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Das Zürcher Moulagenmuseum – Die heutige Bedeutung in der Dermatologie, Medizingeschichte und öffentlichkeit

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Page 1: Das Zürcher Moulagenmuseum – Die heutige Bedeutung in der Dermatologie, Medizingeschichte und öffentlichkeit

DOI: 10.1111/j.1610-0387.2007.06527.x Forum – Gestern, heute, morgen 953

© The Author • Journal compilation © Blackwell Verlag, Berlin • JDDG • 1610-0379/2007/0510-0953 JDDG | 10˙2007 (Band 5)

1993: Die Moulagensammlungentreten an die ÖffentlichkeitIm Moulagenmuseum des Universitäts-spitals und der Universität Zürich befin-den sich die Sammlungen der Dermato-logischen und Chirurgischen Klinik desKantonsspitals Zürich, ergänzt mit Be-ständen der Augen-, Kinder- und HNO-Klinik des Kantonsspitals Zürich undder Dermatologischen Klinik des Kan-tonsspitals Basel. Mit über 1800 dreidi-mensionalen lebensechten Wachsnach-bildungen erkrankter Körperoberflächegehört die Zürcher Sammlung zu denweltweit größten noch erhaltenen Mou-lagensammlungen [1, 2, 3, 4].Nachdem in den 1980er Jahren eine„Renaissance“ der Moulagen eingesetzthatte, konnten die Zürcher Moulagen1993 durch die Eröffnung eines Mu-seums in einem Neubau des Univer-sitätsspitals Zürich an der Haldenbach-strasse erstmals der Öffentlichkeitzugänglich gemacht werden [5]. FürPflege und Ausbau ist ein Kuratoriumverantwortlich, dem der Direktor derDermatologischen Klinik (Vorsitz), derDirektor der Klinik für Wiederherstel-lungschirurgie, ein Mitglied der Verwal-tung des Universitätsspitals, der Direktordes Medizinhistorischen Institutes undMuseums der Universität Zürich undder Konservator der Sammlung an-gehören. In 56 eigens dafür entworfenenVitrinen sind gegen 600 Moulagen aus-gestellt (Abbildung 1). Die Anordnung

der Vitrinen bietet im EingangsbereichPlatz für einen Seminarraum mit Projek-tionsmöglichkeiten. Neben dieser alsSammlung A bezeichneten Ausstellungfür Medizinstudenten und ein interes-siertes Laienpublikum wurde in den al-ten Vitrinen am früheren Standort dieFacharztsammlung B mit seltenerenKrankheitsbildern eingerichtet. Die meis-ten dermatologischen Moulagen warenin einer mit Polaroidfotografien ergänz-ten Kartei erfasst. Die pensionierte Mou-lageuse Elsbeth Stoiber betreute das Mu-

seum konservatorisch. Ab 1995 wurdesie von Michael Geiges unterstützt und1999 als Konservator abgelöst. Im Jahr1996 wurde das Museum Mitglied imVerein Zürcher Museen. Es erfüllte dievom International Council of Museums(ICOM) definierten international gel-tenden Kriterien für die Anerkennungals Museum und konnte 1999 dem Ver-band der Museen Schweiz beitreten.

1999: von den Moulagensammlungenzum Museum mit LehrsammlungNach dem erfolgreichen Start in der Öf-fentlichkeit wurde in den folgenden Jah-ren eine Verbesserung und Anpassungder Ausstellung notwendig. Das Moula-genmuseum richtet sich an zwei Ziel-gruppen: als öffentliches Museum an dieLaienbesucher und als Lehrsammlung andie Studenten und Schüler. Diese unter-schiedliche Position muss auch in derPräsentation berücksichtigt werden [6].1999 wurde die Sammlung A zum Mou-lagenmuseum umbenannt, die noch imStile einer klassischen Lehrsammlungdicht gedrängte Ausstellung aufgelockertund mit Begleittexten versehen.Bewusst wurde die Objektdichte in denzwölf größeren Schiebevitrinen im hin-teren Teil des Museumsraums in der ur-sprünglichen Form belassen. Dort fin-den sich seltenere, besonders fürFachärzte interessante Krankheitsbilder,aber auch gruseligere Moulagen, die sichin der Ferne leicht verdeckt dem unvor-bereiteten Besucher nicht aufdrängen.

