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Z. Krebsforsch. 79, 11--18 (1973) by Springer-Verlag 1973 Das interatriale Lipom des Herzens P. J. Klein und H. E. Schaefer Pathologisches Institut der Universiti~t KSln (Direktor: Prof. Dr. R. Fischer) Eingegangen am 15. Mai 1972, angenommen am 7. August 1972 Cardiac Lipoma of the Interatrial Septum Summary. In a 70 years old woman suffering from paroxysmal tachyarhythmia and atrial fibrillation and in a 66 year old man, interatrial lipomas are discovered by post mortem examination. This lesion, named lipomatous hypertrophy of the interatrial septum by other authors, obviously is correlated with cardiac dysrhythmia. As seen from literature, interatrial lipomas are to be found in elderly patients with an average age of 72 years, whilst cardiac lipomas of other localizations are occurring in a medium age of 44 years. Therefore, interatrial lipomas should be taken in consideration in cases of cryptogenetic cardiac dysrhythmia. Zusammen/assun9. Es wird fiber zwei F~lto -- eine 70 Jahre alt gewordene Frau und einen 66 Jahre alt gewordenen Mann -- berichtet, bei denen post mortem ein interatrial gelegenes Lipom gefunden wurde, das yon anderen Autoren auch als eine knotenfSrmige lipomatSse Hypertrophic im Vorhofseptum bezeichnet wird. In dem einen Fall bestand eine paroxysmale Tachyarhythmie mit Vorhofflimmern, die durch diese Fettgewebsgeschwulst erkl~rt werden kSnnte. Das Lipom bzw. die lipomatSse Hypertrophic im Vorhofseptum wurde mit einem Durchschnittsalter yon 72 Jahren fast ausschlielllich bei alten Menschen gefunden. Dem- gegenfiber betr/~gt das Durchschnittsalter der Patienten bei den fibrigen F~illen mit einem Lipom des tterzens 44 Jahre. Es sollte deshalb bei ~lteren Menschen mit einer StSrung der Erregungsbildung im Vorhof differentialdiagnostisch auch an ein Lipom bzw. eine lipomatSse Hypertrophic im Vorhofseptum gedacht werden. Lipome des Herzens sind selten und stellen meist einen Zufallsbefund bei der Sektion dar (13bersieht bei Farneti u. Rilke, 1962), zumal sie in der Regel keine klinische Symptomatik verursachen. Eine Sonderstellung nehmen Fettgewebs- wucherungen im Vorhofseptum ein, die mit auffallender Manifestation klinischer Symptome und EKG-Ver~nderungen (Hutter und Page, 1971) korreliert sein kSnnen. Solche interatriale Lipome entwickeln sich offenbar hi~ufig auf dem Boden einer allgemeinen Fettgewebshypertrophie und werden dementsprechend yon einigen Autoren auch als ,,lipomatSse Hypertrophie" ((~bersicht bei Page, 1970) bezeichnet. Da derartige Veritnderungen eine bisher wenig beobachtete Ursache i~tio- logisch ungekl~rter Kardiopathien darstellen, berichten wir fiber zwei F~lle, bei denen post mortem ein Lipom bzw. lipomatSse Fettgewebsentwicklung im Vor- hofseptum gefunden wurde. Zumindest bei einem dieser F~lle bestand klinisch eine kardiale Symptomatik, die durch die Fettgewebsgeschwulst erkli~rt werden kann.

Das interatriale Lipom des Herzens

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Z. Krebsforsch. 79, 11--18 (1973) �9 by Springer-Verlag 1973

Das interatriale Lipom des Herzens

P. J. Kle in und H. E. Schaefer

Pathologisches Institut der Universiti~t KSln (Direktor: Prof. Dr. R. Fischer)

Eingegangen am 15. Mai 1972, angenommen am 7. August 1972

Cardiac L ipoma of the I n t e r a t r i a l Sep tum

Summary. In a 70 years old woman suffering from paroxysmal tachyarhythmia and atrial fibrillation and in a 66 year old man, interatrial lipomas are discovered by post mortem examination. This lesion, named lipomatous hypertrophy of the interatrial septum by other authors, obviously is correlated with cardiac dysrhythmia. As seen from literature, interatrial lipomas are to be found in elderly patients with an average age of 72 years, whilst cardiac lipomas of other localizations are occurring in a medium age of 44 years. Therefore, interatrial lipomas should be taken in consideration in cases of cryptogenetic cardiac dysrhythmia.

