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Wer gegen wen in Thüringen regiert Uwe Höhn, SPD Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion: Er galt lange parteiintern als Stütze von SPD-Chef Christoph Matschie und hat viele Konflikte mit der CDU durch Gespräche mit Mike Mohring ausräumen können. Auch wenn sein Verhältnis zum CDU-Fraktionschef inzwischen getrübt ist, stabilisiert Uwe Höhn die Koalition. Matthias Machnig, SPD Wirtschaftsminister: Der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer befindet sich immer im Wahlkampf – auch für sich. Er besetzt pausenlos Themen, auch die seiner Kabinettskollegen, ob nun Union oder SPD. Das schafft ihm parteiübergrei- fend Feinde. Wenn er allerdings bekommt, was er will, ist Machnig sehr pragmatisch. So unterstützt er Matschie, dem er sich überlegen fühlt, im Haushaltsstreit nicht. Auch pflegt er sein Verhältnis mit Christine Lieberknecht. Holger Poppenhäger, SPD Justizminister: Der frühere Landtagsbeamte verrichtet seine Arbeit und versucht, mit jedem klarzukommen. Eine Ausnahme ist Europaministerin Marion Walsmann, der er erfolgreich einen wichtigen Teil der EU-Politik streitig macht. Da er der einzige Minister ist, der vor der Wahl zu den parteiinternen Gegnern von Matschie gehörte, ist beider Verhältnis kühl. Seit Poppenhä- ger den Erfurter SPD-Vorsitz abgeben musste, gilt er als Minister auf Abruf. Heike Taubert, SPD Sozialministerin: Sie steht als Stellvertreterin in der Partei loyal zu Matschie und versucht, die Sacharbeit in den Vordergrund zu stellen. Inhaltlich liegt sie oft mit dem Finanzminister quer, gerade wenn es um die Gelder für Sozialprojekte wie die Schulsozialarbeit geht. Auch ärgert sie sich oft über ihren Parteifreund Machnig, der ihr etwa im Bereich Sport hineinregiert. Mike Mohring, CDU CDU-Landtagsfraktionschef: Er ist der zweitwichtigste Mann in der Thüringer Union – würde aber gerne mehr sein. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat er nicht verziehen, dass sie ihn als Parteichef verhinderte. Das gilt auch für ihre Unterstützer. Neben Matthias Machnig ist er das größteTalent in der Koalition – und der größte Unruhestifter. Wolfgang Voß, CDU Finanzminister: Er ist immer noch der neue Minister im Kabinett – und mittlerweile der mächtigste. Die Ministerpräsidentin stellt ihre ganze Bilanz auf ihn ab, derweil ihm der CDU-Fraktionschef misstrauisch begegnet. Voß‘ Verhältnis mit dem SPD-Chef ist ein ständiges Auf und Ab. Mal streiten sie sich bis zur Erschöpfung über Monate, mal lösen sie die Probleme binnen Stunden. Christian Carius, CDU Minister für Bau und Verkehr: Der Mann ist pragmatisch, weshalb er auch einer der wenigen Kabinetts- mitglieder ist, der mit dem Wirtschaftsminister recht gut klarkommt. Dass er entscheidend an der Inthronisierung von Lieberknecht nach der Landtagswahl beteiligt war und Mohring als Parteichef verhinderte, belastet sein Verhältnis mit dem Fraktionschef noch heute. Jürgen Reinholz, CDU Minister für Umwelt und Landwirtschaft: Der Mann, der einmal Wirtschaftsminister war, bekämpft seinen Nachfol- ger Matthias Machnig – und das ausgerechnet bei dem auch für Lieberknecht wichtigen Thema Energiewende. Dabei wirkt Reinholz auch in der CDU isoliert. Zuletzt pfiff ihn die Partei bei der Wasserabgabe zurück. Marion Walsmann, CDU Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten: Seit sie von Wolfgang Voß als Finanzministerin abgelöst wurde, hält sie sich in Koalitionskonflikten zurück, zumal sie in ihrer neuen Funktion die Kabinettsarbeit orchestrieren muss. Mit Christine Lieberknecht pflegt sie ein nüchternes Arbeitsverhältnis. Im Übrigen hält sie Justizminister