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Crampi bei amyotrophiseher LateralsMerose. Von Dr. Arthur Simons, Assistent. (Aus der Poliklinik ffir ~Tervenkranke yon Professor H. Oppenheim.) Mit 2 Textfiguren. Mit einem Anhang: Untersuchung der AktionsstrSmer der lVIuskeln wi~hrend des Crampus yon Dr. Paul Hoffmann, Assistent am PhysiologischenInstitut der Universit~lt Berlin. (Eingeqangen am 25. Mdirz 1911.) Anfang Februar d. J. untersuchte ich in der Oppenheimschen Poliklinik einen 44j~hrigen Handhmgsgehilfen. Er hatte zuerst vor 2 Jahren bemerkt, dall ihm alas Kauen und Spreehen schwer wurde, getzt spricht er nut noch einzelne Worte verst~ndlieh, abet ausdruekslos, und aueh das Kauen hat sich stetig verschleehtert. Der Kranke hat grobe SchluekstSmngen bisher nieht bemerkt. Er soil nieht eiu- real beim Essen und Trinken husten. Einen Monat naeh Beginn der bulb~ren Erscheinungen ffihlte er Schw~che der Beine. Aueh sie hat dauemd zugenommen. Vor einigen Wochen sah die Frau zuerst die Abmagemng der kleinen Hand- nmskeln. Cerebrale Allgemeinerseheinungen, Sehmerzen, BlasenstSr~mgen fehlten immer. Der Mann glaubt, da$ Uberanstrengung und vieles Stehen ihn krank gemaeht hat. Er war frfiher stets gesund und weiB nichts yon sonstigen Seh/iAigungen (Lues, Potus, Nieotin, andere Gifte, Traumen usw.). Er hat 4 gesunde Kinder und ist unbelastet. Die objektive Untersuehung ergibt: Stark bulb~re Sprache, so da$ die Ana- mnese vonder Frau und durch schriftliehe Antworten des Mantles erhoben wird. Kein SpeiehelfluS; der NIund ist immer leieht geSffnet, der Kiefer wird naeh alien Riehtungen etwas kraftlos bewegt. Eine grobe Sehwiiehe besteht aber nieht. Die Zunge fiihlt sigh im ganzen welch an und wird nut etwa 2 cm fiber die Zahn- reihe gebraeht. Das vordere Zungendrittel ist dfinn, atrophiseh und zeigt fibril- l~re Zuekungen. Das Gaumensegel wird kaum gehoben. Die Temporalgruben sind etwas abgeflaeht. Faeialis motoriseh vollkommen frei. Keine Sensibilitis stSrungen im Gesieht. Augenbewegungen frei. Pupillenliehtreaktion prompt, Fundus normal. Die meehanische Muskelerregbarkeit im Gesicht ist stark erhSht. Im reehten Masseter fibrill~re Zuckungen. Die Bew/iltigung eines Bissens gelingt langsam und mfihsam, schlieSlich mit gurrenden Lauten. Die Sehnenphanomene an dem Arm sind sehr gesteigert; es kommt zur Finger- beugung beim Beklopfen des Handriiekens. In den Muskeln der Arme keine Atrophie oder SchwKehe; die Muskeln sind nirgends drueksehmerzhaft; nur die

Crampi bei amyotrophischer Lateralsklerose

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Page 1: Crampi bei amyotrophischer Lateralsklerose

Crampi bei amyotrophiseher LateralsMerose. Von

Dr. Ar thur Simons, Assistent.

(Aus der Poliklinik ffir ~Tervenkranke yon Professor H. Oppenheim.)

Mit 2 Tex t f i gu ren .

Mit einem Anhang:

Un te r suchung der AktionsstrSmer der lVIuskeln wi~hrend des Crampus

yon

Dr. Paul Hoffmann, Assistent am Physiologischen Institut der Universit~lt Berlin.

(Eingeqangen am 25. Mdirz 1911.)

Anfang Februar d. J. untersuchte ich in der Oppenheimschen Poliklinik einen 44j~hrigen Handhmgsgehilfen. Er hatte zuerst vor 2 Jahren bemerkt, dall ihm alas Kauen und Spreehen schwer wurde, getzt spricht er nut noch einzelne Worte verst~ndlieh, abet ausdruekslos, und aueh das Kauen hat sich stetig verschleehtert. Der Kranke hat grobe SchluekstSmngen bisher nieht bemerkt. Er soil nieht eiu- real beim Essen und Trinken husten.