Gestern, heute, morgen

Das Zürcher Moulagenmuseum –

Die heutige Bedeutung in der

Dermatologie, Medizingeschichte

und Öffentlichkeit

The Museum of Wax Moulages in Zurich –

Current relevance for dermatology, history of

medicine and the general public

Michael GeigesMoulagenmuseum Universität und Universitätsspital Zürich

JDDG; 2007 • 5:953–957 Eingereicht: 28.8.2006 | Angenommen: 27.11.2006

Abbildung 1: Blick in den modernen Museumsraum an der Haldenbachstrasse 14 in Zürich.

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Alle Moulagen, von denen eine größereZahl bislang in Schachteln gelagert undnicht in der Kartei erfasst war, wurdenkontrolliert, ausgemessen und mit Kom-mentaren und Angabe des Standortesneu digital erfasst. Defekte Moulagenwurden aussortiert und für die Reparaturin einem Lagerraum versorgt.Die Facharzt-Sammlung B war in derDermatologischen Klinik und unter denniedergelassenen Fachärzten in Verges-senheit geraten, mitbedingt durch dennur schlecht zugänglichen und unattrak-tiven Standort in den nicht weiter be-treuten düsteren Kellerräumen außer-halb der Klinik, weit entfernt vom neuenMuseumsstandort. Diese Vitrinen die-nen jetzt als Sammlung für alle nicht be-schädigten Moulagen, die nicht im Mu-seum ausgestellt werden. Bei derzunehmenden Zahl von Anfragen fürLeihgaben auch an internationale Aus-stellungen, zur Bearbeitung von histori-schen oder dermatologischen Fragestel-lungen und zur Erarbeitung neuerSonderausstellungen ist diese Lagerungim Vergleich zur Verpackung in Schach-teln unverzichtbar.

InternetauftrittSeit 1999 ist das Museum auch im Inter-net präsent: www.moulagen.ch . In die-sem heute für ein öffentliches Museumunverzichtbaren Medium sind die übli-chen Eckdaten einfach zu finden und eswird über Ausstellungen und Spezialan-lässe informiert. Auch Allgemeines zuden Moulagen, historische Informatio-nen und Erläuterungen zu vergangenenAusstellungen werden auf diesem Wegeinem interessierten Publikum leicht zu-gänglich gemacht und haben einen Teilder früher im Museum schriftlich aufge-legten Informationsblätter ersetzt. DieVernetzung der Homepage mit anderenMuseen und Institutionen aus der Der-matologie und Medizingeschichte, ins-besondere aber auch mit dem VereinZürcher Museen und Internetangebotenaus der Tourismusbranche sorgen nebenden Einträgen in Museumsführern undVeranstaltungskalendern der wichtigstenZürcher Tageszeitungen für die notwen-dige Bekanntheit in der Öffentlichkeit.

Die Präsentation der Moulagen imMuseumIn den vergangenen Jahren hat das Inter-esse an Moulagen sowohl innerhalb derDermatologie, besonders im Zusam-

