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8 7 6 5 4 3 1 2 3 2 DEN CLOWN IN UNS ENTDECKEN! 66 Was ist eigentlich ein Clown? 68 Was können wir von einem Clown für unseren (Pferde-)Alltag lernen? 70 Worauf warten Sie noch? 79 UND WAS HABE ICH DAVON? SO LERNEN PFERDE 82 Die verschiedenen Möglichkeiten zu lernen 85 Alles eine Frage der Motivation 93 Die Kommunikation mit unserem Pferde-Schüler 95 Gedanken zum Loben 97 Gedanken zum Einsatz von unangenehmer Einwirkung 101 Kommunikation ohne Manipulation – eine Utopie? 104 WANN SIND WIR „ZIRKUSREIF“? 110 Voraussetzungen beim Pferd 113 Vertrauen zu Mensch und Ausrüstung 119 Voraussetzungen beim Menschen 121 Zirkuslektionen altersgemäß! 125 Gesundheitliche Aspekte beim Menschen 127 SO VIEL WIE NÖTIG, SO WENIG WIE MÖGLICH – HILFEN UND HILFSMITTEL 128 Die Stimme 131 Die Gerte – der verlängerte Arm 134 Halfter und Zäumung 135 Beinlonge ja oder nein? 137 Die Hilfsperson 138 SICHERHEITSASPEKTE FÜR PFERD UND MENSCH 140 Der Spielplatz 142 Bitte aufgewärmt! 144 Die Geister, die ich rief – und wenn mein Pferd nicht mehr aufhört damit? 146 Gibt es Lektionen, die mein Pferd lieber nicht lernen sollte? 149 DANKSAGUNG 6 VORWORT VON RICHARD HINRICHS 8 EINLEITUNG 10 ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT 14 Glanz und Gloria: Der Zirkus und seine Pferde 19 Der Mann der Stunde – Philip Astley 19 Zirkusdynastien und Stars in der Manege 23 Die Klassische Dressur und der Zirkus 30 Ausblick 34 SO EIN „ZIRKUS“ – UND DOCH SINNVOLL! 36 „Zirkuslektionen“ sind natürlich 37 Positive Auswirkungen der Zirkusarbeit ... 39 ... auf den Pferdekörper … 39 ... und auf die Pferdepsyche 42 Auch der Mensch bleibt nicht verschont 43 UNSER KÖRPER ALS KOMMUNIKATIONSMITTEL: Die „Krone der Schöpfung“ quasselt, nuschelt, lügt und stottert! 46 Der Körper schweigt nie – unbewusste Körpersprache und der bewusste Körpereinsatz 49 Ich spüre mich und meinen Körper – Übungen zu mehr Bewusstsein 53 Ein klarer Ausdruck braucht ein Inneres Bild 56 Spannend! Wie Sie Energie und Spannung richtig dosieren 60 Weitere Übungen und Spiele aus der Theaterarbeit 63 Inhalt

DEN CLOWN IN UNS ENTDECKEN! Inhalt 5 6 7 - kraemer.deWS/kraemer-pferdesport/websale8_shop-kraemer... · pertoire des Pferdes, welches der Mensch lediglich kultiviert hat. Zirkuslektionen

