihrer Epo-che«, 1919 Mitbegründerin von Dada Berlin und berühmt gewor-den vor allem durch ihre Bildcollagen. Seit 1987 lebt der gebürtige Ingolstädter in diesem Haus in Berlin-Heiligensee. Unter 300 Bewerbern wählte die Stadt ihn als Mieter aus, einen Künstler, wie von Hannah Höch testamentarisch verfügt. Zirka 20 Jahre später konnte Bauersachs das Anwesen kaufen – geändert hat sich an der schweren Aufgabe damit nichts. Er pfl egt ein Gartendenkmal, das Erbe einer berühmten Frau, einer außergewöhnlichen Künstlerin. Peter Carlberg, ein Neffe von Hannah Höch, meinte in einem selbst gedrehten Film über den Garten: Ohne den Garten sei die Künst-lerin nicht zu verstehen – und selbstverständlich ist der Garten ohne Hannah Höch nicht zu verstehen. So wohnt ihr Geist noch immer hier, bewahrt von Johannes Bauersachs, so gut es eben geht bei einem Garten. Bäume wachsen und verändern die Lebensbe-dingungen anderer Pfl anzen, und so können nicht alle Schützlinge von Hannah Höch überleben. Auf das Gemüse, das die Künstlerin anbaute, verzichtet Bauersachs ganz. Der Boden sei zu mager, man müsse zu viel gießen, und der Schatten habe zugenommen.

    Ein Gartenerbe zu übernehmen zwingt den Erben zur Zurückhal-tung. Aber die intensive Auseinandersetzung mit der Erblasserin machte es ihm leicht. Kennengelernt hat er sie indes nie. Zwar kam er schon 1972 zum Kunststudium nach Berlin und im damaligen

    Linke Seite: Der Künstler Johannes Bauersachs bekam unter zahlreichen Mitbewerbern den Zuschlag, Haus und Garten von Hannah Höch zu bewohnen und zu pfl egen.

    Ganz oben: Eine Blaufi chte und die übrigen Pfl anzen im Vorgarten deuten schon an, dass hier jemand einen Garten pfl egt, der aus einer anderen Zeit stammt.

    Oben: In der Remise ist ein kleiner Raum eingerichtet, der in sympathischer Bescheidenheit an die Künstlerin erinnert.

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  • 14Kunstbetrieb habe sie durchaus eine Rolle gespielt, aber die alte Dame zu besuchen hat er sich nicht getraut – was er heute be-reut. Und doch hat er Glück, denn Hannah Höch hinterließ einen reichen Fundus an Geschriebenem und Gemaltem. Garten und Künstlerin und der jetzt hier lebende Künstler tragen also zum gegenseitigen Verständnis bei.

    Die Höch bekam im »Dritten Reich« Berufsverbot, nutzte eine Erbschaft und kaufte 1939 das 1200 Quadratmeter große Anwesen. Ein Rückzugsort, an dem sie sich sicher fühlte, war das Haus, auf allen Seiten umgeben von einer mehrlagigen »Schutzhülle«, dem Garten. Die Künstlerin hatte Angst, zuerst vor den Nazis, dann vor der Roten Armee und danach hatte sie ihr Leben zwischen ihren Schützlingen, den Pfl anzen, eingerichtet und wollte es nicht mehr anders. Außen beginnt die Schützhülle mit einer dichten Hecke, dann folgen Apfelspalier und Laubengang, dann Beete und Wasser-becken und schließlich tarnen die Kletterpfl anzen das Haus. Wäh-rend des Krieges hielt sich Hannah Höch mit eigenem Obst und Gemüse über Wasser, Handwerker wurden mit Blumenaquarellen bezahlt. Ihre Utensilien und Kunstwerke vergrub sie in wetterfes-ten Kisten im Garten oder versteckte sie in der Dachverkleidung. Nach dem Krieg verkaufte sie Blumen, um ihre Rente aufzubessern. Erst mit der Pop-Art richtete sich der Blick der Kunstszene wieder auf Hannah Höch, heute hängen ihre Bilder in Ausstellungen zur Moderne zwischen den großen Namen.