Zusammen/assun9. Es wird fiber zwei F~lto - - eine 70 Jahre alt gewordene Frau und einen 66 Jahre alt gewordenen Mann - - berichtet, bei denen post mortem ein interatrial gelegenes Lipom gefunden wurde, das yon anderen Autoren auch als eine knotenfSrmige lipomatSse Hypertrophic im Vorhofseptum bezeichnet wird. In dem einen Fall bestand eine paroxysmale Tachyarhythmie mit Vorhofflimmern, die durch diese Fettgewebsgeschwulst erkl~rt werden kSnnte. Das Lipom bzw. die lipomatSse Hypertrophic im Vorhofseptum wurde mit einem Durchschnittsalter yon 72 Jahren fast ausschlielllich bei alten Menschen gefunden. Dem- gegenfiber betr/~gt das Durchschnittsalter der Patienten bei den fibrigen F~illen mit einem Lipom des tterzens 44 Jahre. Es sollte deshalb bei ~lteren Menschen mit einer StSrung der Erregungsbildung im Vorhof differentialdiagnostisch auch an ein Lipom bzw. eine lipomatSse Hypertrophic im Vorhofseptum gedacht werden.

L ipome des Herzens s ind selten und stellen meis t einen Zufal lsbefund bei der Sekt ion dar (13bersieht bei F a r n e t i u. Ri lke, 1962), zumal sie in der Regel keine kl inische S y m p t o m a t i k verursachen. Eine Sonders te l lung nehmen Fe t tgewebs- wucherungen im Vorhofsep tum ein, die mi t auffa l lender Mani fes ta t ion kl inischer S y m p t o m e und EKG-Ver~nde rungen (Hu t t e r und Page, 1971) korre l ier t sein kSnnen. Solche in te ra t r ia le L ipome entwickeln sich offenbar hi~ufig auf dem Boden einer a l lgemeinen Fe t t gewebshype r t roph i e und werden dementsprechend yon einigen Auto ren auch als , , l ipomatSse H y p e r t r o p h i e " ((~bersicht bei Page, 1970) bezeichnet .

D a derar t ige Veri tnderungen eine bisher wenig beobach te te Ursache i~tio- logisch ungekl~r ter K a r d i o p a t h i e n darstel len, ber ich ten wir fiber zwei F~lle, bei denen pos t m o r t e m ein L ipom bzw. l ipomatSse Fe t tgewebsen twick lung im Vor- hofseptum gefunden wurde. Zumindes t bei e inem dieser F~lle bes t and kl inisch eine kard ia le S y m p t o m a t i k , die durch die Fe t tgewebsgeschwuls t erkli~rt werden kann.

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/ ~ Liporn

Abb. 1. Sehematisehe Darstellung der Lokalisation des interatrialen Lipoms

Abb. 2. Horizontalschnit t durch das Vorhofseptum. KnotenfSrmige Fet tgewebsvermehrung im vorderen Anteil des Septum interatriale. FO Fossa ovalis

Kasuistik Fall 1. Klinisch waren bei der 70 Jahre alt gewordenen Frau erstmals 1/2 J a h r vor dem

Tod paroxysmale Tachyarhythmien beobachtet worden, die durch Digitalispr~iparate und Ant iarhythmika nur sehr schwer zu beeinflussen waren. Der elektrokardiographische Verlauf (Abb. 3) zeigte neben dem anfallsweisen Vorhofflimmern einen Sinus-Rhythmus, eine ver-

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Abb. 3. Der Elektrokardiographische Verlauf: 13.2.70: Erregungsbildungszentrum im Vorhof mit 2:1 ~berIeitung auf die Kammer, Indifferenztyp, ErregungsriickbildungsstSrungen vom Innenschichttyp vor allem links pr~kordial. 23.5.70: Sinusrhythmus, inkomplettes WPW- Syndrom, Erregungsrtickbildungsst5rungen vom Innenschichttyp vor allem links pr~kordial. 14.10.70: Absolute Tachyarhythmie bei Vorhofflimmern, Verschiebung der Umschlagzone

nach links pri~kordial

kiirzte ~berleitungszeit als Teil eines WPW-Syndroms und schliel~lich den Ubergang in eine permanente Arhythmie. Aui]erdem bestand noch eine asthmoide Bronchitis mit beginnendem Lungenemphysem. Die Patientin verstarb an einem akuten, irreversiblen Herzkreislauf- versagen.