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87

65

4

3

12

32

DEN CLOWN IN UNS ENTDECKEN! 66

Was ist eigentlich ein Clown? 68

Was können wir von einem Clown für unseren (Pferde-)Alltag lernen? 70

Worauf warten Sie noch? 79

UND WAS HABE ICH DAVON? SO LERNEN PFERDE 82

Die verschiedenen Möglichkeiten zu lernen 85

Alles eine Frage der Motivation 93

Die Kommunikation mit unserem Pferde-Schüler 95

Gedanken zum Loben 97

Gedanken zum Einsatz von unangenehmer Einwirkung 101

Kommunikation ohne Manipulation – eine Utopie? 104

WANN SIND WIR „ZIRKUSREIF“? 110

Voraussetzungen beim Pferd 113

Vertrauen zu Mensch und Ausrüstung 119

Voraussetzungen beim Menschen 121

Zirkuslektionen altersgemäß! 125

Gesundheitliche Aspekte beim Menschen 127

SO VIEL WIE NÖTIG, SO WENIG WIE MÖGLICH – HILFEN UND HILFSMITTEL 128

Die Stimme 131

Die Gerte – der verlängerte Arm 134

Halfter und Zäumung 135

Beinlonge ja oder nein? 137

Die Hilfsperson 138

SICHERHEITSASPEKTE FÜR PFERD UND MENSCH 140

Der Spielplatz 142

Bitte aufgewärmt! 144

Die Geister, die ich rief – und wenn mein Pferd nicht mehr aufhört damit? 146

Gibt es Lektionen, die mein Pferd lieber nicht lernen sollte? 149

DANKSAGUNG 6

VORWORT VON RICHARD HINRICHS 8

EINLEITUNG 10

ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT 14

Glanz und Gloria: Der Zirkus und seine Pferde 19

Der Mann der Stunde – Philip Astley 19

Zirkusdynastien und Stars in der Manege 23

Die Klassische Dressur und der Zirkus 30

Ausblick 34

SO EIN „ZIRKUS“ – UND DOCH SINNVOLL! 36

„Zirkuslektionen“ sind natürlich 37

Positive Auswirkungen der Zirkusarbeit ... 39

... auf den Pferdekörper … 39

... und auf die Pferdepsyche 42

Auch der Mensch bleibt nicht verschont 43

UNSER KÖRPER ALS KOMMUNIKATIONSMITTEL: Die „Krone der Schöpfung“ quasselt, nuschelt, lügt und stottert! 46

Der Körper schweigt nie – unbewusste Körpersprache

und der bewusste Körpereinsatz 49

Ich spüre mich und meinen Körper – Übungen zu mehr Bewusstsein 53

Ein klarer Ausdruck braucht ein Inneres Bild 56

Spannend! Wie Sie Energie und Spannung richtig dosieren 60

Weitere Übungen und Spiele aus der Theaterarbeit 63

Inhalt

11

54

1213

910

DER PFERDE-KNIGGE 150

Abstand und Nähe 152

Die Aufmerksamkeit 156

Führen will gelernt sein 158

Führpositionen 159

Wer bewegt wen? 166

Wie angewurzelt 171

VON DER PFLICHT ZUR KÜR – WEITERE VORBEREITENDE ÜBUNGEN 174

Über das Dehnen 175

Geschickt über Stangen 181

Touchieren der Beine 183

Immer der Hand nach 186

JETZT GEHT’S LOS!ZIRKUSLEKTIONEN „EN DETAIL“ 188

Womit fangen wir an? 189

Die Übungseinheit 190

Geschmeidig wie eine Katze – DAS PLIE 192

Mit Kultur und Eleganz – DAS KOMPLIMENT 198

Auf dem Weg nach unten – DAS KNIEN 210

Voller Vertrauen – DAS LIEGEN 219

Für Athleten und Komiker – DAS SITZEN 235

Im Parademarsch – ÜBER DIE POLKA ZUM SPANISCHEN SCHRITT 242

Stolz und erhaben – DER SPANISCHE GRUSS 254

Hoch hinauf – DAS PODEST 260

Ziemlich beeindruckend – DAS STEIGEN 270

Ganz schön nützlich – DAS APPORTIEREN 279

Frech und lustig – DAS SCHUBS-SPIEL 287

Das macht Spaß – JA UND NEIN SAGEN, LACHEN UND GÄHNEN 293

Wie im Ballett – DAS BEINEKREUZEN 300

Einfach praktisch – DAS EINPARKEN 304

Ententanz – DA WACKELT DER PO 309

UND UNTER DEM SATTEL? 314

Worauf sollten Sie achten? 316

Wie wird’s gemacht? 320

UNSER ERSTER AUFTRITT! 324

Showsicherheit – damit wir nicht aus allen Wolken fallen 326

Langfristige Vorbereitung 327

Am Auftrittstag 329

Die Verpackung macht viel aus! 333

Die wirklich wichtigen „W-Fragen“ 334

Die Musik kann viel bewirken 339

Das Spiel mit dem Publikum 341

Ein Pferd ist keine Maschine – die Kunst der Improvisation 345

SCHLUSSWORT 348

ANHANG

Das Team 350

Zum Weiterlesen 351

Quellenverzeichnis 353

Nützliche Adressen 354

Impressum 355

Register 356

I

7

Ich möchte mich an dieser Stelle von ganzem Herzen bei allen bedanken, die die Entstehung die-

ses Buches mit ermöglicht haben. Besonders erwähnen möchte ich dabei: Meine Mitautorin

Nicole Künzel, die mir immer wieder Antrieb und neue Motivation gegeben hat und ohne die

ich niemals auf diese Idee gekommen wäre. Meine Wohngemeinschafts-Wahlfamilie Antje, Tho-

mas und Ronja, die mich aufgemuntert, unterstützt und mir den Rücken freigehalten hat sowie

meinen Clowns-Partner Hendrik, der mir mit Rat und Tat zur Seite stand. Meine Eltern, die

mich mein Leben lang darin bestärkt haben, meinen Weg zu gehen und zu versuchen, meine