Poppenhäger für intrigant und Matthias Machnig für einen Macho. Christoph Matschie, SPD Vize-Ministerpräsident, Bildungsminister und SPD-Vorsitzender: Er ist derzeit der Feind Nummer 1 der CDU. Alle prügeln auf ihn ein, weil er als wahrer Verhinderer des Doppelhaushalts gilt. Auch die Unterstützung in der eigenen Partei bröckelt mal wieder. Fraktionschef Höhn beginnt sich seit Längerem vorsichtig zu distanzieren, Wirtschaftsminister Machnig, dessen Aussichten in der Bundespolitik ungewiss sind, baut sich als Alternative im Land auf. Christine Lieberknecht, CDU Ministerpräsidentin und CDU-Chefin: Am liebsten hätte es die gelernte Pastorin, wenn die Regierung wie eine kleine, harmonische Kirchengemeinde funktionierte. Doch da sie seit 20 Jahren in der Politik ist, weiß sie, dass dies nicht funktioniert. Ihre Zweckbeziehung mit Matschie erodiert, weshalb sie immer stärker die Nähe zu Machnig sucht. Auch bleibt ihr Verhältnis mit dem Fraktionschef Mike Mohring schwierig. Zudem können ihre eigenen Minister nie sicher sein, wie ihnen geschieht. Eine zweite Kabinettsreform scheint nicht ausgeschlossen. Nicht nur beim Haushalt blockiert sich die Thüringer Koalition. Auch innerhalb von CDU und SPD herrscht schlechtes Wetter gutes Verhältnis gespanntes Verhältnis Grafik: Andreas Wetzel wechselhaftes Verhältnis Das Thema T C PL Mittwoch, . September Seite Von Martin Debes Ab dieser Woche sollte der Landtag über den Haushalt debattieren. Sollte. Doch auch ein Geheimtref- fen zwischen Finanzminister Wolf- gang Voß (CDU) und Vize-Regie- rungschef Christoph Matschie (SPD) am gestrigen Abend änderte nichts mehr daran: Das Parlament darf heute nur darüber streiten, dass es nichts zum Streiten hat. Die Opposition ist gleicherma- ßen entsetzt wie entzückt. Die Koa- lition habe „die Bevölkerung, die so- zialen Träger und die Kommunen in Geiselhaft genommen“, sagt Linke- Fraktionschef Bodo Ramelow. Die Grünen-Fraktionschefin Anja Sie- gesmund bezeichnet Schwarz-Rot als schlicht „regierungsunfähig“. Hintergrund ist der seit mehr als zwei Monaten andauernde Streit um die Frage, ob Thüringen einen Doppelhaushalt für die Jahre 2013 und 2014 beschließen soll. Die SPD lehnt den fertigen Gesetzentwurf mit Verweis auf die unsichere Kon- junktur ab − und will nur einen Ein- zeletat für 2013 beschließen. Damit wird Thüringen mindes- tens die ersten Wochen des nächs- ten Jahres ohne Haushalt regiert. Denn das Parlament, das nun frü- hestens ab Oktober über das Zah- lenwerk diskutieren kann, will sich mindestens die üblichen drei Mo- nate Beratungszeit nehmen − und damit weit über Neujahr hinaus. Zwar wird das Land auch so ab Januar im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung alle gesetzlichen Ausgaben weiter auszahlen. Doch bestimmte Investitionen, Fördermit- tel oder Zuschüsse an Sozialverbän- de können nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Finanzministers fließen. Schätzungen beziffern das Volumen der vorläufigen Sperre auf 300 Millionen Euro. Der Haushaltsstreit markiert ei- ne Zäsur in einer Koalition, in der sowieso fast jeder gegen jeden ist. Die Zeit der Wahlen ist angebro- chen, obwohl die Legislatur offiziell noch zwei Jahre währt. Bereits jetzt haben die Nominierungen für die Bundestagswahl in einem Jahr be- gonnen. Ein Jahr später wird der Landtag neu gewählt. Und so steigt die Nervosität. CDU und SPD beschimpfen sich ungeniert, auch die parteiinternen Konflikte lassen sich schlechter überdecken. Dennoch sagt der Je- naer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland, dass die Koalition vor- erst halten dürfte. Allerdings: „Nach der Bundestagswahl kann es ganz schnell zu Ende gehen.“