Pathologisch.anatomisch land sich in dem auf 2,2 cm verbreiterten Septum interatriale eine 6 • 3 • 2,2 cm grol]e Fettgewebswucherung, die in den Sinus transversus pericardii vorragte und sich vom tibrigen subepikardialen Fettgewebe durch eine mehr gelb-br~unliche

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Abb. 4. Histologisches Querschnittprs (HE) durch das Vorhofseptum. Das Endokard beider Vorh6fe (E) und die Vorhofmuskulatur werden durch den Fettgewebstumor aus-

einandergedr~ngt

Abb. 5. Durch das Fettgewebe ist es zur Druckatrophie und zu Herzmuskelzellunterg~ngen im Vorhofseptum gekommen

F/irbung, eine fehlende lobul~re Untergliederung und etwas festere Konsistenz abhob sowie mit cintra erbsgrollen, knotig vorgewSlbten Ausl/iufer unmittelbar bis unter das Endokard des rechten Vorhofes vordrang. Histologisch (Abb. 4--5) entsprach die Geschwulst einem Lipom, das sich tiberwiegend aus reifen Fettzellen zusammensetzte. HerdfSrmig traten Gruppen plurivacuol~rer Fettzel]en auf, deren ebenfalls pachychrome und kleine Kerne jegliche Polymorphie vermissen lieBen. :Die Fettgewehsgeschwulst war nieht durch eine Kapsel begrenzt, sondern zeigte vielmehr eine Durchwachsung des Vorhofseptums, wobei h~ufig einzelne Myokardzellen vollkommen yon Fettgewebsverb/inden nmflossen wurden und mannigfache nekrobiotische Ver~nderungen (Aufhebung der Querstreifung, beginnende Myocytolysen) aufwiesen. Daneben deutete sich auch ein mehr expansiv verdr~ngendes Wachs- tum mit entsprechender schalenartiger Kompression der Myokardzellen in der Tumorperi-

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pherie an. Im iibrigen Herzen bestand eine Lipomatosis cordis mit einer Verbreiterung der subepikardialen Fettgewebsschicht fiber dem rechten Herzen yon maximal 1 cm. Im Bereich des linken Ventrikels land sich nur eine geringgradige perivaskul~ire Fettgewebsentwicklung. Weitere Befunde: geringe, nicht stenosierende Coronarlipoidose, deutliches LungenSdem, mittelgradiges chronisch substantielles Lungenemphysem mit miifliggradiger Pulmonal- arteriensklerose, geringe Hypertrophie der rechten Herzkammer.

Fall 2. Klinisch bestand bei dem 66 Jahre alt gewordenen Mann eine st/irkergradige Adipositas. Im EKG waren scbwere StSrungen der Erregungsriickbildung nachweisbar. RSntgenologisch wurde eine erh6hte Strahlentransparenz der Lnngen gefunden. Verstorben war der Patient an den Folgen einer Operation, die wegen eines Adenocarcinoms der Gallen- blase durchgeffihrt worden war.

Pathologisch-anatomisch fiel im Bereich des Vorhofseptums eine gelbliehe, weiehe, un- scharf (etwa 3 • 3 x 3 cm messende) in die benaehbarten Muskelanteile fibergehende Fett- gewebswucherung (Abb. 1 u. 2) auf, die sich bis in den Sinus transversus pericardii vorw61bte. ~ber dem reehten Herzen imponierte eine deutliehe Lipomatosis cordis mit einer bis zu 2 cm dicken subepikardialen Fettgewebsschicht. Histologisch wurden gleichartige VerKnderungen wie bei Fall 1 gesehen. Auffiillig war ein in der Fettgewebsgeschwulst gelegenes Ganglion.

Weitere Befunde: angedeutete, beidseitige Myokardhypertrophie, m~Biggradige, nicht wesentlieh stenosierende Coronarsklerose, deutliches ehroniseh substantielles Lungen- emphysem mit Pulmonalarteriensklerose.

H~ufigkeit, Lokalisation und Nomenklatur der Lipome des Herzens

Die Lipome des Herzens machen nach den unterschiedlichen Angaben ver- schiedener Autoren zwischen 3,4 und 20% (Ubersicht bei Mahaim, 1945) der an sieh schon seltenen prim/~ren Herztumoren aus, deren Frequenz in den versehie- denen Sektionsstatistiken zwischen 0,0017 und 0,05% schwankt (Ubersieht bei WhorCon, 1949).