Träume zu leben. Meine Lehrer, die meine reiterliche Laufbahn geprägt und die ihr Wissen und

ihre Erfahrung großzügig geteilt haben. Alle meine Freunde, Schüler und deren Pferde, mit und

von denen ich viel lernen durfte und für die ich während der Entstehung dieses Buches wenig Zeit

hatte. Und natürlich möchte ich den geduldigsten Partnern und strengsten Lehrern überhaupt

danken: meinen Pferden Robin und Tamino, meinem Hund Findus sowie allen anderen Tieren,

die meine Fehler und Schwächen ertragen und mir unendlich viel geschenkt haben.

Heidrun Hafen

Ich danke all den lieben Menschen, die mich auf meinem Weg begleiten und natürlich all den

großen und kleinen Wuschelpferden dafür, dass sie mit mir durch dick und dünn gehen. Ich be-

danke mich bei meinen Eltern für die Unterstützung auf meinem reiterlichen Weg und ich danke

meinem Lebensgefährten Andreas, für die Unterstützung all meiner Projekte und seine Geduld:

Es ist schön, dass es dich gibt! Ich liebe dich! Ich danke dir liebe Heidi, für unsere wundervolle und

lehrreiche Zusammenarbeit – es hat mir immer viel Spaß gemacht! Meinen bisherigen Ausbildern

danke ich für ihre Inspiration und all das, was ich von ihnen lernen durfte. Familie Drost danke

ich für die vielen schönen Stunden auf Ihrem Hof.

Nicole Künzel

Unser gemeinsamer Dank gilt unserer Verlegerin Isabella Sonntag, die uns so viel künstlerische

Freiheit gegeben hat, unserer wunderbaren Fotografin Antje Wolff, unserer Lektorin Christa-

Maria Ossapofsky und unserer Grafikerin Christine Orterer: Es war schön, mit euch zusam-

menzuarbeiten. Wir bedanken uns auch bei Kirsten Becker für ihre fachliche veterinär-

medizinische Unterstützung und bei der Verhaltensbiologin Marlitt Wendt für ihre fachliche

Unterstützung zum Thema Lernverhalten bei Pferden. Wir danken all den engagierten und

geduldigen zwei- und vierbeinigen Models; unserem langjährigen Ausbilder Richard Hinrichs

und Hendrik Becker vom Theater Löwenherz. Für die Nutzung ihrer Anlagen danken wir: Ethel

und Felix Opländer; Klaus Köhler vom Circus Belly; Alexander und Kerstin Hogreve und dem

TSV Wettmar. Weiter bedanken wir uns bei Britta Stühren vom Pferdemuseum in Verden sowie

der Firma Uniqcorn exceptionnel für die exklusiven Reithosen.

DANKSAGUNG

Alles Zirkus !?

DANKSAGUNGvon Heidrun Hafen & Nicole Künzel

9

VORWORT

Alles Zirkus !?

Diese Elemente beeinflussen das Verhalten der Menschen seit jeher. Dazu gehörten im antiken

Griechenland und im alten Rom bereits Pferderennen, die die Zuschauer in ihren Bann zogen.

Schon bei den olympischen Spielen in Griechenland sind Wettbewerbe mit Pferden seit dem

Jahre 680 vor Christus nachgewiesen. Abweichend von dem Prinzip, dass dabei in dieser Zeit

sonst nur Männer als Sportler aktiv sein konnten, steigerte man den Unterhaltungswert der hip-

pischen Bewerbe noch dadurch, dass man auch Frauen als aktive Teilnehmerinnen zuließ und

sportliche und zirzensische Elemente miteinander verband.

Die Faszination des außergewöhnlichen Zusammenwirkens von Mensch und Pferd hält wei-

terhin an, auch wenn der Circus Maximus nicht mehr genutzt wird und andere Formen gefun-

den werden, um die Verbindung von Mensch und Pferd immer neu in Szene zu setzen.