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  • Wer gegen wen in Thüringen regiert

    Uwe Höhn, SPDVorsitzender der SPD-Landtagsfraktion:Er galt lange parteiintern als Stütze von SPD-Chef Christoph Matschie undhat viele Konflikte mit der CDU durch Gespräche mit Mike Mohringausräumen können.Auch wenn sein Verhältnis zum CDU-Fraktionschef inzwischen getrübt ist,stabilisiert Uwe Höhn die Koalition.

    Matthias Machnig, SPDWirtschaftsminister:Der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer befindet sich immer imWahlkampf – auch für sich. Er besetzt pausenlos Themen, auch die seinerKabinettskollegen, ob nun Union oder SPD. Das schafft ihm parteiübergrei-fend Feinde.Wenn er allerdings bekommt,was erwill, ist Machnig sehr pragmatisch. Sounterstützt er Matschie, dem er sich überlegen fühlt, im Haushaltsstreitnicht. Auch pflegt er sein Verhältnis mit Christine Lieberknecht.

    Holger Poppenhäger, SPDJustizminister:Der frühere Landtagsbeamte verrichtet seine Arbeit und versucht, mitjedem klarzukommen. Eine Ausnahme ist Europaministerin MarionWalsmann, der er erfolgreich einen wichtigen Teil der EU-Politik streitigmacht.Da er der einzige Minister ist, der vor der Wahl zu den parteiinternenGegnern von Matschie gehörte, ist beider Verhältnis kühl. Seit Poppenhä-ger den Erfurter SPD-Vorsitz abgeben musste, gilt er als Minister auf Abruf.

    Heike Taubert, SPDSozialministerin:Sie steht als Stellvertreterin in der Partei loyal zu Matschie und versucht,die Sacharbeit in den Vordergrund zu stellen. Inhaltlich liegt sie oft mitdem Finanzminister quer, gerade wenn es um die Gelder für Sozialprojektewie die Schulsozialarbeit geht.Auch ärgert sie sich oft über ihren Parteifreund Machnig, der ihr etwa imBereich Sport hineinregiert.

    Mike Mohring, CDUCDU-Landtagsfraktionschef:Er ist der zweitwichtigsteMann in der Thüringer Union –würde aber gernemehr sein. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat er nichtverziehen, dass sie ihn als Parteichef verhinderte.Das gilt auch für ihre Unterstützer. Neben Matthias Machnig ist er dasgrößte Talent in der Koalition – und der größte Unruhestifter.

    Wolfgang Voß, CDUFinanzminister:Er ist immer noch der neue Minister im Kabinett – und mittlerweile dermächtigste. Die Ministerpräsidentin stellt ihre ganze Bilanz auf ihn ab,derweil ihm der CDU-Fraktionschef misstrauisch begegnet.Voß‘ Verhältnis mit dem SPD-Chef ist ein ständiges Auf und Ab. Malstreiten sie sich bis zur Erschöpfung über Monate, mal lösen sie dieProbleme binnen Stunden.

    Christian Carius, CDUMinister für Bau und Verkehr:Der Mann ist pragmatisch, weshalb er auch einer der wenigen Kabinetts-mitglieder ist, der mit demWirtschaftsminister recht gut klarkommt. Dasser entscheidend an der Inthronisierung von Lieberknecht nach derLandtagswahl beteiligt war und Mohring als Parteichef verhinderte,belastet sein Verhältnis mit dem Fraktionschef noch heute.

    Jürgen Reinholz, CDUMinister für Umwelt und Landwirtschaft:Der Mann, der einmal Wirtschaftsminister war, bekämpft seinen Nachfol-ger Matthias Machnig – und das ausgerechnet bei dem auch fürLieberknecht wichtigen Thema Energiewende.Dabei wirkt Reinholz auch in der CDU isoliert. Zuletzt pfiff ihn die Partei beiderWasserabgabe zurück.

    MarionWalsmann, CDUMinisterin für Bundes- und Europaangelegenheiten:Seit sie von Wolfgang Voß als Finanzministerin abgelöst wurde, hält siesich in Koalitionskonflikten zurück, zumal sie in ihrer neuen Funktion dieKabinettsarbeit orchestrieren muss. Mit Christine Lieberknecht pflegt sieein nüchternes Arbeitsverhältnis. Im Übrigen hält sie JustizministerPoppenhäger für intrigant und Matthias Machnig für einen Macho.