    Damals wie heute war der Garten einmalig in der Nachbarschaft. Damals eckte Hannah Höch an mit ihrem Stil, den man wild nen-

    nen kann, was ihn aber nicht ganz trifft. Zwar zeichnete der BUND ihn 2008 wegen seines Artenreichtums aus und hält dort seinen »Tag des Offenen Gartens« ab, aber er hat zu viel Kultur, um ihn nur als wild zu bezeichnen. Die Abschottung zur Straße war Höchs Angst geschuldet, die innere Gestaltung einerseits der Sehnsucht nach Vielfalt in ihrem begrenzten Lebensraum, andererseits der Neigung, sich ihre Welt collagenhaft zu denken und zu erschaffen. So ist auch der Garten eine Collage, mit Spalier und Laubengang, Blumenbeeten und Wegen, einem schattigen Rasen mit aufgereih-ten Obstbäumen, in Winkeln und Fluchten angelegt, die der Profi wahrscheinlich anders gewählt hätte. In der Mitte des Südgar-tens legte Johannes Bauersachs wieder einen Kakteengarten an, eine Erinnerung an die Kakteensammlung der Künstlerin. Damit nimmt er das Raus- und Reintragen auf sich, was zu Höchs Zeiten ein gefährliches Unterfangen war – die Säulenkakteen überragten die kleine Frau mitunter. Auf Säulenkakteen verzichtet Johannes Bauersachs allerdings weitgehend.

    So lebt Johannes Bauersachs mit seiner Frau in diesem Denkmal und weiß, wie er den Garten in einer Stimmung halten kann, die uns die Erinnerung an Hannah Höch und ihr Leben im Garten ermöglicht. Aber er scheint sich nicht zu zwingen, in ruhiger und unaufgeregter Weise räumt er ein, dass er nichts ändern will, keine Gestaltungsabsichten hat außer denen, die sich durch die Pfl ege dessen ergeben, was die Höch angefangen hat. Auf die Frage, ob er Gärtner sei, antwortet er trocken: »Na ja, von mir aus das auch.« Sich um einen Garten zu kümmern, ist ihm biografi sch mitgegeben worden. Seine Oma begeisterte ihn mit Aussaaten, mit Einlegen

    Unten links und Mitte: Geißbart und Tischtennisplatte zieren den Vorgarten, verborgen hinter dem Haus liegt der Obstgarten.

    Unten rechts: Rosenbogen und Kakteenbeet waren schon geliebte Elemente des Gartens, als ihn Hannah Höch pfl egte.

    Rechte Seite: Die Rosenblüte im Juni zählt zu den Höhepunkten im Wohngarten. Vor der Remise sind zahlreiche Topfpfl anzen aufgestellt.

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  • 15

    und Einkochen. Den Rosenkohl versteckte er allerdings, weil er ihn nicht mochte. Und Rasenmähen mochte er auch nicht, auch wenn er 2 Mark dafür bekam. Die Anstrengung (ohne Motor) war für das Ergebnis zu hoch. Glücklicherweise hat Hannah Höch nie viel Rasen gehabt.

    Wie mit dem Berliner Senat vereinbart, ist der Garten auf Anfrage zu besichtigen. Gerne führt Johannes Bauersachs Gruppen ab sechs Personen hindurch und nachher auch in das Atelier, in dem er jetzt malt. Gelegentlich verkauft er dann ein Bild oder das Buch Ich ver-reise in meinen Garten, schöner Lesestoff über diesen Garten. Darin steht alles, was hier keinen Platz gefunden hat.