Die Autorinnen des vorliegenden Buches haben sich der Aufgabe gestellt, vor dem Hinter-

grund der geschichtlichen Entwicklung der Dressur im Zirkus viele unterschiedliche Vorausset-

zungen zusammenzustellen und zu erläutern, die einen erfolgreichen vertrauensvollen Umgang

mit dem Pferd ermöglichen. Beide, Heidrun Hafen und Nicole Künzel, haben Erfahrung aus der

Praxis der klassischen Reiterei. Sie zeigen auf, dass zirzensische Lektionen mit klassischen Prin-

zipien vereinbar sein können. Dazu werden – stets pro Pferd – Sichtweisen aus unterschiedli-

chen Perspektiven aufgezeigt, zum Beispiel auch aus dem Bereich der Veterinärmedizin. Neben

klaren Ausbildungsanweisungen werden außerdem Möglichkeiten eröffnet, sich für die Arbeit

mit dem Pferd immer wieder selbst zu analysieren und an sich zu arbeiten. Das dürfte für viele

Leser neu, manchmal unbequem und dennoch attraktiv sein.

Das Buch lädt dazu ein, auf der Grundlage der dargestellten Informationen eigenständig zu

denken, zu neuen Erkenntnissen zu kommen und sie praktisch umzusetzen.

Nur wenn alle wesentlichen Voraussetzungen beachtet und realisiert werden, stellt sich Er-

folg mit Pferden nachhaltig ein. Dazu kann das Buch einen effizienten Beitrag leisten. Deshalb ist

ihm eine weite Verbreitung zu wünschen – zur Freude der Menschen und zum Wohle der Pferde!

Richard Hinrichs(Präsident des Bundesverbandes für klassisch-barocke Reiterei Deutschland)

PANEM ET CIRCENSES – BROT UND SPIELE

VORWORTvon Richard Hinrichs

Z11

Zirkuslektionen – von vielen Menschen geliebt, von anderen als „Pudeldressur“ abgetan. Was hat

es mit ihnen auf sich?

Sehen Sie in die Augen eines Pferdes, wenn es zum ersten Mal mit seinen Vorderhufen auf

einem Podest steht oder seine ersten Spanischen Schritte zeigt: Ist es entsprechend vorbereitet,

werden Sie Stolz und ein Leuchten in seinen Augen erkennen.

Gemeinsam mit einem Pferd, das vor Ihnen fröhlich steigt oder sich vertrauensvoll ablegt,

können Sie beim Publikum viele „Oh’s“ und „Ah’s“ erhaschen. Gerade diese Übungen rufen eine

besondere Faszination hervor, denn einerseits wird hier die unberechenbare Wildheit, die Schön-

heit und die Kraft des Pferdes in kultivierte Bahnen gelenkt, andererseits werden die tiefe Ver-

bundenheit und das große Vertrauen zwischen dem Menschen und dem Fluchttier Pferd deutlich

spürbar. Auch spaßige Übungen wie das Lachen oder das Rechnen faszinieren gerade die kleinen

Zuschauer, da die Pferde hier Dinge zeigen, die einem Tier sonst nicht zugetraut werden. Diese

Lektionen sind jedoch alle kein Zauberwerk, sondern zählen ebenfalls zu dem natürlichen Re-

pertoire des Pferdes, welches der Mensch lediglich kultiviert hat.

Zirkuslektionen machen also Spaß: dem Pferd, dem Menschen, dem Publikum – jedoch nur,

solange die Würde des Pferdes dabei gewahrt bleibt.

EINLEITUNG

Alles Zirkus!?

EINLEITUNG

„Komm und spiel mit mir”, schlug ihm der kleine Prinz vor. „Ich bin so traurig...” „Ich kann nicht mit dir spielen”, sagte der Fuchs. „Ich bin noch nicht gezähmt!”

„Ah, Verzeihung!” sagte der kleine Prinz. Aber nach einiger Überlegung fügte er hinzu: „Was bedeutet das: ‚zähmen'?” [...]

„Das ist eine in Vergessenheit geratene Sache”, sagte der Fuchs. „Es bedeutet: sich ‚vertraut machen'.”

„Vertraut machen?” „Gewiß”, sagte der Fuchs. „Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe,

der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchstmich ebensowenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht.

Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig seinin der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt...”

„Ich beginne zu verstehen”, sagte der kleine Prinz.

Aus Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz. Rauch Verlag, Düsseldorf, 2000.