    ChristophMatschie, SPDVize-Ministerpräsident, Bildungsministerund SPD-Vorsitzender:Er ist derzeit der Feind Nummer 1 der CDU. Alle prügeln aufihn ein, weil er als wahrer Verhinderer des Doppelhaushaltsgilt. Auch die Unterstützung in der eigenen Partei bröckeltmal wieder.Fraktionschef Höhn beginnt sich seit Längerem vorsichtig zudistanzieren, Wirtschaftsminister Machnig, dessenAussichten in der Bundespolitik ungewiss sind, bautsich als Alternative im Land auf.

    Christine Lieberknecht, CDUMinisterpräsidentin und CDU-Chefin:Am liebsten hätte es die gelernte Pastorin, wenn dieRegierung wie eine kleine, harmonische Kirchengemeindefunktionierte. Doch da sie seit 20 Jahren in der Politik ist,weiß sie, dass dies nicht funktioniert. Ihre Zweckbeziehungmit Matschie erodiert, weshalb sie immer stärker die Nähezu Machnig sucht.Auch bleibt ihr Verhältnis mit dem Fraktionschef MikeMohring schwierig. Zudem können ihre eigenenMinister niesicher sein, wie ihnen geschieht. Eine zweite Kabinettsreformscheint nicht ausgeschlossen.

    Nicht nur beim Haushalt blockiert sich die Thüringer Koalition.Auch innerhalb von CDU und SPD herrscht schlechtesWetter

    gutesVerhältnis

    gespanntesVerhältnis

    Grafik: AndreasWetzel

    wechselhaftesVerhältnis

    Das Thema T C PL Mittwoch, . September Seite

    VonMartinDebes

    Ab dieser Woche sollte der Landtagüber den Haushalt debattieren.Sollte. Doch auch ein Geheimtref-fen zwischen Finanzminister Wolf-gang Voß (CDU) und Vize-Regie-rungschef Christoph Matschie(SPD) am gestrigen Abend ändertenichts mehr daran: Das Parlamentdarf heute nur darüber streiten,dass es nichts zum Streiten hat.

    Die Opposition ist gleicherma-ßen entsetzt wie entzückt. Die Koa-lition habe „die Bevölkerung, die so-zialen Träger und die Kommunen inGeiselhaft genommen“, sagt Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow. DieGrünen-Fraktionschefin Anja Sie-gesmund bezeichnet Schwarz-Rotals schlicht „regierungsunfähig“.

    Hintergrund ist der seit mehr alszwei Monaten andauernde Streitum die Frage, ob Thüringen einenDoppelhaushalt für die Jahre 2013und 2014 beschließen soll. Die SPDlehnt den fertigen Gesetzentwurfmit Verweis auf die unsichere Kon-junktur ab − und will nur einen Ein-zeletat für 2013 beschließen.

    Damit wird Thüringen mindes-tens die ersten Wochen des nächs-ten Jahres ohne Haushalt regiert.Denn das Parlament, das nun frü-hestens ab Oktober über das Zah-

    lenwerk diskutieren kann, will sichmindestens die üblichen drei Mo-nate Beratungszeit nehmen − unddamit weit über Neujahr hinaus.

    Zwar wird das Land auch so abJanuar im Rahmen der vorläufigenHaushaltsführung alle gesetzlichenAusgaben weiter auszahlen. Dochbestimmte Investitionen, Fördermit-tel oder Zuschüsse an Sozialverbän-de können nur mit ausdrücklicherGenehmigung des Finanzministersfließen. Schätzungen beziffern dasVolumen der vorläufigen Sperreauf 300 Millionen Euro.

    Der Haushaltsstreit markiert ei-ne Zäsur in einer Koalition, in dersowieso fast jeder gegen jeden ist.Die Zeit der Wahlen ist angebro-chen, obwohl die Legislatur offiziellnoch zwei Jahre währt. Bereits jetzthaben die Nominierungen für dieBundestagswahl in einem Jahr be-gonnen. Ein Jahr später wird derLandtag neu gewählt.

    Und so steigt die Nervosität.CDU und SPD beschimpfen sichungeniert, auch die parteiinternenKonflikte lassen sich schlechterüberdecken. Dennoch sagt der Je-naer Politikwissenschaftler TorstenOppelland, dass die Koalition vor-erst halten dürfte. Allerdings:„Nach der Bundestagswahl kann esganz schnell zu Ende gehen.“