menhang mit medizinhistorischer For-schung, als auch in der breiten Öffent-lichkeit zugenommen, das zeigt auch dieBesucherstatistik im öffentlich zugängli-chen Museum. Besonders in den Jahren2000 bis 2003, bedingt durch die neulancierte werbewirksame „Lange Nachtder Museen“ und die Einführung vonSonderausstellungen im Moulagenmu-seum, nahm die Besucherzahl deutlichzu und hat sich unterdessen bei gegen 4 000 Personen pro Jahr eingependelt.Außerhalb der regulären Öffnungszeitenwerden über 100 Führungen pro Jahrangeboten.Die Dauer- und die neu angebotenenSonderausstellungen richten sich an einsehr breites Zielpublikum. Einerseitssind es zu den üblichen Öffnungszeitenoder in der „Langen Nacht der Museen“meist medizinische Laien, welche durchallgemeine Hinweise in Museumsfüh-rern oder Artikel in Tageszeitungen aufdas Museum aufmerksam gemacht wer-den. Diese wissen oft vor dem Besuchnoch gar nicht, was Moulagen sind, undkommen unvorbereitet in das durchausauch gruselig wirkende Museum. Für siesind kurze Hinweise zu Krankheitsbil-dern, medizinische Begleitinformatio-nen und besondere historische Hinter-grundinformationen in einer einfachenSprache notwendig. Die Auswahl undPräsentation der Objekte muss für diesesPublikum ästhetisch besonders gutdurchdacht und vorsichtig konzipiertsein.Für Studierende der Medizin bietet dieDauerausstellung einen roten Fadendurch das Gebiet der Haut – und Ge-schlechtskrankheiten und kann damit alsklinische Grundlage für die Prüfungsvor-bereitung dienen. Alle häufigen Krank-heitsgruppen sind mit „typischen“ klini-schen Bildern vertreten, verbunden mitHinweisen zu theoretischen (z. B. diffe-rentialdiagnostischen) Besonderheiten(Abbildung 2).Für Besucher aus anderen Berufen desGesundheitswesens oder verwandter Ge-biete (Pflege, Kosmetik) aber auch fürden medizinischen Laien vermittelt einBesuch im Museum einen Überblick überdie vielfältigen Hautprobleme, verbundenmit präventivmedizinischen Informatio-nen zu Themen wie Kontaktallergien,Hautkrebs und Geschlechtskrankheiten.Ergänzend zu den Vitrinentexten wirdim Museum Informationsmaterial z. B.der schweizerischen Krebsliga oder zurAIDS-Prävention aufgelegt.

Mit Hinweisen auf historische Besonder-heiten sollen die emotional bewegendenMoulagen auch zum Nachdenken überden heutigen Umgang mit Medizin,Krankheiten und Stigmatisierung anre-gen.

SonderausstellungenEin Museum muss dynamisch sein, umwahrgenommen zu werden und sich denwandelnden Bedürfnissen und Gewohn-heiten der Besucher anpassen zu können.Wechselnde Sonderausstellungen sind indieser Hinsicht besonders wichtig.Beiträge in Tageszeitungen und anderenlokalen Medien anlässlich von Ausstel-lungseröffnungen haben die eindrückli-chen Darstellungen auch unter den Me-dienschaffenden bekannt gemacht.Seither werden Moulagen regelmäßig zurIllustration in Fernsehbeiträgen überHaut- oder Geschlechtskrankheiten ver-wendet. Nur ein knappes Drittel des vor-handenen Moulagenbestandes ist imMuseum zu sehen. Viele Moulagen sindkatalogisiert, aber nicht weiter thema-tisch untersucht und bearbeitet worden.Die Sonderausstellungen erlauben es, imLaufe der Zeit möglichst viele Objekteaus der Sammlung öffentlich zu zeigen,ohne die räumlichen Möglichkeiten imMuseum zu überlasten. Dabei bietet sichdie Gelegenheit, die Sammlung untervielfältigen medizinischen und histori-schen Gesichtspunkten zu bearbeitenund zu präsentieren.Die erste Sonderausstellung im Moula-genmuseum wurde im Jahr 2000 eröff-net und trug den Titel „Vom Erbgrind

Abbildung 2: Die Moulage Nr. 1275: Psoriasisgyrata, hergestellt ca. 1954 von Ruth Willi-Beutlin Zürich zeigt als Lehrmoulage das klassischeklinische Bild einer chronischen Psoriasis.

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zum Fußpilz – Wachsmoulagen doku-mentieren den Wandel der KrankheitHautpilz“ (Abbildung 3). Sie zeigte diehervorragende Möglichkeit, mit Moula-gen Krankheiten der Haut für die Lehrezu dokumentieren und demonstrierte,wie sich Hautpilzerkrankungen im Laufeder Zeit verändert haben.Die zweite Sonderausstellung im Jahr2002 widmete sich der Bedeutung derMoulagen im Einsatz zur Bekämpfungder Geschlechtskrankheiten. Merkblät-ter, Glasplattendiapositive, Poster, Mou-lagen und Ausschnitte aus dem ersten inden Schweizer Kinos 1931 gezeigtenTonfilm „Feind im Blut“, einem Auf-tragswerk der Schweizerischen Gesell-schaft zur Bekämpfung der Geschlechts-krankheiten, wurden mit den Mediender heutigen Aufklärungskampagne„Stopp Aids“ verglichen. Gleichzeitigbot die Ausstellung eine theoretischeÜbersicht über die Geschlechtskrankhei-ten und damit auch für Fachpersonendie Gelegenheit, die heute vielfach inVergessenheit geratene Klinik der Syphi-lis an einer Vielzahl von Objekten wiederkennen zu lernen.In Zürich gibt es über 500 Moulagen ausder Chirurgie, hergestellt vom später alsKunstmaler bekannt gewordenen wis-senschaftlichen Zeichner Adolf Fleisch-mann (1892–1968) unter der Leitungdes chirurgischen Klinikdirektors PaulClairmont (1875–1942). Neben 615Moulagen der Sammlung Péan im Hôpi-tal St. Louis in Paris sind dies vermutlich