13

viduellen, gemeinsamen Weg zu finden. Bei all diesem werden uns unsere Ponys Robin Rotfleck

und Pony-Pony mit fachlichen und kritischen Kommentaren aus der Sicht der Pferde beraten. Es

ist uns eine Herzensangelegenheit, immer wieder daran zu erinnern, dass Liebe und Freund-

schaft zwischen Mensch und Pferd während der „Arbeit“ das Wichtigste sind. In unserer Leis-

tungsgesellschaft geht es um eine hohe Effizienz in möglichst kurzer Zeit. An manchen Stellen

hat das durchaus seine Berechtigung, aber zum Leben gehört eben auch die andere Seite: Das

Sich-Fallenlassen-Können, die Fähigkeit, den Moment zu genießen und sich selbst zu spüren. Die

Pferde können uns lehren, wieder vermehrt zur Natur, zu uns selbst zurückzukehren, sich ganz

dem Augenblick hinzugeben, verspielt zu sein und etwas ganz ohne Ziel zu tun, einfach weil es

gerade Freude macht. Hören wir ihnen zu, sind sie dabei die geduldigsten und besten Lehrmeis-

ter. Denken Sie stets daran!

Bevor Sie nun ungeduldig mit den Hufen, oder besser Füßen zu scharren beginnen, geht es

jetzt richtig los!

Ihre Heidrun Hafen und Nicole Künzel

EINLEITUNG

Alles Zirkus !?

12

Wie bei der Ausbildung von Dressurlektionen, findet auch bei dem Erarbeiten von zirzensi-

schen Lektionen Dressur statt und zwar auf der physischen wie auf der psychischen Ebene. In bei-

den Fällen nutzen wir das natürliche Verhaltensrepertoire des Pferdes, um dieses durch eine

sinnvolle, gezielte und vertrauensvolle Ausbildung auf ein Signal hin abrufbar zu machen. In der

Klassischen wie in der zirzensischen Dressur gelten dabei dieselben Grundsätze, nämlich dass das

Pferd keinerlei Gewaltanwendung erfahren darf. Es soll vielmehr durch einen erfahrenen Aus-

bilder unter Einbeziehung der ethischen Grundsätze sowie des Wissens über Anatomie und Bio-

mechanik dazu befähigt werden, das von ihm Verlangte mit vollster Leichtigkeit und Freude

ausführen zu können. Hierbei ist es die Aufgabe des Ausbilders herauszufinden, wo die Stärken

und Schwächen des Pferdes liegen und diese zu fördern oder auszugleichen.

Wir möchten Sie auf eine Reise in die Welt der Zirkuslektionen für Pferde einladen. Dabei

werfen wir einen kurzen Blick in die Geschichte, denn das Ausbilden von Pferden in den unter-

schiedlichsten zirzensischen Lektionen begeistert jung und alt schon seit vielen Jahrhunderten

und ist keine neue „Erfindung“. Im Gegenteil: Die Zirkusreiterei war einst eine hochangesehene

Form der Reiterei, die eng mit der klassischen Dressurausbildung verbunden war. In der Manege

waren Dressurlektionen und andere Übungen meist in einer Darbietung vereint. Weiter möch-

ten wir den Bogen dahingehend spannen, wie sinnvoll Zirkuslektionen auch für die Gymnasti-

zierung des Pferdes sind und wie viel Abwechslung sie im Pferde- und Reiteralltag bieten. Sie,

liebe Leser, sollen natürlich auch nicht zu kurz kommen! Wir zeigen Ihnen, wie Sie das Timing

Ihrer Hilfengebung verbessern können und laden Sie zu einem Ausflug in die Clownerie sowie

in die Theater- und Körperarbeit ein, bei dem Sie viel über und für sich selbst lernen können.

Und ebenso vergessen wir das Wichtigste nicht: die praktische Umsetzung der Zirkuslektionen!

Wir begleiten Sie und Ihr Pferd Schritt für Schritt auf Ihrem Weg zum „Star in der Manege“ und

stellen Ihnen dabei unseren großen Erfahrungsschatz zur Verfügung. Da es unserer Meinung

nach meist mehrere Möglichkeiten gibt, ein Ziel zu erreichen, möchten wir Sie dazu ermuntern,

je nach Situation, Pferdetyp oder der Vorliebe Ihres Pferdes und Ihrer eigenen, einen ganz indi-

EINLEITUNG

Alles Zirkus !?

„Ich bin mir allzeit im Klaren, dass meine wichtigste Verantwortung gegenüber demPferd darin besteht, dass es glücklich ist und Spaß an dem hat, was es tut.“

Aus Magali Delgado und Frédéric Pignon: Achtung – Respekt – Würde.Wu Wei Verlag, Schondorf, 2010.

15

ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT

Alles Zirkus !?

„Gehen Sie in den Zirkus. Es ist ein gewaltiges rundes Becken, in dem alles sich kreisförmig bewegt.

