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Das schwere Gespräch Einschneidende Diagnosen menschlich vermitteln von Edlef Bucka-Lassen 1. Auflage Das schwere Gespräch – Bucka-Lassen schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Medizin, Gesundheitswesen allgemein Deutscher Ärzte-Verlag Köln 2005 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 7691 0501 8 Inhaltsverzeichnis: Das schwere Gespräch – Bucka-Lassen

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Die Botschaft

D Unheilbare Krankheit – nie wieder „heil“.D Die schweren Elemente sind: Ungewissheit – und Gewiss-

heit.D Bei Unklarheit: Fragen! Zuhören! Und sich nach der Ant-

wort richten!D Begleiter – ein zweischneidiges Schwert.D Vorbereitung: Diagnose – Patient – Ich (Einstimmung).D Das Gespräch: Fragen klären, Diagnose, Prognose, Behand-

lungsmöglichkeiten, Nebenwirkungen – wenn der Patient es will – und immer unterstützendeBegleitung sein.

D In Folgegesprächen nach Ressourcen suchen und sie imple-mentieren.

D Empathie als A und O – vom Anfang bis zum Ende.

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Das schwere Gespräch

„Auch wenn das Thema kompliziert ist, braucht das Gespräch darüber es nicht zu sein. Wenn es als schwer ‚erlebt’ wird, dann nicht, weil es kompliziert ist, sondern weil du versuchst, um etwas herumzureden.“

(Bent Falk)

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921 Dänen beantworteten 1994 einem Meinungsforschungsin-stitut die Frage: „Was bedeutet Ihnen im Alltag am meisten?“[Lund 1994, S. 106]

56 Das schwere Gespräch

Tab. 10:Was bedeutet

Ihnen im Alltagam meisten?

Schwer für wen?

Frühere Kapitel

Antwort %

Gesundheit meines Körpers 72

Familie und Kinder 59

Meine psychische Gesundheit 48

Guter Kontakt zu Freunden und Bekannten 40

Gesunde Ökonomie 23

Sinnvolle Arbeit 18

Freizeit 10

Gute Beziehungen zu Kollegen 9

Rücksicht auf Natur und Ressourcen 9

Erfülltes Sexualleben 8

Es kann nicht verwundern, dass einer Botschaft das Prädikat„schwer“ zugeordnet wird, wenn sie den ersten Punkt der Liste(Gesundheit) zunichte macht und die restlichen Punkte nega-tiv beeinflusst.

Das schwere Gespräch – ist schwer für wen? Für denjenigenmit dem Los, die Botschaft zu vermitteln? Oder für den, der sievermittelt kriegt? Schwer für beide: Für den Arzt, der die Bot-schaft vermittelt – aber das ist wenig und von kurzer Dauer imVerhältnis zum Patienten; zu demjenigen, der nicht „nur“ mitdem Wissen um die Krankheit leben muss, sondern auch unterdieser leiden, vielleicht sogar durch sie sterben wird.

Eine Diagnose ist verifiziert. Bevor das geschah, gab eseinen Menschen, der sich krank fühlte, etwas funktioniertenicht mehr wie gewöhnlich. Zeit verstrich, es wurde nicht bes-ser, er ging zum Arzt. Es gab Fragen. Untersuchungen folgten.Es gab Hypothesen, Vermutungen über die eine oder andereKrankheit. Therapieversuche brachten keine dauerhafte Besse-rung; im Gegenteil, es wurde schlimmer und schlimmer für denMenschen, der jetzt Patient genannt wurde. Neue Untersu-chungen folgten, und je mehr hinzukommen, umso größer

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wird die Rolle der Technik und Apparatur. Und nun liegt dieDiagnose also vor. Der nächste Patient ist derjenige, um den essich dreht. Er erwartet jetzt die Antwort, das Ergebnis – und Siesind derjenige, der diese übermitteln soll.

Hier gibt es keine technische Apparatur, hinter der Sie sich ver-stecken können, kein Präparat, das Sie ver-, kein Rezept, das Sieunterschreiben können, keine Unwissenheit, die Sie mit lateini-schen Bezeichnungen weniger sichtbar machen können; es gibtkein: „Die Untersuchungen haben keinen positiven Befund erge-ben“ und erst recht gibt es kein: „Wir haben keine abnormen Wer-te gefunden und es ist uns ein Rätsel, wieso Sie diese Symptomehaben können“ ... in einem etwas verhaltenen und misstrauischenTon, denn wenn wir Mediziner mit all unserer heutigen Technikund unserem schier endlosen Wissen nichts finden können, dannmuss es ja wohl (bzw. „Jawohl!“) der Mensch sein, der – wie es inder „Fachsprache“ heißt – ein wenig „funktionell“ ist.