die einzigen chirurgischen Moulagenweltweit [4]. Ihnen war die dritte Son-derausstellung „Chirurgie in Wachs –Moulagen aus der Chirurgischen Klinikdes Kantonsspitals Zürich 1919–1927“im Jahr 2003 gewidmet. Erstaunlicher-weise waren diese Moulagen nicht für dieVorlesung gemacht worden, sondern er-füllten wissenschaftliche Zwecke. Sie do-kumentierten außergewöhnliche klini-sche Bilder und Verläufe sowie die erstenplastisch-chirurgischen Operationen inder chirurgischen Klinik in Zürich. An-hand publizierter Fallberichte konntenviele Patientenschicksale rekonstruiertwerden. Somit bot die Ausstellung einenlebensecht illustrierten Einblick in dieProbleme und wissenschaftlichen Fra-

gestellungen der Chirurgen in Zürichaus der Zeit vor dem Einsatz von Anti-biotika und Mikrochirurgie.Mit über 300 Objekten konnte in dervierten Sonderausstellung im Jahr 2005die Annahme bestätigt werden, dass auchin der Dermatologie Moulagen für dieForschung hergestellt wurden (Abbil-dung 4). Eindrückliche Beispiele nebenklinischen Erstbeschreibungen sind dieSelbstversuche des KlinikdirektorsBruno Bloch (1878–1933) zum Nach-weis der kontaktallergischen Ekzemreak-tion mit Primelextrakt, Tierversuchezum Nachweis der Kanzerogenität vonTeer oder Röntgenstrahlen und klinischemykologische und radiologische Versu-che an in der Regel zwangshospitalsier-

Abbildung 3: Postkarte zur ersten Sonderausstel-lung im Moulagenmuseum: Ausschnitt der MoulageNr. 920, Trichophytie (herpes-iris-artig) am Unter-arm, hergestellt 1940 von Lotte Volger in Zürich.

Abbildung 4: Poster der im Jahr 2005 eröffneten Sonderausstellung „Dreidimensionale Dokumente“.Erstmals wird anhand von eindrücklichen Fallbeispielen zu Selbst-, Tier- und klinischen Versuchen diefrühere Bedeutung der Moulagen in der dermatologischen Forschung aufgezeigt.

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ten geschlechtskranken Frauen. Beglei-tend zur Ausstellung „DreidimensionaleDokumente – Moulagen zeigen Selbst-versuche, Tierversuche und klinischeForschung“ konnte erstmals auch einreich bebilderter Ausstellungskatalog ge-druckt werden [7, 8].