Unentwegt. In steter Folge. Gehen Sie in den Zirkus. Lösen Sie sich von Ihren Rechtecken, von Ihren geometrischen Fenstern,

und reisen Sie in das Land der sich bewegenden Kreise. Sprengen Sie die Grenzen, wachsen Sie, streben Sie nach Freiheit [...].“

Fernand Léger aus Stephanie Haerdle: Amazonen der Arena.Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 2010. I

Stars der Manege – Christel-Sembach Krone 1976 mit der dressierten Giraffe Baluku.

ZIRKUSLEKTIONENIM WANDEL DER ZEIT

1In unserer heutigen Welt, in der uns Internet, Fernsehen, Kino und viele weitere „Attraktionen“

in ihren Bann ziehen, ist es kaum noch vorstellbar, welch hohen gesellschaftlichen Stellenwert

der Zirkus für einen langen Zeitraum innehatte. Das war eine geheimnisvolle und zauberhafte

Welt, die all die Wunschträume widerspiegelte, die in fast jedem von uns wohnen: Den Drang

nach Abenteuer, Mut, Magie, Erotik, Unmöglichem, ja, nach dem Wunsch, Übermenschliches

1716

ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT

Alles Zirkus !?

wahr werden zu lassen – kurz, das Eintauchen in eine andere Welt. Die Artisten tanzten über

hohe Seile, verbogen ihre Körper, dressierten wilde Tiere, vollführten die wagehalsigsten Num-

mern zu Pferde. Dieses Verlangen und diese Suche nach dem Überirdischen lassen sich über Jahr-

tausende hinweg verfolgen.

Seit Jahrtausenden hat der Mensch das Pferd domestiziert, sich als Haustier nutzbar gemacht

und es dressiert. Im Laufe der Zeit erlangte es eine immer größere Bedeutung in der Welt der

Menschen. Ebenso lange bestand ein großer Reiz darin, Pferde Kunststücke vollführen zu lassen

die das Publikum in Erstaunen versetzten. Pferde zeigten beispielsweise Rechenkunststücke, ap-

portierten, stiegen oder legten sich ab.

In zahlreichen Aufzeichnungen wird dokumentiert, dass in Ägypten in der Pfeilerhalle des

Totentempels der Hatschepsut in Theben, erbaut vor circa 1500 Jahren vor Christus, eine Ab-

bildung zu sehen ist, auf der ein Reiter neben der Kruppe seines galoppierenden Pferdes hängt.

Von Chronisten des chinesischen Kaisers sollen circa 4000 Jahre alte Aufzeichnungen bestehen,

die bezeugen, dass schon damals Kunststücke mit und zu Pferde vorgeführt wurden. Auch aus

der Assyrerzeit, um circa 1000 vor Christus sollen Reliefdarstellungen zu diesem Thema exis-

tieren.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die folgende Quelle, von Joseph Halperson aus sei-

nem Buch vom Zirkus: „So findet sich in Leo Allatius’ Sammlung griechischer Rhetoren und Sophisten

nachstehende Beschreibung von Kunststücken der Pferde eines Königs von Babylon: ‚Sie strecken sich

auf den Boden und legen sich dann ganz auf die Erde nieder, andere stürzen auf die Knie, als woll-

ten sie den Reiter anbeten, den sie aufsitzen lassen wollen. Ihr Rücken beugt sich dann langsam und

erhebt sich schlangenartig wieder. Ein solches Pferd lernt die Füße rhythmisch setzen, Stellungen ein-

nehmen, nach dem Takte wiehern, mit den Augen blinzeln (?), den Kopf hochnehmen und schütteln,

sich auf die Kruppe setzen und alles, was sonst ein Athlet auf dem Theater produziert.’“

ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT

Alles Zirkus!?

Bereits der griechische Philosoph Xenophon (circa 430-355 vor Christus), welcher als Be-

gründer der Hippologie gilt, hinterließ mit seinen Schriften Von den Pflichten eines Reiteranfüh-

rers (Hipparchikos) und Über die Reitkunst (Peri Hippikes) zwei der ältesten bekannten Reitlehren,

die bis heute die Klassische Dressurausbildung der Pferde prägen. In letzterem Werk (aus der

Übersetzung des Erich Hoffmann Verlags, Heidenheim, 1962) schreibt er: „Wenn der Reitknecht

dem Reiter das Pferd übergibt, so ist es nicht gerade tadelnswert, wenn das Pferd sich so lang zu strecken

versteht, daß man es leicht besteigen kann.“ Diese Beschreibung könnte ein Hinweis darauf sein,

dass hier höchstwahrscheinlich das Plié genutzt wurde, um den Reiter aufsitzen zu lassen.