Die im Vorhofseptum gelegene knotenf6rmige Fettgewebsvermehrung wird zum Teil aueh als ,,hpomatSse Hypertrophie" (Page, 1970) angesehen, die in ihrer Entstehung *nit einer allgemeinen Fettgewebshypertrophie korreliert sein soll. Die Lipome bzw. Ver/~nderungen im Sinne einer ,,hpomatSsen Hypertrophie" des Vorhofseptums nehmen aus zwei Grfinden unter den iibrigen Lipomen des Herzens eine Sonderstellung ein:

1. Sie werden mit einem Durchschnittsalter von 72 Jahren fast ausschlie$1ieh bei alten Menschen gefunden 1. Demgegenfiber betr/~gt das Durehsehnittsalter von Lipomen mit anderer Lokalisation im Herzen 44 Jahre.

2. Sie sind mit 39,7 % am h/~ufigsten unter 69 bisher beschriebenen kardialen Lipomen 1 vertreten. Ihre absolute It/~ufigkeit dfirfte hSher sein, da im zugrunde gelegten ,,Index Medicus" nur 2/3 der Weltliteratur erfaBt werden (Editorial, 1968) und besonders kleine interatriale Lipome bei der Sektion leicht zu fibersehen sind. Die aul~erhalb des Vorhofseptums lokalisierten Lipome sind vorwiegend subendokardial, der Rest subepikardial und intramural gelegen. Die GrSBen- angaben schwanken zwischen Erbs- und KindskopfgrSBe.

In einigen F/illen wurden Fettgewebsgeschwiilste des Herzens auch als Fibro- (Albers, 1856; Caryophyllis, 1889) oder Myolipome (Sp/~lty, 1909; Tedeschi, 1893) bezeichnet, wenn entsprechende Gewebselemente zusiitzlich hervortraten. Dabei ist jedoch die Bezeichnung Myolipom abzulehnen, soweit ortsst/~ndige,

1 Zusammenstellung dieser Literatur kann auf Anforderung zug/~nglieh gemach~ werden.

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nicht geschwulstm/il~ig proliferierende Myokardzellen nut passiv von der Aus- breitung eines Lipoms erfal~t werden. Von solchen scheinbaren Myolipomen sind eehte, meist als Rhabdomyolipome bezeichnete Hamartome abzugrenzen, die mit einer Neubildung atypischer Muskelzellen einhergehen und z. B. bei der tuberSsen Hirnsklerose beobachtet werden (Bundschuh, 1912).

Pathogenese Die Frage nach dem histogenetischen Ursprung der Lipome des Herzens wird

unterschiedlich beantwortet: Neben der Vorstellung, daB die proliferierenden Fettzellen aus ortsstKndigen Bindegewebszellen hervorgehen (Banti, 1886; Bundschuh, 1912), wird auch die MSglichkeit einer Lipomentstehung aus Fett- zellen, die wKhrend der Entwicklungszeit aus dem Normalverband versprengt worden sind (Ubersicht bei Muth, 1951) diskutiert.

Prior (1964) und Page (1970) haben sich speziell mit der Deutung einer Fett- gewebswucherung im Bereich des Vorhofseptums auseinandergesetzt. Da die Dicke der interatrialen Fettgewebsschicht bei ihren Fallen mit der Dicke der subepikardialen Fettgewebsschicht korrelierte, sprachen sic yon ,,lipomatSser Hypertrophie" des Vorhofseptums.

Zumindest in unserem 1. Fall nehmen wir makroskopisch wegen der besonderen Ausdehnung des lokal knotenfSrmig gewucherten Fettgewebes und mikroskopisch wegen der herdfSrmig anzutreffenden unreifen Fettzellen ein interatriales L i p o m an. Die fehlende Kal3selbildnng - ein Befund, der nicht nur bei den Lipomen des }Ierzens, sondern auch bei den sog. ,,intramuskul~ren, infiltrierenden Lipomen" der Skelettmuskulatur (Enzenger, 1969) anzutreffen ist -- wfirde einer solchen Annahme nicht entgegenstehen. Bei dem 2. Fall l~Bt die mehr diffuse Fett- gewebsausbreitung im Vorhofseptum allerdings auch die Bezeichnung lipomatSse Hypertrophie im Sinne yon Prior (1954) und Page (1970) zu. MSglicherweise stellt die nach Page altersabhiingige Vermehrung des kardialen Fettgewebes den Boden ffir das geschwulstm~Bige Wachstum des interatrialen Lipoms dar, so dab im wesenthchen nur die quantitative, insbesondere makroskopisch fal~bare Aus- pr~gung der jeweiligen Fettgewebsvermehrung die Trennungslinie zwischen den an sich verwandten Begrfffen festlegt. Das AusmaB der yon uns beobachteten Fettgewebswucherungen korreliert iibrigens nicht unmittelbar mit der Ent- wicklung des iibrigen subendokardialen Fettgewebes, ein Umstand, der auf einen gewissen Autonomiegrad hinweist.

