2
FOTOS: THILO THIELKE Cindy zum Beispiel gehörte rei- chen Franzosen, die in dem afrika- nischen Land Elfenbeinküste lebten. Wilderer hatten Cindy als Baby von den Eltern geraubt und an Menschen verkauft. Drei Jahre später wollten diese den Schimpansen nicht mehr haben und gaben ihn an Tierschützer ab. Etwa ein Drittel der Tiere in Chim- funshi kommen aus der Nähe, aus dem Land Kongo. Dort leben Schim- pansen in Freiheit, werden aber oft von Wilderern gejagt. Andere Tiere wurden aus Neuseeland, Haiti oder Dubai zu den Tierschützern gebracht. Louis kümmert sich seit drei Jahren intensiv um die Schimpan- sen aus dem Waisenhaus. Eigentlich lebt er in Berlin und arbeitet als Unternehmensberater. Doch 2011 starb plötzlich sein älterer Bruder Stephan – und der hatte bereits vor vielen Jahren von Chimfunshi erfahren und es sich zur Aufgabe gemacht, den Schimpansen zu helfen. BEINAHE IN FREIHEIT » Dein SPIEGEL 07 | 2014 45 Hier ist es gemütlich: Die Schimpansen fühlen sich draußen in der Natur wohl. Früher waren sie als Haustiere bei reichen Familien eingesperrt oder mussten im Zirkus auftreten. sen sind etwa siebenmal so stark wie Menschen. Ihr Gebiss ist so kräftig wie das eines Löwen. Seit zehn Jahren lebt Cindy nun schon in einem riesigen Freigehege. Es befindet sich im Norden Sambias, direkt an der kongolesischen Grenze – mitten in Afrika also. „Chimfunshi“ heißt die Anlage, sie ist die Heimat D ie beiden verstehen sich gut. Entspannt lehnen Sebastian Louis und die Schimpansen- dame Cindy Rücken an Rücken im Gras und genießen den Sonnenschein. Weit und breit ist kein Wärter zu se- hen. Es ist ein Bild des Friedens – und doch ist Sebastian Louis aus Berlin ganz schön mutig. Denn Schimpan- von rund 130 Schimpansen. Cindy und die anderen leben nicht frei. Aber es geht ihnen hier besser als in ihrem vorherigen Leben. „Die meisten kommen aus schlimmen Ver- hältnissen“, erzählt Sebastian Louis. „Viele wurden gequält, und einige haben ihre Eltern durch Wilderer verloren.“ 44 Dein SPIEGEL 07 | 2014 Freunde: Sebastian Louis und Cindy. Auf einem riesigen Freigelände in Afrika leben 130 Schimpansen. Sie sind zwar gefangen, aber es geht ihnen gut. Früher wurden sie von Menschen gequält.

Dein Spiegel 0714

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Dein Spiegel

Citation preview

FOTOS: THILO THIELKE

Cindy zum Beispiel gehörte rei-chen Franzosen, die in dem afrika -nischen Land Elfenbeinküste lebten.Wilderer hatten Cindy als Baby vonden Eltern geraubt und an Menschenverkauft. Drei Jahre später wolltendiese den Schimpansen nicht mehrhaben und gaben ihn an Tierschützerab.

Etwa ein Drittel der Tiere in Chim-funshi kommen aus der Nähe, ausdem Land Kongo. Dort leben Schim-pansen in Freiheit, werden aber oftvon Wilderern gejagt. Andere Tierewurden aus Neuseeland, Haiti oderDubai zu den Tierschützern gebracht.Louis kümmert sich seit drei

Jahren intensiv um die Schimpan-

sen aus dem Waisenhaus. Eigentlich lebt er in Berlin und arbeitet als Unternehmensberater. Doch 2011starb plötzlich sein älterer Bruder Stephan – und der hatte bereitsvor vielen Jahren von Chimfunshi erfahren und es sich zur Aufgabe gemacht, den Schimpansen zuhelfen.