Im alten Rom sollen um 329 vor Christus im Circus Maximus nicht nur Gladiatorenwett-

kämpfe oder blutrünstige Kämpfe mit Tieren stattgefunden haben, sondern es wurden auch „dres-

sierte Pferde gezeigt, die in ganzen Gruppen nebeneinander liefen und ‚Figuren’ gebildet haben sollen.

Pferdedressuren und Gladiatorenspiele bildeten mitunter selbständige Schauprogramme.“, so be-

schreibt es Hermann Dembeck in Manege frei!.

„Bei allen Völkern finden wir mythologische Gestalten, in denen sich die Wunschträume [...] verkörpern, ich will nur erinnern an

Herakles (Athlet), Ikaros (Flieger), Orpheus (Tierbändiger). Es ist kein Zufall, daß die Ahnen der heutigen Artisten überall –

in Hochasien, Vorderasien, Griechenland, aber auch im Amerika der Konquistadoren – zuerst in der Nähe von Tempeln auftauchen.“

Aus August Heinrich Kober: Ich wanderte mit dem Zirkus.Verlag der Frankfurter Bücher, 1958.

Der Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert zeigt ein apportierendes, sitzendes Pferd, welches wohl auch „zählen“ konnte.

19

GLANZ UND GLORIA: DER ZIRKUS UND SEINE PFERDE

Der moderne Zirkus entwickelte sich im 18. Jahrhundert aus den umherziehenden Kunstreiter-

gesellschaften, die mit langen Planwagen-Konvois von einem Ort zum anderen reisten. Die Pferde

waren mit ihren Voltigen, Freiheitsdressuren oder Kunststücken neben den Akrobaten, Raub-

tierdompteuren und kuriosen Figuren von großer Bedeutung.

Es entstanden bald auch feste Bauten, zunächst aus Holz und später aus Stein, in denen ent-

weder wechselnde Zirkusgesellschaften gastierten oder sich eine Truppe ganz niederließ. In die-

sen Arenen wurden komplette Theaterstücke vorgeführt sowie Schlacht- und Eroberungsszenen

nachgestellt, in denen dressierte Pferde eine tragende Rolle spielten. Schon 1764 lud der britische

Kunstreiter Jacob Bates in Moskau in sein Amphitheater mit runder Manege ein.

DER MANN DER STUNDE – PHILIP ASTLEYDie Gründung des eigentlichen Zirkus’ schreiben viele Historiker jedoch Philip Astley (1742-

1814) zu. War er zunächst noch bei der britischen Kavallerie als Oberfeldwebel im Dienst, quit-

tierte er diesen später, um sich ganz der Pferdeausbildung zu widmen. Er galt als hervorragender

Reiter, dem es Freude machte, Pferden allerlei Kunststücke beizubringen. Er war ein Ausbilder,

der eine Symbiose aus der Klassischen Dressur, welche er während seiner militärischen Laufbahn

in ausgezeichneter Weise erlernt haben soll, und der Zirkusarbeit schuf. 1768 gründete er eine

Reitschule in London, in der er auch seine Künste präsentierte: „Am Nachmittag, wenn der Un-

terricht beendet war, gab Astley gemeinsam mit seiner Frau Kunstreiter- und Dressurvorstellungen.

Ein Vorgesetzter hatte ihm zum Abschied ein spanisches Reitpferd geschenkt; dieses Soldatenpferd ließ

ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT

Alles Zirkus !?

18

Auch im Mittelalter und den späteren Epochen wurden Pferden Zirkuskunststücke beige-

bracht. So wird von Marlies Lehmann-Brune in ihrem Buch Die Althoffs – Geschichte und Ge-

schichten um die größte Circusdynastie der Welt berichtet, dass in einer Handschrift aus dem 14.

Jahrhundert ein „tanzendes“ Pferd als Miniatur abgebildet ist. Jedoch machte die Inquisition nicht

einmal vor dressierten Pferden und ihren Besitzern halt, denn sie beschreibt weiter: „So machte

man 1610 in Frankreich einem Pferd den Prozeß. Samt seinem Herrn, der ihm einige Kunststücke bei-

gebracht hatte, sollte es als Zauberer verbrannt werden.“Weiter zitiert sie von einem Ankündi-

gungszettel von Daniel Schmidt, der 1691 in Wien ein dressiertes Pferd mit folgenden Worten

vorstellte: „Jedermänniglich seye bekannt gemacht, daß allhier ein trefflich Holländisch Pferd ist an-

gekommen, welches allerley rare und schöne Künste machet, [...].Verstehet auch die Schlag-Uhr, und

den Zeiger, so es mit soviel Stößen des Fußes weiset: [...]. Es kennt auch die Zahl der Augen auf den

Würfeln. Es gehet auch mit einem Amper herum, das Geld zu sammeln.“

ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT

Alles Zirkus !?