Wiederentdeckung als LehrmittelMoulagen waren hauptsächlich als Lehr-mittel hergestellt worden und galtenauch in Zürich für unverzichtbar im der-matologischen Unterricht [9]. Durch dietechnischen und qualitativen Fort-schritte der Fotografie wurden die Mou-lagen ab den 1960er Jahren vollständigaus der Lehre verdrängt. Mit dem gleich-zeitigen „Sterben“ der Moulagen, demFarbverlust und Gelbwerden, haben sieihre didaktische Bedeutung fast überallvollends verloren [10]. Die ZürcherSammlung ist eine eindrückliche Aus-nahme: hier haben die Moulagen ihrenPlatz als ernst zu nehmendes und sehrbeliebtes Lehrmittel bei ihrem ursprüng-lichen Zielpublikum, den Studierendender Medizin, wieder zurückgewonnen.Möglich war dies nur dank der hervorra-genden und stabilen Qualität der inZürich hergestellten Wachsmodelle, andenen die dargestellten Befunde immernoch absolut lebensecht wiedergebenwerden, und der Möglichkeit eine didak-tisch sinnvolle Auswahl in einem anspre-chenden Museum im Bereich des Uni-versitätsspitals präsentieren zu können.Hinweise in Kursen und Vorlesungen,vor allem aber die Mund zu Mund Pro-paganda unter den Staatsexamenskandi-daten, haben die Moulagen als ideale Be-funddarstellungen zum Erlernen undRepetieren der Hautkrankheiten wiederin die Lehre zurückgeholt. Studenten,haben jederzeit freien Zugang zum Mu-seum und verbringen spätestens vor denPrüfungen in Dermatologie jeweils meh-rere Stunden vor den Vitrinen. Seit demJahr 2005 haben die Moulagen sogarwieder ihren festen Platz in der Vorle-sung, indem der Einführungskurs fürDermatologie, gehalten durch den Kli-nikdirektor der Dermatologischen Kli-nik und den Konservator in seiner Funk-tion als dermatologischer Oberarzt,direkt im Moulagenmuseum stattfindet.Besonders zu erwähnen ist auch, dass inTübingen für das Absolvieren vonOSCE-Prüfungen seit 2004 Moulageneingesetzt werden. Für diesen Anlass

wurden auch Moulagen aus der ZürcherSammlung nach Tübingen ausgeliehen [11].

Medizinhistorische Forschung und LehreIn dermatologischen Fachkreisen wirdheute den Moulagen besonders als me-dizinhistorische Objekte und Doku-mente vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt. In Zürich werden unter-schiedlichste Aspekte der Wachsobjektemedizinhistorisch vertieft untersucht.Diese Forschungsaktivität wird durcheine enge Verbindung zum Me-dizinhistorischen Institut und Museumder Universität Zürich gefördert. NebenForschungen zu Themen, die in denoben erwähnten Sonderausstellungenihren Niederschlag gefunden haben, las-sen sich an Moulagen auch Fragen zurBildtheorie, Darstellung und Wahrneh-mung von Körper und Krankheiten imWandel der Zeit weiter untersuchen undillustrieren. So werden einzelne Objekteaus dem Museum in der medizinhistori-schen Lehre an der Universität Zürich inWorkshops verwendet.

Pflege, Restauration und Herstellungvon MoulagenElsbeth Stoiber war 1956 noch als Mou-lageuse angestellt worden und hatte diein Zürich praktizierte Technik 1953 vonLotte Volger gelernt. 1998 gab sie das bisdahin geheim gehaltene Rezept derMoulagenmasse und wichtiges Wissenüber die Herstellung, Pflege und Restau-ration von Moulagen im Auftrag des Ku-ratoriums an Michael Geiges weiter. ImSelbststudium, an Probanden und durchdie Herstellung von Duplikaten wurdebereits während der Übergabe die Fertig-keit weiter geübt und verfeinert. InZürich gelang es so, dieses Können zubewahren, während weltweit durch dietraditionelle Geheimniskrämerei Re-zepte und wichtige Angaben zu den ver-schiedenen Herstellungstechniken verlo-ren gegangen sind.Es ist heute ein wichtiges Anliegen, dieTechnik weiter zu pflegen und bekanntzu machen. Nur so ist es möglich dieempfindlichen Objekte, nicht nur desZürcher Kulturgutes sondern auch ande-rer Sammlungen, für die Zukunft erhal-ten zu können. Zudem bildet dieses Wis-sen die Basis um das oben erwähnteAltern oder „Sterben“ von Moulagenmöglichst zu verhindern. Die Wieder-entdeckung der Moulagen in der Lehre

haben auch das Bedürfnis geweckt, dieSammlung mit Krankheitsbefunden zuergänzen, die in der heutigen Zeit wich-tiger geworden sind und in der Ausstel-lung fehlen.