Einen Monat naeh Beginn der bulb~ren Erscheinungen ffihlte er Schw~che der Beine. Aueh sie hat dauemd zugenommen.

Vor einigen Wochen sah die Frau zuerst die Abmagemng der kleinen Hand- nmskeln.

Cerebrale Allgemeinerseheinungen, Sehmerzen, BlasenstSr~mgen fehlten immer. Der Mann glaubt, da$ Uberanstrengung und vieles Stehen ihn krank gemaeht

hat. Er war frfiher stets gesund und weiB nichts yon sonstigen Seh/iAigungen (Lues, Potus, Nieotin, andere Gifte, Traumen usw.). Er hat 4 gesunde Kinder und ist unbelastet.

Die objektive Untersuehung ergibt: Stark bulb~re Sprache, so da$ die Ana- mnese vonder Frau und durch schriftliehe Antworten des Mantles erhoben wird. Kein SpeiehelfluS; der NIund ist immer leieht geSffnet, der Kiefer wird naeh alien Riehtungen etwas kraftlos bewegt. Eine grobe Sehwiiehe besteht aber nieht. Die Zunge fiihlt sigh im ganzen welch an und wird nut etwa 2 cm fiber die Zahn- reihe gebraeht. Das vordere Zungendrittel ist dfinn, atrophiseh und zeigt fibril- l~re Zuekungen. Das Gaumensegel wird kaum gehoben. Die Temporalgruben sind etwas abgeflaeht. Faeialis motoriseh vollkommen frei. Keine Sensibilitis stSrungen im Gesieht. Augenbewegungen frei. Pupillenliehtreaktion prompt, Fundus normal. Die meehanische Muskelerregbarkeit im Gesicht ist stark erhSht. Im reehten Masseter fibrill~re Zuckungen. Die Bew/iltigung eines Bissens gelingt langsam und mfihsam, schlieSlich mit gurrenden Lauten.

Die Sehnenphanomene an dem Arm sind sehr gesteigert; es kommt zur Finger- beugung beim Beklopfen des Handriiekens. In den Muskeln der Arme keine Atrophie oder SchwKehe; die Muskeln sind nirgends drueksehmerzhaft; nur die

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24 A. Simons:

kleinen Handmuskeln sind beiderseits atrophisch mit entsprechendem Funktions- ausfall und partieller E. A. R.; keine Krallenhand; beim H~ndednlck 'nur geringe Schw~he.

Steigerung der mechanisehen Erregbarkeit und fibrill~re Zuckungen in den Armmuskeln.

Bauch- und Cremastarreflexe sehr lebhaft; die Erregbarkeit der Muskeln ist so gesteigert, daft an einzelnen Tagen beim Beklopfen der Symphyse die Reeti fiir einige Sekunden bretthart werden. --Keine SensibilitKtsstSrungen am Rumpf; doppelseitiger Steppergang; Unterschenkel beiderseits ziemlich abgemagert. In der rechten Oberschenkelmuskulatur geringe Schw~iche. Erhebliehe Schw~che in allen Muskeln des Unterschenkels und des Fuftes, so dab im freigehaltenen Gliede iiber- haupt keine Bewegung und bei Unterstiitzung nur ganz geringe Zehenbeugungen mSglich sind. Knieph~nomenebeiderseits sehrstark; Achillesph~nomen fehlt beider- seits; kein spastischer Reflex; in alien Muskeln des Unterschenkels und des FuBes ; partielle E. A. 1~. ; keine Sensibilit~tsstiirungen. Innere Organe normal. Keine AnKmie oder Kachexie. Wassermann negativ.

Aus dem kurz mitgeteilten Befunde ergibt sich, da~ der Kranke an der d e s z e n d i e r e n d e n F o r m d e r a m y o t r o p h i s c h e n L a t e r a l s - k l e r o s e leidet.