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  • 17Ein Sammelsurium, eine Schatzkammer auf Zeit

    Hanspeter Bethke sah den Saxdorfer Pfarrgarten 1968 zum ersten Mal, ein verödetes Stück Land, nur mit Holunder, Brenn-nesseln, Hopfen und Brombeeren bewachsen. Ein Jahr zuvor hatte Karl-Heinrich Zahn die Pfarrstelle in dem kleinen südbrandenbur-gischen Dorf bei Bad Liebenwerda angetreten, und beide waren von der Idee entzündet, hier einen Pfarrgarten anzulegen, der den Namen verdient. Ob das gelungen ist? Ich wette: Die meisten erfolgreichen Gartenarchitekten würden sagen: Dieser Garten ist ein Chaos, das Werk eines Wirrkopfes, der nichts versteht von Farbe, Form und Proportion, von gerader Linie und rechtem Winkel erst recht nicht. Das Werk eines Mannes, der sich nicht beherrschen kann, kein Maß und Ziel hat, alles nimmt, was er bekommen kann, und in seinen Garten setzt, in runde, elliptische oder sonst wie geformte Beete, alles umrandet mit Sandsteinen, keiner wie der andere. Auf diese Sandsteine stellt er dann noch Tröge, mit Haus-wurz und Agaven. Nichts ist mehr aus der Mode als Hauswurz. Da wundern einen Atlaszedern, Perückenstrauch und Goldulme auch nicht mehr.

    Vor dieser Unmenge an subjektiv so empfi ndbaren Geschmack-losigkeiten fl üchtet der Gartenarchitekt – und versäumt zwangs-läufi g den zweiten und den dritten Rundgang. Und den vierten, auf dem man wieder Dinge entdeckt, die man vorher übersah. Dieser Garten ist voll davon. So braucht man für den Pfarrgarten etwas, was es heutzutage scheinbar nicht mehr gibt: viel Zeit. Zeit braucht man auch für Hanspeter Bethke – wenn er sie denn gerade hat.Ich kam an einem »Tag des Gartens« nach Saxdorf. Pastor Zahn musste nach Leipzig, Künstler Bethke saß vorne im Hof an einem Tisch und begrüßte die Gäste. Auf dem Kopf ein ausgebleichtes Baumwollhütchen, Gummilatschen an den Füßen, dazwischen Hemd und Dreiviertelhose mit Pfl anzenmotiven und in Farben, die Flecken vertragen. Eine skurrile Erscheinung, wie gemacht für diesen Garten, der an die 3000 Pfl anzenarten und -sorten beher-bergen soll. Ein Tag mit dem Künstler vergeht im Fluge, er kann viel erzählen, was man noch nicht weiß. Gärtner sei er schon immer gewesen, viel habe er von den Eltern gelernt. Ein Foto gibt es, auf

    Linke Seite und ganz oben: Hanspeter Bethke »dirigiert« im Saxdorfer Pfarrgarten Tausende Pfl anzenarten zu einem ungewöhnlichen, aber harmonischen Zusammenspiel. Dort trifft er nicht selten alte Freunde wieder, die wissen, wo sie den Gärtner aus Leidenschaft fi nden.

    Oben: In der Mitte des Gartens ist während des Sommer-halbjahres die Kakteen- und Sukkulentensammlung von Hanspeter Bethke und Karl-Heinrich Zahn aufgestellt.

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  • 18

    Oben: Die Steine sammelte Karl-Heinrich Zahn, das Arrangement besorgte Hanspeter Bethke; die Pfl anzen bringen südländische Atmosphäre in den Garten.

    Unten: Zu vielen Skulpturen gibt es eine Geschichte zu erzählen. Der Garten besteht, bis auf die Rasenwege, nur aus Beeten.

    Rechte Seite: Hinter dem Engel an einem der Sitzplätze tut sich im Sommer eine wahre Schatzkammer voller Stauden und Rosen auf.

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  • 19

    dem er mit fünf Jahren eine Blume gießt. In seiner Kindheit in Magdeburg und Halle hat es stets einen Garten gegeben. Viele Pfl anzen in Saxdorf stammen aus seinem botanisch aufgepfl anz-ten Schreber garten in Halle, nicht selten haben sie eine Geschichte. Den Mammut baum mit der roten Kletterrose hat er aus einem Samen gezogen, den er in Altenstein von einem Baum sammelte, den Fürst Pückler gepfl anzt hat. Eine Zeder ist der »Wendebaum«, weil er in dem denkwürdigen Jahr ausgesät wurde. Bis in die heu-tige Zeit sät Hanspeter Bethke aus, zieht groß, verschenkt, tauscht und verkauft. Ob er den berühmten grünen Daumen hat? Es sei nur wichtig, dass man probiert, immer und immer wieder. Irgendwas komme schon heraus dabei. Schön ist auch die Geschichte, wie er