Dieser Anschlagzettel der Artistenfamilie Chiarinis ist wahrscheinlich Ende des 18. oder Anfang des 19.Jahrhunderts entstanden. Das Pferd zeigt vielerlei Kunststücke, so das Apportieren, das Balancieren, Rech-nen und es konnte sich offenbar auch auf den Rücken legen.

„Karl Sembach berichtet von den edelsten hier befindlichen Vollblütern und von der Wie-dererweckung des Interesses für schöne Pferde. Früher bekundeten in erster Linie die

Offiziere der Armee und die Fürstlichkeiten aller Länder ihre Zuneigung für das schönePferd und das Wissen um die Schwierigkeiten der Dressur. Heute gibt es kaum einenZirkusbesucher, dessen Hauptinteresse nicht dem Pferde und seinen Leistungen gälte.

Das Verständnis für schöne Pferde ist mit eine Folge der Ausbreitung des Sportgedan-kens in den breitesten Kreisen! Wir erleben gegenwärtig geradezu eine

Renaissance der Zirkusbegeisterung und der Zirkusfreunde.“

Aus Hermann Dembeck:Manege frei! Büchergilde Gutenberg Berlin, 1937.

20

Astley mit den Hufen das Datum klopfen, seinen Namen in den Sand schreiben, im Publikum die Be-

sitzer bestimmter Gegenstände ausmachen, sich schlafend oder tot stellen.“ Aus Sylke Kirschnick:

Manege frei! Die Kulturgeschichte des Zirkus.

1773 eröffnete Astley ein überdachtes Amphitheater in London, welches in Bezug auf die Aus-

stattung mit einer runden Manege, einem Orchestergraben sowie Zuschauerrängen wegweisend

wurde. Hiernach folgte unter anderem noch eines in Paris. Astley selbst soll eine Abneigung gegen das

Wort Zirkus gehabt haben, er bevorzugte für sein Institut den Begriff Amphitheater oder Theater.

ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT

Alles Zirkus !?

WARUM IST DIE MANEGE RUND?

Die runde Manege ist ein Symbol für den Zirkus. Sie entstand wohl als Hilfestellung für

die Akteure der vielen, sich in ihrem Schwierigkeitsgrad zunehmend steigernden Voltige-

Nummern mit Kunststücken am und auf dem Pferd. Die Begrenzung sorgte für mehr Si-

cherheit, da sie einen exakten Zirkel vorgab und so das Gleichmaß der Bewegungen des

Pferdes sicherte, sodass beispielsweise die Anzahl der Galoppsprünge einer Runde gleich

blieb. Philip Astley soll den, in den meisten Zirkussen anzutreffenden Durchmesser der

Manege von 13 Metern, geprägt haben. Zur Größe der Manege lassen wir noch einmal Carl

Sembach zu Wort kommen: „Unsere Manege hat den Durchmesser von dreizehn Meter, eine

Größe, die in den meisten Großzirkussen angetroffen wird. Es gibt aber auch noch eine ‚Über-

größe’, das ist die seltenere Sechzehnmeter-Manege. Die kleinen Zirkusse verwenden Manegen

von einem Durchmesser von zehn und elf Meter. In den französischen Zirkussen hat die Ma-

nege nur neun Meter Durchmesser.“Vom Zirkus Sarrasani wird berichtet, dass er sogar eine

Manege mit 17 Metern Durchmesser besessen hätte.

Gerhard Zapff beschreibt in seinem Werk Pferde im Roten Ring, dass die Erfindung des

sogenannten „Roten Rings“ im 19. Jahrhundert Eduard Wollschläger zugeschrieben wird.

Der „Rote Ring“ war eine weiße, circa 40 Zentimeter breite, mit einem roten Läufer aus-

gelegte Holzumrandung, die sogenannte„Piste“, die von nun an die Manege umrahmte. Er

berichtet weiter, dass Eduard Wollschläger auf diesem schmalen Streifen 1846 vor dem

Brandenburger Tor Lektionen der Hohen Schule zeigte. Diese Form der Manegeneinfas-

sung etablierte sich im Folgenden weltweit und ist auch heute noch im Zirkus zu sehen.