Weiterführende AktivitätenHilfreich wäre ein Netzwerk für denAustausch zwischen Konservatoren, Re-stauratoren und Präparatoren der ver-schiedenen Sammlungen, so wie 1956Alfred Stühmer (1885–1957) anlässlichder Arbeitstagung für DermatologischeBildkunst gefordert, und die Teilnehmerdes 1993 in Dresden abgehaltenen inter-nationalen Kolloquiums „Wachs – Mou-lagen und Modelle“ gewünscht haben[12, 13]. Die heutigen digitalen Kom-munikationsmöglichkeiten und daswachsende medizinhistorische Interessean den Moulagen scheinen dies endlichmöglich zu machen.Im dermatologischen Lehrmittel, demAbbild eines historischen erkranktenKörpers, das auch für die Wissenschaftdirekt eingesetzt wurde und das insbe-sondere beim medizinischen Laien auchabschreckende und beängstigende Ge-fühle zu wecken vermag, verbergen sichviele weiterführende Bedeutungen. DieZusammenarbeit zwischen den vorhan-denen Institutionen mit Moulagen, aberauch die interdisziplinäre Zusammenar-beit z. B. mit Vertretern aus Gebieten derKunst- und Wissenschaftsgeschichtewird für weitere Untersuchungen undAusstellungen zunehmend interessantund wichtig. <<<

KorrespondenzanschriftDr. med. Michael L. GeigesFacharzt Dermatologie und VenerologieFMHKonservator Moulagenmuseum Universität und Universitätsspital ZürichOberarzt Dermatologische Klinik Universitätsspital ZürichWissenschaftlicher Mitarbeiter Medizinhistorisches Institut undMuseum der Universität ZürichMoulagenmuseum Universität und Universitätsspital ZürichHaldenbachstrasse 14CH-8006 ZürichTel:. +41 25 55 68 5Fax: +41 25 54 40 3E-Mail: [email protected]

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Literatur1 Bialynicki-Birula R et al. Dermatologic

Moulages, an atlas of the Wroclawcollection. Wroclaw: Cornetis, 2006.

2 Emmanouil P. Museum of wax models.In: Katsambas A, Emmanouil P,Thanassis P (Hrsg.) Museum of Mou-lages of “Andreas Sygros“ Hospital.Athen: MD communications, 2000: 9–15.

3 Schnalke T. Diseases in Wax: the Hi-story of the Medical Moulage. Berlin:Quintessence, 1995.

4 Tilles G, Wallach D (2002) Les Moula-ges en Dermatologie. In: Wallach D,Tilles G (Hrsg) La Dermatologie enFrance. Toulouse; Editions Privat PierreFabre Dermo-Cosmétique, 2002: 715–728.

5 Geiges ML. Renaissance der ZürcherMoulagen. Gesnerus 2001; 58: 249-258.

6 Schnalke Th. Veröffentlichte Körper-welten – Möglichkeiten und Grenzeneiner Medizin im Museum. Z MedEthik 1999; 45: 15–26.

7 Geiges ML. Vernissage der vierten Son-derausstellung im Moulagenmuseum -Zürich, 29. September 2005: “Dreidi-mensionale Dokumente“ - Moulagenzeigen Tierversuche, Selbstversucheund klinische Forschung. Akt Derma-tol 2006; 32: 57–58.

8 Geiges M, Holzer R. DreidimensionaleDokumente - Moulagen zeigen Tier-versuche, Selbstversuche und klinischeForschung. Zürich: MoulagenmuseumZürich, 2006.

9 Bloch B. „Neubau einer Klinik fürHaut- und Geschlechtskranke“ - Auf-klärungsschrift, verfasst im Auftrag derGesellschaft der Ärzte des Kantons

Zürich zur kantonal-zürcherischen Ab-stimmung 2. April 1922. Zürich, 1922

10 Sticherling M, Euler U. Das “Sterben“der Moulagen-Wachsabbildungen inder Dermatologie. Hautarzt 1999; 50:674–678.

11 Moehrle M et al. Moderne Prüfung mithistorischen Mitteln “Objective Struc-tured Clinical Examination“(OSCE)an Moulagen. Hautarzt 2006; 57: 528–531.

12 Hahn S, Ambatielos D. Wachs - Mou-lagen und Modelle - InternationalesKolloquium 26. und 27. Februar 1993.Dresden: Wissenschaft im DeutschenHygiene-Museum, 1994.

13 Stühmer A. Bericht über die Arbeitsta-gung für Dermatologische Bildkunstvom 27 - 29. Juli 1956. Hautarzt 1957;8: 37–40.