BEINAHE IN FREIHEIT

»Dein SPIEGEL 07 | 2014 45

Hier ist es gemütlich: Die Schimpansen fühlen sich draußen in der Naturwohl. Früher waren sie

als Haustiere bei reichen Familien eingesperrt oder

mussten im Zirkusauftreten.

sen sind etwa siebenmal so stark wieMenschen. Ihr Gebiss ist so kräftigwie das eines Löwen. Seit zehn Jahren lebt Cindy nun

schon in einem riesigen Freigehege.Es befindet sich im Norden Sambias,direkt an der kongolesischen Grenze– mitten in Afrika also. „Chimfunshi“heißt die Anlage, sie ist die Heimat

Die beiden verstehen sich gut.Entspannt lehnen SebastianLouis und die Schimpansen -

dame Cindy Rücken an Rücken imGras und genießen den Sonnenschein.Weit und breit ist kein Wärter zu se-hen. Es ist ein Bild des Friedens – unddoch ist Sebastian Louis aus Berlinganz schön mutig. Denn Schimpan-

von rund 130 Schimpansen. Cindyund die anderen leben nicht frei.Aber es geht ihnen hier besser als in ihrem vorherigen Leben. „Diemeisten kommen aus schlimmen Ver-hältnissen“, erzählt Sebastian Louis.„Viele wurden gequält, und einige haben ihre Eltern durch Wilderer verloren.“

44 Dein SPIEGEL 07 | 2014

Freunde: Sebastian Louis

und Cindy.

Auf einem riesigen Freigelände in Afrika leben 130Schimpansen. Sie sind zwar gefangen, aber es gehtihnen gut. Früher wurden sie von Menschen gequält.

Jetzt will Sebastian Louis dasLebenswerk seines Bruders fort-

setzen, und deshalb fährt er mindes-tens zweimal im Jahr nach Sambia undverbringt mehrere Wochen mit denSchimpansen. „Diese Arbeit hat mirdie Augen geöffnet“, sagt SebastianLouis, „wir müssen viel mehr tun, umdie Menschenaffen zu beschützen.“Und Schutz ist nötig: Weil die Men-

schen immer mehr Flächen des Ur-walds besiedeln, bleibt weniger Raumfür die Tiere. Außerdem machen Wil-derer Jagd auf die großen Affen: Das

»

46 Dein SPIEGEL 07 | 2014

FOTO

S O

BE

N:

THIL

O T

HIE

LKE

; C

HIM

FUN

SH

I (U

.)

Trauriger Blick: Die Schimpansen haben Schlimmes erlebt. Jetztmüssen sie erst wieder lernen, Menschen zu vertrauen.

Mahlzeit! Wenn der Tierpfleger kommt, wird es an der Essensausgabe voll.

Vor mehr als 30 Jahren tötetenWilderer die Familie des Schim-pansenbabys Pal. Eine Kugel hatte die Mutter des Jungtiers getötet und Pals rechten Kieferdurchschlagen. Damals kümmer-te sich die Engländerin SheilaSiddle um das Tier und zog denkleinen Schimpansenjungen mitder Flasche auf.Pal überlebte, und Sheila be-schloss, eine Auffangstation fürSchimpansen zu gründen. Daswar der Beginn von Chimfunshi. Mittlerweile ist Chimfunshi ein

großer Betrieb. 70 Fami lien lebenauf dem Gelände – also fast 400Personen. 60 Angestellte küm-mern sich um die 130 Schimpan-sen. Es gibt sogar eine eigenekleine Schule für die Kinder undeine Rinderzucht mit rund 600Tieren. „Noch lebt Chimfunshiüberwiegend von Spenden undder Unterstützung aus dem Aus-land“, sagt Sebastian Louis. „DieRinderzucht soll den Menschen,die in Chimfunshi leben, nun dieMöglichkeit geben, den Betriebselbst zu finanzieren.“

Fleisch der erwachsenen Tiere wird oftgegessen, die Jungen werden als Haus-tier gehalten oder an Zoos verkauft.In arabischen Ländern oder in

China finden es einige reiche Leuteschick, einen Schimpansen als Haus-tier zu haben. Das 13-jährige Schim-pansenmädchen Alice beispielsweiselebte bei einer Familie, aß mit denMenschen und schaute gemeinsammit ihnen fern. Am Ende konnte siesogar die Fernbedienung bedienen.Das klingt vielleicht ganz süß, ist aberüberhaupt nicht artgerecht.

In Chimfunshi dürfen sich die Tierevon den früheren Qualen erholen. Das 40-jährige SchimpansenmännchenToto etwa. Jahrelang war Toto in einem Zirkus im südamerikanischen Chile gehalten worden. Er musste Biertrinken, Zigaretten rauchen und sichzum Gespött der Besucher machen.In Freiheit lebt Toto auch heute

nicht. Auch heute stößt er noch anZäune. Aber heute hat er viel, vielmehr Platz als früher. Und die Men-schen quälen ihn nicht mehr, sie be-schützen ihn. Thilo Thielke

DAS AFFENDORF

Sambia

In dem Dorf leben Menschenund Schimpansen. Die Kinder der Tierpfleger haben dort sogar eine eigene Schule.