    gleich nach der Wende beim berühmten Bambus-Eberts in Baden-Baden anrief, und der ihm anhängerweise Bambus zum Testen in kontinentalem Klima schickte. Mit diesen Erkenntnissen wollte Eberts dann eine Bambuszentrale im Osten aufmachen. Aber daraus wurde nichts. »Klar, Männer kaufen Bambus, und immer die mit den dicksten Sprossen und den höchsten Halmen. Aber Frauen kaufen Rosen, und auf die kommt es an.« Rosen wachsen zuhauf hier, viele »Vogelschissrosen«, von denen etliche noch benannt werden müssen. In diesem Boden sät sich alles Mögliche aus. An den Rosenblüten sollte man besser nicht riechen, warnt der Gärtner-Künstler. Seit ein paar Jahren ist der Garten voller Raps-glanzkäfer, die sich besonders an den Rosenblüten nähren. »Und

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  • 20

    wenn Se dann mal einen kräftigen Zug nehmen, ham Se se in der Nase.« Und immer wieder ein Lachen, nein, was Stasi und Stachel-draht nicht geschafft haben, wird dem Rapsglanzkäfer auch nicht gelingen. Gegen das eine wie das andere wird es irgendwann ein Mittel geben.

    Als Zahn und Bethke in Saxdorf begannen, hatten die Behörden nicht nur freidenkenden Menschen, sondern auch hochgewachse-nen Laubbäumen den Kampf angesagt. Alte Linden und Ulmen an der Straße und vor allem auf dem Friedhof fi elen und dieser ver-kam zum kahlen Gräberfeld. Aber unerschrocken fi ngen beide an, dort Bäume und Sträucher (»geklaute, gekaufte, getauschte oder

    geschenkte«) in Eigenregie anzupfl anzen. Natürlich auch Bambus. »Tot zu sein ist eine Lust, mit einem Bambus auf der Brust.« So lustig kann der Ernst des Lebens sein. Aber in der Tat ist es mög -lich, dass die in Saxdorf Gebetteten zu den ganz wenigen Toten in Deutschland gehören, die unter Bambus liegen. Wurzelsperren gibt es nicht, Ausläufer werden abgestochen und verkauft.

    Jetzt geht Hanspeter Bethke stramm auf die 80 zu, gelegentlich mischt sich Melancholie in den Tatendrang. Der Vorteil an den unzähligen Sandsteinen sei einerseits ihr edler Charakter und an-dererseits, dass man wenigstens wüsste, woher die Rückenschmer-zen kämen. Mit der Pfl ege des Gartens stoßen Bethke, Zahn und

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  • 21die treue Helferin Rosmarie Stamm an ihre Grenzen. Sie wissen, dass nur wenige Jahre fehlende oder mangelnde Pfl ege reichen, um diese botanisch-gärtnerische Schatzkammer zu zerstören. Hohe Herren wie Platzeck, Schönbohm, Böhmer seien schon hier gewesen und hätten alles wunderschön gefunden, aber Geld habe niemand springen lassen. Eine Stiftung müsse her und damit ein junger Gärtner, der sich von Hanspeter Bethke und Karl-Heinrich Zahn inspirieren lässt, der deren Geschichten zu seinen macht, der lernt, warum so viele Rosen auf diesem armen Boden gedeihen. Auf sechs Dinge kommt es hier an: »Düngen, düngen, düngen und lernen, lernen, lernen.« Drei Dinge vergaß Bethke zu sagen: gießen, gießen, gießen. Im ganzen Garten sind Zapfstellen verteilt, Schläu-che durchziehen ihn, um diese Vielfalt am Leben zu erhalten. Vom Gießen ausgenommen ist die Kakteensammlung im Zentrum des Gartens, die in einer logistischen Meisterleistung mit den anderen empfi ndlichen Pfl anzen im Winter ins Gewächshaus müssen. »Der Pastor liebt diese Schwiegermutterstühle«, aber man müsse schon genau hinsehen, um sie schön zu fi nden. Zu DDR-Zeiten war eine Kakteensammlung auch ein Gruß aus der großen weiten Welt, mit ihr war man einen kleinen Schritt aus der eingemauerten Republik herausgetreten, in ferne Länder.