Bei der elektrischen Untersuchung der Muskulatur des Ober- schenkels, die beim Kneten nirgends schmerzhaft und meehanisch nicht besonders erregbar war, kam es nun bei faradischer Reizung be i d e m s e l b e n R o l l e n a b s t a n d , be i d e m die e r s t e d e u t l i c h e Z u e k u n g a u f t r a t (Rheostat ganz ausgesehaltet; 91/2 cm R. A.), bei einem einige Sekunden dauernden Kathodenschlu$ z u la ng a n d a u e r n- d e n K o n t r a k t i o n e n ; der M u s k e l wurde yon wenigen Sekunden bis zu e i n e r M i n u t e b r e t t h a r t . Der schmerzhafte Krampf erlosch mit groben fibrill~ren Zuekungen. Dieser Krampf entstand bei dem oben erw~hnten Rollenabstande auBer im Vastus internus noch in den Bauch- muskeln (ram. recti) und den Flexoren des Vorderarmes. Bei sti~rkerer faradiseher Reizung wurde die ganze Vastusgruppe und der Sartorius wie bei einem Muskelmodell herausgemeiBelt. Der Kranke stShnte vor Schmerzen. Besonders ist hervorzuheben, da$ keine Spur von E. A. R. in diesen Muskeln naehzuweisen war, nur die elektrische Erregbarkeit des Muskels war erhSht. (Faradische Erregbarkeit der ganBen Vastus- gruppe bs. bei ausgeschaltetem Rheosta t : 9,5 cm R. A. fiir die ers te deutliehe Zuekung; galvanische Minimalzuekung, K. S. Z., im lateralen Vastus bs. 3--M. A., im medicalen bes. 4 - 5 M.A. ) Die faradisehe und galvanische Erregbarkeit des N. eruralis war normal. Mit dem galvanisehen Strom waren die Kr~mpfe nur bei s tarkem Strom 15 M. A. und mehr hervorzurufen. I m Laufe der mehrwSchentliehen Beobaehtung weehselte sowohl die St~rke der fibrill~ren Zuckungen als auch die Dauer und Heftigkeit des zu erzielenden Krampfes. Anstrengung und Ermii- dung kamen hierfiir jedenfalls nieht in Betraeht, da der Kranke sich in jeder Weise sehonte. Naehdem die K r ~ m p f e kiinstlich erzeugt waren, gab der Kranke an, da[t dieselben i m L a u f e de r K r a n k h e i t

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a u c h y o n s e lbe r s ich e i n g e s t e l l t hatten. Im Oberschenkel bei Streckbewegungen, im Bauch beim Biicken und in der rechten Hand, wenn er den Arm lose auf den Riicken brachte. In der letzten Zeit soUen diese spinalen Kr~mpfe nachgelassen haben. Ich babe sie yon selber, und dann sehr heftig, nur im Oberschenkel auftreten sehen. Das Vorkommen der lange dauernden tetanischen Muskelkontraktion bei faradischer Reizung ist bereits yon E r b 1) beschrieben. Sie ist abet doch nach der Erfahrung in unserer Poliklinik als etwas sehr Selte- nes zu betrachten, wie auch Herr Prof. O p p e n h e i m hervorhob.

Das Vorkommen yon spontan auftretenden starken Kr~mpfen im Verlauf der amyotr0phischen Lateralskleros ein Muskelgebieten, in denen, abgesehen yon zeitweise fibrilli~ren Zuckungen, keine Abweichungen festzustellen sind, hat zun~chst ein gewisses kasuistisches Interesse.

Nun sind der sensible Reflexbogen und die Muskeln, die der Krampf bef~llt," nicht nachweisbar gesch~digt. Alkoholismus, Lues, Diabetes, Saturnismus, kurz, b e k a n n t e toxische Einfliisse sind auszuschlie~en. Der Kranke ist auch nicht an~misch. Die Kr~mpfe haben sich erst nach l~ngerem Beginn der Krankheit entwickelt und treten aueh in vSlliger Ruhe auf. Sie sind daher wohl der r e i n e Ausdruck einer Funk- tionsstSrung der Vorderhornzelle.

Die Kr~mpfe sind vom Riickenmark ausgelSst, aber weder willkiir- lich zu erzeugen, noch zu beeinflussen, wie das bei Crampi schon be- obaehtet worden ist. Wenn auch zwischen willkiirlichen und unwill- kiirlichen Bewegungen kein prinzipieUer Unterschied besteht, so war es doch denkbar, dab e r s t die w i l l k i i r l i c h e I n n e r v a t i o n das l~iiekenmark zwingt, dem Muskel in der Sekunde diejenige Zahl yon Impulsen zu iibermitteln, die P i p e r ~) bei seinen grundlegenden Ver- sucheniiber d e n w i l l k i i r l i c h e n M us k e l t e t a n us d e s M e n s c h e n f a n d , das l ~ i i c k e n m a r k aber bei den allein yon ihm abh~ngigen Reflexen

1) Erb, Handbueh der Elektrotherapie. 2. Aufl. S. 179 u. 180. 2) H. Piper, Uber den willkfirlichen Muskeltetanus. Archiv f. d. ges.