Nein, hier kennen Sie die Diagnose, und die heißt: DerPatient, der gleich vor Ihnen steht, wird nie mehr gesund. Siesind im 21. Jahrhundert, und Sie stehen allein da. „The life of asick person can be shortened not only by the acts, but also by thewords or the manner of a physician“, erinnern Sie sich schwach.Sie erinnern sich an den Eindruck, den die Worte auf Sie mach-ten, als Sie sie zum ersten Mal hörten. [AMA 1847, URL 2]

Was Sie jetzt sagen, wie Sie es sagen, was Sie nicht sagen, wasSie tun, wie Sie es tun, Ihre Mimik, Ihre Körperhaltung, Ihr Hän-dedruck – alles wird vom Patienten unbewusst, aber nicht weni-ger minutiös beachtet und registriert, gedeutet und in Hoffnungoder Hoffnungslosigkeit umgesetzt. Hier sind Sie – das wissen Sie– bei dem, was früher einmal Heilkunst genannt wurde.

Die Diagnose

Unheilbare Krankheit. Das letzte Wort impliziert, dass es sichum eine Krankheit handelt. Das erste drückt aus, dass die Krank-heit mit dem heutigen Wissen und Können nicht heilbar ist.Wie wird es weitergehen?

Es kann sich um eine verhängnisvolle Prognose handeln,wie es bei vielen Krebsformen der Fall ist. Die Aussicht eines

57Die Diagnose

Zwei Worte – aber welche!

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schlimmen Ausgangs und die damit verbundene Unsicherheitmachen das Leben anders. Aber selbst ohne verhängnisvollePrognose markiert die existenzielle Botschaft das Ende derLebensphase, in der man noch hoffnungsfroh mit der Gesun-dung rechnet. „Das Leben ändert sich in einem Bruchteil einerSekunde, und von da an wird alles anders“ [Sclerosen 2002, S. 2]. Auch in den Fällen, da der Patient nach beendeter Behand-lung, z.B. chirurgischer Entfernung des Tumors und/oder Che-motherapie, viele seiner Fähigkeiten wiedergewinnt: Es bleibtimmer ein Rest von Zweifeln, ob nicht doch ...

Es gibt viele einschneidende Diagnosen: Krebs, MultipleSklerose, Parkinson, Alzheimer, AIDS, rheumatoide Arthritis etc.Was sie so einschneidend macht, ist die Unsicherheit, der unvor-hersehbare Verlauf, welche Symptome wie schwer auftreten undinwieweit die (evtl. nur palliativen) Behandlungsmöglichkeitengreifen werden.

Wenn dem Patienten die Konsequenzen der Botschaft klarvor Augen stehen, steht ihm auch, bewusst oder unbewusst, dieWahl vor Augen: sich mit der Krankheit zu arrangieren – oderihr zu erliegen.

Auch Diabetes mellitus, Hypertonie, Asthma oder ein Gan-grän, das eine Amputation notwendig macht, sind einschnei-dende, existenzielle Diagnosen. Dass sie weniger bedrohlichsind, hängt damit zusammen, dass Symptomatologie undBehandlungsmöglichkeiten überschaubarer und weniger unge-wiss sind. Auch spielt die Zeit eine Rolle, in der wir leben; vorgut einem halben Jahrhundert bedeutete die Diagnose Diabetesmellitus für viele noch ein Todesurteil.

Gesund, krank – und unheilbar krank

Für die Mehrzahl der Menschen ist das Leben ein Wechsel zwi-schen den Zuständen gesund und krank – mit einer starken Ver-schiebung zur gesunden Seite. Gesund ist der Normalzustand,der hin und wieder von einer Krankheitsperiode abgelöst wird,die je nach Krankheitsursache und Symptomen eine Behand-lung erforderlich macht (oder auch nicht). Das Entscheidendeist: Die Krankheit schwindet langsam und verschwindet gänz-lich – man ist wieder gesund.

58 Das schwere Gespräch

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In dem Moment, da die Botschaft einer unheilbaren Krankheitverstanden wird, ändert sich dieses Modell: Den Normalzustand„gesund“ wird es nie mehr geben. Der Normalzustand heißtjetzt „unheilbar krank“, und das wirft dunkle Schatten voraus.

„Unheilbar krank“ heißt nicht zwangsläufig, dass der Alltagvon Symptomen gekennzeichnet ist. Es ist eine etwas irrefüh-rende Bezeichnung, denn bei vielen Krankheiten sind zum Zeit-punkt der Diagnosestellung die Symptome nicht notwendiger-weise unerträglich. Welche Bedeutung hat sie dann?

Das Dramatische an der Diagnose „unheilbar krank“ – unge-achtet dessen, ob sie im symptomatischen oder asymptomati-schen Stadium gestellt wird – sind die Gedanken und Gefühle, diesie auslöst. Die Gefühle des Kranken, bewusst wahrgenommen,wiegen schwer – die seines Unterbewusstseins ungleich schwe-rer.

59Die Diagnose

Abb. 7:Normalzustand

Verdrehte Welt

Tab. 11:Die (er-)drücken-den Gefühle

Die Gewissheit Eine Krankheit zu haben, die mit heutigem Wissen und Können nicht geheilt werden kann

Die Ungewissheit Welche Symptome auftreten werden, wannsie sich melden werden, wie sie sich ent-wickeln werden, wie sie den Alltag prägenwerden, wie man mit ihnen umgehen wird, ob sie Abhängigkeit von anderen mit sich führen werden, wie sie die Beziehungen zu anderen beeinflussen werden etc.

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