    Hanspeter Bethke ist froh, wenn der »Tag des Gartens« vorüber ist. Schließlich muss er in erster Linie gärtnern. Wie diese 10 000 Quadratmeter intensiv bepfl anztes Gartenland mit so wenig Händen tipptopp gehalten werden kann? »Ich bin eben fl eißig, sitze nicht in Kneipen rum, erziehe keine Kinder und bin jeden Tag hier draußen.« Dann kommt eine alte Freundin von weither zu Besuch. Seinen Zopf hätte er immer noch, hört man sie tuscheln. Den würde er auch behalten, der gehöre zu ihm. Zwar würden die

    Haare nun spürbar dünner, aber »selbst drei Haare lassen sich noch zu einem Zopf binden.« Es geht immer weiter, jedes Frühjahr ist ein neuer Anfang, Gärtnern hält jung – große Wahrheiten, wie beiläu-fi g dahingesagt, wie hineingesteckt in zwei Gummilatschen.

    Wenn alles gut geht, wird es auch im nächsten Jahr wieder einen Saxdorfer Kultursommer geben. Seit 1974 lädt Karl-Heinrich Zahn hochkarätige Künstler ein in dieses Ensemble aus mittelalterlicher Kirche und Garten, die Gäste kommen mittlerweile auch aus Berlin oder Dresden. Und nicht ohne Grund erscheinen der Pfarrgarten und die Kultur als Erstes, wenn man Saxdorf im Internet sucht. www.saxdorf.de verrät all das, was man hier vermissen könnte.

    Linke Seite: Neben den Kakteen (am linken Bildrand) sorgt auch die Hanfpalme im Sommerhalbjahr für südliches Flair.

    Unten links: Nicht nur den Pfarrgarten, auch den Friedhof bestückten Hanspeter Bethke und Karl-Heinrich Zahn beharrlich mit Pfl anzen.

    Unten Mtte: Hanspeter Bethke ist ein viel gefragter Mann, der wie hier Besucher zu botanischen Besonderheiten führt.

    Unten rechts: Der Garten ist Lebensraum, in dem auch am besucherreichen »Tag des Gartens« Spuren des Alltags im Wind wehen.

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  • 22 Durch und durch Staudengärtner

    Pfl anzen hauchen Gärten ihr Leben ein, sie sind die emotionale Brücke zwischen Mensch und Ort. So verdanken Gärten ihre Vielfalt vor allem den Gärtnern, die sich der Züchtung, Auslese und Vermehrung von Stauden und Gehölzen verschrieben haben. Zu den prominentesten gehört Dieter Gaissmayer, der vor rund 30 Jahren in Illertissen im Allgäu eine Staudengärtnerei gegründet hat und sie als eine von wenigen nach Bioland-Richtlinien betreibt. Bald übergibt er sie an die nächste Generation – aber Gärtner bleibt er dennoch.

    Herr Gaissmayer, sind Sie in einem Gärtnerhaus groß geworden?Nein. In meinem ersten Leben habe ich eine Ausbildung als Drogist in Ulm gemacht. Aber als Farben und Chemikalien und damit Flair und Sachverstand aus den Läden verschwanden, habe ich das Fach-abitur nachgemacht. Gegen Ende habe ich Franz Brönner, einen Mitschüler und ebenso passionierten Biertrinker wie ich, gefragt: Und, was machen wir jetzt? Da haben wir uns ein Städtchen mit alter Bierbrauerkultur gesucht, sind nach Weihenstephan gezogen und haben an der Fachhochschule Gartenbau studiert.

    Wäre Brauereiwesen nicht passender gewesen?Vielleicht hatten wir eine Ahnung, dass wir es besser beim freizeit-mäßigen Genuss belassen sollten.