Physiol. 119, 301. - - Neue Versuche fiber den willkfirlichen Tetanus der quer- gestreiften Muskeln. Zeitsehr. f. Biol. 50, 393. - - Weitere Beitr~ge zur Kenntnis der wfllkfirlichen Muskelkontraktion. Zeitschr. f. Biol. 50, 504. - - Uber die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Kontraktionswelle im menschlichen Skelettmuskel. Zeitschr. f. Biol. 52, 41. Zur Kenntnis der tetanischen Muskelkontraktionen. Zeitschr. f. Biol. 52, 86. - - Verlauf und Theorie des Elektromyogramms der Unter- armflexoren. Archiv f. d. ges. Physiol. 129, 145. - - Uber die Rhythmik der Inner- vationsimpulse bei ~dllkfirliehen Kontraktionen und fiber verschiedene Arten der kiinstlichen Tetanisierung menschlieher Muskeln. Zeitschr. f. Biol. 53, 140. - - Uber die Ermiidung bei ~illkiirliehen Muskelkontraktionen. Arehiv f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. 1909, S. 91. -- Weitere Untersuehungen fiber die natiir- liche Innervierung yon Muskelkontraktionen. Der TemperaturkoeffiTient der Rhythmik in Muskel und Nerv. Arehiv f. Anat. u. Physiol., phy.~iol. Abt. 1910, S. 207--222.

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26 A. Simons:

e i ne a n d e r e Z a h l y o n I m p u l s e n zum Muskel sendet. Durch die Versuehe D i t t l e r s 1) war bei m T i e r fiir den Phrenieus sehon bewiesen, dal3 die Zwerehfellkontraktion denselben Innervationsrhythmus hat, wie der willkiirlich innervierte Muskel. Bei diesem Kranken ergab nun die Ableitung des Aktionsstroms im kiinstlich erzeugten und auch im unwillkiirlich erzeugten Crampus des Vastus internus, dab die Z a h l d e r I n n e r v a t i o n s i m p u l s e in de r S e k u n d e w ~ h r e n d des C r a m - pus f a s t d ie g l e i c h e i s t wie be i w i l l k i i r l i e h e r I n n e r v a t i o n . Bei ihr sehickt nKmlich, wie P i p e r land, das Zentralnervensystem zu d i e s e m Muskel etwa 40 Impulse in der Sekunde, deren elektrisehes )~quivalent die diphasisehen Wellen der Stromkurve sind.

Fast genau die gleiche Zahl von Impulsen zeigte aueh das Elektro- myogramm des Crampus dieses Kranken, wie die Z/ihlung der Haupt- wellen (diphasischen Wellen) in einer Sekunde - - nur die gut aus- gesprochenen Wellen werden gez~hlt - - ergibt. Ieh verweise auf die Kurven und Ausfiihrungen von H o f f m a n n im Anhang. Erst beim ErlSsehen des Krampfes verringerte sieh die Zahl der Impulse (vgl. Kurven .4 und B).

Naeh den Versuehen P i p e r s ist nun die Periode der Erregung bei natiirlicher Innervation im quergestreiften Warmbliitermuskel die gleiehe wie in seinem motorischen Nerv. Damit ist f i ir das T i e r bewiesen, dal~ die gleiche Zahl von Impulsen, die der Wille erzeugt, aueh yon der Vorderhornzelle geleistet wird. Sehr wahrscheinlieh gilt das aueh fiir den Menschen. Nun ist bisher beim G e s u n d e n ein rein spinal resp. subcortieal erzeugter Tetanus auf seine Inner- vationsimpulse nicht untersucht. Es beweist daher der vom k r a n - k e n Riickenmark erzeugte Tetanus zun/ichst nur, dab die gesch~- digte Vorderhornzelle denselben Rhythmus im Muskel unseres Kran- ken auslSst wie der Wille. Ob sie das leistet, wel l oder t r o t z - de m sie gesehKdigt ist, ist zunKchst nicht zu entscheiden, und ein Ver- gleieh mit rein spinalen Kr/~mpfen bei anderen Nervenkranken noch erforderlieh. Denn wenn auch die Erzeugung des 40---50er Rhythmus die Eigenschaft jeder motorisehen Zelle sein diirfte, so wKre es doch durehaus denkbar, dal~ der Innervationsrhythmus erst bei s c h w e r e n SchKdigungen der Vorderhornzelle, die ja bei unserem Kranken nach dem klinisehen Befunde auszuschliel~en sind, sich ver~ndert. Der Krampf bei u n s e r e m Kranken unterschiede sich dann allein durch die Dauer, aber nicht dutch die Zahl der Impulse von der normalen Zahl von InnervationsstSl~en.