Leserbriefe

Leserbrief zuHeidi Ulrich, Michael Landthaler,Thomas VogtGranulomatöse Dermatitis nach Qual-lenkontaktJDDG 2007; 5: 493–495

Mit Interesse habe ich den Artikel vonUlrich und Mitarbeitern in Heft 6, Jahrgang5 von JDDG gelesen [1]. Ich habe michlange mit dieser Problematik beschäftigt [2].Dieser Fall erinnert an einen anderen,der vor längerem publiziert worden war undmöglicherweise durch Pelagia noctilucabedingt gewesen war [3]. Der therapeuti-sche Vorschlag zur Verwendung von topischem Tacrolimus ist ausgezeichnet.Wegen der rezivierenden Verläufe solltenallerdings die Therapiezeiträume ausge-dehnt werden.In der Diskussion finden sich jedoch einigePunkte, die einer näheren Betrachtungbedürfen. Der Grund, weshalb man dasSalzwasser belassen und nicht mit Süßwasser spülen sollte, ist einzig und allein wegen der Schmerzen, nicht jedochaus Furcht vor Anaphylaxie, da einequallengiftinduzierte Anaphylaxie ausge-sprochen selten ist. Es gibt nur einen dokumentierten Fallbericht in der Literatur[4]. Ein definitiver Nachweis fordert das Vorhandensein einer giftspezifischenHistaminfreisetzung aus Mastzellen odereinen positiven passiven, kutanen Anaphylaxietest. Klinisch können die

geschilderten Beschwerden sowohl durcheine toxische als auch durch eine allergischePathogenese ausgelöst sein. Allerdingssprechen sowohl das Fehlen weiterer entsprechender Publikationen, das Fehleneiner Verschlimmerung der Symptomebei konsekutiven Stichen und auch fehlende Hinweise auf eine klinische Resistenz (keine Schmerzen nach demStich) eher für eine toxische Pathogenese.Die Erwähnung eines Erythema nodosumals eine Quallengiftkomplikation gehtauf eine Publikation von Auerbach undHays zurück, die sich seit dem in denLehrbüchern wiederfindet [5]. Die Au-toren beschreiben eine Patientin, die roteKnoten auf ihren Beinen bemerkte, nachdem sie aus der Brandung kam. Sie wurdein einer Notfallaufnahme gesehen, wo siejedoch nicht von einem Dermatologenbegutachtet wurde, und es wurde auchkeine feingewebliche Sicherung vorge-nommen. Die Patientin hatte wederSchmerzen, noch hatte sie eine Quallegesehen. Ich glaube, dass dieses Zitat,wie auch bei den Lehrbüchern, nicht imOriginal eingesehen wurde.Zur Verhinderung der Explosion vonNematozysten auf der Haut werden zurSofort-Therapie Inhibitoren eingesetzt,die jedoch spezies-spezifisch sein müssenund in ihrer Wirksamkeit durchausschwanken. Magnesiumsulfat, seit länge-rem verwendet, hat eher eine schwacheWirkung. Allerdings wird es heute intra-venös nach Irukandji-Stichen verwendet,mit durchaus variablen Ergebnissen.

Auch haben sich Kombinationen ausLichtschutzmitteln und topischen Qual-lenstichinhibitoren nicht bewährt [6].

KorrespondenzanschriftJoseph W. Burnett, M.D.Emeritus Professor of DermatologyUniversity of Maryland School of Medicine4401 Roland AveBaltimore, Md 21210 USATel.: +1-41-04 67-54 64Fax: +1-41-08 89-39 10E-Mail: [email protected]

Literatur1 Ulrich H, Landthaler M, Vogt T.

Granulomatous jellyfish dermatitis. J.Deutsche Dermatologische Gesell-schaft 2007; 5: 493–495.

2 Burnett JW. Medical aspects of jellyfishenvenomation: pathogenesis, case re-porting and therapy. Hydrobiologica.2001; 445: 1–9.

3 Reed KM, Bronstein BR, Baden HP.Delayed and persistent reactions to coelenterates. J. Amer. Acad. Derm. 1984;10: 462–466.

4 Togias AG, Burnett JW, Kagy-SobotkaA, Lichtenstein L. Anaphlaxis aftercontact with a jellyfish. J. Allergy andClin. Immunol. 1985; 75: 672–675.

5 Auerbach PS, Hays JB. Erythemanodosum following a jellyfish sting. J.Emerg. Med. 1987; 5: 487–491.