    Wie ging es dann weiter?Da wir keine Gärtnerausbildung vorweisen konnten, wollte die Fachhochschule uns eigentlich nicht haben. Aber wir sind stur da-geblieben und haben uns ganz ordentlich gemacht. Danach haben

    Interview mit dem Staudengärtner Dieter Gaissmayer

    Unten von links nach rechts: Dieter Gaissmayer in seinem Element: Bei einer Gartenführung, radelnd im Topfquartier, bastelnd mit Kindern auf einer Gärtnereiveranstaltung und vor seiner in einem ehemaligen Bienenhaus untergebrachten Bibliothek.

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  • 23

    wir Land gesucht und konnten hier in Illertissen günstig einen Hektar pachten. Zuerst haben wir vorwiegend Gemüse produ-ziert, vor allem für das Krankenhaus. Ein Jahr lang haben wir hart geschuftet, ohne dass was hängenblieb. So haben wir außerdem Gärten bepfl anzt, ganze Straßenzüge. Mit dem verdienten Geld haben wir eine Staudengärtnerei aufgemacht, die nach drei Jahren auskömmlich wirtschaftete.

    Hat Ihr betriebswirtschaftliches Grundwissen ausgereicht, um eine Gärtnerei zu gründen?Ich würde sagen: Ahnung von BWL schadet nicht. Mit diesem Fach habe ich mich schon als Drogist beschäftigt. Andererseits waren die betriebswirtschaftlichen Beratungen, die wir von der Bezirks-regierung bekamen, kläglich: Ohne Gastarbeiter und Bankkredite würde es ohnehin nicht funktionieren. Und dann fi ngen die immer vom Kostendeckungsbeitrag an – da habe ich gemerkt, dass wir anders ticken und es auch ohne Schulden und Billigkräfte hinkrie-gen würden.

    Aber an kostendeckendem Wirtschaften kommt auch ein Gaissmayer nicht vorbei.Leider. Aber wenn man ein breites Sortiment anbieten will, muss man fl exibel denken. Wir haben rund 3000 Arten und Sorten, von denen wohl nur 800 wirtschaftlich sind und die 2200 anderen mit durchziehen. Gärten brauchen Vielfalt, Gärtner mit Herz hassen nichts mehr als Eintönigkeit. Eine starre Kostendeckungsbeitrags-rechnung hat die halbe Welt eintönig und trostlos gemacht.

    Sie bieten als eine der ganz wenigen Gärtnereien Bio-Stauden an. Liegt da wie in der Lebensmittelbranche ein Zukunftsmarkt?Vermutlich leider nicht, das hat eher interne Wirkung. Ich habe in den 1980er-Jahren noch einen Terrabol-Schein gemacht und Erde schädlingsfrei verseucht. Da wurde mir als Drogist schon mulmig. Dann kam mir das Buch Der stumme Frühling von Rachel Carson in die Finger, und als wir schließlich unseren Acker hier mit einem Wühlmausmittel behandelt hatten und diesen Geruch jahrelang nicht loswurden, mussten wir uns entscheiden. Wir wollten ein-

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  • UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

    Stefan Leppert

    Sein GartenWenn Männer Gärtner werden

    Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 152 Seiten, 23,0 x 25,0 cmISBN: 978-3-421-03792-3

    DVA Architektur

    Erscheinungstermin: Februar 2012

    Männer und ihre Gärten Männer im Garten können mehr als Rasenmähen und den Grill bedienen! Das zeigt StefanLeppert mit seinen charmanten Porträts unterschiedlichster Männer und ihrer Gärten inDeutschland, Österreich und der Schweiz. Er erzählt die Geschichten hinter den markantenTypen: Warum sie den Weg in den Garten gefunden haben und wie sich die Gartenleidenschaftin ihrer Persönlichkeit abbildet. • Spannende Porträts von Männern und ihren Gärten• Vom stimmungsvollen Bauern- bis zum modernen Wohngarten• Reich bebildert, für alle Gärtner und auch Gärtnerinnen