Jedenfalls mul~ in geeigneten F/s die U b e r t r a g u n g de r v o n P i p e r bei G e s u n d e n g e f u n d e n e n u n d g e d e u t e t e n T a t s a e h e n ~ u f d ie P a t h o l o g i e versueht werden. Bewegungen bei bestimmten

1) Di t t l e r , Archiv f. d. ges. Physiol. 131, 581. 1910, 136, 533. 1910.

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Nervenkranken kSnnen dann vielleicht in tieferer Weise analysiert werden.

Herr Prof. 0 p p e n h e i m hat mich zur VerSffentlichung meiner Be- obachtung angeregt. Zu besonderem Danke bin ich dann noch Herrn Prof. P ipe r und Herrn Dr. H o f f m a n n verpflichtet, die es mir erm5g- licht haben, den Kranken mit dem Saitengalvanometer zu untersuchen.

Anhang yon Dr. P. Hoffmann.

Die Methodik war durchaus analog der, die P ipe r in seinen Unter- suchungen fiber den willkfirlichen Muskeltetanus anwandte. Derjenige

A

B Fig. 1. Ak t ions s t rSme des faradisch erzeugten Crampus im Vas tus media l i s ; v o n l inks nach rech ts zu lesen. Unten Zeit 0,2 Sekunden ; oben G a l v a n o m e t e r k u r v e A be im Beginn, kurz nach der Re izung ;

B nach e twa 20 Sekunden Bes tand .

Muskel, in dem die Crampi am leichtesten auszulSsen waren, der Quadrioeps, ist seiner GrSf~e wegen ffir derartige Versuche auch gut geeignet. Eine Elektrode wurde etwa handbreit proximal vom Knie auf den Muskel gesetzt, die andere ungefiihr auf die Mitte des Oberschenkels.

Die Ableitung erfolgte zu einem Saitengalvanometer (groi~es Modell aus den Werkst~tten yon Edelmann), dessen Faden aus Quarz be- stand und 5000 Ohm Widerstand hatte.

Die beiden Figuren zeigen auf diese Art erhaltene Kurven.

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Und zwar ist A aufgenommen, w~hrcnd der Crampus in voller St~irke bestand, kurz nach der Beendigung der ihn hervorrufenden Reizung. B wurde dagegen aufgenommcn, nachdem er schon ziemlich lange be- standen hatte und begann abzuklingen.

Die J~hnliehkeit mit den yon P ipe r beim willkiirlichen Muskel- tetanus erhaltenen Kurven ist evident. Die Frequenz der Kurven- wellen bctr~gt bei A 37, bei B etwa 27 in der Sekunde. Beim willkiir- lichen Tetanus erh~lt der Quadrieeps nach P ipe r 40 InnervationsstSl~e in der Sekunde. Man kann also sagen, daI~ beim Beginn des Crampus die Innervation die gleiehe ist wie bei willkiirlicher Kontraktion. W~hrend des Verlaufes nehmen die Erregungswellen an Frequenz ab.

Wir linden eine ~hnliehe Abnahmc der Frequenz der Erregungen in einem Falle auch bei der willkiirliehen Kontraktion, und zwar bei Ermiidung.

Weiter ist an den Kurven die grol~e Regelm~l~igkeit bemerkenswert. Bei willkiirlieher Kontraktion erh~lt man gerade vom Quadrieeps nicht leicht Kurven, die eine einwandfreie Ausz~hlung der Wellen gestatten. Auch bei dem Patienten sind die Aktionsstromkurven der willkiirlichen Kontraktion des Quadrieeps viel unregelm~Biger als die des Crampus. Dies kSnnte zwei Griinde haben: 1. kSnnten die vom Vorderhorn des Riiekenmarks ausgesendeten Erregungen tats~chlieh exakter rhythmisch sein; 2. kSnnte dadurch, da~ nur ein Teil des grol~cn Muskels sieh beim Crampus kontrahiert und die MSglichkeit von Interferenzen der Aktions- strSme versehiedener Fasergruppen sehr herabgemindert ist, der tat- s~chliehe Innervationsrhythmus nur klarer hervortreten. Die zweite Erkl~rungsweise hat vorl~ufig mehr Wahrseheinlichkeit.