Die Erregungsiiberleitung vom Sinus- zum Atrioventrikularknoten, die sich diffus in der Vorhofmuskulatur ausbreiten soll (Wolter u. Thorspeeken, 1970), kann zumindest lokal dureh Lipome bzw. durch Ver/inderungen im Sinne einer ,,lipomat6sen Hypertrophic" im Vorhofseptum beeintr/ichtigt werden. Nach neueren Untersuchungen yon James (1963) sowie yon Meredith und Titus (1968) scheinen dariiber hinaus spezielle, bisher unbeobachtete Leitungsbahnen im Vorhofseptum vorzukommen, deren Verl/iufe mit den yon uns beobachteten interatrialen Lipomen kollidieren mfissen (l~bersicht bei Chuaqui, 1972). Inwieweit eine funktionelle Beeintr~chtigung des intramuralen vegetativen Nervensystems durch das Lipomwachstum ausgelSst werden kann, ist auf rein morphologischer Basis schwer absch~tzbar. Die MSglichkeit ist allerdings durch den Nachweis yon

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entsprechenden Nervenfasern und Ganglien innerhalb des Lipoms (Fall 2) gegeben. SchlielMich ist auch eine heterotope Erregungsbildung, ausgehend vom gesch/~- digten Myokard besonders in der Tumorrandzone denkbar. In jedem Fall miissen sich interatriale Lipome yon dem beobachteten AusmaB als hypokinetische Zone darstellen, da sieh die zudem noeh druckatrophisehe Muskulatur des Vor- hofseptums nur unvollst/s kontrahieren kann.

Klinik

Die Lipome des Herzens treten klinisch nur dann in Erscheinung, wenn sic eine h/imodynamisch wirksame GrSBe erreiehen oder wenn sic das Reizleitungs- system beeintr/ichtigen (Muth, 1952). Die auff/illigsten Befunde sind Herz- rhythmusstSrungen, pathologische Herzger/iusche und eine Verbreiterung der Herzsilhouette im RSntgenbfld.

Gerade dutch ein Lipom im Bereich des Vorhof- oder Kammerseptums werden 6fters HerzrhythmusstSrungen mit EKG-Ver/inderungen verursacht (Ubersicht bei Hur te r u. Page, 1971). Besonders Hur ter und Page weisen auf Vorhofa- rhythmien hin, die sic bei allen F/illen mit lipomatSser Hypertrophic im Vorhof- septum beobachtet haben. Bei einigen Patienten sahen sic auBerdem eine un- gewShnliche ,,dome and dip"-P-Zacken-Konfiguration.

Bisher ist das interatriale Lipom nur postmortal diagnostiziert worden. Wegen der offensichtlichen Korrelation und kausalen Beziehungen dieser Ver- /inderung zu HerzrhythmusstSrungen sollte ein IApom bzw. eine ,,lipomatSse t typer t rophie" im Vorhofseptum als mSgliche Ursaehe einer kausalgenetisch sonst unerkl/~rlichen kardialen Dysrhythmie jedoch h/iufiger differentialdia- gnostisch in Erw/igung gezogen werden. Vielleicht linden manche Erregungs- leitungsstSrungen des ,,Altersherzens" eine Erkl/~rung in dieser besonderen :Fettgewebswucherung, deren Bedeutung sich erst in jiingster Zeit abzuzeichnen beginnt.

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substanz des Herzens und eine zweite Geschwulst mit atheromatSsem Inhalt am Bulbus aortae. Virchows Arch. path. Anat. 10, 215 (1856).

Banti, G.: zit. nach Farneti, A., Rilke, F. (1962) Lipoma primitivo del cuore. Sperimentale 40, 237 (1886).

Bundschuh, E. : Ein weiterer Fall yon tuber5ser Sklerose des Gehirns mit Tumoren der Dura mater, des Herzens und der Nieren. Beitr. path. Anat. 54, 278 (1912).

Caryophyllis, M. : Fibro-lipome du coeur. Bull. Soc. Anat. Paris 64, 202 (1889). Chuaqui, B.J. : lJh~er die Ausbreitungsbiindel des Sinusknotens. Virchows Arch. Abt. A Path.

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18 P . J . Klein u. He E. Schaefer: Das interatriale Lipom des Herzens

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Dr. P. J. Klein P. D. Dr. H.-E. Schaefer Pathologisehes Institut der Universit~t K61n D-5000 K61n 41 Joseph-Stelzmann-Str. 9 Bundesrepublik Deutschland